Landgericht Hamburg Urteil, 26. Aug. 2016 - 330 O 493/15

bei uns veröffentlicht am26.08.2016

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 15.404,25 (i. W.: Euro fünfzehntausend- vierhundertvier 25/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Kläger machen gegenüber der Beklagten Ansprüche aus § 110 HGB geltend.

2

Die Kläger sind mit einer Einlage in Höhe von DM 130.000,00 Kommanditisten der Beklagten, die ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft ist. Die Beklagte hält seit dem 02.09.1993 eine Immobilie in der S.str. ... in B.. Der Ankauf und die Errichtung dieser Immobilie durch die Beklagte wurden durch ein Darlehen der S. AG finanziert. Das Objekt S.str. ... in B. war bis zum 30.09.2003 vermietet, ein unmittelbarer Nachfolger fand sich nicht, was zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten führte. Daher konnte ein bei der Hauptgläubigerin, der S. Bank AG, aufgenommenes Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden.

3

Um den Bestand des Fonds zu sichern und gegebenenfalls eine geregelte Liquidation durchzuführen, führte die Beklagte im Jahre 2008 mit der S. Bank Gespräche. Dabei war zunächst geplant, dass ein Teil des rückständigen Darlehens durch den Verkauf der Immobilie S.str. und ein weiterer Teil durch Zahlung der Kommanditisten aufgebracht werden sollten, und zwar durch Rückzahlung eines Teils der erhaltenen Ausschüttungen. Über die Begleichung des hiernach verbleibenden Restdarlehens wurde seinerzeit keine Einigung erzielt. Im Gegenzug zu den Zahlungen der Kommandisten sollte die S. Bank AG gegenüber diesen auf weitergehende Ansprüche verzichten unter der Bedingung, dass der Kaufvertrag über die Immobilie eine bestimmte Summe übersteigt.

4

Der Verkauf der Immobilie kam jedoch nicht zustande, so dass die Beklagte erneut in Verhandlungen mit der S. Bank AG eintrat. Diese Verhandlungen mündeten in ein Angebot der S. Bank AG an die Kommanditisten, nach dem den Kommanditisten vorgeschlagen wurde, dass sie insgesamt einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen, die das Geld sodann an die S. Bank AG weiterleitet, und im Gegenzug die S. Bank AG gegenüber den zahlenden Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichtet.

5

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah keine Verpflichtung der Kommanditisten zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Beklagte vor.

6

Die Kläger hatten sich seinerzeit dazu entschlossen, die seitens der Beklagten angebotenen Freistellungsvereinbarungen zu unterzeichnen und haben daraufhin einen Betrag in Höhe von € 7.477,64 auf das in der Freistellungsvereinbarung benannte Treuhandkonto überwiesen. Am 19.02.2010 unterzeichneten die Kläger die sogenannte zweite Freistellungsvereinbarung (vgl. Anlage K 1). Am gleichen Tage leisteten die Kläger eine Zahlung in Höhe von € 7.926,61 auf das in der Freistellungsvereinbarung benannte Konto.

7

Die Kläger tragen vor:

8

Sie hätten gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB. Ein den Erstattungsanspruch aus- lösendes Sonderopfer der Beklagten sei anzunehmen. Der Anspruch der Beklagten sei auch fällig.

9

Weiterhin verlangten die Kläger im Hinblick auf das Anwaltsschreiben vom 15.12.2010 (Anlage K 2) Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 899,40.

10

Die Kläger stellen folgende Klaganträge:

11

I. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Kläger € 15.543,79 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.12.2010 zu bezahlen.

12

II. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Kläger € 899,40 vorgerichtliche Rechtsanwalts- kosten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2010 zu bezahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte macht geltend:

16

Die erbrachten Zahlungen seien keine Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten, die die Kläger den Umständen nach hätten für erforderlich halten dürfen. Darüber hinaus wäre ein etwaiger Anspruch aus § 110 HGB nicht fällig. Weiterhin werde vorsorglich geltend gemacht, dass der Aufwendungsersatz treuwidrig sei. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Kläger in Ziffer 3.1 der Freistellungsvereinbarung gemäß Anlage K 1 auf entsprechende Ansprüche verzichtet hätten.

17

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig und zum ganz überwiegenden Teil auch der Sache nach begründet.

19

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe von insgesamt € 15.404,25 ge- mäß §§ 161 Abs. 2, 110 Abs. 1 HGB. Der Höhe nach berechnet sich dieser Anspruch aus der Summe der beiden Einzelbeträge von € 7.477,64 sowie € 7.926,61. Der darüber hinausgehende Anspruch ist dagegen unbegründet. Gleiches gilt für den Anspruch in Höhe von € 899,40 für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Denn aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich nicht, dass die Beklagte bereits im Zeitpunkt des Anwaltsschreibens vom 15.12.2010 (Anlage K 2) in Zahlungsverzug war.

20

Nach § 110 HGB, der gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft gilt, ist die Gesellschaft dem Gesellschafter zum Ersatz verpflichtet, wenn er in der Gesellschaftsangelegenheit Aufwendungen macht, die er nach den Umständen für erforderlich halten darf. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt.

