Landgericht München I Endurteil, 04. Apr. 2017 - 14 S 284/17

bei uns veröffentlicht am04.04.2017
vorgehend
Amtsgericht München, 452 C 14701/16, 07.12.2016

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.12.2016, Az. 452 C 14701/16 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist verläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.05.2017 bewilligt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Zusammenfassend bzw. ergänzend hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

Die Parteien streiten nunmehr in zweiter Instanz um Räumung und Herausgabe einer von der Beklagten mit Vertrag vom 07.08.1974 angemieteten 2-Zimmer-Wohnung in München, .... Die Klägerin ist im Wege der Rechtsnachfolge auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten. Zwischen den Parteien herrscht seit Jahren Streit darüber, ob andere Nutzer von Wohnungen im streitgegenständlichen Anwesen Trocknerabluft in den Frischluftschacht des innenliegenden Bades der Beklagten in der im zweiten Stock gelegenen Wohnung einleiten. Wegen aus ihrer Sicht unzutreffenden tatsächlichen Äußerungen der Beklagten mahnte die Klägerin die Beklagte mehrfach ab, es existierte ein umfangreicher Schriftsatzwechsel, in dem u.a. auf Seiten der Beklagten auch der Mieterverein München involviert war. Ob tatsächlich Trocknerabluft über den Frischluftschacht in das Bad der Beklagten gelangt, ist zwischen den Parteien nach wie vor streitig und ungeklärt.

Im Februar 2014 wurde im streitgegenständlichen Anwesen die zentrale Schließanlage ausgewechselt und erneuert. Für jede Wohnung wurden insgesamt 3 Schlüssel ausgegeben. Gegenüber der ... welche den Austausch der zentralen Schließanlage durchführte, bestätigte die Beklagte mit Datum 21.02.2014 den Erhalt – aller – drei Schlüssel. Aus der vorgelegten Schlüsseldokumentation (Anlage K 9, Bl. 60 d.A.) ergibt sich, dass die Montage am 21.02.2014 erfolgte und die Beklagte den Erhalt der Schlüssel mit dem Datum 21.02.2014 mit eigenhändiger Unterschriftsleistung bestätigte.

Am 12.05.2016 erstattete die Beklagte Strafanzeige gegen die Klägerin beim Kommissariat 64 des Polizeipräsidiums München wegen Diebstahls und Hausfriedensbruch und stellte gleichzeitig Strafantrag gegen die Klägerin. Aus der schriftlichen Zeugenvernehmung der Beklagten (Bl. 70 f. d.A.) ergibt sich, dass die Beklagte eigenen Angaben nach am 08.05.2016 gegen 22.30 Uhr nach einer einwöchigen Urlaubsabwesenheit in ihre Wohnung zurückgekehrt sein soll und hierbei den Verlust eines Stapels von Dokumenten festgestellt haben möchte, den sie zur Vorbereitung einer Instandsetzungsklage gegen die Klägerin vor der Urlaubsreise auf einer Heimorgel abgelegt haben will.

Wörtlich ergibt sich aus der Zeugenvernehmung der Beklagten vom 12.05.2016 Folgendes:

„Als ich am 08.05.2016 dann wieder in die Wohnung kam, fiel mir sofort auf, dass der Stapel Papier weg war.

Ich vermute, dass meine Vermieterin mit einem Zweitschlüssel in die Wohnung rein ist und den Stapel Papier gestohlen hat. Vermutlich will sie damit eine Instandsetzungsklage, welche ich nächste Woche stellen möchte, verhindern. Ohne diese Unterlagen wird eine Klageerhebung nämlich erheblich erschwert.

Vor ca. zwei Jahren wurden bei sämtlichen Wohnungen im Haus die Schlösser ausgetauscht. Dies lief natürlich zunächst über die jeweiligen Eigentümer der verschiedenen Wohnungen. Ich gehe davon aus, dass sich Frau ... dabei einen Zweitschlüssel machen hat lassen und mit diesem nun unbefugt in meine Wohnung eingedrungen ist. Einbruchsspuren gibt es an meiner Tür nämlich nicht. Auch sind außer den Unterlagen nichts weiteres weggekommen.

Außerdem wurden von meinem Laptop Dokumente gelöscht. Bei den Dokumenten handelte es sich um die oben bereits genannten Antwortschreiben von mir auf die Abmahnungen. Ich gehe davon aus, dass das Frau ... während meines Urlaubs gemacht hat. Der Laptop ist nicht passwortgeschützt und stand während meines Urlaubs die ganze Zeit im Wohnzimmer auf meinem Couchtisch.“

Nachdem die Klägerin von der Erstattung dieser Strafanzeige Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 10.06.2016 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Das Kündigungsschreiben wurde der Beklagten noch am gleichen Tag mittels Boten zugestellt. Wörtlich heißt es in dem Kündigungsschreiben:

„Die Beschuldigungen entbehren jeglicher Grundlage. Ich war nie während Ihrer Abwesenheit und gegen Ihren Willen in Ihrer Wohnung, zumal ich über gar keinen Schlüssel dafür verfüge. Die falsche Anschuldigung werte ich als schwerwiegende Verletzung Ihrer sich aus dem Mietvertrag ergebenden Verpflichtungen. Sie macht es für mich unzumutbar, das Mietverhältnis mit Ihnen fortzusetzen, zumal ich befürchten muss, auch in Zukunft wieder von Ihnen verleumdet oder mit einer Strafanzeige überzogen zu werden“.

Mit Verfügung vom 28.06.2016 stellte die Staatsanwaltschaft München I das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Noch vor Zugang der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft hatte die Beklagte mit Datum vom 29.06.2016 ein weiteres Schreiben an das Polizeipräsidium München verfasst, in dem sie „ergänzende Informationen zu meiner Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch, Dokumenten-Diebstahl und Löschen von Dateien auf meinem Laptop durch meine Vermieterin und Wohnungseigentümerin ... mitteilte.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben vom 29.06.2016 u.a.:

„Laut telefonischer Auskunft des Schlüsseldienstes ... vom 17.05.2016, der 2014 an allen Wohnungen im Haus ... in München-Moosach ein neues Türschloss eingebaut hat, wurden für meine Wohnung 3 Schlüssel vergeben. Ich erhielt jedoch nur 2 Schlüssel!!! Folglich hat meine Vermieterin und Wohnungseigentümerin ... ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung 1 Schlüssel einbehalten, um unbefugt in meine Wohnung einzudringen, Dokumente zu stehlen und Dateien auf meinem Laptop zu löschen. Folgende Dokumente hat meine Vermieterin ... in der Zeit vom 30.04.2016 bis 08.05.2016 aus meiner Wohnung gestohlen: ...

