Landgericht Flensburg Urteil, 13. Apr. 2018 - 2 O 227/17

ECLI:ECLI:DE:LGFLENS:2018:0413.2O227.17.00
13.04.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 6.850,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von dem beklagten Land (nachfolgend: „der Beklagte“) weitere Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit den gegen ihn verhängten Strafverfolgungsmaßnahmen.

2

Im Jahr 2014 eröffnete die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Brandstiftung. In dem Zusammenhang erließ das Amtsgericht Lübeck am 10.12.2014 Haftbefehl gegen den Kläger, welcher am 11.12.2014 vollzogen wurde.

3

Nach Vorführung des Klägers am Folgetag, am 12.12.2014, hielt der Haftrichter den Haftbefehl aufrecht und veranlasste die Überführung des Klägers in die Untersuchungshaft.

4

Am 7.1.2015 fand beim Amtsgericht Lübeck der Termin zur mündlichen Haftprüfung statt. Mit Beschluss vom 9.1.2015 setzte das zuständige Gericht den Haftbefehl außer Vollzug und erteilte dem Kläger folgende Auflagen (vgl. Klage, S. 3; Bl. 5 d.A.):

5

“Der Beschuldigte hat unverzüglich Wohnsitz zu nehmen in: …….. Der Beschuldigte hat jeden Wohnsitzwechsel (Arbeitsstellenwechsel) unverzüglich dem Amtsgericht Lübeck zum Az. anzugeben. Der Beschuldigte hat sich zur Kontrolle seiner Anwesenheit wöchentlich und zwar jeweils am Dienstag und Freitag zwischen 17:00 und 19:00 Uhr auf dem für seinen Wohnsitz zuständigem Polizeirevier zu melden. Der Beschuldigte hat allen Ladungen des Gerichts zu folgen. Er hat täglich von 19:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens auch am Wochenende häuslich anwesend zu sein. Ihm wird verboten mit seinen Tatgenossen Kontakt zu haben.“

6

Im Laufe der Zeit passten das Amtsgericht Lübeck und das Amtsgericht Ahrensburg diese Auflagen Schritt für Schritt an die Umstände und Gegebenheiten an (siehe im Detail Beschlüsse der Amtsgerichte vom 13.1.2015 bis 21.9.2015; Bl. 21-26 d.A.).

7

Die Hauptverhandlung gegen den Kläger und seine mutmaßlichen Tatgenossen begann am 13.10.2015. Das Landgericht Lübeck sah es nach sieben Verhandlungstagen als erwiesen an, dass sich der Kläger wegen Beihilfe zur Sachbeschädigung schuldig gemacht hat. Es legte dem Kläger auf, sechs Raten á € 50,00 als Geldauflage zahlen und an drei pädagogischen Gesprächen teilzunehmen.

8

Ferner beschloss das Landgericht Lübeck am 21.6.2016, dass der Kläger für die Untersuchungshaft in der Zeit vom 11.12.2014 bis zum 9.1.2015 sowie für die sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts Lübeck vom 9.1.2015 nebst Folgebeschlüssen in der Zeit bis zum 10.11.2015 ergebenden Beschränkungen zu entschädigen sei.

9

Mit Schreiben vom 17.3.2017 bezifferte der Kläger gegenüber der Staatsanwaltschaft Lübeck seine Entschädigungssumme auf € 8.548,51 (Anlage K 1; Bl. 9 f. d.A.). Dabei berechnete er für die erlittene Untersuchungshaft vom 11.12.2014 bis zum 9.1.2015 € 725,00 (29 Tage á € 25,00). Darüber hinaus berechnete er für den Zeitraum vom 10.1.2015 bis zum 10.11.2015, in dem der Haftbefehl zwar nicht vollzogen wurde aber gleichwohl fortbestand, weitere € 7.600,00 (304 Tage á € 25,00). Den Minderbetrag für die Ausbildungsvergütung bezifferte er mit € 223,51.

10

Der Generalstaatsanwalt bewilligte dem Kläger mit Schreiben vom 6.7.2017 eine Zahlung von € 750,00 für die erlittene Untersuchungshaft (11.12.2014 bis zum 9.1.2015) sowie die beantragten € 223,51 für den Verdienstausfall (Anlage K 2) nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (kurz: StrEG). Im Hinblick auf die geforderte weitere Entschädigungsleistungen für den Zeitraum vom 10.1.2015 bis zum 10.11.2015 führte der Generalstaatsanwalt aus, dass hierfür eine Entschädigungsleistung nicht in Betracht komme.

11

Der Kläger behauptet, die Zeit der Haftverschonung vom 10.1.2015 bis zum 10.11.2015 sei für ihn sehr bedrückend gewesen. Zwischen ihm und seinen Eltern sei es aufgrund der räumlichen Nähe vermehrt zu Streitigkeiten gekommen. Der Kläger ist daher der Ansicht, dass ihm nach dem StrEG auch für den Zeitraum vom 10.1.2015 bis zum 10.11.2015 die geforderte Entschädigungszahlung zustehe. Schließlich habe der Kläger – unter Berücksichtigung der ihm gemachten Auflagen – in dieser Zeit faktisch unter „Hausarrest“ gestanden, was letztlich nichts anderes sei, als eine freiheitsentziehende Maßnahme, etwa vergleichbar mit einem „offenen Vollzug“. Die gegenteiligen Ausführungen des Generalstaatsanwalts seien in dem Zusammenhang unzutreffend.

