Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17

bei uns veröffentlicht am13.06.2017

Tenor

1.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18.04.2017 wird zurückgewiesen.

2.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungsklägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Verfügungsklägerin verlangt von der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung, die Verfügungsbeklagte möge es unterlassen, eine Produkt-Fotografie öffentlich zugänglich zu machen.

2

Die Verfügungsklägerin betreibt unter .com/> eine Internetseite, über welche sie Fotos und mit den Fotos bebilderte Produkte vertreibt. Der Fokus der Verfügungsklägerin liegt dabei auf der Auswertung von Fotos eines Hundes der Rasse „Mops" mit Namen „ L.", der im Rahmen von Bildern und Produkten der Verfügungsklägerin in Szene gesetzt wird. Zu diesen Fotos gehört auch das nachfolgend wiedergegebene Verfügungsmuster:

Abbildung

3

Der Verfügungsbeklagte ist Betreiber einer Webseite . Innerhalb dieser Webseite werden im Wege des Framings in großer Zahl Angebote (jedenfalls auch) der Handelsplattform eingeblendet, wobei die Einblendungen vollständig automatisiert unter Zuhilfenahme eines bestimmten Algorithmus erfolgen. Einzelheiten zum technischen Vorgang sind nicht vorgetragen. Zum Erscheinungsbild der Website wird auf Anlage ASt 2 verwiesen.

4

Der Verfügungsbeklagte ist als sog. „Affiliate" vertraglich mit dem Betreiber der Handelsplattform verbunden. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung ist unstreitig gewesen, dass der Verfügungsbeklagte „eine Vergütung pro Klick eines Dritten auf den jeweiligen Frame zu Amazon.de" erhält (so sein Schriftsatz vom 26.05.2017 S. 3 = Bl. 81 d.A.); die Höhe dieser Vergütung bzw. ihre Berechnungsgrundlage sind bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt worden.

5

Auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten befand sich am 13.03.2017 die Einblendung einer Anzeige für eine Handyhülle, auf deren Vorderseite unter einer Aufschrift „Tomorrow Will Be A Better Day" ein Ausschnitt aus dem Verfügungsmuster wiedergegeben war, nämlich ein Freisteller-Bild des Hundekopfes unter Weglassung des grünen Hintergrundes. Die Einblendung sah gem. Anlage ASt 2 S. 1 wie folgt (Ausschnitt) aus:

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

6

Weder die Verfügungsklägerin noch ihr Geschäftsführer hatten die Herstellung und/oder den Vertrieb einer so gestalteten Handyhülle oder die Anfertigung und/oder Verwertung einschließlich öffentlicher Zugänglichmachung von Abbildungen der Handyhülle gestattet.

7

Ein von der Verfügungsklägerin beauftragtes Dienstleistungsunternehmen, dort der Mitarbeiter Herr B., entdeckte die Einblendung am 13.03.2017 auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten. Mit E-Mail vom 22.03.2017 teilte Herr B. dies der Verfügungsklägerin mit. Die Verfügungsklägerin sprach mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2017 (Anlage ASt 4) eine Abmahnung gegenüber dem Verfügungsbeklagten aus. Der Verfügungsbeklagte wies Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach zurück (Schreiben 07.04.2017, Anlage ASt 5), entfernte jedoch die Einblendung des Verletzungsmusters aus seinem Internetauftritt. Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gab er nicht ab.

8

Die Verfügungsklägerin hat am Donnerstag, 20.04.2017 per Fax und am Freitag, 21.04.2017 im Original die Antragsschrift vom 18.04.2017 bei Gericht eingereicht, wobei weder das Fax noch das Original unterzeichnet gewesen sind. Auf Telefax-Hinweis des Gerichts vom Montag, 24.04.2017 hat die Verfügungsklägerin am 25.04.2017 per Telefax und am 27.04.2017 im Original je ein unterzeichnetes Exemplar der Antragsschrift zur Akte gereicht.

9

Die Verfügungsklägerin macht geltend:

10

Sie habe den Verfügungsantrag rechtzeitig gestellt. Sie müsse sich die Erstkenntnis des Herrn B. nicht zurechnen lassen, da sein Unternehmen keinen Auftrag zur eigenverantwortlichen Aufklärung von Verstößen und keine Kenntnis von eventuellen Lizenzierungen gehabt habe.

11

Sie sei aktiv legitimiert. Urheber des Verfügungsmusters sei ihr Geschäftsführer, M. M., der das Verfügungsmuster fotografiert habe. Die Verfügungsklägerin vertreibe die Fotografie nur über durch sie autorisierte Partner im Internet. Die Verfügungsklägerin beruft sich insofern auf die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers (Anlage ASt 1).

12

Die Abbildung des Verfügungsmusters (Hundekopf) innerhalb des Verletzungsmusters (Abbildung der Handyhülle mit Hundebild) stelle eine urheberrechtsrelevante Nutzung des Verfügungsmusters dar.

13

Der Verfügungsbeklagte habe das Verletzungsmusters öffentlich wiedergegeben. Über das Framing des Verletzungsmusters sei das Verfügungsmuster für ein „neues Publikum" im Sinne der Entscheidung EuGH 08.09.2016 (C-160/15 - GS Media/Sanoma Media u. a.) zugänglich gemacht worden, weil schon die Einstellung des Verletzungsmusters auf nicht genehmigt gewesen sei.

14

In Anwendung dieser Rechtsprechung und der Grundsätze aus dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.11.2016 (310 O 402/16 - Architekturfotos) hafte der Verfügungsbeklagte für diese öffentliche Wiedergabe. Der Verfügungsbeklagte habe billigend in Kauf genommen, dass es auf zu Urheberrechtsverletzungen komme, auf die er verlinke. Jedenfalls sei ihm aber vorwerfbar, nicht gewusst zu haben, dass das Verletzungsmuster ohne Genehmigung auf wiedergegeben worden sei. Diese Vorwerfbarkeit resultiere aus dem Umstand, dass der Verfügungsbeklagte mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt und sich gleichwohl nicht über die Rechtmäßigkeit der Wiedergabe auf vergewissert habe. Der Verfügungsbeklagte habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass es auf zu keinen Urheberrechtsverletzungen kommen werde; das zeige schon diverse veröffentlichte Rechtsprechung zu entsprechenden Verletzungsfällen. Dass Händler, die ihre Angebote bei einstellten, gegenüber Amazon die Rechtmäßigkeit ihrer Uploads zusichern müssten, sei nicht glaubhaft gemacht worden und ergebe sich weder aus den vom Verfügungsbeklagten vorgelegten angeblichen Vertragsbedingungen der Händler (Anlage AG 1) noch aus den in der mündlichen Verhandlung von der Verfügungsklägerin vorgelegten „Teilnahmebedingungen des EU-Partnerprogramms", die man als Amazon-Affiliate-Partner akzeptieren müsse. Es sei aber nicht nachvollziehbar, warum es dem Verfügungsbeklagten nicht zumutbar sein solle, im Rahmen der Kommunikation mit Amazon - ggf. auch automatisiert - zumindest eine einzelfallbezogene Bestätigung von Amazon einzuholen, dass entweder Amazon selbst geprüft habe, ob der Händler über die Rechte für den Upload verfügt habe, oder dass Amazon sich die Berechtigung zumindest vom Händler habe zusichern lassen.

15

Die Verfügungsklägerin beantragt:

16

Der Antragsgegners wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, nachstehend eingeblendetes Foto öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wie geschehen unter www.k...de

17

und dies ohne Angabe des Urhebers, Herrn M... M...

Abbildung

18

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

19

den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

20

Der Verfügungsbeklagte macht geltend:

21

Die Verfügungsklägerin habe den Verfügungsantrag nicht rechtzeitig genug gestellt. Sie müsse sich die Erstkenntnis des Herrn B. vom 13.03.2017 zurechnen lassen.

22

Sie habe ihre auch ihre Aktivlegitimation nicht glaubhaft gemacht. Urheberschaft des Herrn M. und Nutzungsrechte der Verfügungsklägerin würden mit Nichtwissen bestritten.

23

Das angegriffene Framing sei keine öffentliche Zugänglichmachung. Die Rechtsprechung des EuGH zur Hyperlinksetzung sei auf das Framing nicht anwendbar.

24

Jedenfalls seien aber die subjektiven Anforderungen des EuGH an eine Linksetzungshaftung nicht erfüllt. Der Verfügungsbeklagte habe nicht gewusst, dass es sich bei dem auf eingestellten Verletzungsmuster um einen nicht genehmigten Inhalt gehandelt habe. Diese Unkenntnis sei ihm auch nicht vorzuwerfen. Er habe davon ausgehen dürfen, dass Händler, wenn sie Bebilderungen von Waren auf einstellten, dabei keine Urheberrechtsverletzungen beginge; denn jeder Händler, der an der Handelsplattform Amazon.de teilnehme, akzeptiere die AGB der Handelsplattform, nach denen er versichere, dass er Inhaber des von ihm benutzten Bildmaterials sei, und nach denen er die Nutzung des Bildmaterials auf und auch durch Dritte gestatte; das müsse gerichtsbekannt sein, ergänzend sei auf die mit Anlage G 1 vorgelegten Nutzungsbedingungen zu verweisen. Danach aber seien Urheberrechtsverletzungen auf der Handelsplattform Amazon weder für den Verfügungsbeklagten noch für andere Affiliates oder auch nur für Amazon selbst erkennbar. Ob die Abmahnung vom 30.03.2017 Prüfpflichten des Verfügungsbeklagten ausgelöst habe, könne offen bleiben, da er - wie unstreitig - sofort reagiert und den streitgegenständlichen Frame aus seinem Webauftritt entfernt habe.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, und auf das Protokoll vom 01.06.2017 verwiesen.

26

Mit Beschluss vom 01.06.2017 hat das Gericht dem Verfügungsbeklagten nachgelassen, zu den im Termin von der Verfügungsklägerin übergebenen etwaigen Vertragsbedingungen für ein Affiliate-Verhältnis mit nachgelassenem Schriftsatz Stellung zu nehmen. Der Verfügungsbeklagte hat fristgemäß einen Schriftsatz nachgereicht. In diesem hat er ausgeführt: Der Klägervortrag zu diesen Bedingungen erfolge „ins Blaue hinein", weil nicht vorgetragen sei, wann sich der Verfügungsbeklagte gegenüber welcher Gesellschaft welchen Bedingungen unterworfen haben solle. Er bestreite „mit Nichtwissen", dass die vorgelegten Bedingungen diejenigen seien, welchen er sich unterworfen habe.

27

Mit demselben Schriftsatz hat der Verfügungsbeklagte außerdem vorgetragen und an Eides statt versichert (Anlage AG 3): Er erhalte über das Amazon-Affiliate-Programm keine Pauschal-Vergütung per Klick auf das jeweilige Angebot, sondern eine Provision, wenn es zu einer „Conversion", also zu einem Kauf des beworbenen Artikels komme. Mit dem streitgegenständlichen Angebot selbst habe er keine Erlöse generiert. Er unterhalte auf der streitgegenständlichen Seite mindestens 15.000 Frames zu Amazon-Angeboten Dritter. Er erlöse mit dem Amazon-Affiliate-Programm durchschnittlich lediglich 35,00 Euro im Monat. Bei über 15.000 Frames betrage also der durchschnittliche Verdienst pro Frame pro Monat lediglich 0,23 Cent. Er ist der Ansicht: Auf Grundlage dieser Verdienstmöglichkeiten sei ihm eine Vorabüberprüfung der geframten Angebote nicht zumutbar, ohne sein rechtmäßiges Geschäftsmodelle aufgeben zu müssen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die Kammer versteht den Verfügungsantrag - „... verboten, ... [das Verletzungsmuster] öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wie geschehen unter [URL] [Einblendung] und dies ohne Angabe des Urhebers, Herrn M. M." (Unterstreichung hinzugefügt) - dahin, dass durch den vorstehend unterstrichen wiedergegebenen Antragsteil kein eigenes Unterlassungsbegehren formuliert werden sollte. Streitgegenstand ist damit nur die öffentliche Zugänglichmachung des Verletzungsmusters als solche, dagegen nicht (kumulativ oder gar allein) die Zugänglichmachung gerade unter Nichtnennung des Herrn M.s als des Urhebers. Für dieses Verständnis sprechen die Antragsformulierung (der hier unterstrichene Teil ist nicht durch Kommasetzung von der Einblendung des Verletzungsmusters getrennt) und der Umstand, dass trotz Erwähnung von Urheberpersönlichkeitsrechten in der Antragsschrift (S. 6 = Bl. 50 d.A.) die Antragstellerin nicht geltend macht, (auch) in Prozessstandschaft für ihren Geschäftsführer vorzugehen.

II.

29

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ergibt sich schon aus der rügelosen Einlassung des Verfügungsbeklagten, § 39 ZPO, hilfsweise aus § 32 ZPO.

III.

30

Der Verfügungsantrag ist (noch) ausreichend rechtzeitig gestellt worden.

31

Als Orientierungswerte, jedoch unter Vorbehalt der Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles, nimmt die Kammer in urheberrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig an, dass der Verletzte gehalten ist, in Fällen einer bereits begangenen Verletzungshandlung den Verfügungsantrag vier Wochen nach Erstkenntnis der Nutzung bei Gericht zu stellen; für den Fall, dass er einen ernsthaften Versuch einer außergerichtlichen Klärung durch Abmahnung unternommen hat, stehen ihm wegen des dadurch erlittenen Zeitverlustes (Abwarten einer Reaktion, ggf. erforderliche weitere Korrespondenz) in der Regel zwei weitere Wochen zur Verfügung. Die Kammer sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall einen strengeren Maßstab anzuwenden, zumal komplexe Rechtsfragen zur öffentlichen Wiedergabe entscheidungserheblich sind.

32

Für den Zeitpunkt der Einreichung kann jedenfalls auf den 25.04.2017 abgestellt werden, weil das an diesem Tag bei Gericht eingegangene Telefax unterzeichnet war. Dass das Fax die Antragsfassung nur schwarz-weiß wiedergab, ist vorliegend unschädlich, weil das farbige Original bereits am 27.04.2017 nachfolgte; darin liegt im vorliegenden Fall noch keine schädliche Antragsverzögerung.

33

Die Kammer kann offen lassen, ob sich die Verfügungsklägerin die Kenntnis des Herrn B. vom 13.03.2017 zurechnen lassen muss, insbesondere ob Herr B. Wissensvertreter war (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 166 BGB Rz. 6 und 6a; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 12 Rz. 3.15a). Selbst wenn man für die Erstkenntnis auf den 13.03.2017 abstellt, hat die Verfügungsklägerin zwar den Verfügungsantrag wirksam erst sechs Wochen und einen Tag nach Erstkenntnis gestellt; jedoch kam darin unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht zum Ausdruck, dass die Verfügungsklägerin die Verfolgung ihrer Rechte nicht als „eilig" angesehen hätte.

34

Bei der oftmals vereinfachend so genannten „Dringlichkeitsfrist" handelt es sich nicht um eine starre Ausschlussfrist, sondern mit dem Gedanken der „Selbstwiderlegung" letztlich um eine besondere Ausprägung des Gedankens von Treu und Glauben: Derjenige, der durch sein Verhalten nach außen hin zunächst den Eindruck erweckt hat, es komme ihm nicht auf eine rasche (vorläufige) Klärung des Streites an, soll eine solche dann nicht (überraschend und im Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten) durch einstweiligen Rechtsschutz erreichen können.

35

Einen solchen Eindruck hat die Verfügungsklägerin vorliegend jedoch nicht vermittelt. So hat sie - auch bei Bezug schon auf den 13.03.2017 - ihre Ansprüche außergerichtlich zeitnah mit Abmahnung (ASt 4) vom 30.03.2017 geltend gemacht. Nach dem gegnerischen Schreiben vom 07.04.2017 (Anlage ASt 5) hat der Verfügungsklägervertreter (nach den Ostertagen 14.-17.04.2017) am 20.04.2017 und damit weniger als 6 Wochen nach dem 13.03.2017 den Antragsschriftsatz bei Gericht per Fax eingereicht. Zwar lag damit und mit der nachfolgenden Einreichung des Originals am Folgetag noch keine wirksame Antragstellung vor, weil sowohl unter dem Fax wie unter dem Original jeweils die Unterschrift fehlte. Gleichwohl ist dadurch nicht der Eindruck entstanden, dass die Verfügungsklägerin selbst die Sache nicht als „eilig" angesehen habe; vielmehr kam zum Ausdruck, dass die Verfügungsklägerin einstweiligen Rechtsschutz anstrebte, denn die Antragsschrift war vollständig abgefasst worden, und die Unterschrift war ersichtlich nur versehentlich unterblieben. Auf den am Montag, den 24.04.2017 erfolgten Hinweis des Gerichts hin hat die Verfügungsklägerin dann unverzüglich reagiert und am 25.04.2017 die Antragsschrift erneut und nunmehr unterschrieben eingereicht. Unter diesen Umständen erfolgte die Einreichung noch in dringlichkeitsunschädlicher Zeit.

IV.

36

Der Verfügungsantrag ist jedoch unbegründet, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt. Der Verfügungsklägerin steht der allein streitgegenständliche Unterlassungsanspruch nach § 97 I i.V.m. § 19a UrhG oder § 15 II UrhG nicht zu.

37

Die Kammer kann dabei offenlassen ob das Verfügungsmuster nach § 2 I Nr. 5, II UrhG urheberrechtlich geschützt ist; auch ob die Verfügungsklägerin über die eidesstattliche Versicherung Anlage ASt 1 ausreichend glaubhaft gemacht hat, Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte am Verfügungsmuster auch bzgl. der öffentlichen Widergabe auch bearbeiteter Fassungen des Verfügungsmusters zu sein; ferner auch, ob es sich bei dem Foto der Handyhülle (mit deren Verwendung des Ausschnitts aus dem Verfügungsmuster unter Hinzufügung des Slogans) um eine Bearbeitung i.S.v. § 23 S. 1 UrhG handelt, deren Verwertung der Genehmigung durch den Berechtigten unterliegt und die hier - wie unstreitig - nicht lizenziert worden ist.

38

Selbst wenn man die vorstehenden Voraussetzungen (für die nach dem Sach- und Streitstand vieles spricht) zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt, fehlt es an der weiteren Voraussetzung einer in die (unterstellten) Rechte der Verfügungsklägerin eingreifenden öffentlichen Zugänglichmachung oder unbenannten öffentlichen Wiedergabe des Verfügungsmusters durch die Einblendung des Verletzungsmusters auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten.

1.

39

Gem. § 15 II 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben; nach S. 2 Nr. 2 i.V.m. § 19a UrhG gehört hierzu insbesondere auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

40

Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 II UrhG um nach Art. 3 I der Richtlinie 2001/29/EG1 harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 I RL 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 - Svensson/Retriever Sverige). Soweit Art. 3 I RL 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 II 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. II UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen (BGH, GRUR 2016, 171, 172 Tz. 17 - Die Realität II).

