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| Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). |
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| Zwischen den Parteien bzw. ihren Rechtsvorgängern bestand seit 1971 ein unbefristeter Mietvertrag über eine im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses ... Freiburg gelegene 3-Zimmer-Wohnung (ca. 100 m²) nebst (später dazu gekommenen) 2 Büroräumen im Keller (ca. 25 m²). Die Mutter der Klägerinnen war zunächst auf Vermieterseite in dieses Mietverhältnis eingetreten. Zu einem unbekannten Zeitpunkt verschenkte sie die Immobilie an ihre Töchter, die Klägerinnen, zu hälftigem Miteigentum, wobei ihr bis zu ihrem Tod am 09.06.2012 ein Nießbrauch am Anwesen zustand. |
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| Zwischen den Parteien ist im Einzelnen umstritten, in welchem Umfang die Beklagten im Laufe der Jahre Investitionen in das Anwesen getätigt oder Verwaltungsaufgaben übernommen haben und welche Beträge hierfür von der Vermieterin - bis zum Jahr 2005 war dies allein die verstorbene Mutter der Klägerinnen - erstattet wurden. Unbestritten ist insoweit allerdings, dass die Beklagten die Kosten für die Erneuerung der Heizungsanlage im Mietobjekt in Höhe von ca. 10.000,00 EUR bezahlten. |
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| Am 12.12.2000 schloss die verstorbene Mutter der Klägerinnen mit den Beklagten folgende Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 01.09.1971: |
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„Zu Paragraph 2 (Mietzeit) wird mit Wirkung vom 01.01.2001 folgende Änderung vereinbart: |
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Der Mietvertrag ist v.S. des Vermieters unkündbar. |
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Als Gegenleistung verpflichtet sich der Mieter folgende ihm übertragene Aufgaben wahrzunehmen: |
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1. Erstellung der Nebenkostenabrechnung für alle Mieter. |
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2. Erledigung aller anfallenden Arbeiten bei Mieterwechsel. |
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3. Bestellung der Handwerker und Vergabe der Arbeiten bei Instandsetzung und Reparaturen nach vorheriger Absprache mit Eigentümer. |
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4. Pflege der Außenanlage, Überwachung der Hausordnung.“ |
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| Am 14.10.2005 wurde sodann ein neuer Mietvertrag geschlossen (I, 9 ff), der u.a. in einer Präambel festhält: |
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| „Im Laufe der bisherigen Mietzeit nahmen die Mieter erhebliche Instandsetzungen und Instandhaltungen bis hin zu baulichen Veränderungen bzw. der Einrichtung von zwei Büroräumen mit Zustimmung der Vermieter vor. Zuletzt bezahlten die Mieter die Kosten der Erneuerung der Heizungsanlage in dem Mietobjekt. Die Parteien möchten die bisherigen Vertragsgrundlagen durch diesen Vertrag ersetzen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die erheblichen wertverbessernden Investitionen der Mieter.“ |
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| § 3 (Mietzeit) des neuen Vertrages lautet: |
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| „Im Hinblick auf die von den Mietern vorgenommenen Wertverbesserungen sowie die Tragung der Heizungsanlagen wird der Mietvertrag auf Lebenszeit geschlossen. Das Mietverhältnis beginnt am 01.11.2005.“ |
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| Im Rubrum des zuletzt genannten Mietvertrages sind die Beklagten als Mieter und die Klägerinnen sowie deren Mutter als Vermieter aufgeführt. Der Vertrag ist auf Mieterseite von beiden Beklagten unterzeichnet. Auf der Vermieterseite ist der Vertrag von beiden Klägerinnen sowie von der Klägerin zu 2 noch einmal mit dem Zusatz „i.V.“ unterzeichnet worden. |
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| Die Klägerinnen sind der Ansicht, der Vertrag verstoße gegen § 575 Abs. 1 BGB. Zudem sei die Schriftform nicht eingehalten, da die Klägerin Ziffer 2 keine Vertretungsmacht für ihre Mutter gehabt habe. Schließlich sei nicht erkennbar, auf wessen Lebenszeit der Vertrag geschlossen werden sollte. Sie erhoben Klage mit dem Ziel festzustellen, dass das Mietverhältnis als ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Mietverhältnis zu qualifizieren ist. |