12

Der Kläger beantragt,

13

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 6.850,00 zu zahlen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die dem Kläger auferlegte Wahrnehmung von Melde- und Aufenthaltsauflagen im Rahmen der ihm gewährten Haftverschonung keine „Freiheitsentziehung“ Sinne des StrEG darstellen würde. Eine Entschädigung könne aus diesem Grund nicht gezahlt werden. Abgesehen davon habe des Amtsgericht Lübeck die Auflagen im Laufe der Zeit ohnehin Schritt für Schritt gelockert (vgl. Bl. 21-26 d.A.).

17

Ergänzend wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen. Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO) einverstanden erklärt (Blatt 35, 38 und 39 d.A.). Das Gericht hat daraufhin das schriftliche Verfahren angeordnet (Bl. 39 d.A.).

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

19

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Landgericht Flensburg sachlich und örtlich zuständig. Auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

20

II. Die Klage ist indes unbegründet. Dem Kläger steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt der begehrte Entschädigungsanspruch zu.

21

1. Ein Anspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch keine Umstände vorgetragen, die auf einen solchen Anspruch schließen ließen.

22

2. Auch ein Anspruch nach dem StrEG scheidet vorliegend aus. Die dem Kläger zustehenden Entschädigungsleistungen sind bereits erbracht worden (Klage, S. 5; Bl. 7 d.A.). Dies ist unstreitig. Darüber hinaus gehende Leistungen stehen dem Kläger nicht zu.

23

a) Insbesondere besteht vorliegend kein Anspruch nach § 7 Abs. 1, 3 StrEG. Die Wahrnehmung von Melde- und Aufenthaltsauflagen im Rahmen der dem Kläger gewährten Haftverschonung (vgl. § 116 StPO) stellt keine „Freiheitsentziehung“ im Sinne des § 7 Abs. 1 StrEG dar. Weder der Wortlaut noch der Gesetzeszweck lassen einen gegenteiligen Schluss zu. Auch eine analoge Anwendung scheidet vorliegend aus.

24

aa) Nach § 7 Abs. 1, 3 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist. Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Betroffene € 25,00 für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung verlangen.

25

(1) Freiheitsentziehung ist die Einschränkung des Grundrechtes auf Freiheit der Person (siehe auch Habeas Corpus) durch staatliche Institutionen (Definition: Wikipedia). Das Bundesverfassungsgericht hat Freiheitsentziehung wie folgt definiert: Unter Freiheitsentziehungen seien alle der öffentlichen Gewalt zurechenbaren Maßnahmen zu verstehen, die unmittelbar die körperliche Bewegungsfreiheit gegen oder ohne den Willen der Person für eine gewisse Mindestdauer durch besondere Sicherungen allseitig bzw. auf einen engen Raum beschränken (vgl. BVerfGE 94, 166; BVerfGE 105, 239). „Während eine bloße Freiheitsbeschränkung vorliegt, sobald jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, zieht das BVerfG den Tatbestand der Freiheitsentziehung nur in Betracht, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird“ (Sachs JuS 2003, 193; zum Beschluss des BVerfG vom 15.5.2002, Az. 2 BvR 2292/00).

26

Orientiert man sich am engen Wortlaut der Vorschrift des § 7 Abs. 1 StrEG, wonach der Betroffene nur für „Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung“ Schadensersatz verlangen können soll und berücksichtigt ferner die Systematik der Norm und des Gesetzes, erscheint es - auch im Lichte der oben wiedergegebenen Definition - naheliegend, dass damit in erster Linie vollzogene Haftfälle gemeint sind. Hierfür spricht auch, dass § 7 Abs. 3 StrEG an „jeden angefangenen Tag“ der Freiheitsentziehung anknüpft. Es soll also derjenige Entschädigung verlangen können, dem auf Grund einer gerichtlich angeordneten und vollzogenen Haft - zu Unrecht - die Freiheit entzogen wurde.

27

(2) Diese Annahme findet ihre Stütze auch in der damaligen Gesetzesbegründung. Demnach bestand der mit der Einführung des StrEG im Jahr 1971 - zur Neuregelung der Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen (BGBl. III S. 313-1) und der Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft (BGBl. III S. 313-2) - vom Gesetzgeber verfolgte Zweck offenbar darin, das bis dato geltende Recht um die Erstattbarkeit von Nicht-Vermögensschäden zu erweitern, die durch „zu Unrecht erlittene Strafhaft und Untersuchungshaft“ entstanden sind (BT-Drs. VI/460, Sachgebiet 313, Anlage 1, S. 6; vgl. auch BR-Drs. 677/69). Hintergrund war, dass der bisherige Zustand als „unbillig“ und nicht mit dem Rang vereinbar empfunden wurde, „der dem Grundrecht der Freiheit der Person im sozialen Rechtsstaat zukommt“ (BT-Drs. VI/460, Sachgebiet 313, Anlage 1, S.6). Ein verschuldens- und vor allem vermögensunabhängiger Entschädigungsanspruch als Aufopferungsanspruch sollte daher die üblichen mit der Haft verbundenen Unzuträglichkeiten ausgleichen. Allerdings hatten die Schöpfer der Norm schon damals klargestellt, dass es nicht uneingeschränkt „gerechtfertigt erscheint, Entschädigung zu gewähren“ (BT-Drs. VI/460, Sachgebiet 313, Anlage 1, S. 8). Etwa dann nicht, „wenn aufgrund von Rechtsvorschriften außerhalb des Strafrechts Maßnahmen erforderlich gewesen wären, die einer Maßregel der Sicherung und Besserung entsprechen, z. B. nach den Unterbringungsgesetzen oder nach verwaltungsrechtlichen Vorschriften, z.B. § 12 des Gaststättengesetzes (Zurücknahme der Erlaubnis zur Ausübung eines Gaststättengewerbes) oder nach § 4 StVG (Entziehung der Fahrerlaubnis) in ganz besonders gelagerten Fällen“ (BT-Drs. VI/460, Sachgebiet 313, Anlage 1, S. 8).

