Landgericht Düsseldorf Urteil, 24. Mai 2016 - 4b O 16/16
Gericht
Tenor
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents A (Verfügungspatent, Anlage Ast18, in deutscher Übersetzung Anlage Ast19) auf Unterlassung in Anspruch.
3Das Verfügungspatent wurde am 23.03.2007 von der B , damals firmierend unter C , später unter D , unter Inanspruchnahme zweier französischer Prioritäten jeweils vom 10.05.2006 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 14.11.2007. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 11.08.2010 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
4Die E hat unter dem 02.06.2014 Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingereicht mit dem Antrag, das Verfügungspatent im Umfang der Ansprüche 1 und 12 für nichtig zu erklären. Mit Zwischenbescheid vom 05.10.2015 äußerte das Bundespatentgericht erhebliche Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents (s. Anlage Ast2). Durch Urteil vom 13.01.2016 wies das Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklage vollumfänglich zurück (Anlage Ast3).
5Das Verfügungspatent bezieht sich auf ein Verfahren zur Weiterleitung von aus- und eingehenden Daten in ein G -Chipset. Die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Ansprüche 1 und 12 des Verfügungspatents, dessen Verfahrenssprache französisch ist, lauten in ihrer eingetragenen deutschen Übersetzung wie folgt:
61.
7Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz, umfassend wenigstens einen Hostprozessor (HP1, HP2), eine Steuereinheit (G C) und eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ,
8dadurch gekennzeichnet, dass es die folgenden Schritte umfasst, die darin bestehen:
9- einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der einen in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit zu senden,
10- als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl (CMD) mittels der Steuereinheit (G C) einen Datenweg zu eröffnen, der den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
11- für den Bestimmungspunkt bestimmte, in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselte Daten mittels des Ausgangspunktes an die Steuereinheit (G C) zu senden und
12- beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (G C), unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes, einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen und die Daten dann an den Bestimmungspunkt zu senden.
1312.
14Datensende-/Empfangsvorrichtung (G R2), umfassend eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ, eine Steuereinheit (G C) und wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden,
15dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinheit (G C) konfiguriert ist, um:
16- als Antwort auf einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde und der einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden, und
17- beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten, unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen.
18Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um eine Patentverwertungsgesellschaft, die 2011 auf Betreiben des französischen Staates zur Förderung des Patentwesens und der Verwertung insbesondere französischer Patente gegründet wurde. Seit dem 19.12.2014 ist sie ausschließliche Lizenznehmerin am Verfügungspatent (vgl. Anlage Ast 21/22).
19Die Verfügungsbeklagte ist ein auf Vertrieb und Marketing spezialisierter Dienstleister, der auf der IFA 2015 in Berlin mit einem eigenen Messestand vertreten war. Auf diesem Messestand bewarb die Verfügungsbeklagte unter anderem Mobilfunkgeräte des Herstellers F .
20Gegenüber der F Germany GmbH hat die Kammer durch Urteil vom 26.03.2015 (Az. 4b O 140/13, Anlage Ast 16) auf eine Verletzung des Verfügungspatents erkannt und zwar im Hinblick auf Mobilfunkgeräte mit dem G -Chip „PN544“ der Firma G (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I, hier nicht streitgegenständlich), der von dem HCI-Standard ETSI TS 102 622 (Anlage Ast 24/25) Gebrauch macht. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.
21Die F Germany GmbH hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf sofortige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 19.08.2015 zunächst zurückgewiesen. Nach dem Zwischenbescheid des Bundespatentgerichts stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der Kammer bis zum 13.01.2016 ein. Den darüber hinaus gehenden Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung wies das Oberlandesgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 26.01.2016 zurück (Anlage Ast 5).
22Die Verfügungsbeklagte stellte auf der IFA 2015 unter anderem das „F “ und das „F “ aus, die beide den G -Chip „X “ der Firma G aufweisen (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II). Dieser macht – genauso wie der G -Chip „PN544“ – von dem HCI-Standard ETSI TS 102 622 Gebrauch und wird auch von den Smartphones „F “, „F “ und „F “ genutzt. Bezüglich dieser Mobilfunkgeräte mit dem G -Chip „X “ erließ die Kammer mit Beschluss vom 07.09.2015 eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte. In der auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hin durchgeführten mündlichen Verhandlung am 08.10.2015 nahm die Verfügungsklägerin ihren Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück, nachdem die Verfügungsbeklagte den Zwischenbescheid des Bundespatentgerichts vom 05.10.2015 erhalten und vorgelegt hatte.
23Mit dem vorliegenden Antrag greift die Verfügungsklägerin zwei weitere Smartphone-Modelle der Firma F an, nämlich das „F “ und das „F “. Das „F “ ist seit August 2015 auf dem Markt und mit dem G -Chip „x“ der Firma G ausgestattet. Das „F x“ ist seit Ende November 2015 im Handel und nutzt den G -Chip „“ der Firma G . Auch der G -Chip „x“ macht von dem HCI-Standard ETSI TS X Gebrauch.
24Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die den G -Chip „x“ und „x“ aufweisenden Smartphones der Firma F würden von der Lehre des Verfügungspatents wortsinngemäß Gebrauch machen. Dies ergebe sich schon daraus, dass beide Chips in gleicher Weise von dem HCI-Standard ETSI TS X Gebrauch machen würden wie der „x“.
25Der streitgegenständliche Standard ETSI TS X sehe statische und dynamische Pipes vor. Für die dynamischen Pipes sehe der Standard zwingend die Übertragung der die Zuordnung zwischen der Pipe-ID und den Gate-IDs wiedergebenden Routing-Tabelle im Rahmen der Befehle ADM_CREATE_PIPE, ADM_NOTIFY_CREATE_PIPE und ANY_OK zwischen den Hosts und dem Host Controller vor. Eine andere Möglichkeit zur Übertragung dieser Routing-Tabelle kenne der Standard nicht. Es sei aber erforderlich, dass der auf der UICC verortete Host in irgendeiner Weise über die mit einer vom Host-Controller vergebenen Pipe-ID verknüpften Datenwege informiert werden müsse.
