Landgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 1 S 222/15
Tenor
Die Berufung des Beklagten vom 09.11.2015 gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 04.11.2015 – 118 C 327/15 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Dieses Urteil und das vorgenannte Urteil des Amtsgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500,00 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Revision wird zugelassen.
1
I.
2Die Kläger sind Mieter des Hauses Q-Straße in 50968 Köln. Der Beklagte ist Eigentümer des angrenzenden Grundstücks V-Straße. Auf dem Grundstück des Beklagten befindet sich im Randbereich eine große Buche, deren Äste teilweise auf das von den Klägern genutzte Grundstück herüberragen. Einer dieser Äste, der in den Eingangsbereich zum Wohnhaus der Kläger hineinragte, war nach Auffassung der Klägerseite erheblich geschädigt; aus ihrer Sicht bestand die Gefahr des Abbruchs.
3Nachdem die Kläger den Beklagten mehrfach um die Entfernung dieses Astes gebeten hatten, haben sie am 06.01.2014 ein selbständiges Beweisverfahren - Amtsgericht Köln 112 H 1/14 – eingeleitet, um die Frage der Schädigung des Asts und des Vorhandenseins einer Abbruchgefahr zu klären. In diesem Verfahren hat der Sachverständige Dr. S unter dem 02.02.2015 ein Gutachten vorgelegt, nach dessen Ergebnis der Ast im Rindenbereich beschädigt ist. Nach Auffassung des Gutachters konnte es ohne erkennbare Anzeichen bei einem Belastungsfall direkt zu einem Bruch des Astes kommen. Diese Gefahr würde sich mit weiterem Wachstum des Astes noch verstärken. Ein Bruchereignis war nach Auffassung des Sachverständigen damit absehbar, der Zeitpunkt lasse sich jedoch nicht bestimmen. Bei einem Abbruch würde der abbrechende Ast auf das Nachbargrundstück fallen.
4Für dieses Verfahren sind Gerichtskosten in einer Gesamthöhe von 2.328,04 € angefallen, die die Kläger beglichen haben. Im Weiteren sind für dieses Verfahren den Klägern außergerichtliche Kosten i.H.v. 681,28 € entstanden.
5Nach Vorlage des Sachverständigengutachtens hat der Beklagte den Ast entfernen lassen.
6Mit der Klage haben die Kläger im Wege eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs die ihnen entstandenen Kosten für das selbständige Beweisverfahren geltend gemacht, wobei ein Teilbetrag von 150,00 € an sie selbst und der Restbetrag von 2.859,32 € an ihre Rechtsschutzversicherung gezahlt werden sollte. Das Amtsgericht Köln hat mit Urteil vom 04.01.2015 – 118 C 327/15 - der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
7Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung im wesentlichen vor, der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Gerichtskosten könne nicht als Verzugsschaden, sondern allenfalls im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden. Die Kläger hätten ihre Schadensminderungspflicht verletzt; so sei es auf die mögliche Abbruchgefährdung des Astes überhaupt nicht angekommen; zudem hätten sie als Folge der ihnen obliegenden Schadensminderungspflicht den Ast kostengünstig selbst beseitigen müssen, wozu sie auch berechtigt gewesen seien. Zudem sei der Beklagte mit der Beseitigung nicht im Verzug gewesen; die Kläger hätten weiterhin vorab kein Schlichtungsverfahren gemäß § 10 GüSchlG NRW durchgeführt.
8Die Kläger verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts.
9Die Akte Amtsgericht Köln 112 H 1/14 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
10II.
11Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
12Zu Recht hat das Amtsgericht Köln den Beklagten zur Zahlung eines Betrages von insgesamt 3.009,32 € nebst Zinsen entsprechend dem Antrag der Kläger verurteilt.
131.
14Nach Auffassung der Kammer ist es in der vorliegenden Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich ein ursprünglich gegebener Anspruch nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens durch Erfüllung durch den Antragsgegner erledigt hat, dem Antragsteller möglich, seine hierdurch entstandenen Kosten im Wege der zulässigen Leistungsklage als materiellrechtlichen Erstattungsanspruch geltend zu machen.
15Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können im selbständigen Beweisverfahren Erledigungserklärungen mit der Folge einer Kostengrundentscheidung gegen den Antragsgegner nicht abgegeben werden (BGH v. 12.02.2004, – V ZB 57/03 -, NJW-RR 2004, 1005). Eine prozessuale Kostenentscheidung im Hinblick auf die Kosten des ständigen Beweisverfahrens kann es daher in diesem Verfahren nicht geben. Der Bundesgerichtshof hat dagegen in der genannten Entscheidung wie auch in weiteren Entscheidungen (BGH v. 01.07.2004, - V ZB 66/03 -; BGH v. 08.10.2013, – VII ZB 61/12 – , NJW 2013, 3586) eine Klage auf Feststellung, dass der Antragsgegner zur Beseitigung der behaupteten Störung verpflichtet war, für zulässig erachtet. Er hat dazu ausgeführt, dass der Antragsteller damit dann, wenn er in diesem Verfahren obsiege, eine Kostengrundentscheidung erreiche, die die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens mit umfasst. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nach Auffassung der Kammer indes gerade nicht zwingend, dass der hier von der Klägerseite geltend gemachte materiellrechtliche Erstattungsanspruch nicht zulässig ist. Auf einen möglichen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch für die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als Gegenstand einer Leistungsklage des früheren Antragstellers gegen den Antragsgegner geht der Bundesgerichtshof vielmehr dabei nicht ein.
16Die Möglichkeit der Geltendmachung eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs im Wege einer Leistungsklage durch den Antragsteller wird dagegen vom Oberlandesgericht Düsseldorf (B. v. 07.10.2002, - 5 W 26/02 -; BauR 2003, 432; Rz. 21) ausdrücklich bejaht.
17Damit wäre nach allgemeinen Grundsätzen der hier geltend gemachte materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch nach Auffassung der Kammer nur dann nicht zulässig, wenn die Klägerseite eine andere Möglichkeit hätte, einfacher bzw. kostengünstiger zu einem entsprechenden Titel zu gelangen. Wie der Vergleich der Geltendmachung eines materiellrechtlichen Erstattungsanspruchs im Wege der Leistungsklage mit dem Vorgehen über eine Feststellungsklage zeigt, ist das gerade nicht der Fall. Denn die Feststellungsklage mit dem hier zu erwartenden Antrag, festzustellen, dass der Beklagte zur Beseitigung des Asts verpflichtet gewesen ist, führt nicht einfacher oder kostengünstiger zum gewünschten Erfolg. Der Streitwert wäre in beiden Fällen gleich, da auch bei der Feststellungsklage das Interesse der Kläger mit der Höhe der entstandenen Kosten zu bemessen ist. Im Gegenteil kann mit der hier erhobenen Leistungsklage ein möglicherweise weiterer Streit um die Höhe der zu erstattenden Kosten bereits mitentschieden werden, was bei der Feststellungsklage nicht möglich ist und insoweit bei Streit hierüber im Beschwerdeverfahren nach der anschließenden Kostenfestsetzung gesondert geklärt werden müsste. Letztlich greift hier auch der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage vor der Feststellungsklage ein.
182.
19Der Anspruch der Kläger auf Ersatz der Kosten für das selbstständige Beweisverfahren ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1,2, 286 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB.
20Die Kläger hätten, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S im selbständigen Beweisverfahren ergibt, gegen den Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung des dort streitgegenständlichen Astes gehabt. Dieser Anspruch steht ihnen als Mieter des genutzten Grundstücks unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten zu.
21Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen eindeutig ergibt, war bei dem fraglichen Ast durch die vorhandene Vorschädigung ein Abbruch absehbar, wenngleich der Zeitpunkt eines Abbruchs nicht bestimmbar war. Der Sachverständige hat insofern sogar festgehalten, dass es unwahrscheinlich sei, dass es an der kritischen Stelle nicht irgendwann zu einem Bruch komme. Der dann abbrechende Teil mit einer Länge von acht Metern wäre auf das von den Klägern genutzte Grundstück gefallen. Im Hinblick darauf, dass der Ast in den Eingangsbereich des von den Klägern gemieteten Hauses hineinragte, ist von einer unmittelbaren Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Kläger auszugehen. Dies führt über § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB zu einem Beseitigungsanspruch gegen den Beklagten, den insoweit auch die Kläger als Mieter geltend machen können (vergleiche Palandt-Sprau, BGB, 75. Auflage, Einf vor § 823 Rn. 37; ders.-Bassenge, § 1104, Rn. 4).
22Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen hat, es handele sich nach Angaben von zwei Landschaftsgärtnern insgesamt um eine kerngesunde Buche, verfängt dies nicht. Der Beklagte hat das Ergebnis des Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren nicht angegriffen; der jetzige Vortrag dazu ist ungeachtet der mangelnden Substantiierung damit auch zu spät.