21

Die Zahlungen der Kläger an die Beklagte stellen Aufwendungen in einer Gesellschaftsangelegenheit dar. Sie erfolgten freiwillig zur teilweisen Tilgung einer Gesellschaftsverbindlichkeit. Die Kläger waren gegenüber der Beklagten zu diesen Zahlungen weder auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages noch aus sonstigen Gründen verpflichtet (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil v. 04.04.2014, 11 U 310/13). Es fehlt insbesondere an einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, die eine entsprechende Erstattung vorsieht. Dass die Kläger infolge der wiederaufgelebten Außenhaftung gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB gegenüber der S. Bank möglicherweise zur Zahlung verpflichtet waren, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil v. 20.06.2005, II ZR 252/03 - Juris, Tz. 9).

22

Die Kläger durften die streitgegenständlichen Aufwendungen auch den Umständen nach für erforderlich halten, weil sie der Gesellschaft in einer wirtschaftlich schlechten Situation geholfen haben.

23

Der Anspruch aus § 110 HGB ist darüber hinaus auch fällig; seine Geltendmachung ist weder rechtsmissbräuchlich noch liegt ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten vor. Dies entspricht der übereinstimmenden Rechtsprechung einer Vielzahl von Kammern des Landgerichts Hamburg in Parallelverfahren (vgl. etwa LG Hamburg, Urteil v. 01.12.2015 - 328 O 75/15; Urteil v. 16.02.2016, 311 O 282/15).

24

Nach § 271 BGB kann der Gläubiger seine Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für eine Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Vorliegend fehlt es an einer bestimmten Zeit für die Leistung, so dass die Beklagte als Schuldnerin Vereinbarungen oder Umstände darlegen und gegebenenfalls nachweisen muss, aus denen sich eine spätere Leistungszeit ergibt. Dies hat die Beklagte nicht in ausreichendem Maße getan. Hinreichende durch die Beklagte vorgetragene Umstände, die darauf schließen ließen, dass die finanzielle Situation der Beklagten nach wie vor ungeordnet sei, der verfolgte Zweck der Vereinbarung nicht erreicht würde und die Gesellschaft bei Rückforderung des geltend gemachten Betrages gefährdet sein könnte, liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass eine sofortige Geltendmachung der Klagsumme durch die Kläger eine maßgebliche Verschlechterung der finanziellen Situation der Beklagten nach sich zöge.

25

Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Kläger auf die streitgegenständlichen Ansprüche auch nicht durch Ziffer 3.1 der Freistellungsvereinbarung gemäß Anlage K 1 verzichtet. Aus dem Wortlaut der streitgegenständlichen Klausel ergibt sich nicht hinreichend klar, dass sie auch Forderungen, die erst mit dem Abschluss der Vereinbarung entstehen können, wie die hier streitgegenständlichen Erstattungsansprüche aus § 110 HGB, erfassen soll. Darüber hinaus wäre eine derartige Verzichtsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtsunwirksam. Die Kammer verweist insoweit auf die überzeugenden und den Parteien bekannten Ausführungen im Urteil des Parallelverfahrens 328 O 365/15 vom 01.03.2016 (Entscheidungsgründe, Seite 4 f.).

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 Satz 2 ZPO.

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(1) Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.

(2) Aufgewendetes Geld hat die Gesellschaft von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen.

(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.

(2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehende Recht durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter ausgeübt.

(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.

(2) Aufgewendetes Geld hat die Gesellschaft von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen.

(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.

(2) Aufgewendetes Geld hat die Gesellschaft von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen.

(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.