Um diese Instandsetzungsklage zu verhindern, hat meine Vermieterin ... belastendes Beweismaterial beiseitegeschafft.“

Nachdem der anwaltliche Vertreter der Klägerin am 09.09.2016 Akteneinsicht in die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte genommen hatte und hierbei festgestellt wurde, dass die Beklagte die Klägerin mit dem oben genannten Schreiben erneut des Diebstahls und des Hausfriedensbruches bezichtigt hatte, kündigte die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.09.2016 das Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich.

Objektive Anhaltspunkte oder Indizien für einen Diebstahl und Hausfriedensbruch durch die Klägerin gibt es nicht. Die Klägerin bestreitet die Tathandlung und trägt vor, die Wohnung der Beklagten nie in deren Abwesenheit betreten zu haben und auch nicht im Besitz eines Schlüssels zu sein.

Das Amtsgericht gab der Räumungsklage mit Endurteil vom 07.12.2016 statt. Hiergegen richtet sich die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.01.2017 eingelegte und gleichzeitig begründete Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Die Beklagte begründet die Berufung im Wesentlichen damit, dass jeder Bürger berechtigt sei, Straftaten zur Anzeige zu bringen. Die Beklagte sei bei Erstattung ihrer Strafanzeige davon ausgegangen, dass der angezeigte Sachverhalt der Wahrheit entspräche. Auch habe das Amtsgericht die Beweislast verkannt, die Beklagte müsse nur Beweis dafür anbieten, dass sie ohne Leichtfertigkeit der Auffassung sein durfte, dass sie Opfer einer von der Klägerin begangenen Straftat geworden sei. Zudem habe das Amtsgericht die Verhältnismäßigkeit der Kündigung verkannt. Angesichts eines 40 Jahre andauernden Mietverhältnisses könne nicht alleine aufgrund der Erstattung einer Strafanzeige gekündigt werden.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:

Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 07.12.2016 wird dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt:

Zurückweisung der Berufung.

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2017 beide Parteien persönlich angehört. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird im Übrigen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2017 sowie die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen, da das Amtsgericht die Beklagte zu Recht zur Räumung und Herausgabe der von ihr angemieteten Wohnung in München, ... verurteilt hat. Jedenfalls die fristlose Schriftsatzkündigung der Klägerin vom 09.09.2016 hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beendet. Die Beklagte ist daher gemäß § 546 Abs. 1 zur Räumung und Herausgabe der von ihr innegehaltenen Wohnung verpflichtet.

1) Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragspartei und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. In der Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass eine grundlose Strafanzeige gegen den anderen Vertragspartner eine schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB darstellen kann. Eine fristlose Kündigung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die erstattete Strafanzeige als leichtfertig und unangemessen zu bewerten ist oder auf frei erfundenen Tatsachen beruht (BVerfG NZM 2002, 61; BGH Urteil vom 21.12.1960, VIII ZR 50/60 unter 3d; LG Karlsruhe, Urteil vom 17.06.2014, Az. 9 S 483/13; LG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.2014, Az. 21 S 48/14; Schmidt-Futterer/Blank § 543 BGB, Rn. 193; BeckOGK BGB/Mehle § 543 Rn. 59). Ob die Erstattung einer Strafanzeige einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten darstellt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, ist von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch vom Verhalten des Angezeigten abhängig (BVerfG NZM 2002, 61). Die Erstattung einer Strafanzeige gegen die andere Vertragspartei kann, sofern die Tatsache nicht erweislich wahr ist, regelmäßig eine üble Nachrede im Sinne des § 186 StGB darstellen.

In den Fällen der Erstattung einer Strafanzeige hat der Vermieter hinsichtlich des Nachweises des Kündigungsgrundes lediglich darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Gekündigte die Anzeige erstattet hat. Sodann ist es Aufgabe des Anzeigenden – hier der Beklagten – darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Vermieter – hier die Klägerin – die angezeigte Tat entweder tatsächlich begangen hat oder sie jedenfalls im Rahmen der Anzeigeerstattung und leichtfertig, insbesondere aber in Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB gehandelt hat (Schmidt-Futterer/Blank, § 543 BGB Rn. 194, LG Karlsruhe, Urteil vom 17.06.2014, Az. 9 S 483/13 unter Rn. 10). Die Gegenauffassung, wonach ein ungeklärter Sachverhalt zu Lasten des Kündigenden gehen müsse, weil dieser die Kündigungsgründe darzulegen und zu beweisen habe, trifft nicht zu (so aber LG Frankfürt {oder} Urteil vom 15.04.2013, Az. 16 S 230/12; AG Hamburg, Urteil vom 14.04.2016, 42 C 61/15). Da sich Hintergründe und Motive einer Strafanzeige regelmäßig der Kenntnis des Angezeigten entziehen werden und er insbesondere keinerlei Angaben dazu wird machen können, ob der Anzeigende die Strafanzeige in Wahrnehmung berechtigter Interessen entsprechend § 193 StGB gemacht hat, hat zwingend der Kündigungsempfänger – hier die Beklagte – darzulegen und zu beweisen, dass sie nicht leichtfertig eine Strafanzeige gegen die Klägerin erstattet hat. Ob im Einzelfall dem Angezeigten ein höheres Beweismaß trifft, er insbesondere den angezeigten Sachverhalt substantiiert zu bestreiten hat, ist eine Frage der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. So wird man ein substantiiertes Bestreiten des angezeigten Sachverhaltes insbesondere dann annehmen können, wenn im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung des Vermieters eine Strafanzeige wegen Betruges erfolgt oder nach einer – tatsächlich erfolgten Auseinandersetzung – zwischen den Parteien etwa im Hausflur eine Strafanzeige wegen Nötigung oder Körperverletzung erfolgt.

