Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 06. Juli 2012 - 3 S 33/12

ECLI:ECLI:DE:LGLANPF:2012:0706.3S33.12.0A
06.07.2012

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21.02.2011, Az. 3b C 491/10, wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist vom 03.05.2011 wird zurückgewiesen.

3. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Kläger fechten mit ihrer Klage acht in der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 11.09.2010 gefasste Beschlüsse an und erstreben daneben die Verurteilung der Beklagten zu 2) bis 4) zur Berichtigung des Versammlungsprotokolls. Mit Urteil v. 21.02.2011, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 01.03.2011, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

2

Hiergegen legten die Kläger am 01.04.2011 Berufung ein. Mit am 03.05.2011 per Fax übermitteltem Schriftsatz vom 02.05.2011 beantragten die Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Mit Schriftsatz vom 03.05.2011, eingegangen am selben Tage, beantragten sie die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 02.05.2011 sei am 02.05.2011 fälschlicherweise zum Amtsgericht gefaxt worden, weil eine unrichtige Faxnummer verwandt worden sei. Dies beruhe nicht auf einem den Klägern zuzurechnenden Verschulden, weil die Faxnummer versehentlich von einer sonst zuverlässigen Mitarbeiterin der Kanzlei des Klägervertreters aus der Akte falsch in den Schriftsatz übertragen worden sei. Mit per Fax am 31.05.2011 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage führten die Kläger weiter aus, dass die ordnungsgemäße Übermittlung von Faxsendungen anhand des Sendeberichts überprüft und Fristen erst nach Prüfung der ordnungsgemäßen Absendung gelöscht würden. Die Mitarbeiter in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten seien allgemein angewiesen, die Telefaxnummer eines Gerichts aus der Akte, insbesondere dem letzten zeitnahen Schriftstück des zuständigen Gerichts, zu ermitteln. Hier habe die Kanzleiangestellte versehentlich die Faxnummer nicht einem Schreiben des Berufungsgerichts, sondern einem unmittelbar dahinter gehefteten Schriftstück des Amtsgerichts, welches im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens übermittelt worden sei, entnommen. Es seien in der Kanzlei des Klägervertreters alle Voraussetzungen erfüllt, die an die organisatorische Gestaltung des Ablaufes zu stellen seien, um eine fristgerechte Übermittlung von Schriftsätzen zu gewährleisten. Insoweit die Beklagten geltend gemacht hätten, es habe darüber hinaus nochmals anhand des Sendeberichts und der Akte überprüft werden müssen, ob die verwandte Faxnummer stimme, würden dadurch die Anforderungen an die Organisation überspannt. Die Kläger haben ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 01.06.2011, eingegangen per Fax am selben Tage, begründet.

3

Durch Verfügung der Vorsitzenden der 1. Zivilkammer vom 20.06.2011 wurde darauf hingewiesen, dass es nach dem Vortrag der Kläger an einer ein Verschulden ausschließenden Kanzleiorganisation fehle, weil es entgegen der Auffassung der Kläger einer Weisung, die Richtigkeit der verwandten Faxnummer nochmals durch einen Abgleich des Sendeberichts und der zur Ermittlung der Nummer herangezogenen Quelle zu kontrollieren, nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs bedurft hätte. Es werde anheimgestellt, die Berufung aus Gründen der Kostenersparnis zurückzunehmen. Innerhalb der zweifach verlängerten Stellungnahmefrist hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 01.08.2011 vorgetragen, es sei noch einmal der genaue Ablauf beim Versenden von fristwahrenden Telefaxen in seiner Kanzlei durchgesprochen worden. Dabei habe sich u.a. ergeben, dass es seit dem 01.01.2006 tatsächlich und grundsätzlich ständige Handhabung sei, die Übereinstimmung des Sendeprotokolls mit der im Schriftstück des Empfangsgerichts angegebenen Telefaxnummer in der Akte zu kontrollieren. Im Schriftsatz vom 31.05.2011 sei lediglich eine andere Rechtsauffassung vertreten worden. Tatsächlich werde in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Vor- und Nachkontrolle durchgeführt.

II.

4

Die Berufung der Kläger ist unzulässig.