(2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehende Recht durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter ausgeübt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 252/03 Verkündet am:
20. Juni 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene
Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation
der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die
Kommanditgesellschaft zurückzahlen, erbringen auch dann ein die Erstattungspflicht
der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn sie
mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, daß sie in einem etwaigen späteren
Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in
Anspruch genommen werden können.
BGH, Versäumnisurteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 252/03 - OLG Koblenz
LG Mainz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. Juli 2003 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 22. August 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist einer von zahlreichen Kommanditisten der in Liquidation befindlichen Beklagten. Gegenstand des Unternehmens war der Kauf eines größeren Gebäudekomplexes in D. und dessen gewerbliche Nutzung. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind die Gesellschafter zu Nachschüssen nicht verpflichtet; sie haben Anspruch auf Ausschüttung der Einnahmen der Gesellschaft , die "nicht zur Erfüllung vertraglicher, gesetzlicher oder sonstiger Verpflichtungen benötigt werden"; dies gilt auch dann, wenn das Kapitalkonto durch vorherige Entnahmen negativ geworden war. Auf diese Weise sind an alle An-
leger zwischen 1983 und 1994 19,5 % ihrer Hafteinlagen zurückgezahlt worden.
Die Gesellschaft geriet ab 1996 wegen Schwierigkeiten bei der Vermietung des Gesellschaftsgrundstücks in eine finanzielle Lage, in der sie die bei der Hauptkreditgeberin, der H.bank, aufgenommenen Darlehen nicht mehr vertragsmäßig bedienen konnte. Da die Kündigung der Kredite drohte, forderte der Komplementär der Beklagten die Kommanditisten auf, von den bezogenen Ausschüttungen einen Teilbetrag wieder einzuzahlen, wobei eine Verzinsung dieses Betrages in Aussicht gestellt wurde. Anders als der Kläger kamen dieser Aufforderung eine Reihe von Gesellschaftern nach. Mit dem auf diese Weise auf einem für die KG bei ihr geführten Konto eingegangenen Betrag von 1,3 Mio. DM gab sich die Bank indessen nicht zufrieden, sondern forderte die Einzahlung weiterer Mittel, wenn sie weiterhin stillhalten sollte. Daraufhin kam es am 23. Juni 1998 zu einer Gesellschafterversammlung, an der auch Vertreter des Kreditinstituts teilnahmen. Sie wiesen darauf hin, daß im Falle einer Kreditkündigung die Stellung eines Konkursantrags unausweichlich werde und die Kommanditisten dann an den Konkursverwalter die bezogenen Ausschüttungen nach § 172 Abs. 4 HGB ohnehin zurückzahlen müßten; diese Haftung entfalle bei einer freiwilligen Rückzahlung der Ausschüttungen, außerdem bestehe bei einem günstigen Verkauf der Immobilie die Chance eines an die Gesellschafter zu verteilenden Überschusses. Daraufhin wurde mehrheitlich die Rückzahlung der Ausschüttungen beschlossen. Auch diesmal leistete der Kläger - anders als die meisten anderen Kommanditisten - nicht.
In der Folgezeit ist es gelungen, den Konkurs abzuwenden, weil das Grundstück verkauft werden konnte. Da der Haupt-Kommanditist und die Bank ganz oder teilweise auf ihre Forderungen verzichtet haben, ist ein geringer Ü-
berschuß entstanden, um dessen Vorab-Verteilung im Rahmen der laufenden Liquidation Streit besteht. Die Liquidatoren vertreten die Auffassung, daß nach Befriedigung aller außenstehenden Gläubiger zunächst diejenigen Kommanditisten wegen ihrer Forderungen bedient werden müssen, die in der Notsituation die früher bezogenen Ausschüttungen zurückgezahlt haben. Der Kläger - er ginge angesichts des nicht sehr großen Überschusses weitgehend leer aus, wenn die Liquidatoren entsprechend verfahren - sieht für die beabsichtigte Form der Verteilung keine Grundlage, weil eine entsprechende Verpflichtung der Kommanditisten zur Wiedereinzahlung der Ausschüttungen nach dem Gesellschaftsvertrag nicht bestanden habe und auch durch den Gesellschafterbeschluß vom 23. Juni 1998 nicht wirksam begründet worden sei und weil seine Mitgesellschafter obendrein in Kenntnis dieses Umstandes (§ 814 BGB) geleistet hätten.
Mit seiner Klage will er erreichen, daß die Unzulässigkeit des beschriebenen Vorgehens der Liquidatoren festgestellt, hilfsweise die Auszahlung entsprechender Beträge untersagt wird. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen , das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers hingegen entsprochen. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I. Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGHZ 37, 79, 81).
II. Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung des Klägers und damit zur Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Kommanditisten, welche in der Notsituation der Gesellschaft mit ihren Einzahlungen zur Seite gestanden haben , könnten Rückzahlung dieses Betrages nicht verlangen, da ein Darlehensvertrag nicht zustande gekommen sei, Bereicherungsansprüche nicht bestünden und ein Erstattungsanspruch nach § 110 HGB stillschweigend durch den Gesellschafterbeschluß vom 23. Juni 1998 abbedungen worden sei.
2. Dies hält - ohne daß der Senat auf sämtliche Erwägungen des Berufungsgerichts und die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwände eingehen müßte - in einem entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der Anspruch auf Erstattung der geleisteten Zahlungen ergibt sich nämlich aus § 110 HGB; die Annahme des Berufungsgerichts, die zahlenden Kommanditisten hätten auf diesen Anspruch stillschweigend verzichtet, ist das Ergebnis einer rechtsfehlerhaften, die beteiligten Interessen nicht sachgerecht einbeziehenden und den Vortrag der Parteien nur unvollständig verwertenden Auslegung.

a) Die zahlenden Kommanditisten haben - wie der Kläger zutreffend annimmt - der KG ohne rechtliche Verpflichtung die in der Vergangenheit empfangenen Ausschüttungen zurückgezahlt. Im Innenverhältnis waren sie hierzu nicht verpflichtet, weil der Gesellschaftsvertrag auch für den Fall des Entstehens eines negativen Kapitalkontos eine solche Erstattungspflicht ausschließt und der mit nur einfacher Mehrheit gefaßte Beschluß vom 23. Juni 1998 den Gesellschaftsvertrag schon aus formalen Gründen nicht hat ändern können. Auch inhaltlich zielt diese Entschließung der Gesellschafterversammlung nicht auf
eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, sondern enthält nicht mehr als einen Appell an die Gesellschafter, die gebotene Chance zu ergreifen und die sonst unmittelbar drohende Stellung des Konkursantrages abzuwenden.

b) Durch ihre Überweisungen haben die Kommanditisten gleichzeitig die empfangenen Ausschüttungen zurückgezahlt, die Schulden der Gesellschaft gegenüber der H.bank teilweise getilgt und schließlich dafür vorgesorgt , daß sie bei einem etwa doch noch notwendigen Insolvenzverfahren von dem Verwalter nach § 172 Abs. 4 HGB nicht mehr belangt werden konnten. Haben sie danach ohne Verpflichtung im Innenverhältnis geleistet, handelt es sich um das die Anwendbarkeit des § 110 HGB auslösende Sonderopfer (Sen.Urt. v. 17. Dezember 2001 - II ZR 382/99, ZIP 2002, 394). Daß die Gesellschafter damit zugleich eigene - zu dieser Zeit nicht fällige, sondern von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer individuellen Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger abhängige - Verbindlichkeiten getilgt haben, steht der Anwendbarkeit dieser Vorschrift nicht entgegen (allg.M. s. Ebenroth/ Boujong/Joost, HGB § 110 Rdn. 12 m.w.Nachw. in Fn. 47).

c) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß die Kommanditisten auf diesen Erstattungsanspruch verzichtet haben. Dem Beschluß vom 23. Juni 1998 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Vorgeschichte des - nur zu freiwilligen Zahlungen auffordernden - Beschlusses waren die zahlenden Gesellschafter allerdings gehindert, sofort Erstattung von der Gesellschaft für ihr Sonderopfer zu fordern, weil anders der Zweck der Zahlung, die finanzielle Stärkung der Gesellschaft, die Abwendung der Kreditkündigung durch die H.bank und des dann sofort zu stellenden Insolvenzantrags und der dadurch erstrebte Zeitgewinn für eine freihändige Veräußerung des Gesellschaftsgrundstücks , nicht erreicht werden konnte. Das bedeutet indessen nicht,
daß die zahlenden Gesellschafter auf Dauer, insbesondere für den Fall eines Gelingens des von der Geschäftsführung vorgestellten Vorhabens - im wirtschaftlichen Ergebnis: zugunsten der Gesellschafter, die sich wie der Kläger einer Hilfeleistung an die KG verweigerten - auf die Geltendmachung ihrer Forderungen verzichten wollten. Dieser nach der Interessenlage der Beteiligten sich aufdrängende Wille, nur vorübergehend die Gesellschaft zu stützen, kommt in der dem genannten Beschluß vorangehenden Diskussion nicht nur in der wiederholt angesprochenen Zielsetzung der Aktion, sondern vor allem dadurch deutlich zum Ausdruck, daß die freiwillige Rückzahlung mit der Hoffnung auf einen "Teilrückfluß ... nach erfolgreicher freihändiger Verwertung des Objekts" verbunden wurde.
Goette Kraemer Gehrlein
Strohn Caliebe

(1) Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.

(2) Aufgewendetes Geld hat die Gesellschaft von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.883,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.05.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.883,70 € festgesetzt, §§ 48 GKG, 3, 4 ZPO.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Aufwendungsersatz auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage in Anspruch.

2

Der Kläger ist mit einer Einlage im Nominalwert von 100.000 DM kommanditistisch an der Beklagten, einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft beteiligt. Die Beklagte, als deren Sitz im Gesellschaftsvertrag und im Handelsregister H. angegeben ist, wo auch die persönlich haftende Gesellschafterin ihren Sitz hat, hält seit 1993 eine Immobilie in B., wo auch die geschäftsführende Kommanditistin der Beklagten und die Hausverwaltung geschäftsansässig sind. Ankauf und Errichtung der Immobilie waren durch die S. AG finanziert worden. Nachdem das Objekt zwischenzeitlich unvermietet war und das Darlehen daher nicht mehr ordnungsgemäß bedient wurde und auch eine Veräußerung der Immobilie trotz von der Beklagten für wirksam gehaltenen Kaufvertrags nicht zustande gekommen war, unterbreitete die S. AG den Kommanditisten der Beklagten das Angebot, wonach sie einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen sollten, die das Geld dann an die S. AG weiterleiten würde, und im Gegenzug die S. AG gegenüber den zahlenden Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche aus §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichten würde. Der Gesellschaftsvertrag sieht eine Verpflichtung, erhaltene Ausschüttungen zurückzuzahlen, nicht vor.

3

Der Kläger ist dem Angebot nicht nachgekommen. In der Folge wurde er von der S. AG gerichtlich auf der Grundlage des § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen, die dem Betrag der Klageforderung entspricht, in Anspruch genommen. Nachdem der Kläger im Jahr 2012 zweitinstanzlich zur Zahlung verurteilt worden war, entschloss er sich, die erhaltenen Ausschüttungen an die Beklagte zurückzuzahlen, um das in der Revisionsinstanz anhängige Verfahren zu beenden.

4

Mit vorgerichtlichem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 7.5.2014 forderte der Kläger die Beklagte anschließend zur Erstattung des Zahlbetrages bis zum 19.5.2014 auf.

5

Die S. AG stundet der Beklagten derzeit die Darlehensrückführung mit Ausnahme eines Teils der Zinsen.

6

Ein Liquidationsbeschluss wurde von der Gesellschafterversammlung der Beklagten nicht gefasst.

7

Der Kläger behauptet, eine Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen sei im Gesellschaftsvertrag explizit ausgeschlossen. Er meint, ihm stehe ein fälliger Rückzahlungsanspruch aus §§ 161 Abs. 2, 110 HGB zu.

8

Der Kläger beantragt:

9

I. Die beklagte Partei zu verurteilen, an den Kläger € 8.883,70 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 19.5.2014 zu bezahlen.

10

II. Die beklagte Partei wird verurteilt, an den Kläger € 808,13 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie rügt die sachliche Unzuständigkeit des erkennenden Gerichts, weil Sitz der Beklagten B. sei. Des Weiteren trägt sie vor, ein Aufwendungsersatzanspruch bestehe nicht, jedenfalls sei er nicht fällig oder seine Geltendmachung treuwidrig. Dies ergebe sich daraus, dass die Rückzahlung einer geordneten Abwicklung der Beklagten durch freihändigen Verkauf der Fondsimmobilie im Wege stünde. Im Übrigen würde durch die Durchsetzung des eingeklagten Anspruchs ein „Inanspruchnahmekarussel“ im Verhältnis der Parteien und der S. AG ausgelöst werden.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

1. Die Klage ist zulässig (u. a) und überwiegend begründet (b).

16

a) Die Klage ist zulässig. Entgegen der Rüge der Beklagten ist das Landgericht Hamburg örtlich zuständig. Dabei kann offenbleiben, ob der gem. § 17 ZPO maßgebliche Sitz der Beklagten H. ist oder - wie die Beklagte meint -B..