26Sie – die Verfügungsklägerin – habe die angegriffenen Ausführungsformen einem Test unterzogen und dabei festgestellt, dass mittels des Befehls „ADM_CREATE_PIPE“ dynamische Pipes erstellt werden. Dass es sich um dynamische Pipes handele, ergebe sich nicht nur aus der Benutzung des Befehls „ADM_CREATE_PIPE“, sondern auch aus dem Umstand, dass diesen Pipe-IDs von 06 und 08 zugewiesen seien. Hierbei handele es sich nach dem Standard (Abschnitt 4.4, Tabelle 3) eindeutig um dynamische Pipes.
27Im Übrigen unterscheide die erfindungsgemäße Lehre nicht wie der Standard zwischen dynamischen und statischen Pipes. Auch die Verwendung statischer Routingkanalnummern führe nicht aus dem Schutzbereich des Verfügungspatents heraus. Der Standard gebe in Abschnitt 6.1.3.1 „ADM_CREATE_PIPE“ und in dem korrelierenden Standardabschnitt 6.1.3.2 „ADM_NOTIFY_PIPE_CREATED“ in den Tabellen 9, 10 und 11 zwingend die Speicherung einer Routingkanalnummer (Pipe-ID) sowie Identifizierern des Ausgangs- und des Bestimmungspunktes vor (sogenannte Routingparameter). Dies ergebe sich bereits aus dem Versenden der Routingparameter in der Tabelle 10 von dem Host-Controller an den anfragenden Host sowie auch aus der Versendung der Tabelle 11, die von dem Host-Controller an den Destination Host versandt werde. In beide Richtungen, mithin an den Ausgangspunkt und an den Bestimmungspunkt, werde die Tabelle mit den Routingparametern verschickt. Der Inhalt der Tabelle müsse daher in irgendeiner Form abgespeichert sein, was sich nicht zuletzt daraus ergebe, dass bei dem Versenden der Datenpakete nur eine Pipe-ID verwendet werde. Diese Pipe-ID könne als Routing-Information nur verwendet werden, wenn in einer Routingtabelle die zugehörigen Parameter eingetragen seien.
28[geschwärzt]
29Dem neuerlichen Verfügungsantrag fehle es nicht an der erforderlichen Dringlichkeit.
30Bis zur Anbringung des ersten Verfügungsantrags habe sie - die Verfügungsklägerin - die Verfügungsbeklagte nicht gekannt. Erst im Zusammenhang mit der IFA-Messe im September 2015 sei sie auf die Vertriebsaktivitäten der Verfügungsbeklagten aufmerksam geworden. Die Verfügungsbeklagte handele überwiegend im Verborgenen. Auf den Internetseiten der F -Konzerngruppe finde sich kein Hinweis auf die Einbindung der Verfügungsbeklagten in die Vertriebsaktivitäten von F . Im Straßenbild sei die Verfügungsbeklagte nicht durch Geschäfte präsent.
31Der ursprüngliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei nur deshalb zurückgenommen worden, weil er aufgrund des Zwischenbescheids des Bundespatentgerichts keine Aussicht auf Erfolg mehr gehabt habe. Es sei legitim, dass sie - die Verfügungsklägerin - dann zunächst den Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens abgewartet habe. Nach der Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 13.01.2016 sei die Dringlichkeit neu zu beurteilen. Erst in diesem Moment sei die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents ausreichend gesichert gewesen. Die erneute Anbringung des Verfügungsantrags sei keineswegs rechtsmissbräuchlich. Denn aufgrund des Zwischenbescheids des Bundespatentgerichts habe ein sachlicher Grund vorgelegen, den Verfügungsantrag zurückzunehmen. Andernfalls hätte das Landgericht den ursprünglichen Antrag per Urteil zurückgewiesen.
32Nach dem 13.01.2016 habe die Verfügungsklägerin die Produktpalette von F , die zwischenzeitlich umgestellt bzw. erweitert worden sei, neu recherchiert und insbesondere Tests dazu durchführen lassen, welche Chips in den aktuell vertriebenen Geräten von F benutzt und verbaut würden. Die entsprechenden Analyseberichte würden ihr erst seit kurzer Zeit vorliegen. Zeitgleich haben sie Vergleichsgespräche mit der F -Konzerngruppe geführt. Vor dem Hintergrund dieser Vergleichsgespräche habe es keinen Sinn ergeben, gegen die hiesige Verfügungsklägerin vorzugehen. Dies hätte vielmehr die Fortsetzung der Vergleichsgespräche gefährdet.
33Mit ihrem am 22.02.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragt die Verfügungsklägerin,
34der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist, zu untersagen,
351. Mobiltelefone im deutschen Geltungsbereich des EP A anzubieten und/oder zu liefern, die zur Ausübung eines Datenroutingverfahrens in einem Chipsatz geeignet sind, umfassend wenigstens einen Hostprozessor, eine Steuereinheit und eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle vom RFID-Typ, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst, die darin bestehen:
36- einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der einen in der kontaktlosen Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit zu senden,
37- als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl (CMD) mittels der Steuereinheit (G C) einen Datenweg zu eröffnen, der den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
38- für den Bestimmungspunkt bestimmte, in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselte Daten mittels des Ausgangspunktes an die Steuereinheit (G C) zu senden und
39- beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (G C), unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes, einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen und die Daten dann an den Bestimmungspunkt zu senden,
40und/oder
412. Datensende-/ Empfangsvorrichtungen (G R2) umfassend eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ, eine Steuereinheit (G C) und wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden,
42im deutschen Geltungsbereich des EP A anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wobei die Steuereinheit (G C) konfiguriert ist,
43um als Antwort auf einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde und der einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden, und beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten, unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen.
44Die Verfügungsbeklagte beantragt,
45den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
46Zur Begründung ihrer Anträge führt die Verfügungsbeklagte aus, es fehle sowohl an einem Verfügungsanspruch als auch an einem Verfügungsgrund.
47Bezüglich der hier streitgegenständlichen G -Controller „x“ und „x“ sei die von der Verfügungsklägerin behauptete Patentverletzung nicht nachgewiesen.