28

bb) § 7 Abs. 1, 3 StrEG stellt insoweit also eine eng gefasste Spezialvorschrift dar, welche für einen legal definierten Sonderfall - quasi als Ausnahme zu der Regel - die Erstattung auch des immateriellen Schadens erlaubt und insoweit bestenfalls wenig Raum für Analogien bietet. Auch in der Praxis wird dies im Allgemeinen so verstanden. So hat etwa das Oberlandesgericht Zweibrücken einem Betroffenen, der in seiner Freizeit unentgeltliche gemeinnützige Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe auf Grund eines Strafbefehls ableisten musste, keinen Entschädigungsanspruch wegen Freiheitsentziehung zugesprochen (vgl. OLG Zweibrücken Urteil v. 3.4.2003, Az. 6 U 7/02, NJW 2004, 2314). Selbst die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, die - je nach Einzelfall - freilich als erhebliche Beeinträchtigung bis hin zur „Freiheitsentziehung“ empfunden werden kann, soll nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers; siehe oben) keinen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens begründen (OLG Frankfurt, Urteil v. 8.12.2016, Az. 1 U 77/16, BeckRS 2016, 115004 so auch BGH NJW 1975, 347). Das Oberlandesgericht Frankfurt stützt seine Entscheidung unter anderem auf die Generalvorschrift zum immateriellen Schaden, den § 253 Abs. 1 BGB, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist.

29

cc) Angesichts des eng gefassten Wortlauts wie auch der klaren Vorgaben des Gesetzgebers, einerseits im Hinblick auf § 7 StrEG (siehe oben), aber auch im Hinblick auf § 253 Abs. 1 BGB, verbietet sich nach Auffassung des Gerichts die analoge Anwendung des § 7 Abs. 1, 3 StrEG im vorliegenden Fall. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Nach Ansicht des Gerichts deutet sowohl der Wortlaut als auch die Gesetzesbegründung (siehe oben) darauf hin, dass der Gesetzgeber bewusst nur einen Sonderfall regeln wollte. Nämlich den Fall der Freiheitsentzug durch gerichtlich angeordnete und vollzogene Haft.

30

Abgesehen davon dürfte es aber auch an der Vergleichbarkeit fehlen. Denn der Verlust an Freizeit oder die Erteilung von Auflagen, auch wenn durch diese kurzfristig in das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Betroffenen eingegriffen wird, stellt nach Auffassung des Gerichts einen viel geringeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, als die Freiheitsentziehung durch Haft. Nicht nur physisch sind die Unterschiede erheblich, vor allem psychisch stellt die Haft - jedenfalls für die meisten Betroffenen - eine gewaltige Belastung dar. Es ist deshalb gerechtfertigt, eine Entschädigung auf die Freiheitsentziehung durch Haft zu beschränken (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW 2004, 2314, 2315), um die üblichen mit der Haft verbundenen Unzuträglichkeiten - als immateriellen Schaden - ausgleichen. Eine Entschädigung für durch Auflagen verursachte Unannehmlichkeiten scheint im Gegensatz dazu nicht zwingend. Vielmehr gehören derartige und ähnliche Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit der Strafverfolgung zum allgemeinen Lebensrisiko und sind folglich - bis auf die gesetzlich geregelten Fälle - hinzunehmen. Diese Lösung entspricht im Übrigen auch dem im Zivilrecht geltenden allgemeinen Schadensersatzrecht, welches bei Einbußen an Arbeitskraft und Freizeit grundsätzlich keinen Schmerzensgeldanspruch gewährt (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW 2004, 2314, 2315). Ausnahmen dazu sind besonders gesetzlich geregelt.

31

 b) Auch ein allgemeiner Aufopferungsanspruch steht dem Kläger vorliegend nicht zu. Die Wahrnehmung der dem Kläger gemachten Melde- und Aufenthaltsauflagen im Rahmen der Haftverschonung und/oder die damit verbundenen Folgen rechtfertigen einen solchen Anspruch nicht.

32

aa) Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen eines hoheitlichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht (mehr) nur auf den Ersatz materieller Schäden begrenzt ist, sondern auch nichtvermögensrechtliche Nachteile des Betroffenen umfasst (BGH, Urteil v. 7.9.2017, Az. III ZR 71/17, NJW 2017, 3384). Doch macht der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung gleichwohl deutlich, dass der allgemeinen Aufopferungsanspruch nur in besonderen Fällen greift.