17

Die Antwort auf diese Frage hängt in rechtlicher Hinsicht allerdings davon ab, ob der Sitz einer Personengesellschaft ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen, nämlich nach dem Ort bestimmt wird, von dem aus tatsächlich die Geschäfte geleitet werden und an dem sich der Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung befindet, oder ob auch Personengesellschaften das Recht zugestanden werden muss, ihren Sitz frei zu wählen, was hier durch die Bestimmung des Sitzes im Gesellschaftsvertrag geschehen ist. Die erstere Auffassung, auf die sich die Beklagte stützt, ist in Literatur und Rechtsprechung herrschend (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Born, HGB, § 106 Rn. 8 - 19 m.w.N.), die zweite wird von einer Mindermeinung mit starken Argumenten vertreten (vgl. Staub-Schäfer, § 106 Rn. 19 m.w.N.). Die Kammer neigt dazu, im Hinblick auf die zunehmend anerkannte rechtliche Angleichung der Personengesellschaften an juristische Personen der Mindermeinung den Vorzug zu geben. Sie muss sich insoweit aber nicht festlegen.

18

Die Frage kann hier vielmehr deshalb offenbleiben, weil die örtliche Zuständigkeit unabhängig von ihr zu bejahen ist. Selbst wenn es auf den tatsächlichen Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten ankommen und dieser in B. liegen sollte, wäre hier nämlich H. als Sitzort zugrunde zu legen. Denn dann wäre das Handelsregister, wo als Sitz H. eingetragen ist, falsch. Gemäß § 15 Abs. 3 HGB, der auch im Prozessrecht anwendbar ist (BGH, NJW 1979, 42), könnte sich der Kläger in diesem Fall auf die Eintragung berufen. Dass der Kläger positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der Eintragung gehabt habe (§ 15 Abs. 3, 2. Hs. HGB), hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nicht vorgetragen. Angesichts der Sitzbestimmung im Gesellschaftsvertrag und des Sitzes der Komplementärin genügt der - dem Kläger sicher bekannte - Umstand, dass die Fondsimmobilie in B. belegen ist, hierfür nicht. Dass eine Fondsgesellschaft ihre Geschäftstätigkeit überwiegend am Ort des Anlageobjekts ausübt, erscheint nicht zwingend, wie sich bereits aus der Überlegung ergibt, dass Immobilien an verschiedenen Orten zu einem Fondsvermögen zusammengefasst werden können, ohne dass deshalb notwendigerweise mehrere Gesellschaftssitze vorhanden sein müssten.

19

b) Die Klage ist auch überwiegend begründet.

20

aa) Der Kläger kann die Erstattung des an die Beklagte geleisteten Betrages in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe aus §§ 161 Abs. 2, 110 HGB beanspruchen.

21

(1) Die Zahlung stellt eine freiwillige Aufwendung in einer Gesellschaftsangelegenheit dar. Die Zahlung geschah im Verhältnis zu der Beklagten freiwillig, denn unstreitig ist in dem Gesellschaftsvertrag der Parteien eine Rückzahlungspflicht hinsichtlich erhaltener Ausschüttungen nicht vorgesehen. Ob sie vertraglich sogar explizit ausgeschlossen ist, ist demgegenüber unerheblich.

22

(2) Die Zahlung betraf auch eine Gesellschaftsangelegenheit. Da sie im Verhältnis des Klägers als Gesellschafter zu der Beklagten als Gesellschaft erfolgte, ist dies an sich nicht weiter begründungsbedürftig. Soweit allerdings die Beklagte den Tatbestand des § 110 HGB hier deshalb verneinen will, weil der Kläger mit der Zahlung (auch) das Ziel verfolgte, von der Haftung im Verhältnis zur S. AG frei zu werden, vermag die Kammer ihr nicht zu folgen. Sie schließt sich vielmehr der gegenteiligen Auffassung des Bundesgerichtshofs (ZIP 2005, 1552) und des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 13.8.2015, 11 U 25/15) an.

23

(3) Schließlich durfte der Kläger die Zahlung auch i.S.d. § 110 HGB für erforderlich halten, nachdem ihm zuvor ein Angebot unterbreitet worden war, zur Überwindung der Zahlungsschwierigkeiten der Beklagten einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen freiwillig an diese zurück zu zahlen.