5

1. Das Rechtsmittel ist nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden, so dass es gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO verworfen werden muss. Die Frist zur Berufungsbegründung beträgt gem. § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Dementsprechend endete die Frist zur Begründung der Berufung gem. §§ 222 Abs. 1 u. 2 ZPO, 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 02.05.2011 (Montag). Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 02.05.2011, der bei dem erkennenden Gericht erst am 03.05.2011 per Fax eingegangen ist, war daher verfristet.

6

2. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist ist nicht begründet, weil sich aus den innerhalb der Frist zur Einlegung des Wiedereinsetzungsantrags angegebenen Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen sollten, ein den Klägern gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ergibt. Das steht einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 233 ZPO entgegen.

7

a) Die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung endete hier gem. § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m §§ 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 03.06.2011, weil die Verwendung der falschen Faxnummer spätestens am 03.05.2011 offenbar wurde. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger lediglich Tatsachen vorgetragen, denen auf der Grundlage höchstrichterlicher Rspr. ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zu entnehmen ist.

8

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer ist anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Fax-Nummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 12.06.2012 - VI ZB 54/11, BeckRS 2012 14572, Rz. 7 m.w.N.). Diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Übermittlung ausschließen, sondern auch die Feststellung ermöglichen, ob der Schriftsatz auch tatsächlich übermittelt worden ist. Eine Notfrist darf erst nach einer solchen Kontrolle des Sendeberichts gelöscht werden (BGH, aaO).

9

Für den Fall, dass die Telefaxnummer des Empfängergerichts aus einem Schreiben des Gerichts aus der Akte entnommen wird, gilt nach neuerer Rspr. nichts anderes: Der IX. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2010 (IX ZB 34/10, NJW 2011, 312) erhöhte Anforderungen an die Organisation der Ausgangskontrolle entwickelt, die dahin gehen, dass das Büropersonal angewiesen wird, die angegebene Faxnummer noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Dem haben sich weitere Senate des Bundesgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 49/11, Rn. 7 m.w.N., zit. nach ). Danach ist bei der Entnahme der Empfängernummer aus einem von diesem stammenden, bei der Akte befindlichen Schreiben stets eine - zweifache - Kontrolle des Inhalts vorzunehmen, ob die gewählte Nummer mit der in dem Schreiben enthaltenen Nummer übereinstimmt und ob es sich bei dem Schreiben tatsächlich um ein solches des Empfängers handelt (vgl. so BGH, Beschl. v. 23.05.2012, VII ZB 58/10, BeckRS 2012, 11977, Rz. 10).

10

bb) Nach dem bis zum Ablauf des 03.06.2011 gehaltenen Vortrag der Kläger fehlte es in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten an der danach erforderlichen Weisung, die Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle, wie dem in der Akte befindlichen Schriftstück des Empfängergerichts, vorzunehmen. Dementsprechend genügte die Kanzleiorganisation des Klägervertreters nicht den Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um ein Organisationsverschulden auszuschließen. Die Anweisung zur Ermittlung der Faxnummer anhand eines Schriftstücks des Empfängergerichts in der Akte sowie zur Kontrolle des Sendeberichts auf ordnungsgemäße Übermittlung reicht hierfür nach dem Stand der Rspr. zur Zeit der hier maßgeblichen Vorgänge nicht mehr aus. Dadurch wurde der Gefahr, dass bei der Ermittlung der Faxnummer auf ein Schreiben des Vorgerichts, und nicht auf ein solches des Empfängers, zurückgegriffen wird, nicht ausreichend vorgebeugt. Diese Gefahr hat sich hier auch verwirklicht.

11

b) Auf den Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 01.08.2011 kann eine Wiedereinsetzung schon deswegen nicht gestützt werden, weil er nicht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO unterbreitet worden ist.

12

aa) Die Partei muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, müssen grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, dürfen jedoch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Beschl. v. 21.10.2010, IX ZB 73/10, Rz. 16 f. m.w.N., zit. nach ).

