Landgericht Essen Urteil, 09. Okt. 2014 - 6 O 214/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rückzahlung gezahlter Vorfälligkeitsentschädigungen nach Abrechnung zweier Darlehen.
3Die Parteien schlossen am 07.05.2009 zwei Verbraucher-Darlehensverträge (Nr. … und Nr. …) über einen Betrag von 334.000 € und 186.000 €. Die Darlehen waren mit 4,15 % bzw. 4,59 % zu verzinsen, wobei dieser Zinssatz jeweils bis zum 30.04.2019 gebunden war. Beide Darlehen wurden zur Finanzierung von Immobilien aufgenommen. Wegen der näheren Einzelheiten der Verträge wird auf die in der Akte befindlichen Kopien (Bl. 3 ff. der Akte) Bezug genommen. Den Darlehensverträgen war jeweils auch eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Auch insoweit wird wegen des näheren Inhaltes auf die in der Akte befindlichen Kopien (Bl. 8, 14 der Akte) Bezug genommen.
4Zur Absicherung der Darlehen sollten 4 neue Grundschulden bestellt werden.
5Die Darlehen wurden ausbezahlt.
6Im August 2011 vereinbarten die Parteien, dass sich der Kläger vorzeitig von den beiden Darlehen gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sollte lösen dürfen. Dementsprechend erteilte die Beklagte dem Kläger am 24.08.2011 eine Abrechnung über die beiden Darlehensverträge, in welcher sie auch die jeweils für die beiden Darlehensverträge zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung (8.774,95 € für das Darlehen … und 8.891,43 € für das Darlehen …) auswies.
7Am 15.09.2011 zahlte der Kläger die Vorfälligkeitsentschädigungen an die Beklagte.
8Mit Schriftsatz vom 05.11.2013 erklärten die Klägervertreter den Widerruf der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen des Klägers. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage forderten die Klägervertreter die Rückzahlung der von dem Kläger gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen nebst 5 % Zinsen seit dem 15.09.2011.
9Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 16.12.2013 ab. Mit Schreiben vom 02.06.2014 forderten die Klägervertreter abermals Rückzahlung der beiden Vorfälligkeitsentschädigungen, jedoch abermals erfolglos.
10Der Kläger ist der Ansicht, dass die ihm gegenüber erteilten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft gewesen seien, so dass er mit Erklärung vom 05.11.2013 wirksam beide Darlehensverträge habe widerrufen können. Ferner meint der Kläger, dass in der Widerrufsbelehrung zu Unrecht ein Absatz über „finanzierte Geschäfte“ enthalten sei. Dies sei – so die Auffassung des Klägers – insoweit falsch, als es sich bei den Darlehensverträgen – unstreitig – nicht um solche handele, die mit anderen Geschäften verbunden seien. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, dass der Text der Widerrufsbelehrungen nicht vollständig mit dem Muster nach Anl. 2 der BGB-InfoVO übereinstimme.
11Vor diesem Hintergrund seien – so die Auffassung des Klägers – die bereits gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen zurückzugewähren. Von diesen macht der Kläger jeweils nur eine Teilforderung i.H.v. 2.999 € für das Darlehen Nr. … und i.H.v. 3.000 € für das Darlehen Nr. … geltend.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an ihn – den Kläger – 5.999 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2011 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Widerruf nicht fristgerecht erklärt worden sei. Außerdem meint die Beklagte, dass sie den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe.
17Ferner meint die Beklagte, dass das Widerrufsrecht – selbst wenn ein solches bestehen sollte – jedenfalls durch einvernehmliche Aufhebung der beiden Darlehensverträge gegen Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen erloschen sei. Zudem sei ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers unter dem Aspekt unzulässiger Rechtsausübung verwirkt, weil er den Widerruf erst nach über 2 Jahren nach vollständiger Vertragsaufhebung der Darlehensverträge erklärt habe.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
20A.
21Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen.
22I.
23Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.999 € aus §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 346 ff. BGB.
24Der Kläger erklärte zwar mit anwaltlichem Schreiben vom 05.11.2013 den Widerruf der mit der Beklagten am 07.05.2009 wirksam geschlossenen Darlehensverträge, dieser Widerruf ist jedoch nicht wirksam.
251.
26Der Kläger hatte grundsätzlich ein Widerrufsrecht.
27Es handelte sich bei den Darlehensverträgen vom 07.05.209 um Verbraucherdarlehensverträge im Sinne der §§ 491 ff. BGB, so dass der Kläger gemäß § 495 Abs. 1 BGB als Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB - hier in der Fassung vom 02.12.2004, gültig bis zum 10.06.2010 - hatte. Die Darlehensverträge enthielten dementsprechend auch jeweils eine Widerrufsbelehrung.
282.
29Sein Widerrufsrecht konnte der Kläger auch grundsätzlich noch ausüben. Denn ein Widerrufsrecht kann ein Verbraucher auch nach - längst eingetretenem - Ablauf der in der Widerrufsbelehrung genannten zweiwöchigen Widerrufsfrist noch wirksam ausüben, wenn der Lauf der Frist nicht wirksam in Gang gesetzt wurde. Die Widerrufsfrist beginnt erst zu laufen, sobald dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Dabei muss die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein, damit der Verbraucher in die Lage versetzt wird, das Widerrufsrecht auszuüben (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012, Az. 31 U 97/12). Läuft die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht, gilt grundsätzlich keinerlei Frist, so dass der Kläger vorbehaltlich anderer Einwendungen und Einreden seine Willenserklärung auf Abschluss des Darlehensvertrages unbegrenzt widerrufen konnte. Voraussetzung hierfür ist indes, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Ob die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß und fehlerfrei war, ist zweifelhaft, bedarf letztlich aber - dazu unter 3) - keiner Entscheidung durch die Kammer.
30Die Darstellung des Beginns der Widerrufsfrist begegnet keinen Bedenken. Insbesondere ist klar und deutlich, dass die Widerrufsfrist nur zu laufen beginnt, wenn der Kläger seine Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrages abgegeben und ein Exemplar der Widerrufsbelehrung in Textform erhalten hat. Ebenso begegnet es keinen Bedenken, dass als Empfänger der Widerrufsbelehrung die „T“ angegeben wurde und nicht – wie im Handelsregister als Firma der Beklagten eingetragen – die „T1“. Der Kläger hat insoweit nicht hinreichend dargetan, dass die besagte Bezeichnung zur Irreführung eines Verbrauchers geeignet gewesen wäre. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es zwei verschiedene Kreditinstitute unter den Namen „T“ einerseits und „T1“ andererseits gäbe, so dass eine Verwechslungsgefahr und damit die Gefahr einer Fehlleitung des Widerrufs bestünde.
31Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Belehrung ergeben sich aber aus dem Gesichtspunkt, dass in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen Allgemeine Hinweise zur finanzierten Geschäften mit den speziellen Hinweisen zu dem finanzierten Erwerb von Grundstücken vermischt werden. So wird unter der Überschrift „finanzierte Geschäfte“ der nach dem Muster der BGB-InfoVO für allgemeine finanzierte Geschäfte vorgesehene Satz 2 mit folgendem Inhalt aufgeführt:
32„Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen.“
33Dieser Satz ist bei einem finanzierten Erwerb von Grundstücken ausweislich des Gestaltungshinweises Nr. 10 zum Muster der Widerrufsbelehrung in der BGB-InfoVO durch folgenden Satz zu ersetzen:
34„Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.“
35Eine solche Ersetzung hat in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung jedoch nicht stattgefunden; vielmehr ist der spezielle, für finanzierte Grundstückserwerber vorgesehene Satz direkt hinter den für allgemeine finanzierte Geschäfte vorgesehenen Satz 2 ergänzt worden. Dies hat die Folge, dass der Verbraucher eine eigene Subsumtionsleistung dahingehend erbringen muss, welche Art von Geschäft in seinem speziellen Fall vorliegt und welche Regelung damit für ihn einschlägig ist. Dies dürfte dem Erfordernis der Unmissverständlichkeit und Eindeutigkeit nicht entsprechen. Zudem handelte es sich im vorliegenden Fall bei beiden Darlehen um solche, die der Finanzierung eines Immobilienerwerbs dienten, so dass die Ersetzung gemäß dem Gestaltungshinweises Nr. 10 zwingend hätte vorgenommen werden müssen.
36Da es sich vorliegend um Darlehen zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs handelt, erscheint die Belehrung auch noch in weiteren Punkten als falsch. Denn ausweislich des Gestaltungshinweises Nr. 10 sind bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks von den für allgemeine finanzierte Geschäfte einschlägigen Hinweisen die Parenthese in Satz 9 sowie die Sätze 11 und 12 zwingend zu entfernen. Auch dies ist nicht erfolgt. Stattdessen sind die betreffenden Passagen in den Widerrufsbelehrungen belassen worden, allerdings im Zusammenhang mit Darlehensverträgen, die die Überlassung einer Sache finanzieren. Auch insoweit stellt sich abermals die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung immer noch hinreichend eindeutig ist, wenn sie dem Verbraucher eine Subsumtionsleistung abverlangt.
37Die Beklagte kann sich diesem Zusammenhang auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Denn die Widerrufsbelehrung weicht – wie bereits gezeigt – teilweise von der Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zur BGB-InfoVO in der Fassung mit Geltung vom 01.04.2008 bis 03.08.2009 ab. Ein Unternehmer kann sich aber auf die Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoVO nur berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 I BGB-InfoVO in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2012, Az. 31 U 97/12). Maßgeblich ist, ob der Wortlaut der Belehrung in jeder Hinsicht vollständig dem Muster in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO entspricht. Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Vielmehr ist die Belehrung jedenfalls für finanzierte Grundstücksgeschäfte abweichend von der Musterbelehrung umgesetzt worden.
