Landgericht Düsseldorf Beschluss, 07. März 2014 - 25 T 112/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
LANDGERICHT DÜSSELDORF
B E S C H L U S S
125 T 112/14
3151A XIV 3/14
4Amtsgericht Düsseldorf
In dem Freiheitsentziehungsverfahren
5betreffend die Haft zur Sicherung der Abschiebung
6des nigerianischen Staatsangehörigen ...
7Verfahrensbevollmächtigte:
8Rechtsanwältin ...
9Antragstellerin:
10Landeshauptstadt Düsseldorf, Der Oberbürgermeister, Kommunale Ausländerbehörde, Willi-Becker-Allee 7, 40227 Düsseldorf,
11hat die 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. A., die Richterin am Landgericht B. und die Richterin C.
12am 7. März 2014
13b e s c h l o s s e n:
14Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
15Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
16Gründe
17I.
18Der Betroffene wurde erstmals im Jahr 2011 ohne Reisepass oder Aufenthaltstitel im Inland angetroffen.
19Nachdem er im Januar 2012 erneut angetroffen und dabei festgestellt wurde, dass er keinen Asylantrag gestellt hatte, wurde er am 8. Februar 2012 aus der Haft heraus nach Italien abgeschoben. Dort hatte er bereits im Jahr 2008 einen Asylantrag gestellt und stellte er nach seiner Abschiebung am 10. Mai 2012 in Italien ein weiteres Mal Asylantrag.
20Am 28. Januar 2014 wurde der Betroffene erneut im Bundesgebiet angetroffen.
21Die Antragstellerin beabsichtigt, den Betroffenen nach Italien abzuschieben. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 1 ff. GA), hat sie beantragt, gemäß § 62 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG Abschiebungshaft gegen den Betroffenen für die Dauer von acht Wochen, bis zum 26. März 2014, anzuordnen. Sie hat u. a. das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG sowie das Procedere bezüglich der Überstellung nach Italien innerhalb von acht Wochen dargelegt.
22Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss diesem Antrag entsprochen, nach §§ 415–417 FamFG i.V.m. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 5 AufenthG die Höchstdauer der Haft auf acht Wochen (bis zum 26. März 2014) bestimmt sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
23Die Überführung des Betroffenen nach Italien ist nunmehr für den 13. März 2014 vorgesehen.
24Der von dem Betroffenen eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss sowie den Akteninhalt Bezug genommen.
26II.
27Die nach § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Betroffenen ist unbegründet.
281.
29Es liegen ein zulässiger Haftantrag und die Haftgründe nach §§ 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vor. Insoweit wird auf die Begründung in dem angegriffenen Beschluss vom 29. Januar 2014 und in der Nichtabhilfeentscheidung verwiesen.
302.
31Die Anordnung der Abschiebehaft genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ein Verstoß gegen das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) ist nicht feststellbar.
32Die Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (BGH, Beschluss vom 10.06.2010 – V ZB 204/09; BGH, Beschluss vom 01.03.2012 – V ZB 206/11; BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 104/12; BGH, Beschluss vom 17.10.2013 – V ZB 172/12). Auch während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG muss die Abschiebungshaft auf das erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden (BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 104/12). Einen organisatorischen Spielraum der Behörde bei der Umsetzung der Abschiebung schließt das Beschleunigungsgebot jedoch nicht aus (BGH, Beschluss vom 21.10.2010 – V ZB 56/10 Juris Rn. 13; BGH, Beschluss vom 16.02.2012 – V ZB 320/10 Juris Rn. 14
33Diesen Anforderungen genügt das Vorgehen der Antragstellerin. Der Antrag zur Rückübernahme nach Italien sollte unmittelbar an dem auf die Beantragung und den Erlass des Abschiebehaftbefehls folgenden Tag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Nürnberg (BAMF) gestellt werden. Das BAMF wiederum würde nach der Erläuterung der Antragstellerin voraussichtlich sechs Tage benötigen, um die Akte anzulegen und die Wiederaufnahme bei den italienischen Behörden zu beantragen. Entgegen der Darstellung in der Beschwerdebegründung handelt es sich also nicht um den lediglich für die Aktenanlage benötigten Zeitraum, sondern umfasst dieser auch die Antragstellung im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens in Italien. Dass damit eine unnötige oder sachfremde Verzögerung eintritt, ist nicht zu erkennen. Der weitere von der Antragstellerin dargelegte Zeitablauf lässt ebenfalls nicht auf eine fehlende Beschleunigung schließen. Dieser umfasst die notwendigen Zeiträume und Fristen insbesondere für den Fall, dass die italienischen Behörden den Antrag auf Wiederaufnahme des Betroffenen ablehnen würden. Auch tatsächlich ist es zu einer Verzögerung des Verfahrens nicht gekommen. Die Überführung nach Italien ist nun bereits für den 13. März 2014 vorgesehen und damit deutlich vor dem Ablauf der ursprünglich für nötig gehaltenen Frist.
343.
35Die Vollstreckung der Abschiebehaft in der JVA D. ist nicht rechtswidrig. Die beiden für die Vollziehung der Abschiebehaft genutzten Hafthäuser erfüllen die Voraussetzungen an eine spezielle Hafteinrichtung im Sinne des § 62a Abs. 1 AufenthG und des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie).
36Der Begriff der speziellen Hafteinrichtung ist in erster Linie durch die räumliche und organisatorische Trennung von den Strafhaftanstalten bestimmt. Er wirkt sich darüber hinaus auf die Rahmenbedingungen der Durchführung der Abschiebungshaft aus, was unter anderem die Größe und Ausstattung der separaten Räume und den Tagesablauf betrifft (vgl. Kluth, in: Beck’scher Online-Kommentar AuslR, Stand: 01.02.2013, § 62a AufenthG Rn. 6).