48In dem Hauptsacheverfahren 4b O 140/13 gegen die F Germany GmbH sei der Verletzungsvorwurf auf die Erzeugung sogenannter dynamischer Pipes im Card Emulation Mode unter Verwendung des Befehls „ADM_CREATE_PIPE“ gerichtet gewesen. Der Standard schreibe hingegen nicht vor, dass die Erzeugung der Pipes für die Nutzung des Card Emulation Modes erforderlich wäre. Es sei nach dem Standard auch möglich, eine Anzahl bereits in der Schnittstelle zwischen UICC Host und Host Controller fest implementierter Pipes zu verwenden. Eben so würden der „X “ und der „X “ arbeiten, wodurch sie sich grundlegend vom „PN544“ unterscheiden würden. Die hier streitgegenständlichen Chips würden auf ein „Array“ fest im Chip implementierter statischer Pipes zurückgreifen, die bedarfsweise geöffnet und geschlossen würden. Auf einen CreatePipe-Befehl hin werde kein Datenweg neu erzeugt, sondern es würden bereits zuvor gespeicherte Informationen in einer Rückmeldung übermittelt, wenn ein existenter Datenweg in Benutzung genommen werde. Der existierende Datenweg könne als „gelöscht“, „geschlossen“ oder „offen“ markiert sein. Im Rahmen des CreatePipe-Befehls werde der Status „geschlossen“ gesetzt, so dass die Pipe durch einen nachfolgenden Befehl gesondert geöffnet werden könne. Die Pipes seien unveränderlich. Jeder Pipe sei eine Pipe-ID fest zugewiesen. Eine „Eröffnung“ eines Datenweges im Sinne des Verfügungspatents finde gerade nicht statt.
49Auch werde für das Routing nicht – wie von der erfindungsgemäßen Lehre gefordert – auf eine Routing-Tabelle zurückgegriffen. Der Standard lasse gerade offen, wie das Routing vorgenommen werde; insbesondere erfordere er nicht zwingend den Rückgriff auf eine Routing-Tabelle. Abschnitt 8.1.1 beschreibe lediglich, wie der Host die Erzeugung einer dynamischen Pipe durch den Host-Controller anfordern könne. Im Wege der Nachricht ADM_CREATE_PIPE würden dem Host-Controller dabei die Parameter des Datenweges mitgeteilt, den dieser erzeugen solle, und dem Host durch den Host-Controller die Parameter des Datenweges im Wege der Nachricht ANY_OK (Tabelle 10 des Standards) bestätigt. Es finde sich aber im Standard kein Hinweis darauf, dass der Host-Controller für die Weiterleitung eines Datenpakets die Pipe-ID als Index in einer Routing-Tabelle suchen müsste, um ein Datenpaket an seinen Bestimmungspunkt weiterzuleiten.
50Neben der Verwendung einer erfindungsgemäßen Routing-Tabelle gebe es alternative, in einer Steuereinheit zu implementierende Möglichkeiten, ein von einem Ausgangspunkt an eine Steuereinheit übermitteltes Datenpaket nur durch Auswertung der ihm beigefügten Routingkanalnummer an einen Bestimmungspunkt weiterzuleiten. So könne etwa die Steuereinheit mit einem Algorithmus den betreffenden logischen Eingang des Bestimmungspunktes aus der Routingkanalnummer errechnen. In diesem Fall sei das Wissen in dem Algorithmus und nicht in einer Routingtabelle enthalten. Weiter könnte die Steuereinheit auch mit einer (re-)konfigurierbaren logischen Schaltung den betreffenden logischen Eingang des Bestimmungspunktes aus der Routingkanalnummer bestimmen. Dies wiederum bedeute, dass das Wissen in der Schaltung selbst enthalten sei; diese setze einen Algorithmus in Hardware um. Beide dargestellten Lösungen seien klar von der Verwendung einer erfindungsgemäßen Routing-Tabelle zu unterscheiden.
51[geschwärzt]
52Im Übrigen fehle es aber auch an einem Verfügungsgrund, da eine Dringlichkeit für den Erlass der einstweiligen Verfügung nicht gegeben sei.
53Der Verfügungsklägerin sei bereits seit langem bekannt, dass es sich bei der Verfügungsbeklagten um einen Vertriebspartner der F -Gruppe handele. Mit Schreiben vom 08. und 23.06.2015 habe die F Germany GmbH im Rahmen ihrer Auskunftserteilung darauf hingewiesen, dass die „H “ Vertriebspartner der F -Gruppe sei. Das F One M9 werde von der Verfügungsbeklagten bereits seit Anfang April 2015 vertrieben und sei Gegenstand der Unterlassungsvollstreckung aus dem Verletzungsverfahren gegen die F Germany GmbH gewesen. Die Verfügungsbeklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die I , würde bereits seit vielen Jahren F -Mobiltelefone auf der IFA ausstellen. Die Unternehmensgruppe der Verfügungsbeklagten gelte als weltweit größter Distributor für Produkte aus dem Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologie. Dies sei den Fachkreisen hinlänglich bekannt. Insofern habe die Verfügungsklägerin – sollte sie tatsächlich keine positive Kenntnis von den Vertriebsaktivitäten der Verfügungsbeklagten gehabt haben – jedenfalls die Augen vor den vermeintlichen Verletzungshandlungen verschlossen. Auch in einem solchen Fall dürfe eine einstweilige Verfügung nicht erlassen werden.
54Jedenfalls aber habe die Zurücknahme des ersten Verfügungsantrags durch die Verfügungsklägerin eine etwaige frühere Dringlichkeit endgültig entfallen lassen. Die Verfügungsklägerin habe ihren ersten Antrag bewusst noch während des anhängigen Rechtsbestandsverfahrens gestellt. Es sei allein ihre Entscheidung gewesen, sich in ein für sie unsicheres Verfahren zu begeben, ohne zunächst den Ausgang des Rechtsbestandsverfahrens abzuwarten. Der negative Zwischenbescheid des Bundespatentgerichts habe kein irgendwie geartetes Prozesshindernis dargestellt, sondern die Verfügungsklägerin habe sich dazu entschieden, ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzunehmen. In einem solchen Fall könne eine Dringlichkeit nicht wieder aufleben.