33

Im vorliegenden Fall liegen die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs festgestellten Voraussetzungen nicht vor. Der Bundesgerichtshof stellt in seiner jüngeren Entscheidung fest, dass wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist, auch wenn „nur“ ein immaterieller Schaden vorliegt (BGH NJW 2017, 3384, 3385 ff.). Damit hat er seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Auch wenn im Einklang mit Kritikern dieser Entscheidung, die bemängeln, der Bundesgerichtshof habe aus speziellen einfachgesetzlich geregelten Aufopferungsansprüchen eine allgemeine Regel abgeleitet und somit „vom Speziellen auf das Allgemeine geschlossen“ (so Singbartl / Zintl NJW 2017, 3384, 3387), über das Für und Wider dieser Entscheidung trefflich diskutiert werden kann, muss hier keine abschließende Meinung gebildet werden.

34

Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien steht fest, dass es sich im vorliegenden Fall weder um eine rechtswidrige hoheitliche Maßnahme gehandelt hat, noch dass der Kläger durch die ihm auferlegten Regelungen in seinem Körper, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung „verletzt“ worden ist.

35

Wenn der Kläger vorträgt, dass er faktisch unter Hausarrest stand, rechtfertigt sein Vortrag jedenfalls noch nicht die Annahme einer „Freiheitsverletzung“. Zum einen wurden die Auflagen Schritt für Schritt an seine Gegebenheiten angepasst (vgl. dazu auch Bl. 29-30 d.A.; ob hierin eine „Lockerung“ zu sehen ist, wovon das Gericht in der Gesamtschau ausgehen würde, muss dabei nicht entschieden werden). Zum anderen war der Kläger von vornherein nur sehr eingeschränkt an Meldeauflagen gebunden. So musste er sich zur Kontrolle seiner Anwesenheit anfangs zweimal wöchentlich auf dem für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeirevier melden. Ferner sollte der Kläger allen Ladungen des Gerichts folgen (was selbstverständlich sein dürfte) und täglich von 19:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr morgens zu Hause sein. Hier durfte er sich freilich frei bewegen, fernsehen, telefonieren, soziale Netzwerke nutzen usw. Es war ihm auch nicht untersagt, Besuch zu empfangen. Tagsüber durfte er sich im Grunde ebenfalls frei bewegen, einkaufen, Freunde besuchen, ins Kino gehen etc.. Mit einer Haftsituation ist dieser Zustand gewiss nicht zu vergleichen; weder physisch, noch psychisch. Schließlich ist ein Häftling räumlich stark eingeschränkt und kann sich auch nicht in dem Maße frei betätigen. Auch Besuch ist streng reglementiert. Die dem Kläger gemachten Auflagen können somit allenfalls als freiheitsbeschränkende Maßnahmen qualifiziert werden, welche zugunsten einer effektiven Strafverfolgung von jedem Bürger ausgleichslos hinzunehmen sind.

36

bb) Auch mit Blick auf die individuellen Folgen für den Kläger rechtfertigt dessen Vortrag keinen Entschädigungsanspruch. Weder hat er etwas zu etwaigen materiellen Schäden vorgetragen, noch zu sonstigen atypischen Folgen, die im Rahmen einer Gesamtabwägung ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten.

37

Wie oben dargestellt, handelt es sich bei § 7 Abs. 3 StrEG um eine gesetzliche Spezialregelung zur Erstattungsfähigkeit immaterieller Schäden infolge der vollzogenen Haft. Die Vorschrift regelt den Aufopferungsanspruch des Betroffenen abschließend, soweit es nicht um atypische Folgen geht, die ein tatsächliches „Sonderopfer“ darstellen. Derartige atypische Fälle sind indes nur in absoluten Ausnahmefällen vorstellbar (etwa schwerwiegende Verletzung durch einen Mitgefangenen, vgl. OLG München, Beschluss v. 23.4.2012, Az. 1 W 364/12, BeckRS 2012, 09099). Denn grundsätzlich gilt, dass zugunsten einer effektiven Strafverfolgung gewisse Maßnahmen hinzunehmen sind, soweit hierdurch erlittene Schäden nicht als „Sonderopfer“ erstattet werden müssen (vgl. BGH NJW 1973, 13229).

38

Die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen sind nicht atypisch und begründen kein Sonderopfer, für das auf den allgemeinen Aufopferungsanspruch zurückgegriffen werden könnte. Wenn der Kläger vorträgt, dass es zwischen ihm und seinen Eltern vermehrt zu Streitigkeiten gekommen sei, ist dies nicht schön, gleichwohl rechtfertigt es nicht die Annahme eines oben beschriebenen erstattungsfähigen Ausnahmefalles. Abgesehen davon ergibt sich aus den Beschlüssen der Amtsgerichte Lübeck und Ahrensburg nicht, dass der Kläger seinen Wohnsitz nur in Ausnahmefällen verlassen durfte (entgegen Klage, S. 5). Vielmehr wäre sogar ein Wohnsitzwechsel möglich gewesen (vgl. Klage, S. 3), solange dies angezeigt worden wäre.

39

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11 ZPO i.V.m. § 711 ZPO.


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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - III ZR 71/17

bei uns veröffentlicht am 07.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 71/17 Verkündet am: 7. September 2017 A n k e r Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Einl Pr ALR §§ 7

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(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.