38Ob die Widerrufsbelehrung hinreichend deutlich war oder im Hinblick auf die den Verbraucher abverlangte Subsumtionsleistung den Erfordernissen der Unmissverständlichkeit und Eindeutigkeit nachgereicht wird, kann aber letztlich – wie oben angedeutet – dahinstehen.
393.
40Ein Widerruf war nämlich nicht mehr wirksam möglich, weil der Kläger, indem er mit der Beklagten den streitgegenständlichen Darlehensvertrag einvernehmlich aufhob, sein Widerrufsrecht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dazu im Einzelnen:
41Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGHZ 97, 212 ff., Palandt-Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 242 Rnr. 87).
42a)
43Das Zeitmoment ist gegeben, denn seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Widerspruchsrechtes sind mehrere Jahre vergangen. Der Kläger konnte sein Widerrufsrecht seit Abschluss der Darlehensverträge am 07.05.2009 ausüben. Den Widerruf erklärte er jedoch erst mit Schreiben vom 05.11.2013, mithin etwa 4 ½ Jahre später. Diese Zeitspanne ist insbesondere mit Blick auf die vom Gesetz bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung vorgesehene Widerrufsfrist von 2 Wochen ausgesprochen lang. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahe kommt, die erforderliche Zeitspanne mindert, so etwa die Nichtgeltendmachung des Anspruchs bei einer Abrechnung oder bei Verhandlungen (Palandt-Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 242 Rnr. 93). Ein derartiges Verhalten lag im Abschluss des Aufhebungsvertrages (hierzu näher sogleich).
44b)
45Das Umstandsmoment wurde durch den Abschluss der Aufhebungsverträge zwischen dem Kläger und der Beklagten im August 2011 erfüllt.
46aa)
47Die Parteien schlossen einvernehmlich Verträge zur Aufhebung der Darlehensverträge, die sodann vollständig abgewickelt wurden. Der Kläger zahlte die Vorfälligkeitsentschädigungen bereits am 15.09.2011 und damit nur gut 2 Wochen nach Abschluss der Aufhebungsverträge. Aufgrund des Verhaltens des Klägers in den Vertragsverhandlungen, der Abgabe seiner Willenserklärung auf Abschluss der Aufhebungsverträge sowie der prompten Zahlung der vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigungen konnte und durfte die Beklagte sich darauf einrichten, der Kläger werde sein vermeintliches Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen. Der Kläger wählte unter mehreren ihm grundsätzlich zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten zur Beendigung des Darlehensvertrages den Aufhebungsvertrag. Um die weitere – zumindest denkbare – Gestaltungsmöglichkeit eines Widerrufs des Darlehensvertrages wusste der Kläger, weil er die Widerrufsbelehrungen unstreitig erhalten hatte. Gleichwohl entschied er sich für den Abschluss von Aufhebungsverträgen. Vor diesem Hintergrund musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass der Kläger Jahre später versuchen würde, die durch die Aufhebungsverträge längst beendeten und abgewickelten Darlehensverträge noch nachträglich zu widerrufen.
48bb)
49Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Normen über das Widerrufsrecht stehen einer Verwirkung des Widerrufsrechts durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht entgegen.
50(1)
51Es ist ohnehin zweifelhaft, ob nach Ausübung von Gestaltungsrechten wie der Kündigung eines Vertrages oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages überhaupt noch die Möglichkeit des Widerrufs besteht: So führte das OLG Hamm im Beschluss vom 31.08.2011 (20 U 81/11, zitiert nach juris, dort Rnr. 15f.) aus, ein Widerruf sei nach vollständiger Vertragsbeendigung und -abwicklung nicht mehr möglich. Das Widerspruchs- bzw. Widerrufsrecht solle vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt, ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen sei. Mache der Verbraucher aber von seinem Wahlrecht zwischen mehreren Gestaltungsrechten Gebrauch und entscheide sich für ein anderes Gestaltungsrecht als den Widerruf, sei diese Wahl für ihn bindend. So bringe ein Verbraucher beispielsweise durch Erklärung der Kündigung zum Ausdruck, dass er die vertragliche Bindung nicht ex tunc (also rückwirkend), sondern nur ex nunc (also für die Zukunft) beseitigen wolle bzw. im Umkehrschluss eine Bindung für die Vergangenheit gerade anerkenne. Bei dieser Sachlage bestehe auch im Sinne des wohlverstandenen Verbraucherschutzes für die rückwirkende Zulassung eines Widerspruchs- bzw. Widerrufsrechts kein Raum.
52Ebenso entschied das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18.01.2012, 6 W 221/11, BeckRS 2012, 08128): Schließlich und vor allem handele es sich bei dem in Betracht kommenden Widerrufsrecht seiner Natur um ein besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht. Wie letzteres diene das Widerrufsrecht daher der Umgestaltung eines noch bestehenden Schuldverhältnisses und könne deshalb keine Anwendung finden, wenn der Vertrag, um dessen Widerruf es gehe, bereits auf andere Weise zum Wegfall gekommen sei. Dies sei indes durch nachfolgende Verträge geschehen, die die ursprünglichen Verträge nicht nur erweitert, sondern vollständig ersetzt hätten.
53Im Ergebnis übereinstimmend entschied das OLG Köln (Urteil vom 25.01.2012, 13 U 30/11, BKR 2012, 162), das ebenfalls von einer Verwirkung des Widerrufsrechts ausging. Im Hinblick auf das Zeitmoment komme es nicht darauf an, ob der Verbraucher von dem trotz Fristablaufs tatsächlich - d.h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis gehabt habe. Das sei jedenfalls dann unbedenklich, wenn es nicht um eine (vollständig) fehlende, sondern nur um eine formal missverständliche und allein deshalb nicht ordnungsgemäße Widerrufsfrist gehe. Angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag sei auch das sog. Umstandsmoment erfüllt. Dieser Wertung stehe nicht entgegen, dass § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. dem Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräume. Dies bedeute lediglich, dass das Widerrufsrecht des nicht ordnungsgemäß belehrten Verbrauchers keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist unterliege, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könne. Auch habe die Beklagte selbst dann auf die Nichtgeltendmachung des Widerrufsrechts vertrauen dürfen, wenn der Kläger keine Kenntnis vom noch bestehenden Widerrufsrecht gehabt habe. Denn der Kläger habe eine - wenn auch nicht ordnungsgemäße - Widerrufsbelehrung erhalten. Diese habe einen durchschnittlichen Verbraucher aber über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts als solches nicht im Unklaren gelassen.
54Die Kammer verkennt nicht, dass in der Rechtsprechung die wirksame Ausübung eines Widerrufsrechts auch nach Abwicklung des zu Grunde liegenden Vertrages für möglich gehalten wird: So entschied der BGH in einem Urteil vom 07.05.2014 (Az. IV ZR 76/11, zitiert nach juris, dort Rnr. 35 ff.), die vom dortigen Kläger ausgesprochene Kündigung des Vertrages stehe dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt worden sei, könne er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben. Verwirkung sei nicht eingetreten, da es am Umstandsmoment fehle. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchserklärung erteilte.
55Ähnlich führt das OLG Hamm (Urteil vom 11.12.2013, 31 U 127/13, zitiert nach juris, dort Rnr. 26) aus, dem Widerruf des Vertrags stehe nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen weiteren Vertrag abgelöst worden sei. Sei eine Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erteilt worden, so werde die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt. Der Widerruf könne daher unbefristet erfolgen, dies sogar dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt sei. Die gegenteilige Ansicht werde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht. Ebenso entschied das Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 24. April 2014,10 O 272/13 (Blatt 133 ff. d.A.).
56(2)
57Die Kammer schließt sich gleichwohl der erstgenannten Auffassung an, wonach ein Widerrufsrecht jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der Verbraucher eine - wenn auch nicht vollständig ordnungsgemäße - Widerrufsbelehrung erhalten und vor dem Widerruf mit dem Kreditinstitut einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat und dieser Aufhebungsvertrag vollständig abgewickelt worden ist.
58Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist es, den Verbraucher vor übereilten Entscheidungen zu schützen und ihm selbst nach Abschluss des Vertrages noch eine gewisse Bedenkzeit zur gründlichen Abwägung des Für und Wider zu gewähren (Palandt-Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 355 Rnr. 2). Vor diesem Hintergrund ist die grundsätzlich immerhin, aber auch nur zwei Wochen betragende Widerrufsmöglichkeit zu sehen. Die Bestimmung, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung beginnt und das Widerrufsrecht sonst unbefristet besteht, dient dabei nicht originär dazu, dem Verbraucher eine unbefristete Bedenkzeit zu ermöglichen, sondern stellt eine scharfe Sanktionierung des Verwenders der Widerrufsbelehrung dar, um ihn zur Verwendung ordnungsgemäßer Belehrungen zu bewegen. Keinesfalls ist es Sinn und Zweck dieser Norm, dem Verbraucher den Widerruf eines Vertrages aus rein wirtschaftlichen Motiven auch nach langen Jahren der vertragsgemäßen Erfüllung durch beide Seiten zu ermöglichen. Gerade dies wird jedoch derzeit in den Print- und sonstigen Medien gerichtsbekanntermaßen umfangreich propagiert.
