Landgericht Kleve Beschluss, 29. Apr. 2015 - 4 T 577/14
Tenor
Das Rechtsmittel wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.
1
Gründe
I.
2Der Betroffene wurde am 01.02.2014 gegen 15.50 Uhr bei der Einreise aus den Niederlanden kommend nach Deutschland kontrolliert. Neben dem Betroffenen befanden sich in dem Kleintransporter mit niederländischem Kennzeichen noch der Halter des Fahrzeugs und der Fahrer des Fahrzeugs, xxxxx. Der Betroffene besaß bei der Einreise weder einen Pass noch ein schengenweit gültiges Visum oder einen Aufenthaltstitel. Er gab an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Er wurde unter dem Verdacht der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts in Gewahrsam genommen.
3Der weitere Beteiligte beantragte unter dem 02.02.2014 im Verfahren 22 XIV 8/14, Amtsgericht Kleve, gegen den Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung zur Vorbereitung der Zurückschiebung die vorläufige Freiheitsentziehung anzuordnen. Das Amtsgericht hörte den Betroffenen an und ordnete mit Beschluss vom 02.02.2014 im Wege der einstweiligen Anordnung zur Vorbereitung der Zurückschiebung die vorläufige Freiheitsentziehung für die Zeit vom 02.02.2014 bis 08.03.2014 an.
4Der weitere Beteiligte beantragte unter dem 06.02.2014 im vorliegenden Verfahren, die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Zeit vom 10.02.2014 bis 26.03.2014 anzuordnen. Der Betroffene wurde am 11.02.2014 angehört. Durch Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht die Zurückschiebungshaft bis längstens zum 26.03.2014 an. Wegen der Begründung wird auf den angegriffenen Beschluss verwiesen (Bl. 50 ff. GA).
5Mit Schreiben vom 16.02.2014 meldete sich H, S-Straße, 32760 Detmold, und beantragte, ihn als Person des Vertrauens für den Betroffenen zuzulassen und die Haft nach § 428 Abs. 2 FamFG aufzuheben. Mit Schreiben vom 01.03.2014 begründete H den Haftaufhebungsantrag. Mit Beschluss vom 05.03.2014 wies das Amtsgericht dessen Antrag auf Hinzuziehung als Beteiligten zurück (Bl. 73 GA).
6Mit Schriftsatz vom 10.03.2014, eingegangen am selben Tag, meldete sich die Verfahrensbevollmächtigte unter Vorlage einer Vollmacht des Betroffenen und legte gegen den Beschluss vom 11.02.2014 Beschwerde ein. Außerdem beantragte sie für den Fall der Haftentlassung des Betroffenen festzustellen, dass der Haftbeschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe (§ 62 FamFG). Mit Schriftsatz vom 17.03.2014 ergänzte die Verfahrensbevollmächtigte, dass sie sich hinsichtlich der Begründung der Beschwerde und des Feststellungsantrages vollumfänglich auf die Begründung des Herrn H aus dem Schriftsatz vom 01.03.2014 beziehe. Mit Schriftsatz vom 28.08.2014 erinnerte die Verfahrensbevollmächtigte an ihren Feststellungsantrag vom 10.03.2014.
7Mit Beschluss vom 02.10.2014 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und wies den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft zurück.
II.
8Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.02.2014 ist zwar statthaft, es ist aber unzulässig. Es fehlt an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, denn durch die Haftentlassung am 25.03.2014 ist hinsichtlich der Haftanordnung Erledigung eingetreten.
9Zwar kann die Beschwerde gemäß § 62 FamFG nach Erledigung in der Hauptsache mit dem Antrag weiterverfolgt werden festzustellen, dass der Betroffene durch die angegriffene Entscheidung in seinen Rechten verletzt worden ist. Den hierfür erforderlichen Antrag hat der Betroffene aber nicht gestellt. Denn der Betroffene hat den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung bereits vor der Erledigung als unzulässigen bedingten Antrag für den Fall der Erledigung der Hauptsache gestellt. Auch nach der Haftentlassung hat der Betroffene den Feststellungsantrag nicht gestellt. Denn er hat im Schriftsatz vom 28.08.2014 an die Erledigung seines Antrages vom 10.03.2014 erinnert. Damit hat er sich auf den bedingten Antrag bezogen und keinen neuen Antrag gestellt.
10Der vor der Erledigung der Beschwerde gegen die Haftanordnung gestellte Antrag ist aber als isolierter Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zu betrachten. Denn als isolierter Antrag ist er zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2012, AZ. V ZB 238/11, zitiert nach Juris). Über diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 02.10.2014 auch entschieden. Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung aber kein Rechtsmittel eingelegt, so dass die Kammer im Verfahren über die Beschwerde gegen die Haftanordnung hierüber nicht zu entscheiden hat.
11Doch selbst dann, wenn der Antrag – entgegen der Auffassung der Kammer – als Antrag nach § 62 FamFG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auszulegen wäre, wäre er unzulässig. Denn es fehlt an einem ordnungsgemäßen Antrag im Sinne des §§ 23, 25 FamFG schon deshalb, weil die Person des Betroffenen nicht hinreichend individualisiert ist. Der Betroffene mag zwar seine Verfahrensbevollmächtigte bevollmächtigt haben, die den Antrag gestellt hat. Es fehlt jedoch an der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit des Antrages, weil der Betroffene hinsichtlich seiner Identität nicht hinreichend konkret bezeichnet ist. Zum Inhalt eines zulässigen Antrags gehört nach §§ 23, 25 FamFG sowohl im Falle einer Antragstellung zur Niederschrift der Geschäftsstelle als auch bei einem schriftlich eingereichten Antrag, dass der Antragsteller durch die Nennung seines Namens und gegebenenfalls zur weiteren Konkretisierung durch die Angaben von Stand, Gewerbe oder Wohnort, Anschrift, seine Identifizierung ermöglicht (vgl. Münchner-Kommentar/Ulrici, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 23, Rdn. 28, 30). Dies soll nicht nur dazu dienen, zugunsten des Betroffenen Klarheit über seine Person zu erzielen. Vielmehr dient es auch dazu, Maßnahmen gegen den Betroffenen ergreifen zu können, zu denen etwa auch die Vollstreckung von Kosten aus dem Verfahren gehören kann. Aus diesem Grunde reicht es nicht aus, wenn die Identität des Betroffenen mit der vom Amtsgericht in Haft genommenen Person festgestellt werden kann. Vielmehr ist für einen zulässigen Antrag auch erforderlich, dass der Betroffene alle Angaben macht, die zu einer Vollstreckung gegen ihn notwendig sind. Hierzu gehört auch der Aufenthaltsort des Betroffenen. Diese Angaben hat der Betroffene trotz der ausdrücklichen Nachfrage der Kammer nicht gemacht.
12Darüber hinaus ist der Antrag auch deshalb unzulässig, weil es an dem nach § 62 FamFG erforderlichen berechtigten Interesse an der Feststellung fehlt. Zulässig ist der Antrag nach § 62 FamFG nur dann, wenn der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der Feststellung geltend machen kann, die gegen ihn gerichtete und erledigte Maßnahme sei rechtswidrig gewesen. In der Regel liegt ein solches berechtigtes Interesse nach § 62 Abs. 2 FamFG vor, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt, der bei einer Haftanordnung gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2010, AZ. V ZB 184/09, zitiert nach Juris). Grundsätzlich hat der Betroffene ein rechtliches Interesse daran, dass sein guter Ruf durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit rehabilitiert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 06.10.2011, AZ. V ZB 314/10, zitiert nach Juris).
13Dies schließt aber nicht aus, dass ein schutzwürdiges Interesse an dieser Feststellung auch bei derartigen Maßnahmen ausnahmsweise fehlen kann. Dies ist vorliegend der Fall.