23Der Beklagte befand sich nach den Schreiben der Kläger vom 24.09.2013 und 31.10.2013 mit der Beseitigung des Astes auch im Verzug. Die vorgenannten Schreiben, insbesondere dasjenige vom 31.10.2013, mit dem der Beklagte eindeutig zur Beseitigung des Astes aufgefordert wurde, sind als Mahnung, nämlich als an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen, zu werten. Eine Fristsetzung ist insoweit ebenso wenig nötig wie die Androhung von Folgen (vgl. Palandt-Grüneberg, aaO., § 286 Rn. 16/17). Dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt von sich aus bereit gewesen wäre, dem Begehren der Klägerseite nachzukommen, aber nur noch das Vorliegen einer entsprechenden Genehmigung der Stadt Köln nach der Baumschutzsatzung abwarten wollte, ergibt sich aus dem Sachvortrag der Parteien und dem Schriftwechsel vor der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens nicht. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass der Beklagte der Klägerseite gegenüber deutlich gemacht hatte, dem Begehren nach Vorliegen der entsprechenden Genehmigung nachkommen zu wollen. Der Beklagte hat den Antrag auf Beschneidung bzw. Fällung des Baumes vielmehr erst nach Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens am 02.04.2014 an die Stadt Köln gestellt.
24Damit war es nach dem Schreiben vom 31.10.2013 den Klägern unbenommen, ihren Anspruch auf Beseitigung des Asts gerichtlich durchzusetzen. Ob sie dieses Ziel dann unmittelbar mit einer auf Beseitigung des Asts gerichteten Leistungsklage oder – wie hier geschehen – im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens mit dem Ziel der gerichtlichen Klärung, ob ein Abbruch des Asts und ein Herunterfallen auf das von ihnen genutzte Grundstück droht, verfolgen, steht ihnen letztlich frei. Das muss umso mehr gelten, nachdem der Beklagte im selbständigen Beweisverfahren mit seinem dortigen Schriftsatz vom 03.04.2014 ausdrücklich erklärt hatte, er sei mit Sicherheit nicht bereit, dem Votum eines Sachverständigen freiwillig nachzugeben.
25Dass den Klägern für das von ihnen eingeleitete selbständige Beweisverfahren die hier geltend gemachten Kosten der Höhe nach entstanden sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.
263.
27Dem Anspruch der Kläger steht ein ihnen zur Last zu legender Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach Auffassung der Kammer nicht entgegen.
28Ein solcher Verstoß ergibt sich nicht aus der Überlegung, dass die Kläger statt der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens vorliegend zur Selbsthilfe nach § 910 BGB hätten greifen und den Ast auf eigene Kosten hätten entfernen lassen müssen. Denn grundsätzlich steht es dem Beeinträchtigten frei, ob er nach § 910 BGB selbst tätig wird oder über die §§ 823, 1004 BGB den Störer in Anspruch nimmt bzw. eine solche Inanspruchnahme mit Hilfe eines selbständigen Beweisverfahrens vorbereitet. Diese Ansprüche stehen vielmehr selbstständig nebeneinander (vergleiche BGH v. 08.06.1979, - V ZR 46/78 -, MDR 1979, 1009; BGH v. 26.11.2004, - V ZR 83/04 -, NZM 2005, 318). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass eine unmittelbar durch die Kläger veranlasste Beseitigung des Astes sich wahrscheinlich kostengünstiger dargestellt hätte als die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens. Denn der Beklagte als Störer hatte es letztlich nach der Aufforderung durch die Kläger selbst in der Hand, entsprechend seiner Verpflichtung und damit in für ihn kostengünstiger Art und Weise tätig zu werden. Dies gilt umso mehr, als es ihm als Grundstückseigentümer freigestanden hätte, eine gegebenenfalls erforderliche Erlaubnis auf Entfernung des Astes nach § 7 der Baumschutzsatzung der Stadt Köln zu erwirken; ein Erlaubnisantragsrecht für Grundstücksnachbarn sieht die Baumschutzsatzung dagegen nicht vor. Unbeschadet eines durch die Selbsthilfe möglicherweise begangenen Verstoßes der Kläger gegen die Baumschutzsatzung der Stadt Köln hätte diese die Kläger gerade im Hinblick auf den seinerzeit noch ungeklärten Meinungsstreit zwischen den Parteien, ob der streitgegenständliche Ast tatsächlich abbruchgefährdet und damit eine Beseitigung geboten war, in die Gefahr gebracht, sich anschließend möglichen Schadensersatzansprüchen des Beklagten wegen einer aus seiner Sicht rechtlich nicht gestatteten Selbsthilfe ausgesetzt zu sehen, was ihnen nicht zumutbar war. Damit mußte es ihnen ungeachtet der dadurch ausgelösten Mehrkosten unbenommen bleiben, den gewählten Weg über die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zu gehen.
294.
30Schließlich steht dem Anspruch der Kläger nicht entgegen, dass sie vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens bzw. des vorliegenden Klageverfahrens kein Schlichtungsverfahren durchgeführt haben.
31Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Regelung des § 10 GüSchlG NRW seit dem 31.12.2010 nicht mehr in Kraft ist; sie ist seit dem 01.01.2011 durch die inhaltsgleiche Regelung in § 53 JustG NRW ersetzt worden (vergleiche dazu OLG Köln v. 28.06.2011, - 24 U 128/10 -, Rz. 13, zitiert nach juris).
32Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 53 Abs. 1 JustG NRW bzw. der zugrundeliegenden Norm des § 15 a EGZPO ist ein Güteversuch Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung einer Klage in bestimmen Fällen. Mit einer Klageerhebung kann die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens indes nicht gleichgesetzt werden; dieses wird von der genannten Norm bzw. § 15 a EGZPO nicht erfasst (vgl. MüKo-ZPO-Gruber, 4. Aufl., § 15 a EGZPO, Rn. 5; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 15 a EGZPO, Rn. 4). Der Durchführung eines Güteversuchs vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens bedurfte es für die Kläger damit nicht.
33Das gleiche gilt aber auch vor der Erhebung der hier zu entscheidenden Zahlungsklage. Denn in Nordrhein-Westfalen unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten. Diese Einschränkung ergibt sich zwingend aus der Entstehungsgeschichte der Norm (so BGH v. 02.03.2012, - V ZR 169/11 -, NZM 2012, 435; Rz. 8,9).
34III.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
36IV.
37Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil – soweit ersichtlich - eine ausdrückliche höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob in der vorliegenden Fallkonstellation dem früheren Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens nach Erfüllung des begehrten Anspruchs durch den Antragsgegner ein unmittelbar einzuklagender materiellrechtlicher Erstattungsanspruch zusteht oder ob er auf einen Feststellungsantrag zu verweisen ist, nicht vorliegt.
38Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.009, 32 €
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Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 150 € und an die B. Rechtsschutzversicherungs AG, V.-straße 0, 00000 München (Schadensnummer 00 000000 00 0) 2.859,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 150 € und 2.645,12 € seit dem 13.07.2015 und aus 214,20 € seit dem 13.08.2015 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Mieter des Hauses Q.-straße 00 in 00000 Köln. Der Beklagte ist der Eigentümer des Nachbargrundstücks.
3Ein Ast eines Baumes, der auf dem Grundstück des Beklagten steht, ragte zu den Klägern im Bereich des Hauseingangs herüber. Sie rügten, dass dieser Ast eine Gefahr für Leben und Eigentum darstellt. Sie sprachen den Beklagten zunächst mündlich darauf an, dann forderten sie ihn mit Schreiben vom 24.09.2013 auf, für die Entfernung des Astes Sorge zu tragen.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.10.2013 wurde der Beklagte noch einmal aufgefordert, den bereits angebrochenen Ast entfernen zu lassen. In einem Telefonat des Prozessbevollmächtigten der Kläger mit dem Beklagten lehnte dieser eine Entfernung des Astes ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2013 wurde der Beklagte noch einmal gebeten, sich in der Sache bis zum 29.11.2013 zu melden.
5Mit Antrag vom 06.01.2014 leiteten die Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren ein mit der Beweisfrage, ob ein Abbruch des Astes droht. Das im selbstständigen Beweisverfahren mit dem Aktenzeichen 112 H 1/14 eingeholte Sachverständigengutachten ergab, dass ein Bruchereignis absehbar war. Es war dabei anzunehmen, dass sich die Gefahr in absehbarer Zeit realisieren wird. Zugleich wurde auch festgestellt, dass es auch ohne erkennbare Anzeichen direkt bei einem Belastungsfall zu einem Bruch kommen kann.
6Nach dem Vorliegen des Gutachtens und Einholung einer Fällgenehmigung entfernte der Beklagte am 02.04.2014 den Ast.
7Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens beliefen sich auf 2.328,04 €. Für die Inanspruchnahme ihres Prozessbevollmächtigten fielen für die Kläger weitere 467,08 € an Geschäftsgebühren zuzüglich Pauschale für Post und Telekommunikation und Mehrwertsteuer und Gebühren im selbstständigen Beweisverfahren an.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2015 wurde der Beklagte aufgefordert, die Kosten in Höhe von 2.328,04 € zu zahlen. Mit E-Mail des Beklagten vom 25.06.2015 kündigte dieser an, dass er den Anspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkennen wird.
9Die Kläger sind bei der B. Rechtsschutzversicherung mit einem Selbstbehalt von 150 € rechtsschutzversichert. Die Kläger haben von den geltend gemachten Kosten den Eigenanteil gezahlt, den Rest die Rechtsschutzversicherung. Diese hat die Kläger ermächtigt, die Forderung gerichtlich im eigenen Namen geltend zu machen.