37Diesen Anforderungen wird die JVA D. gerecht. Zwar wird in der Anstalt auch Strafhaft verbüßt, und zwar Freiheitsstrafen von unter drei Monaten und Ersatzfreiheitsstrafen. Die Strafgefangenen werden jedoch nur in einem der insgesamt drei Hafthäuser untergebracht, während die Abschiebehaft in den zwei baulich getrennten anderen Hafthäusern vollzogen wird. Die Trennung erfolgt auch organisatorisch, so dass ein Zusammentreffen der Straf- und der Abschiebegefangenen bis auf wenige Ausnahmefälle, die die Trennung insgesamt nicht in Frage stellen – dazu sogleich –, vermieden wird.
38Dass ein Aufeinandertreffen von Straf- und Abschiebehäftlingen im Rahmen des Freitagsgebetes möglich ist, ändert nichts an der Einordnung der beiden Hafthäuser als ausschließlich für die Abschiebehaft genutzte Einrichtung. Das Freitagsgebet – eine freiwillige religiöse Veranstaltung – findet zwar für alle Gefangenen in einem gemeinsamen Raum statt. Allerdings wird durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt, dass keine Kontaktaufnahmen möglich sind und die Abschiebehäftlinge strikt von den Strafgefangenen getrennt in den Veranstaltungsraum und wieder heraus verbracht werden. Ein unter diesen Bedingungen stattfindendes einmal wöchentliches Zusammentreffen in einem Raum berührt die Rechtsstellung der Abschiebegefangenen nicht und entwertet auch nicht die strenge Trennung im Übrigen.
39Soweit sich die deutlich eingeschränkteren Besuchszeiten der Strafgefangenen mit denjenigen der Abschiebehäftlingen überschneiden, befinden sich die Häftlinge in der gemeinsamen Besuchsabteilung und damit nicht in verschiedenen Hafthäusern. Allerdings sind die von den Straf- und den Abschiebehäftlingen genutzten Bereiche der Besuchsabteilung voneinander getrennt und es wird durch eine zusätzliche Überwachung wiederum eine Kontaktaufnahme verhindert. Es verbleibt ein bloßer Sichtkontakt, der aber ebenfalls nichts an der von den Strafgefangenen streng getrennten Stellung der Abschiebehäftlinge innerhalb der JVA Büren ändert.
40Schließlich führen auch die mit dem Schriftsatz vom 24. Februar 2014 vorgebrachten zusätzlichen Gelegenheiten des Zusammentreffens – die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt – nicht zu einer anderen Beurteilung. Soweit ein Aufeinandertreffen im Rahmen des Einkaufs möglich ist, handelt es sich allenfalls um einen gelegentlichen und sehr kurzfristigen Kontakt, der zudem im Rahmen der freiwilligen Nutzung eines zusätzlichen Angebots erfolgt. Auch ein Zusammentreffen in der Kleiderkammer kann allenfalls auf den sehr kurzen Zeitraum der Kleiderausgabe beschränkt sein und wiederum nur gelegentlich erfolgen. Dass ein eigenes Justizvollzugskrankenhaus für die Abschiebehäftlinge eingerichtet und auf diese Weise auch im Krankheitsfall jedes Zusammentreffen ausgeschlossen wird, wird von § 62a Abs. 1 AufenthG und Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie nicht gefordert. Weder lässt sich dieses Erfordernis aus dem Wortlaut „spezielle Hafteinrichtung“ ableiten noch gebietet dies der Zweck der getrennten Unterbringung, jede Gleichstellung der nicht mit Straftätern zu vergleichenden Abschiebehäftlingen mit Strafgefangenen zu vermeiden (vgl. dazu Winkelmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 62a AufenthG Rn. 8). Während der Behandlung in dem Justizvollzugskrankenhaus steht die medizinische Versorgung im Vordergrund. Selbst wenn ein Abschiebehäftling dort in Kontakt mit einem Strafgefangenen käme, würde dies deshalb nicht zu einer Gleichstellung bei der Vollziehung der jeweiligen Haftart führen.
414.
42Die Kammer hat von einer erneuten Anhörung abgesehen, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Der Betroffene ist im ersten Rechtszug zeitnah mündlich angehört worden. Von einer erneuten Anhörung sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten.
435.
44Der Bestellung eines Verfahrenspflegers bedurfte es nicht (§ 419 Abs. 2 FamFG).
456.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
47Rechtsmittelbelehrung:
48Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Sie ist binnen einer Frist von 1 Monat nach der Zustellung des Beschlusses bei dem Bundesgerichtshof durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen. Die Rechtsbeschwerde muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sich die Rechtsbeschwerde richtet und die Erklärung, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Rechtsbeschwerde muss von einem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
49Dr. A. B. C.
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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.
(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.
(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.
(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.
(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.
(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.
(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.
(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene reiste am 23. April 2007 ohne gültigen Pass und unter Umgehung der Einreise- und Visumsbestimmungen in das Bundesgebiet ein.
- 2
- Auf Antrag der Ausländerbehörde am Aufgriffsort (Beteiligte zu 2) hat das Amtsgericht am 23. September 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der - am 1. Februar 2010 aus der Haft entlassene - Betroffene festzustellen, dass die Anordnung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht und die Inhaftierung des Betroffenen rechtswidrig waren.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht hält die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG für gegeben. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG stehe der Inhaftierung des Betroffenen nicht entgegen. Aus den Angaben der für die Abschiebung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld ergebe sich, dass eine Abschiebung nach Indien innerhalb von drei Monaten erfolgen könne. Die Vorführung des Betroffenen bei der indischen Botschaft sei für die kommende (46.) Kalenderwoche vorgesehen, was darauf schließen lasse, dass das Abschiebungsverfahren zügig betrieben werde.
III.
- 4
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 5
- 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist ungeachtet der Erledigung der Hauptsache durch den Ablauf der angeordneten Haftdauer statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die Rechtsbeschwerde bleibt zulassungsfrei, da sie sich weiterhin gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet worden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris
).
- 6
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit der Betroffene die Feststellung erstrebt, dass die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde ihn in seinen Rechten verletzt hat (§ 72 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 62 Abs. 1 FamFG).