55Darüber hinaus stelle das Verhalten der Verfügungsklägerin nach der Verkündung der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren am 13.01.2016 ein zögerliches und nachlässiges Verhalten hinsichtlich der Rechtsverfolgung dar. Die Verfügungsklägerin habe über fünf Wochen seit der Entscheidung des Bundespatentgerichts abgewartet, bis sie mit dem vorliegenden Verfügungsantrag auf diese Entscheidung reagiert habe. Mit etwaigen Terminverschiebungen im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht könne die Verzögerung nicht gerechtfertigt werden. Denn dieses Berufungsverfahren werde nicht mit der hiesigen Verfügungsbeklagten, sondern mit der F Germany GmbH geführt. Gleiches gelte für etwaige Vergleichsgespräche zwischen der Verfügungsklägerin und der F -Konzerngruppe.
56Die streitgegenständlichen Modelle aus dem ursprünglichen Verfügungsverfahren würden sich weiterhin sämtlich in Deutschland im Verkauf befinden. Dies könne durch einen kurzen Blick auf die Homepage von F festgestellt werden. Einer umfassenden neuen Recherche seitens der Verfügungsklägerin habe es nicht bedurft. Soweit die Verfügungsklägerin daneben nunmehr erstmals das F x angreife, werde auch dieses Modell bereits seit Ende August 2015 auf dem deutschen Markt vertrieben. Insofern habe es die Verfügungsklägerin versäumt, dieses Modell schon in ihren ersten Verfügungsantrag aufzunehmen. Dies könne hingegen keine verlängerte Recherchezeit bei ihrem zweiten Antrag rechtfertigen. In Wikipedia gebe es eine Liste aller G -fähigen Endgeräte (vgl. Anlage HL7). Anhand dieser seien nicht nur die G -fähigen Geräte von F , sondern auch die Verwendung des jeweiligen G -Chips auf sehr einfache Weise festzustellen. Der von der Verfügungsklägerin behauptete mehrwöchige Rechercheaufwand sei vor diesem Hintergrund völlig übertrieben.
57Im Hinblick auf das nunmehr erstmals angegriffene Modell „F One A9“ mit dem G -Chip „X “ könne eine Dringlichkeit ohnehin nicht aufleben, weil dieses Modell im Zeitpunkt des ersten Verfügungsverfahrens noch gar nicht auf dem Markt gewesen sei. Dieses sei vielmehr erst Ende November 2015 eingeführt worden, was die Verfügungsklägerin ohne weiteres den einschlägigen Fachmedien habe entnehmen können.
58Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2016 verwiesen.
59Entscheidungsgründe
60Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache keinen Erfolg. Es lässt sich im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht feststellen, dass der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte ein Verfügungsanspruch zusteht.
61I.
62Die dem Verfügungspatent zugrunde liegende Erfindung betrifft ein Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz (Verfügungspatentschrift Abs. [0001]) sowie einen Datensende-/ Empfangsschaltkreis (Verfügungspatentschrift Abs. [0002]), jeweils umfassend eine kontaktlose Sende-/Empfangsschnittstelle vom RFID Typ (Radio Frequency Identification). Das Verfügungspatent betrifft dabei insbesondere die Umsetzung eines G (Near Field Communication)-Chipsatzes (Verfügungspatentschrift Abs. [0003]).
63Bei RFID-Systemen („radio-frequency identification“) werden Daten auf einem elektronischen Datenträger – einem Transponder – gespeichert. Diese Daten können dann von einem Lesegerät unter Verwendung magnetischer oder elektromagnetischer Felder ausgelesen werden. Der Transponder besitzt dabei in der Regel keine eigene Spannungsversorgung. Er wird vielmehr erst aktiviert, wenn er sich in einem Lesebereich des Lesegeräts befindet. Die zum Betrieb des Transponders benötigte Energie wird über das magnetische oder elektromagnetische Feld des Lesegeräts an den Transponder übertragen. RFID-Systeme gestatten somit das automatisierte und berührungslose Identifizieren und Lokalisieren von mit einem Transponder versehenen Objekten bzw. das Erfassen von in einem Transponder enthaltenen Daten.
64G betrifft eine drahtlose Datenschnittstelle zwischen elektronischen Geräten. Die Besonderheit der G -Technologie besteht darin, dass der Datenaustausch nur über kurze Strecken von einigen Zentimetern funktioniert, die am Datenaustausch beteiligten Geräte dementsprechend nah aneinander gehalten werden müssen. Die über ihre jeweilige G -Schnittstelle miteinander verbundenen Geräte verhalten sich dabei entsprechend einem RFID-Leser bzw. -Transponder, wobei im Unterschied zu der RFID-Technologie, bei der die passive Einheit (der Transponder) stets passiv ist, bei der G -Technologie Einheiten eingesetzt werden können, die sowohl aktiv als auch passiv, auch in wechselnden Rollen, operieren. Die G -Technologie ist durch verschiedene technische Standards der ISO, ECMA und ETSI spezifiziert.
65Die Verfügungspatentschrift beschreibt G -Leser mit mehreren Betriebsmodi, nämlich einem „Leser“-Modus, einem „Kartenemulations“-Modus und einem „Device“-Modus. Im Leser-Modus funktioniert der G -Leser in aktiver Form durch Aussendung eines Magnetfeldes wie ein herkömmlicher RFID-Leser, um Lese- und Schreibzugriff auf einen RFID-Chip zu erhalten. Im Emulations-Modus funktioniert der G -Leser in passiver Form in der Art eines Transponders, um mit einem anderen, ein Magnetfeld aussendenden Leser zu kommunizieren und durch den anderen Leser wie ein RFID-Chip wahrgenommen zu werden. Im Device-Modus – der die G -Technologie auszeichnet – bringt sich der Leser alternierend in einen aktiven und in einen passiven Zustand der vorbeschriebenen Art (Leser- bzw. Kartenemulationsmodus), um mit einem anderen Leser Daten auszutauschen (Verfügungspatentschrift Abs. [0004]).
66Aufgrund seiner weitreichenden Kommunikationskapazitäten wird der G -Leser in tragbare Vorrichtungen wie Mobiltelefone oder PDAs integriert. Hierzu wird ein G -Chipsatz benötigt, der einen G -Leser und mindestens einen Hostprozessor umfasst (Verfügungspatentschrift Abs. [0006]).