13

bb) Der Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 31.08.2011 ist keine Erläuterung oder Ergänzung in diesem Sinne. Vielmehr war dem früheren Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 31.05.2011 gerade zu entnehmen, dass eine Weisung, den Sendebericht zur Kontrolle der Richtigkeit der verwandten Faxnummer nochmals mit einer zuverlässigen Quelle abzugleichen, in der Kanzlei des Klägervertreters nicht existierte. Ansonsten wäre nicht verständlich, warum sich der Klägervertreter in dem Schriftsatz vom 31.05.2011 auf den Standpunkt stellte, die Auffassung der Gegenseite, eine solche nochmalige Kontrolle sei erforderlich, überspanne die an die Kanzleiorganisation zu stellenden Anforderungen. Ein Anlass, zur weiteren Aufklärung einen Hinweis nach § 139 ZPO zu erteilen, bestand deswegen nicht. Insoweit die Kläger mit Schriftsatz vom 31.08.2011 vorgetragen haben, dass es seit dem 01.01.2006 tatsächlich und grundsätzlich ständige Handhabung in der Kanzlei des Klägervertreters sei, die Übereinstimmung des Sendeprotokolls mit der im Schriftstück des Empfangsgerichts angegebenen Telefaxnummer in der Akte zu kontrollieren, handelt es um ein Nachschieben von Gründen, das unzulässig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 22.06.2010, VIII ZB 12/10, Rz. 14, zit. nach ).

14

c) Es kann daher im Ergebnis offen bleiben, inwieweit der Vortrag im Schriftsatz vom 31.08.2011, der sich nur zu einer tatsächlichen Übung, nicht aber zu organisatorischen Maßnahmen, welche deren Einhaltung gewährleisten, verhält, überhaupt eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnte und ob die entsprechenden Angaben glaubhaft gemacht wären.

15

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

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(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 54/11
vom
12. Juni 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fc, Fd
Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax soll die Überprüfung
des Sendeberichts anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten
Quelle auch sicherstellen, dass der Schriftsatz tatsächlich übermittelt worden
ist.
BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 - VI ZB 54/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Galke und die Richter Zoll, Wellner, Pauge und Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. August 2011 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Beschwerdewert: 19.038,53 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 6. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011, beim Kammergericht eingegangen am 7. Juni 2011, Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 14. Juni 2011 hat der Senatsvorsitzende darauf hingewiesen, dass die Berufung zwar den Vermerk "vorab per Fax" enthalte, ein solches jedoch nicht eingegangen sei.
2
Daraufhin hat der Kläger mit einem am 21. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt. Er hat sinngemäß vorgetragen, die Rechtsanwalts- und Notargehilfin seiner Prozess- bevollmächtigten habe - auftragsgemäß - die Berufung vorab per Fax übersenden wollen, aber übersehen, dass ausweislich der Sendebestätigung vom 6. Juni 2011 das Fax nicht gesendet worden sei. Sie habe dennoch das Fax in die Akte geheftet, die Sendebestätigung in den Aktenschrank einsortiert und die Frist im Fristenkalender gelöscht. Diesen Ablauf hat der Prozessbevollmächtigte anwaltlich versichert und zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin vorgelegt.
3
Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Der verspätete Eingang der Berufungsschrift sei auf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückzuführen, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dessen Verschulden gleichstehe.

II.