41

Nach Art. 3 I der RL 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor,„dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten." Das Verständnis der Norm hat der EuGH in jüngerer Zeit verschiedentlich konkretisiert, so u.a. in seinem (auch die voraufgegangene Rechtsprechung zusammenfassenden) Urteil vom 26. April 2017 - C-527/15 - Stichting Brein/Wullems (z.B. GRUR 2017, 610 ff., vorliegend zitiert nach juris Tz. 29 ff., zu vorinstallierten Verlinkungen auf einem Multimediagerät; vgl. nachfolgend auch Urteil vom 14.06.2017 - C-610/15 - Stichting Brein /Ziggo BV und XS4ALL Internet BV zu Indexierungen auf einer Filesharing-Plattform). Danach vereint der Begriff der öffentlichen Wiedergabe zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe" eines Werks und seine „öffentliche" Wiedergabe (Urteil 26.04.2017 a.a.O. Tz. 29 m.w.N.), und zusätzlich sind „eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen", die unselbständig und miteinander verflochten sind und deshalb einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden sind, da sie im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können (a.a.O. Tz. 30 m.w.N.).

2.

42

Das im vorliegenden Fall streitgegenständliche Framing des Verletzungsmusters auf der Website des Verfügungsbeklagten kommt in objektiver Hinsicht als „Handlung der Wiedergabe" in Betracht.

43

Der EuGH hat ausgeführt, dass es „für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe" erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein „neues Publikum" wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten [folgen Nachweise]" (Urteil 26.04.2017 a.a.O., Tz. 33).

44

Das streitgegenständliche Framing stellte keine Verwendung eines technischen Verfahrens dar, das sich von dem zuvor auf verwendeten unterschied (sogleich a)), jedoch richtete sich das Framing des Verletzungsmusters an ein „neues Publikum" (unten b)).

a)

45

Die Verfügungsklägerin hat zwar zu den technischen Einzelheiten der Anzeige des Verletzungsmusters auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten nicht im Einzelnen vorgetragen. Nachdem aber die Angabe des Verfügungsbeklagten, es würden auf seiner Internestseite „im Wege des Framings" Angebote der Handelsplattform eingeblendet, unbestritten geblieben ist, gehen beide Parteien ersichtlich davon aus, dass diese Abbildung ursprünglich von einem (den Parteien unbekannten) Händler bei hochgeladen worden ist und zumindest Teil einer dortigen Anzeige gewesen ist. Weiter ist unstreitig, dass das Framing unter Rückgriff auf die Bilddaten bei zu einer eigenen Einblendung auf der Website des Verfügungsbeklagten (wie aus Anlage ASt 2 ersichtlich) führte, ohne dass der Verfügungsbeklagte selbst die Bilddaten auf einen eigenen Speicherplatz hätte hochladen müssen. Damit gehen beide Parteien von einem Sachverhalt aus, der dem „Inline Linking" entspricht, wie es der EuGH in seinem Beschluss vom 21.10.2014 - C-348/13 - BestWaterInternational - beschrieben hat: Dieses ist dadurch charakterisiert, dass das Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es von der Website aus gezeigt wird, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Website entstammt (EuGH a.a.O. Tz. 17).

46

Der EuGH hat - entgegen der Rechtsansicht des Verfügungsbeklagten - ausdrücklich klargestellt, dass eine solche Framing-Technik dazu verwendet werden kann, ein Werk öffentlich zugänglich zu machen (Beschluss 21.10.2014 a.a.O. Tz. 18). Aus Tz. 15 und 18 des zitierten Beschlusses ergibt sich aber auch, dass der EuGH ein solches Framing (wie schon Hyperlinks) nicht als gegenüber dem geframten Internetauftritt „neues technisches Verfahren" ansieht, sondern allein darauf abstellt, ob durch das Framing ein neues Publikum erreicht wird.

b)

47

Vorliegend richtete sich das Framing des Verletzungsmusters auf der Internetseite des Verfügungsbeklagten an ein „neues Publikum".

48

Sein Verständnis des Merkmals „neues Publikum" im Zusammenhang mit Verlinkungen hat der EuGH im Urteil vom 26. April 2017 - C-527/15 - Stichting Brein/Wullems (zitiert nach juris) dahin zusammengefasst, dass es sich dabei um ein solches Publikum handeln muss, „an das die Urheberrechtsinhaber nicht gedacht haben, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten" (a.a.O. Tz. 47 m.w.N.). Insofern unterscheidet der EuGH jedoch zwei Fallkonstellationen:

49
- So sei das Setzen von Hyperlinks zu einem geschützten Werk, das mit der Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers schon auf einer anderen Website frei zugänglich sei, nicht als öffentliche Wiedergabe einzustufen. Denn „sofern und soweit" dieses Werk auf der verlinkten Website frei zugänglich sei, könne man davon ausgehen, „dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben, so dass die fragliche Wiedergabe nicht für ein neues Publikum erfolgt." (Tz. 48 m.w.N.)
50
- In Abgrenzung dazu hat der EuGH aber auch ausgeführt, ein solcher Schluss könne „nicht gezogen werden, wenn eine solche Erlaubnis fehlt" (Tz. 48 m.w.N.). Daraus folgt, dass der EuGH bei auf der verlinkten Seite rechtswidrig eingestelltem Werk auch die Verlinkung auf das Werk als eigene öffentliche Wiedergabe ansieht, weil auch sie ein Publikum erreicht, an welches der Urheberrechtsinhaber nicht gedacht hat, weil er schon die verlinkte Wiedergabe nicht lizenziert hatte.

51

Vorliegend hatte war die Wiedergabe des Verletzungsmusters auf nicht von einer auf diese Nutzung bezogenen Genehmigung der Verfügungsklägerin als (unterstellter) Nutzungsberechtigten gedeckt. Die Verfügungsklägerin hatte weder die Auswertung des Verfügungsmusters auf der Handyhülle (Freisteller in Kombination mit Slogan) noch die Ablichtung der Handyhülle (Verletzungsmuster) lizenziert und auch die Wiedergabe dieser Abbildung im Internet nicht genehmigt.

52

Es kann offen bleiben, ob die Verfügungsklägerin das Verfügungsmuster in seiner Originalgestalt (Foto vom Hundekopf mit grünem Hintergrund) oder in anderen Umgestaltungen selbst oder über Dritte anderweitig öffentlich frei zugänglich macht. Denn ihr etwaiges darin zum Ausdruck kommendes Einverständnis würde sich nicht auch auf die Zugänglichmachung des Verletzungsmusters in seiner veränderten Gestalt auf erstrecken.

53
- Das folgt zum einen schon daraus, dass es sich bei der Zugänglichmachung auf nicht um eine Verlinkung auf die Internetseite der Verfügungsklägerin handelte, sondern um einen eigenen Upload. Der Bundesgerichtshof hat überzeugende Gründe angeführt, warum der eigenständige Upload auf einen eigenen Speicherplatz und die von dort erfolgende öffentliche Wiedergabe als an ein neues Publikum gerichtet angesehen werden muss (EuGH-Vorlage vom 23.02.2017, I ZR 267/15 - Cordoba -, zit. nach juris-Rz. 35 ff.).
54
- Zum anderen richtete sich das Framing des Verletzungsmusters deshalb an ein neues Publikum, weil auf der Internetseite der Antragstellerin nicht das Verletzungsmuster, sondern nur das Verfügungsmuster (in Originalgestalt oder anderer Umgestaltung) zugänglich gemacht worden ist. Der BGH hat in seiner EuGH-Vorlage vom 27.07.2017 (I ZR 228/15 - Reformistischer Aufbruch -, zit. nach juris-Rz. 60 ff.) im Zusammenhang mit Art. 5 III Buchst. d Richtlinie 2001/29/EG überzeugend darauf abgestellt, dass es bei der Frage, ob der Urheber die Vorveröffentlichung des zitierten Werks genehmigt hatte, auf eine auf das Werk in der vom Urheber vorgesehenen Gestalt bezogenen Genehmigung ankommt (a.a.O. Tz. 63). Entsprechendes sollte zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im vorliegenden Zusammenhang gelten. Im Übrigen spricht auch der EuGH selbst davon, nur „sofern und soweit" die anderweitige Zugänglichmachung von der Einwilligung gedeckt sei, werde kein neues Publikum erreicht. (Vgl. ferner zum identischen Ergebnis, jedoch mit anderer Begründung unter Bezugnahme auf § 23 UrhG Beschluss der Kammer vom 18.11.2016 - 310 O 402/16 - Architekturfotos -, juris-Rz. 37-39 zur Verlinkung auf ein ungenehmigt bearbeitetes Foto).

3.

55

Jedoch fehlt es in subjektiver Hinsicht an der Wiedergabehandlung eines „Nutzers" im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 3 I RL 2001/29/EG.

a)

56

Um zu beurteilen, ob ein Nutzer eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe vornimmt, sind nach EuGH-Rechtsprechung - wie bereits ausgeführt - eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind; sie sind einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden, da sie im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können (EuGH, Urteil vom 26.04.2017 - C-527/15 - Stichting Brein/Wullems, zitiert nach juris-Rz. 30 m.w.N.). Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof die zentrale Rolle des Nutzers hervorgehoben, der nämlich eine Wiedergabe vornehme, „ wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen" (a.a.O. Tz. 32 m.w.N.). Der Gerichtshof hat ferner wiederholt hervorgehoben, dass es „nicht unerheblich ist, ob eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient" (a.a.O. Tz. 34).

57

Ergibt sich in Verlinkungsfällen wie dem vorliegenden die Wiedergabe in objektiver Hinsicht nicht aus der Verwendung eines neuen technischen Verfahrens, sondern daraus, dass die Wiedergabe an ein „neues Publikum" gerichtet ist, so muss sich in subjektiver Hinsicht beim Nutzer seine „Kenntnis der Folgen seines Verhaltens" auch auf den Umstand beziehen, dass diejenige Wiedergabe, auf die er verlinkt, ihrerseits rechtswidrig erfolgt. Der EuGH geht davon aus, dass eine öffentliche Wiedergabe daher zu bejahen „für Fälle, in denen erwiesen ist, dass eine Person, die einen direkten Zugang zu geschützten Werken anbietet, wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihr gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft" (a.a.O. Tz. 49).

58

Für die Frage, wie festgestellt werden kann, ob der Nutzer von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Quelle „wusste oder hätte wissen müssen", berücksichtigt der EuGH das Kriterium, ob die Wiedergabe Erwerbszwecken dient. Er hat diese Differenzierung vor allem in seinem Urteil vom 08.09.2016 - C-160/15 -, GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV (nachfolgend zit. nach juris) entwickelt:

59
- Wenn der Hyperlink von jemandem gesetzt werde, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge, müsse berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht wisse und vernünftigerweise nicht wissen könne, dass das Werk auf der verlinkten Seite ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht worden sei (a.a.O. Tz. 47). Er handele daher im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen (a.a.O. Tz. 48). Es könne sich auch insbesondere für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollten, als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob die Website, zu der diese Links führen sollen, Zugang zu geschützten Werken gebe, und gegebenenfalls, ob die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken deren Veröffentlichung im Internet erlaubt hätten; dies sei erst recht dann schwer zu ermitteln, wenn für diese Rechte Unterlizenzen erteilt worden seien (a.a.O. Tz. 46).
60
- Wenn Hyperlinks dagegen mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt würden, so könne von demjenigen, der sie setze, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornehme, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führten, nicht unbefugt veröffentlicht sei (a.a.O. Tz. 51). Daher sei zu vermuten, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen worden sei (a.a.O. Tz. 51). Sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet werde, stelle das Setzen des Hyperlinks zum unbefugt veröffentlichten Werk eine „öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 I der RL 2001/29/EG dar (a.a.O. Tz. 51).

b)

61

Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass der Verfügungsbeklagte wusste, dass die Wiedergabe des Verletzungsmusters auf rechtswidrig erfolgt. Eine positive Kenntnis kann auch nicht vermutet werden. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Verfügungsbeklagte eine solche Kenntnis tatsächlich nicht hatte.

62

Der EuGH geht zwar unter den genannten Voraussetzungen von einer vermuteten „Kenntnis der fehlenden Erlaubnis" aus, hält diese Vermutung aber ausdrücklich für widerleglich; es besteht also keine Fiktion der Kenntnis. Vorliegend kann offen bleiben, ob die Widerleglichkeit im Sinne einer vollständigen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu verstehen ist. Selbst wenn dieser strenge Maßstab gelten sollte, so ist die Vermutung als widerlegt anzusehen, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Linksetzer tatsächlich keine Kenntnis von der Rechtwidrigkeit der verlinkten Wiedergabe hatte; denn es kann auch nach dem Unionsrecht nicht Sinn und Zweck einer Beweislastumkehr darstellen, dem Gericht einen anderen Tatsachenstoff zur Beurteilung zu unterbreiten, als er von den Parteien übereinstimmend vorgetragen wird.

63

Der Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, dass das Verletzungsmuster (wie eine Vielzahl weiterer Bilder) im Wege des Framings auf seiner Seite eingeblendet worden sei, wobei die Einblendung vollständig automatisiert unter Zuhilfenahme eines bestimmten Algorithmus erfolgt sei. Gleichzeitig hat der Verfügungsbeklagte geltend gemacht, im Rahmen des Framings grundsätzlich keinerlei Rechterecherche durchzuführen und dies auch im vorliegenden Fall nicht getan zu haben (Schriftsatz 26.05.2017 S. 4: „ Wie hätte denn [...] recherchiert werden sollen? Der Antragsgegner durfte sich auf die Legalität der von Amazon bereit gestellten Inhalte verlassen.").

64

Die Verfügungsklägerin hat diesen Vortrag nicht bestritten. Sie hat schon in der Antragsschrift keine Kenntnis des Verfügungsbeklagten behauptet, sondern ausgeführt, dieser habe ja schon vorgerichtlich „zugestanden, dass [er] keinerlei Nachprüfung betreffend die Berechtigung zur Verlinkung von Fotografien im Internet für angemessen [halte]" (Antragsschrift S. 8). Sie hat den Vorwurf daher allein darauf gerichtet, es sei dem Verfügungsbeklagten zuzumuten gewesen, sich bzgl. der Rechtmäßigkeit zu vergewissern (Antragsschrift S. 7; Schriftsatz 30.05.2017 S. 2). Soweit die Verfügungsklägerin den Vorwurf erhoben hat, der Verfügungsbeklagte habe „billigend in Kauf genommen, dass einige dieser Angebote die [U]rheberrechte Dritter verletzen" (Schriftsatz 30.05.2017 S. 2), so ist auch dies nur der Vorwurf einer verschuldeten Unkenntnis, aber nicht die Behauptung einer Kenntnis.

c)

65

Dem Verfügungsbeklagten kann aber auch nicht vorgeworfen werden, dass er von der Rechtswidrigkeit der Widergabe des Verletzungsmusters auf „hätte wissen müssen".

(1)

66

Nach der Formulierung im EuGH-Urteil vom 26. April 2017 - C-527/15 - Stichting Brein/Wullems (zitiert nach juris) kann die öffentliche Wiedergabe angenommen werden in Fällen, in denen „erwiesen ist, dass eine Person [...] wusste oder hätte wissen müssen", dass ihr Link auf eine rechtswidrige Wiedergabe verweist. Die erkennende Kammer versteht dies dahin, dass auch solche Linksetzungen als Wiedergabehandlungen erfasst werden sollen, in denen der Linksetzende trotz seiner tatsächlichen Unkenntnis nicht als schutzwürdig erscheint, weil die Gründe seiner Unkenntnis in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen und von ihm zu vertreten sind, so dass es im Verhältnis zum Verletzen als unbillig erschiene, wenn sich der Linksetzer auf seine Unkenntnis berufen dürfte.

67

Welches die Gründe sind, unter denen ein solcher Vorwurf des „hätte wissen müssen" erhoben werden kann, hat der EuGH bisher nicht abschließend ausgeführt. Jedoch lässt seine Begründung zur Grundlage der Kenntnisvermutung in der GS Media-Entscheidung (Urteil vom 08.09.2016 - C-160/15) ersehen, dass danach zu fragen ist, ob vom Linksetzenden erwartet werden kann, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt (vgl. a.a.O. Rz. 51). Auch für die Frage, wann eine solche Erwartung als berechtigt erscheint, kann es dann aber „nicht unerheblich" sein, ob die Linksetzung „Erwerbszwecken dient" (vgl. a.a.O. Rz. 38). Daher ist auch hier zu berücksichtigen, dass derjenige Linksetzer, der keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, regelmäßig „vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde" (vgl. a.a.O. Rz. 47).

68

Für den Linksetzer mit Gewinnerzielungsabsicht scheint der EuGH in der GS-Media-Entscheidung zwar in Tz. 51 davon auszugehen, dass von ihm stets erwartet werden könne, die erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen. Indessen wäre dies ein Widerspruch zu den Ausführungen des EuGH in Tz. 34 seiner Entscheidung, wonach die „weiteren Kriterien" (zu denen auch die Erwerbszwecke gehören) nur „zu berücksichtigen" sind und dabei zu beachten ist, dass sie „im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können". Da im Rahmen verschiedener Geschäftsmodelle ganz unterschiedliche tatsächliche, wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen und Möglichkeiten für Rechterecherchen bestehen mögen, wäre es auch nicht mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 20 der Grundrechtecharta vereinbar, für alle gewerblichen Linksetzungen allein aufgrund des quasi „kleinsten gemeinsamen Nenners" der Gewinnerzielungsabsicht einen durchgehend einheitlichen Prüfungspflichten- und Sorgfaltsmaßstab anzunehmen. Daher muss es dem mit Gewinnerzielungsabsicht handelnden Linksetzenden möglich sein, sich darauf berufen zu können, dass die Linksetzung im Rahmen eines solchen Geschäftsmodells erfolgte, in welchem ihm Nachforschungen, die zur Kenntnis von der Unrechtsmäßigkeit der verlinkten Inhalte geführt hätten, nicht zumutbar waren; sofern sich aus dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 18.11.2016 - 310 O 402/16 - Architekturfotos -, insbesondere juris-Rz. 49 ein strengerer Haftungsmaßstab ergeben sollte, hält die Kammer an dieser Auffassung nicht mehr fest. Ob in diesem Zusammenhang von einer Beweislastumkehr oder nur von einer sekundären Behauptungslast des Linksetzenden auszugehen ist, kann die Kammer im vorliegenden Fall offen lassen.

(2)

69

Im vorliegenden Fall ist auf Grundlage des Sach- und Streitstands bei Schluss der mündlichen davon auszugehen, dass dem Verfügungsbeklagten eine Recherche zur Rechtsmäßigkeit der Wiedergabe des Verletzungsmusters auf nicht zumutbar war.