24

(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch auch fällig und seine Geltendmachung verstößt - wofür dieselben Erwägungen maßgeblich sind - auch nicht gegen Treu und Glauben. Gemäß § 271 BGB ist eine Forderung grundsätzlich sofort fällig. Abweichende Vereinbarungen zwischen den Parteien sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass eine gesellschaftsvertragliche Treuepflicht des Klägers gegenüber der Beklagten der sofortigen Geltendmachung des Aufwendungserstattungsanspruchs entgegenstünde. Angesichts der Höhe der Klageforderung ist nicht ersichtlich, dass die begehrte Zahlung die wirtschaftliche Existenz der Beklagten gefährden würde. Soweit die Beklagte geltend macht, dass bei Rückzahlung der Klageforderung das derzeitige Stillhalten der S. AG gefährdet wäre, legt sie schon nicht nachvollziehbar dar, warum sie bei Begleichung der Klageforderung nicht mehr in der Lage sein könnte, die fällig gestellten Zinsforderungen der S. AG zu bedienen oder warum die S. AG gleichwohl nicht mehr zu der bisherigen Stundung bereit sein sollte. Dass vor dem Jahr 2012 eine Rückzahlung von Ausschüttungen in einem größeren Umfang angestrebt worden sein mag, als sie tatsächlich stattgefunden hat, genügt hierfür schon wegen des erheblichen Zeitablaufs seitdem nicht.

25

Ebenso wenig trägt die Beklagte schlüssig vor, dass die Erstattung an den Kläger sie an einer ordnungsgemäßen Liquidation hindern würde. Zum einen kann aus ihrem Vortrag nicht nachvollzogen werden, dass sie an der Durchsetzung des ihrer Auffassung nach wirksamen Kaufvertrags über die Fondsimmobilie infolge der Zahlung an den Kläger gehindert wäre. Im Übrigen fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, dass eine Abwicklung überhaupt wirksam beschlossen worden sei.

26

Schließlich kann die Rückforderung nicht als selbstwidersprüchlich angesehen werden. Ob dies anders zu beurteilen wäre, hätte der Kläger dem Angebot der S. AG entsprochen, erhaltene Ausschüttungen zur Überwindung der Krise an die Beklagte zurückzuzahlen, und die Beklagte unmittelbar danach auf Erstattung in Anspruch genommen, muss hier nicht entschieden werden. Denn der Kläger hat erst zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem er erfolgreich durch die S. AG in Anspruch genommen worden war, an die Beklagte gezahlt. Vor diesem Hintergrund führt auch das von der Beklagten befürchtete „Inanspruchnahme-Karussel“ nicht dazu, dass der Kläger an der Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs gehindert wäre (vgl. HansOLG, Beschluss vom 3.6.2015, 11 U 25/15). Es trifft zwar zu, dass durch die Rückzahlung seine Außenhaftung nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB wieder aufleben und die S. AG ihn in der Folge wie bereits in dem zwischen ihr und dem Kläger geführten Rechtsstreit erneut in Anspruch nehmen könnte. Anschließend könnte er erneut Erstattung von der Beklagten verlangen. Indes erscheint es schon nicht sicher, dass die S. AG infolge der Erfüllung der Klageforderung tatsächlich erneut an den Kläger herantreten wird, und die Kammer vermag nicht zu erkennen, warum der bloßen Möglichkeit, dass es zu dem beschriebenen „Karussell“ kommt, bereits im vorliegenden Rechtsstreit Rechnung getragen werden müsste. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum es nicht dem Kläger überlassen bleiben sollte, sich zu entscheiden, ob er die Erstattung auch auf die Gefahr einer Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger verlangt oder dieses Risiko vermeiden will. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten, dass er auf ihre Inanspruchnahme verzichtet, um nicht anschließend von der Darlehensgeberin in Anspruch genommen zu werden, ist nicht anzuerkennen, zumal auch die Beklagte selbst das „Karussell“ zum Stillstand bringen könnte, indem sie ihre Schuld gegenüber der S. AG erfüllt.

27

bb) Der tenorierte Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs begründet, §§ 286, 288 BGB. Infolge des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 7.5.2014 befand sich die Beklagte mit Ablauf der darin gesetzten Frist, also am 20.5.2014 in Verzug.

28

cc) Unbegründet ist die Klage hingegen insoweit, als der Kläger Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten begehrt. Ein Anspruch hierauf ergibt sich insbesondere nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB), denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte sich im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten bereits in Verzug befand. Die Kosten einer den Verzug erst begründenden Mahnung sind hingegen nicht als Verzugsschaden erstattungsfähig.

29

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 62.185,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.05.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 62.185,87 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 110 HGB geltend.

2

Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft. Der Kläger ist Kommanditist der Beklagten mit einer Einlage von 300.000,- DM.

3

Seit dem 02.09.1993 hält die Beklagte eine Immobilie in der S.str.... in B.. Der Ankauf und die Errichtung dieser Immobilie wurden durch ein Darlehen der S. Bank finanziert. Das Objekt S.str.... war bis zum 30.9.2003 vermietet. Ein unmittelbarer Nachfolger fand sich nicht. Dies führte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten. Ein bei der Hauptgläubigerin, der S. Bank AG, aufgenommenes Darlehen konnte demzufolge nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Die Beklagte führte im Jahre 2008 mit der S. Bank AG Gespräche, um den Bestand des Fonds zu sichern und eine geregelte Liquidation durchzuführen, bei der u.a. auch die Immobilie veräußert werden sollte. Da der Verkauf jedoch nicht zustande kam, trat die Beklagte erneut in Verhandlungen mit der S. Bank AG ein. Die S. Bank AG bot in diesem Rahmen den Kommanditisten an, dass sie insgesamt einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen, die das Geld sodann an die S. Bank AG weiterleitet, und im Gegenzug die S. Bank AG gegenüber den zahlenden Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichtet.