67Die nachfolgend abgebildete Figur 1 der Verfügungspatentschrift zeigt den typischen Aufbau eines solchen G -Chipsatzes in Blockform und kontaktlose Schaltkreise, mit denen der Chipsatz kommunizieren kann:
68 69Der G -Chipsatz ist durch das gestrichelte Rechteck auf der linken Seite der Abbildung umgrenzt. Er umfasst einen G -Leser (G R1), dem eine kontaktlose Schnittstelle zugeordnet ist (angedeutet durch die zu erkennende Spule), sowie zwei Hostprozessoren (HP1 und HP2). Den Begriff des Hostprozessors definiert die Verfügungspatentschrift dahingehend, dass hierunter ein integrierter Schaltkreis zu verstehen ist, der einen Mikroprozessor oder eine Mikrosteuereinheit umfasst und der mit dem Port eines G -Lesers verbunden ist (Verfügungspatentschrift Abs. 0006]). In Figur 1 teilen sich die beiden Hostprozessoren (HP1 und HP2) die Ressourcen des G -Lesers (G R1). Sie sind mit ihm über Ports verbunden und können mit ihm jeweils bidirektional kommunizieren (angedeutet durch die Pfeile).
70Die Hostprozessoren verwalten über den G -Leser ihre jeweiligen kontaktlosen Anwendungen bzw. Dienste (sog. Apps). Über den G -Leser müssen deshalb ein- und ausgehende Datenflüsse von den in den Hostprozessoren ausgeführten Anwendungen oder Diensten abgewickelt werden. Das heißt, der G -Leser muss mit unterschiedlichen externen Schaltkreisen kommunizieren können (Verfügungspatentschrift Abs. [0006]). Die Umsetzung eines geeigneten G -Chipsatzes erfordert daher jedenfalls das Vorsehen eines Routings von Datenflüssen, die über einen bidirektionalen, kontaktlosen Datenübertragungskanal übertragen werden, zwischen den jeweiligen Hostprozessoren (HP1, HP2) und dem G -Leser (G R1) innerhalb des Chipsatzes (Verfügungspatentschrift Abs. [0007]).
71Dieses Routing von Datenflüssen zwischen den jeweiligen Hostprozessoren und dem G -Leser beschreibt die Verfügungspatentschrift exemplarisch anhand der nachfolgend abgebildeten Figuren 3a und 3b:
72 73Der G -Chipsatz der Figur 3a besteht aus zwei Hostprozessoren (HP1, HP2) sowie dem G -Leser (G R1; kleineres gestricheltes Rechteck). Letzterer wiederum umfasst eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT), ausgestattet mit einem Antennenschaltkreis (ACT), zwei drahtgebundenen Kommunikationsschnittstellen (INT1, INT2) und einer Steuereinheit (G C). Die Kommunikationsschnittstellen sind einerseits mit der Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT), andererseits mit den zwei außerhalb des G -Lesers befindlichen Hostprozessoren (HP1, HP2) verbunden.
74Figur 3b stellt die den G -Chipsatz passierenden Datenflüsse von und zu von einem Hostprozessor (HP1, HP2) ausgeführten Anwendungen oder Diensten exemplarisch dar. Auf diese Weise können die Ressourcen der kontaktlosen Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) durch die einzelnen Hostprozessoren verwendet werden. Dabei weisen die Datenflüsse jeweils einen Ausgangs- und einen Bestimmungspunkt auf. Je nachdem, in welche Richtung der Datenfluss erfolgt, ist der Ausgangs- oder Bestimmungspunkt entweder in einem Hostprozessor (HP1, HP2) oder in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisiert (Verfügungspatentschrift Abs. [0009]).
75Um das Routing der ausgehenden Daten und die Konfiguration der Schnittstelle CLINT zu ermöglichen, werden Datenübertragungsblöcke gebildet, die jeweils Header-Felder und Datenfelder umfassen. Die Header-Felder enthalten die zur Steuerung der Schnittstelle CLINT erforderlichen Informationen, insbesondere Felder mit Angaben über Datenausgangs- und Bestimmungspunkte (Verfügungspatentschrift Abs. [0011]).
76Das aus dem Stand der Technik bekannte HCI-Protokoll sah ausweislich der Verfügungspatentschrift (Verfügungspatentschrift Abs. [0012]) Datenübertragungsblöcke mit langen und komplexen Header-Feldern vor. Dies hatte den Nachteil, dass ein erheblicher Verarbeitungsaufwand erforderlich war, bevor die eigentliche Datenverarbeitung stattfinden konnte. Dieses Problem wird auch als „overheading“ bezeichnet. Ein weiteres Problem im Stand der Technik bestand darin, dass die kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle CLINT und die Steuereinheit G C nicht unbedingt wussten, an welchen Hostprozessor die eingehenden Daten gesendet werden sollen. Infolgedessen wurden die Daten an zwei Prozessoren übermittelt, wobei der Prozessor, den diese Daten nicht betrafen, nicht darauf antwortete (Verfügungspatentschrift Abs. [0014]).
77Vor diesem Hintergrund formuliert die Verfügungspatentschrift die Aufgabe (das technische Problem), zum einen ein Datenrouting-Verfahren in einem G -Chipsatz bereitzustellen, das einfach umzusetzen ist und keine überlangen Header-Felder erfordert (Verfügungspatentschrift Abs. [0013]), und zum anderen ein Verfahren bereitzustellen, mit dem in einem G -Chipsatz der Hostprozessor festgestellt werden kann, der der Empfänger der über einen kontaktlosen Datenübertragungskanal empfangenen Daten ist, ohne dabei notwendigerweise den Inhalt dieser Daten analysieren zu müssen (Verfügungspatentschrift Abs. [0017]).
78Dies sucht die Erfindung mit einem Datenroutingverfahren und einer Datensende-/ Empfangsvorrichtung nach den Ansprüchen 1 und 12 zu erreichen, die die folgenden Merkmale aufweisen:
79Anspruch 1:
80- 81
1. Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz
- 82
2. Der Chipsatz umfasst
a) eine Steuereinheit (G C),
84b) eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ und
85c) wenigstens einen Hostprozessor (HP1, HP2).