59Gerade im vorliegenden Fall gebietet es das Verbraucherschutzrecht aus mehreren Gründen nicht, dem Kläger noch ein Widerrufsrecht nach Abschluss und Abwicklung des Aufhebungsvertrages einzuräumen. Zum einen durfte die Beklagte aufgrund des Abschlusses der Aufhebungsverträge schutzwürdig auf das Bestehen dieser Verträge vertrauen, da durch die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss eine Zäsur herbeigeführt wurde, die in der vollständigen Beendigung des Darlehensvertrages ex nunc bestand. Indem der Kläger die Aufhebung der Darlehensverträge vereinbarte, machte er von einer im Zuge der Privatautonomie bestehenden Möglichkeit Gebrauch, die Verträge gerade nicht durch einen Widerruf ex nunc in ein Abwicklungsschuldverhältnis umzuwandeln. Vielmehr erkannte der Kläger durch Abschluss der ex nunc wirkenden Aufhebungsverträge eigenverantwortlich seine Bindung aus den Darlehensverträgen für die Vergangenheit an. Anders als bei einseitigem Ausüben eines Wahlrechtes zwischen zwei einseitigen Gestaltungsrechten – wie der Kündigung und dem Widerruf (dazu BGH, Urteil vom 16.10.2013, IV ZR 52/12, zitiert nach juris, dort Rn. 24 mit weiteren, auch abweichenden Nachweisen) – hat der Kläger hier eine einvernehmliche zweiseitige Regelung mit der Beklagten zur Beendigung der Darlehensverträge getroffen und damit einen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen. Dies gilt umso mehr, als die Aufhebungsverträge vollständig durch Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen und Entlassung des Klägers aus den Darlehensverbindlichkeiten abgewickelt worden sind. Eine einseitige Widerrufsmöglichkeit nach einvernehmlich vertraglich vereinbarter Aufhebung der Darlehensverträge ist auch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht geboten. Über die bereits oben weiter ausgeführten Argumente hinaus, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Kläger ersichtlich nicht handelte, um sich von einem übereilt abgeschlossenen Darlehensvertrag zu lösen, sondern um die Vorfälligkeitsentschädigungen - wie hier beantragt – zurück zu erhalten, nachdem er zuvor die Darlehensverträge aufgehoben hat.
60cc)
61Die Beklagte hat sich im Vertrauen auf die mit dem Kläger abgeschlossenen Aufhebungsverträge auch so in ihren Maßnahmen eingerichtet, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Widerrufsrechtes des Klägers ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Die Beklagte hat nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen dergestalt getroffen, dass sie die ausgehandelten und erhaltenen Vorfälligkeitsentschädigungen in ihr Finanzsystem eingebucht und die Darlehensverträge bei sich ausgebucht hat. Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, die bereits seit zwei Jahren wieder in ihrem Finanzkreislauf befindlichen Vorfälligkeitsentschädigungen auszubuchen und an den Kläger zurückzuzahlen.
62II.
63Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der mit der Klageforderung geltend gemachten Beträge aus einer anderen Rechtsgrundlage ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegt keine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten vor, da sowohl die Darlehensverträge als auch die Aufhebungsverträge Rechtsgründe für die Zahlungen des Klägers darstellen (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative BGB).
64B.
65Mangels Anspruchs auf Rückzahlung gegen die Beklagte hat der Kläger auch keinen Anspruch auf etwaige Zinszahlungen, §§ 280, 286, 288 BGB.
66C.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Essen Urteil, 09. Okt. 2014 - 6 O 214/14
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Urteil einreichenLandgericht Essen Urteil, 09. Okt. 2014 - 6 O 214/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.
(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,
- 1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags, - 2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder - 3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.
(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
- 3
- Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
- 7
- Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
- 10
- Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
- 11
- B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
- 12
- C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
- 13
- I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
- 14
- 1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
- 15
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
- 16
- Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 17
- b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
- 18
- aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
- 19
- (1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
- 20
- (2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
- 21
- (3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
- 22
- (a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
- 23
- (aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
- 24
- (bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
- 25
- Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
- 26
- Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
- 27
- (b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
- 28
- (aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
- 29
- (bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
- 30
- Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
- 31
- (cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.
- 32
- Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
- 33
- Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
- 34
- Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
- 35
- bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
- 36
- (1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
- 37
- (2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
- 38
- cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
- 39
- (1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
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- (2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
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- 2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
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- a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
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- Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
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- b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.
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- II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
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- Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.05.2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Az.: 12 O 483/12) abgeändert.
Die Beklagten bleiben als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 24.677,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 54 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 46 %, von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 56% und die Beklagten als Gesamtschuldner 44%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite zuvor ihrerseits in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Ansprüche aus einem Darlehensvertrag geltend.
4Mit Darlehensvertrag vom 06.07.2007 nahmen die Beklagten bei der Klägerin ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 45.660,00 Euro auf. Die Laufzeit des Darlehens betrug 84 Monate, der Zinssatz 12,45 % p.a. und der effektive Jahreszins 14,3 %. Die Klägerin schloss vereinbarungsgemäß für die Beklagten als versicherte Personen bei der M Lebensversicherung eine Restschuldversicherung auf den Todesfall ab. Die Versicherungsprämie betrug einmalig 10.454,86 Euro und wurde von den Beklagten mit o.g. Darlehen mitfinanziert. Die Klägerin zahlte diesen Betrag direkt an die Versicherung aus.
5Aufgrund eines weiteren Barbedarfs wandten sich die Beklagten im Jahr 2008 erneut an die Klägerin, die ihnen eine Aufstockung des bereits laufenden Darlehens anbot. Die Parteien schlossen am 07.10.2008 einen Kreditvertrag über ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 67.450 Euro und einer Laufzeit von 84 Monaten zu einem Zinssatz von 11,22 % p.a. und einem effektiven Jahreszins von 12,90 %. Ein Teilbetrag in Höhe von 43.862,90 Euro diente dabei der Ablösung des Darlehens vom 06.07.2007. Ein weiterer Betrag in Höhe von 3.242,60 Euro wurde den Beklagten ausgezahlt. Der Restbetrag in Höhe von 20.914,91 Euro wurde als Versicherungsbeitrag an die M2 Lebensversicherungs-Gesellschaft überwiesen, bei der die Klägerin für die Beklagten als versicherte Personen erneut vereinbarungsgemäß einen entsprechenden Restschuldversicherungsvertrag für den Todesfall abschloss.
6Beide Kreditverträge enthielten eine Widerrufbelehrung, die nicht auf die Folgen des Widerrufs eines verbundenen Geschäfts hinwies. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kreditverträge (Anlage K 1 - Bl. 4 d.A. und A 1 Bl. 25 d.A.) Bezug genommen.
7Mit Schreiben vom 30.06.2009 erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Darlehensvertrags vom 07.10.2008 sowie des entsprechenden Restschuldversicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung und widerriefen die Verträge vorsorglich. Mit Schreiben vom 18.01.2012 (Anlage 4, Bl. 39 d.A.) erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin, dass bei der Berechnungen des klägerischen Anspruchs auch die Kosten der Restschuldversicherung aus dem Jahr 2007 einzubeziehen seien.
8Die Klägerin macht mit der Klage einen Anspruch auf Rückzahlung des Nettodarlehensbetrags aus dem Darlehen vom 07.10.2008 nebst Zinsen abzüglich gezahlter Raten sowie einen anteiligen Versicherungsbeitrag geltend. Sie hat behauptet, der marktübliche effektive Zinssatz der Deutschen Bundesbank habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 8,70 % betragen.
9Die Klägerin hat beantragt,
10die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 53.302,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2011 zu zahlen.
11Die Beklagten haben beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie sind der Ansicht, der Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da unter Berücksichtigung der Kosten für die Restschuldversicherung ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Vertragszins und dem marktüblichen Effektivzins bestehe. Dazu haben sie behauptet, die Klägerin habe im Jahr 2008 auf einer „Aufstockung“ des alten Kreditvertrages bestanden und durch ihren zuständigen Mitarbeiter im Hinblick auf beide Darlehensverträge jeweils erklärt, der Abschluss der Restschuldversicherung sei für den Abschluss des Darlehensvertrages zwingend. Sie, die Beklagten, seien zudem nicht über die Kosten des Vertrages aufgeklärt worden.
14Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
15Das Landgericht hat die Beklagten in Höhe von 43.747,28 Euro nebst Zinsen zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, der Darlehensvertrag vom 07.10.2008 sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Da es sich bei dem Kreditvertrag und dem Restschuldversicherungsvertrag aber um verbundene Geschäfte handele, und die Widerrufbelehrung insoweit nicht vollständig gewesen sei, sei der Vertrag wirksam widerrufen worden. Infolgedessen hätten die Beklagten an die Klägerin den Nettokreditbetrag - soweit er nicht zur Finanzierung des Versicherungsvertrages diente - nebst Verzinsung zu einem marktüblichen Zins (8,70%), zurückzuzahlen sowie Wertersatz für den Versicherungsschutz für die Zeit bis zum Widerruf zu leisten. Im Wege der Verrechnung seien hiervon die von den Beklagten geleisteten Ratenzahlungen zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.
16Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie rügen, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Vertrags die Kosten der Restschuldversicherung nicht berücksichtigt habe. Zudem habe das Landgericht bei der Berechnung der Rückabwicklungsansprüche aus dem widerrufenen Darlehen nicht die Kosten der Restschuldversicherung für das Darlehen aus dem Jahr 2007 einbezogen. Die Beklagten erklären den Widerruf des Darlehensvertrags aus dem Jahr 2007.
17Die Beklagten beantragen,
18unter Abänderung des Urteils des LG Dortmund vom 23.05.2013 (Az. 12 O 483/12) die Klage abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Sie meint, ein etwaiger Widerruf des Vertrages aus dem Jahr 2007 sei rechtsmissbräuchlich und ein etwaiges Widerrufsrecht verwirkt.
22Wegen des weiteren Vortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
23II.
24Die zulässige Berufung der Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in dieser Höhe ein Anspruch aus §§ 346, 347, 357 Abs. 1, 358 BGB zu.