10Die Kläger haben im Mahnverfahren beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.795,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheid zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 05.08.2015 haben sie die Klage erweitert und geändert und beantragen nunmehr,
11den Beklagte zu verurteilen, an die Kläger € 150,00 und an die B. Rechtsschutzversicherungs AG, V.-straße 0, 00000 München (Schadennummer 00 000000 00 0) 2.859,32 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz von € 150,00 und von weiteren € 2.645,12 seit Zustellung des Mahnbescheids und von weiteren € 214,20 ab Zustellung des heutigen Schriftsatzes.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er meint, er habe sich gar nicht im Verzug befunden, da ihm in keinem Schreiben eine Frist gesetzt worden sei. Zudem habe keine akute Gefahr bestanden, der Abbruch hätte sich erst in absehbarer Zeit realisiert, sodass ein Anspruch der Kläger auch nie fällig gewesen sei. Zudem ist er der Ansicht, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahren seien Kosten des Rechtsstreits und nicht als Verzugsschaden geltend zu machen.
15Der Mahnbescheid ist dem Beklagten am 13.07.2015 zugestellt worden, der Widerspruch ist am 14.07.2015 beim Mahngericht eingegangen, die Abgabe an das Prozessgericht erfolgte am 27.07.2015. Der Schriftsatz vom 05.08.2015 ist dem Beklagten am 13.08.2015 zugestellt worden.
16Die Akte des selbstständigen Beweisverfahrens mit dem Aktenzeichen 112 H 1/14 ist beigezogen worden und lag in der Hauptverhandlung am 23.09.2015 vor.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klageerweiterung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Die Klageänderung mit der Einbeziehung der B. Rechtsschutzversicherung ist nach § 263 ZPO aufgrund von Sachdienlichkeit zulässig. Der Anspruch der Versicherung hängt mit dem der Kläger untrennbar zusammen und es ist daher prozessökonomisch den bereits im Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch hier unter Einbeziehung des tatsächlichen Teil-Forderungsinhabers weiter zu verfolgen.
19Die Klage ist auch zulässig und begründet.
20Die Kläger können im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft im eigenen Namen auch die Ansprüche der B. Rechtsschutzversicherungs AG geltend machen. Hierzu wurden sie ausdrücklich und schriftlich ermächtigt. Der Anspruch ist auch abtretbar und die Kläger haben, da sie auch einen Teil der Forderung an sich selbst verlangen können, ein rechtliches Interesse an deren Durchsetzung.
21Ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten aus §§ 780, 781 BGB aufgrund eines Anerkenntnisses der Kostentragungslast ist dabei allerdings noch nicht zu erkennen. Der Beklagte hat in der E-Mail vom 25.06.2015 noch kein Anerkenntnis erklärt, sondern es allenfalls angekündigt. Es mangelt daher am Rechtsbindungswillen.
22Die Kläger haben aber einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 150 € an sich und 2.859,32 € an die Rechtsschutzversicherung aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB.
23Dabei können die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens als Verzugsschaden im Sinne eines materiell – rechtlichen Kostenerstattungsanspruches geltend gemacht werden.
24Zutreffend ist, dass es sich bei den Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens um Kosten des Rechtsstreits handelt, wenn im Anschluss ein streitiges Verfahren durchgeführt wird (Zöller –Herget, ZPO, § 490 Rn 7).
25Kommt es bereits während des selbstständigen Beweisverfahrens zu einer Erledigung des Hauptsacheanspruches, so ist umstritten, ob Erledigungserklärungen abgegeben werden können oder ob darin eine Antragsrücknahme mit der Kostenfolge nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO gesehen werden muss (vgl. BGH, MDR 2007, 1150). Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat insoweit auch entschieden, dass in dieser Konstellation ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch möglich ist (OLGR Schleswig 2009, 444).
26Für den hier vorliegenden Fall, dass sich der Anspruch nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens und ohne die Stellung eines Antrages nach § 494a ZPO „erledigt“, ist –soweit ersichtlich- bislang zumindest nicht explizit entschieden worden, wie die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens geltend gemacht werden können. Die Geltendmachung über prozessrechtliche Kostenregelungen erscheint dabei unmöglich, da das selbstständige Beweisverfahren mit der Beweiserhebung bereits beendet ist und damit mangels Antrag nach § 494a Abs. 1 ZPO auch keine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO getroffen werden darf. Eine Überleitung ins streitige Verfahren mit einer Kostenentscheidung nach §§ 91 ff ZPO kann ebenfalls nicht mehr ergehen, da nach Erfüllung der begehrten Handlung oder Unterlassung kein Anspruch mehr besteht und die Klage daher einen negativen Ausgang für die Antragsteller mit der Kostentragungspflicht des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur Folge hätte.
27Einem Antragsteller, welcher einen Anspruch gegen den Antragsgegner hatte und dies in einem selbstständigen Beweisverfahren sichern wollte, bleibt mithin nur die Möglichkeit seine Ansprüche nach dem materiellen Recht geltend zu machen. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Diskussion darum, ob im selbstständigen Beweisverfahren eine Erledigung mit einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO eintreten kann, unter anderem gerade deshalb geführt wird, weil man die materiell-rechtlichen Kostenerstattungsklagen aus prozessökonomischen Gründen vermeiden möchte (Zöller –Vollkommer, ZPO, § 91a Rn 58). Dies lässt den Schluss darauf zu, dass ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch aber jedenfalls möglich ist. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf befürwortet die Möglichkeit eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs (Beschluss vom 11.09.2002, Az. 5 W 26/02). Der Bundesgerichtshof hat im Beschluss vom 09.05.2007 (Az. IV ZB 26/06), in welchem er eine Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren gemäß § 91 a ZPO analog nach beiderseitiger Erledigungserklärung ablehnte, den Grundsatz betont, dass sich die Kostentragungspflicht grundsätzlich nach dem materiellen Ergebnis des Hauptsacheprozesses und der Notwendigkeit der Kosten für die Rechtsverfolgung beurteilt. Gerade diese Prüfung ist im Prozess über einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch möglich.
28Der Beklagte befand sich bereits seit dem 24.09.2013 gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 BGB im Verzug.
29Dafür ist zunächst notwendig, dass die Kläger einen fälligen Anspruch gegen ihn hatten. Es bestand ein fälliger Anspruch auf Entfernung des Astes aus §§ 1004 Abs.1, 823 Abs. 1 BGB analog.
30Eine Beeinträchtigung des durch § 823 Abs. 1 BGB als absolutes Recht geschützten berechtigten Besitzes der Kläger durch den herüberragenden und bereits angebrochenen Ast lag vor. Besteht eine Gefahr für Leib oder Leben, wenn der rechtmäßige Besitz ausgeübt wird, so ist dieser beeinträchtigt. Die Kläger als rechtmäßige Mieter und damit Besitzer des Grundstückes Q.-straße 00 waren hier durch den Ast darin beeinträchtigt, ihren Hauseingang gefahrlos zu nutzen. Nach dem Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Kläger durch den Ast bestand. Dabei ist letztlich unerheblich, ob eine bereits akute Abbruchgefahr bestand oder ob diese sich erst in absehbarer Zeit realisiert hätte. Der im Gutachten verwendete Begriff der „absehbaren Zeit“ ist als solcher auch sehr vage. Er kann einen Zeitraum von wenigen Tagen oder Wochen ebenso ausdrücken wie einen solchen von mehreren Monaten. Zu beachten ist insbesondere auch, dass im Gutachten (Bl. 101 der beigezogenen Gerichtsakte zum selbstständigen Beweisverfahren) festgestellt wird, dass es auch ohne erkennbare Anzeichen bei einem Belastungsfall direkt zum Bruch kommen kann. Der bereits angebrochene Ast hätte mithin bei einem Sturm oder ähnlichem Ereignis jederzeit abbrechen und auf den Bereich des Hauseingangs der Kläger fallen können. Hätte sich zu dieser Zeit jemand dort aufgehalten, hätte er nach der allgemeinen Lebenserfahrung höchstwahrscheinlich nicht ganz unerhebliche Verletzungen davongetragen.
31Eine Duldungspflicht der Kläger bestand nicht. Es sind keine Umstände erkennbar, die eine solche rechtfertigen könnten.
32Der Beklagte ist als Eigentümer des Grundstückes, auf welchem sich der Baum befindet, Zustandsstörer.
33Das Schreiben der Kläger vom 24.09.2013 ist bereits eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Das ist jede an den Schuldner gerichtete Aufforderung, die geschuldete Leistung zu erbringen (Palandt –Grüneberg, BGB, § 286 Rn 16). Es ist dabei eine eindeutige und unbedingte Aufforderung zu verlangen. Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben der Kläger vom 24.09.2013. Darin fordern sie den Beklagten unmissverständlich und ohne jegliche Bedingung auf, für die Entfernung des Astes Sorge zu tragen. Eine Fristsetzung ist entgegen der Ansicht des Beklagten keine Voraussetzung für eine Mahnung.
34Ein kausaler Schaden ist den Klägern durch die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens selbst in Höhe von 150 €, der B. Rechtsschutzversicherung in Höhe von 2.859,32 € entstanden. Das selbstständige Beweisverfahren war dabei eine zweckmäßige Maßnahme, um die Gefahr durch den Ast objektiv feststellen zu können. Ebenso war es erforderlich und zweckmäßig, nach dem der Beklagte auf die Aufforderungen der Kläger selbst nicht reagiert hatte, einen Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Beseitigungsanspruches zu beauftragen.