4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen , nicht erfüllt sind.
5
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch dessen rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02, NJW 2003, 437; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, VersR 2012, 506 Rn. 5 mwN).
6
2. Die angefochtene Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Übersendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax nicht überspannt.
7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefax-Nummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfänger-Nummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der FaxNummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen EmpfängerNummer ist anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Fax-Nummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2012 - VI ZB 49/11, juris Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, VersR 2011, 1543 Rn. 14; vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rn. 11; vom 24. Juni 2010 - III ZB 63/09, juris Rn. 11; vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10, NJW 2011, 312 Rn. 10, jeweils mwN). Diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Übermittlung ausschließen , sondern auch die Feststellung ermöglichen, ob der Schriftsatz auch tatsächlich übermittelt worden ist. Eine Notfrist darf erst nach einer solchen Kontrolle des Sendeberichts gelöscht werden (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 1998 - XI ZB 13/98, - XI ZB 14/98, VersR 1999, 996; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12, 14).
8
b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht erfüllt.
9
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Ausschluss des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO) kommt es zwar auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07, juris Rn. 7; vom 13. April 2010 - VI ZB 65/08, NJW 2010, 2287 Rn. 5; vom 20. September 2011 - VI ZB 23/11, VersR 2011, 1544 Rn. 8). Im Streitfall erfüllt die vom Kläger vorgetragene und durch die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten glaubhaft gemachte Einzelanweisung die Anforderungen der Rechtsprechung aber nicht. Es ist nicht einmal vorgetragen, dass die Kanzleiangestellte angewiesen worden sei, nach Übersendung der Berufungsschrift den Sendebericht auszudrucken und diesen auf die Richtigkeit der verwendeten - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unvollständigen - Empfänger-Nummer anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu überprüfen und die Notfrist erst zu löschen, wenn eine solche Überprüfung erfolgt ist.
10
bb) Eine allgemeine Büroanweisung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, aus denen sich eine Anordnung hinsichtlich der Prüfungspflichten der Büroangestellten nach Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax ergibt, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Eine solche lässt sich auch nicht der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten entnehmen, wonach sie regelmäßig die Sendeprotokolle auf entsprechende Eintragungen untersuche und darauf achte, dass das Ergebnis als "ok" im Sendeprotokoll aufgeführt sei. Daraus ergibt sich weder, dass insoweit eine allgemeine Büroanweisung besteht noch dass diese den Anforderungen der Rechtsprechung entspricht.
11
c) Ein Hinweis des Berufungsgerichts nach § 139 ZPO, dass es den Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers als unzureichend ansieht, war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich. Dem Wiedereinsetzungsantrag lässt sich auch nicht ansatzweise entnehmen, dass die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt worden sind, so dass ein Hinweis zur Präzisierung oder Klarstellung einer zuvor bereits vorgetragenen Tatsache nicht veranlasst war.
12
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.04.2011 - 24 O 317/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.08.2011 - 22 U 142/11 -
7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefax-Nummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfänger-Nummer überprüft wird, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der FaxNummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Dabei genügt der Vergleich der auf dem Sendebericht ausgedruckten Fax-Nummer mit der in den Schriftsatz eingesetzten nicht. Dieser Abgleich ist nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Fax-Nummer zutreffend ermittelt wurde. Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfänger-Nummer ist deshalb anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen, aus dem bzw. der die Fax-Nummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, VersR 2011, 1543 Rn. 14; vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rn. 11; vom 24. Juni 2010 - III ZB 63/09, juris Rn. 11; vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10, NJW 2011, 312 Rn. 10, jeweils mwN). Nur so kann die bekannte - und sich hier verwirklichte - Gefahr beherrscht werden, dass fristgebundene Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelbegründungen per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung versehentlich an das Gericht der Vorinstanz geleitet werden (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - IX ZB 34/10, aaO). Es reicht allerdings die generelle Anweisung aus, die im Sendebericht ausgedruckte Fax-Nummer mit der schriftlich niedergelegten Fax-Nummer zu vergleichen, die ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist; in solchen Fällen ist nicht erforderlich, diese Nummer nach Absenden des Schriftsatzes noch ein weiteres Mal anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, aaO Rn. 18; vom 12. Mai 2010 - IV ZB 18/08, aaO Rn. 14).

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 73/10
vom
21. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsmittelführer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet
werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden.
Erkennbar unklare und ergänzungsbedürftige Angaben eines Wiedereinsetzungsgesuchs
zum Zeitpunkt des Posteinwurfs und der Briefkastenleerung dürfen noch nach
Fristablauf erläutert und vervollständigt werden.
BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 21. Oktober 2010