- 7
- a) Ohne Erfolg macht der Rechtsbeschwerdeführer allerdings geltend, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts schon wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) rechtswidrig sei. Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anordnen , bestätigen oder verlängern, sind in einem Rechtsmittelverfahren nicht allein deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der Ausländerakte ergangen sind.
- 8
- Gegen einen derartigen Aufhebungsgrund spricht bereits der Umstand, dass die Verpflichtung der Behörde zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) als Sollvorschrift bestimmt worden ist. Damit sollte klargestellt sein, dass die Aktenvorlage nicht eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Haftantrags ist (Beschlussempfehlung zum FamFG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299).
- 9
- Aus demselben Grund kann auch die Beiziehung der Akten durch das Gericht nicht als eine in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung angesehen werden. Es liefe nämlich dem mit der Bestimmung der Aktenvorlage durch die Behörde als Sollvorschrift verfolgten Zweck zuwider, wenn bei einer für die Entscheidung über den Haftantrag eindeutigen Tatsachengrundlage die Behörde zwar von der Übersendung der Ausländerakte absehen dürfte, das Gericht gleichwohl aber deren Vorlage anordnen müsste, um seiner Verpflichtung zu eigenständiger Ermittlung der Voraussetzungen der Haftanordnung zu genügen.
- 10
- b) Die - auf die Nichtvorlage der Ausländerakte gestützte - Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) durch das Beschwerdegericht ist im Ergebnis dennoch begründet. Das Beschwerdegericht hat nicht alle Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung verfahrensfehlerfrei festgestellt.
- 11
- aa) Zutreffend bejaht hat das Beschwerdegericht die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG, weil die dem Betroffenen gesetzte Ausreisepflicht abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde seine Anschrift anzugeben, und weil infolge seines Untertauchens der begründete Verdacht besteht, er wolle sich der Abschiebung entziehen. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
- 12
- bb) Im Ergebnis mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Haft nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig sei, weil nicht feststehe, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne.
- 13
- (1) Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts allerdings, soweit sie sich auf die Anordnung der Sicherungshaft bezieht.
- 14
- (a) Das Beschwerdegericht hat die notwendige, vom Amtsgericht unterlassene Prognose nachgeholt, das übersehen hatte, dass für die Anordnung von Sicherungshaft nur Raum ist, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 17, juris).
- 15
- (b) Die Prognose des Beschwerdegerichts, dass bei Anordnung der Haft eine Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten nicht unmöglich erschienen habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Beschwerdegericht durfte sich hierzu auf die bundesweite Fallsammlung der Zentralen Ausländerbehörden über die Ausstellung von Personalersatzpapieren durch das indische Generalkonsulat oder die indische Botschaft stützen, wonach im Jahr 2009 in Einzelfällen eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden konnte. Dass es sich hierbei um nur wenige Fälle handelt, ist unschädlich, da die Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten nicht möglich sein wird (vgl. OLG Hamm JMBl NRW 2007, 177, 178).
- 16
- Die Prognose des Beschwerdegerichts beruht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar enthalten die Gründe des angefochtenen Beschlusses keine Auseinandersetzung mit dem Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Bielefeld vom 6. März 2008, welches der Betroffene vorgelegt hat und in dem es heißt, dass die Passersatzpapierbeschaffung für einen näher bezeichneten indischen Staatsangehörigen etwa sechs Monate in Anspruch nehmen werde. Da ein Gericht nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, folgt hieraus für sich genommen keine Verlet- zung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche kann erst festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung jedenfalls nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG NJW-RR 1995, 1033, 1034). Hieran fehlt es. Insbesondere lässt die Feststellung in dem angefochtenen Beschluss, die statistische Auswertung von Abschiebefällen der Zentralen Ausländerbehörden Köln und Bielefeld sei unwidersprochen geblieben , nicht den Schluss zu, dass das Gericht das Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld vom 6. März 2008 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat. Da es nicht den der Prognose zugrunde gelegten Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 betrifft, ist vielmehr davon auszugehen, dass es von dem Beschwerdegericht zwar zur Kenntnis genommen , aber - ebenso wie die von dem Betroffenen vorgelegten Gerichtsentscheidungen - als nicht aussagekräftig angesehen worden ist, weil es nicht aus jüngster Zeit stammt.
- 17
- (2) Verfahrensfehlerhaft ist die Entscheidung jedoch, soweit das Beschwerdegericht an der Prognose auch nach den im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Umständen festgehalten hat.
- 18
- (a) Ob die Abschiebung des Ausländers innerhalb des Zeitraumes von drei Monaten durchgeführt werden kann, ist auch nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zu beurteilen. Ein die Freiheitsentziehung anordnender Beschluss ist nämlich in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsentziehung entfallen ist (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG sowie Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 27). Vor der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen eine Sicherungshaftanordnung richtet, müssen deshalb die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unter Berück- sichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens erneut geprüft werden. Erscheint eine Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht mehr innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich, darf die Haft nicht aufrechterhalten werden.
- 19
- (b) Das hat das Beschwerdegericht zwar im Ansatz erkannt. Seine Annahme , es stehe derzeit nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne, ist angesichts der getroffenen Feststellungen aber nicht nachvollziehbar und damit rechtsfehlerhaft. Nachdem bis zu der (geplanten) Vorführung des Betroffenen bei der indischen Botschaft sieben Wochen vergangen waren, konnte das Beschwerdegericht ohne nähere Sachaufklärung (§ 26 FamFG) nicht annehmen, dass es innerhalb der verbleibenden Zeit von etwa sechs Wochen zu der Ausstellung von Passersatzpapieren kommen würde. Wenn das Verfahren von der Ausländerbehörde tatsächlich zügig betrieben worden ist, wäre die lange Zeitspanne von der Inhaftierung des Betroffenen bis zu seiner Vorführung auf Unzulänglichkeiten bei der indischen Botschaft zurückzuführen. Sie ließe dann erwarten, dass auch die von der Botschaft zu veranlassende Ausstellung der Passersatzpapiere wochenlang dauern und nicht rechtzeitig vor Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfolgen würde. Das Beschwerdegericht war deshalb gehalten aufzuklären, ob angesichts der bereits verstrichenen Zeit im konkreten Fall noch Aussicht bestand , die Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 durchzuführen; sofern dies aus von dem Betroffenen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich erschien, hätte es ihn aus der Haft entlassen müssen.