14Das Interesse des Betroffenen an seiner Rehabilitation kann nur dann bejaht werden, wenn diese Feststellung zur Wiederherstellung seines guten Rufes erforderlich ist, der durch die Anordnung der Haft und dem darin liegenden Vorwurf, sich nicht rechtstreu zu verhalten, gelitten haben kann. Ein solches schützenswertes Interesse an der Rehabilitation scheidet aber dann aus, wenn sich der Betroffene – wie im vorliegenden Fall – nach seiner Haftentlassung nicht rechtstreu verhält und damit auch zu erkennen gibt, dass ihm an der Wiederherstellung seines guten Rufes gar nicht gelegen ist. Denn der Betroffene ist nach seiner Haftentlassung untergetaucht. Seine ladungsfähige Anschrift hat der Betroffene nicht angegeben. Er hat nach seinen Angaben keinen festen Wohnsitz und weigert sich, seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben. Er hält sich damit unter Verletzung der Meldegesetze in der Bundesrepublik auf, da er beim Beziehen einer Wohnung, worunter jeder umschlossene Raum fällt, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt wird (beispielhaft § 15 Meldegesetz NRW), nach § 13 Meldegesetz NRW verpflichtet wäre, sich binnen einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden.
15Er entzieht sich auf diese Weise den zuständigen Behörden, da diese seinen Aufenthalt nicht ermitteln können. Die Angabe, er könne über H geladen werden, reicht insoweit nicht aus, weil er auf diese Weise seinen Aufenthaltsort weiterhin nicht offenbart und nach der Auskunft des Einwohnermeldeamts auch unter dieser Anschrift nicht gemeldet ist.
16Zudem ist der Kammer aus zwei Parallelverfahren (4 T 584/14 und 4 T 491/14) bekannt, dass H auch dort seinen Namen und seine Anschrift als Kontaktanschrift angegeben hat, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Betroffenen – was sie selbst nicht vorbringen – in dessen Wohnung aufhalten. Zudem handelt es sich bei dem genannten H um eine Person, die der Kammer aus einem weiteren Verfahren bekannt ist, in dem er erfolglos den Antrag gestellt hat, als Vertrauensperson in einem Abschiebehaftverfahren zugelassen zu werden (4 T 53/13, Landgericht Kleve). Dies lässt erkennen, dass es sich nicht um eine Person handelt, die engen persönlichen Kontakt zum Betroffenen hat.
17Ein Betroffener, der durch sein Verhalten dokumentiert, sich nicht rechtstreu verhalten zu wollen, hat kein schützenswertes Interesse an der Rehabilitation in Form der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen des Staates, deren Rechtsordnung er auch hinsichtlich rechtmäßiger Maßnahmen nicht anzuerkennen bereit ist.
III.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
19Gegenstandswert: 5.000 Euro (§§ 36 Abs. 3, 61 GNotKG)
20Rechtsmittelbelehrung:
21Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG). Diese ist durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt binnen einer Frist von 1 Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung der Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof einzulegen (§§ 71 Abs. 1, 10 Abs. 4 FamFG).
22Gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Gegenstandswert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
23Unterschrift
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(1) Bei jeder Verwaltungsmaßnahme, die eine Freiheitsentziehung darstellt und nicht auf richterlicher Anordnung beruht, hat die zuständige Verwaltungsbehörde die richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen. Ist die Freiheitsentziehung nicht bis zum Ablauf des ihr folgenden Tages durch richterliche Entscheidung angeordnet, ist der Betroffene freizulassen.
(2) Wird eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde nach Absatz 1 Satz 1 angefochten, ist auch hierüber im gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften dieses Buches zu entscheiden.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Freien und Hansestadt Bremen auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein senegalesischer Staatsbürger, hielt sich auf Grund einer ihm befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung eines Studiums in Deutschland auf. Im November 2009 wurde eine weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und der Betroffene unter Androhung seiner Abschiebung in den Senegal aufgefordert, das Bundesgebiet bis zum 31. Dezember 2009 zu verlassen. Der Betroffene, der seitdem nicht auffindbar war, wurde im August 2011 bei einer Verkehrskontrolle festgenommen; anschlie- ßend ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 (Ausländerbehörde ) Abschiebungshaft gegen ihn an.
- 2
- Der Betroffene hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, verbunden mit dem Antrag auf Feststellung, durch ihn in seinen Rechten verletzt zu sein. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. September 2011 die Haftanordnung aufgehoben und die unverzügliche Entlassung des Betroffenen aus der Haft angeordnet, über den Feststellungsantrag jedoch nicht entschieden. Den danach von dem Betroffenen erneut gestellten Feststellungsantrag hat es mit Beschluss vom 27. September 2011 als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht meint, der Feststellungsantrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da bereits in dem auf die Beschwerde ergangenen Beschluss ausgesprochen worden sei, dass die Abschiebungshaft wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft (§ 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) nicht hätte angeordnet werden dürfen. Von daher verstehe es sich von selbst, dass der Betroffene durch den Beschluss des Amtsgerichts in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden sei. Die erstrebte Feststellung würde die Rechtsposition des Betroffenen nicht stärken, da die Entscheidung über die Beschwerde bereits die Feststellung enthalte, dass die Haftanordnung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Diese Feststellung sei auch in einem möglichen Amtshaftungsprozess bindend.
III.
- 4
- Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG i.V.m. mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 210, 150, 151 Rn. 9 f.) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde ist begründet.
- 5
- 1. Das Beschwerdegericht hat den Antrag des Betroffenen, analog § 62 FamFG die Rechtswidrigkeit des die Abschiebungshaft anordnenden Beschlusses des Amtsgerichts festzustellen, zu Unrecht als unzulässig verworfen.
- 6
- a) Bei rechtswidrigen Freiheitsentziehungen ist ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der richterlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft anzuerkennen, das weder von dem Ablauf des Verfahrens noch von dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme abhängt (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 12). Hat ein sich in Abschiebungshaft befindlicher Ausländer die Beschwerde gegen die Haftanordnung nach §§ 58 ff. FamFG oder den Antrag auf Haftaufhebung nach § 426 FamFG zulässigerweise mit dem Antrag analog § 62 FamFG verbunden, festzustellen , dass er durch die angefochtene Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 13 und vom 26. Mai 2011 - V ZB 318/10, Rn. 16, juris), muss das Beschwerdegericht über beide Anträge entscheiden.
- 7
- Die Anträge verfolgen nicht dasselbe Rechtsschutzziel. Ziel einer Beschwerde gegen die Haftanordnung oder eines Antrags auf Haftaufhebung ist die Beseitigung der Freiheitsentziehung. Ziel des Feststellungsantrags ist die Rehabilitierung des Betroffenen in Bezug auf den mit der Haftanordnung verbundenen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 314/10, FGPrax 2012, 44, 45 Rn. 14). Den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz bei Freiheitsentziehungen (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art 2 Abs. 2 Satz 2 GG) wird bei unrechtmäßigen Inhaftierungen nur entsprochen , wenn dem Rehabilitierungsinteresse umfassend Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 104, 202, 235). Vor diesem Hintergrund ist auf einen Antrag des Betroffenen, die Verletzung seiner Rechte durch die Inhaftierung auch dann auszusprechen, wenn das Beschwerdegericht mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Haftanordnung die Freiheitsentziehung beendet.
- 8
- b) Darüber hinaus sind die Ausführungen des Beschwerdegerichts zur Bindungswirkung seiner Entscheidung bei einer von dem Betroffenen geltend gemachten Haftentschädigung in der Sache nicht richtig.