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2010 aufgehoben.
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 38.022,05 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Beklagte hat gegen das am 7. Oktober 2009 verkündete, ihr am 16. Oktober 2009 zugestellte Vorbehaltsurteil des Landgerichts mit am 16. No- vember 2009 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Durch Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 hat die Beklagte eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Der Schriftsatz ist im Wege der Faxübermittlung am 15. Dezember 2009 bei dem Landgericht eingegangen; der mit der Post übersandte Originalschriftsatz hat das Oberlandesgericht am 17. Dezember 2009 erreicht.
2
Auf den ihr am 23. Dezember 2009 zugegangenen Hinweis des Senatsvorsitzenden über den verspäteten Eingang des Verlängerungsgesuchs hat die Beklagte mit am 28. Dezember 2009 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie - durch eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten und seiner Auszubildenden M. glaubhaft gemacht - ausgeführt: Ihr Prozessbevollmächtigter habe am Vormittag des 15. Dezember 2009 den Verlängerungsantrag diktiert und das Diktat der Auszubildenden M. mit der Maßgabe übergeben, ihm den Schriftsatz nach Fertigstellung unverzüglich zur Unterschrift vorzulegen. Im Anschluss an die Unterzeichnung habe er die Auszubildende angewiesen, den Schriftsatz vorab an das Oberlandesgericht zu faxen. Auf Nachfrage habe sie gegen 11.30 Uhr erklärt, den Schriftsatz erfolgreich an das Berufungsgericht versandt und die Quittung in die Akte geheftet zu haben. Die Auszubildende sei zuvor angewiesen worden, sorgfältig die richtige Telefaxnummer zu kontrollieren , bevor sie ein Fax versende. Das Original des Schriftsatzes vom 15. Dezember 2009 sei zudem am Nachmittag über die normale Tagespost an das Oberlandesgericht abschickt worden. Nach Erhalt der Mitteilung des Oberlandesgerichts über den verspäteten Eingang des Verlängerungsantrags sei festgestellt worden, dass der Schriftsatz versehentlich an das Landgericht gefaxt worden sei.

3
Das Oberlandesgericht, bei dem die Berufungsbegründung der Beklagten am 18. Januar 2010 (einem Montag) eingegangen ist, hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Aufhebung dieses Beschlusses und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.


4
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, es fehle bereits an der Darlegung einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle durch den Bevollmächtigten der Beklagten. Welche generellen Anweisungen bestünden, sei der Glaubhaftmachung nicht zu entnehmen. Auch die Auszubildende habe keine Angaben dazu gemacht, welche Kontrollpflichten ihr bei der Versendung eines Telefaxes oblegen hätten und inwiefern sie den Sendebericht über den Vorgang der Übersendung hinaus habe überprüfen müssen. Der Bevollmächtigte habe sich auf die Auszubildende mangels einer auch nur stichprobeweisen Kontrolle nicht verlassen dürfen. Ein fehlendes Verschulden könne auch nicht aus der Versendung des Schriftsatzes vom 15. Dezember 2009 mit der normalen Tagespost hergeleitet werden. Wer den Brief eingeworfen habe und wann der Briefkasten entleert werde, lasse das Vorbringen der Beklagten offen.

III.