4

Der Kläger unterzeichnete die Freistellungsvereinbarung nicht. Daraufhin wurde er von der S. Bank AG gerichtlich gemäß § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen (dem Klagebetrag) in Anspruch genommen (vgl. Urteil des LG Braunschweig, Anlage K 1). Der Kläger zahlte sodann die von der Beklagten erhaltenen Ausschüttungen an die Beklagte - freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unter Vorbehalt der Rückforderung (vgl. Schreiben vom 14.11.2013, Anlage K 2) - zurück. Anschließend wurde das Verfahren zwischen der S. Bank AG und dem Kläger erledigt.

5

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2014 unter Fristsetzung zum 26.05.2014 vergeblich zur Rückzahlung auf (Anlage K 3).

6

Der Kläger ist der Ansicht, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in der geltend gemachten Höhe gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB. Die Rückzahlung von Ausschüttungsbeträgen zur teilweisen Tilgung des Darlehens der Beklagten bei der S. Bank AG sei ein freiwilliges Sonderopfer des Klägers gewesen. Es sei ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, insbesondere finde sich im Gesellschaftsvertrag (Anlage B 1) keine entsprechende Grundlage.

7

Der Kläger beantragt,

8

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 62.185,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2014 zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie trägt vor, das Landgericht Hamburg sei örtlich unzuständig. Des Weiteren habe der Kläger die Zahlungen nicht als freiwilliges Vermögensopfer und im Interessenkreis der Beklagten zu einer Gesellschaftsangelegenheit, sondern allein zu dem Zweck vorgenommen, der Klage der S. AG gegen ihn die Grundlage zu entziehen. Im Übrigen sei die Zahlung nicht erforderlich im Sinne von § 110 HGB gewesen. Darüber hinaus sei ein Anspruch aus § 110 HGB nicht fällig bzw. seine Geltendmachung rechtsmissbräuchlich und ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten. Hierzu behauptet sie, dass eine geordnete Abwicklung, die das erstrebte Ziel sei, bei Rückforderung der Beträge gefährdet sei, da dann u.a. die zur Bedienung der fälligen Forderungen der S. AG benötigten Mittel fehlten (21 ff). Auch würde eine Inanspruchnahme der Beklagten nur dazu führen, dass der Kläger erneut von der S. AG in Anspruch genommen würde. Es käme zu einem „Zahlungs-Karussell“.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

13

Das Landgericht Hamburg ist örtlich zuständig (§ 17 ZPO), weil der Sitz der Beklagten nach § 1 des Gesellschaftsvertrages (Anlage B 1) in Hamburg ist. Die Berücksichtigung der von der Beklagten angeführte Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 16.4.2012, 25 W 39/12) führt zu keinem anderen Ergebnis (eingehend Urteil des LG Hamburg vom 01.12.2015 - 328 O 75/15, 56/58 f; siehe ferner etwa Urteil des LG Hamburg zu 305 O 147/15). Auf den Ort der Verwaltungsführung kommt es hier nicht an. Maßgebend ist, dass im Handelsregister als Sitz der Beklagten Hamburg eingetragen ist.

II.

14

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 62.185,87 € gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 Abs. 1 HGB.

1.

15

Nach § 110 HGB, der gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft gilt, ist die Gesellschaft dem Gesellschafter zum Ersatz verpflichtet, wenn er in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen macht, die er nach den Umständen für erforderlich halten darf. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a)

16

Die Zahlungen des Klägers an die Beklagte stellten Aufwendungen in einer Gesellschaftsangelegenheit dar. Sie erfolgten - freiwillig - zur teilweisen Tilgung einer Gesellschaftsverbindlichkeit. Der Kläger war gegenüber der Beklagten zu diesen Zahlungen nicht - weder auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages, wirksamer Beschlüsse der Gesellschafterversammlung noch aus sonstigen Gründen - verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 20.6.2005, II ZR 252/03, juris Rz. 9; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil von 4.4.2014, 11 U 310/13; LG Hamburg, Urteil vom 1.11.2013, 328 O 108/13). Es fehlt insbesondere an einer Regelung im Gesellschaftsvertrag (Anlage B 1), die eine entsprechende Erstattung vorsieht. Dass der Kläger infolge der wieder aufgelebten Außenhaftung gemäß §§ 171 Abs. 1 Halbs. 1, 172 Abs. 4 HGB gegenüber der S. Bank AG möglicherweise zur Zahlung verpflichtet war, ist unerheblich (BGH aaO und Urteil vom 8.10.2013, II ZR 310/12).

b)

17

Der Kläger durfte die Aufwendungen den Umständen nach auch für erforderlich halten, weil er der Gesellschaft in einer wirtschaftlich schlechten Situation geholfen hat.

2.

18

Der Anspruch aus § 110 HGB ist fällig; seine Geltendmachung ist weder rechtsmissbräuchlich noch liegt ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten vor (siehe bereits LG Hamburg, Urteil vom 01.12.2015 - 328 O 75/15, 56/59 und Urteil vom 30.10.2015 - 305 O 147/15).

19

Nach § 271 BGB kann der Gläubiger eine Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für eine Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Hier fehlt es an einer bestimmten Zeit für die Leistung, so dass die Beklagte als Schuldnerin Vereinbarungen oder Umstände darlegen und ggf. nachweisen muss, aus denen sich eine spätere Leistungszeit ergibt. Dies hat die Beklagte nicht in ausreichendem Maße getan.