70

Das gilt schon in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Recherchen zur Ermittlung der Rechte der Verfügungsklägerin für den Verfügungsbeklagten mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wären und möglicherweise nicht einmal zu einer wirklichen Klärung der Lizenzierungsfrage geführt hätten. Gegenüber dem Betreiber der Seite hätte der Verfügungsbeklagte rechtlich zwar möglicherweise zumindest aus § 242 BGB ableitbare Auskunftsansprüche bzgl. der Rechtsmäßigkeit der dortigen Uploads gehabt; jedoch hätten Nachfragen bei Amazon für sich genommen keine abschließende Kenntnis erbringen können, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass von dort aus tatsächlich Recherchen zur Rechtesituation durchgeführt worden sind. Die bloße Mitteilung, die Uploader hätten die Rechtmäßigkeit vertraglich zugesichert, hätte für den Verfügungsbeklagten keine ausreichend sichere Kenntnis erbracht, da Amazon die Richtigkeit dieser Zusicherung nicht geprüft hatte. Erforderlich wäre daher zumindest die Ermittlung des Uploaders gewesen, also des Händlers, der das Bild im Rahmen eines Angebots bei eingestellt hatte. Möglicherweise hätte dieser an den Produzenten der Handyhülle oder an weitere Zwischenhändler verwiesen. Dem Verfügungsbeklagten hätten jedoch gegenüber Produzenten und Händlern keine eigenen Rechtsansprüche auf Aufklärung über die Rechtslage am Bild zustanden.

71

Vor allem aber bei wirtschaftlicher Betrachtung waren dem Verfügungsbeklagten flächendeckende Vorabrecherchen zur Rechtmäßigkeit von Wiedergaben auf nicht zumutbar. Auch bei der nach § 296a ZPO gebotenen Zurückweisung des Vortrags im Schriftsatz vom 06.06.2017 zur konkreten Anzahl der Framings und den monatlichen Einnahmen ergibt sich doch bereits aus dem unstreitigen Sachstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung, nämlich aus den Screenshots in Anlage ASt 2, dass der Webauftritt des Verfügungsbeklagten darauf angelegt ist, durch das unstreitig automatisierte Framing Zugang zu einer Vielzahl von Anzeigen aus unterschiedlichen Produktbereichen zu ermöglichen. Selbst wenn man von dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unstreitigen Vortrag des Beklagten ausgeht, er erhalte eine Vergütung bereits pro Klick auf einen Link, so kann es sich nach dem Geschäftsmodell nur um minimalste Vergütungen pro Klick handeln (da die bloße Weiterleitung per Inline Link ja noch keine Einnahmen aus einem Verkauf auf garantiert), so dass flächendeckende Rechterecherchen wegen der damit verbunden Kosten das Geschäftsmodell ersichtlich hätten unrentabel werden lassen.

72

Es bestehen auch keine sonstigen im Geschäftsmodell des Verfügungsbeklagten angelegten Umstände, die generelle oder individuelle Recherchen zur Rechtmäßigkeit der verlinkten Inhalte als ihm zumutbar erscheinen ließen.

73
- Es besteht keine besondere Gefahrgeneigtheit: Das Geschäftsmodell ist als solches rechtmäßig, so dass der Verfügungsbeklagte hierfür den Schutz seiner unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der EU-Grundrechtecharta genießt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die spezielle Ausprägung des Geschäftsmodells - hier in Gestalt des eingesetzten Suchalgorithmus - zu einer vermehrten Verlinkung auf rechtswidrige Inhalte führt.
74
- Auch setzt der Beklagte keinen besonderen Vertrauenstatbestand, nach welchem Besucher seiner Seite etwa erwarten könnten, er habe Recherchen zur Rechtmäßigkeit der verlinkten Wiedergaben vorgenommen.
75
- Schließlich erweckt der Verfügungsbeklagte bei den Besuchern nicht den Eindruck, er wolle für die Rechtmäßigkeit der verlinkten Wiedergaben einstehen oder sich die verlinkten Inhalte „zu eigen machen"; die Kammer kann offen lassen, inwiefern ein Zueigenmachen im Unionsrecht überhaupt beachtlich wäre, denn jedenfalls liegt ein solches Zueigenmachen hier in tatsächlicher Hinsicht nicht vor: Ausweislich Anlage ASt 2 erfolgte die Wiedergabe des Verletzungsmusters im Rahmen eines deutlich als „Anzeige" gekennzeichneten Frames mit einem ebenfalls auffälligen Weiterleitungsbutton „Jetzt kaufen bei" mit dem Logo und Schriftzug „a amazon.de".

76

Auch das hier gewählte Ziel der Verlinkung, die Seite , gab keinen Anlass, eine nach dem Geschäftsmodell an sich wirtschaftlich nicht vertretbare Recherche im Einzelfall doch durchführen zu müssen.

77
- Die Kammer kann offen lassen, ob sich aus den beiderseits eingereichten Vertragsbedingungen eine Grundlage dafür entnehmen lässt, dass der Verfügungsbeklagte auf die Rechtmäßigkeit der Wiedergaben auf vertrauen durfte; denn ein solches „vertrauen können dürfen" konnte vom Verfügungsbeklagten nicht erwartet werden, wenn ihm Recherchen im Rahmen seines Geschäftsmodells - wie ausgeführt - nicht zumutbar waren.
78
- Ob Recherchen doch wieder zumutbar werden können, wenn der Linksetzer mit vermehrten Urheberrechtsverletzungen auf der verlinkten Seite rechnen muss, also quasi von einer „gefahrgeneigten" Verlinkung auszugehen wäre, kann vorliegend offen bleiben; denn die Klägerin hat nicht behauptet, dass es auf vermehrt zu Urheberrechtverletzungen komme, sondern (unter Bezug auf einzelne Rechtsprechungsfälle) nur, dass sich solche Verletzungen nicht gänzlich ausschließen ließen, was allein jedoch nicht genügt, eine ansonsten nicht zumutbare Recherchepflicht auszulösen.
79
- Die Kammer kann ferner offen lassen, ob dem Linksetzer Recherchepflichten dann zugemutet werden müssen, wenn er auf eine Webseite verlinkt, deren Betreiber (für den Linksetzer erkennbar) vom Verletzten nicht oder nur unter Schwierigkeiten unmittelbar in Anspruch genommen werden kann. Vorliegend hat die Verfügungsklägerin keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe benannt, warum ihr eine unmittelbare Inanspruchnahme des Betreibers der Seite nicht möglich oder zumutbar sein sollte.

80

Auch der im vorliegenden Fall konkret verlinkte Inhalt gab keine Veranlassung, vom Verfügungsbeklagten eine ausnahmsweise Rechterecherche zu erwarten.

81
- Da sämtliche Framings unstreitig vollautomatisiert erfolgten, bestand für den Verfügungsbeklagten keine Möglichkeit der vorherigen Kenntnisnahme vom Verletzungsmuster.
82
- Zudem hätten sich aus der bloßen Kenntnisnahme der Abbildung der Handyhülle keine Anhaltspunkte entnehmen lassen, die eine Rechterecherche als besonders geboten hätten erscheinen lassen; denn dem Verletzungsmusters als solchem war nicht anzusehen, ob das auf der Handyhülle abgebildete Foto lizenziert war oder nicht.
83
- Insofern standen auch keine automatisierten Prüfungsmechanismen (Hash- oder Stichwortfilter) zur Verfügung, um einzelne rechtswidrige Inhalte vorab ausfiltern und einer Einzelprüfung unterziehen zu können.

84

Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände kommt die Kammer daher zu der Beurteilung, dass der Verfügungsbeklagten nicht „hätte wissen müssen", dass die Wiedergabe des Verletzungsmusters auf nicht von einer Genehmigung der Verfügungsklägerin als der - unterstellten - Rechteinhaberin gedeckt war.

V.

85

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 I ZPO.

86

Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 i.V.m. § 711 ZPO

87

Die Kammer beschließt ferner:

88

Der Streitwert wird auf € 6.000,- festgesetzt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17

Referenzen - Gesetze

Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17 zitiert 13 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 296a Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung


Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung


Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 15 Allgemeines


(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere 1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16),2. das Verbreitungsrecht (§ 17),3. das Ausstellungsrecht (§ 18). (2) Der Urheber hat fe

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 19a Recht der öffentlichen Zugänglichmachung


Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 39 Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung


Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 23 Bearbeitungen und Umgestaltungen


(1) Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes, insbesondere auch einer Melodie, dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Landgericht Hamburg Urteil, 13. Juni 2017 - 310 O 117/17 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 27. Juli 2017 - I ZR 228/15

bei uns veröffentlicht am 27.07.2017

Tenor I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 5

Bundesgerichtshof EuGH-Vorlage, 23. Feb. 2017 - I ZR 267/15

bei uns veröffentlicht am 23.02.2017

Tenor I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Ab

Landgericht Hamburg Beschluss, 18. Nov. 2016 - 310 O 402/16

bei uns veröffentlicht am 18.11.2016

Tenor 1. Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass

Referenzen

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten,

von seiner unter der URL

abrufbaren Webseite auf die URL

- URL-Webseite entfernt -

zu verlinken,

wenn dort die nachfolgend wiedergegebene Fotografie tatsächlich ohne Einwilligung des Antragstellers öffentlich zugänglich gemacht ist:

Abbildung

soweit nicht der Antragsgegner aufgrund von im Streitfall von ihm darzulegenden und zu beweisenden Umständen berechtigte Veranlassung zur Annahme hat, eine entsprechende Einwilligung sei vom Antragsteller erteilt worden.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf € 6.000,- festgesetzt.

Gründe

1

Die vorliegende Entscheidung ist auf Antrag des Antragstellers im Wege der einstweiligen Verfügung gem. §§ 935 ff., 922 ZPO ergangen. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.

´

2

Der Verfügungsantrag ist zulässig und begründet.

1.

3

Das Landgericht Hamburg ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Gegenstand ist die Zugänglichmachung eines Bildes durch Verlinkung im Internet. Für den Erfolgsort ist auf die Abrufbarkeit vorliegend der Verlinkung abzustellen. Der Link war bundesweit abrufbar.

2.

4

Der Antragsteller hat die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus § 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19a und § 23 S. 1 UrhG dargelegt und glaubhaft gemacht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Einlassungen des Antragsgegners vom 07.10.2016 (Anlage ASt 9 zur Antragsschrift).

a)

5

Verfügungsmuster ist folgendes vom Antragsteller auf der Plattform W. C. veröffentlichtes Foto:

Abbildung

6

Dieses Foto ist urheberrechtlich geschützt als Lichtbildwerk, § 2 I Nr. 5, II UrhG.

b)

7

Der Antragsteller ist Urheber. Das ist glaubhaft gemacht durch Vorlage eines Screenshots von W., in welchem der Antragsteller als Urheber bezeichnet ist (vgl. Anlage ASt 4). Zusätzlich hat der Antragsteller seine Urheberschaft an Eides statt versichert (Anlage ASt 9).

8

Der Antragsteller ist auch aktivlegitimiert. Als Urheber steht ihm das ausschließliche Verwertungsrecht des § 19a UrhG an dem Foto zu; das Recht umfasst auch die Nutzung in umgestalteter Form, § 23 S. 1 UrhG. Soweit der Antragsteller selbst einräumt, durch die Veröffentlichung auf W. Lizenzierungen unter der sog. creative commons-Lizenz, wie aus Anlage ASt 10 ersichtlich, anzubieten, so handelt es sich lediglich um die Einräumung einfacher Nutzungsrechte (vgl. Ziffer 3 der Lizenzbedingungen).

c)

9

In das Verwertungsrecht des Antragstellers nach § 19a UrhG, hier in Verbindung mit § 23 S. 1 UrhG, hat der Antragsgegner durch die streitgegenständliche Verlinkung eingegriffen worden.

10

Nach § 19a UrhG umfasst das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der Infosoc-Richtlinie1; diese Vorschrift bestimmt: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“ Zur insofern beachtlichen Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Infosoc-Richtlinie hat der EuGH (NJW 2016, 3149 ff.) ausgeführt, dass das Setzen eines Hyperlinks unter bestimmten Umständen den Tatbestand einer öffentlichen Wiedergabe eines Werkes, auf das verlinkt wird, erfüllt. Die dafür generell maßgeblichen Kriterien hat der EuGH wie folgt zusammengefasst:

11

[Tz. 32] So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ zwei kumulative Tatbestandsmerkmale vereint, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und seine „öffentliche“ Wiedergabe (Urteile vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 16, vom 19. November 2015, SBS Belgium, C-325/14, EU:C:2015:764, Rn. 15, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C-117/15, EU:C:2016:379, Rn. 37).

12

[Tz. 33] Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ eine individuelle Beurteilung erfordert (vgl. Urteil vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, in Bezug auf den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums [ABl. 2006, L 376, S. 28], dem in dieser Richtlinie dieselbe Bedeutung zukommt wie in der Richtlinie 2001/29 [vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2016, Reha Training, C-117/15, EU:C:2016:379, Rn. 33]).

13

[Tz. 34] Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (Urteile vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 79, vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 30, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C-117/15, EU:C:2016:379, Rn. 35).

14

[Tz. 35] Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof als Erstes die zentrale Rolle des Nutzers und der Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben. Dieser Nutzer nimmt nämlich eine Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn ohne dieses Tätigwerden die Kunden das ausgestrahlte Werk grundsätzlich nicht empfangen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 31).

15

[Tz. 36] Als Zweites hat er festgestellt, dass „Öffentlichkeit“ begrifflich eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungsempfänger bedeutet und ferner aus recht vielen Personen bestehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 33).

16

[Tz. 37] Darüber hinaus ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder, ansonsten, für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 24, und Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International, C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

[Tz. 38] Als Drittes hat der Gerichtshof entschieden, dass es nicht unerheblich ist, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631, Rn. 204, vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 88, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 36).

18

[Tz. 39] Anhand insbesondere dieser Kriterien ist zu prüfen, ob in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt.

19

Der EuGH hat sodann in Abgrenzung zu seiner voraufgegangenen Rechtsprechung hervorgehoben, dass eine Verlinkung eine rechtswidrige öffentliche Wiedergabe eines Werkes sein kann, wenn diejenige anderweitige öffentliche Zugänglichmachung des Werkes, auf die verlinkt wird, ihrerseits nicht von einer Genehmigung des Rechteinhabers getragen ist:

20

[Tz. 40] Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C-466/12, EU:C:2014:76), Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin ausgelegt hat, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Die gleiche Auslegung wurde auch im Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International (C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), für ein solches Verlinken unter Verwendung der Framing-Technik vorgenommen.

21

[Tz. 41] Aus der Begründung dieser Entscheidungen geht jedoch hervor, dass sich der Gerichtshof darin nur zum Setzen eines Hyperlinks zu Werken äußern wollte, die auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich gemacht worden waren. Denn in diesen Entscheidungen verneinte der Gerichtshof das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe deshalb, weil die fragliche Wiedergabe nicht für ein neues Publikum erfolgt war.

22

[Tz. 42] In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein solcher Hyperlink, da er und die Website, auf die er verweist, nach demselben technischen Verfahren, nämlich im Internet, Zugang zu dem geschützten Werk verschaffen, an ein neues Publikum gerichtet sein muss. Ist dies nicht der Fall, insbesondere weil das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, kann die betreffende Handlung nicht als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Website, auf die durch den Hyperlink zugegriffen werden kann, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 24 bis 28, sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International, C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315, Rn. 15, 16 und 18).

23

[Tz. 43] Daher kann weder aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C-466/12, EU:C:2014:76), noch aus dem Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International (C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), abgeleitet werden, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich gemacht wurden, aber ohne dass hierfür die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorlag, grundsätzlich nicht unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fällt. Diese Entscheidungen bestätigen vielmehr die Bedeutung einer solchen Erlaubnis in Anbetracht dieser Bestimmung, die gerade vorsieht, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks von dem Urheberrechtsinhaber erlaubt werden muss.

24

Zur Frage, ob eine rechtswidrige öffentliche Wiedergabe voraussetzt, dass derjenige, der den Hyperlink setzt, Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung haben muss, führt der EuGH aus:

25

[Tz. 47] Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.

26

[Tz. 48] Wenn auch in einem solchen Fall der Betreffende das Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 18 bis 23), handelt er doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Überdies konnte, wenn das fragliche Werk bereits ohne Zugangsbeschränkung im Internet auf der Website verfügbar war, zu der der Hyperlink Zugang gibt, grundsätzlich das gesamte Internetpublikum darauf bereits auch ohne diese Handlung zugreifen.

27

[Tz. 49] Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft - weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde -, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.

28

[Tz. 50] Ebenso verhält es sich, wenn es der Link den Nutzern der ihn offerierenden Website ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der das geschützte Werk enthaltenden Website getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken, da es sich bei der Platzierung eines solchen Links dann um einen bewussten Eingriff handelt, ohne den die Nutzer auf die verbreiteten Werke nicht zugreifen könnten (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 27 und 31).

29

[Tz. 51] Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.

30

[Tz. 52] Jedoch wird mangels eines neuen Publikums keine „öffentliche“ Wiedergabe im Sinne dieser Vorschrift in dem oben in den Rn. 40 bis 42 erörterten Fall vorliegen, in dem die Werke, zu denen die Hyperlinks Zugang geben, auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich sind.

31

[Tz. 53] Eine solche Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 stellt das mit der Richtlinie bezweckte erhöhte Schutzniveau der Urheber sicher. Nach dieser Auslegung und in den durch Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie festgelegten Grenzen können Urheberrechtsinhaber nämlich nicht nur gegen die ursprüngliche Veröffentlichung ihres Werks auf einer Website vorgehen, sondern auch gegen jede Person, die zu Erwerbszwecken einen Hyperlink zu einem unbefugt auf dieser Website veröffentlichten Werk setzt, sowie ebenso gegen Personen, die unter den in den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils dargelegten Voraussetzungen solche Links ohne Erwerbszwecke gesetzt haben. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass diese Rechtsinhaber unter allen Umständen die Möglichkeit haben, solche Personen über die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung ihrer Werke im Internet zu informieren und gegen diese vorzugehen, falls sie sich weigern, diesen Link zu entfernen, ohne dass sie sich auf eine der Ausnahmen dieses Art. 5 Abs. 3 berufen könnten.

32

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend von einer das Recht aus § 19a UrhG verletzenden Linksetzung seitens des Antragsgegners auszugehen:

(1)

33

Die Verletzungshandlung des Antragsgegners besteht in der Linksetzung auf der von ihm betriebenen (vgl. Impressum ASt 2) Internetseite . Auf der dortigen Unterseite fand sich der Satz:

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

34

Das Wort „UFO-Akten“ war mit einem Link mit dem aus Anlage ASt 7 zur Antragsschrift ersichtlichen und dadurch glaubhaft gemachten Quelltext unterlegt, der zu der URL

35

- URL-Weseite entfernt -

36

führte, unter der folgende Internetseite aufrufbar war:

Abbildung

(2)

37

Die auf diese Weise verlinkte, vorstehend wiedergegebene Internetseite enthält die öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) einer Umgestaltung des Verfügungsmusters i.S.v. § 23 S. 1 UrhG.