86- 87
3. Das Verfahren umfasst die folgenden Schritte:
a) Senden eines Datenwegeröffnungsbefehls (CMD) mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit,
89a1) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl einen in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt,
90b) Eröffnen eines Datenweges mittels der Steuereinheit (G C) als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl (CMD),
91b1) wobei der Datenweg den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet,
92b2) wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und
93b3) wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
94c) Senden von in einem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten und für den Bestimmungspunkt bestimmten Daten an die Steuereinheit (G C) mittels des Ausgangspunktes,
95c1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist,
96d) Suchen eines Bestimmungspunktes der Daten in der Routing-Tabelle beim Empfang der in dem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (G C),
97d1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist und
98d2) wobei bei der Suche die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird,
99e) Senden der Daten an den Bestimmungspunkt.
100Anspruch 12
101- 102
1. Datensende-/Empfangsvorrichtung (G R2)
- 103
2. Die Datensende-/Empfangsvorrichtung (G R2) umfasst:
a) eine Steuereinheit (G C),
105b) eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ und
106c) wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden.
107- 108
3. Die Steuereinheit (G C) ist konfiguriert, um
a) als Antwort auf einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD) einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen,
110a1) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde,
111a2) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt,
112a3) wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen ist und
113a4) wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
114b) beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten Daten einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen,
115b1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist und
116b2) wobei bei der Suche die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird.
117II.
118Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf die Merkmalsgruppe 3 der Ansprüche 1 und 12 näherer Erläuterung. Aus Gründen der Vereinfachung wird dabei auf die Merkmale des Anspruchs 1 abgestellt, die sich in Anspruch 12 in (weitgehend) gleicher Weise – jedoch teilweise mit etwas unterschiedlicher Bezifferung – wiederfinden.
119Als einschlägigen Fachmann sieht die Kammer – wie das Bundespatentgericht - einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder Informationstechnik mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Nahfeldkommunikation an.
120Die Merkmalsgruppe 3 beschreibt die Umsetzung der erfindungsgemäßen Kommunikation innerhalb des Chipsatzes, also den Datenfluss im Chipsatz zwischen einem der Hostprozessoren (HP1, HP2) und der Schnittstelle (CLINT). Anschaulich wird dies anhand der nachstehend eingeblendeten Figur 4 der Verfügungspatentschrift:
121 122Gezeigt ist ein erfindungsgemäßer G -Chipsatz mit zwei Hostprozessoren (HP1, HP2) und einem G -Leser (G R2). Der G -Leser umfasst die Steuereinheit G C und eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle CLINT. Die Ausgangs- oder Bestimmungspunkte eines Datenflusses im Chipsatz werden als P1 (im Hostprozessor 1 lokalisierter Punkt), P2 (im Hostprozessor 2 lokalisierter Punkt) und P3 (in der Schnittstelle CLINT lokalisierter Punkt) bezeichnet.
123Gemäß Merkmal 3.a) wird zunächst mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) ein Datenwegeröffnungsbefehl an die Steuereinheit gesandt. Der Datenwegeröffnungsbefehl soll nach Merkmal 3.a)a1) den Bestimmungspunkt des Datenweges benennen, der in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle lokalisiert ist. Auf diese Weise erhält die Steuereinheit die für die Identifizierung des Datenweges erforderlichen Routingparameter.
124Unter Ausgangs- und Bestimmungspunkt sind dabei der Anfangs- und Endpunkt der jeweiligen Kommunikation im Chipsatz zu verstehen. Es kann sich dabei um Softwarekomponenten bzw. Anwendungen in den Hostprozessoren und den Komponenten des G -Lesers innerhalb des Chipsatzes handeln, von denen ein Datenfluss ausgehen kann oder die Empfänger eines solchen Datenflusses sein können (Verfügungspatentschrift Abs. [0065] sowie Unteransprüche 9 und 20).
125Der Datenwegeröffnungsbefehl geht von dem Ausgangspunkt in einem Hostprozessor aus. Die eigentliche Erzeugung des Datenweges erfolgt sodann durch die Steuereinheit (G C) im G -Leser (G R) (Verfügungspatentschrift Abs. [0048]). Als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl wird mittels der Steuereinheit der angefragte Datenweg zwischen Ausgangs- und Bestimmungspunkt eröffnet (Merkmal 3.b). Der Begriff des „Eröffnens“ ist in der Verfügungspatentschrift nicht gesondert definiert. In funktionaler Hinsicht meint „Eröffnen“ das Festlegen/Bereitstellen eines Datenweges für einen zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmenden Datentransport.
126Dieses Bereitstellen kann sowohl in der (erstmaligen) Erzeugung eines neuen Datenweges als auch in der Aufnahme der Benutzung eines schon bestehenden Datenweges liegen. Insofern kennt das Verfügungspatent auch die Möglichkeit, auf eine bereits voreingetragene Routingtabelle zurückzugreifen, indem in der Routing-Tabelle ein passender Datenweg gesucht wird, wenn Daten von der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle über einen kontaktlosen Datenübertragungskanal empfangen werden (Verfügungspatentschrift Abs. [0025], vgl. auch Abs. [0034], [0035]). Das erfindungsgemäße „Eröffnen“ des Datenweges besteht in diesem Fall darin, dass die Steuereinheit G C in das Feld „belegt“ den Wert „1“ einträgt (Verfügungspatentschrift Abs. [0050]). Ob und wann über den solchermaßen eröffneten Datenweg eine Datenübertragung stattfindet, kann Gegenstand eines gesonderten Befehls sein und hat in funktionaler Hinsicht nichts zu tun mit dem erfindungsgemäßen „Eröffnen“ des Datenweges.
127Der „eröffnete“ Datenweg verbindet den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt (Merkmal 3.b)b1)). Mit dem Eröffnen des Datenweges wird diesem zugleich eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen (Merkmal 3.b)b2)), die in eine Routing-Tabelle eingetragen wird (Merkmal 3.b)b3)). Der Routingkanalnummer werden in der Routing-Tabelle Routingparameter zugewiesen, die wenigstens einen Identifizierer des Ausgangspunktes und einen Identifizierer des Bestimmungspunktes des jeweiligen Datenweges (IDsp, IDdp) benennen (Merkmal 3.b)b3)). Auf diese Weise kann allein mit Hilfe der Routingkanalnummer durch einen Rückgriff auf die Routing-Tabelle der jeweilige Datenweg identifiziert werden.