(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.

(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.

(1) Aus besonderem Anlaß kann der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden.

(2) (weggefallen)

(3) Dem Gewerbetreibenden können jederzeit Auflagen erteilt werden.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.

(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.

(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.

(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 71/17
Verkündet am:
7. September 2017
A n k e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Einl Pr ALR §§ 74, 75
Der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen eines hoheitlichen Eingriffs in
die körperliche Unversehrtheit ist nicht auf den Ersatz materieller Schäden
begrenzt, sondern umfasst auch nichtvermögensrechtliche Nachteile des Betroffenen
(Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung, Urteil vom 13. Februar
1956 - III ZR 175/54, BGHZ 20, 61, 68 ff).
BGH, Urteil vom 7. September 2017 - III ZR 71/17 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
ECLI:DE:BGH:2017:070917UIIIZR71.17.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters und Reiter sowie die Richterinnen Pohl und Dr. Arend

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 26. November 2014 zurückgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger verlangt vom beklagten Land Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen eines Polizeieinsatzes, bei welchem er durch Anwendung unmittelbaren Zwangs im Rahmen einer Maßnahme zur Identitätsfeststellung (§ 163b Abs. 1 StPO) eine Schulterverletzung erlitt. Die Parteien streiten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, darum, ob ein Anspruch auf Entschädigung aus Aufopferung auch Schmerzensgeld umfasst.

2
Das Landgericht hat dem Kläger Ersatz des geltend gemachten materiellen Schadens zuerkannt, die Klage hinsichtlich der Schmerzensgeldforderung und des Anspruchs auf Freistellung von hierauf entfallenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch abgewiesen. Die hiergegen von beiden Parteien eingelegten Rechtsmittel haben keinen Erfolg gehabt. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers, die das Oberlandesgericht zu seinen Gunsten zugelassen hat.

Entscheidungsgründe


3
Die Revision führt, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


4
Das Oberlandesgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Schmerzensgeld zusteht (Urteil vom 26. Januar 2017 - 1 U 31/15, juris). Zwar umfasse der Anspruch auf Entschädigung aus Aufopferung Sonderopfer durch hoheitliche Eingriffe in nicht vermögenswerte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Freiheit. Jedoch sei die Entschädigung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die aus dem Eingriff resultierenden vermögensrechtlichen Nachteile beschränkt und umfasse damit kein Schmerzensgeld. Diese Rechtsprechung sei auch nicht aufgrund der zum 1. August 2002 in Kraft getretenen Regelung in § 253 Abs. 2 BGB überholt. Zwar gelte nunmehr im Rahmen des Schadensersatzrechts, dass unter anderem bei einer Körperverletzung auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden sei, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden könne. Der Anspruch aus Aufopferung sei aber kein Anspruch auf Schadensersatz , sondern nur auf billige beziehungsweise angemessene Entschädigung gerichtet. Wegen dieses strukturellen Unterschieds könne § 253 Abs. 2 BGB auch nicht analog angewandt werden. Andere Anspruchsgrundlagen auf Zahlung eines Schmerzensgeldes schieden aus, wie das Landgericht, dessen diesbezügliche Ausführungen mit der Berufung auch nicht angegriffen worden seien, zutreffend festgestellt habe.

II.