38

Nach § 23 S. 1 UrhG dürfen Umgestaltungen eines Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers des umgestalteten Werkes verwertet werden. Zu den Verwertungen in diesem Sinne zählt auch die Verwertung in Form der öffentlichen Zugänglichmachung. Einwilligungspflichtig in diesem Sinne sind solche Bearbeitungen oder Umgestaltungen, die sich nicht als freie Benutzungen i.S.v. § 24 I UrhG darstellen. Eine freie Benutzung liegt nur dann vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werks verblassen.

39

Dass es sich bei der oben wiedergegebene Abbildung um eine Umgestaltung der zugrunde liegenden Gebäudefotografie des Antragstellers handelt, ist aus einem optischen Vergleich mit dem Verfügungsmuster leicht ersichtlich. Eine Veränderung ist in der Form vorgenommen, als in den Himmel verschiedene UFO-artige Flugobjekte eingefügt worden sind. Diese Umgestaltung war keine freie Benutzung, denn die das Verfügungsmuster prägenden Züge verblassen in ihr nicht. Das Verfügungsmuster zeichnet sich durch eine individuell-schöpferische Darstellung des abgebildeten Gebäudes aus. Die in der professionell-dokumentarischen Architekturfotografie vielfach bewusst vermiedenen stürzenden Linien betonen im Verfügungsmuster den von unten nach oben gerichteten Blickwinkel und damit die Höhe und Größe des abgebildeten Gebäudes; sie verstärken optisch den schon in der Architektur selbst angelegten Eindruck einer Erhabenheit wie auch des Rückbezugs der Säulenarchitektur auf antike Vorbilder. Diese Gestaltungselemente treten in der Umgestaltung keineswegs in den Hintergrund, sondern werden bewusst ausgenutzt, indem die UFOs perspektivisch passend in Untersicht dargestellt werden und in ihrer geometrisch-futuristischen Schlichtheit in starken Kontrast zu der verzierten Säulenarchitektur treten. Damit war die Zugänglichmachung der Umgestaltung als Verwertung i.S.v. § 23 S. 1 UrhG von der Zustimmung des Antragstellers abhängig.

(3)

40

Die Verlinkung des Antragsgegners auf die Zugänglichmachung der Umgestaltung war ihrerseits eine eigene öffentliche Wiedergabe dieser Umgestaltung im Sinne der zitierten EuGH-Rechtsprechung.

(a)

41

Die vom EuGH aufgestellten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe durch Verlinkung sind erfüllt.

42

Der EugH stellt a.a.O. in Tz. 37 für die neue öffentliche Wiedergabe darauf ob, ob der Zugriff für ein neues Publikum eröffnet wird, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Zwar führt der EuGH a.a.O. in Tz. 52 aus, es liege kein Fall einer öffentlichen Wiedergabe in den in Tz. 40-42 erörterten Fällen vor, in denen die Werke, zu denen die Hyperlinks Zugang geben, auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich seien. Durch das Kriterium, „die Werke“ müssten anderweitig bereits zugänglich sein, wird jedoch deutlich, dass es auf die konkrete Werkfassung ankommt.

43

Entscheidend ist also vorliegend, ob der Antragsteller seine Zustimmung zu einer frei zugänglichen anderweitigen Zugänglichmachung gerade auch der Umgestaltung („UFO-Fassung“) seines Lichtbildwerks gegeben hatte. Das war aber nicht der Fall, denn die einzige anderweitige bisher ersichtliche Zugänglichmachung ist diejenige, auf die der Antragsgegner verlinkt hatte. Diese Zugänglichmachung ist nicht mit Zustimmung des Antragstellers erfolgt.

44

Das gilt selbst dann, wenn man zugunsten des Antragsgegners unterstellt, dass der Betreiber der genannten Seite das der Umgestaltung zugrunde liegende Verfügungsmuster über die Internetseite W. C. unter Berufung auf die dortige creative commons-Lizenz erworben haben sollten. Die dortigen Lizenzbedingungen sind nicht eingehalten. Zwar gestatten die Creative Commons-Lizenzbedingungen gem. ASt 10 in Ziffer 3.b) auch die Anfertigung von Abwandlungen und gem. Ziffer 3.d) auch das öffentliche Zeigen solcher Abwandlungen; jedoch verlangt Ziffer 3.b) i.V.m. Ziffer 4.b)i., dass deutlich erkennbar gemacht worden sein muss, dass es sich um Abwandlungen handelt, und dies ist vorliegend nicht der Fall (zwar mag der Betrachter davon ausgehen, dass es sich nicht um tatsächliche „UFOs“, sondern um eine Bildmontage handelt; er kann daraus allein aber nicht erkennen, dass die Monate nicht vom originären Bildrechtsinhaber stammt, sondern später von anderer Seite hinzugefügt worden ist). Ferner ist die Lizenzbedingung nach Ziffer 4.c)i. und iv. nicht eingehalten, dass auf den Urheber und die Abwandlung in geeigneter Form hingewiesen werden muss. Rechtfolge des Verstoßes ist das Erlöschen der Lizenz, Ziffer 7.a).

(b)

45

Auch die vom EuGH zusätzlich aufgestellten subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe durch Verlinkung sind vorliegend erfüllt.

46

Die vom EuGH a.a.O. in den Rz. 45-53 angestellten Erwägungen dienen ersichtlich der Beschränkung des Tatbestandes einer öffentlichen Zugänglichmachung durch Linksetzung (da die Zugänglichmachung auch schon durch den Dritten und damit unabhängig von der Verlinkung verfügbar ist, vgl. a.a.O. Tz. 48 am Ende). Der EuGH nimmt daher grundsätzlich nur dann als eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe an, wenn die Linksetzung schuldhaft in dem Sinne erfolgt, dass der Linksetzer um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung „wusste oder hätte wissen müssen“ (a.a.O. Tz. 49), wobei letzteres ersichtlich auch Fälle der Fahrlässigkeit erfassen soll. Damit macht der EuGH im Falle der Linksetzung den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe von einem Verschulden des Linksetzers abhängig. Tz. 51 macht sodann deutlich, dass für denjenigen, der mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, ein strengerer Verschuldensmaßstab gilt: Ihm wird zugemutet, sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, wobei die widerlegliche Vermutung einer Kenntnis der fehlenden Erlaubnis bestehe.

47

Vorliegend ist die Linksetzung durch den Antragsgegner als mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt zu bewerten. Zwar definiert der EuGH a.a.O. Tz. 51 nicht, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen, so dass sich die Frage stellen kann, ob gerade die Linksetzung als solche, der Betrieb der konkreten Unterseite mit dem Link oder der Betrieb des Internetauftritts insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Die Kammer versteht die EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht in einem engen Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabzielungsabsicht ja lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind. Diese Zumutbarkeit hängt aber nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient. Letzteres kann vorliegend bejaht werden, denn der Antragsgegner bietet im Rahmen seines Internetauftritts im Eigenverlag vertriebenes Lehrmaterial entgeltlich an.

48

Dass der Antragsgegner vorliegend nicht wusste, dass die verlinkte Zugänglichmachung rechtswidrig erfolgte, beruht auf seinem Verschulden; ihm ist diesbezüglich bedingter Vorsatz vorzuwerfen. Die ihm zumutbaren Nachforschung zur Frage der Rechtmäßigkeit der Zugänglichmachung hat der Antragsgegner in vorwerfbarer Weise unterlassen. Der Antragsgegner hat selbst in seinem Schreiben vom 07.10.2016 (Anlage ASt 9) erklärt: „Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.“ Der Antragsgegner führt weiter aus, dass er vom zitierten EuGH-Urteil Kenntnis gehabt habe, aber auch dieses nicht zum Anlass für Nachforschungen genommen habe, weil er es für grundgesetzwidrig und für mit der EU-Grundrechtecharta unvereinbar halte. Diese Ausführung belegen zur Überzeugung der Kammer, dass der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung der Umgestaltung zumindest billigend in Kauf genommen hat.

49

Die vom Antragsgegner geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit der EuGH-Rechtsprechung mit nationalen und EU-weiten Grundrechten teilt die Kammer nicht, denn in der ausführlichen Begründung des EuGH wird deutlich, dass die von ihm aufgestellten Kriterien gerade einem die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden individuellen Ausgleich zwischen den Eigentumsinteressen des Urhebers einerseits und den Kommunikationsinteressen des Linksetzenden andererseits dienen sollen.

50

Dem Umstand aber, dass der EuGH die Verletzungshandlung vom subjektiven Tatbestandselement einer Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit abhängig macht (wobei im Falle des Antragsgegners aber die von ihm zu widerlegende Vermutung einer entsprechenden Kenntnis eingreift), trägt die Kammer insofern Rechnung, als sie in den Tenor der Unterlassungsverfügung den Zusatz aufgenommen hat: „soweit nicht der Antragsgegner aufgrund von im Streitfall von ihm darzulegenden und zu beweisenden Umständen berechtigte Veranlassung zur Annahme hat, eine entsprechende Einwilligung sei vom Antragsteller erteilt worden.“

d)

51

Die vom Antragsgegner vorgenommene Verlinkung war rechtswidrig.

52

Dem Antragsgegner war insofern kein Nutzungsrechtsrecht vom Antragsteller eingeräumt worden. Auf die creative commons-Lizenz gem. ASt 10 kann sich der Antragsgegner nicht berufen, weil bereits die verlinkte Zugänglichmachung der Umgestaltung diese Lizenzbedingungen nicht einhält und der Antragsgegner im Zusammenhang mit seiner Linksetzung die fehlenden Informationen nicht nachholt (ob eine Nachholung zur Rechtmäßigkeit zumindest der Linksetzung geführt hätte, lässt die Kammer offen, erscheint aber als zweifelhaft).

e)

53

Die widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung, dass es zu einer wiederholten Verletzung kommen kann. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre grundsätzlich - neben dem erfolgten Löschen des Links aus dem Internet - die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen. Der Antragsgegner hat auf die vorgerichtliche Abmahnung hin keine solche Unterlassungserklärung abgegeben.

3.

54

Die für das einstweilige Verfügungsverfahren erforderliche besondere Eilbedürftigkeit ist gegeben.

55

Insbesondere hat der Antragsteller die Sache seit Kenntniserlangung auch selbst zügig betrieben. Der Antragsteller hat vorgetragen und glaubhaft gemacht (ASt 9), von der streitgegenständlichen Verlinkung erstmals am 27.09.2016 Kenntnis erlangt zu haben. Nach Abmahnung vom 06.10.2016 (ASt 8) und Weigerung des Antragsgegners, eine UVE abzugeben, am 07.10.2016 (ASt 9) hat der Antragsteller bereits unter dem 19.10.2016 Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt und auf die Auflage einer ergänzenden Glaubhaftmachung am 08. bzw. 11.11.2016 fristgemäß reagiert.

4.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

57

Der Gegenstandswert ist nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO geschätzt worden. Bei dieser Schätzung ist das Gericht von der Einschätzung des Antragstellers betreffend sein Unterlassungsinteresse ausgegangen. Zwar handelt es sich bei der angegriffenen Verletzungshandlung nur um eine Verlinkung; gleichwohl ist diese - wie ausgeführt - rechtlich als eigene Zugänglichmachung zu bewerten. Hinzu kommt vorliegend, dass das Verfügungsmuster in nach § 23 UrhG unfreier Form verwendet worden ist, was den Angriffsfaktor erhöht. Daher erscheint ein Streitwert von EUR 6.000,00 (noch) als angemessen.

Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

(1) Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes, insbesondere auch einer Melodie, dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung im Sinne des Satzes 1 vor.

(2) Handelt es sich um

1.
die Verfilmung eines Werkes,
2.
die Ausführung von Plänen und Entwürfen eines Werkes der bildenden Künste,
3.
den Nachbau eines Werkes der Baukunst oder
4.
die Bearbeitung oder Umgestaltung eines Datenbankwerkes,
so bedarf bereits das Herstellen der Bearbeitung oder Umgestaltung der Zustimmung des Urhebers.

(3) Auf ausschließlich technisch bedingte Änderungen eines Werkes bei Nutzungen nach § 44b Absatz 2, § 60d Absatz 1, § 60e Absatz 1 sowie § 60f Absatz 2 sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Einfügung eines auf einer fremden Internetseite mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene öffentlich zugängliche Internetseite ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, wenn das Werk zunächst auf einen Server kopiert und von dort auf die eigene Internetseite hochgeladen wird?

Gründe

1

A. Der Kläger ist Berufsfotograf. Die am Rechtsstreit nicht mehr beteiligte Beklagte zu 1, die Stadt W.   , ist die Trägerin der Gesamtschule W.   . Der Beklagte zu 2 (nachfolgend: Beklagter), das Land N.         , übt die Schulaufsicht über die Gesamtschule W.   aus und ist Dienstherr oder Arbeitgeber der dort beschäftigten Lehrkräfte.

2

Seit dem 25. März 2009 war auf der Internetseite der Gesamtschule W.   ein im Rahmen einer Spanisch-Arbeitsgemeinschaft der Schule erstelltes Schülerreferat abrufbar, das die nachstehend abgebildete Fotografie der spanischen Stadt Cordoba enthielt:

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

3

Unter der Fotografie befand sich ein Hinweis auf die Internetseite „www.        .de“.

4

Der Kläger hat geltend gemacht, die Fotografie selbst angefertigt und lediglich den Betreibern des Online-Reisemagazin-Portals „        .de“ ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt zu haben. Er beanstandet die Einstellung der Fotografie auf der Internetseite der Schule als Verletzung des ihm zustehenden urheberrechtlichen Vervielfältigungsrechts und des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung.

5

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - zuletzt beantragt, dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, das [oben eingeblendete] Foto zu vervielfältigen/vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen/machen zu lassen, hilfsweise, Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, das [oben eingeblendete] Foto zum Zwecke des Einstellens ins Internet zu vervielfältigen. Der Kläger hat den Beklagten außerdem auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 400 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

6

Das Landgericht hat den Beklagten zur Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 300 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Gegen diese Entscheidung haben der Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil auf die Berufung des Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und der Anschlussberufung abgeändert. Es hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen entsprechend dem Hauptantrag des Klägers unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule W.   zu ermöglichen, das [oben eingeblendete] Foto zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen.

8

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt, mit der er seine zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

9

B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ab. Vor einer Entscheidung über die Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

10

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten im zuerkannten Umfang ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

11

Der Kläger habe die Fotografie der Stadt Cordoba angefertigt. Die Fotografie sei jedenfalls als Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt. Dem Kläger stehe daher jedenfalls nach § 72 Abs. 2 UrhG das Leistungsschutzrecht des Lichtbildners zu.

12

Die Fotografie sei vor dem Einstellen auf der Internetseite der Schule auf den Server kopiert worden. Dies stelle einen Eingriff in das dem Kläger zustehende Vervielfältigungsrecht (§ 72 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) dar.

13

Durch das Einstellen des Lichtbildes auf die Internetseite der Schule sei in das Recht des Klägers zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 72 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG) eingegriffen worden. Es sei ohne Bedeutung, dass die Fotografie vor den streitgegenständlichen Handlungen bereits uneingeschränkt für jedermann im Internet zugänglich gewesen sei. Durch die Vervielfältigung der Fotografie auf dem Server und die anschließende öffentliche Zugänglichmachung auf der Internetseite der Schule sei es zu einer Entkoppelung von der ursprünglichen Veröffentlichung im Online-Portal „        .de“ gekommen. Der Kläger habe deshalb - anders als beim Setzen eines elektronischen Verweises („Link“) und der Einbettung eines Werkes in einem auf der Website des Inanspruchgenommenen erscheinenden Rahmen („Framing“) - nicht mehr die alleinige Herrschaft über die öffentliche Zugänglichmachung seines Lichtbildes gehabt. Die besonderen Voraussetzungen des öffentlichen Zugänglichmachens im Falle der Verlinkung und des Framing seien im Streitfall deshalb nicht zu beachten.

14

Der Eingriff in die Urheberrechte des Klägers sei rechtswidrig. Der Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf urheberrechtliche Schutzschranken berufen.

15

Der Beklagte sei unter dem Gesichtspunkt der Haftung des Unternehmensinhabers für Verletzungshandlungen seines Arbeitnehmers (§ 99 UrhG), die auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts gelte, passivlegitimiert, soweit es um den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gehe. Die bei dem Beklagten beschäftigte Lehrkraft sei nach den Grundsätzen der Störerhaftung zur Unterlassung verpflichtet. Die für die Spanisch-Arbeitsgemeinschaft zuständige Lehrkraft habe für die von der Schülerin begangene Rechtsverletzung einzustehen, weil sie Prüfungs- und Überwachungspflichten verletzt habe, zu deren Einhaltung sie im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit verpflichtet gewesen sei.

16

II. Der Senat hält die gegen diese Beurteilung erhobenen Rügen der Revision nicht für begründet. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, das Recht des Klägers zur öffentlichen Zugänglichmachung der Fotografie aus § 72 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG sei verletzt, stellt sich allerdings die Frage, ob die Einfügung eines auf einer fremden Internetseite mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene öffentlich zugängliche Internetseite ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, wenn das Werk zunächst auf einen Server kopiert und von dort auf die eigene Internetseite hochgeladen wird. Diese Frage lässt sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe nicht zweifelsfrei beantworten.

17

1. Bei dem Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) handelt es sich um ein besonderes Recht zur öffentlichen Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 UrhG). Soweit es sich bei diesen Rechten um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sind die Bestimmungen des § 19a UrhG und des § 15 Abs. 2 und 3 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 = WRP 2014, 414 - Svensson/Retriever Sverige; BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - I ZR 46/12, GRUR 2016, 171 Rn. 17 = WRP 2016, 224 - Die Realität II).

18

2. Die hier in Rede stehende Wiedergabe fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.

19

a) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083 = GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 und 36 - UCMR-ADA/Zirkus Globus).

20

b) Bei der hier in Rede stehenden Wiedergabe der Fotografie auf der Internetseite der Schule hat kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit bestanden. Es hat daher eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vorgelegen, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung genommen hat, nicht anwesend gewesen ist. Eine solche Wiedergabe fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.

21

3. Der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 21 und 31 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 16 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urteil vom 19. November 2015 - C-325/14, GRUR 2016, 60 Rn. 14 und 15 - SBS/SABAM; Urteil vom 31. Mai 2016 - C-117/15, GRUR 2016, 684 Rn. 35 bis 37 - Reha Training/GEMA; Urteil vom 8. September 2016 - C-160/15, GRUR 2016, 1152 Rn. 32 bis 34 - GS Media BV/Sanoma u.a.).

22

a) Der Senat geht davon aus, dass eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt.