- 9
- An die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist das über eine Haftentschädigung nach Art. 5 Abs. 5 EMRK entscheidende Gericht nur insoweit gebunden , als es in jenem Verfahren davon ausgehen muss, dass die Haftanordnung in dem Beschwerdeverfahren aufgehoben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 - III ZR 221/86, BGHZ 103, 242, 245). Dass die Haft von Beginn an rechtswidrig war, steht dagegen nur dann fest, wenn das Beschwerdegericht auch dies gemäß § 62 FamFG im Tenor festgestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – III ZR 183/05, NVwZ 2006, 960, 961 Rn. 7). An die Gründe eines die Haftanordnung aufhebenden Beschlusses ist das über eine Entschädigung befindende Gericht dagegen nicht gebunden, auch wenn es sich in der Regel daran orientieren wird (vgl. OLG Celle, InfAuslR 2009, 28). Da das aber nicht so sein muss und der Hinweis auf die Beschlussgründe deswegen mit Unsicherheiten behaftet ist, hat der Betroffene ein berechtigtes Interesse daran, dass die Rechtsverletzung durch das Beschwerdegericht in einer auch für andere Verfahren und Gerichtsbarkeiten bindenden Form festgestellt wird.
- 10
- 2. In der Sache ist der Feststellungsantrag begründet, da - wie in der Entscheidung über die Beschwerde ausgeführt - die Abschiebungshaft wegen des Fehlens des nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens notwendigen Einvernehmens der zuständigen Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung (§ 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) nicht hätte angeordnet werden dürfen.
IV.
- 11
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Der Kostenausspruch hat - soweit über die Kosten bereits im nicht angefochtenen Beschluss des Landgerichts vom 6. September 2011 entschieden worden ist - lediglich klarstellende Bedeutung.
Czub Kazele
Vorinstanzen:
AG Zeven, Entscheidung vom 08.08.2011 - 6 XIV 335 B -
LG Stade, Entscheidung vom 27.09.2011 - 9 T 98/11 -
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.
(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.
(1) Die Beteiligten können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgeben, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist.
(2) Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, können vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zur Niederschrift abgegeben werden.
(3) Die Geschäftsstelle hat die Niederschrift unverzüglich an das Gericht zu übermitteln, an das der Antrag oder die Erklärung gerichtet ist. Die Wirkung einer Verfahrenshandlung tritt nicht ein, bevor die Niederschrift dort eingeht.
(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.
(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.
(1) Die Beteiligten können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgeben, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist.
(2) Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, können vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zur Niederschrift abgegeben werden.
(3) Die Geschäftsstelle hat die Niederschrift unverzüglich an das Gericht zu übermitteln, an das der Antrag oder die Erklärung gerichtet ist. Die Wirkung einer Verfahrenshandlung tritt nicht ein, bevor die Niederschrift dort eingeht.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 9. Oktober 2009 ohne gültige Ausweispapiere aus Schweden in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Flensburg ordnete das Amtsgericht Flensburg am 10. Oktober 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis längstens 8. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Die dagegen gerichtete Beschwerde, mit der der Betroffene u.a. geltend gemacht hat, er wolle sich der Zurückschiebung nicht entziehen, hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 ohne vorherige Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Feststellung erreichen will, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung auf den in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrund gestützt und ausgeführt, der Betroffene habe nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Zurückschiebung nicht habe entziehen wollen. Er habe sich bereits einer Abschiebung durch die schwedischen Behörden entzogen. Sein Vorbringen, er habe den von dem Amtsgericht hinzugezogenen Dolmetscher nicht verstanden und sei deshalb von dem Amtsgericht nicht ordnungsgemäß angehört worden, sei als Schutzbehauptung durch die von dem Amtsgericht eingeholte Stellungnahme widerlegt. Nach Einschätzung der Haftrichterin habe eine Kommunikation zwischen Dolmetscher und Betroffenem stattgefunden. Es könne überdies davon ausgegangen werden, dass der Dolmetscher Verständigungsprobleme dem Gericht mitgeteilt hätte.
III.
- 3
- Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde ist begründet.
- 4
- 1. An der Statthaftigkeit des Rechtsmittels ändert der im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens eingetretene Ablauf der Haftdauer nichts. Zwar hat sich dadurch die Hauptsache erledigt. Aber die Regelung in § 62 FamFG, nach der in einem solchen Fall das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn er an der Feststellung ein berechtigtes Interesse hat, gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09 - zur Veröffentlichung bestimmt). Das berechtigte Interesse des Betroffenen an dieser Feststellung ergibt sich daraus, dass die Freiheitsentziehung ein schwerwiegender Grundrechtseingriff im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist.
- 5
- 2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- a) Fehlerhaft hat es festgestellt, der Betroffene habe nicht glaubhaft gemacht , dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen werde (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
- 7
- aa) Zutreffend macht der Betroffene geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG anhören müssen. Zwar kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Beschwerdeverfahren von der Anhörung abgesehen werden, wenn diese bereits im ersten Rechtszug durchgeführt wurde und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Aber an der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn das Beschwerdevorbringen eine weitere Sachaufklärung erwarten lässt (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit nicht in BGHZ 129, 383 abgedruckt); auch darf das Beschwerdegericht die Glaubwürdigkeit des Betroffenen nur beurteilen, wenn es sich von ihm bei einer Anhörung einen persönlichen Eindruck verschafft hat (BayObLG NVwZ 1992, 814, 815). Danach musste das Beschwerdegericht den Betroffenen erneut anhören.
- 8
- (1) Dessen Einwand, es habe trotz Einschaltung eines Dolmetschers eine ordnungsgemäße erstinstanzliche Anhörung nicht stattgefunden, durfte es nicht ohne weitere Sachaufklärung als Schutzbehauptung abtun. Es hätte sich vielmehr durch eine persönliche Anhörung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers , der die Muttersprache des Betroffenen spricht, ein eigenes Bild von der Kommunikationswilligkeit und -fähigkeit des Betroffenen machen müssen. Denn aus dem Vermerk des Amtsrichters, auf den das Beschwerdegericht seine Entscheidung gestützt hat, geht lediglich die auf ihrem persönlichen Eindruck beruhende Einschätzung der Haftrichterin hervor, dass zwischen dem Dolmetscher und dem Betroffenen eine Kommunikation stattgefunden habe. Abgesehen davon, dass ihr Inhalt weder festgestellt noch sonst ersichtlich ist, besagt dies nichts zu der maßgeblichen Frage, ob zwischen der Haftrichterin und dem Betroffenen eine Verständigung möglich gewesen is t.
- 9
- (2) Darüber hinaus hätte das Beschwerdegericht den der Entziehungsabsicht und damit dem Haftgrund entgegenstehenden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. Juni 2006, I-3 Wx 140/06, juris, Tz. 18; OLG Schleswig OLGR 2006, 142, 143; vgl. auch BVerfG InfAuslR 1994, 342, 344), erstmals in der Beschwerdeinstanz erhobenen Vortrag, sich für die Zurückschiebung bereithalten zu wollen, durch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Betroffenen würdigen müssen .
- 10
- (3) Ob das Beschwerdevorbringen glaubhaft ist, kann nur aufgrund einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hinreichend sicher beantwortet werden. Es ist eine unverzichtbare Voraussetzung des rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf einer hinreichenden richterlichen Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660 m.w.N.). Zwar hat das Beschwerdegericht - unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 Abs. 2 ZPO) - festgestellt, der Betroffene habe sich der drohenden Abschiebung durch die schwedischen Behörden entzogen. Dieses Verhalten rechtfertigte jedoch nicht ohne weiteres den Schluss, er werde sich auch der Zurückschiebung entziehen. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene bei der Anhörung durch das Beschwerdegericht die sich aus der unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ergebende Vermutung, er werde seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 62 AufenthG Rdn. 39; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. § 62 AufenthG Rdn. 15), hätte widerlegen können (§ 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Dabei wäre zu prüfen gewesen, ob der Betroffene wegen Verständigungsproblemen mit dem Dolmetscher der erstinstanzlichen Anhörung wirklich nicht hat folgen und daher seine Absicht, sich der Zurückschiebung nicht entziehen zu wollen, erst im Beschwerdeverfahren hat vorbringen können. Die Ermittlung der hinreichenden Tatsachengrundlage war somit ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Beschwerdegericht unzureichend.