251. Die Beklagten haben sowohl den Darlehensvertrag vom 06.07.2007 als auch den Darlehensvertrag vom 07.10.2008 gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB wirksam widerrufen.
26a) Den Darlehensvertrag vom 7.10.2008 haben die Beklagten mit Schreiben vom 30.6.2009 ausdrücklich widerrufen. Ein Widerruf des Darlehensvertrages vom 06.07.2007 ist konkludent mit Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2012 und dem - als Anlage 4 zu diesem Schriftsatz vorlegten - Schreiben der Beklagten vom 18.01.2012 erfolgt. Die Beklagten geben in den genannten Schriftsätzen zu erkennen, dass sie eine Rückabwicklung beider Darlehensverträge wünschen, indem sie geltend machen, dass auch die Kosten für die Restkreditversicherung des Vorläuferdarlehens aus dem Jahr 2007 bei der Rückabwicklung zu berücksichtigen seien. Aus dieser Äußerung ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Beklagten auch den ersten Darlehensvertrag vom 06.07.2007 nicht mehr gegen sich geltend lassen wollen.
27Die erklärten Widerrufe sind nicht verfristet. Die Widerrufsfrist wurde jeweils nicht in Lauf gesetzt, weil die Widerrufsbelehrung beider Darlehensverträge nicht ordnungsgemäß war. Es fehlte in beiden Fällen der nach § 358 Abs. 5 BGB erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs für die mit den Darlehensverträgen verbundenen Restschuldversicherungsverträge. Dass der jeweilige Darlehensvertrag und der Restschuldversicherungsvertrag verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 1 BGB sind, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit Bezug genommen (vgl. hierzu auch BGH Urteil v. 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09).
28Hieran vermag auch die von der Klägerin als Verwenderin der Vertragsformulare gewählte Konstruktion nichts zu ändern, wonach die Beklagten nicht Versicherungsnehmer im Verhältnis zur jeweiligen Versicherung wurden, sondern nur versicherte Personen. Die Interessenlage wird hierdurch in keiner Weise anders, als dies bei der klassischen Vertragskonstruktion der Fall ist. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der gewählten Konstruktion um eine unzulässige Umgehung der Verbraucherschutzvorschriften handelt, oder um ein Auftragsverhältnis, innerhalb dessen die Klägerin den Versicherungsvertrag als einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich der Beklagten, abgeschlossen hat. In letzterem Fall wäre der Auftrag vom Widerruf erfasst, mit der Folge, dass der Versicherungsvertrag von der Klägerin ohne Auftrag für die Beklagten abgeschlossen wurde. Die Klägerin kann auch dann nicht die Versicherungsprämie verlangen
29Anhaltspunkte dafür, dass – wie die Klägerin meint – das Widerrufsrecht im Hinblick auf den Vertrag vom 06.07.2007 verwirkt ist oder der Widerruf rechtsmissbräuchlich ist, bestehen nicht. Insbesondere steht dem Widerruf des Vertrags vom 06.07.2007 nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch den Vertrag vom 07.10.2008 abgelöst wurde. Ist eine Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erteilt, so wird die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt. Der Widerruf kann daher – unbefristet – erfolgen. Dies sogar dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde auch dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht (vgl. auch OLG Zweibrücken Beschluss vom 10.5.2012 Az. 7 U 84/09).
30b) Gemäß §§ 357 Abs. 1, 358 Abs. 4 BGB hat damit die Rückabwicklung beider Darlehensverträge nach den §§ 346 ff. BGB zu erfolgen. Wobei die Klägerin gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 im Verhältnis zu den Beklagten hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten der Versicherungsunternehmen aus den Restschuldversicherungsverträgen eintritt (vgl. BGH Urteil vom 18.1.2011, Az. XI ZR 356 / 09, Rz. 25).
31(1) Die Klägerin kann von den Beklagten daher die Rückzahlung des an die Beklagten aus den beiden Darlehensverträgen insgesamt ausgezahlten Nettokreditbetrags in Höhe von 38.447,74 Euro (35.205,14 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 06.07.2007 zzgl. 3.242,60 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 07.10.2008) verlangen. Davon sind von den Beklagten an die Klägerin geleistete Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt 19.885,14 Euro (12.624,30 Euro auf den Darlehensvertrag vom 06.07.2007 und 7.260,84 Euro auf den Darlehensvertrag vom 07.10.2008) in Abzug zu bringen, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 18.562,60 Euro ergibt.
32(2) Die Klägerin hat zudem gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 BGB einen Anspruch auf Nutzungsersatz für das jeweils zur Verfügung gestellte Kapital in Höhe der marktüblichen Zinsen. Auf die Vorschrift des § 358 Abs. 4 S. 2 BGB können sich die Beklagten insoweit, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht berufen, da der an die Beklagten ausgezahlte Darlehensbetrag nicht zur Finanzierung der Restschuldversicherung diente. Nur insoweit muss sich aber die Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten so behandeln lassen, als wäre auch das verbundene Geschäft widerrufen worden.
33Die Beklagten schulden daher - unter Zugrundelegung eines marktüblichen Zinssatzes von 8,92 % - für das Darlehen vom 06.07.2007 für die Zeit 06.07.2007 bis zur Umschuldung am 07.10.2008 Zinsen in Höhe von insgesamt 2.534,22 Euro.
34Für das Darlehen vom 07.10.2008 stehen der Klägerin - unter Zugrundelegung eines marktüblichen Zinssatzes in Höhe von 8,70 % - für die Zeit ab dem 07.10.2008 bis zum erfolgten Widerruf am 30.09.2009 Zinsen in Höhe von insgesamt 1.587,36 Euro zu.
35(3) Schließlich kann die Klägerin Wertersatz für den Versicherungsschutz jeweils für die Zeit von Vertragsbeginn bis zur Umschuldung bzw. bis zum Widerruf am 30.09.2009 verlangen, § 346 Abs. 2 BGB. Zwar gelten die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt gemäß § 346 ff. BGB nach §§ 358 Abs. 4 S. 1 357 Abs. 1 S. 1 BGB nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH beurteilen sich daher die Rechtsfolgen, die sich aus einem Widerruf des Darlehensvertrags für den Restschuldvertrag als verbundenes Geschäft ergeben, auch nach dem VVG (§§ 8, 9 VVG in der Fassung vom 01.01.2008 bzw. §§ 8, 48c VVG a.F. - vgl. BGH Urteil v. 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09 Rz. 15). Dies führt vorliegend indes bereits deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil die Beklagten den Restschuldversicherungsvertrag gerade nicht nach dem VVG gegenüber dieser widerrufen haben.
36Durch die Restschuldversicherung waren die Zahlungsverpflichtungen der Beklagten aus dem Darlehensvertrag abgesichert, so dass die Beklagten für die Zeit von Vertragsbeginn bis zur Umschuldung bzw. bis zum Widerruf Versicherungsschutz und damit einen Vermögensvorteil erlangt haben (vgl. BGH Urteil v. 02.12.1982, Az.: III ZR 90/81 Rz. 1 a), dessen Wert sie nach § 346 Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB zu ersetzen haben. Der Senat legt der Berechnung des Werts dieses Vermögensvorteils die vertraglich vereinbarte Versicherungsprämie, anteilig für den Zeitraum der tatsächlichen Vertragslaufzeit, zugrunde. Bei einer Versicherungsprämie in Höhe von 10.454,86 Euro für eine Laufzeit von 84 Monaten bezüglich der Versicherung der Restschuld aus dem Darlehen vom 06.07.2007 ergibt sich ein monatlicher Betrag in Höhe von 124,46 Euro. Für die Zeit vom 06.07.2007 bis zur Ablösung des Darlehens am 07.10.2008 (15 Monate) sind damit anteilig 1.866,90 Euro anzusetzen. Für den zweiten Vertrag vom 07.10.2008 ergibt sich bei einer Versicherungsprämie in Höhe von 20.334,50 Euro für 84 Monate (d.h. 242,08 Euro/Monat) für die Zeit bis zum Widerruf am 30.06.2009 (8,75 Monate) ein anteiliger Wert von 2.119,25 Euro.
37Da aber auch die Klägerin durch die Restschuldversicherung aufgrund der damit verbundenen Absicherung ihrer Ansprüche gegen die Beklagten einen Vermögensvorteil erlangt hat, der in etwa dem der Beklagten als Darlehensnehmer entspricht, erscheint es dem Senat angemessen, bei der Rückabwicklung der Darlehensverträge den zu ersetzenden Vermögensvorteil der Beklagten auf die Hälfte der Restschuldversicherungsprämie zu begrenzen (vgl. dazu BGH Urteil v. 02.12.1982, Az.: III ZR 90/81). Der Klägerin steht daher insgesamt Wertersatz in Höhe von 1.993,08 Euro für die Restschuldversicherung zu.
38Nach Saldierung der wechselseitigen Rückabwicklungsansprüche beträgt der der Klägerin gemäß §§ 358 Abs. 4, 357, 346, 347 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zustehenden Rückzahlungsanspruch insgesamt 24.677,26 Euro.
392. a) Eine abweichende Beurteilung insbesondere des Zinsanspruchs der Klägerin folgt nicht daraus, dass der Vertrag aufgrund sittenwidrig überhöhter Zinsen gemäß § 138 BGB nichtig wäre. Es liegen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung aufgrund sittenwidrig überhöhter Zinsen vor. Zutreffend stellt das Landgericht hierzu fest, dass der vereinbarte Zinssatz den marktüblichen nicht um 100% überschreitet. Die Kosten für die Restschuldversicherung haben insoweit unberücksichtigt zu bleiben. Die Kosten der Restschuldversicherung könnten nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Bank die Gewährung des Darlehens von dem Abschluss der Restschuldversicherung abhängig gemacht hätte. Dies steht vorliegend aber nicht fest, da die Beklagten für ihre entsprechende Behauptung beweisfällig geblieben sind. Im Übrigen müssten dann aber auch entsprechende Vergleichsparameter herangezogen werden.