20

Die Beklagte behauptet hierzu u.a., dass der Zweck der Freistellungsvereinbarungen nicht erfüllt sei und die Beklagte für eine geordnete Abwicklung noch Zeit brauche. Dem ist der Kläger substantiiert entgegen getreten. Insbesondere hat er dezidierte Ausführungen im Hinblick auf die Fälligkeit und Höhe der Klagforderung gemacht.

21

Hinreichende durch die Beklagte vorgetragene Umstände, die darauf schließen lassen, dass die finanzielle Situation der Beklagten nach wie vor ungeordnet sei, der verfolgte Zweck der Vereinbarung nicht erreicht würde und die Gesellschaft bei Rückforderung des geltend gemachten Betrages gefährdet sein könnte, liegen nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass eine sofortige Geltendmachung der Klagesumme durch den Kläger eine maßgebliche Verschlechterung der finanziellen Situation der Beklagten nach sich ziehen würde. Dem dahingehenden Vortrag des Klägers ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten. Von daher sind in der Geltendmachung der Forderung keine Rechtsmissbräuchlichkeit und kein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten zu erkennen.

22

Ergänzend wird etwa auf die Ausführungen im Urteil der Zivilkammer 28 zu 328 O 75/15 verwiesen:

23

„Angesichts der Höhe der Klageforderung ist nicht ersichtlich, dass die begehrte Zahlung die wirtschaftliche Existenz der Beklagten gefährden würde. Soweit die Beklagte geltend macht, dass bei Rückzahlung der Klageforderung das derzeitige Stillhalten der S. AG gefährdet wäre, legt sie schon nicht nachvollziehbar dar, warum sie bei Begleichung der Klageforderung nicht mehr in der Lage sein könnte, die fällig gestellten Zinsforderungen der S. AG zu bedienen oder warum die S. AG gleichwohl nicht mehr zu der bisherigen Stundung bereit sein sollte. Dass vor dem Jahr 2012 eine Rückzahlung von Ausschüttungen in einem größeren Umfang angestrebt worden sein mag, als sie tatsächlich stattgefunden hat, genügt hierfür schon wegen des erheblichen Zeitablaufs seitdem nicht.

24

Ebenso wenig trägt die Beklagte schlüssig vor, dass die Erstattung an den Kläger sie an einer ordnungsgemäßen Liquidation hindern würde. Zum einen kann aus ihrem Vortrag nicht nachvollzogen werden, dass sie an der Durchsetzung des ihrer Auffassung nach wirksamen Kaufvertrags über die Fondsimmobilie infolge der Zahlung an den Kläger gehindert wäre. Im Übrigen fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, dass eine Abwicklung überhaupt wirksam beschlossen worden sei.

25

Schließlich kann die Rückforderung nicht als selbstwidersprüchlich angesehen werden. Ob dies anders zu beurteilen wäre, hätte der Kläger dem Angebot der S. AG entsprochen, erhaltene Ausschüttungen zur Überwindung der Krise an die Beklagte zurückzuzahlen, und die Beklagte unmittelbar danach auf Erstattung in Anspruch genommen, muss hier nicht entschieden werden. Denn der Kläger hat erst zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem er erfolgreich durch die S. AG in Anspruch genommen worden war, an die Beklagte gezahlt. Vor diesem Hintergrund führt auch das von der Beklagten befürchtete „Inanspruchnahme-Karussell“ nicht dazu, dass der Kläger an der Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs gehindert wäre (vgl. Hanseatisches OLG, Beschluss vom 3.6.2015, 11 U 25/15). Es trifft zwar zu, dass durch die Rückzahlung seine Außenhaftung nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB wieder aufleben und die S. AG ihn in der Folge wie bereits in dem zwischen ihr und dem Kläger geführten Rechtsstreit erneut in Anspruch nehmen könnte. Anschließend könnte er erneut Erstattung von der Beklagten verlangen. Indes erscheint es schon nicht sicher, dass die S. AG infolge der Erfüllung der Klageforderung tatsächlich erneut an den Kläger herantreten wird, und die Kammer vermag nicht zu erkennen, warum der bloßen Möglichkeit, dass es zu dem beschriebenen „Karussell“ kommt, bereits im vorliegenden Rechtsstreit Rechnung getragen werden müsste. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum es nicht dem Kläger überlassen bleiben sollte, sich zu entscheiden, ob er die Erstattung auch auf die Gefahr einer Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger verlangt oder dieses Risiko vermeiden will. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten, dass er auf ihre Inanspruchnahme verzichtet, um nicht anschließend von der Darlehensgeberin in Anspruch genommen zu werden, ist nicht anzuerkennen, zumal auch die Beklagte selbst das „Karussell“ zum Stillstand bringen könnte, indem sie ihre Schuld gegenüber der S. AG erfüllt.“

II.

26

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

III.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

28

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

29

Berichtigungbeschluss vom 17. März 2016

30

Das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 11 - vom 16.02.2016 wird entsprechend der Verfügung vom 03.03.2016 im Tenor (Ziffer 1) wie folgt berichtigt:

31

Die Beklagte wird verurteilt, ... nebst Zinsen ... seit 27.05.2014 zu zahlen.

32

Gründe

33

Es liegt ein offensichtliches Diktat- oder Schreibversehen vor, § 319 ZPO.

(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.

(2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.

(1) Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, oder erleidet er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet.

(2) Aufgewendetes Geld hat die Gesellschaft von der Zeit der Aufwendung an zu verzinsen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.