Da vorliegend über die bloßen Angaben der Beklagten hinaus keinerlei objektiven Anhaltspunkte oder Indizien für eine Täterschaft der Klägerin vorliegen, konnte diese sich auf ein Bestreiten der Tat zurückziehen. Es oblag damit der Beklagten der Beweis, dass die Klägerin entweder die ihr vorgeworfenen Straftaten tatsächlich begangen hat oder aber sie in Wahrnehmung berechtigter Interessen eine Strafanzeige erstattet hat. Beweis hierfür hat die Beklagte indes schon nicht angetreten. Lediglich vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass sich an dem nachfolgend dargestellten Ausführungen im Ergebnis nichts ändert, wenn man der Beklagten nicht nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis die volle Beweislast dafür auferlegt, dass sie in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat, sondern sie nur eine sekundäre Behauptungslast trifft. Auch dann rechtfertigt der Verstoß unter Berücksichtigung der eigenen Ausführungen der Beklagten und des unstreitigen Vortrags die Kündigung.

2) Gemessen an diesen Vorgaben hat die Beklagte leichtfertig eine auf bloße Vermutungen gestützte Strafanzeige gegen die Klägerin wegen Diebstahls und Hausfriedensbruch erstattet. Sie hat ferner mit Schreiben vom 29.06.2016 in Kenntnis des Bestreitens der Tat und nach Erhalt einer fristlosen Kündigung diese ihre nicht bewiesenen und auf bloße Vermutung gestützten Behauptungen ausdrücklich aufrechterhalten und sogar noch verstärkt.

a) Bis auf die Vermutung oder subjektive Überzeugung der Beklagten von der Täterschaft der Klägerin hinsichtlich des angezeigten Diebstahls und Hausfriedensbruchs gibt es keinen einzigen objektiven Anhaltspunkt oder gar nur ein Indiz dafür, dass dieser Diebstahl – zumal durch die Klägerin – tatsächlich begangen worden ist. Nach den bestrittenen Angaben der Beklagten sind zwar einzelne Dokumente abhanden gekommen und wurden insgesamt vier Textdateien auf dem Laptop der Beklagten gelöscht, es finden sich allerdings keinerlei Einbruchsspuren und auch keine sonstigen objektiven Beweismittel dafür, dass der Diebstahlt tatsächlich begangen wurde. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer glaubhaft und glaubwürdig angegeben, niemals ohne Beisein der Beklagten in deren Wohnung gewesen zu sein und auch nicht in Besitz eines Schlüssels für die streitgegenständliche Wohnung zu sein. Es ist auch keinerlei Motiv für eine derartige Tatbegehung durch die Klägerin ersichtlich: Die Klägerin ist selbst in Besitz des angeblich abhanden gekommenen wechselseitigen Schriftverkehrs, zudem hätte sich die Beklagte unschwer einen Großteil der angeblich gestohlenen Dokumente (etwa Schreiben des Mietervereins) sich unschwer wieder beschaffen können. Auch liegt auf der Hand, dass die von der Beklagten geplante „Instandsetzungsklage“ nicht durch vorgerichtlichen wechselnden Schriftverkehr, sondern im Zweifel nur durch eine Beweisaufnahme mittels Sachverständigengutachten erfolgreich geführt werden kann. Damit bestehen im Ergebnis weder Anhaltspunkte noch ein Motiv für eine Tatbegehung durch die Klägerin.

b) Die Beklagte hat die auf reinen Vermutungen basierende Strafanzeige auch nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB, sondern leichtfertig erstattet.

Im Rahmen der Erstattung einer Strafanzeige auf falsche oder nicht erweislicher Tatsachen hat eine Güter- und Interessenabwägung stattzufinden. Der Anzeigende hat die Wahrheitsfrage sorgfältig zu prüfen und darf seinen Vorwurf nicht auf haltlose Vermutungen stützen, wobei das Maß der zu beachtenden Sorgfalt situations- und konfliktsabhängig ist (vgl. Leipziger Kommentar zum StGB/Hilgendorf § 193 Rn. 3). Auch in strafrechtlicher Hinsicht trifft den Täter eine Informationspflicht, so dass er rechtswidrig im Sinne des § 193 StGB handelt, wenn er leichtfertig oder nur auf haltlose Vermutungen hin nicht erweisliche Tatsachen verbreitet oder Dritten gegenüber kundtut (vgl. Leipziger Kommentar zum StGB/Hilgendorf § 193 Rn. 21). Leichtfertigkeit in dem oben genannten Sinne wird allgemein dann bejaht, wenn der Anzeigende bei gewissenhafter, ihm möglicher und zumutbarer Prüfung hätte erkennen müssen, dass die Unterlagen für seine Behauptungen unzulänglich oder unzuverlässig sind oder dass er nur auf haltlose Vermutungen hin die Ehre eines anderen gröblich antastet (OLG Köln NJW 1997, 1247).

Gemessen daran hat die Beklagte bereits ihre Strafanzeige vom 12.05.2016, vor allen Dingen aber die Wiederholung ihrer Anschuldigungen gegen die Klägerin in dem Schreiben an die Ermittlungsbehörden vom 29.06.2016 auf völlig haltlose Vermutungen gestützt und Tatsachen behauptet, die sie fälschlicherweise als richtig hingestellt, an deren Richtigkeit aber sie zumindest selbst hätte zweifeln müssen.

In ihrem Schreiben vom 29.06.2016 hat die Beklagte zur Untermauerung ihres Diebstahlvorwurfs gegen die Klägerin u.a. wörtlich Folgendes ausgeführt:

„Ich erhielt jedoch nur zwei Schlüssel!!! Folglich hat meine Vermieterin und Wohnungseigentümerin ... ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung einen Schlüssel einbehalten, um unbefugt in meine Wohnung einzudringen.“