40b) Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Restschuldversicherungsprämie selbst sittenwidrig überteuert und daher ggf. auch der Darlehensvertrag nach § 139 BGB nichtig ist, sind nicht vorgetragen. Es fehlt insbesondere an der Vergleichbarkeit der von den Beklagten zum Beleg für die Überteuerung herangezogenen Versicherungen. Soweit die Beklagten vortragen, unter Zugrundelegung des Nettokreditbetrages des Darlehens vom 7.10.2008 sowie der Laufzeit von 84 Monaten habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits für 55 Euro monatlich eine Restschuldversicherung abgeschlossen werden können, ist dies schon deshalb nicht mit der abgeschlossenen Versicherung vergleichbar, weil damit nicht der Gesamtbetrag des Darlehens versichert wäre. Auch bleibt auf entsprechenden Hinweis der Klägerin offen, ob eine Versicherung zu dem von den Beklagten angegebenen Preis auch unter Berücksichtigung der Tatsache hätte abgeschlossen werden können, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bereits über 60 Jahre alt war.
41Soweit die Beklagten behaupten, für eine Kapitallebensversicherung wären selbst bei ungünstigen Voraussetzungen nur Kosten in Höhe von 9.000 Euro entstanden stellt dies für die Gegenüberstellung mit der im Streitfall zu beurteilenden Restschuldversicherung keine taugliche Vergleichsgrundlage dar, da die beiden Versicherungsarten sich auf vielfältige Weise voneinander unterscheiden; insbesondere nach Maßgabe ihrer jeweiligen Risikoabdeckung, altersbezogener Prämienstrukturen, zu erwartende Rückerstattungsverluste bei vorzeitigen Vertragsbeendigung und möglicher Steuervorteile (vergleiche BGH Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 220/10, Rz. 25).
42Zudem steht aber vor allem nicht fest, dass nach dem Parteiwillen zur Zeit des Darlehensabschlusses das Darlehen und die Restschuldversicherung im Sinne des § 139 BGB miteinander stehen und fallen sollten. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten sind für diese Behauptung ebenfalls beweisfällig geblieben.
433. Der streitgegenständliche Kreditvertrag ist nicht gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB nichtig. Die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Unabhängig vom Bestehen einer Aufklärungspflicht der Klägerin über die Freiwilligkeit des Abschlusses einer Restschuldversicherung und die Angemessenheit der Konditionen fehlt es an Vortrag zum darauf bezogenen Vorsatz der Klägerin.
444. Die Beklagten können der Klägerin schließlich auch keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Nach der Rechtsprechung des BGH war die Klägerin nicht verpflichtet, die Beklagten über etwaige Innenprovisionen und/oder etwa von ihr vereinnahmte Rückvergütungen aufzuklären. Eine entsprechende Aufklärungspflicht gilt nach der Rechtsprechung des BGH nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank (BGH Urteil vom 29.11.2011 Az. XI ZR 220/ 10 Rz. 39). Die Kosten für die Versicherung, über deren Abschluss auch nach dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich gesprochen wurde, ergeben sich deutlich aus dem Vertrag. Dass die Beklagten diesen ggf. ungelesen unterschrieben, führt nicht zu einer entsprechenden Aufklärungspflicht der Klägerin.
455. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 und 2 BGB.
466. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10,711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 113,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2013 sowie an den Kläger zu 1) weitere 2.569,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Kläger machen die Rückabwicklung zweier Kreditverträge wegen Widerrufs geltend.
3Der Kläger zu 1) schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ….(im Folgenden: „Beklagte“), am 09.09.2008 einen Kreditvertrag über die Gewährung eines Darlehens über einen Nettodarlehensbetrag von 30.670,61 Euro. Gleichzeitig gab er eine Beitrittserklärung zu einer Ratenschutzversicherung zu einem mitfinanzierten Beitrag von 2.655,00 Euro ab. Der effektive Jahreszins sollte 10,98 % betragen. Weiterhin fiel eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 920,12 Euro an. Das Darlehen führte die Beklagte unter der Nummer ……
4Die Widerrufsbelehrung für den Darlehensvertrag lautete:
5„Jeder Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift derselben dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellt wurde. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: [Anschrift der Beklagten].“
6Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag Bezug genommen (Bl. 9 – 11 d. A.).
7Unter dem 27.10.2009 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen weiteren Darlehensvertrag über einen Darlehensbetrag von 39.836,13 Euro ab. Weiterhin erklärten sie ihren Beitritt zur Ratenschutzversicherung, für welche ein Versicherungsbeitrag von 4.092,24 Euro anfiel. Der effektive Jahreszins sollte 10,48 % betragen. Weiterhin fiel eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 1.529,60 Euro an. Das Darlehen führte die Beklagte unter der Nummer ……
8Die im Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung für den Darlehensvertrag lautete:
9„Widerrufsbelehrung (zum Darlehensvertrag)
10Jeder Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung ohne Begründung innerhalb von zwei Wochen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem die Santander Consumer Bank den Darlehensantrag angenommen hat, sowie den Darlehensnehmern eine Vertragsurkunde, den schriftlichen Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages mit den jeweils darin enthaltenen gesetzlichen Informationspflichten zur Verfügung gestellt hat und die Darlehensnehmer von der Annahme des Darlehensantrages Kenntnis erhalten haben. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: [Anschrift der Beklagten]. Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und gezogene Nutzungen (z.B. Wertersatz) herauszugeben, an den mit dem Darlehensvertrag gegebenenfalls verbundenen Beitritt zur Ratenschutzversicherung ist der Darlehensnehmer ebenfalls nicht mehr gebunden. Der Wertersatz berechnet sich nach der im Vertrag bestimmten Gegenleistung, es sei denn, die Darlehensnehmer können nachweisen, dass der Gebrauchsvorteil des Darlehens niedriger war. Der Darlehensnehmer kommt in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Abgabe seiner Widerrufserklärung seine Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen erfüllt.
11Die im zweiten Darlehensvertrag ebenfalls enthaltene Widerrufsbelehrung für den Ratenschutzversicherungsvertrag verwies für den Fall des Widerrufs nur auf eine Erstattung des Beitrags, der auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfällt, sie enthielt jedoch keinen Hinweis, dass im Falle des Widerrufs auch eine Bindung an den Darlehensvertrag nicht mehr gegeben sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag Bezug genommen (Bl. 12 d. A.).
12Der zweite Darlehensvertrag wurde unter dem 18.03.2013 seitens eines Drittinstituts zu dem von der Beklagten mitgeteilten Ablösebetrag in Höhe von 24.168,00 Euro abgelöst.
13Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.07.2013 (Bl. 14 d. A.) erklärte der Kläger zu 1) den Widerruf der Darlehensverträge mit der Begründung, die Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft und forderte die Beklagte zur Zahlung von 11.081,99 Euro bis zum 08.08.2013 auf. Die Beklagte wies den erklärten Widerruf mit Schreiben vom 31.07.2013 (Bl. 20 d. A.) zurück.
14Die Kläger behaupten, der Darlehensvertrag vom 27.10.2009 habe den Vertrag vom 09.09.2008 abgelöst. Hierzu wird Bezug genommen auf die Berechnung der Kläger im Schriftsatz vom 28.10.2013 (Bl. 35 f. d. A.). Aber auch bezüglich eines abgelösten Darlehens sei ein Widerruf noch zulässig, so meinen sie.
15Die Kläger meinen weiter, ihr Widerruf sei wirksam, insbesondere nicht verfristet, da die Widerrufsbelehrungen keinen hinreichenden Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs verbundener Geschäfte enthielten. Insbesondere fehle ein solcher Hinweis im Hinblick auf die Beitritte zu den jeweiligen Versicherungsverträgen dahingehend, dass sie bei Widerruf des Ratenschutzversicherungsvertrags auch an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden seien. Weiterhin sei die zweite Widerrufsbelehrung fehlerhaft, da sie nicht mit dem Mustertext für Widerrufsbelehrungen nach der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV übereinstimme, nur eine Überschrift enthalte sowie einen Hinweis darauf vermissen lasse, dass die Widerrufsfrist erst nach Erhalt der Widerrufsbelehrung zu laufen beginne.
16Sie meinen, ihnen stünde gegen die Beklagte in Bezug auf den ersten Darlehensvertrag ein Zahlungsanspruch in Höhe von 2.569,28 Euro zu. Denn die Beklagte sei zur Rückerstattung des Versicherungsbeitrags (2.655,00 Euro) nebst Zinsen (134,90 Euro) sowie der Bearbeitungsgebühr (920,12 Euro) verpflichtet. Weiterhin müsse sie die Zinsdifferenz zum marktüblichen Zinssatz, welchen sie – unbestritten - mit 5,71 % p.a. behauptet, zahlen, wodurch sich in Bezug auf die gezahlten Darlehensraten eine Überzahlung in Höhe von 688,18 Euro ergebe. Hiervon sei noch die von der Beklagten erhaltene Erstattung in Höhe von 1.828,92 Euro – welche insoweit unstreitig ist - abzuziehen.