23

aa) Der Begriff der Wiedergabe ist im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen (vgl. Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2001/29/EG), und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 20 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 17 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 23 und 25 = WRP 2014, 418 - OSA/Léčebné lázně; EuGH, GRUR 2016, 684 Rn. 38 - Reha Training/GEMA). Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 und 43 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2014, 360 Rn. 19 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 26 - OSA/Léčebné lázně; EuGH, Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 39 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel/Constantin Film und Wega).

24

bb) Danach ist die hier in Rede stehende Einstellung eines geschützten Werkes auf eine Internetseite als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen. Die Schülerin, für deren Verhalten die zuständige Lehrkraft und damit der Beklagte einzustehen hat, ist beim Hochladen ihres Referats, das die vom Kläger angefertigte Fotografie enthielt, in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig geworden, um den Nutzern der Internetseite der Schule den Zugriff auf das Referat einschließlich der Fotografie zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht gehabt hätten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Nutzer diesen Zugang tatsächlich genutzt haben.

25

b) Im Streitfall liegt auch eine Öffentlichkeit der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vor.

26

aa) Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt. Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rn. 32 und 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 21 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 und 28 - OSA/Léčebné lázně; GRUR 2016, 684 Rn. 40 bis 44 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rn. 36 - GS Media BV/Sanoma u.a.).

27

bb) Eine Handlung wie die hier in Rede stehende betrifft sämtliche potentiellen Nutzer der Internetseite und damit eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten.

28

c) Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet (dazu B II 3 c aa), oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (dazu B II 3 c bb). Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 und 41 - SGAE/Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 14 - BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 684 Rn. 45 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rn. 37 - GS Media BV/Sanoma u.a.).

29

aa) Die Fotografie wurde im Streitfall nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren wiedergegeben, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.

30

(1) Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe wie die ursprüngliche Wiedergabe im Internet, erfolgt sie nach demselben technischen Verfahren (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2016, 1152 Rn. 42 - GS Media BV/Sanoma u.a.).

31

(2) Die Schülerin hat die Fotografie, die bereits auf der Internetseite des Online-Reisemagazin-Portals „        .de“ öffentlich wiedergegeben wurde, kopiert und in ihr Referat eingefügt. Das die Fotografie enthaltende Referat hat sie sodann auf dem Schulserver eingestellt und von dort auf die Internetseite der Schule hochgeladen. Damit erfolgte die vom Kläger beanstandete Wiedergabe seiner Fotografie nach demselben technischen Verfahren, das schon für die Wiedergabe auf der Webseite des Onlineportals „schwarzaufweiss.de“ verwendet wurde.

32

bb) Es ist allerdings zweifelhaft, ob die vom Kläger angefertigte Fotografie nach den vorliegenden Umständen auf der Internetseite der Schule für ein neues Publikum wiedergegeben wurde, also für ein Publikum, an das der Rechtsinhaber nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte.

33

(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegt keine Wiedergabe für ein neues Publikum vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind. Unterlag der Zugang zu den Werken auf der anderen Internetseite keiner beschränkenden Maßnahme, waren die Werke für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich. Werden die betreffenden Werke den Nutzern einer Internetseite über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht, sind diese Nutzer potentielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe. Sie sind Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Inhaber des Urheberrechts erfassen wollten, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten. Eine solche Wiedergabe erfolgt nicht gegenüber einem neuen Publikum. Sie ist daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und bedarf keiner Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 - BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 1152 Rn. 40 bis 42 - GS Media BV/Sanoma u.a.).

34

(2) Die Revision ist der Ansicht, aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich, dass die Voraussetzung des „neuen Publikums“ bei einer erneuten Veröffentlichung eines bereits mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet veröffentlichten Werkes auf einer anderen Webseite nicht erfüllt sei, wenn die Ursprungsseite für jeden Internetnutzer frei zugänglich gewesen sei. Danach werde im Streitfall durch die Internetseite der Schule kein neues Publikum angesprochen. Die Schulwebseite richte sich, wie bereits die Internetseite des Online-Reisemagazin-Portals „        .de“, auf der die vom Kläger angefertigte Fotografie mit seiner Zustimmung unbeschränkt für jedermann einsehbar veröffentlicht worden sei, an das allgemeine Internetpublikum. Der Senat teilt diese Ansicht der Revision nicht. Nach seiner Auffassung können die vom Gerichtshof der Europäischen Union zur Beurteilung von Hyperlinks und „Framing“ aufgestellten Grundsätze nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung angewandt werden.

35

Die durch die Richtlinie 2001/29/EG bewirkte Harmonisierung soll insbesondere vor dem Hintergrund der elektronischen Medien einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Inhaber von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten am Schutz ihres durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) garantierten Rechts am geistigen Eigentum einerseits und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen, insbesondere ihrer durch Art. 11 der EU-Grundrechtecharta garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, sowie dem Gemeinwohl andererseits sichern (vgl. Erwägungsgründe 3 und 31 der Richtlinie; EuGH, GRUR 2016, 1152 Rn. 31 - GS Media BV/Sanoma u.a.). Die Annahme des Gerichtshofs der Europäischen Union, bei den Nutzern einer Internetseite, denen auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugängliche Werke über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht werden, handele es sich nicht um ein neues Publikum, beruht maßgeblich auf der Erwägung, dass das Internet für die durch Art. 11 EU-Grundrechtecharta gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit von besonderer Bedeutung ist und Hyperlinks zu einem guten Funktionieren des Internets und zum Meinungs- und Informationsaustausch in diesem Netz beitragen (EuGH, GRUR 2016, 1152 Rn. 45 - GS Media BV/Sanoma u.a.). Diese Erwägung trifft auf die vorliegende Fallgestaltung, bei der eine urheberechtlich geschützte Fotografie ohne Zustimmung des Rechtsinhabers von einem Nutzer auf einem in seiner Zugriffssphäre befindlichen Server eingestellt und von dort aus auf einer Internetseite für eine Öffentlichkeit bereitgehalten wird, nicht zu. Für ein gutes Funktionieren des Internets ist es nicht erforderlich, fremde Werke ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer eigenen Internetseite einstellen zu können. Anders als bei der Benutzung von Hyperlinks oder dem Verfahren des „Framing“ überwiegt in solchen Fällen das Interesse der Inhaber von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten am Schutz ihres durch Art. 17 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta garantierten Rechts am geistigen Eigentum die durch Art. 11 der EU-Grundrechtecharta garantierte Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit der Nutzer von Schutzgegenständen.

36

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Gerichtshof der Europäischen Union unter den Kriterien, die im Rahmen der individuellen Beurteilung des Begriffs der „öffentlichen Wiedergabe“ zu berücksichtigen sind, die zentrale Rolle des Nutzers hervorgehoben hat (EuGH, GRUR 2016, 684 Rn. 46 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rn. 35 - GS Media BV/Sanoma u.a.). An dieser zentralen Rolle des Nutzers fehlt es, wenn auf der eigenen Internetseite im Wege der Verlinkung oder des „Framing“ lediglich auf ein Werk verwiesen wird, das auf einer fremden Internetseite bereitgehalten wird. In diesen Fällen entscheidet allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt; wird das Werk nach dem Setzen des Links von der fremden Internetseite entfernt, geht der Link ins Leere (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 14 - Paperboy; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 Rn. 24 = WRP 2011, 88 - Session-ID; Beschluss vom 16. Mai 2013 - I ZR 46/12, GRUR 2013, 818 Rn. 9 = WRP 2013, 1047 - Die Realität I; BGH, GRUR 2016, 171 Rn. 14 - Die Realität II). Dagegen nimmt der Nutzer, der das Werk auf seiner eigenen Internetseite einstellt und bereithält, eine zentrale Rolle bei der Wiedergabe ein. Er entscheidet darüber, ob und wie lange das Werk der Öffentlichkeit zugänglich ist. Ein solcher Nutzer eröffnet der Öffentlichkeit den Zugriff auf das in seiner Zugriffssphäre befindende Werk und nimmt damit eine eigene Verwertungshandlung vor (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 166/07, GRUR 2010, 616 Rn. 21 = WRP 2010, 922 - marions-kochbuch.de; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 19 und 20 - Vorschaubilder I).

37

Ferner stünde die Annahme, ein Werk, das mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, dürfe ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auch auf anderen Internetseiten eingestellt und für alle Internetnutzer öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht mit dem in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG niedergelegten Grundsatz in Einklang, wonach sich die in Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bezeichneten Rechte der öffentlichen Wiedergabe und der öffentlichen Zugänglichmachung nicht mit den in deren Art. 3 genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung erschöpfen (vgl. BGH, GRUR 2016, 171 Rn. 35 - Die Realität II; vgl. auch EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 23 - ITV Broadcasting/TVC). Diese Annahme ließe sich ferner kaum mit dem Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG vereinbaren, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke unter anderem bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten (vgl. Erwägungsgrund 9 und 10 der Richtlinie 2001/29/EG; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 20 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 473 Rn. 23 - OSA/Léčebné lázně; GRUR 2016, 1152 Rn. 30 - GS Media BV/Sanoma u.a.). Dürfte ein Werk, das mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auch auf anderen Internetseiten eingestellt und öffentlich zugänglich gemacht werden, wäre dem Urheber weitgehend die Möglichkeit genommen, die wirtschaftliche Verwertung seines Werkes zu steuern und eine angemessene Beteiligung an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes sicherzustellen (vgl. BGH, GRUR 2016, 171 Rn. 35 - Die Realität II).

38

Es kann daher nach Ansicht des Senats nicht angenommen werden, dass der Inhaber des Urheberrechts, der seine Zustimmung zum Einstellen seines Werkes auf einer frei zugänglichen Internetseite erteilt, dabei nicht nur an die Internetnutzer als Publikum denkt, die diese Internetseite unmittelbar oder über einen auf einer anderen Internetseite eingerichteten Link besuchen, sondern auch an die Internetnutzer, die eine andere Internetseite besuchen, auf der sein Werk ohne seine Zustimmung eingestellt worden ist. Bei den zuletzt genannten Internetnutzern handelt es sich daher nach Auffassung des Senats um ein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

39

(3) Für die Frage einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Fotografie des Klägers durch das Einstellen auf der Internetseite der Schule nicht zu Erwerbszwecken genutzt worden ist. Der gewerbliche Charakter der Verbreitung eines geschützten Werks ist für die Einstufung einer solchen Verbreitung als „öffentliche Wiedergabe“ zwar - unter anderem zur Bestimmung der Höhe einer möglichen Vergütung für diese Verbreitung (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 204 bis 206 - Football Association Premier League und Murphy) - nicht unerheblich; er ist hierfür aber mit Sicherheit nicht ausschlaggebend (EuGH, GRUR 2016, 684 Rn. 49 - Reha Training/GEMA; vgl. aber auch EuGH, GRUR 2016, 1152 Rn. 55 - GS Media BV/Sanoma u.a.).

Koch      

        

Schaffert      

        

Kirchhoff

        

Löffler      

        

Schwonke      

        

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Lassen die Vorschriften des Unionsrechts zu den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte gemäß Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG Umsetzungsspielräume im nationalen Recht?

2. In welcher Weise sind bei der Bestimmung der Reichweite der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen?

3. Können die Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) oder der Pressefreiheit (Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts der Urheber zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) ihrer Werke außerhalb der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen rechtfertigen?

4. Ist die öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internetportal eines Presseunternehmens bereits deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG anzusehen, weil es dem Presseunternehmen möglich und zumutbar war, vor der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke des Urhebers seine Zustimmung einzuholen?

5. Fehlt es an einer Veröffentlichung zum Zwecke des Zitats gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG, wenn zitierte Textwerke oder Teile davon nicht - beispielsweise durch Einrückungen oder Fußnoten - untrennbar in den neuen Text eingebunden werden, sondern im Internet im Wege der Verlinkung als neben dem neuen Text selbständig abrufbare PDF-Dateien öffentlich zugänglich gemacht werden?

6. Ist bei der Frage, wann ein Werk im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, darauf abzustellen, ob dieses Werk in seiner konkreten Gestalt bereits zuvor mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht war?

Gründe

1

A. Der Kläger ist seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestags und gehört der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Er ist Verfasser eines fünfzehnseitigen Manuskripts mit dem Titel "Reformistischer Aufbruch und Abschied von einer 'radikalen' Forderung - Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexual-(Strafrechts-)Politik". Darin trat er für eine teilweise Entkriminalisierung von gewaltfreien sexuellen Handlungen Erwachsener an Kindern ein, wandte sich aber zugleich gegen eine vollständige Abschaffung des Sexualstrafrechts oder auch nur der Vorschrift des § 176 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern). Der Aufsatz wurde 1988 als Gastbeitrag in dem als Sammelband erschienenen Buch "Der pädosexuelle Komplex" des Herausgebers H. unter dessen Pseudonym "Angelo Leopardi" publiziert. Statt des ursprünglichen Titels trug der Buchbeitrag den Titel "Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik". Ferner wurde die im Manuskript enthaltene Zwischenüberschrift "Möglichkeiten und Strategien einer neuen Sexual-(Strafrechts-)Politik - auch für den Bereich der Pädosexualität" durch die Zwischenüberschrift "Wie kann man das Sexualstrafrecht verändern?" im Buchbeitrag ersetzt sowie ein Satz geringfügig gekürzt. Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber, die ohne seine Zustimmung vorgenommenen Eingriffe in den Text und die Überschriften hätten den Tenor seines Artikels verändert, und forderte ihn vergeblich auf, dies durch einen Vermerk des Verlags bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen.

2

In den Folgejahren wurde der Kläger mehrfach kritisch mit den Aussagen des Buchbeitrags konfrontiert. Er erklärte daraufhin wiederholt, sein Manuskript sei durch den Herausgeber im Sinn verfälscht worden, weil dieser die zentrale Aussage - die Abkehr von der seinerzeit insbesondere in der Homosexuellenbewegung verbreiteten Forderung nach Abschaffung des Sexualstrafrechts bzw. der Straftatbestände der §§ 174, 176 StGB - wegredigiert habe. Spätestens seit dem Jahr 1993 distanzierte sich der Kläger vollständig vom Inhalt seines Aufsatzes.

3

Im Jahr 2013 wurde bei Recherchen im Archiv der Heinrich-Böll-Stiftung das Manuskript des Klägers aufgefunden und am 17. September 2013 dem für die am 22. September 2013 stattfindende Bundestagswahl kandidierenden Kläger vorgelegt. Der Kläger stellte das Dokument am folgenden Tag verschiedenen Zeitungsredaktionen als Nachweis zur Verfügung, dass es für den Buchbeitrag verändert worden war. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er hingegen nicht zu. Stattdessen stellte er am 20. September 2013 das Manuskript und den Buchbeitrag selbst wie nachfolgend auszugsweise abgebildet auf seiner Internetseite zum Abruf bereit, und zwar mit der auf jeder Seite schräg angebrachten Aufschrift "ICH DISTANZIERE MICH VON DIESEM BEITRAG. VOLKER BECK".

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

4

Auf den Seiten des Buchbeitrags fand sich zusätzlich der Aufdruck "DIESER TEXT IST NICHT AUTORISIERT UND DURCH FREIE REDIGIERUNG IN ÜBERSCHRIFT UND TEXTTEILEN DURCH HRSG. VERFÄLSCHT."

5

Die Beklagte betreibt das Nachrichten-Internetportal "SPIEGEL ONLINE". Sie veröffentlichte am 20. September 2013 unter der Überschrift "Grüne: Volker Beck täuschte Öffentlichkeit über Pädophilie-Text" einen Beitrag, in dem die Autorin ausführte, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Sein umstrittener Text über Sex zwischen Kindern und Erwachsenen sei nach Spiegel-Recherchen doch nicht vom Herausgeber inhaltlich verfälscht worden, wie der Kläger stets behauptet habe. Er habe in seinem Buchbeitrag geschrieben: "Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustands ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich." Gegen Angriffe wegen des Beitrags habe er sich mehrfach mit dem Argument verteidigt, der Text sei vom Herausgeber durch das Ändern der Überschrift im Sinn verfälscht worden. Der Vergleich des nunmehr aufgefundenen Manuskripts und des Buchbeitrags zeige allerdings, dass die zentrale Aussage des Klägers im Gastbeitrag noch enthalten und durch die Änderungen des Herausgebers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Nach Einsicht in das Manuskript beharre der Kläger immer noch auf seiner Aussage, der Herausgeber habe den Sinn des Texts durch das Ändern der Überschrift entstellt.

6

Neben dem Artikel waren unter der Überschrift "PDF-Download" die Ursprungsfassungen des Manuskripts und des Buchbeitrags als PDF-Dateien hinterlegt und konnten über einen elektronischen Verweis (Link) abgerufen werden. Zwei weitere Links zu PDF-Dateien mit den vollständigen Dokumenten fanden sich im Anschluss an den Artikel unter der Überschrift "Mehr auf SPIEGEL ONLINE".

7

Die Online-Publikation ist aus den nachfolgend eingeblendeten Screenshots ersichtlich:

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

8

Der Kläger beanstandet die Bereitstellung der vollständigen Texte auf der Internetseite der Beklagten als Verletzung seines Urheberrechts und seines Urheberpersönlichkeitsrechts. Er ließ die Beklagte mit Rechtsanwaltsschreiben vom 20. September 2013 erfolglos abmahnen und verwies sie auf die Möglichkeit, auf seine Homepage und die dort bereitgestellten Texte zu verlinken.

9

Der Kläger hat mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,

es zu unterlassen, die Texte des Klägers

"Reformistischer Aufbruch und Abschied von einer `radikalen´ Forderung - Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexual-(Strafrechts-)Politik"

und/oder

"Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik" (in: "Der pädosexuelle Komplex", Herausgeber: Angelo Leopardi)

wie in den Anlagen 2 und 3 [Ursprungsfassungen des Manuskripts und des Buchbeitrags] wiedergegeben ohne Einwilligung des Klägers über www.spiegel.de öffentlich zugänglich zu machen.

10

Ferner hat der Kläger von der Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 1.000 € nebst Zinsen (Klageantrag zu Ziffer 2) sowie die Freistellung von Anwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 562,16 € und für ein Abschlussschreiben in Höhe von 1.100,51 €, mithin insgesamt 1.662,67 € (Klageantrag zu Ziffer 3), verlangt.

11

Das Landgericht hat die Beklagte - bis auf einen geringen Teil des Freistellungsantrags - antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollumfängliche Abweisung der Klage weiter.