- 20
- cc) Rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme , die sieben Wochen nach der Inhaftierung vorgesehene Vorführung des Betroffenen bei der Botschaft lasse darauf schließen, dass das Abschiebeverfahren zügig betrieben werde.
- 21
- (1) Das Beschwerdegericht hat sich zu vergewissern, ob die Abschiebung zügig durchgeführt wird. Auf Grund der Zweckbindung der Abschiebehaft, die nach § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise und zu keinem anderen Zweck angeordnet werden darf, muss die Freiheitsentziehung zu jedem Zeitpunkt ihrer Dauer von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein (BVerfG NVwZ 2007, 1296, 1297). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) verpflichtet die die Abschiebung betreibende Ausländerbehörde zudem dazu, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die für die Abschiebung erforderlichen Passersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebehaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239). Das Beschwerdegericht darf deshalb die Sicherungshaft nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , mit der größtmöglichen Beschleunigung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, juris, Rdn. 9; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 306).
- 22
- Daran ändert sich nichts, wenn der Betroffene seine Mitwirkung im Verfahren verweigert. Die Ausländerbehörde ist dann gehalten, die Reisedokumente entweder ohne dessen Mitwirkung zu erlangen oder diese mit den gemäß der Rechtsordnung hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln zu erzwingen (BayObLG , Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, aaO). Dazu gehört die Abschiebehaft jedoch nicht, da sie sonst entgegen ihrer allein wesenseigenen Sicherungsfunktion zu einer Beugehaft mit repressivem Charakter würde, und als solche weder angeordnet noch aufrechterhalten werden darf (BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, aaO; OLG Saarbrücken NVwZ 1997, Beilage Nr. 1, 3; OLG Dresden OLG-NL 2001, 189, 190; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 305).
- 23
- (2) Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Abschiebungsverfahren dem Zweck der Haft entsprechend mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden ist.
- 24
- (a) Die entgegenstehende Wertung des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie beruht allein auf dem kurz vor der Entscheidung eingegangenen Schreiben der Beteiligten zu 2 an das Beschwerdegericht, in dem der Vorführungstermin in der Botschaft mitgeteilt und über einen erforderlichen angemessenen "Einwirkungszeitraum" für die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde berichtet worden ist, um im Sinne einer "Ausreiseberatung" erfolgreich zu sein. Der Inhalt der Mitteilung der Beteiligten zu 2 trägt die Annahme einer zügigen Durchführung der Abschiebung nicht, sondern gibt eher Anlass, an einem dem Zweck der Abschiebehaft entsprechenden Vorgehen der Behörden zu zweifeln.
- 25
- (b) Vor allem aber durfte das Beschwerdegericht seine Auffassung nicht allein auf diese Mitteilung stützten. Die Rechtsbeschwerde sieht darin zu Recht eine Verletzung der durch Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG bestimmten Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG).
- 26
- Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, müssen nämlich auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfGE 58, 208, 222; 70, 297, 308; NJW 1998, 1774, 1775; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2662). Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat der Richter die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen (BVerfGE 10, 302, 310; 83, 24, 33). Dazu muss er selbst die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (BVerfGE 83, 24, 33), wofür in Abschiebehaftsachen in der Regel die Beiziehung der Ausländerakte erforderlich ist (BVerfG InfAuslR 2008, 358, 360; NVwZ 2008, 304, 305; NJW 2009, 2659, 2662).
- 27
- Ein geeignetes Mittel des Gerichts, sich über die Maßnahmen der Behörde kundig zu machen, wäre auch hier die Beiziehung der Akten gewesen. Von deren Vorlage kann zwar abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen der Akte vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 19, juris). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Beteiligte zu 2 nicht vorgetragen hat, was sie in den sieben Wochen seit der Inhaftierung des Betroffenen zur Durchführung der Abschiebung unternommen hat.
- 28
- 3. Der Senat kann über den Feststellungsantrag nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Beurteilung, ob der Vollzug und die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert. Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
IV.
- 29
- Die Rechtsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit mit ihr die Feststellung beantragt wird, dass schon die Haftanordnung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
- 30
- Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde allerdings auch hier einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG).
- 31
- 1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts genügte insgesamt nicht dem sich aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG ergebenden Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung. Dem die Haft anordnenden Beschluss ist zu den Grundlagen der Sachverhaltsfeststellung und der richterlichen Überzeugungsbildung überhaupt nichts zu entnehmen, obwohl die Tatsachengrundlage nicht eindeutig war.
- 32
- Einzige Grundlage für die Haftanordnung war der Antrag der Beteiligten zu 2, der sich in einer schlagwortartigen, allgemeinen Schilderung des Sachverhalts und der Bitte an das Amtsgericht, die beantragte Haft zur Sicherstellung der Abschiebung für drei Monate anzuordnen, erschöpfte, verbunden mit Hinweisen auf eine Erklärung der Zentralen Ausländerbehörde zur Beschaffbarkeit eines Passersatzpapieres in diesem Zeitraum und das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 AufenthG. Die Ausländerakte war entgegen der Sollvorschrift in § 417 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ohne Angabe von Gründen von der Behörde nicht vorgelegt und von dem Gericht auch nicht beigezogen worden. Dasselbe gilt für die in dem Haftantrag zitierte Ausschreibung zur Festnahme (§ 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG), die nicht durch die Beteiligte zu 2, sondern durch die für den bisherigen Aufenthaltsort des Betroffenen örtlich zuständige Ausländerbehörde erfolgt war (zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden: Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, Rdn. 12 ff., juris). Der Betroffene hat das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag auch nicht dadurch bestätigt, dass er im Anhörungstermin geschwiegen hat.