17Bezüglich des zweiten streitgegenständlichen Darlehensvertrags meinen sie, ihnen stünde gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 7.675,19 Euro zu. Die Beklagte sei wiederum zur Rückerstattung des Versicherungsbeitrags (4.092,24 Euro) nebst Zinsen (624,95 Euro) sowie der Bearbeitungsgebühr (1.529,60 Euro) verpflichtet. Weiterhin müsse sie die Zinsdifferenz zum marktüblichen Zinssatz, welchen sie – unbestritten - mit 8,29 % p.a. behaupten, zahlen, wodurch sich in Bezug auf die gezahlten Darlehensraten eine Überzahlung in Höhe von 1.314,90 Euro ergebe. Weiterhin meinen sie, ihnen stünde gegen die Beklagte wegen eines fehlerhaft mitgeteilten Ablösebetrages ein Anspruch auf Zahlung von 588,87 Euro zu, wovon sie klageweise den Betrag von 113,49 Euro geltend machen. Wegen der Einzelheiten wird auf die in dem Schriftsatz vom 11.03.2014 vorgenommene Berechnung Bezug genommen (Bl. 100 f. d. A.). Bei dieser Berechnung gehen die Kläger nunmehr von 40 gezahlten monatlichen Raten aus unter Verweis darauf, dass der von ihnen in der Klageschrift errechnete tatsächliche Ablösebetrag, welcher von 39 monatlichen Raten ausging, fehlerhaft berechnet worden sei.
18Die Kläger beantragen,
19die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.244,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2013 sowie 984,61 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten als Nebenforderung zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren.
23Sie behauptet, das erste streitgegenständliche Darlehen sei nicht durch das zweite Darlehen abgelöst worden. Es müsse eine Neuberechnung der Klageforderung erfolgen, da nicht nachvollziehbar sei, in welcher Höhe das erste Darlehen abgelöst worden sei, so meint sie. Es könne daher auch nicht nachvollzogen werden, in welcher Höhe etwaige Rückzahlungsansprüche aufgrund eines Widerrufs entstanden seien.
24Sie meint weiter, die Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß, weshalb der Widerruf der Kläger verfristet sei. Hilfsweise beruft sie sich auf Verwirkung. Im Übrigen seien die Kläger hinsichtlich der Versicherungsprämie nicht aktivlegitimiert, da die Beklagte Versicherungsnehmerin sei.
25Der von den Klägern errechnete fehlerhafte Ablösebetrag sei widersprüchlich, da sie einmal von 39 und einmal von 40 monatlichen Raten ausgingen.
26Durch Beschluss vom 20.02.2014 hat das Gericht mit Zustimmung beider Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
29Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 2.682,77 Euro nebst Zinsen im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.
30I.
31Dem Kläger zu 1) steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 2.569,28 Euro aus einem wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages vom 09.09.2008 gemäß §§ 495, 355 Abs. 1 S. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 346 BGB a.F. zu.
32Denn der von dem Kläger zu 1) mit Schreiben vom 24.07.2013 erklärte Widerruf war wirksam, insbesondere war er nicht verfristet.
33Denn die zum Darlehensvertrag erteilte Widerrufsbelehrung war nicht ordnungsgemäß, so dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wurde. Denn sie belehrte nicht hinreichend über die Rechtsfolgen für das verbundene Geschäft gemäß § 358 Abs. 2 und 5 BGB a.F. Denn es mangelt vollständig an einem Hinweis daran, dass bei Widerruf des Darlehensvertrages auch der gegebenenfalls damit verbundene Restschuldversicherungsvertrag entfällt. Damit wird über die Folgen des § 358 Abs. 2 BGB a.F. nicht hinreichend belehrt.
34Eine solche Belehrung war aber erforderlich. Denn bei dem Darlehensvertrag und dem Restschuldversicherungsvertrag handelte es sich um verbundene Geschäfte im Sinne von § 358 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 – XI ZR 45/09 –, BGHZ 184, 1-13, juris). Die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. lagen vor, da das Darlehen zumindest teilweise der Finanzierung des Versicherungsvertrages diente und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Das Darlehen diente teilweise – nämlich in Höhe von 2.655,00 Euro – der Finanzierung der Versicherungsprämie. Auch bildeten beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit, da sie derart miteinander verbunden waren, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. So wäre der Restschuldversicherungsvertrag nicht ohne den Darlehensvertrag geschlossen worden. Aber auch der Darlehensvertrag wäre in Höhe des Teilbetrages von 2.655,00 Euro nicht abgeschlossen worden ohne den Versicherungsvertrag. Die Verträge bedingten sich also wechselseitig.
35Infolge der fehlerhaften Widerrufsbelehrung lief die Widerrufsfrist nicht, §§ 495, 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. Dem Kläger zu 1) stand ein unbefristetes Widerrufsrecht zu.
36Insbesondere steht einem solchen Widerrufsrecht nicht entgegen, dass ein Vertrag bei Erklärung des Widerrufs bereits abgelöst ist. Denn dem Kläger zu 1) stand ein unbefristetes Widerrufsrecht zu. Dieses muss aus Gründen des Verbraucherschutzes auch dann noch bestehen, wenn ein Vertrag vollständig erfüllt und abgewickelt ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10. Mai 2010 – 7 U 84/09 –; OLG Hamm, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 31 U 127/13 –, juris). Denn für ein Entfallen des Widerrufsrechts findet sich im Gesetz keine Stütze. Vielmehr bestimmte § 355 Abs. 3 S. 2 BGB a.F., dass das Widerrufsrecht nicht nach 6 Monaten ab Vertragsschluss erlischt, wenn eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erfolgt ist.
37Anhaltspunkte dafür, dass das Widerrufsrecht ausnahmsweise verwirkt wäre, bestehen ebenfalls nicht. Alleine aufgrund des Zeitablaufs von fünf Jahren zwischen Vertragsabschluss und Widerrufserklärung ist eine Geltendmachung des – hier unbefristeten – Widerrufsrechts noch nicht ausgeschlossen. Es mangelte hierbei an dem „Umstandsmoment“. Denn zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urteil vom 14. November 2002 – VII ZR 23/02 –, juris). Die verspätete Geltendmachung des Rechts muss als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Auflage, § 242 Rn. 95). Hieran mangelt es aber schon, wenn die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Belehrt die Beklagte fehlerhaft über die dem Darlehensnehmer zustehenden Rechte, so kann sie sich unter Beachtung von Treu und Glauben nicht im Nachhinein darauf berufen, dass dieser seine Rechte nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
38Durch den wirksamen Widerruf hat sich der Darlehensvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis (§ 346 BGB) gewandelt.
39Der Kläger zu 1) ist gemäß § 358 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. zugleich nicht mehr an den Restschuldversicherungsvertrag gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 – XI ZR 356/09 – m.w.N., juris).
40Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, der Kläger zu 1) sei nicht aktivlegitimiert, Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gegen sie geltend zu machen. Denn gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 BGB a.F. trat die Beklagte im Verhältnis zum Kläger hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Versicherungsunternehmens aus dem Restschuldversicherungsvertrag ein, um den Kläger zu 1) als Verbraucher vor den Folgen einer Aufspaltung des Rückabwicklungsverhältnisses zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 – XI ZR 356/09 – m.w.N., juris).
41Der Kläger zu 1) schuldete demnach nur die Rückzahlung des Nettokreditbetrages nebst Zinsen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 – XI ZR 356/09 –, juris). Von der Beklagten kann er also die Rückzahlung des Versicherungsbeitrages (2.655,00 Euro), entsprechender Zinsen hierauf (134,90 Euro), der Bearbeitungsgebühr (920,12 Euro) sowie der Zinsdifferenz zwischen Vertragszins und marktüblichem Zins (688,18 Euro) verlangen. Hiervon ist die erhaltene Erstattung von 1.828,92 € abzuziehen.
42Der Zahlungsanspruch steht jedoch nur dem Kläger zu 1) und nicht auch der Klägerin zu 2) zu, denn diese war nicht Darlehensnehmerin des ersten Darlehensvertrages und ist insofern nicht aktivlegitimiert.
43II.
44Weiterhin steht den Klägern gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch jedenfalls in Höhe von 113,49 Euro gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, da die Beklagte bei Ablösung des zweiten Darlehens einen zu hohen Ablösebetrag forderte. Insofern legen die Kläger nachvollziehbar dar, dass der von der Beklagten mitgeteilte Ablösebetrag von 24.168,00 Euro die tatsächlich von ihr berechtigterweise geforderte Ablösesumme überstieg. Denn bei einer Darlehenssumme von 58.606,56 Euro unter Ansatz einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 233,46 Euro und unter Abzug von Zahlungen in Höhe von insgesamt 32.559,20 Euro sowie einer anteiligen Zinsrückerstattung von 2.701,68 Euro belief sich die tatsächliche Ablösesumme auf lediglich 23.579,13 Euro. Insofern überstieg der von der Beklagten geforderte Betrag die tatsächliche Ablösesumme zumindest in Höhe von 113,49 Euro.
45Die Beklagte kann sich hierbei auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Kläger seien zunächst von 39 und später von 40 monatlichen Zahlungen ausgegangen und daher sei der Vortrag widersprüchlich. Sofern sie hiermit etwaige Zahlungen bestreiten möchte, reicht dies nicht aus. Denn die Kläger führen aus, dass der ursprünglich von ihnen berechnete Ablösebetrag fehlerhaft berechnet worden sei. Nunmehr setzen sie 40 monatliche Zahlungen an. Ein pauschales Bestreiten der Beklagten reichte hier nicht. Denn als Kreditinstitut erfolgten die Zahlungen direkt an sie, so dass es ihr auch möglich gewesen wäre, diese nachzuvollziehen und hierzu weiter vorzutragen.
46III.
47Soweit die Kläger darüber hinaus noch den Betrag von 7.561,70 Euro infolge eines Widerrufs des Darlehensvertrages vom 27.10.2009 verlangen, hat die Klage keinen Erfolg.
48Denn der mit Schreiben vom 24.07.2013 – ohnehin nur durch den Kläger zu 1) – erklärte Widerruf war verfristet.