Dieser Vorwurf der Beklagten, der nicht einmal mehr als Verdacht formuliert war und sich direkt gegen die Klägerin als Täterin richtete, fußte auf völlig haltlosen Spekulationen, zumal die Beklagte selbst unter dem 21.02.2014 schriftlich gegenüber dem Schlüsseldienst den Erhalt sämtlicher drei ausgegebener Schlüssel für die streitgegenständliche Wohnung bestätigt hatte. Sie hat überdies schriftlich den ausdrücklichen Vorwurf wiederholt, die Klägerin habe zur Verhinderung einer Instandsetzungsklage belastendes Beweismaterial „beiseite geschafft“. Auch dies gründete rein auf die subjektive Annahme der Beklagten, ohne dass es – auch aus Sicht der Beklagten ohne Weiteres erkennbar – auch nur ein einziges Indiz oder einen einzigen objektiven Anhaltspunkt für eine Tatbegehung durch die Klägerin gab. Die Wiederholung der nicht erwiesenen Straftaten gemäß Schreiben vom 29.06.2016 wiegt umso schwerer, als die Beklagte bei der gebotenen Anspannung ihres Gedächtnisses und ihres Gewissens ohne Weiteres hätte erkennen können, dass ihr alle drei Schlüssel ausgehändigt worden waren und sie spätestens durch den Zugang des Kündigungsschreibens vom 10.06.2016 zu diesem Zeitpunkt auch wusste, dass die Klägerin die Tatbegehung bestreitet und den Besitz eines Schlüssels oder Nachschlüssels ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Auch bei ihrer Behauptung, wonach die Klägerin sich jederzeit ohne ihr Wissen einen Nachschlüssel hätte besorgen können, handelt es sich um eine völlig ins Blaue hinein behauptete Vermutung, für die keinerlei objektive Anhaltspunkte bestehen. Geht man weiter davon aus, dass die Beklagte auch ohne Weiteres hätte erkennen können, dass es nicht nur keine Indizien, sondern auch kein Motiv für eine derartige Tatbegehung durch die Klägerin gab, so stellte die Erstattung einer Strafanzeige und die Stellung eines Strafantrages gegen die Klägerin als Beschuldigte eine grobe Verfehlung und leichtfertige Stellung einer Strafanzeige dar, die ins Blaue hinein und ausnahmslos mit völlig haltlosen Vermutungen begründet wurde. Dies gilt im Übrigen auch für die reine Vermutung der Beklagten in der Strafanzeige vom 12.05.2016, wonach die Klägerin von ihrer Urlaubsabwesenheit deshalb gewusst haben müsse, weil das Gebäude sehr hellhörig sei, eine Nachbarin ein Telefonat mit ihrem Rechtsanwalt mitbekommen haben müsse und dies ihrer Vermieterin – der Klägerin – offenbar gesagt habe. Auch für die behauptete Kenntnis der nicht im Haus wohnenden Klägerin von der urlaubsbedingten Abwesenheit der Beklagten gibt es nicht einen einzigen objektiven Anhaltspunkt, geschweige denn einen von der Beklagten hierfür angebotenen Beweis. Soweit die Beklagte in ihrer Anhörung als Partei in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 05.04.2017 behauptet hat, sie habe die Schlüsseldokumentation der ... (Anlage K 9, Bl. 60 d.A.) blanko vorab unterschrieben und später nur zwei Schlüssel erhalten, ist dies völlig unglaubwürdig und widerspricht überdies dem hierzu in erster Instanz erfolgten Vortrag der Beklagten. Zum einen ist schon völlig unglaubwürdig, dass ein Mieter blanko vorab den Erhalt von drei Schlüsseln bestätigt, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Auswechslung der zentralen Türschlossanlage noch gar nicht erfolgt sein soll. Zudem ließ die Beklagte auf die bereits in erster Instanz vorgelegte Anlage mit Schriftsatz vom 26.09.2016 (Bl. 73/74) ausdrücklich vortragen, die Frage der Schlüssel sei „offenbar nicht mehr aufklärbar“. Sie, die Beklagte, habe „keinerlei Erinnerung“ mehr an eine persönliche Übergabe von drei Schlüsseln – von wem auch immer gegen Unterschriftsleistung. Davon, dass die Beklagte blanko vorab den Erhalt von drei Schlüsseln quittiert haben soll, davon aber später nur zwei erhalten haben will, war in erster Instanz nicht ansatzweise die Rede. Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass die Beklagte in diesem Punkt das Gericht vorsätzlich mit der Unwahrheit bedient hat. Der diesbezügliche Vortrag ist völlig unglaubwürdig. Die Beklagte passt vielmehr ihre Einlassung scheibchenweise an das an, was ihr gerade nachgewiesen werden kann.

Nach alledem liegt eine auf bloße Vermutungen gestützte leichtfertige Strafanzeige vor, die nicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen diente.

3) Die auf haltlose Vermutungen gestützte Strafanzeige stellt vorliegend auch eine so erhebliche Pflichtverletzung dar, dass für die Klägerin unter Abwägung aller Umstände die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hierbei kann dahinstehen, ob bereits die Erstattung einer leichtfertigen Strafanzeige am 12.05.2016 in Anbetracht eines 40 Jahre andauernden Mietverhältnisses und des Alters der Beklagten eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte. Zur Überzeugung der Kammer führt jedenfalls die ausdrückliche Aufrechterhaltung der Strafanzeige unter Wiederholung der haltlosen Vermutungen im Schreiben vom 29.06.2016 in Kenntnis der bereits erfolgten ersten fristlosen Kündigung eine so massive Pflichtverletzung dar, dass dies eine fristlose Kündigung seitens der Klägerin rechtfertigt. Die Beklagte hätte zu diesem Zeitpunkt ohne Weiteres erkennen können, dass ihr bei Auswechslung der zentralen Schließanlage sämtliche drei Schlüssel für ihre Wohnung übergeben worden waren und es keinerlei objektiven Anhaltspunkte dafür gab, dass die Klägerin in Besitz eines Wohnungsschlüssels war. Die Beklagte wusste zu diesem Zeitpunkt auch durch den Erhalt der Kündigung, dass die Klägerin die Tat bestritt und insbesondere auch den Besitz eines Nachschlüssels oder Drittschlüssels in Abrede gestellt hat. Wenn die Beklagte sich in dieser Situation trotz der für sie offen zu Tage liegenden fehlenden Verdachtslage und des Fehlen jeglichen Sachbeweises dazu entschließt, ihre Vorwürfe in einem weiteren Schreiben an die polizeilichen Ermittlungsbehörden zu verstärken und zu untermauern, begeht sie auch im Hinblick darauf, dass jedermann zur Erstattung einer Strafanzeige berechtigt ist und bloß objektiv unwahre Strafanzeige eines Bürgers auch im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten liegen kann unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles eine so schwere Ehr- und Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann.