5
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie steht zudem nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
6
1. Soweit der durch Telefax übermittelte Fristverlängerungsantrag verspätet bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist, beruht die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist allerdings - wie das Berufungsgericht rechtlich beanstandungsfrei ausführt - auf einem der Beklagten zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO).
7
a) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat seine Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, durch die allgemeine Anweisung an die Auszubildende, auf die richtige Empfängernummer zu achten und nach der Übermittlung eines Schriftsatzes auf der Grundlage des Sendeberichts die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen, nicht ausreichend erfüllt. Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen Vortrag der Beklagten vor dem Berufungsgericht auf, welche allgemeinen Anweisungen bestanden, insbesondere ob und auf welche Weise die Richtigkeit der Empfängernummer abschließend und selbständig zu prüfen war (BGH, Beschl. v. 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJWRR 2005, 862). Mangels einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle besteht im Streitfall die nahe liegende Möglichkeit, dass die Auszubildende die vermeintlich richtige Telefaxnummer aus ihrem Gedächtnis abgerufen hat.
8
b) Ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil er der Auszubildenden im Blick auf die Übersendung des Fristverlängerungsgesuchs eine Einzelanweisung erteilt hat.
9
aa) Eine konkrete Einzelanweisung kann den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn sie die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und vorhandene Organisationsmängel nicht beseitigt (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 9).
10
bb) So verhält es sich im Streitfall. Besteht - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes an ein bestimmtes Gericht sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle gewährleisten. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Adressaaten des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber die sonst noch erforderlichen, bisher fehlenden Kontrollmechanismen nicht geschaffen (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369 a.E.; v. 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Rn. 6). Darüber, wie die Faxnummer ermittelt und wie bei der Ausgangskontrolle sowohl die Richtigkeit der Nummer als auch deren Zuordnung zum Oberlandesgericht gewährleistet wird, verhält sich die konkrete Einzelanweisung nicht.
11
c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Beklagte habe darauf vertrauen können, dass das Landgericht den Verlängerungsantrag vor Fristablauf an das Oberlandesgericht weiterleitet.
12
aa) Geht ein fristgebundener Schriftsatz nicht bei dem Berufungsgericht, sondern dem zuvor zuständigen erstinstanzlichen Gericht ein, so ist dieses Gericht verpflichtet, den Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Erreicht der Schriftsatz das früher mit der Sache befasste Gericht so frühzeitig, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Berufungsgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, so ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig bei dem Rechtsmittelgericht eintrifft. Der Wiedereinsetzung begehrende Antragsteller hat darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sein Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgemäß an das zuständige Berufungsgericht weitergeleitet werden konnte (BGH, Beschl. v. 6. Juni 2005 - II ZB 9/04, NJW-RR 2005, 1373).
13
bb) Im Streitfall fehlt es an der danach gebotenen Darlegung. Die Beklagte wäre gehalten gewesen, den gewöhnlichen Geschäftsgang im Verkehr zwischen Landgericht und Oberlandesgericht im Blick auf den zeitlichen Ablauf der Bearbeitung des Eingangs durch die Geschäftsstelle des Landgerichts, der Vorlage an den Richter, der Bearbeitung durch ihn und der Weiterleitung an die Postausgangsstelle des Landgerichts und von dort an das Oberlandesgericht zu konkretisieren (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1986 - VIII ZB 40/86, NJW 1987, 440, 441 a.E.). Dieser Obliegenheit hat die Beklagte jedoch nicht genügt.
14
2. Allerdings ist der Beklagten - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - mit Rücksicht auf die rechtzeitige postalische Absendung des Verlängerungsgesuchs am 15. Dezember 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil ein Zugang bei dem Berufungsgericht am nächsten Tag und damit vor Ablauf der am 16. Dezember 2009 endenden Berufungsbegründungsfrist zu erwarten war.
15
a) Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH, Beschl. v. 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08, NJW 2009, 2379 Rn. 8 m.w.N.). Wurde der Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 vor der Postleerung in den Briefkasten eingeworfen, durfte die Beklagte auf einen fristgemäßen Eingang bei dem Oberlandesgericht am 16. Dezember 2009 vertrauen.
16
b) Die Partei muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen.
17
Hierzu aa) gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, müssen grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, dürfen jedoch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Urt. v. 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107, 2108 m.w.N.; v. 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06, NJW 2007, 3212; v. 9. Februar 2010 - XI ZB 34/09, FamRZ 2010, 636 Rn. 9).
18
bb) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht der Beklagten Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens zu den Umständen des Posteinwurfs des Verlängerungsantrags geben müssen.
19