35Das Vertreten-müssen des Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.
36Die Kläger haben zudem einen Zinsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, 696 Abs. 3 ZPO aus dem Anspruch von 150 € und 2.645,12 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2015. Der Mahnbescheid ist dem Beklagten am 13.07.2015 zugestellt worden. Die darin geltend gemachte Forderung konnte der Beklagte zweifelsfrei als diejenige auf Ersatz der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens erkennen. Dies schon, da sie mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2015 in dieser Höhe geltend gemacht worden war. Dabei erfolgte die Abgabe an das Prozessgericht bereits am 27.07.2015 und damit innerhalb von 14 Tagen seit dem Eingang des Widerspruchs am 14.07.2015. Die Abgabe erfolgte mithin „alsbald“ im Sinne des § 696 Abs. 3 ZPO. Die übrigen Rechtshängigkeitszinsen, aus den erst später geltend gemachten vorgerichltichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 214,20 €, sind ab Zustellung des Schriftsatzes vom 05.08.2015, also ab dem 13.08.2015 begründet.
37Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
38Der Streitwert wird auf 2.795,12 € bis zum 05.08.2015
39danach auf 3.009,32 € festgesetzt.
40Rechtsbehelfsbelehrung:
41A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
421. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
432. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
44Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
45Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
46Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
47Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
48B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
49Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
50BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Antrag, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert der Rechtsmittelverfahren beträgt 2.116,51
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Beide Grundstücke waren bebaut, das Grundstück der Antragstellerin mit einem Wohnhaus, das Grundstück des Antragsgegners mit einem ehemals betrieblichen Zwecken dienenden Gebäude. Die Antragstellerin hat behauptet, von
dem Gebäude auf dem Grundstück des Antragsgegners dringe Feuchtigkeit in ihr Haus ein. Sie hat zur Feststellung dieser Tatsache und deren Ursache im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das Amtsgericht hat die Einholung des beantragten Gutachtens angeordnet. Das Gutachten wurde den Beteiligten im Januar 2003 zugeleitet. Der Sachverständige hat festgestellt, daß die zur Grenzwand gelegenen Räume im Haus der Antragsstellerin teilweise Feuchtigkeitsbeeinträchtigungen aufweisen, die insbesondere auf den mangelhaften Anschluß der Giebelwand des Betriebsgebäudes an die Giebelwand des Hauses der Antragstellerin zurückzuführen seien. Im Juli 2003 ließ der Antragsgegner das Betriebsgebäude abreißen. Die Antragsstellerin hat daraufhin das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragt, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Antragsgegner hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Beschwerde des Antragsgegners ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt er die Zurückweisung des Kostenantrags.
II.
Das Landgericht hält den Antragsgegner für verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es meint, der Abriß des Betriebsgebäudes habe das Interesse der Antragstellerin an dem Verfahren entfallen lassen und seine Fortsetzung unmöglich gemacht. In entsprechender Anwendung von §§ 91 ff. ZPO habe der Antragsgegner daher die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Ein prozeßrechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin besteht nicht.
1. Die einseitige Erklärung der Antragstellerin, das Verfahren sei in der Hauptsache erledigt, ermöglicht keine Kostengrundentscheidung gegen den Antragsgegner (OLG Hamburg MDR 1998, 242; OLG Dresden JurBüro 1999, 594; KG MDR 2002, 422; Lindacher JR 1999, 278, 279; aM OLG Koblenz, BauR 1998, 1045 ff; OLG München NJW-RR 2001, 1580, 1582).
Die Entscheidung über die Kosten eines Rechtsstreits beruht auf dem Grundsatz, daß die Partei die Kosten zu tragen hat, zu deren Nachteil die Entscheidung des Gerichts ergeht (§ 91 Abs. 1 ZPO). Die Belastung des Beklagten mit den Kosten eines Rechtsstreits setzt damit voraus, daß er unterlegen ist. Kommt es zu keiner Entscheidung in der Hauptsache, weil die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kostentragungspflicht (§ 91a Abs. 1 ZPO). Stimmt der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht zu, scheidet eine Ermessensentscheidung über die Kosten aus. Die Erledigungserklärung des Klägers bedeutet vielmehr eine Änderung der Klage, aufgrund deren das Gericht durch Urteil darüber zu entscheiden hat, ob der klageweise geltend gemachte Anspruch bestanden hat und wegen des als Erledigung be-
zeichneten Ereignisses nicht mehr durchgesetzt werden kann (BGH, Beschl. v. 26. Juni 1994, I ZB 4/94, NJW 1994, 2364, 2365; Urt. v. 7. Juni 2001, I ZR 157/98, NJW 2002, 442; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 91a Rdn. 170; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 91a Rdn. 29; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 91a Rdn. 36 f., Zöller/Vollkommer, ZPO. 24. Aufl., § 91a Rdn. 34). Nur wenn es sich so verhält, erreicht der Kläger die Belastung des Beklagten mit den Kosten des Rechtsstreits.
Diese Grundsätze sind auf das selbständige Beweisverfahren nicht anwendbar. In diesem Verfahren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung (Musielak/Huber, aaO, § 490 Rdn. 7; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., vor § 485 Rdn. 8; Zöller/Herget, aaO, § 490 Rdn. 5). Die Anordnung der Beweiserhebung bedeutet weder eine Entscheidung über ein Recht oder einen Anspruch , noch ergeht die Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten eines anhängigen oder künftigen Erkenntnisverfahrens zwischen den Parteien, neben dem oder zu dessen Vorbereitung das selbständige Beweisverfahren stattgefunden hat (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 485 Rdn. 20; Musielak /Huber, aaO, § 490 Rdn. 5; Stein/Jonas/Leipold, aaO, vor § 485 Rdn. 10; Zöller/Herget, aaO, § 490 Rdn. 7). Soweit eine Kostenentscheidung in einem selbständigen Beweisverfahren von der Prozeßordnung überhaupt vorgesehen ist, erfolgt sie gegen den Antragsteller (§ 494a Abs. 2 ZPO). Um so weniger geht es an, über die Regelung des § 91a Abs. 1 ZPO hinaus (vgl. zur Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erklärung der Erledigung eines selbständigen Beweisverfahrens einerseits OLG Hamm OLGR 1999, 220; OLG München BauR 2000, 139; MünchKomm-ZPO/Lindacher, 2. Aufl., § 91a Rdn. 146; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rdn. 65, § 91a Rdn. 3;
Stein/Jonas/Leipold, aaO, vor § 485 Rdn. 8; Thomas/Putzo, aaO, § 494a Rdn. 6; Zöller/Herget, aaO, § 494a Rdn. 5; Notthoff, JurBüro 1998, 61; Lindacher , JR 1999, 278 f; anderereseits OLG Hamburg MDR 1998, 242; OLG Dresden JurBüro 1999, 594; OLG Stuttgart BauR 2000, 445; KG MDR 2002, 422; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, aaO, § 91 Rdn. 193) dem Antragsgegner ohne ein Verfahren in der Hauptsache und ohne Zustimmung zur Erledigungserklärung die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen.
2. Dies kann auch nicht in entsprechender Anwendung von § 494a Abs. 2 ZPO geschehen. Zweck von § 494a ZPO ist es, die Lücke zu schließen, die verbleibt, wenn der Antragsteller aufgrund eines für ihn ungünstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren auf die Erhebung der Klage in der Hauptsache verzichtet. Das soll nicht dazu führen, daß der Antragsteller der Kostenpflicht entgeht, die sich aus der Abweisung der Klage in der Hauptsache ergäbe (BGH, Beschl. v. 22. Mai 2003, VII ZB 30/02, BRAGOreport 2003, 144). Durch die Fristsetzung gemäß § 494 Abs. 1 ZPO und die Versäumung der Frist durch den Antragssteller wird der Antragsgegner so gestellt, als habe er im Hauptsacheprozeß obsiegt (Bericht des Rechtssausschusses , BT-Drucks. 11/8283, S. 48). Ohne eine einfach herbeizuführende prozessuale Kostengrundentscheidung wäre der Antragsgegner darauf angewiesen , einen materiell rechtlichen Kostenerstattungsanspruch in einem gesonderten Erkenntnisverfahren gegen den Antragsteller geltend zu machen. Das erscheint vermeidbar und zudem häufig unbillig, weil das materielle Recht keinen Anspruch auf Ersatz von Kosten für die Abwehr eines Anspruchs gewährt , wenn weder vertragliche, noch vorvertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten vorliegen und – wie regelmäßig - auch ein deliktischer Kosten-
ersatzanspruch ausscheidet (BGH, Urt. v. 4. November 1987, IVb ZB 83/86, NJW 1986, 2032, 2034). Dem soll § 494a ZPO entgegenwirken.