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| Das Amtsgericht wies die Klage durch das angefochtene Urteil mit der Begründung ab, ein Vertrag auf Lebenszeit des Mieters, der hier eindeutig vorliege, verstoße nicht gegen § 575 BGB. Ein mögliches Fehlen der Vertretungsmacht der Klägerin Ziffer 2 hätte lediglich zur Folge, dass die Mutter der Klägerinnen nicht Vertragspartnerin geworden sei. |
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| Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Berufung unter Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich vertretenen Auffassung. Insbesondere gelte das Mietverhältnis nach § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. |
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| Die Klägerinnen beantragen: |
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| 1. Das Urteil des Amtsgerichts Freiburg, Az. 53 C 1436/12, vom 16.11.2012 wird aufgehoben. |
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| 2. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis der Beklagten/Berufungsbeklagten über die von ihnen bewohnte Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens ... Freiburg, als ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Mietverhältnis zu qualifizieren ist. |
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| Die Beklagten beantragen: |
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| Die Berufung wird zurückgewiesen. |
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| Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. |
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| Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung ist nicht begründet. |
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| Mit Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass der zulässige (BGH NJW 2001, 221 ff) Feststellungsantrag nicht begründet ist. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich die Kammer nach Prüfung zu eigen macht, wird zunächst Bezug genommen. |
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| Nicht zu beanstanden ist zunächst einmal die Feststellung des Amtsgerichts, wonach es für die Frage der Einhaltung der Schriftform unerheblich ist, ob die Klägerin Ziffer 2 bei der Unterzeichnung des Mietvertrages von ihrer Mutter wirksam bevollmächtigt oder sonst zur Vertretung berechtigt war (MünchKommBGB/Bieber § 550 Rn 10) und ein mögliches Fehlen der Vertretungsmacht, unabhängig davon, ob das weitere Verhalten der Mutter der Klägerinnen als Genehmigung auszulegen ist, allenfalls zur Folge hätte, dass die Mutter der Klägerinnen nicht wirksam Vertragspartei geworden ist. Soweit die Klägerinnen mit ihrer Berufung erstmals geltend machen, es lägen die Voraussetzungen des § 155 BGB vor, da ohne wirksame Einbeziehung ihrer Mutter in den Vertrag dieser nicht geschlossen worden wäre, fehlt es schon an der Darlegung der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO für die Zulassung dieses neuen Vortrags. Er ist im Übrigen unerheblich, nachdem es den Beklagten aufgrund des fortgeschrittenen Alters ihrer Vermieterin offensichtlich gerade auf den Abschluss eines Mietvertrages mit den Klägerinnen ankam, was für diese auch ohne weiteres erkennbar war. Mögliche Anfechtungsansprüche können die Klägerinnen nicht mehr geltend machen. |
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| Nicht zu beanstanden ist auch die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung von § 3 des streitgegenständlichen Mietvertrages. Dass der Mietvertrag auf Lebenszeit der Beklagten und nicht auf die Lebenszeit der Mutter der Klägerinnen abgeschlossen worden ist, ergibt sich eindeutig sowohl aus der Präambel des Mietvertrages als auch aus dem Text der Klausel selbst. Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts wird Bezug genommen. |
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| Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, wonach der Abschluss eines Mietvertrages auf Lebenszeit des Mieters nicht gegen § 575 BGB verstößt, auch wenn es hierauf letztlich zur Entscheidung des vorliegenden Falles nicht ankommt. |