(1) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat an Eides statt versichert , der mit einem Freistempler versehene Schriftsatz sei "gegen 16.40 Uhr" bei dem Postamt L. zur Beförderung abgegeben worden. Nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Auszubildenden wurde der Schriftsatz mit der normalen Post "abends" an das Oberlandesgericht versandt. Angesichts dieser Darstellung durfte das Oberlandesgericht ohne ausdrückliche Nachfrage nicht von unterschiedlichen Zeitangaben des Bevollmächtigten und seiner Auszubildenden zur Postaufgabe ausgehen. Da Kanzleimitarbeiter - insbesondere Auszubildende - in aller Regel nur bis zum üblichen nachmittäglichen Büroschluss anwesend sind, war die Bekundung der Auszubildenden nicht ohne weiteres dahin zu verstehen, dass die Absendung des Schriftsatzes erst am Abend erfolgt war. Vielmehr kann mit dem Begriff "abends" im Dezember jahreszeitlich bedingt auch der späte Nachmittag gemeint sein. Falls das Berufungsgericht die Darstellung für nicht ausreichend erachtete, musste es der Beklagten gemäß § 139 ZPO Gelegenheit zu einer näheren Konkretisierung geben.
20
(2) Dies gilt auch im Blick auf die von dem Berufungsgericht vermisste Angabe der Postleerungszeiten. Dem Berufungsgericht musste sich aufdrängen , dass weiterer Vortrag zu den Zeitpunkten der Postleerung deshalb unterblieben war, weil die Beklagte dies in Anbetracht des frühzeitigen Einwurfs vor 17.00 Uhr nicht für erforderlich hielt (BGH, Beschl. v. 9. Februar 2010, aaO Rn. 11).
21
c) Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung - wie hier - nach § 139 ZPO geboten war, können nach Ablauf der Antragsfrist mit der Rechtsbeschwerde ergänzt werden (BGH, Beschl. v. 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284 m.w.N.; v. 18. Juli 2007, aaO S. 2779 Rn. 14). Der Prozessbevollmächtigte und die Auszubildende haben nunmehr an Eides statt versichert, dass der Schriftsatz gegen 16.45 Uhr beim Postamt L. eingeworfen wurde und eine Leerung um 18.00 Uhr erfolgt. Auf der Grundlage dieses ergänzenden Vortrags hätte das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ablehnen dürfen, weil die Beklagte mit einem rechtzeitigen Eingang ihres Verlängerungsschriftsatzes bei dem Oberlandesgericht rechnen durfte.
22
3. Der fristgerecht gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist somit begründet. Darüber kann der Senat gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO selbst entscheiden , weil es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf. Die Berufungsbegründung wurde als versäumte Rechtshandlung innerhalb der insoweit maß- geblichen Frist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) mit dem am 18. Januar 2010 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz rechtzeitig nachgeholt.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.10.2009 - 5 O 338/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.02.2010 - I-24 U 214/09 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 12/10
vom
11. August 2010
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter
Dr. Achilles und die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Die Gehörsrüge des Beklagten gegen den Senatsbeschluss vom 22. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat in dem Beschluss vom 22. Juni 2010 das von der Gehörsrüge als übergangen gerügte Vorbringen geprüft, aber aus rechtlichen Gründen nicht für maßgeblich erachtet.
2
Das Gebot des rechtlichen Gehörs schützt regelmäßig nicht davor, dass das Gericht einen tatsächlichen Umstand aus Rechtsgründen unberücksichtigt lässt oder ihm in materiell-rechtlicher Hinsicht eine andere Bedeutung als die Partei beimisst (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. März 2008 - VI ZR 57/07, GesR 2008, 361 m.w.N.; BVerfG, DVBl 2007, 253 ff.). Der Senat hat auch nicht den Kern des Vorbringens des Beklagten verkannt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist seinem Vortrag, die zuständige Kanzleikraft habe anstelle des auf der Zustellungsurkunde vermerkten Zustelldatums versehentlich und fehlerhaft den 5. Februar 2009 - das Datum des Eingangsstempels - notiert, nicht (implizit) zu entnehmen, dass der Beklagtenvertreter die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um das Auftreten eines solchen Feh- lers bei der Fristenerfassung von vornherein zu verhindern. Sein weiteres Vorbringen , die fehlerhafte Notierung wäre auch bei einer ordnungsgemäßen Organisation des Fristenwesens eingetreten, ist bereits deswegen ohne Substanz, weil der Beklagte keine näheren Angaben zu den Gründen des Fehlverhaltens der Kanzleikraft seines Prozessbevollmächtigten gemacht hat.
3
Der Senat war auch nicht gehalten, den Beklagten darauf hinzuweisen, dass sein - im Beschwerdeverfahren ergänztes - Vorbringen den Anforderungen an die Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes nach wie vor nicht genügte. Zum einen hat der Senat keine überraschenden Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts gestellt, sondern nur die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen. Zum anderen hat die Klägerseite von vornherein die unzureichende Darlegung der Büroorganisation gerügt. Ohnehin verkennt der Beklagte, dass unterlassene Hinweise nur unter der - hier nicht einschlägigen - Voraussetzung mit einer Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gleichzusetzen sind, dass das Gericht auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt oder Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. etwa BVerfGE 108, 314, 345 f.; BVerfG, NJW 2003, 2524; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03, juris, Rdnr. 11).
Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 29.09.2009 - 35 C 669/09 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 23.12.2009 - 13 S 220/09 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)