- 33
- Dringende Verdachtsgründe für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Freiheitsentziehung sowie ein Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts, die sich aus den Angaben der Beteiligten zu 2 in ihrem Haftantrag ergaben, hätten zwar eine einstweilige Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamfG zugelassen, rechtfertigten aber nicht die Haftanordnung für drei Monate, die eine richterliche Gewissheit von dem Vorliegen der Haftgründe erfordert (vgl. Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, Rdn. 24, juris).
- 34
- 2. Der darin liegende Verfahrensfehler des Amtsgerichts rechtfertigt jedoch nicht die beantragte Feststellung des Betroffenen, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
- 35
- a) Allerdings kann die allein auf einem Verfahrensfehler beruhende Anordnung der Haft den Betroffenen in seinen Rechten verletzen, selbst wenn der Verfahrensfehler später behoben wird und sich die Anordnung danach als in der Sache richtig darstellt. Voraussetzung dafür ist jedoch ein grundlegender Verfahrensfehler , der - wie das Unterlassen der nach § 420 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen persönlichen Anordnung - einer gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Abschiebung den Makel der rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt, und der auch durch die Nachholung der Maßnahme nicht mehr zu tilgen ist (BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464; Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, Rdn. 12, 16, juris). Ein solcher Verstoß gegen die Anhörungspflicht liegt hier jedoch nicht vor.
- 36
- b) Bei anderen Verfahrensmängeln muss der Betroffene dagegen eine bis zu dem erledigenden Ereignis tatsächlich erfolgte Heilung - insbesondere in einem Beschwerdeverfahren - hinnehmen (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 23, juris; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 22). Das Verfahrensergebnis ist für ihn dann kein anderes, als wenn bereits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 23, juris; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23).
- 37
- So ist es hier. Der Mangel des amtsgerichtlichen Verfahrens ist durch die von dem Beschwerdegericht nachgeholte Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG geheilt worden (dazu oben III.2.b) bb) (1)). Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung bedurfte es hier - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - weiterer Ermittlungen angesichts des Umstands nicht mehr, dass der im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretene Betroffene ausdrücklich den Haftgrund zugestanden und seine Angriffe auf die Unverhältnismäßigkeit der Haftanordnung mit dem Hinweis darauf beschränkt hatte, dass eine Abschiebung nach Indien innerhalb der Frist von drei Monaten nicht durchführbar sei.
- 38
- Vor dem Hintergrund des Vorbringens des Betroffenen in der Beschwerdebegründung durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass die die Haftanordnung begründenden Feststellungen den Tatsachen entsprachen. Das Beschwerdegericht muss nämlich nicht allen denkbaren Möglichkeiten nachgehen. Seine Pflicht zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen geht nur so weit, wie das Vorbringen der Beteiligten zu weiteren Erkundigungen Anlass gibt (vgl. OLG München, Beschl. v. 8. Oktober 2009, 34 Wx 64/09, juris, Rz. 24). Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Roth
AG Siegburg, Entscheidung vom 23.09.2009 - 241 XIV 16/09 B -
LG Bonn, Entscheidung vom 06.11.2009 - 4 T 454/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, sudanesischer Staatsangehöriger, reiste am 1. August 1990 in das Bundesgebiet ein und nahm hier ein Studium auf, das er jedoch nicht abschloss. Mit Bescheid vom 7. April 2008 lehnte die Beteiligte zu 2 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab und forderte ihn unter Androhung der Abschiebung in den Sudan zur Ausreise auf. Im März 2011 erschien der Betroffene trotz Ladung zu zwei Terminen, an denen die Abschiebung durchgeführt werden sollte, nicht.
- 2
- Am 29. Juni 2011 beantragte die Beteiligte zu 2 die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen und zugleich die einstweilige Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung.
- 3
- Mit Beschluss vom 30. Juni 2011 ordnete das Amtsgericht die vorläufige Freiheitsentziehung des Betroffenen bis längstens zum 11. August 2011 und die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Aufgrund dieses Beschlusses nahmen Polizeibeamte den Betroffenen am 19. Juli 2011 fest. Jedenfalls vor seiner Vorführung bei dem Haftrichter am selben Tag ging bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) ein Asylantrag des Betroffenen ein.
- 4
- Mit Beschluss vom 19. Juli 2011 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis längstens 30. September 2011 angeordnet. Während des hiergegen gerichteten Beschwerdeverfahrens stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 5. August 2011 fest, dass bei dem Betroffenen sowohl die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorlägen als auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestünden. Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen nochmals angehört und seine Beschwerde zurückgewiesen.
- 5
- Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene nach seiner Haftentlassung am 23. September 2011 die Feststellung, dass er durch die Haftanord- nung vom 19. Juli 2011 und ihre Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht in seinen Rechten verletzt worden ist.
II.
- 6
- Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung vom 19. Juli 2011 habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Er enthalte Ausführungen zu der Erforderlichkeit der Haft und der Haftdauer. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig, die in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 5 AufenthG aF genannten Haftgründe hätten vorgelegen. Der von dem Betroffenen gestellte Asylantrag habe der Haftanordnung nicht entgegengestanden. Durch die Festnahme habe sich der Betroffene im Zeitpunkt der Asylantragstellung in Sicherungshaft befunden. Gründe, die der Abschiebung des Betroffenen binnen drei Monaten entgegenstünden, seien nicht ersichtlich gewesen. Die Beteiligte zu 2 habe die Abschiebung auch mit der notwendigen Beschleunigung betrieben.
III.
- 7
- Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Die ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 10 juris) und auch im Übrigen nach § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Jedenfalls die Entscheidung des Amtsgerichts vom 19. Juli 2011, die neben der Beschwerdeentscheidung ebenfalls Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154 Rn. 14), hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Ob das auch für die Entscheidung des Beschwerdegerichts gilt, kann derzeit nicht beurteilt werden.