12

B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ab. Vor einer Entscheidung über die Revision der Beklagten ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

13

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei in dem zuerkannten Umfang begründet, weil die Beklagte das Urheberrecht des Klägers an den streitgegenständlichen Texten verletzt habe. Dazu hat es ausgeführt:

14

Das Manuskript und die Buchfassung stellten urheberrechtsfähige Schriften dar. Durch die Bereitstellung der Texte auf ihrer Internetseite habe die Beklagte in das dem Kläger als Urheber zustehende ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eingegriffen. Der Eingriff sei widerrechtlich geschehen. Weder habe der Kläger der öffentlichen Zugänglichmachung zugestimmt noch sei diese durch eine urheberrechtliche Schrankenbestimmung gerechtfertigt. Die Wiedergabe der Dokumente sei nicht als Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG gedeckt, weil die Texte nicht im Zuge eines Tagesereignisses, das Gegenstand der Berichterstattung der Beklagten gewesen sei, wahrnehmbar geworden seien. Die Voraussetzungen für ein Zitatrecht nach § 51 UrhG lägen ebenfalls nicht vor. Der Zitatzweck sei überschritten. Die Autorin der Beklagten habe die Werke des Klägers nicht als Beleg einer eigenständig begründeten Ansicht mitgeteilt, weil sie sich nicht argumentativ mit den Werken auseinandergesetzt habe. Zudem sei das Zitatrecht überschritten worden, weil die Beklagte die Dokumente nicht nur auszugsweise, sondern vollständig bereitgestellt habe, und zwar in einer selbständigen, unabhängig von der Berichterstattung aufrufbaren Form von PDF-Dateien. Die grundrechtlich geschützte Presse- und Meinungsfreiheit der Beklagten könne bei verfassungskonformer Auslegung der gesetzlichen Schrankenregelungen keine weitergehende Beschränkung des Urheberrechts des Klägers rechtfertigen. Als Urheber bleibe ihm die Entscheidung vorbehalten, sich wegen seiner geänderten Überzeugung gegen eine Verwertung des (unveränderten) Texts als Online-Publikation zu entscheiden. Die Beklagte hätte ihrer Aufgabe als Presseorgan dadurch hinreichend nachkommen können, dass sie sich im Wege der Gegenüberstellung der geänderten Überschriften und der Aussagen der unveränderten Passagen mit den Äußerungen des Klägers und der Wandlung seiner politischen Überzeugung kritisch auseinandergesetzt hätte. Im Übrigen habe die Möglichkeit bestanden, auf die Veröffentlichung der vollständigen Werke auf der Webseite des Klägers hinzuweisen und darauf zu verlinken.

15

II. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG), Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 Satz 1 und 3 UrhG) und Freistellung von den Kosten für die anwaltliche Abmahnung (§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG in der Fassung vom 7. Juli 2008, § 257 BGB) und für das Abschlussschreiben (§§ 677, 683, 670, 257 BGB) setzen voraus, dass die Beklagte durch die Bereitstellung des Manuskripts und des Buchbeitrags in ihrem Internetportal das Urheberrecht des Klägers widerrechtlich und - soweit der Schadensersatzanspruch in Rede steht - auch schuldhaft verletzt hat.

16

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Manuskript und der Buchbeitrag als Schriftwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sind und ihre Bereitstellung auf der Internetseite der Beklagten einen Eingriff in das dem Kläger als Urheber ausschließlich zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung darstellt (§ 15 Abs. 2 Nr. 2, § 19a UrhG).

17

III. Im Zusammenhang mit der Frage, ob dieser Eingriff in das Urheberrecht des Klägers gerechtfertigt ist, stellen sich Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG, die nicht zweifelsfrei zu beantworten sind.

18

1. Das im Streitfall betroffene Veröffentlichungsrecht des Urhebers (§ 12 UrhG) liegt als Urheberpersönlichkeitsrecht zwar außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2001/29/EG). Die hier in Rede stehenden ausschließlichen Rechte des Urhebers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) seines Werkes sind dagegen durch die Richtlinie 2001/29/EG auf Unionsebene harmonisiert. Darüber hinaus regelt die Richtlinie 2001/29/EG die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf die von ihr erfassten Verwertungsrechte und so auch in Bezug auf das Recht des Urhebers zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung seines Werkes für dessen Nutzung in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse (Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG) und für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen (Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG). Die im deutschen Recht vorgesehenen Schranken des Rechts des Urhebers zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG) seines Werkes zur Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) oder zum Zwecke des Zitats (§ 51 UrhG) beruhen auf diesen Bestimmungen der Richtlinie 2001/29/EG und sind daher richtlinienkonform auszulegen.

19

2. Es stellt sich die Frage, ob eine widerrechtliche Verletzung des ausschließlichen Rechts des Klägers zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung des Manuskripts und des Buchbeitrags ausscheidet, weil die hier allein in Betracht kommenden Schrankenregelungen der Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG (§§ 50, 51 UrhG) im Lichte der im Streitfall betroffenen Grundrechte und Interessen auszulegen und anzuwenden sind, und die von der Beklagten geltend gemachte Behinderung der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit durch das Urheberrecht an den Texten des Klägers schwerer wiegt als der Schutz der Interessen des Klägers.

20

Die Revision macht insoweit geltend, die Schrankenregelungen der Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts seien im Falle der Veröffentlichung von Texten eines Politikers auf der Internetseite eines Presseorgans extensiv auszulegen, wenn diese Veröffentlichung - wie im Streitfall - dem Zweck diene, die Öffentlichkeit über die Frage des Wandels von politischen Überzeugungen eines im Wahlkampf befindlichen Politikers zu informieren, die eine die Öffentlichkeit besonders interessierende Frage betreffen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - der Kläger eine wirtschaftliche Auswertung seiner Texte nicht mehr anstrebe, sondern seine Rechtsposition als Urheber lediglich als Vehikel dafür benutzen wolle, der Beklagten eine ihm nicht genehme Berichterstattung zu untersagen. Der Kläger wolle mit den Mitteln des Urheberrechts ein Verbot erreichen, das mit den Mitteln des Äußerungsrechts nicht zu erreichen sei. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei auch nicht dadurch vermindert, dass der Kläger selbst die fraglichen Texte auf seiner Internetseite veröffentlicht habe. Durch die vom Kläger auf jeder Seite diagonal den Text durchkreuzenden Distanzierungsvermerke werde der Leser gehindert, unbefangen an den Text heranzugehen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Zudem habe es im Belieben des Klägers gestanden, wie lange er die Texte der Öffentlichkeit zur Verfügung stelle. Es gehöre zum Kern der nach Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Pressefreiheit, dass die Medien nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden könnten, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten. Die Beklagte habe deshalb darüber befinden dürfen, ob es aus ihrer Sicht angezeigt gewesen sei, zur Untermauerung des von ihr geäußerten Vorwurfs, der Kläger habe die Öffentlichkeit lange Zeit hinters Licht geführt, der Leserschaft die streitgegenständlichen Texte unabhängig von der eigenen Veröffentlichung durch den Kläger zugänglich zu machen. Berechtigte Interessen des Klägers würden dadurch nicht verletzt.

21

a) Zunächst stellt sich die Frage, ob die hier in Rede stehenden Vorschriften des Unionsrechts zu den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte (Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG) Umsetzungsspielräume im nationalen Recht lassen (Vorlagefrage 1).

22

aa) Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein am Unionsrecht und damit auch an den durch dieses gewährleisteten Grundrechten zu messen sind, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum überlässt, sondern zwingende Vorgaben macht (BVerfG, Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13, GRUR 2016, 690 Rn. 115 = WRP 2016, 822). Für die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, die die hier in Rede stehenden Vorschriften der Richtlinie 2001/29/EG zum Vervielfältigungsrecht und zum Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung des Urhebers und zu den Ausnahmen oder Beschränkungen dieser Rechte in deutsches Recht umsetzen, sind daher grundsätzlich allein die durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundrechte und nicht die Grundrechte des Grundgesetzes maßgeblich, soweit die Richtlinie 2001/29/EG den Mitgliedstaaten für die Umsetzung dieser Vorschriften zwingende Vorgaben macht.

23

In diesem Fall kommt es für die Auslegung und Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften ferner nicht auf die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) an. Die Gewährleistungen der EMRK, der im nationalen Recht der Rang von einfachem Bundesrecht zukommt, und die Rechtsprechung des EGMR dienen zwar auf der Ebene des nationalen Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte des Grundgesetzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07 und 1 BvR 1626/07, BVerfGE 120, 180, 200 f. mwN). Richtlinien der Europäischen Union sind dagegen allein anhand der durch die EU-Grundrechtecharta garantierten Grundrechte auszulegen, da die EMRK, solange die Union ihr nicht beigetreten ist, kein Rechtsinstrument darstellt, das förmlich in die Unionsrechtsordnung übernommen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 44 - Åkerberg Fransson; Urteil vom 15. Februar 2016 - C-601/15, NVwZ 2016, 1789 Rn. 45 bis 48; Urteil vom 21. Dezember 2016 - C-203/15 und C-698/15, GRUR Int. 2017, 165 Rn. 127 bis 129; Urteil vom 5. April 2017 - C-217/15 und C-350/15, juris Rn. 15, jeweils mwN). Danach käme es für die Auslegung und Anwendung der hier in Rede stehenden Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, soweit diese zwingende Vorgaben der Richtlinie 2001/29/EG in deutsches Recht umsetzen, nicht auf die nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10. Januar 2013 in der Rechtssache "Ashby Donald u.a./Frankreich" (36769/08, GRUR 2013, 859) an.

24

bb) Nach Ansicht des Senats hat die Richtlinie 2001/29/EG die in ihr geregelten Verwertungsrechte der Urheber vollständig harmonisiert (zum Verbreitungsrecht der Urheber vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 Rn. 19 f. = WRP 2009, 1127 - Le-Corbusier-Möbel II, mwN). Den Mitgliedstaaten steht es nach Art. 5 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2001/29/EG zwar frei, ob sie in den dort genannten Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf diese Verwertungsrechte vorsehen. Sie dürfen jedoch zum einen in keinem anderen Fall eine Ausnahme oder Beschränkung schaffen, da diese in der Richtlinie erschöpfend aufgeführt sind (vgl. Erwägungsgrund 32 Satz 1 der Richtlinie). Sie müssen zum anderen, wenn sie eine Ausnahme oder Beschränkung einführen, deren Voraussetzungen vollständig umsetzen, da eine inkohärente Umsetzung dem Harmonisierungsziel der Richtlinie zuwiderliefe (vgl. Erwägungsgrund 32 Satz 4 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-201/13, GRUR 2014, 972 Rn. 16 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a., mwN).

25

b) Sodann stellt sich die Frage, in welcher Weise bei der Bestimmung der Reichweite der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts des Urhebers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) seines Werkes die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen sind (Vorlagefrage 2). Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Grundrechte der Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundrechtecharta) oder der Pressefreiheit (Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Rechts des Urhebers zur Vervielfältigung (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG) seines Werkes außerhalb der in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen rechtfertigen können (Vorlagefrage 3).

26

aa) Nach Ansicht des Senats sollten insoweit folgende Grundsätze gelten:

27

(1) Bei der Auslegung und Anwendung der hier in Rede stehenden Bestimmungen der Richtlinie 2001/29/EG und des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts sind nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta die dort aufgeführten Grundrechte zu beachten.

28

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die den Urhebern von der Richtlinie 2001/29/EG eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte und die in Bezug auf diese Rechte vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen bereits das Ergebnis einer vom Richtliniengeber vorgenommenen Abwägung zwischen dem Interesse der Urheber an einer möglichst umfassenden und uneingeschränkten Ausschließlichkeitsbefugnis und den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst umfassenden und uneingeschränkten Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke sind (zum deutschen Urheberrecht vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR 102/99, BGHZ 150, 5, 8 f. - Verhüllter Reichstag; Urteil vom 20. März 2003 - I ZR 117/00, BGHZ 154, 260, 264 f. - Gies-Adler).

29

(2) Daher haben die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der Verwertungsbefugnisse der Urheber und der Schrankenbestimmungen die in der Richtlinie zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachzuvollziehen, die den durch Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta verbrieften Schutz des geistigen Eigentums des Urhebers ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen der Nutzer beachtet und im Wege einer Abwägung in ein angemessenes Gleichgewicht bringt (zum deutschen Urheberrecht vgl. BGHZ 154, 260, 265 - Gies-Adler; BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, 101 f. mwN; BVerfG, GRUR 2016, 690 Rn. 122; vgl. auch EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - C-275/06, Slg. 2008, I-271 = GRUR 2008, 241 Rn. 68 - Promusicae; Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 46 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel).

30

(3) Dabei kann beispielsweise ein gesteigertes öffentliches Interesse an der öffentlichen Zugänglichmachung eines geschützten Werkes unter Umständen schon bei der Auslegung der dem Urheber zustehenden Befugnisse, in jedem Fall aber bei der Auslegung der Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden und im Einzelfall dazu führen, dass eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, dem Informationsinteresse der Allgemeinheit genügenden Interpretation weichen muss (vgl. BGHZ 150, 5, 8 - Verhüllter Reichstag; BGHZ 154, 260, 265 - Gies-Adler).

31

(4) Dagegen kommt eine außerhalb der urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse und Schrankenbestimmungen angesiedelte allgemeine Interessenabwägung aus Sicht des Senats nicht in Betracht. Angesichts der ausdrücklichen Regelung der Richtlinie würde eine von der Auslegung und Anwendung der urheberrechtlichen Vorschriften losgelöste Grundrechtsabwägung durch die Gerichte in das vom Richtliniengeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bereits allgemein geregelte Verhältnis von Urheberrecht und Schrankenregelung übergreifen (zum deutschen Urheberrecht vgl. BGHZ 154, 260, 266 f. - Gies-Adler; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. November 2011 - 1 BvR 1145/11, GRUR 2012, 389 Rn. 14 mwN).

32

bb) Im Streitfall wären nach diesen Maßstäben bei der Auslegung und Anwendung der Verwertungsrechte und der Schrankenregelungen das dem Kläger zustehende ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung seiner Werke und sein urheberpersönlichkeitsrechtliches Interesse, eine öffentliche Zugänglichmachung nur mit dem gleichzeitigen Hinweis auf seine gewandelte politische Überzeugung auf der einen Seite und die durch Art. 11 Abs. 1 und 2 EU-Grundrechtecharta gewährleisteten Grundrechte der Informationsfreiheit (hier in Form der Freiheit, Informationen ohne den Distanzierungsvermerk des Klägers weiterzugeben) und der Medienfreiheit (hier in Gestalt der Pressefreiheit) auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen und in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen.

33

(1) Dabei kommt den von der Beklagten geltend gemachten Grundrechten der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit ein besonders hoher Rang zu, da die umfassende und wahrheitsgemäße Information der Bürger durch die Presse eine Grundvoraussetzung des Prozesses demokratischer Meinungs- und Willensbildung ist; diese Grundrechte gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern zudem besonderes Gewicht, wenn sie Angelegenheiten betreffen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren (zu Art. 5 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1985 - 1 BvR 15/84, BVerfGE 71, 206, 220 mwN). Wie alle Grundrechte kann allerdings auch die Pressefreiheit eingeschränkt sein; soweit die Einwirkung des Grundrechts auf privatrechtliche Vorschriften in Frage steht, können ihm im Hinblick auf die Eigenart der geregelten Rechtsverhältnisse andere, unter Umständen engere Grenzen gezogen sein als in ihrer Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe (zu Art. 5 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 66, 116, 135; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. November 2011 - 1 BvR 1145/11, GRUR 2012, 389 Rn. 16).

34

(2) Das vom Kläger beanspruchte ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Manuskripts sowie des Buchbeitrags muss nicht deshalb von vornherein hinter dem von der Beklagten geltend gemachten öffentlichen Interesse an der Wiedergabe der Dokumente zurücktreten, weil die Geltendmachung des Urheberrechts durch den Kläger nicht der Wahrung wirtschaftlicher Interessen, sondern seinem dem Urheberpersönlichkeitsrecht unterfallenden Interesse dient, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Das steht der Gewährung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen (aA Hoeren/Herring, MMR 2011, 500, 503; Nieland, K&R 2013, 285, 288). Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht nur in Bezug auf die Nutzung, sondern auch in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk (§ 11 Satz 1 UrhG). Zu den dem Urheber zustehenden Rechten gehört deshalb auch das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), nach dem er bestimmen kann, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Das damit angesprochene Urheberpersönlichkeitsrecht gehört auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum spezifischen Gegenstand des Urheberrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 1993 - C-92/92 und C-326/92, GRUR 1994, 280 Rn. 20 - Phil Collins/Imtrat; Dietz/Peukert in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl., vor § 12 UrhG Rn. 46) und ist nach Auffassung des Senats Gegenstand der gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG bei der Prüfung der Schrankenregelungen zu berücksichtigenden berechtigten Interessen des Rechtsinhabers. Der Gerichtshof der Europäischen Union geht im Hinblick auf die Schrankenregelung der Parodie gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ebenfalls davon aus, dass in einem konkreten Fall ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Schutzschranke beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden muss (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 34 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - I ZR 9/15, GRUR 2016, 1157 Rn. 25 = WRP 2016, 1260 - auf fett getrimmt). Der Gerichtshof der Europäischen Union berücksichtigt bei dieser Abwägung auch das dem Urheberpersönlichkeitsrecht unterfallende Interesse des Urhebers, dass sein Werk nicht mit diskriminierenden Äußerungen in Verbindung gebracht wird (EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 31 - Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.).

35

(3) Es kann nach Ansicht des Senats zum jetzigen Zeitpunkt offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles dem Interesse des Klägers oder dem Veröffentlichungsinteresse der Beklagten größeres Gewicht beizumessen ist.

36

Der Senat neigt allerdings zu der Annahme, dass das von der Beklagten behauptete gesteigerte öffentliche Interesse an der Wiedergabe der urheberrechtlich geschützten Schriftwerke nicht zu einer Auslegung der Schrankenregelung des Zitatrechts führen kann, die nicht mehr vom Wortlaut dieser Regelungen gedeckt ist und dem klar erkennbaren Willen des Richtliniengebers widerspricht. Dies wäre nach Ansicht des Senats aber der Fall, wenn die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG (§ 51 UrhG) dahin ausgelegt würde, dass sie Werke erfasst, die zum Zeitpunkt der öffentlichen Wiedergabe der Öffentlichkeit nicht bereits rechtmäßig zugänglich gemacht worden sind (vgl. dazu unter B III 2 e zur Vorlagefrage 6).

37

c) Im Streitfall stellt sich im Hinblick auf die Schrankenregelung gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG außerdem die klärungsbedürftige Frage, ob die öffentliche Zugänglichmachung der Dokumente im Internetportal der Beklagten schon deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse anzusehen ist, weil es der Beklagten möglich und zumutbar war, vor der Zugänglichmachung der Werke des Klägers seine Zustimmung einzuholen (Vorlagefrage 4).

38

aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für die Nutzung von Werken in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse in Bezug auf das in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht und das in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird.

39

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Bestimmung mit § 50 und § 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ins nationale Recht umgesetzt. Nach § 50 UrhG ist zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Für den Fall, dass ein Werk oder ein Teil eines Werkes nach § 50 UrhG vervielfältigt oder öffentlich wiedergegeben wird, besteht nach Maßgabe von § 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG die Verpflichtung zur Angabe der Quelle.