- 11
- bb) Mit Erfolg rügt der Betroffene einen weiteren Verstoß des Beschwerdegerichts gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn es hat sich mit seinem Vorbringen, er wolle sich für die Zurückschiebung in einer entsprechenden Einrichtung bereithalten, nicht auseinandergesetzt. Art. 103 Abs. 1 GG ist zwar erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen oder Rechtsausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden sind (siehe nur BVerfG NJW-RR 1995, 1033, 1034; Senat, BGHZ 154, 288, 300). So liegt es hier. Dass das Beschwerdegericht das wesentliche Beschwerdevorbringen im Rahmen der nach § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG gebotenen Prüfung berücksichtigt hat, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Da das Beschwerdegericht bereits den Einwand des Betroffenen, er habe den Dolmetscher in dem erstinstanzlichen Verfahren nicht verstanden, als bloße Schutzbehauptung angesehen hat, spricht alles dafür, dass es den weiteren Einwand unberücksichtigt gelassen hat.
- 12
- cc) Wegen der Verstöße gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. § 62 Abs. 1 FamFG). Denn das Unterlassen der mündlichen Anhörung drückt wegen deren grundlegender Bedeutung der gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Zurückschiebung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf, der durch die Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist; dementsprechend verbietet sich bei der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung einer Freiheitsentziehung die Untersuchung, ob diese auf dem Unterbleiben der mündlichen Anhörung beruht (BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464).
- 13
- b) Die Haftanordnung durch das Amtsgericht vom 10. Oktober 2009 hat den Betroffenen ebenfalls in seinen Rechten verletzt.
- 14
- aa) Entsprechend dem Feststellungsantrag ist neben der Beschwerdeentscheidung auch die Entscheidung über die Haftanordnung Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Denn die Gewährung von Rechtsschutz bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Inhaftierung nach der Erledigung der Maßnahme hängt weder von dem konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon ab, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor der Beendigung der Haft erlangt werden kann (BVerfGE 104, 220, 235 f.); deshalb muss das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung auch für einen Zeitraum vor der Einlegung der Rechtsbeschwerde bejaht werden (vgl. BVerfGK 6, 303, 311; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rdn. 32). Überdies hat der Betroffene bereits mit seinem Beschwerdevorbringen über die Frage der Haftfortdauer hinaus auch die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Haftanordnung und die darauf beruhende Vollziehung der Haft zum Beschwerdegegenstand erhoben.
- 15
- bb) Die amtsgerichtliche Entscheidung ist verfahrensfehlerhaft ergangen, denn es hat keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden. Aus dem Inhalt des der Beschwerdeentscheidung zugrunde liegenden Vermerks des Amtsrichters folgt, dass die Haftrichterin in dem Anhörungstermin keine eigenen Erkenntnisse davon gewonnen hat, dass zwischen ihr und dem Betroffenen unter Mitwirkung des Dolmetschers eine Verständigung möglich gewesen ist. Vielmehr hat sie sich mit ihrem persönlichen Eindruck begnügt, zwischen dem Betroffenen und dem Dolmetscher habe eine Kommunikation stattgefunden. Das reicht für eine ordnungsgemäße Anhörung (§ 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG) nicht aus. Ihr Zweck besteht darin, dem Betroffenen den Sachverhalt und die sich daraus ergebende Rechtsfolge bekannt zu geben und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen und seine Sichtweise bestimmter Vorgänge darzustellen. Der Richter soll sich einen unmittelbaren Eindruck von dem Be- troffenen verschaffen, um seine Kontrollfunktion im Hinblick auf das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung wahrnehmen zu können (vgl. BVerfG NJW 1990, 2309, 2310). Dem kommt in Abschiebungshaftsachen eine besondere Bedeutung zu, weil derHaftrichter u.a. klären muss, ob der begründete Verdacht besteht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG), und ob er glaubhaft macht, diesen Willen nicht zu haben (§ 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Die Klärung kann regelmäßig nur durch ein Gespräch zwischen Richter und Betroffenem erfolgen. Ist dieser der deutschen Sprache nicht mächtig, muss ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Seine Aufgabe besteht darin, das Gespräch zwischen Richter und Betroffenem zu ermöglichen. Dazu ist er von dem Richter anzuhalten. Dieser muss sich vergewissern, dass Dolmetscher und Betroffener in derselben Sprache miteinander kommunizieren. Keinesfalls darf er sich damit begnügen, Zuhörer eines Gesprächs zwischen Betroffenem und Dolmetscher zu sein. In diese Rolle hat sich die Haftrichterin jedoch nach dem Vermerk des Amtsrichters begeben.
- 16
- cc) Wie bereits vorstehend unter 2. a) cc) ausgeführt, drückt das Unterlassen der mündlichen Anhörung der gleichwohl angeordneten Haft den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf. Dasselbe gilt, wenn - wie hier - zwar ein Anhörungstermin, nicht aber eine Kommunikation zwischen Richter und Betroffenem stattgefunden hat.
IV.
- 17
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c KostO und § 430 FamFG.
Stresemann Czub Vorinstanzen:
AG Flensburg, Entscheidung vom 10.10.2009 - 48 XIV 2730 B -
LG Flensburg, Entscheidung vom 19.10.2009 - 5 T 268/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Der Betroffene reiste mit der Beteiligten zu 2 im August 1999 ohne die erforderlichen Dokumente nach Deutschland ein und betrieb dort ohne Erfolg ein Asylverfahren. Die Abschiebung nach Armenien verzögerte sich bis April 2009, weil sich die Identität des Betroffenen zunächst nicht feststellen ließ. Seitdem betrieb die beteiligte Behörde die Abschiebung des Betroffenen. Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht am 28. Juni 2010 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung nach Armenien bis zum 8. Juli 2010 angeordnet. Am 2. Juli 2010 nahm sich der Betroffene in der Haft das Leben. Die von seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten für den Betroffenen und für die Beteiligte zu 2 als dessen Ehefrau und Erbin mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung erhobenen Beschwerden hat das Beschwerdegericht als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde. Die beteiligte Behörde beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht meint, die Beschwerde des Betroffenen selbst sei infolge seines Ablebens unzulässig. Daran ändere sein postmortales Rehabilitierungsinteresse nichts. Unzulässig sei aber auch die Beschwerde der Beteiligten zu 2. Die Erledigung in der Hauptsache sei vor Einlegung der Beschwerde eingetreten. Die Beteiligte zu 2 könne das Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen nicht wahrnehmen, da es als höchstpersönliche Rechtsposition nicht auf sie als Erbin übergegangen sei. Ihr Beschwerderecht folge auch nicht aus § 429 FamFG. Danach stehe einem Angehörigen ein Beschwerderecht nur zu, wenn er in erster Instanz nach § 418 FamFG beteiligt worden sei. Daran fehle es hier. Das Beschwerderecht folge auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG.
III.
- 3
- Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
- 4
- 1. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat nur die Beteiligte zu 2 Rechtsbeschwerde eingelegt. In der Rechtsbeschwerdeschrift heißt es zwar, worauf die beteiligte Behörde zutreffend hinweist, dass die Rechtsbeschwerde "namens der Rechtsbeschwerdeführer zu 1) und 2)" erhoben werde. Das ist aber ersichtlich ein Redaktionsversehen. Aus dem Rubrum der Rechtsbeschwerdeschrift ergibt sich eindeutig, dass das Rechtsmittel nur durch die Beteiligte zu 2, nicht auch durch den verstorbenen Betroffenen selbst eingelegt werden sollte. Diese ist dort als "Beschwerdeführerin, Rechtsbeschwerdeführerin" bezeichnet, der Beteiligte zu 1 demgegenüber als "Betroffener" ohne einen Zusatz, der erkennen ließe, dass er post mortem Rechtsmittelführer sein soll. Aus der späteren Begründung der Rechtsbeschwerde ergibt sich, dass das postmortale Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen von der Beteiligten zu 2 als Ehefrau und Erbin wahrgenommen werden soll.