49Die Widerrufsbelehrung war nämlich ordnungsgemäß, so dass zum Zeitpunkt des erklärten Widerrufs die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bereits weit abgelaufen war. Die Frist begann am 27.10.2009 zu laufen, so dass der mit Schreiben vom 24.07.2013 erklärte Widerruf verfristet war.
50Der Ablauf der Widerrufsfrist war entgegen der Ansicht der Kläger nicht durch eine fehlerhafte Belehrung über das Widerrufsrecht gehindert, da die den Klägern für den Darlehensvertrag erteilte Belehrung die notwendigen Details des Widerrufs und seiner Folgen vollständig und richtig enthielt.
511.
52Sie belehrt insbesondere hinreichend über die Folgen des verbundenen Geschäfts. Der Darlehensvertrag enthält die Belehrung, dass bei Widerruf des Darlehensvertrages auch der gegebenenfalls damit verbundene Restschuldversicherungsvertrag entfällt. Damit wird über die Folgen des § 358 Abs. 2 BGB a.F. hinreichend belehrt.
53Die Widerrufsbelehrung verstößt nicht deshalb gegen die gesetzlichen Vorgaben, weil die Widerrufsbelehrung zur Restschuldversicherungsbeitrittserklärung nicht auch auf die Rechtsfolgen des § 358 Abs. 1 BGB hinweist. Zwar geht der Bundesgerichtshof inzwischen, beginnend mit seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2009 (XI ZR 45/09 zit. nach Juris) davon aus, dass auch Darlehensvertrag und Restschuldversicherungsvertrag verbundene Geschäfte sind. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass im Rahmen der Widerrufsbelehrung zum Versicherungsvertragsbeitritt auf die Rechtsfolgen des § 358 Abs. 1 BGB hinzuweisen ist. Wie der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung nämlich ebenfalls ausführt, richten sich dennoch die Rechtsfolgen bei einem Rücktritt vom Versicherungsvertrag nicht nach den §§ 355 ff. BGB, sondern vielmehr allein nach den Vorschriften des VVG. Nach § 9 VVG ist Rechtsfolge des Widerrufs aber nur eine Erstattung des bis zum Widerruf nicht verbrauchten Versicherungsbeitrags. Demgegenüber kommt die Anwendung der §§ 355 ff. BGB, insbesondere des § 358 BGB, nur in Betracht, wenn einem Verbraucher durch ein Gesetz ein Widerrufsrecht gerade nach den Vorschriften der §§ 355 ff. BGB eingeräumt ist. Da jedoch § 8 VVG keinen Verweis auf die §§ 355 ff. BGB enthält, finden diese Regelungen auf den Widerruf des Versicherungsbeitritts gerade keine Anwendung. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung sowie später (BGH XI ZR 356/09 zit nach Juris) Widerrufsbelehrungen nur dann als ungenügend angesehen, wenn die Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 358 BGB enthielt. Für den Darlehensvertrag ist aber das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB gegeben, welcher ausdrücklich auf § 355 BGB verweist. Umgekehrt ist das für das Widerrufsrecht nach § 8 VVG, wie ausgeführt, aber gerade nicht der Fall.
54Auch Sinn und Zweck der Vorschriften über die Widerrufsbelehrung erfordern eine entsprechende Belehrung im Versicherungsvertrag nicht. Vielmehr wäre eine solche Belehrung für den durchschnittlichen Verbraucher unverständlich, möglicherweise sogar irreführend. Richten sich nämlich die Folgen des Widerrufs nach dem VVG, entfällt der Darlehensvertrag bei Widerruf des Versicherungsvertrags jedenfalls nicht komplett, sondern allenfalls so weit, wie das Darlehen der Finanzierung des Versicherungsbeitrags diente. Hinzu kommt, dass nach § 9 VVG Folge des Widerrufs nicht etwa eine Pflicht zur Rückzahlung des vollständigen Versicherungsbeitrags besteht, sondern die Beitragspflicht nur für die Zeit ab Zugang des Widerrufs entfällt. Erstreckt man diese Folge auf den Darlehensvertrag, so würde er demgemäß nur ratierlich entfallen. Eine Belehrung, die über alle dergestalt möglichen Folgen belehrt, wäre aber ausufernd und damit wenig verständlich. Enthielte sie die Folgen aber nicht sämtlich, so wäre sie falsch.
55Eine derartige Belehrungspflicht wäre auch sinnwidrig, weil sie beim Verbraucher den unzutreffenden Eindruck hervorrufen könnte, der Darlehensvertrag entfiele bei Widerruf des Restschuldversicherungsvertrags vollständig. Dies entspricht in der Regel nicht dem Willen des Darlehensnehmers, denn er wird sich häufig nur vom Restschuldversicherungsvertrag lösen wollen, nicht aber vom Darlehensvertrag. Letzteres hätte nämlich die Folge, dass er dann auch die Darlehensvaluta vollständig sofort zurück zahlen muss, was ihm in der Regel nicht möglich sein wird. Im Ergebnis könnte daher eine Widerrufsbelehrung, die den Hinweis enthält, bei Widerruf des Restschuldversicherungsvertrags entfalle auch der Darlehensvertrag, den Darlehensnehmer vom von ihm gewünschten Widerruf des Restschuldversicherungsvertrags sogar abhalten. Die Ausdehnung der Unwirksamkeit auf das gesamte Vertragswerk, wenn der Bankkunde nur an dem Versicherungsvertrag nicht mehr gebunden sein will, ist daher nicht nur nicht erforderlich sondern wird dem Verbraucherschutz gerade nicht gerecht.
562.
57Die Widerrufsbelehrung war auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie nicht mit dem Text in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Muster für die Widerrufsbelehrungen identisch war. Denn hierbei handelt es sich lediglich um ein Muster. Ist eine erteilte Widerrufsbelehrung mit diesem nicht identisch, so hat dies lediglich zur Folge, dass die Schutzwirkung nach § 14 BGB-InfoV entfällt. Zu einer allgemeinen Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung führt dies nicht.
583.
59Die Widerrufsbelehrung war auch nicht deshalb unwirksam, weil sie keinen eindeutigen Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist - nämlich mit Erhalt der Belehrung - enthalten hätte. Denn die Widerrufsfrist soll nach der im Vertrag enthaltenen Widerrufsbelehrung mit Erhalt der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zu laufen beginnen. Die Widerrufsbelehrung befindet sich aber unmittelbar im Vertragsdokument. Somit ist klar, dass die Widerrufsfrist erst mit Erhalt der Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt, denn sie sollte mit Erhalt der Vertragsunterlagen zu laufen beginnen.
60Dass die Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung abweicht, führt, wie eben ausgeführt, nur dazu, dass die Schutzwirkung nach § 14 BGB-InfoV entfällt.
614.
62Die Widerrufsbelehrung für den Darlehnsvertrag ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil diese keine Zwischenüberschriften für „Widerrufsrecht“, „Widerrufsfolgen“ und „finanzierte Geschäfte“ enthält. Solche Zwischenüberschriften werden durch die §§ 355 ff. BGB a.F. nicht vorgeschrieben. Soweit der BGH etwa im Urteil vom 01.12.2010, Az.: VIII ZR 82/10 (Rn. 18 nach juris), das Fehlen von Zwischenüberschriften bemängelte, erfolgten diese Ausführungen im Zusammenhang mit der Argumentation, ob sich der Unternehmer auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann. Dies ist aber vorliegend gerade nicht der Fall.
635.
64Die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren können die Kläger ebenfalls nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen. Es fehlt bereits an jeglichem Vortrag seitens der Kläger dazu, dass es sich hinsichtlich der Bearbeitungsgebühren um unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln soll. Etwaige Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung wären aber auch verjährt.
65Denn ein solcher Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Danach lief die Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres 2012 für das hier streitgegenständlichen Darlehen aus dem Jahre 2009 ab. Die erst im August des Jahres 2013 eingereichte Klage konnte somit eine Verjährung auch nicht mehr hemmen.
66a)
67Der Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist mit Auszahlung des Darlehensbetrages im Jahre 2009 entstanden.
68Der Bereicherungsanspruch eines Darlehensnehmers entsteht nicht abschnittsweise, sondern in seinem vollen Umfang im Zeitpunkt der Valutierung und wird in diesem Zeitpunkt auch sogleich im Wege der Verrechnung vom Darlehensnehmer voll erfüllt (BGH, Urteil vom 14. September 2004 – XI ZR 11/04 –, Urteil vom 12. Oktober 1993 – XI ZR 11/93 –, juris; Göhrmann BKR 2013, 275, 278 f.). Bei Bearbeitungsgebühren handelt es sich um so genannte laufzeitunabhängige Kosten, die nicht wie die vertragstypisch geschuldeten Zinsen gemäß § 488 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB erst im Laufe der Vertragsabwicklung regelmäßig wiederkehrend, sondern sogleich in voller Höhe bei Vertragsschluss entstehen (BGH, Urteil vom 10. Juli 1986 – III ZR 133/85 –, BGHZ 98, 174-188; MüKo/Schürnbrand, BGB, 6. Auflage, 2012, § 501 Rn. 5). Der Einbehalt dient nur der Verkürzung des Leistungsweges, so dass der Fall nicht anders zu beurteilen ist, als wenn der Darlehensgeber nicht nur den Nettokreditbetrag, sondern den Bruttokreditbetrag an den Darlehensnehmer ausgezahlt und anschließend von ihm das Bearbeitungsentgelt erhalten hätte (LG Bonn, Urteil vom 11. Juli 2013 – 8 S 91/13 –, juris).
