Die Parteien streiten um die Rückzahlung von gezahlten Versicherungsprämien sowie die Herausgabe von gezogenen Nutzungen nach Widerspruch gegen einen Lebensversicherungsvertrag.
Die Klägerin schloss mit Antragsformular vom 30.11.1995 (Anlage K 2) bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung ab. Der Versicherungsschein zum Versicherungsvertrag Nr. a) wurde der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 14.12.1995 übersandt. Mit Abschluss des Versicherungsvertrages trat die Klägerin ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Kreissparkasse W. ab (vgl. Anlage K 2).
Der Versicherungsschein enthält folgenden Hinweis:
„Mit diesem Versicherungsschein erhalten Sie die für Ihren Vertrag gültigen Versicherungsbedingungen, die Garantiewerttabelle - sofern aufgrund des abgeschlossenen Tarifes möglich - ein Merkblatt - insbesondere mit Informationen über die für Lebensversicherungen gültigen Steuerregelungen - und das Datenschutzmerkblatt. Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage dieser Unterlagen als abgeschlossen. Ab dem Zugang dieser Unterlagen haben Sie 14 Tage lang das Recht, diesem Vertrag zu widersprechen.“
Die vorgenannte Lebensversicherung wurde zum 31.12.2015 fällig und das sich daraus ergebene Guthaben in Höhe von insgesamt 97.770,78 € wurde an die kreditgebende Bank als Zessionarin ausgezahlt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin in der gesamten Vertragslaufzeit Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 70.876,80 € bezahlte, dass sich die Kosten für den Versicherungsschutz (Risikoanteil) auf 1.930,62 € beliefen und dass im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vertrag Abschlusskosten in Höhe von 3.704,71 € und Verwaltungskosten in Höhe von 7.284,60 € anfielen.
Mit Schreiben vom 08.04.2016 erklärte die Klägerin den Widerspruch gemäß § 5 a VVG a.F.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie zum Widerspruch des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages berechtigt gewesen sei. Dies deshalb, da entgegen § 5 a VVG a.F. in der Widerspruchsbelehrung die für den Fristbeginn erforderlichen Unterlagen nicht vollständig benannt gewesen seien. Auch enthalte die Belehrung keinen Hinweis auf die seinerzeit geltende Schriftform für die Widerspruchserklärung.
Rechtsfolge hiervon sei, dass die Beklagte im Rahmen der durchzuführenden Rückabwicklung des Versicherungsvertrages deutlich mehr an die Klägerin ausbezahlen müsse als geschehen. Die aus dem Sparanteil gezogenen Nutzungen seien mit 24.810,79 € zu gering bemessen, da die Beklagte verkenne, dass die erwirtschafteten Zinsen dem Sparanteil hinzu zu addieren sind, da der Ertrag dem Deckungsstock zugeführt und nicht anderweitig verwendet werde. Bei zutreffender Berechnung ergeben sich Nutzungen in Höhe von 36.560,78 €. Weiterhin seien Überschussanteile und Bewertungsreserven in Höhe von 6.814,56 € bzw. 4.138,22 € an die Klägerin auszukehren, da es sich auch um auch aus dem Beitrag der Klägerin erwirtschaftete Nutzungen handele.
Hinsichtlich der genauen Berechnung der Forderung der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 20.09.2017 Bezug genommen.
Die Klägerin ist ferner der Ansicht, dass das Widerspruchsrecht nicht verwirkt sei. Die Ausübung desselben stelle sich auch nicht als treuwidrig dar. Dies lasse sich weder aus dem Umstand, dass die Klägerin die Ansprüche aus dem Vertrag an einen Dritten zur Absicherung abgetreten hat, noch daraus, dass der Vertrag bereits „abgelaufen“ ist und die Versicherungssumme an die Klägerin bzw. den Zessionar ausbezahlt wurde, herleiten. Es sei dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Abtretung lediglich einmal erfolgte und eine Abtretung auch der Todesfallleistungen von Seiten der Beklagten nicht dargelegt wurde.
Die Klägerin beantragte zuletzt,
Die Beklagte wird verurteilt, 17.688,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.05.2016 an die Klägerin zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Die Beklagte trägt vor, dass der Klägerin auch bei unterstellter Wirksamkeit des Widerspruchs nichts über das bereits Ausbezahlte hinaus zustünde. Die Berechnungen der Klägerin seien fehlerhaft, da diese den vollen Sparbetrag für das gesamte Jahr verzinse, während die Beitragszahlung monatlich erfolge. Würden die Beiträge mit den daraus gezogenen Nutzungen aus dem Sparanteil mit Zinseszins (saldiert mit den Nutzungen der Klägerin) zurückgegeben werden, so würden sich lediglich Risikokosten in Höhe von 2.600,11 € und Nutzungen in Höhe von 33.282,02 € ergeben, welche den gezahlten Versicherungsbeiträgen hinzu addiert werden. Daraus würde sich lediglich ein Nettorückforderungsanspruch in Höhe von 3.787,93 € ergeben. Hinsichtlich der genauen Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 10.10.2017 verwiesen. Die der Klägerin real zugewandten Überschussanteile und Bewertungsreserven könnten bei der Berechnung des Nutzungsersatzes nicht zugrunde gelegt werden.
Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass die Klägerin ihr Widerspruchsrecht (sein Bestehen unterstellt) durch Verwirkung verloren habe (§ 242 BGB), da die Beklagte aufgrund des langen Zeitablaufs, der Abtretung des Vertrages zum Zwecke der Kreditsicherung und der Beendigung des Vertrages mit einem Widerspruch nicht mehr habe rechnen müssen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen sowie den restlichen Akteninhalt.
Das Gericht hat im schriftlichen Verfahren entschieden. Beide Parteivertreter erklärten jeweils mit Schreiben vom 20.07.2017 ihr Einverständnis mit dieser Vorgehensweise. Erst nach Anwaltswechsel auf der Klägerseite wurde mit Schriftsatz vom 19.09.2017 die Zustimmung zum schriftlichen Verfahren widerrufen. Auf den Schriftsatz vom 19.09.2017 wird Bezug genommen. Die Beklagtenseite ist dem Widerruf der Zustimmung zum schriftlichen Verfahren entgegengetreten und hält dessen Voraussetzungen für nicht gegeben. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 25.09.2017 Bezug genommen.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
I.
Zunächst ist auszuführen, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen konnte, da der Widerruf der Zustimmung zum schriftlichen Verfahren unwirksam ist. Die entsprechende Zustimmung der Parteien ist nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich, § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Seitens der Klägerin wird nicht vorgetragen, weshalb es zu einer wesentlichen Änderung der Prozesslage gekommen sein soll. Auch sonst ist eine solche nicht ersichtlich. Insbesondere kann sich eine solche nicht aus dem Hinweisbeschluss des Gerichts vom 20.07.2017 heraus ergeben, da die Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch beide Parteien erst nach diesem Hinweisbeschluss erfolgt ist. Auch ein Anwaltswechsel führt nicht zu einer wesentlichen Änderung der Prozesslage. Die Dreimonatsfrist ist gewahrt, § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO.
II.
Die unproblematisch zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
1. Zwar entsprach die streitgegenständliche Belehrung nicht den (damaligen) gesetzlichen Regelungen, da - worauf die Klägerin zurecht hingewiesen hat - kein Hinweis auf die gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. vorgeschriebene Schriftform für die Widerspruchserklärung hinweist (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2004, Az. IV ZR 58/03). Denn die in § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. geforderte Belehrung über das Widerspruchsrecht schloss nach dem Sinnzusammenhang mit § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eine Belehrung über die zur Wirksamkeit des Widerspruchs erforderliche Schriftform ein (BGH, a.a.O.).
Auch ist ein Widerspruch nicht gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ausgeschlossen, da dieser nach obergerichtlicher Rechtsprechung, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11), in den Fällen, in denen eine ordnungsgemäße Belehrung nicht stattgefunden hat, dahingehend teleologisch reduzierend auszulegen ist, dass die zeitliche Beschränkung für die Ausübung des Widerspruchsrechts von 1 Jahr keine Anwendung findet.
2. Jedoch ist im vorliegenden Fall (ausnahmsweise) von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts der Klägerin auszugehen.
Ein Recht ist dann verwirkt (§ 242 BGB), wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat (und sich auch darauf einrichten durfte), dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl., § 242, RdNr. 87).
Grundsätzlich kann der Versicherer im Falle einer (wie hier) nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, da er die Situation selbst herbeigeführt hat (vgl. u.a., BGH, Urteil vom 01.06.2016, Az. IV ZR 343/15). Etwas anderes kann sich im Einzelfall jedoch dann ergeben, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten während der Vertragslaufzeit beim Versicherer den Eindruck erweckt hat, den Vertrag fortsetzen zu wollen und sein nachträglicher Widerspruch deshalb treuwidrig erscheint (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2016, Az. 12 U 137/16). Hierbei ist die „normale“ Vertragsausführung nicht ausreichend, vielmehr müssen besonders gravierende Umstände hinzutreten. Ob diese Umstände gemäß § 242 BGB zu einer Verwirkung des Widerspruchsrechts führen, ist dabei immer vom Einzelfall abhängig.