- 9
- a) Der Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht stand die durch die Asylantragstellung des Betroffenen nach § 55 Abs. 1 Satz 1, 3 AsylVfG begründete Aufenthaltsgestattung als von Amts wegen zu beachtendes Hafthindernis entgegen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39 Rn. 18).
- 10
- aa) Bei einer Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt der Ausländer nach § 55 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 AsylVfG die Aufenthaltsgestattung mit dem Eingang eines förmlichen Asylantrags bei dem zuständigen Bundesamt (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39, 40 Rn. 19). So verhielt es sich hier. Der Asylantrag ist am 19. Juli 2011 jedenfalls vor der Entscheidung des Amtsgerichts über die Haftanordnung bei dem Bundesamt eingegangen.
- 11
- bb) Dieser Umstand war für die Haftanordnung nicht unbeachtlich. Zwar ermöglichte die Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG aF die Anordnung der Abschiebungshaft trotz Asylantragstellung, wenn sich der Ausländer im Zeitpunkt der Asylantragstellung in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a bis 5 AufenthG aF befand. So verhielt es sich hier aber nicht. Die Festnahme des Betroffenen durch die Polizei am 19. Juli 2011 aufgrund der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Juni 2011 angeordneten vorläufigen Freiheitsentziehung führte nicht zu deren Vollzug. Vielmehr befand sich der Betroffene aufgrund der Festnahme zunächst nur in Polizeigewahrsam und damit in "sonstigem öffentlichen Gewahrsam" im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG aF, der weder nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG aF noch in einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift der Sicherungshaft gleichzustellen ist (KG Berlin, FGPrax 2001, 40).
- 12
- b) Anders war es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Nachdem das Bundesamt mit Bescheid vom 5. August 2011 festgestellt hatte, dass bei dem Betroffenen sowohl die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorlägen als auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestünden und der Betroffene - nach den Darlegungen seiner Verfahrensbevollmächtigten in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht - erklärt hatte, gegen die Entscheidung des Bundesamts kein Rechtsmittel eingelegt zu haben, stand der Asylantrag der Aufrechterhaltung der Haft für die Zukunft nicht entgegen (vgl. auch § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG).
- 13
- c) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht die vollziehbare Ausreisepflicht des Betroffenen und das Vorliegen der in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 5 AufenthG genannten Haftgründe bejaht. Einwände hiergegen erhebt die Rechtsbeschwerde nicht.
- 14
- d) Ein Verstoß der Beteiligten zu 2 gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen liegt nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vor.
- 15
- Die Abschiebungshaft muss auch während des Laufs der Drei-MonatsFrist des § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 247/10, Rn. 7, juris). Das Beschwerdegericht darf die Sicherungshaft deshalb nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleunigung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09 Rn. 16, juris). Ein Verstoß kann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um Ersatzpapiere zu beschaffen (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 247/10, Rn. 7, juris; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10 Rn. 18, juris; Beschluss vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 239).
- 16
- So liegt es hier nicht. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts war der Beteiligten zu 2 die Beschaffung von Passersatzpapieren aufgrund des Asylantrags vorübergehend nicht möglich. Dass die Anhörung des Betroffenen bei der Botschaft der Republik Sudan deshalb erst am 25. August 2011 stattfinden konnte, ist der Beteiligten zu 2 nicht zuzurechnen, weil sie auf die Bearbeitung der Verfahren durch die beteiligten ausländischen Behörden keinen Einfluss hat (Senat, Beschluss vom 25. August 2011 - V ZB 188/11 Rn. 16, juris; Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZA 2/10 Rn. 16, juris).
- 17
- d) Im Ergebnis zu beanstanden ist aber die von dem Beschwerdegericht vorgenommene Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft unzulässig, wenn die Unmöglichkeit der Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate feststeht und dies auf Gründen beruht, die der Ausländer nicht zu vertreten hat.
- 18
- aa) Für die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst Raum, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergeben hat, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder zunächst eine zuverlässige Prognose nicht getroffen werden kann (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 211/10, Rn. 9, juris; BVerfG NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 22). Diese darf nur auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage getroffen werden (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, juris, Rn. 9; Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17) und hat sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 22; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 89/10, Rn. 8, juris). Dafür sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17). Soweit die Ausländerbehörde keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es gemäß § 26 FamFG dem Gericht nachzufragen (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 363). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, InfAuslR 2011, 26 Rn. 12; Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17). In diesem Umfang ist die Prognose des Beschwerdegerichts jedoch zu beanstanden, weil es wesentliche Punkte unberücksichtigt gelassen hat.
- 19
- bb) Nach dem Bericht über die Einzelanhörung des Betroffenen bei der Botschaft der Republik Sudan war Voraussetzung für die Verlängerung seines Reisepasses die Regelung seiner persönlichen Angelegenheiten; insbesondere sollte er sein Mietverhältnis kündigen, sein Konto auflösen und die Übersendung von persönlichen Gegenständen in den Sudan organisieren. Zudem sollte die Verlängerung des Reisepasses erst nach Vorlage einer Flugbuchung vor- genommen werden und der Zeitraum zwischen der Flugbuchung und der Ausreise 15 Arbeitstage betragen. Das Beschwerdegericht hat sich mit diesen von der Botschaft vorgegebenen Voraussetzungen nicht auseinandergesetzt. Hierzu bestand jedoch gerade deshalb Anlass, weil bis zum Ablauf der Haftdauer am 30. September 2011 nur noch ein Zeitraum von fünf Wochen lag. Der Hinweis des Beschwerdegerichts auf einen in den Ausländerakten befindlichen Screenshot eines Datenbankausdrucks ist nicht ausreichend. Daraus ergibt sich nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts lediglich, dass die Erteilung von Passersatzpapieren für den Sudan selbst ohne Sachbeweise im Allgemeinen innerhalb von drei Monaten möglich sei. Entscheidend für die Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG ist aber nicht die übliche Dauer für die Erteilung der Passersatzpapiere, sondern die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängende Möglichkeit der Abschiebung des Betroffenen.
IV.