40

bb) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Schutzschranke des § 50 UrhG vorliegen, hängt im Streitfall davon ab, ob die öffentliche Zugänglichmachung der Dokumente im Internetportal der Beklagten schon deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne von § 50 UrhG anzusehen ist, weil die Beklagte vor der Zugänglichmachung der Werke des Klägers seine Zustimmung hätte einholen können.

41

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dient die Schrankenregelung des § 50 UrhG der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll eine anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber dagegen möglich und zumutbar, vor der Berichterstattung die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - I ZR 42/05, BGHZ 175, 135 Rn. 49 - TV-Total; Urteil vom 27. März 2012 - KZR 108/10, GRUR 2012, 1062 Rn. 24 = ZUM 2012, 807 - Elektronischer Programmführer; Urteil vom 17. Dezember 2015 - I ZR 69/14, GRUR 2016, 368 Rn. 16 = WRP 2016, 485 - Exklusivinterview).

42

Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass es der Beklagten unmöglich oder unzumutbar war, vor der Einstellung der Texte auf ihrer Internetseite die Zustimmung des Klägers einzuholen. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagte mit E-Mail vom 17. September 2013 gegenüber dem Kläger eine mögliche Berichterstattung über das aufgefundene Manuskript und den Buchbeitrag angekündigt hat, ohne ihn um seine Einwilligung in die Zugänglichmachung der vollständigen Dokumente zu ersuchen.

43

(2) Die vom Senat vorgenommene einschränkende Auslegung geht zwar vom Sinn und Zweck der Schrankenregelung aus, findet allerdings im Wortlaut der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG keine Stütze. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die ungeschriebene Voraussetzung der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer rechtzeitigen Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

44

(3) Die Frage ist entscheidungserheblich. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die weiteren Voraussetzungen der Schutzschranke vorliegend nicht verneint werden.

45

Im Streitfall liegt eine Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG vor.

46

Unter einem Tagesereignis ist jedes zur Zeit des Eingriffs in das Urheberrecht aktuelle Geschehen zu verstehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, wobei ein Geschehen so lange aktuell ist, wie ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 285/99, GRUR 2002, 1050, 1051 = WRP 2002, 1302 - Zeitungsbericht als Tagesereignis; BGHZ 175, 135 Rn. 48 - TV-Total; BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 11 f. - Kunstausstellung im Online-Archiv; BGH, GRUR 2016, 368 Rn. 14 - Exklusivinterview). Ein zeitlich zurückliegendes Ereignis kann erneut zum Tagesereignis werden, wenn es wieder Gegenstand einer aktuellen Auseinandersetzung wird und dadurch abermals das Interesse der Öffentlichkeit weckt (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 220, 221; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 50 UrhG Rn. 4; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 50 Rn. 4). Dabei ist auch die Mitteilung der Vorgeschichte und der Hintergründe des Tagesereignisses privilegiert, solange das aktuelle Geschehen im Vordergrund der Berichterstattung steht (vgl. BGH, GRUR 2002, 1050, 1051 - Zeitungsbericht als Tagesereignis).

47

Entgegen der vom Berufungsgericht zum Ausdruck gebrachten Zweifel liegen diese Voraussetzungen im Streitfall vor. Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, Gegenstand der Berichterstattung sei die im Laufe der Jahre bis zum Sommer 2013 immer wieder aufgeflammte politische Debatte über die früheren Positionen des Klägers zur Pädophilie. Dem kann nicht zugestimmt werden. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass es in dem in Rede stehenden Artikel im Schwerpunkt um die aktuelle Konfrontation des Klägers mit seinem bei Recherchen wiedergefundenen Manuskript und seine Reaktion darauf ging. Dies sind Ereignisse, die bei der Einstellung des Artikels ins Internetportal der Beklagten aktuell und im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des erneut als Bundestagsabgeordneter kandidierenden Klägers von gegenwärtigem öffentlichem Interesse waren. Dass der Artikel über dieses im Vordergrund stehende Ereignis hinausgehend die bereits über Jahre andauernde Vorgeschichte und die Hintergründe zur Position des Klägers mitteilte, steht der Annahme einer Berichterstattung über Tagesereignisse nicht entgegen.

48

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch nicht angenommen werden, die Texte des Klägers seien nicht im Sinne von § 50 UrhG im Verlaufe des von der Beklagten berichteten Tagesereignisses wahrnehmbar geworden, die Beklagte habe vielmehr die Werke des Klägers selbst zum Gegenstand ihrer Berichterstattung und wahrnehmbar gemacht. Das zum Gegenstand der Berichterstattung gemachte Tagesereignis sind nicht die Texte des Klägers als solche, sondern die aktuelle Konfrontation des Klägers mit seinem bei Recherchen wiedergefundenen Manuskript und seine Reaktion darauf. Im Rahmen dieser Ereignisse sind die Texte des Klägers von ihm auf seiner Internetseite veröffentlicht und damit wahrnehmbar geworden.

49

Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, dass die Schutzschranke des § 50 UrhG keine über die Aktualität der Berichterstattung hinaus fortdauernde öffentliche Zugänglichmachung des Werkes rechtfertige. Die Absicht einer solchen dauerhaften öffentlichen Zugänglichmachung sei jedoch von der Beklagten gegenüber dem Kläger in einem Schreiben geäußert worden. Diese Begründung kann im Revisionsverfahren keinen Bestand haben. Zwar ist ein Tagesereignis nicht dauerhaft aktuell, sondern lediglich solange ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird (BGH, GRUR 2002, 1050, 1051 - Zeitungsbericht als Tagesereignis; BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 11 - Kunstausstellung im Online-Archiv). In dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schreiben hat die Beklagte jedoch bei sachgerechter Auslegung keine über den Zeitraum einer Gegenwartsberichterstattung hinausreichende Veröffentlichung angekündigt, sondern lediglich ihr Interesse an einer von der Veröffentlichung durch den Kläger selbst unabhängigen eigenen Veröffentlichung zum Ausdruck gebracht.

50

d) Im Streitfall stellt sich außerdem die klärungsbedürftige Frage, ob es an einer Veröffentlichung zum Zwecke des Zitats gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG fehlt, weil die Beklagte die Texte des Klägers nicht untrennbar in ihren eigenen Bericht eingebunden, sondern im Wege der Verlinkung als selbständig im Internet abrufbare PDF-Dateien öffentlich zugänglich gemacht hat (Vorlagefrage 5).

51

aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen in Bezug auf das in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht und das in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk betreffen, das der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern - außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist - die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

52

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Bestimmung mit § 51 und § 63 Abs. 1 und 2 UrhG ins nationale Recht umgesetzt. Nach § 51 Satz 1 UrhG ist die Vervielfältigung eines veröffentlichten Werks zum Zwecke des Zitats zulässig, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Für den Fall, dass ein Werk oder ein Teil eines Werkes nach § 51 UrhG vervielfältigt oder öffentlich wiedergegeben wird, besteht nach Maßgabe von § 63 Abs. 1 und 2 UrhG die Verpflichtung zur Angabe der Quelle.

53

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, es fehle vorliegend unter anderem deswegen an einem Zitatzweck, weil die Beklagte die Texte des Klägers als PDF-Dateien zugänglich gemacht und damit ihre selbständige Kenntnisnahme und Verlinkung unabhängig von ihrer eigenen Berichterstattung ermöglicht habe. Eine solche selbständige öffentliche Zugänglichmachung sei jedenfalls bei den hier vorliegenden Textzitaten nicht vom Zitatrecht gedeckt, da der verfolgte Zitatzweck ohne den Zusammenhang mit dem Artikel der Beklagten fehle.

54

cc) Nach Ansicht des Senats ist es fraglich, ob eine Nutzung zum Zwecke des Zitats im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG voraussetzt, dass eine Nutzung dergestalt erfolgt, dass eine untrennbare Verbindung zwischen dem Medium, in dem das Zitat erfolgt, und dem zitierten Werk besteht.

55

(1) Allerdings kommt es nach der Rechtsprechung des Senats bei der Beurteilung der Schutzschranke gemäß § 51 UrhG maßgeblich darauf an, ob die Verwendung des fremden Werkes zum Zweck des Zitats geschieht. Die Zitatfreiheit soll die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken erleichtern. Sie gestattet es nicht, ein fremdes Werk nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Ebenso wenig reicht es aus, dass ein solches Werk in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt wird. Die Verfolgung eines Zitatzwecks erfordert vielmehr, dass der Zitierende eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellt und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. An einer solchen inneren Verbindung fehlt es regelmäßig, wenn das zitierende Werk sich nicht näher mit dem eingefügten fremden Werk auseinandersetzt, sondern es nur zur Illustration verwendet, es in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise einfügt oder anhängt oder das Zitat ausschließlich eine informierende Berichterstattung bezweckt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 - I ZR 212/10, GRUR 2012, 681 Rn. 12 und 28 = WRP 2012, 1418 - Blühende Landschaften, mwN; BGH, GRUR 2016, 368 Rn. 25 und 31 - Exklusivinterview).

56

(2) Der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG lässt sich zu der Frage der Anforderungen an die Verbindung zwischen dem zitierenden und dem zitierten Werk kein hinreichend klarer Anhaltspunkt entnehmen.

57

Der Senat neigt der Auffassung zu, dass maßgebliches Kriterium für die Annahme der seiner Ansicht nach erforderlichen inneren Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken des Zitierenden nicht die technische Frage ist, ob das Werk oder Teile davon in das zitierende Werk - beispielsweise durch Einrückungen oder Fußnoten - eingebunden wird. Als entscheidend sieht der Senat vielmehr an, ob der Zitierende mit dem fremden Werk eine innere Verbindung zu seinen Gedanken herstellt. Dies war vorliegend der Fall. Die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dokumente dienten klar erkennbar als Beleg für die Ausführungen der Verfasserin des Presseberichts und sollten es dem Leser ermöglichen, durch einen Textvergleich den Standpunkt der Autorin nachzuvollziehen, die zentrale Aussage des Aufsatzes des Klägers sei von den Änderungen im Buchbeitrag unberührt geblieben.

58

Auf den Umstand, dass die PDF-Dateien durch Eingabe der zugehörigen Internetadresse (URL) auch isoliert aufgerufen werden können und in einem solchen Fall ihre äußere Verbindung zum Bericht der Beklagten verlieren könnten, kommt es im Streitfall nicht an. Der Kläger wendet sich mit seiner vorliegenden Klage allein dagegen, dass sein Manuskript und der Buchbeitrag im inhaltlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Bericht "Volker Beck täuschte Öffentlichkeit über Pädophilie-Text" über die Internetseite "www.spiegel.de" öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Für eine von dem Bericht unabhängige öffentliche Zugänglichmachung der PDF-Dateien durch die Beklagte fehlt es an einer Begehungsgefahr. Die vom Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung geltend gemachte Gefahr einer "Dekontextualisierung", also die besonders bei einer selbständig abrufbaren Veröffentlichung durch Verlinkung im Internet drohende Gefahr, dass die streitgegenständlichen Texte ohne den Bericht der Beklagten verbreitet und in andere, dem Ansehen des Klägers abträgliche Zusammenhänge gestellt werden, muss als lediglich abstrakte Gefahr nach Ansicht des Senats bei der Auslegung der Schutzschranke des Zitatrechts außer Betracht bleiben.

59

(3) Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Die Schutzschranke des Zitatrechts ist nicht bereits deshalb nicht anwendbar, weil eine weitere Voraussetzung nicht gegeben ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es im Streitfall nicht bereits an einer für die Belegfunktion erforderlichen geistigen Auseinandersetzung mit den Werken des Klägers. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine geistige Auseinandersetzung im Artikel und seine innere Verbindung mit den Texten des Klägers überspannt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eignen sich die durch Verlinkung öffentlich zugänglich gemachten Dokumente als Beleg und Erörterungsgrundlage für die eigenen Gedanken der Autorin der Beklagten. Die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dokumente dienten als Beleg für die Ausführungen der Verfasserin des Presseberichts. Sie sollten es dem Leser ermöglichen, durch einen Textvergleich den Standpunkt der Autorin nachzuvollziehen, die zentrale Aussage des Aufsatzes des Klägers sei von den Änderungen im Buchbeitrag unberührt geblieben. Aufgrund des dadurch untermauerten Vorwurfs der Unaufrichtigkeit des Klägers war die Wiedergabe der Dokumente auch nicht ausschließlich auf eine informierende Berichterstattung gerichtet.

60

e) Im Streitfall stellt sich schließlich die klärungsbedürftige Frage, wann ein Werk im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde (Vorlagefrage 6).

61

aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk betreffen, das der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde. Es stellt sich die Frage, nach welchen Maßstäben zu beurteilen ist, ob ein zitiertes Werk bereits der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemacht wurde.

62

bb) Der deutsche Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang in § 51 UrhG darauf abgestellt, ob das zitierte Werk bereits veröffentlicht war. Ein Werk ist veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist (§ 6 Abs. 1 UrhG).

63

cc) Vor diesem Hintergrund möchte der Senat bei der Beurteilung der Frage, ob das von der Beklagten auf ihrer Internetseite veröffentlichte Manuskript und der Buchbeitrag bereits zuvor der Öffentlichkeit zugänglich gemacht waren, darauf abstellen, ob diese Werke mit Zustimmung des Klägers zuvor bereits veröffentlicht waren. Dabei sollte bei der Frage nach dem Gegenstand der bereits erfolgten Veröffentlichung auf das Werk in der konkreten Gestalt abgestellt werden, die der Urheber dafür vorgesehen hat.

64

(1) Für eine solche Auslegung spricht, dass der Urheber in seinem Werk seine Anschauungen preisgibt, mit denen er sich der öffentlichen Kenntnisnahme und Kritik aussetzt. Deshalb soll er bestimmen können, ob er den Schritt von der Privatsphäre in die Öffentlichkeit tut und in welcher Form er sein Werk und damit sich selbst der Öffentlichkeit offenbart (vgl. Dietz/Peukert in Schricker/Loewenheim aaO § 12 UrhG Rn. 1; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 12 UrhG Rn. 2; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 12 Rn. 1; Mann, AfP 2015, 295, 297). (Erst) mit der Veröffentlichung steht ein Werk nicht mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung, sondern tritt bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut (vgl. BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 - Germania 3).

65

(2) Die Frage, ob im Streitfall maßgeblich ist, dass die Werke des Klägers in ihrer konkreten Form mit seiner Zustimmung zuvor bereits veröffentlicht waren, ist entscheidungserheblich. Der Buchbeitrag des Klägers ist in dem Sammelband lediglich in einer geänderten Form erschienen. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Kläger - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die Publikation des Buchbeitrags nach den Umständen des Streitfalls genehmigt hat. Im Hinblick auf das Manuskript ist zu prüfen, ob es in der Form des Buchbeitrags, durch Übersendung an verschiedene Zeitungsredaktionen oder durch die zusammen mit den Distanzierungsvermerken erfolgte Veröffentlichung auf der Internetseite des Klägers mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Büscher     

      

Schaffert     

      

Kirchhoff

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

(1) Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes, insbesondere auch einer Melodie, dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung im Sinne des Satzes 1 vor.

(2) Handelt es sich um

1.
die Verfilmung eines Werkes,
2.
die Ausführung von Plänen und Entwürfen eines Werkes der bildenden Künste,
3.
den Nachbau eines Werkes der Baukunst oder
4.
die Bearbeitung oder Umgestaltung eines Datenbankwerkes,
so bedarf bereits das Herstellen der Bearbeitung oder Umgestaltung der Zustimmung des Urhebers.

(3) Auf ausschließlich technisch bedingte Änderungen eines Werkes bei Nutzungen nach § 44b Absatz 2, § 60d Absatz 1, § 60e Absatz 1 sowie § 60f Absatz 2 sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden.

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten,

von seiner unter der URL

abrufbaren Webseite auf die URL

- URL-Webseite entfernt -

zu verlinken,

wenn dort die nachfolgend wiedergegebene Fotografie tatsächlich ohne Einwilligung des Antragstellers öffentlich zugänglich gemacht ist:

Abbildung

soweit nicht der Antragsgegner aufgrund von im Streitfall von ihm darzulegenden und zu beweisenden Umständen berechtigte Veranlassung zur Annahme hat, eine entsprechende Einwilligung sei vom Antragsteller erteilt worden.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf € 6.000,- festgesetzt.

Gründe

1

Die vorliegende Entscheidung ist auf Antrag des Antragstellers im Wege der einstweiligen Verfügung gem. §§ 935 ff., 922 ZPO ergangen. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.

´

2

Der Verfügungsantrag ist zulässig und begründet.

1.

3

Das Landgericht Hamburg ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Gegenstand ist die Zugänglichmachung eines Bildes durch Verlinkung im Internet. Für den Erfolgsort ist auf die Abrufbarkeit vorliegend der Verlinkung abzustellen. Der Link war bundesweit abrufbar.

2.

4

Der Antragsteller hat die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus § 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19a und § 23 S. 1 UrhG dargelegt und glaubhaft gemacht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Einlassungen des Antragsgegners vom 07.10.2016 (Anlage ASt 9 zur Antragsschrift).

a)

5

Verfügungsmuster ist folgendes vom Antragsteller auf der Plattform W. C. veröffentlichtes Foto:

Abbildung

6

Dieses Foto ist urheberrechtlich geschützt als Lichtbildwerk, § 2 I Nr. 5, II UrhG.

b)

7

Der Antragsteller ist Urheber. Das ist glaubhaft gemacht durch Vorlage eines Screenshots von W., in welchem der Antragsteller als Urheber bezeichnet ist (vgl. Anlage ASt 4). Zusätzlich hat der Antragsteller seine Urheberschaft an Eides statt versichert (Anlage ASt 9).

8

Der Antragsteller ist auch aktivlegitimiert. Als Urheber steht ihm das ausschließliche Verwertungsrecht des § 19a UrhG an dem Foto zu; das Recht umfasst auch die Nutzung in umgestalteter Form, § 23 S. 1 UrhG. Soweit der Antragsteller selbst einräumt, durch die Veröffentlichung auf W. Lizenzierungen unter der sog. creative commons-Lizenz, wie aus Anlage ASt 10 ersichtlich, anzubieten, so handelt es sich lediglich um die Einräumung einfacher Nutzungsrechte (vgl. Ziffer 3 der Lizenzbedingungen).

c)

9

In das Verwertungsrecht des Antragstellers nach § 19a UrhG, hier in Verbindung mit § 23 S. 1 UrhG, hat der Antragsgegner durch die streitgegenständliche Verlinkung eingegriffen worden.

10

Nach § 19a UrhG umfasst das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der Infosoc-Richtlinie1; diese Vorschrift bestimmt: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“ Zur insofern beachtlichen Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Infosoc-Richtlinie hat der EuGH (NJW 2016, 3149 ff.) ausgeführt, dass das Setzen eines Hyperlinks unter bestimmten Umständen den Tatbestand einer öffentlichen Wiedergabe eines Werkes, auf das verlinkt wird, erfüllt. Die dafür generell maßgeblichen Kriterien hat der EuGH wie folgt zusammengefasst:

11

[Tz. 32] So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ zwei kumulative Tatbestandsmerkmale vereint, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und seine „öffentliche“ Wiedergabe (Urteile vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 16, vom 19. November 2015, SBS Belgium, C-325/14, EU:C:2015:764, Rn. 15, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C-117/15, EU:C:2016:379, Rn. 37).