4) Einer Abmahnung gem. § 543 Abs. 3 BGB bedurfte es vorliegend nicht, da diese nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Im Übrigen ist im Hinblick auf die hier maßgebliche Kündigungserklärung vom 09.09.2016 die zuvor erfolgte Kündigung vom 12.05.2016 in eine Abmahnung umzudeuten (BGH ZMR 1972, 306, BeckOGK/Mehle, § 542 Rn. 105). Da die Abmahnung regelmäßig den Zweck verfolgt, dem Abgemahnten für den Fall eines weiteren Vertragsverstoßes Konsequenzen anzudrohen, erfüllt eine – unterstellt unwirksame – Kündigung auf gleichen oder ähnlichen Kündigungsgründen jedenfalls diesen Zweck. Der Beklagten muss daher nach Zugang der ersten Kündigung auch klar gewesen sein, dass die Klägerin keinesfalls weitere gleiche oder ähnliche Pflichtverletzungen dulden wird.

5) Die Kündigung vom 09.09.2016 ist auch formgerecht erfolgt. Die Schriftsatzkündigung des Klägervertreters entsprach der gesetzlichen Form Vorschrift des § 568 Abs. 1 und konnte auch nicht gemäß § 174 BGB zurückgewiesen werden. Bereits mit Klageschrift vom 12.07.2016 hatte der Klägervertreter eine Original-Prozessvollmacht (Bl. 4 d.A.) vorgelegt, aus deren Ziffer 3 sich die Berechtigung zur Abgabe und Entgegennahme von – auch einseitigen – Willenserklärungen wie eine Kündigung ausdrücklich ergab. Damit ermächtigte die im Original bei der Akte befindliche Prozessvollmacht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung.

Im Ergebnis hat die fristlose Kündigung der Klägerin vom 09.09.2016 das bestehende Mietverhältnis beendet. Die Beklagte ist zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gem. § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet. Lediglich ergänzend sei noch daraufhingewiesen, dass die Kündigungserklärung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch als ordentliche wirksam wäre, die diesbezügliche Kündigungsfrist aber erst am 30.06.2017 ablaufen dürfte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

IV. In Anbetracht des lange andauernden Mietverhältnisses und des Umstandes, dass die Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt gerichtsbekannt schwierig ist, hat die Kammer der Beklagten trotz des Umstandes, dass eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung im Raum steht, eine weitere Räumungsfrist bis 31.05.2017 bewilligt. Diese ist den Umständen nach erforderlich, im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung aber auch ausreichend.

Verkündet am 04.04.2017

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht München I Endurteil, 04. Apr. 2017 - 14 S 284/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht München I Endurteil, 04. Apr. 2017 - 14 S 284/17

Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Endurteil, 04. Apr. 2017 - 14 S 284/17 zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vert

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters


(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 546 Rückgabepflicht des Mieters


(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. (2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten


Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die

Strafgesetzbuch - StGB | § 186 Üble Nachrede


Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe

Strafgesetzbuch - StGB | § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen


Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen we

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht München I Endurteil, 04. Apr. 2017 - 14 S 284/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landgericht München I Endurteil, 04. Apr. 2017 - 14 S 284/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landgericht Düsseldorf Urteil, 06. Nov. 2014 - 21 S 48/14

bei uns veröffentlicht am 06.11.2014

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014 (Az.: 35 C #####/####) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagt

Landgericht Karlsruhe Urteil, 17. Juni 2014 - 9 S 483/13

bei uns veröffentlicht am 17.06.2014

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 12.11.2013 - 4 C 408/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert(1) Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr im Anwesen ... im Erdgeschoss

Referenzen

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 12.11.2013 - 4 C 408/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert

(1) Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr im Anwesen ... im Erdgeschoss links angemietete Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einer Toilette sowie einem Kellerraum, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

(2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 114,12 EUR außergerichtliche Kosten zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 30.09.2014 bewilligt.