- 20
- Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Bei unzureichenden Feststellungen im Zusammenhang mit der nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG zu treffenden Prognose ist eine Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht zwecks weiterer Aufklärung möglich, wenn dem Betroffenen hierzu rechtliches Gehör gewährt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, Rn. 11 juris; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, Rn. 11, juris). So verhält es sich hier.
- 21
- Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Prognose nach § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG auch dann erfolgen muss, wenn der Betroffene eine ihm obliegende Mitwirkung verweigert hat. Sollte die von der Beteiligten zu 2 nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens in dem Schreiben vom 31. August 2011 geschilderte Weigerung des Betroffenen, seine persönlichen Angelegenheiten aus der Haft heraus zu regeln, schuldhaft gewesen sein, ist in die Prognose einzustellen, wie das weitere Verfahren bei einer Mitwirkung des Betroffenen üblicherweise abgelaufen wäre. Verbleibt dann im Ergebnis der Prognose eine Ungewissheit, geht diese bei der - wie hier - erstmaligen Anordnung der Haft für drei Monate zu Lasten des Betroffenen (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 188/11, Rn. 15, juris; Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 122/11 Rn. 14, juris; BVerfG, NJW 2009, 2659 f. Rn. 19).
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Homburg, Entscheidung vom 19.07.2011 - 5 XIV 1/11 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 29.08.2011 - 5 T 289/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, ist nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags seit September 2005 vollziehbar ausreisepflichtig. Seine für Juni 2008 vorgesehene Abschiebung nach Vietnam scheiterte , weil er nicht mehr anzutreffen und sein Aufenthalt unbekannt war. Am 11. Juli 2012 wurde der Betroffene von der Polizei aufgegriffen. Nach Feststellung seiner Identität beantragte die beteiligte Behörde die Anordnung von Sicherungshaft bis zum 19. September 2012.
- 2
- Das Amtsgericht hat am 12. Juli 2012 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 19. September 2012 angeordnet. In dem Termin zur Anhörung des Betroffenen am 6. September 2012 vor dem Landgericht legte dessen Verfahrensbevollmächtigter unter anderem notarielle Erklärungen des Betroffenen, mit der dieser die Vaterschaft für ein im Jahr 2010 in Emden geborenes Kind anerkannte, sowie eine Zustimmung der Kindesmutter zur Vaterschaftsanerkennung vor. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. September 2012 die Beschwerde zurückgewiesen. Am 7. September 2012 hat der Betroffene per Telefax bei dem Landgericht eine Mitteilung der Ausländerbehörde des Landratsamts mit dem Inhalt eingereicht, dass Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 AufenthG vorlägen und der Betroffene nach seiner Haftentlassung bei der Behörde zur Wiederanmeldung vorsprechen möge. Das Landgericht hat dem Betroffenen mitgeteilt, dass der Beschluss bereits vor Eingang des Telefaxschreibens durch Übergabe an die Geschäftsstelle erlassen und das Beschwerdeverfahren damit abgeschlossen sei. Das Landratsamt hat später Bedenken gegen die Richtigkeit seiner zuvor mitgeteilten Ansicht geäußert, dann jedoch die Duldung ausgesprochen. Der Betroffene ist schließlich am 12. September 2012 auf Anordnung der beteiligten Behörde aus der Abschiebungshaft entlassen worden, weil die Ausländerbehörde des Landkreises eine Duldung erteilt hatte.
- 3
- Der Betroffene beantragt in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Feststellung , durch die Haftanordnung und den Beschluss des Beschwerdegerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
II.
- 4
- Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts rechtmäßig gewesen sei. Es habe ein den Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechender Haftantrag vorgelegen, da die beteiligte Behörde zur vollziehbaren Ausreisepflicht, zu dem Vorliegen von Haftgründen vorgetragen und auch mitgeteilt habe, wann die Abschiebung voraussichtlich vollzogen werden könne. Da der Haftantrag dem Betroffenen eröffnet und übersetzt worden sei, sei er auch in der Lage gewesen, zur Sachaufklärung beizutragen und seine Rechte wahrzunehmen. Es bestehe der Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 AufenthG. Aus dem Vorbringen über seine minderjährige, in Deutschland lebende Tochter ergäben sich keine ausreichenden familiären Beziehungen , die darauf schließen ließen, dass sich der Betroffene der Abschiebung nicht erneut entziehen werde.
- 5
- Seine Abschiebung nach Vietnam sei mit einem Charterflug am 18. September 2012 vorgesehen, für den der Betroffene auch angemeldet sei. Die beteiligte Behörde habe die Abschiebung des Betroffenen auch mit der notwendigen Beschleunigung betrieben. Sie habe dargelegt, dass eine Abschiebung mit dem am 7. August 2012 durchgeführten Charterflug nicht möglich gewesen sei, da die von der Bundespolizei für jenen Flug bestimmte Anmeldefrist bis zum 4. Juli 2012 bei der Feststellung der Identität des Betroffenen am 12. Juli 2012 bereits verstrichen gewesen sei.
III.
- 6
- Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 statthafte (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts und durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts in seinen Rechten verletzt worden.
- 7
- 1. Der Feststellungsantrag ist zunächst für den Zeitraum bis zur Anhörung durch das Beschwerdegericht (am 6. September 2012) begründet. Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
- 8
- a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).
- 9
- b) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 12. Juli 2012 entsprach diesen Anforderungen nicht. In diesem hatte die Behörde zwar auf die vorgesehene Durchführung der Abschiebung des Betroffenen nach Vietnam in von der Bundespolizei organisierten Charterflügen hingewiesen, aber nicht die Voraussetzungen für eine Abschiebung nach Vietnam und deren Vorliegen dargelegt. Eine solche Darlegung gemäß dem Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam über die Rückübernahme von vietnamesischen Staatsangehörigen (Rückübernahmeabkommen nebst Durchführungsprotokoll vom 21. Juli 1995, BGBl. 1995 II, S. 744) ist - wie von der Rechtsbeschwerde zutreffend bemerkt - erst mit dem Schriftsatz an das Beschwerdegericht vom 31. August 2012 erfolgt.