Nimmt der Antragsgegner nach der Erhebung des beantragten Beweises eine Handlung vor, die das Interesse des Antragstellers entfallen läßt, den Antragsgegner hierauf klageweise in Anspruch zu nehmen, liegt der Fall schon insofern anders, als § 494a ZPO allein die Belastung des Antragstellers und nicht die Belastung des Antragsgegners mit den Kosten des Verfahrens vorsieht. Das Verhalten des Antragsgegners erlaubt grundsätzlich auch weder einen Schluß auf eine ihn treffende materielle Kostentragungspflicht, noch ist es mit seinem Willen zu dem selbständigen Beweisverfahren gekommen. Dem Antragsteller steht vielmehr die Klage auf Feststellung offen, daß der Antragsgegner zu der vorgenommenen Handlung verpflichtet war. Obsiegt er in diesem Verfahren, erreicht er eine Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens umfaßt. Für eine entsprechende Anwendung von § 494a Abs. 2 ZPO gegen den Antragsgegner besteht daher weder eine Lücke, noch ist die rechtliche Situation mit der von § 494a ZPO geregelten Situation vergleichbar.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragsteller sind Miteigentümer des Objekts B-Str. 32/35 in D. Das Objekt wurde durch die Antragsgegnerin zu 1 errichtet. Der Antragsgegner zu 2 war der planende und bauleitende Architekt.
- 2
- Die Antragsteller betreiben gegen die Antragsgegner ein selbständiges Beweisverfahren. Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung von Mängeln der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige teilte mit, für eine umfassende sachverständige Feststellung seien Bauteilöffnungen am Gemeinschaftseigentum notwendig.
- 3
- Mit Zwischenurteil vom 19. Juli 2012 hat das Landgericht "sämtlichen Eigentümern bzw. der Eigentümergemeinschaft B.-Str. 32/35 in D." die Duldung von fachmännisch durchgeführten Bauteilöffnungen an der Außentreppe, dem Flachdachanschluss einer Wohnung, im Eingangselement, der Decke des Fahrradkellers und der Tiefgaragendecke angeordnet. Die von einer am Beweisverfahren nicht beteiligten Wohnungseigentümerin, der Rechtsbeschwerdegegnerin zu 3, und der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Rechtsbeschwerdegegnerin zu 4, eingelegte Beschwerde gegen das Zwischenurteil hatte Erfolg. Das Beschwerdegericht hat auf die Beschwerde der Rechtsbeschwerdegegner das Zwischenurteil aufgehoben und den Antrag auf Duldung der Bauteilöffnung abgelehnt. Dagegen wenden sich die Antragsteller mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
- 5
- 1. Das Beschwerdegericht führt aus, die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten sei nach §§ 144, 387 ZPO statthaft und begründet, da die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 ZPO für ihre Verpflichtung zur Duldung von Bauteilöffnungen nicht gegeben seien. § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO nehme ausdrücklich die Wohnung von einer Duldung sachverständiger Begutachtung aus. Zur Wohnung in diesem Sinne gehörten Nebenräume wie Garagen und das Treppenhaus. Die Duldungsanordnung verstoße auch gegen Art. 14 GG. Niemand und schon gar kein Dritter müsse Maßnahmen dulden, die sein Eigentum beschädigten.
- 6
- 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 7
- a) Nach § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO kann die Duldung einer Sachverständigenbegutachtung angeordnet werden, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist. Mit dieser Regelung hat sich der Gesetzgeber an dem Wohnungsbegriff des Art. 13 GG orientiert (BT-Drucks. 14/4722, S. 79 zu Nr. 22; BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 - V ZR 95/08, NZBau 2009, 653; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 144 Rn. 25; MünchKommZPO/Wagner, 4. Aufl., § 144 Rn. 25; Smid in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 144 Rn. 16; Prütting in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 144 Rn. 5; Musielak/Stadler, ZPO, 10. Aufl., § 144 Rn. 10). Im Sinne von Art. 13 GG ist der Wohnungsbegriff umfassend zu verstehen. Schutzgut des Art. 13 GG ist die gesamte räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet. Wohnung ist danach der zu Aufenthalts- oder Arbeitszwecken bestimmte und benutzte Raum einschließlich der Nebenräume und des angrenzenden umschlossenen freien Geländes. Dazu gehören Keller, Speicher, Treppen, Garagen, nicht allgemein zugängliche Geschäfts- und Büroräume und ähnliche Räume sowie umzäunte oder in anderer Weise der öffentlichen Zugänglichkeit entzogene Bereiche wie Gärten oder Vorgärten. Entscheidend ist, ob der jeweilige Raum oder die jeweilige Fläche für private Zwecke gewidmet und der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich ist (vgl. BVerfGE 32, 54, 72; 89, 1, 12; 97, 228, 265; BGH, Beschluss vom 14. März 1997 - 1 BGs 65/97, NJW 1997, 2189; Papier in Maunz/Dürig, GG, 66. Ergänzungslieferung, Art. 13 Rn. 10, 11; Herdegen in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 71. Lieferung, Art. 13 Rn. 26; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 13 Rn. 4, 5). Träger des Grundrechts aus Art. 13 GG sind neben natürlichen Personen auch juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen des Privatrechts (BVerfGE 42, 212, 219; 44, 353, 371; 76, 83, 88; BGH, Beschluss vom 14. März 1997, aaO; Papier in Maunz/Dürig, aaO, Art. 13 Rn. 17), und damit auch die Rechtsbeschwerdegegnerin zu 4 im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums (§ 10 Abs. 6 WEG).
- 8
- b) Auf dieser Grundlage ist das Gemeinschaftseigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) betreffend die Rechtsbeschwerdegegnerin zu 4 im Umfang der begehrten Bauteilöffnungen an der Außentreppe, dem Flachdachanschluss einer Wohnung, im Eingangselement, der Decke des Fahrradkellers und der Tiefgaragendecke einer Duldungsanordnung nach § 144 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 ZPO entzogen (vgl. auch Koenen, Sachverständigenbeweis im Bauprozess, Rn. 532; Fuchs, Der Bausachverständige 3/2011, 70; a.A. offenbar Keldungs, Jahrbuch Baurecht 2009, S. 217, 222 f.). Es kommt nicht darauf an, ob der Sachverständige ausschließlich von außen Bauteilöffnungen vornehmen muss, da der Außenbereich ebenso wie der Innenbereich über Art. 13 GG geschützt wird. Soweit die Rechtsbeschwerde die Auffassung vertritt, aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109, 279, 313) ergebe sich, Fahrradkeller, Tiefgaragen und Gemeinschaftsräume unterlägen nicht dem Schutzbereich des Art. 13 GG, ist das unzutreffend. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Eingriff in den "absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung" durch akustische Überwachungsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht die "Privatwohnung als letztes Refugium zur Wahrung der Menschenwürde" angesehen (BVerfGE 109, 279, 314). Die Frage, ob Fahrradkeller, Tiefgaragen und Gemeinschaftsräume vom Schutzbereich von Art. 13 GG umfasst sind, stellte sich nicht.
- 9
- 3. Nach allem kann dahinstehen, ob und inwieweit § 144 ZPO über § 492 Abs. 1 ZPO Anwendung findet (vgl. KG, Beschluss vom 10. April 2013 - 9 W 94/12, juris) und gegebenenfalls eine Grundlage für substantielle Eingriffe in das Eigentum Dritter bildet (vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 24. November 2000 zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 79 zu Nr. 22).
- 10
- Des Weiteren kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Beschluss gegen den Willen eines Wohnungseigentümers ergehen kann, ohne dass darüber die Wohnungseigentümergemeinschaft befunden hat.
III.
- 11
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 03.08.2012 - 43 OH 3295/09 -
OLG München, Entscheidung vom 01.10.2012 - 13 W 1654/12 -
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verurteilung in der Sache unter dem Vorbehalt der Erteilung einer erforderlichen behördlichen Genehmigung steht.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind seit März 1998 Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen in einem Abstand von 40 cm von der Grenze entfernt entlang der Grundstücksauffahrt der Kläger 13 Linden, welche vorüber 100 bzw. über 70 Jahren gepflanzt wurden. Zwischen den Klägern und der Voreigentümerin des Grundstücks der Beklagten war vereinbart, daß die Linden alle fünf Jahre geschnitten werden sollten, so daß sie als sogenannte Kopflinden ausgebildet wurden. Der letzte Rückschnitt erfolgte 1987 oder 1990. Seitdem haben sich an den Bäumen zahlreiche über die Grundstücksgrenze gewachsene und in den Luftraum über dem Grundstück der Kläger hineinragende Stämmlinge gebildet, deren Laub auf die Grundstücksauffahrt der Kläger fällt und dort, insbesondere bei Nässe, zur Rutschgefahr führt. Außerdem tropft bei Regen Wasser von den überhängenden Lindenzweigen auf die Auffahrt und gefriert dort im Winter.
Weiter steht auf dem Grundstück der Beklagten eine Buche, deren Zweige ebenfalls über die Grundstücksgrenze gewachsen sind.
Die Linden und die Buche stehen unter Bestandsschutz nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg (Baumschutzverordnung) vom 17. September 1948 (HmbBL I 791-i).
Die Kläger haben von den Beklagten in erster Linie die Vornahme geeigneter Maßnahmen verlangt, durch welche die von den Bäumen ausgehenden Beeinträchtigungen beseitigt und spätere Beeinträchtigungen verhindert werden, insbesondere die Gefahr des Ausrutschens auf nassem Laub und gefrorenem Wasser sowie des Auseinanderbrechens der Bäume, die Störung des Satellitenfernsehempfangs und die Unbefahrbarkeit der Grundstücksauffahrt mit größeren Fahrzeugen. Hilfsweise haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Vornahme eines Beschnitts der Bäume dergestalt beantragt,
daß die Linden eine Hand breit oberhalb des letzten Schnitts gekappt und die Äste der Buche fachgerecht eingekürzt werden.