12

[Tz. 33] Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ eine individuelle Beurteilung erfordert (vgl. Urteil vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, in Bezug auf den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums [ABl. 2006, L 376, S. 28], dem in dieser Richtlinie dieselbe Bedeutung zukommt wie in der Richtlinie 2001/29 [vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2016, Reha Training, C-117/15, EU:C:2016:379, Rn. 33]).

13

[Tz. 34] Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (Urteile vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 79, vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 30, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C-117/15, EU:C:2016:379, Rn. 35).

14

[Tz. 35] Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof als Erstes die zentrale Rolle des Nutzers und der Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben. Dieser Nutzer nimmt nämlich eine Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn ohne dieses Tätigwerden die Kunden das ausgestrahlte Werk grundsätzlich nicht empfangen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 31).

15

[Tz. 36] Als Zweites hat er festgestellt, dass „Öffentlichkeit“ begrifflich eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungsempfänger bedeutet und ferner aus recht vielen Personen bestehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 33).

16

[Tz. 37] Darüber hinaus ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder, ansonsten, für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten (Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 24, und Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International, C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

[Tz. 38] Als Drittes hat der Gerichtshof entschieden, dass es nicht unerheblich ist, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631, Rn. 204, vom 15. März 2012, SCF, C-135/10, EU:C:2012:140, Rn. 88, und vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C-162/10, EU:C:2012:141, Rn. 36).

18

[Tz. 39] Anhand insbesondere dieser Kriterien ist zu prüfen, ob in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens das Setzen eines Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt.

19

Der EuGH hat sodann in Abgrenzung zu seiner voraufgegangenen Rechtsprechung hervorgehoben, dass eine Verlinkung eine rechtswidrige öffentliche Wiedergabe eines Werkes sein kann, wenn diejenige anderweitige öffentliche Zugänglichmachung des Werkes, auf die verlinkt wird, ihrerseits nicht von einer Genehmigung des Rechteinhabers getragen ist:

20

[Tz. 40] Insoweit ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C-466/12, EU:C:2014:76), Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin ausgelegt hat, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Die gleiche Auslegung wurde auch im Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International (C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), für ein solches Verlinken unter Verwendung der Framing-Technik vorgenommen.

21

[Tz. 41] Aus der Begründung dieser Entscheidungen geht jedoch hervor, dass sich der Gerichtshof darin nur zum Setzen eines Hyperlinks zu Werken äußern wollte, die auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich gemacht worden waren. Denn in diesen Entscheidungen verneinte der Gerichtshof das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe deshalb, weil die fragliche Wiedergabe nicht für ein neues Publikum erfolgt war.

22

[Tz. 42] In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein solcher Hyperlink, da er und die Website, auf die er verweist, nach demselben technischen Verfahren, nämlich im Internet, Zugang zu dem geschützten Werk verschaffen, an ein neues Publikum gerichtet sein muss. Ist dies nicht der Fall, insbesondere weil das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, kann die betreffende Handlung nicht als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Website, auf die durch den Hyperlink zugegriffen werden kann, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 24 bis 28, sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International, C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315, Rn. 15, 16 und 18).

23

[Tz. 43] Daher kann weder aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a. (C-466/12, EU:C:2014:76), noch aus dem Beschluss vom 21. Oktober 2014, BestWater International (C-348/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2315), abgeleitet werden, dass das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich gemacht wurden, aber ohne dass hierfür die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorlag, grundsätzlich nicht unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fällt. Diese Entscheidungen bestätigen vielmehr die Bedeutung einer solchen Erlaubnis in Anbetracht dieser Bestimmung, die gerade vorsieht, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks von dem Urheberrechtsinhaber erlaubt werden muss.

24

Zur Frage, ob eine rechtswidrige öffentliche Wiedergabe voraussetzt, dass derjenige, der den Hyperlink setzt, Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung haben muss, führt der EuGH aus:

25

[Tz. 47] Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.

26

[Tz. 48] Wenn auch in einem solchen Fall der Betreffende das Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 18 bis 23), handelt er doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Überdies konnte, wenn das fragliche Werk bereits ohne Zugangsbeschränkung im Internet auf der Website verfügbar war, zu der der Hyperlink Zugang gibt, grundsätzlich das gesamte Internetpublikum darauf bereits auch ohne diese Handlung zugreifen.

27

[Tz. 49] Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft - weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde -, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.

28

[Tz. 50] Ebenso verhält es sich, wenn es der Link den Nutzern der ihn offerierenden Website ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der das geschützte Werk enthaltenden Website getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken, da es sich bei der Platzierung eines solchen Links dann um einen bewussten Eingriff handelt, ohne den die Nutzer auf die verbreiteten Werke nicht zugreifen könnten (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C-466/12, EU:C:2014:76, Rn. 27 und 31).

29

[Tz. 51] Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.

30

[Tz. 52] Jedoch wird mangels eines neuen Publikums keine „öffentliche“ Wiedergabe im Sinne dieser Vorschrift in dem oben in den Rn. 40 bis 42 erörterten Fall vorliegen, in dem die Werke, zu denen die Hyperlinks Zugang geben, auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich sind.

31

[Tz. 53] Eine solche Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 stellt das mit der Richtlinie bezweckte erhöhte Schutzniveau der Urheber sicher. Nach dieser Auslegung und in den durch Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie festgelegten Grenzen können Urheberrechtsinhaber nämlich nicht nur gegen die ursprüngliche Veröffentlichung ihres Werks auf einer Website vorgehen, sondern auch gegen jede Person, die zu Erwerbszwecken einen Hyperlink zu einem unbefugt auf dieser Website veröffentlichten Werk setzt, sowie ebenso gegen Personen, die unter den in den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils dargelegten Voraussetzungen solche Links ohne Erwerbszwecke gesetzt haben. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass diese Rechtsinhaber unter allen Umständen die Möglichkeit haben, solche Personen über die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung ihrer Werke im Internet zu informieren und gegen diese vorzugehen, falls sie sich weigern, diesen Link zu entfernen, ohne dass sie sich auf eine der Ausnahmen dieses Art. 5 Abs. 3 berufen könnten.

32

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend von einer das Recht aus § 19a UrhG verletzenden Linksetzung seitens des Antragsgegners auszugehen:

(1)

33

Die Verletzungshandlung des Antragsgegners besteht in der Linksetzung auf der von ihm betriebenen (vgl. Impressum ASt 2) Internetseite . Auf der dortigen Unterseite fand sich der Satz:

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

34

Das Wort „UFO-Akten“ war mit einem Link mit dem aus Anlage ASt 7 zur Antragsschrift ersichtlichen und dadurch glaubhaft gemachten Quelltext unterlegt, der zu der URL

35

- URL-Weseite entfernt -

36

führte, unter der folgende Internetseite aufrufbar war:

Abbildung

(2)

37

Die auf diese Weise verlinkte, vorstehend wiedergegebene Internetseite enthält die öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) einer Umgestaltung des Verfügungsmusters i.S.v. § 23 S. 1 UrhG.

38

Nach § 23 S. 1 UrhG dürfen Umgestaltungen eines Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers des umgestalteten Werkes verwertet werden. Zu den Verwertungen in diesem Sinne zählt auch die Verwertung in Form der öffentlichen Zugänglichmachung. Einwilligungspflichtig in diesem Sinne sind solche Bearbeitungen oder Umgestaltungen, die sich nicht als freie Benutzungen i.S.v. § 24 I UrhG darstellen. Eine freie Benutzung liegt nur dann vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten Werks verblassen.

39

Dass es sich bei der oben wiedergegebene Abbildung um eine Umgestaltung der zugrunde liegenden Gebäudefotografie des Antragstellers handelt, ist aus einem optischen Vergleich mit dem Verfügungsmuster leicht ersichtlich. Eine Veränderung ist in der Form vorgenommen, als in den Himmel verschiedene UFO-artige Flugobjekte eingefügt worden sind. Diese Umgestaltung war keine freie Benutzung, denn die das Verfügungsmuster prägenden Züge verblassen in ihr nicht. Das Verfügungsmuster zeichnet sich durch eine individuell-schöpferische Darstellung des abgebildeten Gebäudes aus. Die in der professionell-dokumentarischen Architekturfotografie vielfach bewusst vermiedenen stürzenden Linien betonen im Verfügungsmuster den von unten nach oben gerichteten Blickwinkel und damit die Höhe und Größe des abgebildeten Gebäudes; sie verstärken optisch den schon in der Architektur selbst angelegten Eindruck einer Erhabenheit wie auch des Rückbezugs der Säulenarchitektur auf antike Vorbilder. Diese Gestaltungselemente treten in der Umgestaltung keineswegs in den Hintergrund, sondern werden bewusst ausgenutzt, indem die UFOs perspektivisch passend in Untersicht dargestellt werden und in ihrer geometrisch-futuristischen Schlichtheit in starken Kontrast zu der verzierten Säulenarchitektur treten. Damit war die Zugänglichmachung der Umgestaltung als Verwertung i.S.v. § 23 S. 1 UrhG von der Zustimmung des Antragstellers abhängig.

(3)

40

Die Verlinkung des Antragsgegners auf die Zugänglichmachung der Umgestaltung war ihrerseits eine eigene öffentliche Wiedergabe dieser Umgestaltung im Sinne der zitierten EuGH-Rechtsprechung.

(a)

41

Die vom EuGH aufgestellten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe durch Verlinkung sind erfüllt.

42

Der EugH stellt a.a.O. in Tz. 37 für die neue öffentliche Wiedergabe darauf ob, ob der Zugriff für ein neues Publikum eröffnet wird, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Zwar führt der EuGH a.a.O. in Tz. 52 aus, es liege kein Fall einer öffentlichen Wiedergabe in den in Tz. 40-42 erörterten Fällen vor, in denen die Werke, zu denen die Hyperlinks Zugang geben, auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich seien. Durch das Kriterium, „die Werke“ müssten anderweitig bereits zugänglich sein, wird jedoch deutlich, dass es auf die konkrete Werkfassung ankommt.

43

Entscheidend ist also vorliegend, ob der Antragsteller seine Zustimmung zu einer frei zugänglichen anderweitigen Zugänglichmachung gerade auch der Umgestaltung („UFO-Fassung“) seines Lichtbildwerks gegeben hatte. Das war aber nicht der Fall, denn die einzige anderweitige bisher ersichtliche Zugänglichmachung ist diejenige, auf die der Antragsgegner verlinkt hatte. Diese Zugänglichmachung ist nicht mit Zustimmung des Antragstellers erfolgt.

44

Das gilt selbst dann, wenn man zugunsten des Antragsgegners unterstellt, dass der Betreiber der genannten Seite das der Umgestaltung zugrunde liegende Verfügungsmuster über die Internetseite W. C. unter Berufung auf die dortige creative commons-Lizenz erworben haben sollten. Die dortigen Lizenzbedingungen sind nicht eingehalten. Zwar gestatten die Creative Commons-Lizenzbedingungen gem. ASt 10 in Ziffer 3.b) auch die Anfertigung von Abwandlungen und gem. Ziffer 3.d) auch das öffentliche Zeigen solcher Abwandlungen; jedoch verlangt Ziffer 3.b) i.V.m. Ziffer 4.b)i., dass deutlich erkennbar gemacht worden sein muss, dass es sich um Abwandlungen handelt, und dies ist vorliegend nicht der Fall (zwar mag der Betrachter davon ausgehen, dass es sich nicht um tatsächliche „UFOs“, sondern um eine Bildmontage handelt; er kann daraus allein aber nicht erkennen, dass die Monate nicht vom originären Bildrechtsinhaber stammt, sondern später von anderer Seite hinzugefügt worden ist). Ferner ist die Lizenzbedingung nach Ziffer 4.c)i. und iv. nicht eingehalten, dass auf den Urheber und die Abwandlung in geeigneter Form hingewiesen werden muss. Rechtfolge des Verstoßes ist das Erlöschen der Lizenz, Ziffer 7.a).

(b)

45

Auch die vom EuGH zusätzlich aufgestellten subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe durch Verlinkung sind vorliegend erfüllt.

46

Die vom EuGH a.a.O. in den Rz. 45-53 angestellten Erwägungen dienen ersichtlich der Beschränkung des Tatbestandes einer öffentlichen Zugänglichmachung durch Linksetzung (da die Zugänglichmachung auch schon durch den Dritten und damit unabhängig von der Verlinkung verfügbar ist, vgl. a.a.O. Tz. 48 am Ende). Der EuGH nimmt daher grundsätzlich nur dann als eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe an, wenn die Linksetzung schuldhaft in dem Sinne erfolgt, dass der Linksetzer um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung „wusste oder hätte wissen müssen“ (a.a.O. Tz. 49), wobei letzteres ersichtlich auch Fälle der Fahrlässigkeit erfassen soll. Damit macht der EuGH im Falle der Linksetzung den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe von einem Verschulden des Linksetzers abhängig. Tz. 51 macht sodann deutlich, dass für denjenigen, der mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, ein strengerer Verschuldensmaßstab gilt: Ihm wird zugemutet, sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, wobei die widerlegliche Vermutung einer Kenntnis der fehlenden Erlaubnis bestehe.

47

Vorliegend ist die Linksetzung durch den Antragsgegner als mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt zu bewerten. Zwar definiert der EuGH a.a.O. Tz. 51 nicht, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen, so dass sich die Frage stellen kann, ob gerade die Linksetzung als solche, der Betrieb der konkreten Unterseite mit dem Link oder der Betrieb des Internetauftritts insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Die Kammer versteht die EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht in einem engen Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabzielungsabsicht ja lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind. Diese Zumutbarkeit hängt aber nicht allein davon ab, ob mit der Linksetzung unmittelbar Gewinne erzielt werden sollen, sondern nur davon, ob die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftritts erfolgt, der insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient. Letzteres kann vorliegend bejaht werden, denn der Antragsgegner bietet im Rahmen seines Internetauftritts im Eigenverlag vertriebenes Lehrmaterial entgeltlich an.

48

Dass der Antragsgegner vorliegend nicht wusste, dass die verlinkte Zugänglichmachung rechtswidrig erfolgte, beruht auf seinem Verschulden; ihm ist diesbezüglich bedingter Vorsatz vorzuwerfen. Die ihm zumutbaren Nachforschung zur Frage der Rechtmäßigkeit der Zugänglichmachung hat der Antragsgegner in vorwerfbarer Weise unterlassen. Der Antragsgegner hat selbst in seinem Schreiben vom 07.10.2016 (Anlage ASt 9) erklärt: „Allerdings wäre ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen, beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat, oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sah ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.“ Der Antragsgegner führt weiter aus, dass er vom zitierten EuGH-Urteil Kenntnis gehabt habe, aber auch dieses nicht zum Anlass für Nachforschungen genommen habe, weil er es für grundgesetzwidrig und für mit der EU-Grundrechtecharta unvereinbar halte. Diese Ausführung belegen zur Überzeugung der Kammer, dass der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung der Umgestaltung zumindest billigend in Kauf genommen hat.

49

Die vom Antragsgegner geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit der EuGH-Rechtsprechung mit nationalen und EU-weiten Grundrechten teilt die Kammer nicht, denn in der ausführlichen Begründung des EuGH wird deutlich, dass die von ihm aufgestellten Kriterien gerade einem die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden individuellen Ausgleich zwischen den Eigentumsinteressen des Urhebers einerseits und den Kommunikationsinteressen des Linksetzenden andererseits dienen sollen.

50

Dem Umstand aber, dass der EuGH die Verletzungshandlung vom subjektiven Tatbestandselement einer Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit abhängig macht (wobei im Falle des Antragsgegners aber die von ihm zu widerlegende Vermutung einer entsprechenden Kenntnis eingreift), trägt die Kammer insofern Rechnung, als sie in den Tenor der Unterlassungsverfügung den Zusatz aufgenommen hat: „soweit nicht der Antragsgegner aufgrund von im Streitfall von ihm darzulegenden und zu beweisenden Umständen berechtigte Veranlassung zur Annahme hat, eine entsprechende Einwilligung sei vom Antragsteller erteilt worden.“

d)

51

Die vom Antragsgegner vorgenommene Verlinkung war rechtswidrig.

52

Dem Antragsgegner war insofern kein Nutzungsrechtsrecht vom Antragsteller eingeräumt worden. Auf die creative commons-Lizenz gem. ASt 10 kann sich der Antragsgegner nicht berufen, weil bereits die verlinkte Zugänglichmachung der Umgestaltung diese Lizenzbedingungen nicht einhält und der Antragsgegner im Zusammenhang mit seiner Linksetzung die fehlenden Informationen nicht nachholt (ob eine Nachholung zur Rechtmäßigkeit zumindest der Linksetzung geführt hätte, lässt die Kammer offen, erscheint aber als zweifelhaft).

e)

53

Die widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung, dass es zu einer wiederholten Verletzung kommen kann. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre grundsätzlich - neben dem erfolgten Löschen des Links aus dem Internet - die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen. Der Antragsgegner hat auf die vorgerichtliche Abmahnung hin keine solche Unterlassungserklärung abgegeben.

3.

54

Die für das einstweilige Verfügungsverfahren erforderliche besondere Eilbedürftigkeit ist gegeben.

55

Insbesondere hat der Antragsteller die Sache seit Kenntniserlangung auch selbst zügig betrieben. Der Antragsteller hat vorgetragen und glaubhaft gemacht (ASt 9), von der streitgegenständlichen Verlinkung erstmals am 27.09.2016 Kenntnis erlangt zu haben. Nach Abmahnung vom 06.10.2016 (ASt 8) und Weigerung des Antragsgegners, eine UVE abzugeben, am 07.10.2016 (ASt 9) hat der Antragsteller bereits unter dem 19.10.2016 Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt und auf die Auflage einer ergänzenden Glaubhaftmachung am 08. bzw. 11.11.2016 fristgemäß reagiert.

4.

56

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

57

Der Gegenstandswert ist nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO geschätzt worden. Bei dieser Schätzung ist das Gericht von der Einschätzung des Antragstellers betreffend sein Unterlassungsinteresse ausgegangen. Zwar handelt es sich bei der angegriffenen Verletzungshandlung nur um eine Verlinkung; gleichwohl ist diese - wie ausgeführt - rechtlich als eigene Zugänglichmachung zu bewerten. Hinzu kommt vorliegend, dass das Verfügungsmuster in nach § 23 UrhG unfreier Form verwendet worden ist, was den Angriffsfaktor erhöht. Daher erscheint ein Streitwert von EUR 6.000,00 (noch) als angemessen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.