Gründe

 
I.
Die Klägerin, vertreten durch ihre Betreuerin, verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Amtsgericht, das die Akten des Amtsgerichts Karlsruhe Az. 1 C 262/13 und die Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Az. 250 Js 16550/13 beigezogen hat, hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung stehe der Klägerin weder aus § 546 Abs. 1 BGB noch aus § 985 BGB zu, da das zwischen den Parteien geschlossene Mietverhältnis durch die Kündigung vom 30.07.2013 nicht beendet worden sei. Die fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht wirksam, da es hier schon an einer vorher ausgesprochenen Abmahnung nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB fehle. Zudem liege kein Kündigungsgrund vor. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung damit begründe, dass die Beklagte ihre Betreuerin der Wahrheit zuwider wegen Beleidigung angezeigt, im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine falsche eidesstattliche Versicherung zu Lasten der Betreuerin abgegeben, den Hörer der Gegensprechanlage abgerissen, ihre Betreuerin beleidigt und mit einem Hausschuh geschlagen habe, habe sie diese von Beklagtenseite bestrittenen Verhaltensweisen nicht beweisen können. Soweit die Klägerin ausführe, hinsichtlich der Bezahlung einer Mietsicherheit sei eine gütliche Vereinbarung getroffen worden, habe sie für diese von Beklagtenseite bestrittene Behauptung schon keinen Beweis angeboten. Zudem sei die Kündigung ohnehin nicht auf die fehlende Kautionszahlung gestützt worden. Da die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung auf die gleichen Gründe gestützt sei, das Gericht jedoch von den klägerseits behaupteten Verhaltensweisen der Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugt sei, liege ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnissee gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vor.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch weiter. Das Amtsgericht habe verkannt, dass entsprechend § 543 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 BGB eine Abmahnung nicht erforderlich sei, weil zum einen eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg versprochen hätte und die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt sei. Auch habe das Amtsgericht übersehen, dass das Mietverhältnis nicht nur fristlos, sondern auch ordentlich hilfsweise zum 31.10.2013 gekündigt worden sei. Die Kündigung sei auf jeden Fall gemäß § 569 Abs. 2 BGB begründet, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vorliege, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig störe, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Beklagten und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Dies sei vorliegend der Fall. Die Störung des Hausfriedens sei durch die grundlose Strafanzeige genauso bewiesen wie durch die falsche eidesstattliche Versicherung und das klageabweisende Urteil im Verfahren 1 C 262/13 vor dem Amtsgericht Karlsruhe. Allein durch das Beiziehen der genannten Akten sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts der jeweilige Vertragsverstoß bewiesen. Die Beklagte habe eine Strafanzeige erstattet. Es sei jedoch nicht ihre eigene Sache, einen Negativbeweis antreten zu müssen. Weil durch das Verhalten der Beklagten der Hausfrieden und jedes Vertrauensverhältnis zerstört seien, habe es keiner Abmahnung mehr bedurft.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Akten des Amtsgerichts Karlsruhe Az. 1 C 262/13 und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Az. 250 Js 16550/13 lagen auch im Berufungsverfahren vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB) gemäß § 546 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
1.
Unter Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen Akten des Amtsgerichts Karlsruhe und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe geht das Berufungsgericht davon aus, dass aufgrund der gegebenen Umstände ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vorliegt und somit die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin wirksam ist.
a)
10 
Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragspartei, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Wie bereits durch das Amtsgericht festgestellt, kann die Erstattung einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder einer anderen Behörde eine erhebliche Vertragsverletzung in diesem Sinn darstellen. Hierbei ist über die Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprechend der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dem Verhalten des Angezeigten kommt dabei eine maßgebliche Bedeutung zu. Weiterhin ist zu prüfen, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerliche Rechte erfolgt ist oder ob der Anzeigeerstatter mit der Anzeige eine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt hat (Blank in Schmidt-Futterer, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 193). Zwar ist vorliegend die Strafanzeige nicht gegenüber der Klägerin selbst, sondern gegen deren Betreuerin gerichtet worden; allerdings besteht kein sachlicher Grund, diesen Fall anders zu behandeln als den Fall, dass die Anzeige gegenüber der Klägerin selbst erstattet worden wäre.
11 
In der Regel ist die Kündigung berechtigt, wenn die Anzeige auf erfundenen Tatsachen beruht. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Klägerin nicht beweispflichtig dafür, dass die Beklagte vorsätzlich eine falsche Anzeige erstattet hat. Vielmehr geht ein unaufgeklärter Sachverhalt nicht zu Lasten des Angezeigten, sondern zu Lasten des Anzeigenden. So muss der Angezeigte lediglich beweisen, dass der Gekündigte die Anzeige erstattet hat. Der Anzeigeerstatter dagegen muss darlegen und beweisen, dass und aus welchen Gründen er die Tatsache für wahr erachtet hat (Blank in Schmidt-Futterer a.a.O. Rn. 194 m.w.N.).
12 
Vorliegend hat die Beklagte bei der Polizei Strafanzeige erstattet hat mit der Behauptung, die Betreuerin der Klägerin habe sie verbal beleidigt; das Ermittlungsverfahren ist durch die Staatsanwaltschaft jedoch gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dieser Sachverhalt ist unstreitig und ergibt sich im Übrigen aus den beigezogenen Akten. Unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast in diesen Fällen hätte die Beklagte nunmehr nachweisen müssen, dass die behaupteten und von der Klägerin bestrittenen Beleidigungen tatsächlich begangen worden sind. Allerdings ist diesbezüglich bereits kein Beweisangebot der Beklagtenseite erfolgt.
13 
Aufgrund all dessen war die außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bereits aufgrund der Strafanzeige berechtigt.
b)
14 
Darüber hinaus stellt auch das weitere Verhalten der Beklagten einen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB dar:
15 
Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Betreuerin der Klägerin hat die Beklagte vor dem Amtsgericht Karlsruhe, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Betreuerin gestellt mit dem Inhalt, der Betreuerin zu untersagen, in die Wohnung der Beklagten gegen deren Willen ohne Vorankündigung einzudringen und die Beklagte dabei zur Seite zu drängen (Amtsgericht Karlsruhe Az. 1 C 262/13). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abgewiesen worden mit der Begründung, dass die Beklagte - im dortigen Verfahren Verfügungsklägerin - das Bestehen eines Verfügungsanspruchs nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe.
16 
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist dieses Prozessverhalten der Beklagten vergleichbar mit der Erstattung der Strafanzeige, zumal der Vortrag der Beklagtenseite in dem dortigen Verfahren auch den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens der Betreuerin der Klägerin (Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB) beinhaltet. Auch in diesem Fall stellt es für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied dar, ob der Antrag gegen die Vermieterin selbst oder gegen deren Betreuerin gerichtet war.
17 
Entsprechend der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Fall der Erstattung einer Strafanzeige (s.o.) sieht es das Berufungsgericht unter den vorliegenden Umständen zugunsten der Klägerin als ausreichend an, dass die Durchführung des Verfügungsverfahrens feststeht. Nunmehr hätte die Beklagte nachweisen müssen, dass das von ihr behauptete (strafrechtlich relevante) Verhalten der Betreuerin tatsächlich vorgelegen hat. Dies ist ihr jedoch - wie zwischenzeitlich in dem dortigen Verfahren rechtskräftig festgestellt - nicht gelungen.
18 
Nach alledem stellen sowohl die Strafanzeige der Beklagten als auch das von ihr durchgeführte Verfügungsverfahren bereits jeweils für sich genommen einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB dar. Erst recht ist bei einer gesamten Berücksichtigung beider Verhaltensweisen der Beklagten gegenüber der Betreuerin der Klägerin davon auszugehen, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Auf die darüber hinaus zwischen den Parteien streitigen Punkte kommt es daher nicht mehr an.
2.
19 
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts war vorliegend eine Abmahnung durch die Klägerin entbehrlich. Das Berufungsgericht kann der Auffassung des Amtsgerichts, die fristlose Kündigung sei (bereits) wegen Fehlens einer vorher ausgesprochenen Abmahnung - § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB - unwirksam, nicht folgen.
20 
Nach dieser Vorschrift ist zwar im Fall, dass der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag besteht, grundsätzlich zunächst eine erfolglose Abmahnung des Vermieters erforderlich. Allerdings bestehen diesbezüglich Ausnahmen; das Amtsgericht ist zu Unrecht hierauf nicht eingegangen.
21 
So ist anerkannt, dass es in den Fällen der Erstattung einer Strafanzeige, die unter den oben genannten Voraussetzungen einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt, auf eine Wiederholungsgefahr nicht ankommt, eine Abmahnung somit entbehrlich ist (Blank in Schmidt-Futterer a.a.O. Rn. 194). Darüber hinaus sieht das Berufungsgericht auch bei Berücksichtigung der Gesamtsituation alleine anhand der unstreitig feststehenden Umstände die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Abmahnung nach § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB als gegeben an, da eine sofortige Kündigung der Klägerin aufgrund des Verhaltens der Beklagten gegenüber deren Betreuerin - ohne Berücksichtigung der des Weiteren von Klägerseite behaupteten und von der Beklagten bestrittenen Verhaltensweisen - auf jeden Fall gerechtfertigt ist.
22 
Nach alledem liegt eine wirksame außerordentliche fristlose Kündigung vor, so dass der Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin nach § 546 BGB entgegen der Feststellungen des Amtsgerichts begründet ist.
3.
23 
Die zugesprochenen außergerichtlichen Kosten ergeben sich aus § 280 BGB.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
25 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 7, 713 ZPO.
26 
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
III.
27 
Gemäß § 721 Abs. 1 ZPO war der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, ohne dass es diesbezüglich eines eigenen Antrages der Beklagtenseite bedurft hätte. Hierbei war zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts zunächst von einer unwirksamen Kündigung ausgegangen werden konnte und der Beklagten somit nunmehr noch ausreichend Zeit für die Suche nach Ersatzwohnraum zuzubilligen war. Des weiteren sind keine finanziellen Einbußen der Klägerin bei Räumung (erst) zum 30.09.2014 zu erwarten, da die monatliche Miete in der Vergangenheit von der Beklagten stets gezahlt worden ist.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014 (Az.: 35 C #####/####) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum Ablauf des 31. Januar 2015 gewährt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 12.11.2013 - 4 C 408/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert

(1) Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr im Anwesen ... im Erdgeschoss links angemietete Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einer Toilette sowie einem Kellerraum, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

(2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 114,12 EUR außergerichtliche Kosten zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 30.09.2014 bewilligt.

Gründe

 
I.
Die Klägerin, vertreten durch ihre Betreuerin, verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Amtsgericht, das die Akten des Amtsgerichts Karlsruhe Az. 1 C 262/13 und die Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Az. 250 Js 16550/13 beigezogen hat, hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung stehe der Klägerin weder aus § 546 Abs. 1 BGB noch aus § 985 BGB zu, da das zwischen den Parteien geschlossene Mietverhältnis durch die Kündigung vom 30.07.2013 nicht beendet worden sei. Die fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht wirksam, da es hier schon an einer vorher ausgesprochenen Abmahnung nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB fehle. Zudem liege kein Kündigungsgrund vor. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung damit begründe, dass die Beklagte ihre Betreuerin der Wahrheit zuwider wegen Beleidigung angezeigt, im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine falsche eidesstattliche Versicherung zu Lasten der Betreuerin abgegeben, den Hörer der Gegensprechanlage abgerissen, ihre Betreuerin beleidigt und mit einem Hausschuh geschlagen habe, habe sie diese von Beklagtenseite bestrittenen Verhaltensweisen nicht beweisen können. Soweit die Klägerin ausführe, hinsichtlich der Bezahlung einer Mietsicherheit sei eine gütliche Vereinbarung getroffen worden, habe sie für diese von Beklagtenseite bestrittene Behauptung schon keinen Beweis angeboten. Zudem sei die Kündigung ohnehin nicht auf die fehlende Kautionszahlung gestützt worden. Da die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung auf die gleichen Gründe gestützt sei, das Gericht jedoch von den klägerseits behaupteten Verhaltensweisen der Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugt sei, liege ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnissee gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vor.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch weiter. Das Amtsgericht habe verkannt, dass entsprechend § 543 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 BGB eine Abmahnung nicht erforderlich sei, weil zum einen eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg versprochen hätte und die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt sei. Auch habe das Amtsgericht übersehen, dass das Mietverhältnis nicht nur fristlos, sondern auch ordentlich hilfsweise zum 31.10.2013 gekündigt worden sei. Die Kündigung sei auf jeden Fall gemäß § 569 Abs. 2 BGB begründet, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vorliege, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig störe, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Beklagten und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Dies sei vorliegend der Fall. Die Störung des Hausfriedens sei durch die grundlose Strafanzeige genauso bewiesen wie durch die falsche eidesstattliche Versicherung und das klageabweisende Urteil im Verfahren 1 C 262/13 vor dem Amtsgericht Karlsruhe. Allein durch das Beiziehen der genannten Akten sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts der jeweilige Vertragsverstoß bewiesen. Die Beklagte habe eine Strafanzeige erstattet. Es sei jedoch nicht ihre eigene Sache, einen Negativbeweis antreten zu müssen. Weil durch das Verhalten der Beklagten der Hausfrieden und jedes Vertrauensverhältnis zerstört seien, habe es keiner Abmahnung mehr bedurft.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Akten des Amtsgerichts Karlsruhe Az. 1 C 262/13 und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Az. 250 Js 16550/13 lagen auch im Berufungsverfahren vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB) gemäß § 546 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.
1.
Unter Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen Akten des Amtsgerichts Karlsruhe und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe geht das Berufungsgericht davon aus, dass aufgrund der gegebenen Umstände ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB vorliegt und somit die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin wirksam ist.
a)
10 
Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragspartei, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Wie bereits durch das Amtsgericht festgestellt, kann die Erstattung einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder einer anderen Behörde eine erhebliche Vertragsverletzung in diesem Sinn darstellen. Hierbei ist über die Kündigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel entsprechend der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dem Verhalten des Angezeigten kommt dabei eine maßgebliche Bedeutung zu. Weiterhin ist zu prüfen, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerliche Rechte erfolgt ist oder ob der Anzeigeerstatter mit der Anzeige eine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt hat (Blank in Schmidt-Futterer, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 193). Zwar ist vorliegend die Strafanzeige nicht gegenüber der Klägerin selbst, sondern gegen deren Betreuerin gerichtet worden; allerdings besteht kein sachlicher Grund, diesen Fall anders zu behandeln als den Fall, dass die Anzeige gegenüber der Klägerin selbst erstattet worden wäre.
11 
In der Regel ist die Kündigung berechtigt, wenn die Anzeige auf erfundenen Tatsachen beruht. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Klägerin nicht beweispflichtig dafür, dass die Beklagte vorsätzlich eine falsche Anzeige erstattet hat. Vielmehr geht ein unaufgeklärter Sachverhalt nicht zu Lasten des Angezeigten, sondern zu Lasten des Anzeigenden. So muss der Angezeigte lediglich beweisen, dass der Gekündigte die Anzeige erstattet hat. Der Anzeigeerstatter dagegen muss darlegen und beweisen, dass und aus welchen Gründen er die Tatsache für wahr erachtet hat (Blank in Schmidt-Futterer a.a.O. Rn. 194 m.w.N.).