- 5
- 2. Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist mit dem gestellten Feststellungsantrag nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ohne Zulassung statthaft (Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9, 10 und vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153 Rn. 4). Daran ändert es nichts, dass schon das Beschwerdegericht über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4 und vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, insoweit nicht in FGPrax 2011, 200, juris Rn. 9).
- 6
- 3. Der Feststellungsantrag ist nach § 62 Abs. 1 FamFG zulässig.
- 7
- a) Der Zulässigkeit steht entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts nicht entgegen, dass sich die Hauptsache - hier - schon vor der Einlegung der Beschwerde erledigt hat. § 62 Abs. 1 FamFG verlangt nur, dass sich die "angefochtene Entscheidung", nicht aber das gegen sie eingelegte Rechtsmittel erledigt hat (OLG Zweibrücken, FGPrax 2005, 137, 138; OLG Naumburg, FamRZ 2008, 186; Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 62 Rn. 9). Außerdem dient die Möglichkeit, die Feststellung der Rechtsverletzung zu beantragen, dem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen nach einem Eingriff in sein Freiheitsgrundrecht ; sie hängt nicht von dem konkreten Ablauf des Verfahrens ab (vgl. BVerfGE 104, 220, 235 f.). Entscheidend ist nur, dass die angefochtene Entscheidung noch nicht formell rechtskräftig geworden ist. Denn die formelle Rechtskraft darf mit einem Feststellungantrag nach § 62 FamFG nicht durchbrochen werden (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200, 201 Rn. 17). Diese zeitliche Beschränkung ist hier eingehalten , weil die Beschwerde mit dem Feststellungsantrag innerhalb der Beschwerdefrist , die entgegen der Rechtsmittelbelehrung in der Entscheidung des Amtsgerichts einen Monat betrug, eingereicht worden ist.
- 8
- b) Die Beteiligte zu 2 ist auch berechtigt, den Feststellungsantrag zu stellen.
- 9
- aa) Das ergibt sich entgegen ihrer Ansicht allerdings nicht schon aus § 429 FamFG. Danach steht neben anderen Personen auch dem Ehegatten des Betroffenen in dessen Interesse das Recht der Beschwerde gegen die Haftanordnung zu, wenn er im ersten Rechtszug (nach § 418 FamFG) beteiligt worden ist. An dieser zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es hier. Die Beteiligte zu 2 ist durch das Amtsgericht nicht beteiligt worden. Ob das, wie sie meint, rechtswidrig war, bedarf keiner Klärung. Aus dem Recht der in § 429 Abs. 2 FamFG bezeichneten Beteiligten zur Einlegung der Beschwerde folgt nicht ohne weiteres auch das Recht, nach dem Tod des Betroffenen dessen postmortales Rehabilitierungsinteresse wahrzunehmen.
- 10
- bb) Das Recht der Beteiligten zu 2 zur Wahrnehmung dieses Interesses folgt auch nicht daraus, dass sie ihn beerbt hat, wie sie vorgetragen hat und was mangels entsprechender Feststellungen für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist. Das Rehabilitierungsinteresse ist eine höchstpersönliche (Verfahrens-) Rechtsposition, in die der Erbe nicht kraft Erbrechts eintritt (KG, FGPrax 2009, 264, 265; OLG München, FGPrax 2010, 269).
- 11
- cc) Das Recht der Angehörigen, das Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen nach dessen Tod geltend zu machen, folgt aber aus einer teleologisch erweiternden Auslegung von § 62 Abs. 2 FamFG.
- 12
- (1) Ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit endet allerdings regelmäßig , wenn der Betroffene stirbt. Dann nämlich muss über die gegen ihn oder zu seinem Schutz beantragten Maßnahmen nicht mehr entschieden werden (KG und OLG München wie vor). Das war auch in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen früheren Rechts anerkannt, auf welche die Vorschriften über das Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar waren. Sie endeten kraft Gesetzes mit dem Tod des betroffenen Rechtsanwalts und konnten durch die Erben nicht fortgesetzt werden (BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1976 - AnwZ (B) 39/75, BGHZ 66, 297, 299 und vom 21. März 2011 - AnwZ (B) 19/09, juris). Ein Bedürfnis, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen nach dem Ableben des Betroffenen zu überprüfen, besteht in solchen Verfahren regelmäßig nicht, weil die Maßnahme das Ansehen des Betroffenen nach dem Tod normalerweise nicht in Frage stellt. Ähnlich liegt es bei der Unterbringung. Auch sie wird etwa nicht deshalb angeordnet, weil den Betroffenen , wie bei einem Strafurteil, ein Schuldvorwurf träfe, sondern deshalb, weil sein schlechter Gesundheitszustand das erfordert (Beispiel nach BayObLG, FamRZ 2001, 1645, 1646).
- 13
- (2) Das ist aber nicht bei allen Maßnahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Fall. Gerade bei der Abschiebungs- oder der Zurückschiebungshaft, um die es hier geht, ist es anders. Sie ist nicht nur ein tief greifender Eingriff in das Freiheitsrecht des Betroffenen. Mit der Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung ist, wie sich aus den in § 62 Abs. 2 AufenthG angeführten Haftgründen ergibt, notwendig die an das zurechenbare Verhalten des Ausländers anknüpfende Feststellung verbunden, der Betroffene werde ohne die Inhaftierung seine Abschiebung wesentlich erschweren oder vereiteln oder er werde versuchen unterzutauchen. Implizit enthält eine richterliche Haftanordnung damit den Vorhalt, der betroffene Ausländer habe sich in einer Weise gesetzwidrig verhalten - oder drohe sich so zu verhalten -, die seine Inhaftierung rechtfertige. Die Haftanordnung ist damit auch geeignet, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (BVerfGE 104, 220, 235). Das machte es vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit notwendig, dem Betroffenen praeter legem eine Möglichkeit der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Haft zu verschaffen. Mit § 62 FamFG hat der Gesetzgeber dieses verfassungsrechtliche Gebot aufgegriffen und die Möglichkeit, eine solche Feststellung zu beantragen, einfachrechtlich vorgesehen. Zweck war es, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 16/6308 S. 205). Dieses Ziel macht es nicht nur erfor- derlich, die Vorschrift im Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwenden, für das sie nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht gilt (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9). Das Ziel eines effektiven Rechtsschutzes für den Betroffenen macht es vielmehr auch erforderlich, seinen Angehörigen die Möglichkeit zu gewähren, dessen Rehabilitierungsinteresse nach seinem Tod in seinem Interesse geltend zu machen.
- 14
- (3) Bestünde diese Möglichkeit nicht, könnte dem - auch nach seinem Tod bestehenden - Interesse des Betroffenen an seiner Rehabilitierung gegenüber dem mit der Haftanordnung verbundenen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens nicht angemessen Rechnung getragen werden. Ob die Haftanordnung rechtmäßig war, könnte dann nur indirekt, nämlich als ein Tatbestandsmerkmal bei der Geltendmachung der Haftentschädigung, geprüft werden, die der Betroffene entsprechend Art. 5 Abs. 5 EMRK verlangen kann (BGH, Urteile vom 31. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff., vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 269 f. und vom 18. Mai 2006 - III ZR 183/05, NVwZ 2006, 960, 961). Ob die Haftanordnung rechtmäßig war oder den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, käme in dem Tenor der in einem solchen Verfahren ergehenden Entscheidung nicht zum Ausdruck. Es muss, etwa bei einem Anerkenntnis ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, nicht einmal dazu kommen, dass sich das Gericht mit der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung überhaupt befasst. Das wird dem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen schon zu seinen Lebzeiten nicht gerecht. Das gilt umso mehr nach seinem Tod. Die Zahlung der Entschädigung an die Erben kann dem Betroffenen eine Genugtuung nicht mehr verschaffen. Eine angemessene Rehabilitierung ist in dieser Situation nur zu erreichen, wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme selbst zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden kann. Mit der Vorschrift des § 62 FamFG will der Gesetzgeber einen in diesem Sinne effektiven Rechtsschutz sicherstellen. Die Vorschrift ist deshalb teleologisch erweiternd auszulegen und auch anzuwen- den, wenn die Angehörigen des Betroffenen nach dessen Tod ein Rehabilitierungsinteresse geltend machen.