69Da die Beklagte vorliegend – wie aus der Auslegung der Darlehensberechnung in den Darlehensverträgen nach §§ 133, 157 BGB folgt – die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 1.529,60 Euro von dem Gesamtdarlehensbetrag direkt einbehalten hat, hat sie bereits zu diesem Zeitpunkt etwas – nämlich die einbehaltene Bearbeitungsgebühr - durch die Leistung der Kläger ohne rechtlichen Grund erlangt. Dass eine entsprechende Klausel über die Bearbeitungsgebühr unwirksam wäre, änderte nichts daran, dass die Kläger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die entsprechende Bearbeitungsgebühr dadurch an die Beklagte leisten wollten, dass die Beklagte diesen Betrag vom Gesamtdarlehensbetrag einbehielt.
70b)
71Die Kläger haben im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt.
72Bei einem Bereicherungsanspruch genügt die Kenntnis von der Leistung und den Tatsachen, aus denen sich das Fehlen eines Rechtsgrundes ergibt. Maßgeblich ist insoweit, ob der Gläubiger auf Grund der ihm bekannten Tatsachen in der Lage ist, eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose, und ihm daher zumutbare Klage zu erheben (BGH, Urteil vom 26. September 2012 – VIII ZR 249/11 –, juris Rn. 45 m.w.N.). Nicht entscheidend ist, ob der Gläubiger alle Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher zutreffend würdigt, auch nicht im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 20. September 1994 – VI ZR 336/93 – m.w.N., juris).
73Den Klägern waren bei Unterzeichnung des Darlehensvertrages alle den Anspruch begründenden Tatsachen bekannt, weshalb die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2009 begann. Sie wussten, mit wem sie den Vertrag geschlossen hatten und an wen sie die Bearbeitungsgebühr zahlen sollten. Sie wussten weiter, welchen Betrag die Bearbeitungsgebühr ausmacht und dass sie ihre Höhe nicht mit einem Mitarbeiter der Beklagten ausgehandelt hatten. Ihnen war aufgrund des Wortlauts der Regelung auch bekannt, dass die Beklagte die Gebühr für die Bearbeitung des Darlehensvertrags erhob; die Klausel „bepreist“ den der Beklagten mit der „Bearbeitung“ des Darlehens einschließlich des Darlehensantrags entstehenden Verwaltungsaufwand (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 03. Mai 2011 – 17 U 192/10 –, juris Rn. 32; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. Juli 2011 – 17 U 59/11 –, juris Rn. 40; Göhrmann BKR 2013, 275, 276).
74Dass die Kläger sich möglicherweise nicht darüber bewusst waren, dass die Regelung der allein im Interesse der Beklagten liegenden Bearbeitungsgebühr unwirksam war, weshalb sie nicht verpflichtet waren, die Bearbeitungsgebühr zu zahlen, ist dabei unerheblich. Sie müssen die Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zutreffend gewürdigt haben.
75c)
76Der Beginn des Laufs der Verjährung war auch nicht ausnahmsweise wegen unsicherer Rechtslage hinausgeschoben. Nur bei einer unsicheren oder zweifelhaften Rechtslage oder einer der Durchsetzung des Anspruchs entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung kann die Erhebung einer Klage im Einzelfall zeitweise nicht zumutbar und der Beginn des Laufs der Verjährung damit hinausgeschoben sein (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 – IX ZR 30/98 –, Urteil vom 03. März 2005 – III ZR 353/04 –,juris). Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage liegt nur dann vor, wenn selbst ein rechtskundiger Dritter sie nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 – III ZR 220/07 –, juris). Dabei sind an den rechtskundigen Dritten hohe Anforderungen zu stellen, weil zum einen Ausnahmetatbestände nach allgemeinen Auslegungsgesichtspunkten eng auszulegen sind und zum anderen ein weiter Ausnahmetatbestand dem erklärten gesetzgeberischen Ziel, das Verjährungsrecht zu vereinfachen und praktikabler zu machen, zuwiderlaufen würde (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 107). Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage liegt nicht schon deshalb vor, weil eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – IV ZR 208/09 –, juris).
77Es ist bei diesem Ausnahmefall zu bedenken, dass der Bundesgerichtshof eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung – soweit ersichtlich – nur bei Amtshaftungs- und Notarhaftungsansprüchen angenommen hat, weil in diesen Konstellationen die Person des Schuldners nicht bekannt war. Bei der Amts- und Notarhaftung hängt der Anspruch tatbestandlich davon ab, dass keine andere Ersatzmöglichkeit besteht. Bevor die Klage im Hauptverhältnis gegen den Staat erhoben werden kann, muss erst die Rechtslage in einem anderen Rechtsverhältnis – der Ersatzanspruch gegen den Dritten – geklärt werden. Es ist dem Gläubiger nicht zuzumuten, zwei Klagen zu erheben, von denen er nur eine gewinnen wird (vgl. Bitter/Alles, NJW 2011, 2081, 2083 ff. m.w.N.). Aus den vorgenannten Gründen ist zweifelhaft, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die hiesige Konstellation überhaupt übertragen werden kann. Denn im vorliegenden Fall wollen die Kläger lediglich eine einzelne Rechtsfrage im Verhältnis zur Beklagten überprüfen lassen. Ihnen droht dann bei Klageerhebung zwar eine in jedem Prozess denkbare rechtliche Fehleinschätzung; eine solche bloße Rechtsunsicherheit ist jedoch im Rahmen der Verjährung nicht beachtlich. Bereits nach dem Wortlaut des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt es – wie dargelegt – allein auf die Tatsachenkenntnis („Umstände“) an. Dass die Kläger in dem anzustrengenden Prozess möglicherweise unterliegen werden, ist das allgemeine Prozessrisiko einer jeden Partei (vgl. LG Bonn, Urteil vom 11. Juli 2013 – 8 S 91/13 –, juris; Bitter/Alles, NJW 2011, 2081, 2083 ff. m.w.N.).
78Selbst wenn man die zuvor genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf die vorliegende Konstellation anwenden wollte, war die Rechtslage zum Schluss des Jahres 2009 weder unsicher noch zweifelhaft. Es entsprach und entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Entgeltklauseln, in denen – wie hier – ein Kreditinstitut einen Vergütungsanspruch für Tätigkeiten normiert, zu deren Erbringung es bereits gesetzlich oder aufgrund einer selbständigen vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die es vorwiegend im eigenen Interesse vornimmt, unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sind. Denn sie sind mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar, weil nach dem gesetzlichen Leitbild für solche Tätigkeiten ein Entgelt nicht beansprucht werden kann (vgl. BGH NJW 2011, 2640, 2641 (Rn. 33); BGH NJW 2009, 2051, 2052 (Rn. 21) und die Parallelentscheidung BGH, Urteil vom 21.04.2009 – XI ZR 55/08 –, BeckRS 2009, 13142 m.w.N.; BGH NJW 1998, 309, 309; BGH NJW 1997, 2752, 2753; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.11.2009 – Az. I-6 U 17/09, 6 U 17/09 –, BeckRS 86417).
79Somit vermochte ein rechtskundiger Dritter die Rechtslage zum Schluss des Jahres 2009 zuverlässig einzuschätzen. Hätten die Kläger hierzu eine rechtskundige Person befragt, hätte diese ihnen nach Auswertung der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung und Auslegung der Verträge zuverlässig mitteilen können, dass der Erfolg einer Klage größer als der Misserfolg gewesen wäre. Die Rechtslage war auch nicht etwa deshalb unklar, weil der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen Bearbeitungsgebühren nicht beanstandet hat (etwa BGH, Urteil vom 05. April 2011 – XI ZR 201/09 –, BGHZ 189, 104-112; Urteil vom 11. Januar 1995 – VIII ZR 82/94 –, BGHZ 128, 255-270; Urteil vom 13. März 1990 – XI ZR 254/89 –; Urteil vom 02. November 1989 – III ZR 144/88 –, juris). Es bestand in den Entscheidungen kein Anlass, sich mit der Wirksamkeit von Klauseln über die Bearbeitungsgebühr auseinanderzusetzen, weil Gegenstand der Verfahren ein anderer war.
80Unerheblich für die Verjährung ist, wenn die Rechtslage erst später – nach bereits eingetretener Verjährung – aufgrund der Entscheidung des OLG Celle aus dem Jahre 2010 (Az. 3 W 109/09) für kurze Zeit unsicher geworden wäre. Hat die Verjährungsfrist einmal zu laufen begonnen, wird sie nicht verlängert, wenn die Rechtslage zu irgendeinem späteren Zeitpunkt unsicher wird. Dies findet keine Stütze im Gesetz sowie der Rechtsprechung und würde außerdem zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bei der Frage führen, ob ein Anspruch verjährt ist oder nicht. Zudem würde eine Verlängerung der Verjährung dazu führen, was mit dem von der Verjährung verfolgten Zweck des Rechtsfriedens nicht vereinbar ist, dass derjenige besser steht, der zunächst abgewartet und keine Klage erhoben hat, als derjenige, der bereits Klage erhoben hat und dessen Anspruch rechtskräftig abgewiesen worden ist. Ersterer könnte von einer Rechtsprechungsänderung profitieren, letzterer nicht mehr, obwohl er sich um die Durchsetzung seiner Ansprüche rechtzeitig bemüht hat (vgl. Bitter/Alles, NJW 2011, 2081, 2084).
81III.
82Der beantragte Zinsanspruch besteht aus 2.682,77 Euro seit dem 09.08.2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, da sich die Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 24.07.2013 mit Frist zur Zahlung zum 08.08.2013 seit dem 09.08.2013 in Verzug befand, §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht, da die Beklagte erst durch das anwaltliche Schreiben in Verzug gesetzt worden ist und auch ein anderer Rechtsgrund für die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht besteht.
83Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
84Streitwert: 10.244,47 Euro
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.