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| Nach herrschender und zutreffender Ansicht ist ein auf Lebenszeit einer Partei geschlossener Mietvertrag, ein befristeter, auf bestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag i.S.d. § 575 BGB (Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Auflage, X, 120; Bay.ObLG NJW-RR 1993, 1164). Nach verbreiteter und von der Kammer geteilter Ansicht verbietet der Zweck des § 575 BGB - Schutz des Mieters vor dem Verlust der Wohnung - jedoch dessen Anwendung auf Mietverhältnisse die auf Lebenszeit des Mieters geschlossen sind (Blank/Börstinghaus, Miete, § 575 Rn 87; Schmidt-Futterer/Lammel § 544 Rn 4; Schmidt-Futterer/Blank § 575 Rn 80; Staudinger/Rolfs [2011] § 575 Rn 8; aA: MünchKommBGB/Häublein § 575 Rn 11; Palandt/Weidenkaff § 544 Rn 3; vgl. auch: Hinz NZM 2003, 659; Sternel X, 121). |
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| Letztlich kommt es vorliegend auf die Entscheidung der angesprochenen Streitfrage jedoch nicht an. Eine Berufung der Klägerinnen auf die Unwirksamkeit des Zeitmietvertrages wäre nämlich vorliegend jedenfalls treuwidrig i.S.d. § 242 BGB. |
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| Die Unwirksamkeit einer von § 575 BGB zum Nachteil des Mieters abweichenden Vereinbarung ergibt sich unmittelbar aus § 575 Abs. 4 BGB, weshalb § 134 BGB wegen des Vorrangs dieser spezielleren Norm nicht zur Anwendung kommt (MünchKommBGB/Armbrüster § 134 Rn 3). Die zu § 134 BGB von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind jedoch auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 575 Abs. 4 BGB anwendbar. So kann die Berufung auf eine Unwirksamkeit oder (Teil-) Nichtigkeit im Einzelfall treuwidrig sein (allgemein hierzu: Staudinger/Sack/Seibel [2011] § 134 Rn 187 ff). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn sich aus dem Zweck eines Verbotsgesetzes ergibt, dass die Möglichkeit, die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit geltend zu machen, auf jene Person beschränkt ist, zu deren Schutz ein Verbot erlassen worden ist (MünchKommBGB/Armbrüster § 134 Rn 111, der dies unter den Begriff der „relativen Nichtigkeit“ fasst). |
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| Die Beschränkung auf bestimmte Befristungsgründe in § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB dient dem Schutz des Mieters und nicht demjenigen des Vermieters. Insbesondere soll hierdurch ein Missbrauch zur Umgehung der dem Mieterschutz dienenden Kündigungsvorschriften durch Abschluss von Zeitmietverträgen ausgeschlossen werden (BT-Dr 14/4553 = NZM 2000, 415 ff [450]). Die Neuregelung sollte damit lediglich verhindern, dass das Wohnraummietverhältnis allein durch Zeitablauf endet, ohne dass der Mieter Kündigungsschutz genießt; der Mieter sollte somit vor dem Verlust der Wohnung, nicht aber vor einer längeren Bindung an den Vertrag geschützt werden (BGH, Urteil vom 13.10.2010 - VIII ZR 98/10 - unter II 3). |
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| Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass das Mietverhältnis bei Abschluss des neuen Vertrages bereits seit 34 Jahren bestand. Ein (ordentliches) Kündigungsrecht des Vermieters war schon durch die Zusatzvereinbarung vom 12.12.2000, bei der es sich um eine Individualvereinbarung handelt, wirksam ausgeschlossen. Damit stünden die Beklagten bei einer Unwirksamkeit der Befristung im neuen Mietvertrag schlechter dar, als nach der davor bestehenden Regelung. Dies würde aber dem aus der Präambel erkennbar verfolgten Zweck der Neuregelung widersprechen. |
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| Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere des Schutzzwecks von § 575 Abs. 4 BGB, ist es daher treuwidrig, wenn sich die Klägerinnen auf diese Vorschrift berufen, selbst wenn entgegen der oben vertretenen Rechtsauffassung der Abschluss eines Mietvertrages auf Lebenszeit der Mieter unwirksam wäre. |
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| Die Anwendung des § 242 BGB beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Die Rechtssache hat daher keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 ZPO. |
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