- 15
- (4) Dem lässt sich nicht entgegengehalten, dass ein Ausschluss eines Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit angeordneter Abschiebungsoder Zurückschiebungshaft nach dem Tod des Betroffeneneinem einheitlichen Regelungskonzept des Gesetzgebers entspräche.
- 16
- (a) Regelungen dieser Art hat der Gesetzgeber nur in Einzelfällen getroffen. So kann etwa eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung gemäß § 371 StPO auch nach dem Tod des Verurteilten aufgehoben werden. Zur Einleitung oder Fortsetzung des Wiederaufnahmeverfahrens ist dabei nicht nur die Staatsanwaltschaft berechtigt. Antragsberechtigt sind vielmehr gemäß § 371 Abs. 2 StPO auch die Angehörigen des Verurteilten. Für die nicht rechtskräftige Verurteilung ist eine vergleichbare Regelung dagegen nicht vorgesehen. Stirbt der Angeklagte nach Erlass des Strafurteils, jedoch vor Eintritt der Rechtskraft, wird das Verfahren zwar durch förmlichen Beschluss nach § 206a StPO eingestellt , das - mit dem Tod des Angeklagten gegenstandslose - Urteil aber nicht mehr inhaltlich überprüft (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1999 - 4 StR 595/97, BGHSt 45, 108, 113). Für die Untersuchungshaft und die Vollstreckungshaft fehlen entsprechende Regelungen.
- 17
- (b) Daraus folgt, dass der Gesetzgeber in der Frage der Feststellung der Rechtswidrigkeit von Abschiebungs- und Zurückschiebungshaft kein verfahrensübergreifendes einheitliches Regelungskonzept verfolgt, sondern die Rechtsbehelfe nach den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterie bereichsspezifisch ausgestaltet hat. Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob die Möglichkeit, post mortem die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Abschiebungs - und Zurückschiebungshaft zu beantragen, dem mit § 62 FamFG für den Bereich der Freiheitsentziehung verfolgten bereichsspezifischen Lösungsansatz und den hierbei zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben , an denen sich der Gesetzgeber auch ausrichten wollte, entspricht. Das ist aus den dargelegten Gründen der Fall.
- 18
- dd) Die Beteiligte zu 2 ist als Ehefrau des Betroffenen nach dessen Tod berechtigt, die Feststellung nach § 62 FamFG zu beantragen. Der Kreis der in dieser Lage zur Stellung eines solchen Antrags berechtigten Personen lässt sich mangels tragfähiger sachlicher Unterschiede nicht anders bestimmen als der Kreis der im Fall ihrer Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren zur selbständigen Beschwerde befugten Personen in § 429 Abs. 2 FamFG. Allerdings kann es auf die Beteiligung schon am erstinstanzlichen Verfahren im Rahmen von § 62 FamFG nicht ankommen. Denn diesen Antrag sollen die in § 429 Abs. 2 FamFG bestimmten Personen nicht wegen ihrer bisherigen Beteiligung am Verfahren, sondern gerade deshalb stellen können, weil der Betroffene sein Rehabilitierungsinteresse nicht mehr selbst wahrnehmen kann und dieses andernfalls unerfüllt bliebe. Die Verwirklichung kann nicht davon abhängen, wie das Gericht erster Instanz sein Beteiligungsermessen nach § 418 FamFG ausgeübt hat.
- 19
- 4. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Gegen den Betroffenen hätte die Haft nicht angeordnet werden dürfen, weil ihr kein zulässiger Haftantrag zugrunde lag. Ein Haftantrag ist nach § 417 Abs. 2 FamFG nur zulässig, wenn er eine den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genügende Begründung enthält. Dazu gehören Ausführungen zu dem nach § 72 Abs. 4 AufenthG erforderlichen, auch allgemein erteilbaren (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144, 146 Rn. 25) Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft, wenn sich aus dem Haftantrag ergibt, dass gegen den Betroffenen strafrechtliche Ermittlungen geführt werden (Senat, Be- schluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9). Fehlen sie, ist der Haftantrag unzulässig. Dieser Mangel kann nicht rückwirkend geheilt werden (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11). So liegt es hier. In dem Haftantrag legt die beteiligte Behörde dar, dass sie gegen den Betroffenen mehrfach Strafanzeige erstattet habe. Sie hatte deshalb auch darzulegen , dass die zuständige Staatsanwaltschaft allgemein oder im Einzelfall ihr Einvernehmen mit der Abschiebung erklärt hatte. Das ist nicht geschehen.
IV.
- 20
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 83 Abs. 2 und § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 02.11.2010 - 14 XIV B 2065 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 23.11.2010 - 6 T 85/10 -
Tenor
Das Rechtsmittel wird als unzulässig verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
1
Gründe
I.
2Der Betroffene wurde am 03.10.2013 gegen 20.55 Uhr gemeinsam mit zwei weiteren Personen als Reisende im Personennachzug CNL 40447 nach erfolgter Einreise aus den Niederlanden kommend im Bahnhof Emmerich angetroffen und kontrolliert. Der Betroffene konnte kein gültiges Reisedokument vorlegen und war nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels. Er wurde daraufhin unter dem Verdacht der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet festgenommen. Eine erste Haftanordnung erfolgte durch Beschluss vom 04.10.2013 im Wege der einstweiligen Anordnung im Verfahren des Amtsgerichts Kleve, AZ. 22 XIV 36/13.
3Die Bundespolizei beantragte unter dem 25.10.2013 die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer vom 06.11.2013 bis 02.01.2014. Nach Anhörung des Betroffenen am 06.11.2013 hat das Amtsgericht Kleve durch Beschluss vom selben Tag angeordnet, dass der Betroffene längstens bis zum 02.01.2014 in Zurückschiebungshaft (Sicherungshaft) genommen wird. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene noch am selben Tag Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hat das Landgericht Kleve mit Beschluss vom 11.11.2013 (AZ. 4 T 304/13) zurückgewiesen.
4Mit Schriftsatz vom 10.12.2013 (Bl. 23 GA) bestellte sich die Verfahrensbevollmächtigte für den Betroffenen und legte gegen den Beschluss vom 06.11.2013 zunächst Beschwerde ein, die sie mit Schriftsatz vom 30.12.2013 (Bl. 47 GA) zurückgenommen hat.
5Mit einem weiteren Schriftsatz vom 10.12.2013 (Bl. 25 ff. GA) beantragte sie die Aussetzung der Haft nach §§ 64 Abs. 2, 424 FamFG. Mit Schriftsatz vom 13.12.2013 (Bl. 37 GA), eingegangen beim Amtsgericht am 14.12.2013, beantragte der Betroffene schließlich, die Haft nach § 426 FamFG aufzuheben und festzustellen, dass der Beschluss des Amtsgerichts dem Betroffenen in seinen Rechten ab Eingang dieses Schreibens bei Gericht verletzt habe.
6Mit Beschluss vom 13.12.2013 verwies das Amtsgericht die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungshaft nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG an das Amtsgericht Paderborn. Der dort von der Bundespolizei gestellte Antrag auf Anordnung der Haft für die Zeit vom 02.01.2014 bis 08.01.2014 wurde vom Amtsgericht Paderborn mit Beschluss vom 19.12.2013 zurückgewiesen; die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wurde durch Beschluss des Landgerichts Paderborn am 30.12.2013 zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 30.12.2013 aus der Justizvollzugsanstalt Paderborn ausgetreten (Bl. 55 GA).