128Dies ermöglicht es, bei der Übermittlung von in einem Datenübertragungsblock verkapselten Daten ein Header-Feld zu verwenden, das lediglich die Routingkanalnummer ausweist und dementsprechend einfach und schnell verarbeitet werden kann (Merkmal 3.c)). Die Steuereinheit muss zu diesem Zweck lediglich die zu der entsprechenden Routingkanalnummer in der Routing-Tabelle abgespeicherten Routingparameter abrufen und auswerten (Merkmal 3.d)). Auf diese Weise kann der Bestimmungspunkt der Daten festgestellt werden (vgl. Merkmal 3.d)d2)), an den die Daten sodann gesandt werden (Merkmal 3.e)).
129In funktionaler Hinsicht muss die Routing-Tabelle solchermaßen ausgestaltet sein, dass die Steuereinheit auf sie zugreifen und die Verknüpfung zwischen einer bestimmten Routingkanalnummer und den Identifizierern des zugehörigen Datenweges abfragen kann. Dabei lässt das Verfügungspatent offen, auf welche Weise dies gewährleistet wird, insbesondere, wie die Routing-Tabelle aufgebaut ist und wo sie gespeichert wird. Es genügt vielmehr jede Zuordnung von Identifizierern des Ausgangs- und Bestimmungspunktes zu einer Routingkanalnummer, die so gespeichert ist, dass der Host-Controller für das Datenrouting auf sie zugreifen kann. Werden die Ausgangs- und Bestimmungspunkte als Anfangs- und Endpunkte eines logischen Datenkanals verstanden, wie er etwa von verschiedenen Anwendungen und Diensten zum Datenverkehr verwendet wird (s.o.), muss mit dem Identifizierer der jeweilige Punkt bzw. der Dienst bezeichnet werden, von dem ein Datenfluss ausgeht bzw. der Empfänger eines solchen Datenflusses ist. Im Rahmen des Routings muss dann die Routingkanalnummer tatsächlich als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet werden (Merkmal 3.d)d2)).
130III.
131Vor diesem Hintergrund ist seitens der Verfügungsklägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass Angebot und Lieferung der angegriffenen Ausführungsformen II und III eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Verfügungspatents im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG oder eine unmittelbare Verletzung von Anspruch 12 des Verfügungspatents im Sinne von § 9 PatG begründen.
132Denn es ist jedenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass beim Empfang von Daten gemäß der Merkmalsgruppe 3.d) der Bestimmungspunkt in einer Routing-Tabelle gesucht wird, wobei die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird. Dies lässt sich weder anhand des Standards noch anhand der von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Auszüge aus dem Quellcode feststellen.
133Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die angegriffenen G -Controller des Typs „X “ und des Typs „X “ nach den Vorgaben des Standards ETSI TS X (2011-09) arbeiten. Die Verfügungsklägerin hat von der Firma X verschiedene Tests durchführen lassen, die bestätigen, dass die streitgegenständlichen G -Chips in dem für die Entscheidung maßgeblichen Umfang gleich funktionieren (vgl. Anlagen Ast33, Ast34). Dies bestätigt auch die Verfügungsbeklagte, die unter Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung des Herrn X (Anlage HL9/HL9a) vorträgt, die Quellcodes der beiden Chips seien in den hier maßgeblichen Teilen identisch.
1341.
135Die Umsetzung des Standards durch die angegriffenen Ausführungsformen begründet – entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin – für sich genommen nicht die Verwirklichung der gesamten Merkmalsgruppe 3.
136Der Standard betrifft eine logische Schnittstelle, die kontaktlose Anwendungen, gehostet auf der Universal Integrated Circuit Card (UICC), ermöglicht. Im speziellen wird eine Konfiguration beschrieben, bei der ein Host in der UICC eingebettet ist, wobei die UICC mit dem Host-Controller verbunden ist, der wiederum im kontaktlosen Frontend (CLF) eingebettet ist. Unter Host wird dabei eine logische Entität verstanden, die mindestens einen Dienst betreibt. Der Host-Controller ist ein Host, der auch für die Verwaltung des Hostnetzwerks zuständig ist. Jeder in einem Host betriebene Dienst verfügt über einen Eingangspunkt, der als Gate bezeichnet wird. Zwischen den Gates unterschiedlicher Hosts werden Kommunikationskanäle gebildet, die als Pipe bezeichnet werden.
137Das im Standard beschriebene Datenrouting-Verfahren ist in Abbildung 2 der Anlage AST25 schematisch dargestellt:
138139
Gezeigt ist das Datenrouting zwischen Host A und Host B mittels des als Steuereinheit fungierenden Host-Controllers. Sowohl der Host-Controller als auch die einzelnen Hosts weisen Administrations-Gates, ggf. Verwaltungsverknüpfungs-Gates und weitere Gates auf (Anlage Ast25 Kapitel 4.3). Zwischen den Gates gibt es logische Kommunikationskanäle, die sog. Pipes. Die Parteien gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die Pipe im Sinne des HCI-Standards einen Datenweg im Sinne des Verfügungspatents darstellt, wobei die beiden Gates, zwischen denen die Pipe besteht, patentgemäß den Ausgangs- und Bestimmungspunkt dieses Datenweges bilden. Es gibt statische Pipes, die immer verfügbar sind und dynamische Pipes, die erstellt und gelöscht werden können (Anlage Ast25 Kapitel 4.4). Die Pipes zu den Verwaltungsverknüpfungsgates und den Administrationsgates sind statisch; sie stellen die Verbindung zwischen einem Gate eines Hosts und dem Host-Controller her (Anlage Ast25 Kapitel 4.4). Die dynamischen Pipes stellen die Verbindung zwischen zwei Gates aus unterschiedlichen Hosts her. Dynamische Gate-Bezeichner müssen im Hostnetzwerk eindeutig sein (Anlage Ast25 Kapitel 4.4).