5
Soweit das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen hat, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Aufopferungsanspruchs dem Grunde nach gegeben sind und andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht kommen, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von keiner der Parteien in Frage gestellt. Entscheidungserheblich ist damit, ob der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen eines hoheitlichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit auf den Ersatz materieller Schäden begrenzt ist. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, die eine solche Begrenzung annimmt, nicht mehr fest.
6
1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Februar 1956 (III ZR 175/54, BGHZ 20, 61, 68 ff) seine frühere Auffassung im Wesentlichen wie folgt begründet :
7
Die Rechtsordnung und insbesondere das Schadensersatz- und Entschädigungsrecht seien beherrscht von dem in § 253 BGB festgelegten Grund- satz, dass ein Ausgleich in Geld nur für vermögensrechtliche (materielle) Einbußen verlangt werden könne. Nur ganz ausnahmsweise gewähre das Gesetz in §§ 847, 1300 BGB (a.F.) eine billige Entschädigung auch wegen des Nichtvermögensschadens. Es handele sich hierbei um Tatbestände, in denen durch ein - vermeidbares - schuldhaftes Verhalten einem Dritten Unbill zugefügt worden sei, und in diesen Fällen liege die ausnahmsweise für den Schädiger im Gesetz normierte Verpflichtung zur Entschädigungsleistung über den vermögensrechtlichen Schaden hinaus entscheidend mitbegründet in dem Gedanken der Genugtuung, die der Schädiger dem Verletzten schulde. Dementsprechend habe der Gesetzgeber bei allen sonstigen Haftungstatbeständen, die ein Verschulden nicht voraussetzten und bei denen infolgedessen auch der Genugtuungsgedanke keine entscheidende Rolle spielen könne, insbesondere bei der sogenannten Gefährdungshaftung, davon abgesehen, dem Geschädigten einen Ausgleich für immaterielle Schäden zu gewähren. Von dem Grundsatz, dass nur für vermögensrechtliche Nachteile Entschädigung zu gewähren sei, gingen auch die preußischen Bestimmungen der §§ 74, 75 EinlALR aus, auf die das auch für die Gebiete außerhalb des Landes Preußen anerkannte und gewohnheitsrechtlich fortgebildete Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs zurückgehe. Dementsprechend sei auch in allen Fällen, in denen Aufopferungstatbestände in der Vergangenheit eine besondere gesetzliche Regelung erfahren hätten, von einer Entschädigung für nicht vermögensrechtliche Nachteile abgesehen worden. Aus all dem müsse auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass eine Entschädigung für immaterielle Schäden nur in den ausdrücklich normierten Sonderfällen der §§ 847, 1300 BGB (a.F.) gewährt werden könne, im Übrigen aber - insbesondere auch bei Vorliegen von Aufopferungstatbeständen - Schadensersatz und Entschädigung auf den Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile beschränkt bleiben solle. Zwar werde die Schutzwürdigkeit des Lebens und der Gesundheit und ebenso der Freiheit von der Rechtsordnung besonders betont, indem das Grundgesetz in Art. 2 neben dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit das Recht des Einzelnen auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Freiheit der Person als verfassungsmäßig geschützte Grundrechte ausdrücklich garantiere. Dies rechtfertige angesichts der Gesetzeslage aber nicht, die zu gewährende billige Entschädigung unter Einschluss immaterieller Nachteile zu bestimmen. Vielmehr müsse es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, aus der in der Verfassung zum Ausdruck kommenden Ordnung der Werte der einzelnen Lebensgüter gegebenenfalls Folgerungen für eine andersartige Regelung des Entschädigungsrechts zu ziehen und den in § 253 BGB normierten Grundsatz, der nicht mehr allseits befriedigen könne, zu verlassen.
8
An dieser Auffassung hat der Senat in der Folgezeit in seiner älteren Rechtsprechung festgehalten (vgl. nur Urteile vom 15. Oktober 1956 - III ZR 226/55, BGHZ 22, 43, 48, 50; vom 3. November 1958 - III ZR 139/57, BGHZ 28, 297, 301; vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 77; vom 6. Juni 1966 - III ZR 167/64, NJW 1966, 1859, 1861, insoweit in BGHZ 45, 290 nicht abgedruckt; vom 8. Juli 1971 - III ZR 67/68, NJW 1971, 1881, 1883 und vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, BGHZ 122, 363, 368). Im Schrifttum wird diese Senatsrechtsprechung regelmäßig ohne nähere Erörterung wiedergegeben (vgl. nur BeckOGK/Dörr BGB § 839 Rn. 1199 [Stand 1. Juli 2017]; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., Überbl. v. § 903 Rn. 16; Schiemann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem zu §§ 249 ff Rn. 20; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl., Rn. 365), teilweise aber auch eine Abkehr von der als überholt angesehenen Rechtsprechung gefordert (vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 147 f; MüKoBGB/ Oetker, 7. Aufl., § 253 Rn. 20; siehe auch OLG Frankfurt, NVwZ-RR 2014, 142, 143).