7Mit Beschluss vom 02.10.2014 hat das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft zurückgewiesen. Gegen diesen, dem Betroffenen am 06.10.2014 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 07.10.2014, eingegangen am 08.10.2014 Beschwerde eingelegt.
8Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.10.2014 nicht abgeholfen.
II.
9Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.11.2013 ist zwar statthaft, es ist aber unzulässig.
10Zwar kann der Antrag auf Haftaufhebung nach § 62 FamFG mit dem Antrag verbunden werden festzustellen, dass der Betroffene durch die Haftanordnung in seinen Rechten ab Eingang des Haftaufhebungsantrags verletzt wird. Es fehlt jedoch an einem ordnungsgemäßen Antrag im Sinne des §§ 23, 25 FamFG schon deshalb, weil die Person des Betroffenen nicht hinreichend individualisiert ist.
11Der Betroffene mag zwar seine Verfahrensbevollmächtigte bevollmächtigt haben, die den Antrag gestellt hat. Es fehlt jedoch an der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit des Antrages, weil der Betroffene hinsichtlich seiner Identität nicht hinreichend konkret bezeichnet ist. Zum Inhalt eines zulässigen Antrags gehört nach §§ 23, 25 FamFG sowohl im Falle einer Antragstellung zur Niederschrift der Geschäftsstelle als auch bei einem schriftlich eingereichten Antrag, dass der Antragsteller durch die Nennung seines Namens und gegebenenfalls zur weiteren Konkretisierung durch die Angaben von Stand, Gewerbe oder Wohnort, Anschrift, seine Identifizierung ermöglicht (vgl. Münchner-Kommentar/Ulrici, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 23, Rdn. 28, 30). Dies soll nicht nur dazu dienen, zugunsten des Betroffenen Klarheit über seine Person zu erzielen. Vielmehr dient es auch dazu, Maßnahmen gegen den Betroffenen ergreifen zu können, zu denen etwa auch die Vollstreckung von Kosten aus dem Verfahren gehören kann. Aus diesem Grunde reicht es nicht aus, wenn die Identität des Betroffenen mit der vom Amtsgericht in Haft genommenen Person festgestellt werden kann. Vielmehr ist für einen zulässigen Antrag auch erforderlich, dass der Betroffene alle Angaben macht, die zu einer Vollstreckung gegen ihn notwendig sind. Hierzu gehört auch der Aufenthaltsort des Betroffenen. Diese Angaben hat der Betroffene trotz der ausdrücklichen Nachfrage der Kammer nicht gemacht.
12Darüber hinaus ist der Antrag auch deshalb unzulässig, weil es an dem nach § 62 FamFG erforderlichen berechtigten Interesse an der Feststellung fehlt. Zulässig ist der Antrag nach § 62 FamFG nur dann, wenn der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der Feststellung geltend machen kann, die gegen ihn gerichtete und erledigte Maßnahme sei rechtswidrig gewesen. In der Regel liegt ein solches berechtigtes Interesse nach § 62 Abs. 2 FamFG vor, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt, der bei einer Haftanordnung gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2010, AZ. V ZB 184/09, zitiert nach Juris). Grundsätzlich hat der Betroffene ein rechtliches Interesse daran, dass sein guter Ruf durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit rehabilitiert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 06.10.2011, AZ. V ZB 314/10, zitiert nach Juris).
13Dies schließt aber nicht aus, dass ein schutzwürdiges Interesse an dieser Feststellung auch bei derartigen Maßnahmen ausnahmsweise fehlen kann. Dies ist vorliegend der Fall.
14Das Interesse des Betroffenen an seiner Rehabilitation kann nur dann bejaht werden, wenn diese Feststellung zur Wiederherstellung seines guten Rufes erforderlich ist, der durch die Anordnung der Haft und dem darin liegenden Vorwurf, sich nicht rechtstreu zu verhalten, gelitten haben kann. Ein solches schützenswertes Interesse an der Rehabilitation scheidet aber dann aus, wenn sich der Betroffene – wie im vorliegenden Fall – nach seiner Haftentlassung nicht rechtstreu verhält und damit auch zu erkennen gibt, dass ihm an der Wiederherstellung seines guten Rufes gar nicht gelegen ist. Denn der Betroffene ist nach seiner Haftentlassung untergetaucht. Seine ladungsfähige Anschrift hat der Betroffene nicht angegeben. Er hat nach seinen Angaben keinen festen Wohnsitz und weigert sich, seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben. Er hält sich damit unter Verletzung der Meldegesetze in der Bundesrepublik auf, da er beim Beziehen einer Wohnung, worunter jeder umschlossene Raum fällt, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt wird (beispielhaft § 15 Meldegesetz NRW), nach § 13 Meldegesetz NRW verpflichtet wäre, sich binnen einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden.
15Er entzieht sich auf diese Weise den zuständigen Behörden, da diese seinen Aufenthalt nicht ermitteln können. Die Angabe, er könne über xxxx xxx geladen werden, reicht insoweit nicht aus, weil er auf diese Weise seinen Aufenthaltsort weiterhin nicht offenbart und nach der Auskunft des Einwohnermeldeamts auch unter dieser Anschrift nicht gemeldet ist.
16Zudem ist der Kammer aus zwei Parallelverfahren (4 T 491/14 und 4 T 577/14) bekannt, dass xxxx xxxx auch dort seinen Namen und seine Anschrift als Kontaktanschrift angegeben hat, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Betroffenen – was sie selbst nicht vorbringen – in dessen Wohnung aufhalten. Zudem handelt es sich bei dem genannten xxxxxx xxxx um eine Person, die der Kammer aus einem weiteren Verfahren bekannt ist, in dem er erfolglos den Antrag gestellt hat, als Vertrauensperson in einem Abschiebehaftverfahren zugelassen zu werden (4 T 53/13, Landgericht Kleve). Dies lässt erkennen, dass es sich nicht um eine Person handelt, die engen persönlichen Kontakt zum Betroffenen hat.
17Ein Betroffener, der durch sein Verhalten dokumentiert, sich nicht rechtstreu verhalten zu wollen, hat kein schützenswertes Interesse an der Rehabilitation in Form der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen des Staates, deren Rechtsordnung er auch hinsichtlich rechtmäßiger Maßnahmen nicht anzuerkennen bereit ist.
III.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
19Gegenstandswert: 5.000 Euro (§§ 36 Abs. 3, 61 GNotKG)
20Rechtsmittelbelehrung:
21Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG). Diese ist durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt binnen einer Frist von 1 Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung der Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof einzulegen (§§ 71 Abs. 1, 10 Abs. 4 FamFG).
22Gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Gegenstandswert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Tenor
Das Rechtsmittel wird als unzulässig verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
1
G r ü n d e :
I.
2Der Betroffene ist malischer Staatsbürger und reiste am 01.08.2013 ohne die notwendigen Dokumente in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 15.10.2013 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in xxx. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 03.02.2014 als unzulässig zurückgewiesen und die Abschiebung nach Italien angeordnet, da der Betroffene bereits zuvor bei den italienischen Behörden einen Asylantrag gestellt hatte. Der Betroffene hat unter dem 12.02.2014 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat am 07.04.2014 diesen letztgenannten Antrag unanfechtbar abgelehnt, so dass die Abschiebung zu diesem Zeitpunkt vollziehbar war. Am 11.06.2014 sollte die Überstellung des Betroffenen nach Italien erfolgen. Dieser wurde in der Asylunterkunft abgeholt, der Flug konnte jedoch nicht angetreten werden, weil sich der Betroffene kurz vor Erreichen des Flughafens entkleidete, gegen die Türen des Fahrzeugs schlug, nach „Frau T2 schrie und sich weigerte, das Fahrzeug zu verlassen.
3Daraufhin beantragte die Antragstellerin am selben Tag die Anordnung der Sicherungshaft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von acht Wochen. Das notwendige Einvernehmen nach § 72 Abs. 4 AufenthG der Staatsanwaltschaft Kleve wurde mit Schreiben vom 27.05.2014 allgemein erteilt.