Das Amtsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Linden geeignete Maßnahmen vorzunehmen, durch die verhindert wird, daß Laub und Tropfwasser auf die Grundstücksauffahrt der Kläger fallen, und die das Wohnhaus der Kläger berührenden Äste der Buche fachgerecht einzukürzen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die Durchsetzung ihrer Klage weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den von den Klägern gestellten Hauptantrag wegen fehlender Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit für unzulässig. Zwar könne der Störer selbst entscheiden, in welcher Weise er die Beseitigung und Unterlassung der Störung herbeiführen wolle; aber der Klageantrag müsse die zu beseitigenden Beeinträchtigungen so konkret beschreiben, daß ein darauf beruhender Titel vollstreckungsfähig sei. Diesen Anforderungen genüge der Hauptantrag nicht.
Weiter meint das Berufungsgericht, der Hauptantrag sei auch unbegründet. Eine Verpflichtung der Beklagten, die von den Klägern geforderten
Maßnahmen zu ergreifen, lasse sich nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten; denn die Vereinbarung zwischen den Klägern und der Voreigentümerin des Grundstücks der Beklagten über den Beschnitt der Linden binde die Beklagten nicht. Auch aus § 1004 Abs. 1 BGB ergebe sich für die Kläger kein Anspruch. Die Beklagten seien zwar Störer im Sinne der Vorschrift. Aber eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger durch Tropfwasser lasse sich nicht feststellen, weil es sich dabei nicht um eine Immission der Linden handele. Etwas anderes gelte für den Laubfall von den überhängenden Ästen und Zweigen; die dadurch hervorger ufenen Beeinträchtigungen müßten die Kläger nicht hinnehmen. Ihrem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch stehe jedoch die Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB entgegen. Die Beklagten seien durch die Vorschriften der Baumschutzverordnung gehindert, an den Linden die mit der Klage verlangten Maßnahmen durchzuführen, weil diese nicht genehmigungsfähig seien.
Den Hilfsantrag sieht das Berufungsgericht als zulässig an. Es hält ihn jedoch aus denselben Gründen wie den Hauptantrag für unbegründet.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den von den Klägern gestellten Hauptantrag abgewiesen, soweit er überhaupt Gegenstand des Berufungsverfahrens war.
1. Die Beklagten sind durch das Urteil des Amtsgerichts nur insoweit beschwert, als sie zur Vornahme geeigneter Maßnahmen, durch die das Abfallen von Laub und Tropfwasser auf die Grundstücksauffahrt der Kläger verhindert wird, und zum fachgerechten Einkürzen der das Wohnhaus der Kläger berührenden Buchenzweige, verurteilt worden sind. Nur das konnten sie mit ihrer Berufung auch angreifen. Die von den Klägern darüber hinausgehend verlangten Maßnahmen zur Verhinderung der Gefahr des Auseinanderbrechens der an der Grenze stehenden Bäume, der Störung des Satellitenempfangs , der Unbefahrbarkeit ihrer Grundstücksauffahrt mit größeren Fahrzeugen und das Kappen der Linden sind mangels einer Anschlußberufung der Kläger nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Weiter folgt aus den erstinstanzlichen Feststellungen, daß das auf die Auffahrt fallende Laub und Tropfwasser von den herüberhängenden Zweigen der Linden herrührt. Von anderen Baumbestandteilen ausgehende Beeinträchtigungen durch Laubund Tropfwasserfall haben die Kläger nicht vorgetragen. Damit war Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nur das Verlangen der Kläger, den Laubund Tropfenfall von den über die Grundstücksgrenze gewachsenen Zweigen der Linden und das Berühren ihres Wohnhauses durch die Zweige der Buche zu verhindern.
2. Der Hauptantrag ist zulässig, denn er entspricht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
a) Zwar muß die Leistungsklage mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung und die Zwangsvollstreckung ein genaues tatsächliches Vorbringen darüber enthalten, welche konkrete Leistung von dem Beklagten gefordert wird. Der Klageantrag muß so bestimmt sein, daß der Beklagte sein Prozeßrisiko
erkennen und sich demgemäß verteidigen kann. Nur ein in diesem Sinn konkretisiertes Klageziel ist für den Beklagten eine ausreichende Grundlage der Prüfung, ob der Klageanspruch anerkannt werden soll (Senat, Urt. v. 24. Februar 1978, V ZR 95/75, NJW 1978, 1584 - Abschachtung).
b) Bei der Abwehr von Immissionen ist aber eine andere Beurteilung erforderlich. Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß in diesem Bereich Anträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art zu unterlassen , zulässig sind (siehe nur BGHZ 67, 252, 253 - Schweinemästerei; 121, 248, 251 - Jugendzeltplatz; 140, 1, 3 - Schweinemästerei). Aus der Natur des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 906 BGB folgt, daß es dem Beklagten überlassen ist, wie er die Störung beseitigen will; der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vornahme einer bestimmten Maßnahme (Senat, BGHZ 67, aaO.; Urt. v. 24. Februar 1978, V ZR 95/75, aaO.; Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, WM 1983, 176, 177 - Tennisplatzlärm). § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert dementsprechend nicht die Angabe, welche konkreten Maßnahmen der Beklagte zur Beseitigung einer Beeinträchtigung ergreifen soll, sondern nur die bestimmte Bezeichnung der Beeinträchtigung.
c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der von den Klägern gestellte Hauptantrag hinreichend bestimmt. Mit ihm verlangen sie von den Beklagten die Vornahme geeigneter Maßnahmen, durch welche im einzelnen benannte Beeinträchtigungen des Grundstücks beseitigt und verhindert werden sollen.
3. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß ein Anspruch der Kläger aus dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ausscheidet.
a) Die Vereinbarung der Kläger mit der Voreigentümerin des Grundstücks der Beklagten hinsichtlich des regelmäßigen Beschnitts der Linden ist - im Gegensatz zu der Auffassung des Berufungsgerichts - in diesem Zusammenhang ohne Belang.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe nur Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, WM 2004, 1350, 1351 m.w.N. [zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 33 vorgesehen] - Kiefernnadeln) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Ist das der Fall, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden.
c) Die Folgen des unterbliebenen Beschnitts der Bäume rechtfertigen keine Abweichung von den hier anwendbaren nachbarrechtlichen Sonderregelungen der §§ 906, 910 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach können die Kläger von den Beklagten sowohl die Beseitigung von Beeinträchtigungen durch die über die Grundstücksgrenze herüberragenden Zweige als auch das Abschneiden dieser Zweige verlangen. Daß die Kläger darüber hinaus durch das nicht grenzüberschreitende Wachstum der Bäume in erheblicher Weise Beeinträchtigungen ausgesetzt wären, haben sie nicht vorgetragen.
4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Abwehranspruch der Kläger nach § 1004 Abs. 1 BGB verneint; es hat zu Unrecht eine Duldungspflicht der Beklagten nach Abs. 2 der Vorschrift angenommen.
a) Die Beklagten sind Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB, weil sie es zugelassen haben, daß Zweige der Linden und der Buche über die Grundstücksgrenze hinüberwachsen konnten und zu den benannten Beeinträchtigungen geführt haben. Denn nach § 910 Abs. 1 und 2 BGB hat der Eigentümer dafür zu sorgen, daß überhängende Zweige von Bäumen den Nachbarn nicht beeinträchtigen.
b) Die Störereigenschaft der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil sie durch die Vorschriften der Baumschutzverordnung rechtlich gehindert sind, die von den Klägern erstrebten Maßnahmen zu ergreifen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 120, 239, 254 - Froschlärm) stellen naturschutzrechtliche Verbote die Störereigenschaft eines Grundstückseigentümers jedenfalls solange nicht in Frage, wie er mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Störungsquelle beantragen kann. Ob das der Fall ist, müssen die Zivilgerichte selbständig prüfen. Ergibt die Prüfung, daß eine Befreiungsmöglichkeit von dem Verbot, bestimmte Maßnahmen durchzuführen, nicht besteht, scheidet eine Verurteilung zur Beseitigung und Unterlassung aus. Wird die Befreiungsmöglichkeit dagegen bejaht, muß in den Tenor einer eventuellen Verurteilung der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen werden, auch wenn das nicht in dem Klageantrag enthalten ist (Senat, BGHZ 120, 239, 246 ff.). Somit muß hier
geprüft werden, ob für die von den Klägern beanspruchten Maßnahmen, die nach § 2 der Baumschutzverordnung grundsätzlich verboten sind, eine Ausnahme nach § 4 zugelassen werden kann.
bb) Die Feststellung des Berufungsgerichts, es stehe fest, daß der von den Klägern beanspruchte Eingriff nicht genehmigungsfähig sei, ist von dem Revisionsgericht nach §§ 545 Abs. 1, 560 ZPO nur eingeschränkt überprüfbar. Da der Geltungsbereich der Baumschutzverordnung sich nicht über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt, ist ihre Auslegung durch das Berufungsgericht einer Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Jedoch rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Auslegungstatsachen verfahrensfehlerhaft festgestellt hat. Zum einen nimmt es an, daß dem Hauptantrag der Kläger auch unter Einbeziehung ihres Sachvortrags nicht entnommen werden könne, welche Maßnahmen sie zur Beseitigung der Störungen für erforderlich hielten. Zum anderen geht es davon aus, daß ein genehmigungsfähiger Rückschnitt der Linden nicht dem entspreche, was die Kläger mit ihrem Hauptantrag durchsetzen wollten. Auch hat das Berufungsgericht den erstinstanzlichen Vortrag der Kläger zu den Maßnahmen, die nach ihrer Auffassung genehmigungsfähig sind, und ihren zweitinstanzlichen Vortrag zu solchen genehmigungsfähigen Maßnahmen, die sie von den Beklagten im Rahmen von Vergleichsverhandlungen verlangt haben, nicht berücksichtigt. Schließlich hat es die Feststellung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Kürzens der Buchenäste ausschließlich mit dem verbotenen Kappen von Bäumen begründet. Dabei hat es übersehen, daß die Kläger das Kappen der Buche nicht verlangt haben. Damit fehlt der Feststellung, die von den Klägern verlangten Maßnahmen seien nicht genehmigungsfähig, jede Grundlage. Das läßt die Bindung des Revisionsgerichts an die Feststellung des Berufungsgerichts ent-
fallen (vgl. BGHZ 118, 151, 162). Damit ist die Frage der Zulässigkeit der von den Klägern beanspruchten Maßnahmen offen.
cc) Der Senat kann die Prüfung, ob die Maßnahmen zulässig sind, selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten und auch nicht notwendig sind. Sie führt zu dem Ergebnis, daß wenigstens die auf das Grundstück der Kläger herüberragenden Zweige der Linden und der Buche beseitigt werden dürfen.