12 
Vorliegend hat die Beklagte bei der Polizei Strafanzeige erstattet hat mit der Behauptung, die Betreuerin der Klägerin habe sie verbal beleidigt; das Ermittlungsverfahren ist durch die Staatsanwaltschaft jedoch gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dieser Sachverhalt ist unstreitig und ergibt sich im Übrigen aus den beigezogenen Akten. Unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast in diesen Fällen hätte die Beklagte nunmehr nachweisen müssen, dass die behaupteten und von der Klägerin bestrittenen Beleidigungen tatsächlich begangen worden sind. Allerdings ist diesbezüglich bereits kein Beweisangebot der Beklagtenseite erfolgt.
13 
Aufgrund all dessen war die außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bereits aufgrund der Strafanzeige berechtigt.
b)
14 
Darüber hinaus stellt auch das weitere Verhalten der Beklagten einen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB dar:
15 
Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Betreuerin der Klägerin hat die Beklagte vor dem Amtsgericht Karlsruhe, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Betreuerin gestellt mit dem Inhalt, der Betreuerin zu untersagen, in die Wohnung der Beklagten gegen deren Willen ohne Vorankündigung einzudringen und die Beklagte dabei zur Seite zu drängen (Amtsgericht Karlsruhe Az. 1 C 262/13). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung abgewiesen worden mit der Begründung, dass die Beklagte - im dortigen Verfahren Verfügungsklägerin - das Bestehen eines Verfügungsanspruchs nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe.
16 
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist dieses Prozessverhalten der Beklagten vergleichbar mit der Erstattung der Strafanzeige, zumal der Vortrag der Beklagtenseite in dem dortigen Verfahren auch den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens der Betreuerin der Klägerin (Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB) beinhaltet. Auch in diesem Fall stellt es für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied dar, ob der Antrag gegen die Vermieterin selbst oder gegen deren Betreuerin gerichtet war.
17 
Entsprechend der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Fall der Erstattung einer Strafanzeige (s.o.) sieht es das Berufungsgericht unter den vorliegenden Umständen zugunsten der Klägerin als ausreichend an, dass die Durchführung des Verfügungsverfahrens feststeht. Nunmehr hätte die Beklagte nachweisen müssen, dass das von ihr behauptete (strafrechtlich relevante) Verhalten der Betreuerin tatsächlich vorgelegen hat. Dies ist ihr jedoch - wie zwischenzeitlich in dem dortigen Verfahren rechtskräftig festgestellt - nicht gelungen.
18 
Nach alledem stellen sowohl die Strafanzeige der Beklagten als auch das von ihr durchgeführte Verfügungsverfahren bereits jeweils für sich genommen einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB dar. Erst recht ist bei einer gesamten Berücksichtigung beider Verhaltensweisen der Beklagten gegenüber der Betreuerin der Klägerin davon auszugehen, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Auf die darüber hinaus zwischen den Parteien streitigen Punkte kommt es daher nicht mehr an.
2.
19 
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts war vorliegend eine Abmahnung durch die Klägerin entbehrlich. Das Berufungsgericht kann der Auffassung des Amtsgerichts, die fristlose Kündigung sei (bereits) wegen Fehlens einer vorher ausgesprochenen Abmahnung - § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB - unwirksam, nicht folgen.
20 
Nach dieser Vorschrift ist zwar im Fall, dass der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag besteht, grundsätzlich zunächst eine erfolglose Abmahnung des Vermieters erforderlich. Allerdings bestehen diesbezüglich Ausnahmen; das Amtsgericht ist zu Unrecht hierauf nicht eingegangen.
21 
So ist anerkannt, dass es in den Fällen der Erstattung einer Strafanzeige, die unter den oben genannten Voraussetzungen einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt, auf eine Wiederholungsgefahr nicht ankommt, eine Abmahnung somit entbehrlich ist (Blank in Schmidt-Futterer a.a.O. Rn. 194). Darüber hinaus sieht das Berufungsgericht auch bei Berücksichtigung der Gesamtsituation alleine anhand der unstreitig feststehenden Umstände die Voraussetzungen für eine Entbehrlichkeit der Abmahnung nach § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB als gegeben an, da eine sofortige Kündigung der Klägerin aufgrund des Verhaltens der Beklagten gegenüber deren Betreuerin - ohne Berücksichtigung der des Weiteren von Klägerseite behaupteten und von der Beklagten bestrittenen Verhaltensweisen - auf jeden Fall gerechtfertigt ist.
22 
Nach alledem liegt eine wirksame außerordentliche fristlose Kündigung vor, so dass der Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin nach § 546 BGB entgegen der Feststellungen des Amtsgerichts begründet ist.
3.
23 
Die zugesprochenen außergerichtlichen Kosten ergeben sich aus § 280 BGB.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
25 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 7, 713 ZPO.
26 
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
III.
27 
Gemäß § 721 Abs. 1 ZPO war der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, ohne dass es diesbezüglich eines eigenen Antrages der Beklagtenseite bedurft hätte. Hierbei war zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts zunächst von einer unwirksamen Kündigung ausgegangen werden konnte und der Beklagten somit nunmehr noch ausreichend Zeit für die Suche nach Ersatzwohnraum zuzubilligen war. Des weiteren sind keine finanziellen Einbußen der Klägerin bei Räumung (erst) zum 30.09.2014 zu erwarten, da die monatliche Miete in der Vergangenheit von der Beklagten stets gezahlt worden ist.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

(2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.