9
2. Die im Urteil vom 13. Februar 1956 dargestellte Gesetzeslage hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert. Von einem Willen des Gesetzgebers, die Ersatzpflicht im Schadensersatz- und Entschädigungsrecht bei Eingriffen in immaterielle Rechtsgüter wie Leben, Freiheit oder körperliche Unversehrtheit grundsätzlich auf Vermögensschäden zu beschränken, kann nicht mehr ausgegangen werden.
10
a) Durch Art. 2 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674) ist § 253 BGB - die bisherige Regelung („Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.“) wurde nunmehr Absatz 1- durch Einfügung eines Absat- zes 2 in der Form geändert worden, dass dann, wenn wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist, auch wegen des Schadens, der Nichtvermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden kann. Hiermit wurde - wie es im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. Dezember 2001 (BT-Drucks. 14/7752 S. 1) heißt - ein allgemeiner Anspruch auf Schmerzensgeld eingeführt, der über die bereits erfasste außervertragliche Verschuldenshaftung hinaus auch die Gefährdungshaftung und die Vertragshaftung mit einbezieht. Zur Begründung (aaO S. 11, 14) wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die das Recht der unerlaubten Handlungen und des Schadensersatzes regelten, seit dessen Inkrafttreten zum 1. Januar 1900 nahezu unverändert geblieben seien. Zwar sei es der Rechtsprechung aufgrund des hohen Abstraktionsgrades der Vorschriften möglich gewesen, durch entsprechende Auslegung, aber auch durch richterliche Rechtsfortbildung, eine Reihe von Anpassungen an die ge- wandelten Verhältnisse vorzunehmen. Dieser Weg sei jedoch dort an Grenzen gestoßen, wo das Gesetz selbst Entscheidungen vorgegeben habe. Im Laufe der Zeit habe sich zunehmend deutlicher gezeigt, dass manche dieser Grundentscheidungen zum Schadensersatzrecht nur noch schwer mit den heutigen Verhältnissen und Wertvorstellungen in Übereinstimmung zu bringen seien. Es entstünden Haftungslücken, auch Gerechtigkeitsdefizite, die dieses Gesetz beseitigen wolle. Dies gelte auch für den Ersatz des immateriellen Schadens bei Körper- und Gesundheitsverletzungen, der nach geltendem Recht grundsätzlich nur im Rahmen außervertraglicher Verschuldenshaftung gewährt werde, obwohl er unter Ausgleichsgesichtspunkten bei der Gefährdungs- und Vertragshaftung gleichermaßen in Betracht komme. Durch die Neuregelung werde nunmehr ein einheitlicher und übergreifender Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzungen von Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung geschaffen, der nicht mehr danach unterscheide, auf welchem Rechtsgrund die Haftung für die Verletzung beruhe.
11
b) Durch diese Neuregelung hat der Gesetzgeber den bisher in § 253 BGB normierten Grundsatz, auf den der Senat sein Urteil vom 13. Februar 1956 wesentlich gestützt hat, verlassen. Nunmehr kann im Schadensersatzrecht bei Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schmerzensgeld verlangt werden. Auch soweit der Senat in diesem Zusammenhang auf die Verschuldenshaftung und den Gedanken der Genugtuung abgestellt hatte, ist dieser Argumentation nach der Einbeziehung der Gefährdungshaftung in die Änderung des Schadensersatzrechts die Grundlage entzogen, abgesehen davon, dass der Gedanke der Genugtuung regelmäßig nur bei besonderen Fallgestaltungen eine Rolle spielt, während für die Bemessung des Schmerzensgeldes der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund steht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. September 2016 - VGS 1/16, VersR 2017, 180 Rn. 48 f mwN; siehe auch Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/7752 S. 15).
12
c) Auch im Bereich der vom Senat in seinem Urteil vom 13. Februar 1956 zitierten spezialgesetzlichen Regelungen haben sich Änderungen ergeben. Während zum Beispiel in § 2 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen vom 20. Mai 1898 (RGBl. 345) sowie in § 3 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft vom 14. Juli 1904 (RGBl. 321) nur für Vermögensschäden eine Haftung vorgesehen war, enthält nunmehr § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) vom 8. März 1971 (BGBl. I S. 157) eine Regelung, wonach im Falle der Freiheitsentziehung aufgrund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden zu ersetzen ist, der Nichtvermögensschaden ist. Die Polizeiund Ordnungsgesetze der Länder - neben dem beklagten Land (§ 65 Abs. 2 HSOG) unter anderem Berlin (§ 60 Abs. 2 ASOG Bln), Niedersachsen (§ 81 Abs. 2 Nds. SOG), Rheinland-Pfalz (§ 69 Abs. 2 POG), Saarland (§ 69 Abs. 2 SPolG), Sachsen (§ 53 Abs. 2 SächsPolG), Sachsen-Anhalt (§ 70 Abs. 2 SOG LSA) und Thüringen (§ 69 Abs. 2 PAG) - enthalten inzwischen vielfach Regelungen zum Ersatz auch des immateriellen Schadens bei der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder bei einer Freiheitsentziehung (zu letzterem siehe auch Bayern in Art. 70 Abs. 7 Satz 2 PAG und Bremen in § 57 Abs. 1 Satz 2 BremPolG).
13
d) Nur ergänzend ist auch auf die Regelung in § 198 GVG (zu deren Einordnung als staatshaftungsrechtlicher Anspruch sui generis, als Aufopferungsanspruch oder als prozessuale Risikohaftung siehe Reiter, NJW 2015, 2554, 2555 ff) hinzuweisen, die im Rahmen der angemessenen Entschädigung für überlange Verfahrensdauer auch Ersatz für immaterielle Nachteile kennt.
14
e) Vor diesem Hintergrund kann - auch wenn es weiterhin in Teilbereichen spezialgesetzliche Bestimmungen gibt, in denen die Rechtsfolgen aufopferungsrechtlicher Tatbestände anders als in den vorerwähnten Bestimmungen geregelt sind (vgl. etwa für Impfschäden die versorgungsrechtliche Lösung in § 60 IfSG iVm den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes) - die Annahme des Senats in seinem Urteil vom 13. Februar 1956, das Schadensersatzund Entschädigungsrecht sei von dem Willen des Gesetzgebers geprägt, Ersatzleistungen grundsätzlich auf Vermögensschäden zu beschränken, sodass auch der Umfang der Entschädigung aus Aufopferung nur unter Ausschluss des Schmerzensgeldes bestimmt werden könne, nicht mehr aufrechterhalten werden.
15