Zwar lässt der Umstand, dass der Versicherungsnehmer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Kreditsicherung abgetreten hat, für sich genommen noch keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass der Versicherungsnehmer in Kenntnis seines Vertragslösungsrechts am Vertrag festgehalten und von seinem Lösungsrecht keinen Gebrauch gemacht hätte. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrages kann sich jedoch in den Fällen der Abtretung zur Kreditsicherung etwa dann ergeben, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016, Az. IV ZR 130/15).
Auch unter Berücksichtigung der hohen Voraussetzungen, die an eine Verwirkung bei nicht ordnungsgemäß erfolgter Widerspruchsbelehrung zu stellen sind, ist das Widerspruchsrecht der Klägerin aufgrund einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls vorliegend als verwirkt anzusehen:
Zum einen hat die Klägerin bereits mit Abschluss des Vertrages ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag zum Zwecke der Kreditsicherung abgetreten, so dass der engstmöglichste zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung besteht. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig (die Klägerin ist der Behauptung einer Abtretung in keinem Schriftsatz entgegengetreten, im Übrigen ergibt sich dies auch aus dem als Anlage K 2 vorgelegten Versicherungsantrag, in welchem die Sparkasse W. als Zessionarin aufgeführt ist und der Antrag von der Abtretung abhängig ist (vgl. dortiger Punkt 5). In Frage gestellt worden ist lediglich, ob die Abtretung auch die Todesfallleistung umfasst hat (worauf es im Ergebnis jedoch nicht ankommt, dazu s.u.). Die Abtretung zur Kreditsicherung setzt jedoch zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraus.
Weiterhin kommt erschwerend hinzu, dass die Abtretung über den gesamten Vertragszeitraum bestand. Der entsprechende Vortrag der Beklagtenseite ist unwidersprochen geblieben. Die Abtretung hat bis zur Fälligkeit des Vertrages fortbestanden und die Ablaufleistung wurde in der Folge auch zur Darlehenstilgung an die Zessionarin ausbezahlt. Daraus ist mit der Beklagtenseite abzuleiten, dass seitens der Klägerin während der gesamten Vertragslaufzeit ein ureigenstes Interesse an der Vertragsdurchführung bestand.
Darüber hinaus ist auch zu sehen, dass vorliegend wie ausgeführt, das Vertragsverhältnis voll abgewickelt wurde und die Ablaufleistung geflossen ist (dass diese an die Zessionarin geflossen ist, ist vorliegend unerheblich). Die Auszahlung der Ablaufleistung hat die Klägerin zunächst für immerhin 3 Monate widerspruchslos hingenommen, so dass sich auch unter diesem Gesichtspunkt ein Vertrauensschutz für die Beklagte ergibt.
Die von Seiten der Klägerin hiergegen vorgebrachten Einwände überzeugen das Gericht nicht. Soweit vorgebracht wird, dass beklagtenseits nicht dargelegt worden sei, dass auch die Todesfallleistungen abgetreten wurden, kommt es hierauf nach Ansicht des Gerichts nicht an, da im Falle einer Abtretung zur Kreditsicherung grundsätzlich das Bestehen eines wirksamen Vertrages Voraussetzung ist. Soweit vorgetragen wird, dass vorliegend keine mehrfache Abtretung erfolgt ist, ist auszuführen, dass das Gericht nicht erkennt, weshalb es hierauf ankommen soll, wenn - wie zwischen den Parteien unstreitig - die Abtretung über die gesamte Vertragslaufzeit fortbestanden hat. Zumindest gleicht vorliegend der besondere enge zeitliche Zusammenhang zwischen Vertragsschluss und Abtretung sowie die Dauer der Abtretung, die eventuell nicht erfolgte Abtretung der Todesfallrechte und die lediglich einfache Abtretung aus. Im Übrigen ist das Gericht der Ansicht, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.01.2016 (bzw. der darauf folgende Beschluss vom 22.03.2016, Az. IV ZR 130/15) so zu verstehen ist, dass hier Mindestvoraussetzungen für eine Annahme der Verwirkung aufgestellt werden sollen, sondern dass es sich hierbei um eine Entscheidung auf Grundlage eines Einzelfalles handelt.
Ergänzend sind vorliegend auch die Besonderheiten des Zeitmoments zu berücksichtigen. Der Widerspruch erfolgte über 20 Jahre nach Vertragsschluss. Durch den Zeitablauf erübrigt sich selbstredend nicht das Umstandsmoment. Allerdings besteht zwischen Umstands- und Zeitmoment eine Wechselwirkung dahingehend, dass an die Umstände um so geringere Anforderungen gestellt werden können, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGH, NJW 2006, 219, 220).
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung all dieser Umstände erscheint es dem Gericht angezeigt, hier ausnahmsweise trotz unwirksamer Belehrung die Verwirkung anzunehmen.
III.
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 2 ZPO.
V.
Der Streitwert war gemäß §§ 3 ff. ZPO festzusetzen.