(1) Die Bäume stehen unter Bestandsschutz. Nach § 1 der Baumschutzverordnung , die nunmehr gemäß § 56 Abs. 4 des Hamburgischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (HmbNatSchG) vom 7. August 2001 (GVBl. 281) als aufgrund der §§ 15 und 20 dieses Gesetzes erlassen gilt, sind zur Pflege und zum Wiederaufbau des Stadt- und Landschaftsbildes im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg alle Bäume und Hecken dem Schutz des Naturschutzgesetzes unterstellt. Nach § 2 ist es verboten, Bäume oder Teile von ihnen zu entfernen, zu beschädigen oder sonstwie in ihrer Wirkung als Zierde und Belebung des Landschaftsbildes zu beeinträchtigen. Die Naturschutzbehörde kann allerdings Ausnahmen davon zulassen, soweit sie nicht dem Zweck der Baumschutzverordnung widersprechen (§ 4). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen hier vor.
(2) Der Zweck der Baumschutzverordnung ergibt sich zum einen aus § 1. Dabei steht heute - anders als wohl noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung - die Pflege des Stadt- und Landschaftsbildes im Vordergrund. Diesem Zweck widerspricht das Beschneiden der Bäume dergestalt, daß die auf das Grundstück der Kläger herüberragenden Zweige beseitigt werden,
nicht. Denn sogar ein darüber hinausgehendes regelmäßiges Beschneiden der sich auf dem Grundstück der Beklagten haltenden Zweige und der Baumkronen ist nach dem von den Beklagten in den Prozeß eingeführten Privatgutachten eine notwendige Pflegemaßnahmen. Demgemäß hat auch ein Vertreter der Naturschutzbehörde bei der erstinstanzlichen Augenscheineinnahme zu erkennen gegeben, daß ein Beschneiden der Bäume entsprechend den in dem Gutachten enthaltenen Vorschlägen genehmigungsfähig sei. Zum anderen erschließt sich der Zweck der Baumschutzverordnung auch aus den §§ 15 und 20 HmbNatSchG. Danach sind die Bäume zum geschützten Landschaftsbestandteil erklärt, weil ihr besonderer Schutz zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- und Landschaftsbildes, zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten, insbesondere wegen ihrer Bedeutung für die Schaffung, Erhaltung oder Entwicklung von Biotopverbundsystemen, erforderlich ist. Diese Schutzzwecke werden durch die Beseitigung der über die Grundstücksgrenze gewachsenen Zweige nicht beeinträchtigt, weil die Bäume als solche erhalten bleiben und ihre vielfältigen Funktionen als natürlicher Bestandteil der Umwelt innerhalb eines großstädtischen Wohngebiets nicht verlieren. Insbesondere dient das Beschneiden der Bäume auch der Pflege des Orts- und Landschaftsbildes, wie die von den Klägern zu den Gerichtsakten gereichten Fotografien, die den Zustand der Bäume zeigen, anschaulich verdeutlichen.
c) Der geltend gemachte Anspruch ist nicht nach § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wonach dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zusteht, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung
des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Diese Vorschrift gilt auch für den Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, WM 2004, 1350, 1352 [zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 33 vorgesehen] - Kiefernnadeln). Hier ist jedoch verfahrensrechtlich davon auszugehen , daß die Zweige der Linden die Benutzung des Grundstücks der Kläger beeinträchtigen, weil sie dort zu einer erhöhten Rutschgefahr führen und damit die Sicherheit der Benutzer der Grundstücksauffahrt gefährden. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, diese Behauptung der Kläger zu bestreiten und zu beweisen, daß keine Beeinträchtigung vorliegt. Denn wenn - wie hier - der durch herüberragende Zweige eines Baumes oder Strauches beeinträchtigte Grundstückseigentümer nicht nach § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgeht, sondern den selbständig danebenstehenden Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (Senat, BGHZ 60, 235, 241 f.; Urteil v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM BGB § 1004 Nr. 156) geltend macht, trägt der Nachbar - wie im Anwendungsbereich des § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB - die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß von den herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, aaO). Die Beklagten haben jedoch keinen Beweis angetreten.
Ebenfalls ist verfahrensrechtlich davon auszugehen, daß auch die Buchenzweige, welche über die Grundstücksgrenze hinübergewachsen sind, die Benutzung des Grundstücks der Kläger beeinträchtigen, weil sie ihr Wohnhaus berühren. Nachdem das Amtsgericht die Beklagten zum Kürzen solcher Zweige verurteilt hatte und die Kläger in der Berufungsinstanz als einzige von der Buche ausgehende Beeinträchtigung das Berühren des Wohnhauses behauptet haben, hätten die Beklagten darlegen und beweisen müssen, daß diese Beeinträchtigung nicht vorliegt. Sie haben sich jedoch - ohne Beweis anzu-
treten - auf das einfache Bestreiten des Vortrags der Klägerin beschränkt. Das reichte nicht aus.
d) Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB erfüllt; eine Duldungspflicht der Kläger nach Absatz 2 der Vorschrift besteht nicht. Da jedoch nicht die Zivilgerichte, sondern nur die zuständige Behörde Ausnahmen von dem generellen Verbot des Beschneidens der Bäume zulassen kann, ist es notwendig, die Erteilung der Ausnahmegenehmigung dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorzubehalten und zur Klarstellung den Vorbehalt der Erteilung der Ausnahmegenehmigung in das Urteil aufzunehmen. Daß die Kläger ihn nicht in ihren Klageantrag aufgenommen haben, ist unschädlich , denn die Einschränkung stellt sich nur als ein formell notwendiges Weniger gegenüber dem Klageantrag dar, sie gibt den Klägern aber nicht etwas anderes, als sie beantragt haben, § 308 ZPO (Senat, BGHZ 120, 239, 247 f.).
5. Für den Fall, daß eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt wird, kommt ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der Kläger gegen die Beklagten in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht , weil sie aus öffentlich-rechtlichen Gründen an der Durchsetzung ihres an sich bestehenden Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB gehindert wären (vgl. Senat, Urt. v. 17. September 2004, V ZR 230/03, Umdruck S. 9 [zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen] - Teilrodung). Dem stünde nicht in jedem Fall entgegen, daß es den Beklagten nicht erlaubt wäre, die Störungen zu beseitigen. Denn wenn die Erteilung der Ausnahmegenehmigung daran scheiterte , daß die mit der Klage verlangten Maßnahmen jetzt dem Zweck der Baumschutzverordnung widersprechen, weil die Beklagten bisher pflichtwidrig das
ungehinderte Wachstum der Bäume hingenommen haben, wäre das ein Fall des unzulässigen Betreibens von Naturschutz auf Kosten des Nachbarn.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger verlangen von der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Geldausgleich für einen durch Hausschwamm entstandenen Schaden an ihrem an der Grundstücksgrenze stehenden Fachwerkhaus. Die Beklagte soll auf ihrem Grundstück Erdreich so abgelagert haben , dass es an der mit Schiefer verkleideten Wand des Fachwerkhauses anliegt und Feuchtigkeit in diese Wand leitet. Die Kläger haben nach dem Scheitern einer außergerichtlichen Einigung ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt und anschließend ohne vorheriges Güteverfahren nach der da- mals geltenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchl NRW (heute: § 53 JustG NRW) Klage erhoben. Das Landgericht hat die Beklagte unter Zurück- weisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 49.208,88 € nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision streben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils an. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 2
- Das Berufungsgericht ist der Meinung, im Land Nordrhein-Westfalen seien Klagen aus § 906 BGB gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a GüSchlG NRW (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a JustG NRW) nur nach einem vorausgegangenen Schlichtungsverfahren zulässig. Die nahezu wortgleiche Regelung des Landes Hessen erfasse zwar nach der Auslegung durch den Bundesgerichtshof nur Beseitigungs- und Unterlassungsklagen, die auf § 906 BGB gestützt werden, nicht Zahlungsklagen. Die Regelung in Nordrhein-Westfalen sei aber anders zu verstehen. Das ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber dieses Landes ein obligatorisches Schlichtungsverfahren auch für Klagen nach dem Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorgeschrieben habe, der mit § 21 Abs. 2 AGG auch eine Schadensersatznorm umfasse. Dass der Bundesgerichtshof die nordrhein-westfälische Regelung dessen ungeachtet wie die hessische verstehe, sei nicht tragend und deshalb nicht verbindlich.