140Soll ein Datenaustausch zwischen Host A und Host B erfolgen, muss eine dynamische Pipe zwischen den Gates dieser Hosts erstellt werden. Zu diesem Zweck sendet das Administrations-Gate von Host A über die bestehende statische Pipe einen Datenwegeröffnungsbefehl (ADM_CREATE_PIPE, vgl. Anlage Ast25 Tabelle 4) an das Administrations-Gate des Host-Controllers (Merkmal 3.a)). Dieser Datenwegeröffnungsbefehl identifiziert das Gate von Host B, an das die Daten gesendet werden sollen (Merkmal 3.a)a1)). (vgl. hierzu Anlage AST25 Kapitel 6.1.3.1, Kapitel 8.1.1)
141Der Host-Controller verwendet die vom Zielhost definierte „Weiße Liste“, um zu überprüfen, ob der Quellhost zum Erstellen einer Pipe autorisiert ist. Ist dies der Fall, wird eine dynamische Pipe zwischen den Gates des Quellhosts (Host A) und des Zielhosts (Host B) erstellt (Merkmale 3.b) und 3.b)b1); vgl. hierzu Anlage AST25 Kapitel 6.1.3.1, Kapitel 8.1.1).
142Der Host-Controller weist der erzeugten Pipe eine Pipe-ID zu und meldet diese dem Quellhost mit der Antwort ANY_OK (Anlage Ast25 Kapitel 6.1.3.1, Tabelle 10). Dem Zielhost wird mit dem Befehl ADM_NOTIFY_PIPE_CREATED ebenfalls die Pipe-ID der erzeugten Pipe übermittelt (Anlage AST25 Kapitel 6.1.3.2, Tabelle 11). Diese Pipe-ID stellt die erfindungsgemäße Routingkanalnummer (CHANi) dar (Merkmal 3.b)b2)). Sie umfasst nach dem Standard 7 Bit und wird der Pipe dynamisch vom Host-Controller zugewiesen. Nach Tabelle 3 des Standards kann sie den Wert „02“ bis „6F“ zugewiesen bekommen. Jeder dynamische Pipe-Bezeichner muss im Hostnetzwerk eindeutig sein (Anlage Ast25 Kapitel 4.4).
143Mit der Pipe-ID meldet der Host-Controller dem Quellhost und dem Zielhost auch die Identifizierer des Quellhosts, des Quellgates, des Zielhosts und des Zielgates (Anlage Ast25 Kapitel 6.1.3.1, Tabelle 10 und Kapitel 6.1.3.2, Tabelle 11). Insofern werden nach dem Standard die nach Merkmal 3.b)b3) erforderlichen Informationen vom Host-Controller an den Quellhost und den Zielhost übermittelt.
144Selbst wenn man annehmen wollte, dass diese Daten bei den Hosts gespeichert werden (beispielsweise in den dort geführten Registern, vgl. hierzu: Anlage Ast25 Kapitel 4.5, Kapitel 6.1.2.1) und dort grundsätzlich abrufbar zur Verfügung stehen, findet sich im Standard jedenfalls kein Hinweis darauf, dass die Steuereinheit beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock verkapselten Daten mithilfe der Pipe-ID als Index in einer Routingtabelle (beispielsweise den Registern) den Bestimmungspunkt der Daten sucht (Merkmalsgruppe 3.d)).
145Nach dem Standard tauschen die Hosts Datenpakete aus. Ein solches Paket besteht aus einem Header und der eigentlichen Nachricht. Der Header enthält das Chaining-Bit und die Pipe-ID (Merkmal 3.c)c1)). Der Host verwendet den Wert der Pipe-ID, um ein Paket an den Zielhost weiterzuleiten. Der Zielhost leitet das Paket an das Ziel-Gate weiter. Anhand dieses Mechanismus können alle Gates, die über eine Pipe miteinander verbunden sind, Nachrichten austauschen (vgl. zum Ganzen: Anlage Ast25 Kapitel 5.1). Auf welche Weise der Host die Pipe-ID verwendet, um den Bestimmungspunkt des übermittelten Datenpakets zu bestimmen, gibt der Standard nicht vor. Insbesondere ist an dieser Stelle nicht von einem Rückgriff auf die vorhandenen Register die Rede. Insofern hat auch die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2016 eingeräumt, dass der Standard keine Informationen zum tatsächlichen Senden der Datenpakete mittels der Pipe-ID enthält.
146Der von der Verfügungsbeklagten beauftragte Privatgutachter Herr Prof. X erläutert in seinem Gutachten (Anlage HL8), dass es neben der Möglichkeit der Entnahme von Informationen aus einer Routing-Tabelle zwei weitere Möglichkeiten gebe, das zu routende Datenpaket nur durch Auswertung der ihm beigefügten Routingkanalnummer an einen Bestimmungspunkt weiterzuleiten. Hierbei handele es sich zum einen um die Verwendung eines Algorithmus oder einer Formel, zum anderen um die Verwendung einer (re-)konfigurierbaren logischen Schaltung. Der Fachmann erkenne, dass es sich hierbei um von der Verwendung einer Routing-Tabelle zu unterscheidende technische Möglichkeiten handele. Denn diese würden unterschiedliche technische Vor- und Nachteile insbesondere im Hinblick auf den Implementierungsaufwand und die Flexibilität bieten (vgl. HL8 S. 8). Die Kammer teilt die Auffassung, dass die Implementierung eines Algorithmus oder einer logischen Schaltung zur Weiterleitung eines Datenpaketes nicht auf die Zuordnung einer Routingkanalnummer zu einem bestimmten Identifizierer eines Ausgangs- oder Bestimmungspunktes in der Form eines Routingparameters angewiesen ist und insofern das Routing von Datenpaketen ohne Rückgriff auf eine Routingtabelle im Sinne der Lehre des Verfügungspatents möglich ist. Die Verfügungsklägerin hat die von der Beklagten dargestellten technischen Möglichkeiten als solche bestätigt, auch wenn sie der Auffassung ist, dass es sich bei der Verwendung eines Algorithmus oder einer Schaltung letztlich nur um theoretische Möglichkeiten handele. Die Verwendung einer Routing-Tabelle ist für das durchzuführende Routing nach dem Standard damit jedenfalls nicht zwingend, so dass allein der Verweis auf die Standardkonformität der angegriffenen Ausführungsformen nicht geeignet ist, den Verletzungsnachweis zu führen.
1472.
148[geschwärzt]
149V.
150Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
151Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 6, 711 Satz 2, 108 ZPO.
152Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 Euro festgesetzt.
Annotations
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.