3. Eine solche Beschränkung folgt auch nicht aus der Natur des öffentlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs.
16
a) Dieser Anspruch hat sich gewohnheitsrechtlich gemäß dem in § 75 EinlALR (1794) enthaltenen Rechtsgrundsatz entwickelt. Nach dieser Bestimmung ist der Staat gehalten, denjenigen zu entschädigen, der seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohl des Gemeinwesens aufzuopfern genötigt wird. Der Grundsatz, der in dieser Vorschrift seinen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat, hat über den Bereich der früheren altpreußischen Provinzen hinaus allgemeine Geltung erlangt (vgl. nur Senat, Urteil vom 19. Februar 1953 - III ZR 208/51, BGHZ 9, 83, 85 f). Allerdings wurde vormals in der Rechtsprechung (vgl. nur RGZ 122, 298, 301 f; 156, 305, 310) der Ausgleich für Sonderopfer dahingehend eingeschränkt, dass er nur für Eingriffe des Staates in das Eigen- tum beziehungsweise vermögenswerte Rechte, nicht dagegen für Personenschäden - wie Verletzungen der Gesundheit oder des Lebens - in Betracht kommt. Dieser im Wesentlichen auf die preußische Kabinetsorder vom 4. Dezember 1831 (Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten, S. 255, 257) gestützten, den Rechtsgrundsatz des § 75 EinlALR begrenzenden Auffassung ist der Senat allerdings in ständiger Rechtsprechung nicht gefolgt (vgl. nur Urteil vom 19. Februar 1953 aaO S. 86 ff; siehe auch bereits Urteil vom 14. Juli 1952 - III ZR 95/51, BGHZ 7, 96, 99 f). Vielmehr ist auch ein Sonderopfer , das der Einzelne an immateriellen Rechtsgütern zum Wohl der Allgemeinheit zu erbringen genötigt wird, zu ersetzen (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1953 aaO S. 88 f). Bei einem hoheitlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit besteht das Sonderopfer aber nicht nur in den daraus folgenden materiellen , sondern auch in den daraus folgenden immateriellen Nachteilen.
17
b) Ein Ausschluss des Schmerzensgeldes folgt auch nicht aus dem Umstand , dass der allgemeine Aufopferungsanspruch kein Schadensersatzanspruch im Sinne der §§ 249 ff BGB ist. Der Anspruch aus Aufopferung geht auf Leistung eines angemessenen beziehungsweise billigen Ausgleichs für das dem Betroffenen hoheitlich auferlegte Sonderopfer (vgl. nur Senat, Urteile vom 23. Oktober 1952 - III ZR 231/51, BGHZ 7, 331, 334; vom 15. Oktober 1956 - III ZR 226/55, BGHZ 22, 43, 48; vom 3. November 1958 - III ZR 139/57, BGHZ 28, 297, 301 und vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 77). Der Anspruch auf Entschädigung kann insoweit - wie in der Senatsrechtsprechung verschiedentlich im Zusammenhang mit Vermögensschäden ausgeführt worden ist (vgl. nur Urteil vom 23. Oktober 1952 aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Juni 1952 - GSZ 2/52, BGHZ 6, 270, 293, 295) - zwar im Einzelfall darin bestehen, dem Geschädigten vollen Schadensersatz zuzubilligen, aber die Kriterien der Angemessenheit und Billigkeit können auch Einschränkungen recht- fertigen. Insoweit ist der Aufopferungsanspruch - anders als grundsätzlich der Anspruch auf Schadensersatz - nicht seiner Natur nach auf restlosen Ersatz gerichtet. Dieser Unterschied, auf den im Übrigen der Senat in seinem Urteil vom 13. Februar 1956 auch nicht abgestellt hat, hat jedochkeinen inhaltlichen Bezug zu der Frage, ob die Aufopferungsentschädigung auf vermögenswerte Nachteile beschränkt ist. Die für den Umfang der Entschädigung maßgebliche Angemessenheit und Billigkeit besagt nichts darüber, welche Arten von Schäden von dem Anspruch erfasst sind.
18
c) Zu Unrecht verweist das beklagte Land für seine gegenteilige Rechtsauffassung auf das Urteil des V. Zivilsenats vom 23. Juli 2010 (V ZR 142/09, NJW 2010, 3160). Diese Entscheidung betrifft den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Insoweit handelt es sich um eine aus dem Grundstückseigentum abgeleitete Forderung, die dem Interessenausgleich zwischen Nachbarn dient und auf dem Gedanken von Treu und Glauben im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis beruht (vgl. BGH aaO Rn. 7 f). Dieser Anspruch umfasst kein Schmerzensgeld. Der V. Zivilsenat (aaO Rn. 9) hat insoweit auch eine analoge Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB mit der Begründung abgelehnt, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sei kein Schadensersatzanspruch.
19
Soweit das beklagte Land hieraus ableiten will, dass auch im vorliegenden Fall Schmerzensgeld nicht in Betracht komme, weil der allgemeine Aufopferungsanspruch für hoheitliche Eingriffe in nichtvermögenswerte Rechtsgüter ebenfalls kein Schadensersatzanspruch sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es hier nicht um die Frage einer analogen Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB, sondern darum geht, ob die billige und angemessene Entschädigung für ein im Zusammenhang mit einem hoheitlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit erbrachtes Sonderopfer von vorneherein nur materielle und keine immate- riellen Nachteile erfasst. Diese Frage ist aber - soweit keine (spezial)gesetzlichen Begrenzungen bestehen - aus den vorstehenden Gründen zu verneinen.

III.


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Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache, da es weiterer tatrichterlicher Feststellungen zur Bemessung des Aufopferungsanspruchs bedarf, an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Herrmann Seiters Reiter
Pohl Arend
Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 26.11.2014 - 5 O 109/13 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 26.01.2017 - 1 U 31/15 -

(1) Gegenstand der Entschädigung ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden, im Falle der Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.

(2) Entschädigung für Vermögensschaden wird nur geleistet, wenn der nachgewiesene Schaden den Betrag von fünfundzwanzig Euro übersteigt.

(3) Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung 75 Euro für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.

(4) Für einen Schaden, der auch ohne die Strafverfolgungsmaßnahme eingetreten wäre, wird keine Entschädigung geleistet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.