II.
- 3
- Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
- 4
- 1. Die Erhebung einer Klage in Streitigkeiten über Ansprüche „wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen“ ist im Land Nordrhein-Westfalen nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO und der bei Erhebung der vorliegenden Klage noch geltenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a GüSchlG erst zulässig, nachdem versucht worden ist, die Streitigkeit vor einer zugelassenen Gütestelle einvernehmlich zu regeln. Daran hat sich durch die in dem laufenden Rechtsstreit mit sofortiger Wirkung eingetretene Ersetzung des § 10 GüSchlG NRW durch § 53 JustG NRW nichts geändert. Beide Vorschriften sind wortgleich. Außerdem könnte eine spätere Gesetzesänderung wegen des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Rückwirkungsverbots nur eine unzulässige Klage zulässig (Senatsurteil vom 10. Juli 2009 – V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238, 1239 Rn. 11 aE), nicht aber eine zulässige Klage nachträglich unzulässig machen.
- 5
- 2. Die Kläger haben einen solchen Schlichtungsversuch nicht unternommen. Ihre Klage wäre deshalb unzulässig, wenn es sich hierbei um eine Streitigkeit „wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen“ handelte. Dass das Landgericht die Klage als zulässig behandelt und in der Sache entschieden hat, änderte daran nichts (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2004 – VI ZR 336/03, BGHZ 161, 145, 149 f.).
- 6
- 3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine Klage auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs in Geld in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, um die es hier geht, keine Streitigkeit wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Einwirkungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a GüSchlG NRW (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a JustG NRW).
- 7
- a) Das könnte sich schon daraus ergeben, dass die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der nordrhein -westfälische Landesgesetzgeber wörtlich in das Landesrecht übernommen hat, nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, aber keine Zahlungsansprüche erfasst. Ob das der Fall ist, ist umstritten (Nachweise im Senatsurteil vom 10. Juli 2009 – V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238, Rn. 9). Der Senat hat die Frage in der zitierten Entscheidung offen gelassen. Sie muss auch hier nicht entschieden werden.
- 8
- b) Mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a GüSchlG NRW (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a JustG NRW) wird ein Schlichtungsversuch vor der Erhebung der Klage zu den ordentlichen Gerichten nicht für Zahlungsklagen, sondern nur für andere Streitigkeiten über Ansprüche aus den in § 906 BGB geregelten Einwirkungen vorgeschrieben.
- 9
- aa) Diese Einschränkung findet allerdings im Wortlaut sowohl des hier noch maßgeblichen § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW als auch des heute geltenden § 53 Abs. 1 JustG NRW keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber zwingend aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Senat hat das für die wortgleiche Vorschrift des hessischen Landesrechts entschieden (Urteil vom 10. Juli 2009 – V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 f. Rn. 10 ff.). Der Bundesgerichtshof ist, ohne das näher auszuführen, für das Land NordrheinWestfalen von einer übereinstimmenden Rechtslage ausgegangen (Urteil vom 8. Juli 2008 – VI ZR 221/07, NJW-RR 2008, 1662, 1663 Rn. 13). Die Erwägung des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen verstehe seine mit der hessischen Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a hess. SchlichtG wörtlich übereinstimmende Regelung anders als jene, trifft nicht zu. Die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen ist bei den Zahlungsklagen nicht anders als die in Hessen.
- 10
- bb) Das nordrhein-westfälische Landesrecht sah – wie das hessische Landesrecht - den obligatorischen Schlichtungsversuch ursprünglich nicht nur für die heute in § 53 Abs. 1 Nr. 1 und 2 JustG bezeichneten Streitigkeiten, sondern auch für die in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO bezeichneten vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche mit geringem Streitwert vor. Der Unterschied bestand nur darin, dass die bundesrechtliche Ermächtigung, die eine Einbeziehung von Streitigkeiten bis zu einem Wert von 750 € erlaubt, in Nordrhein-Westfalen, anders als in Hessen, nicht voll- ständig, sondern nur für Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 600 € ausgenutzt worden war. Diese Regelung hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber durch Gesetz vom 20. November 2007 (GV.NRW S. 583) aufgehoben. Er hat die Aufhebung mit der gleichen Erwägung begründet wie der hessische Gesetzgeber die zwei Jahre zuvor erfolgte Aufhebung der entsprechenden Regelung in Hessen. In der Entwurfsbegründung heißt es dazu, die Regelung habe sich nicht bewährt. Das habe die Evaluation der Regelungen durch eine BundLänder -Arbeitsgruppe, aber auch eine Evaluation speziell der Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen durch ein Sachverständigengutachten ergeben (NRW LTDrs. 14/4975 S. 7 f.). Dazu wird auf einen Bericht des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. März 2005 (3180 – II. 29, NRW LTVorlage 13/3254) Bezug genommen, in dem eine Aufgabe der obligatorischen Streitschlichtung empfohlen wird. Der Bericht hebt hervor, dass die obligatorische Streitschlichtung in diesem Bereich ihre Funktion nicht erfüllen könne, weil das Mahnverfahren schlichtungsfrei genutzt werden könne und die Mahnverfahren seit Einführung der obligatorischen Streitschlichtung um etwa 20 Prozentpunkte gestiegen seien (NRW LT-Vorlage 13/3254 S. 5). Der Bericht kommt zu folgender Bewertung (NRW LT-Vorlage 13/3254 S. 9): „Insgesamt kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass es nahe liegt, auf die obligatorische Streitschlichtung für Geldforderungen zu verzichten. Ohne die Geldforderungen bleiben für die obligatorische Streitschlichtung in erster Linie die Ehrschutzsachen und die Nachbarstreitigkeiten. Beide Streitgegenstände zusammen machen schon jetzt zwei Drittel der obligatorischen Güteverfahren aus.“
- 11
- Diese Empfehlung sollte mit der Aufgabe der obligatorischen Streitschlichtung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 600 € umgesetzt werden (NRW LT-Drs. 14/4975 S. 8). Die zitierte Stelle der Empfehlung zeigt unmissverständlich , dass der Gesetzgeber mit dem federführenden Justizministerium des Landes davon ausging, dass die obligatorische Streitschlichtung in den Nachbarstreitigkeiten keine Zahlungsklagen umfasst. Wie der Gesetzgeber in Hessen, auf dessen Beispiel sich die Entwurfsbegründung ausdrücklich bezieht (NRW LT-Drs. 14/4975 S. 8), wollte auch der Gesetzgeber in NordrheinWestfalen alle Geldforderungen schlichtungsfrei stellen. Das gilt ohne Einschränkungen und damit auch für Ansprüche in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
- 12
- cc) An diesem Befund ändert es nichts, dass der Gesetzgeber in Nordrhein -Westfalen, anders als der des Landes Hessen, bei dieser Gelegenheit eine obligatorische Streitschlichtung auch für Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingeführt hat. Die Landesregierung begründet die Erweiterung mit der Erwägung, dass sich diese Streitigkeiten „vergleichbar der [sic] Ehrschutz- und Nachbarrechtsstrei- tigkeiten“ für eine Schlichtung eigneten (NRW LT-Drs. 14/4975 S. 8). Unter Ehrschutz- und Nachbarrechtsstreitigkeiten versteht der Gesetzgeber aber nicht alle Streitigkeiten aus diesem Gebiet, sondern nur solche, die nicht auf Geldzahlung gerichtet sind. Anhaltspunkte dafür, dass er das bei den Streitigkeiten nach dem Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anders gesehen hat, fehlen. Die Ausführungen zu den Kostenbelastungen der (die Schiedsämter unterhaltenden) Kommunen im Vorblatt des Gesetzentwurfs belegen das Gegenteil. Dort wird nämlich erläutert, dass sich eine nennenswerte Mehrbelastung nicht ergeben werde, weil die zusätzliche Belastung durch den Fortfall der vermögenrechtlichen Streitigkeiten kompensiert werde. Das konnte nur zutreffen, wenn alle Geldforderungen aus der obligatorischen Schlichtung ausgenommen werden sollten.
- 13
- 4. Die Erhebung der Klage setzte deshalb nicht die Durchführung eines Schlichtungsversuchs voraus. Die Klage durfte nicht als unzulässig abgewiesen werden. Auf die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob das Urteil ohnehin nach § 547 Nr. 6 ZPO aufzuheben wäre, weil die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vergessen hat, den Beglaubigungsvermerk auf der Aktenausfertigung des – im Original ordnungsgemäß unterzeichneten – Urteils zu unterschreiben , kommt es nicht an.
III.
- 14
- Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – mit dem geltend gemachten Anspruch nicht in der Sache befasst hat. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierfür weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Klage, anders als das Berufungsgericht offen- bar meint, gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband gerichtet und dass dies nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG auch in der Sache richtig ist (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 266; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 10 Rn. 421 Stichwort „Ansprüche eines Nachbarn“; Wenzel, ZWE 2006, 462, 468). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.2010 - 24 O 509/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.06.2011 - 24 U 128/10 -
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.