4Mit Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 11.06.2014 ist gegen den Betroffenen die Sicherungshaft längstens für 8 Wochen (bis zum 06.08.2014) angeordnet worden. Zur Begründung wird auf den genannten Beschluss (Bl. 18 ff. GA) Bezug genommen. Hiergegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt (Bl. 29 GA) und gleichzeitig für den Fall einer Haftentlassung beantragt festzustellen, dass der Haftbeschluss des Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat (§ 62 FamFG). Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.07.2014 der Beschwerde nicht abgeholfen.
5Mit Schriftsatz vom 25.07.2014 hat der Betroffene beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. An diesem Tag wurde der Betroffene aus der Haft entlassen (Bl. 65 GA). Mit Schriftsatz vom 01.08.2014 hat der Betroffene mitgeteilt, dass die Beschwerde und der Haftaufhebungsantrag im Feststellungsverfahren aufrecht erhalten bleibe. Die Haftanordnung sei zu Unrecht erfolgt. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 01.08.2014 (Bl. 74 ff. GA) verwiesen. Zudem hat die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen mit Schriftsatz vom 10.08.2014 mitgeteilt, der Betroffene sei ohne festen Wohnsitz, sein Aufenthaltsort könne nicht mitgeteilt werden. Der Betroffene könne aber über xxx xxxx, S-Straße, xxxxx0 xxxx, der im telefonischen Kontakt mit dem Betroffenen stehe, geladen werden.
II.
6Das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.06.2014 ist zwar statthaft, es ist aber unzulässig.
7Zwar kann die Beschwerde nach § 62 FamFG nach Erledigung in der Hauptsache mit dem Antrag weiterverfolgt werden festzustellen, dass der Betroffene durch die angegriffene Entscheidung in seinen Rechten verletzt wurde. Es fehlt jedoch an einem ordnungsgemäßen Antrag im Sinne des §§ 23, 25 FamFG schon deshalb, weil die Person des Betroffenen nicht hinreichend individualisiert ist.
8Der Betroffene mag zwar seine Verfahrensbevollmächtigte bevollmächtigt haben, die den Antrag gestellt hat. Es fehlt jedoch an der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit des Antrages, weil der Betroffene hinsichtlich seiner Identität nicht hinreichend konkret bezeichnet ist. Zum Inhalt eines zulässigen Antrags gehört nach §§ 23, 25 FamFG sowohl im Falle einer Antragstellung zur Niederschrift der Geschäftsstelle als auch bei einem schriftlich eingereichten Antrag, dass der Antragsteller durch die Nennung seines Namens und gegebenenfalls zur weiteren Konkretisierung durch die Angaben von Stand, Gewerbe oder Wohnort, Anschrift, seine Identifizierung ermöglicht (vgl. Münchner-Kommentar/Ulrici, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 23, Rdn. 28, 30). Dies soll nicht nur dazu dienen, zugunsten des Betroffenen Klarheit über seine Person zu erzielen. Vielmehr dient es auch dazu, Maßnahmen gegen den Betroffenen ergreifen zu können, zu denen etwa auch die Vollstreckung von Kosten aus dem Verfahren gehören kann. Aus diesem Grunde reicht es nicht aus, wenn die Identität des Betroffenen mit der vom Amtsgericht in Haft genommenen Person festgestellt werden kann. Vielmehr ist für einen zulässigen Antrag auch erforderlich, dass der Betroffene alle Angaben macht, die zu einer Vollstreckung gegen ihn notwendig sind. Hierzu gehört auch der Aufenthaltsort des Betroffenen. Diese Angaben hat der Betroffene trotz der ausdrücklichen Nachfrage der Kammer nicht gemacht.
9Darüber hinaus ist der Antrag auch deshalb unzulässig, weil es an dem nach § 62 FamFG erforderlichen berechtigten Interesse an der Feststellung fehlt. Zulässig ist der Antrag nach § 62 FamFG nur dann, wenn der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der Feststellung geltend machen kann, die gegen ihn gerichtete und erledigte Maßnahme sei rechtswidrig gewesen. In der Regel liegt ein solches berechtigtes Interesse nach § 62 Abs. 2 FamFG vor, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt, der bei einer Haftanordnung gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2010, AZ. V ZB 184/09, zitiert nach Juris). Grundsätzlich hat der Betroffene ein rechtliches Interesse daran, dass sein guter Ruf durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit rehabilitiert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 06.10.2011, AZ. V ZB 314/10, zitiert nach Juris).
10Dies schließt aber nicht aus, dass ein schutzwürdiges Interesse an dieser Feststellung auch bei derartigen Maßnahmen ausnahmsweise fehlen kann. Dies ist vorliegend der Fall.
11Das Interesse des Betroffenen an seiner Rehabilitation kann nur dann bejaht werden, wenn diese Feststellung zur Wiederherstellung seines guten Rufes erforderlich ist, der durch die Anordnung der Haft und dem darin liegenden Vorwurf, sich nicht rechtstreu zu verhalten, gelitten haben kann. Ein solches schützenswertes Interesse an der Rehabilitation scheidet aber dann aus, wenn sich der Betroffene – wie im vorliegenden Fall – nach seiner Haftentlassung nicht rechtstreu verhält und damit auch zu erkennen gibt, dass ihm an der Wiederherstellung seines guten Rufes gar nicht gelegen ist. Denn der Betroffene ist nach seiner Haftentlassung untergetaucht. Seine ladungsfähige Anschrift hat der Betroffene nicht angegeben. Er hat nach seinen Angaben keinen festen Wohnsitz und weigert sich, seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben. Er hält sich damit unter Verletzung der Meldegesetze in der Bundesrepublik auf, da er beim Beziehen einer Wohnung, worunter jeder umschlossene Raum fällt, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt wird (beispielhaft § 15 Meldegesetz NRW), nach § 13 Meldegesetz NRW verpflichtet wäre, sich binnen einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden.
12Er entzieht sich auf diese Weise den zuständigen Behörden, da diese seinen Aufenthalt nicht ermitteln können. Die Angabe, er könne über Frank Gockel geladen werden, reicht insoweit nicht aus, weil er auf diese Weise seinen Aufenthaltsort weiterhin nicht offenbart und nach der Auskunft des Einwohnermeldeamts auch unter dieser Anschrift nicht gemeldet ist.
13Zudem ist der Kammer aus zwei Parallelverfahren (4 T 584/14 und 4 T 577/14) bekannt, dass xxxxx xxxx auch dort seinen Namen und seine Anschrift als Kontaktanschrift angegeben hat, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Betroffenen – was sie selbst nicht vorbringen – in dessen Wohnung aufhalten. Zudem handelt es sich bei dem genannten xxxx xxxx um eine Person, die der Kammer aus einem weiteren Verfahren bekannt ist, in dem er erfolglos den Antrag gestellt hat, als Vertrauensperson in einem Abschiebehaftverfahren zugelassen zu werden (x T xx/xx, Landgericht Kleve). Dies lässt erkennen, dass es sich nicht um eine Person handelt, die engen persönlichen Kontakt zum Betroffenen hat.
14Ein Betroffener, der durch sein Verhalten dokumentiert, sich nicht rechtstreu verhalten zu wollen, hat kein schützenswertes Interesse an der Rehabilitation in Form der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen des Staates, deren Rechtsordnung er auch hinsichtlich rechtmäßiger Maßnahmen nicht anzuerkennen bereit ist.
III.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
16Gegenstandswert: 5.000 Euro (§§ 36 Abs. 3, 61 GNotKG)
17Rechtsmittelbelehrung:
18Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG). Diese ist durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt binnen einer Frist von 1 Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichung der Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof einzulegen (§§ 71 Abs. 1, 10 Abs. 4 FamFG).
19Gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Gegenstandswert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.
(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und - 2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge); - 2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.