- 10
- c) Der Mangel des Haftantrags, auf dem die Haftanordnung des Amtsgerichts beruhte, wurde nicht schon mit diesem, den Haftantrag ergänzenden Vorbringen der beteiligten Behörde, sondern erst mit der Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht behoben. Die mit einem unzulässigen Haftantrag einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 GG kann in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft dadurch geheilt werden, dass die Behörde die unvollständige Begründung ihres Haftantrags ergänzt und der Betroffene hierzu in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8). Das ist hier erst am 6. September 2012 geschehen.
- 11
- 2. Der Betroffene ist jedoch auch durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts in seinen Rechten verletzt worden. Dies führt hier dazu, dass der Feststellungsantrag analog § 62 FamFG insgesamt - somit auch für den Zeitraum von dem Erlass der Beschwerdeentscheidung am 7. September 2012 bis zur Entlassung des Betroffenen aus der Haft am 12. September 2012 - begründet ist.
- 12
- a) Das Beschwerdegericht hat verfahrensfehlerhaft einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen verneint.
- 13
- aa) Es hat sich zu vergewissern, ob die Abschiebung zügig durchgeführt wird. Die Haft zur Sicherung der Abschiebung darf es nur dann aufrechterhalten , wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich und gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit der größtmöglichen Beschleunigung betreibt (st. Rspr. vgl. nur Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172, 1173, Rn. 21; Beschluss vom 1. März 2012 - V ZB 206/11, FGPrax 2012, 133, 134 Rn. 15; Beschluss vom 11. Oktober 2012 - V ZB 104/12, Rn. 7, juris).
- 14
- bb) Das Beschwerdegericht hat dies zwar im Grundsatz nicht verkannt, seine Entscheidung aber verfahrensfehlerhaft allein auf das Vorbringen der beteiligten Behörde gestützt, dass eine frühere Abschiebung des Betroffenen mit dem am 7. August 2012 durchgeführten Charterflug nicht mehr möglich gewesen sei. Darin liegt jedoch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG). Das Beschwerdegericht durfte sich, angesichts des Vorbringens des Betroffenen, dass die von der Bundespolizei gesetzte „Anmelde- frist“ von einem Monat nicht verständlich sei, nicht mit der Erklärung der betei- ligten Behörde über die von ihr bei der Bundespolizei einzuhaltende Anmeldefrist für Abschiebungen nach Vietnam begnügen. Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, müssen nämlich auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht. Der Richter hat nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen. Dazu muss er selbst die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172, 1174 Rn. 16; BVerfGE 10, 302, 310; 83, 24, 33).
- 15
- Eigene Feststellungen, warum es der Einhaltung einer Frist von über einem Monat zwischen der Anmeldung zur Abschiebung nach Vietnam und deren Durchführung auch bei inhaftierten Ausländern bedarf, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Solche Ermittlungen zu den Gründen einer von deutschen Behörden gesetzten Anmeldefrist, die zu einer Verlängerung der Haftdauer um bis zu einem Monat führen, waren nicht deshalb entbehrlich, weil die Abschiebung nicht von der beteiligten Behörde, sondern von der Bundespolizei durchgeführt wird. Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot durch die die Abschiebung vollziehende Bundesbehörde sind den für die Anträge auf Abschiebungshaft zuständigen Ausländerbehörden der Länder und der Kreise zuzu- rechnen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 111/10, NVwZ 2011, 1214, 1215 Rn. 13; Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315, 317 Rn. 25). Die notwendigen Erläuterungen zu der erforderlichen Zeitspanne von der Beantragung bis zur Durchführung der Abschiebung durch die damit beauftragte Bundespolizei sind von dem Tatrichter entweder über die beteiligte Behörde oder direkt von der Bundesbehörde anzufordern.
- 16
- cc) Der gerügte Verfahrensmangel stellt sich auch nicht als im Ergebnis unerheblich dar. Zwar hat nach Art. 2 Nr. 4 des Protokolls zur Durchführung des Rückübernahmeabkommens die deutsche Seite der vietnamesischen Seite vierzehn Tage vor dem Flug die Liste der von den vietnamesischen Behörden bereits als Staatsangehörige anerkannten Rückkehrer mitzuteilen; die Notwendigkeit einer Frist von über einem Monat zwischen der Anmeldung und der Abschiebung eines inhaftierten Vietnamesen in sein Heimatland ergibt sich daraus jedoch nicht.
- 17
- b) Der Senat kann über den Feststellungsantrag abschließend entscheiden , da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG), die grundsätzlich dann vorzunehmen ist, wenn die Feststellung einer Rechtsverletzung wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen weitere Ermittlungen erfordert, bedarf es hier ausnahmsweise nicht. Der weitere Vollzug der Haft über den 7. September 2012 hinaus stellte sich als eine Verletzung der Rechte des Betroffenen dar, weil das für die Erteilung einer Duldung zuständige Landratsamt an diesem Tag Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 AufenthG bejahte, die schließlich am 12. September 2012 zur Haftentlassung des Betroffenen auf Anordnung der beteiligten Behörde führten. Das Beschwerdegericht hat diese Tatsache in seinem Beschluss deshalb nicht mehr berücksichtigt, weil der Beschluss in dem Zeitpunkt, in welchem dem Gericht die Einschätzung des Landratsamts mitgeteilt worden ist, bereits durch Übergabe an die Geschäftsstelle (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG) erlassen und damit für das Beschwerdegericht bindend geworden war (vgl. Keidel/Meyer-Holtz, FamFG, 17. Aufl., § 38 Rn. 88, 90).
- 18
- Der Senat hat jedoch neue unstreitige und aus den Akten ersichtliche Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. BayObLG, FamRZ 2001, 1245, 1246; Keidel /Meyer-Holtz, FamFG, 17. Auflage, § 74 Rn. 16 f.; vgl. auch Senat, Urteil vom 3. April 1998 - V ZR 143/97, NJW-RR 1998, 1284 zum Revisionsverfahren ). Danach ist festzustellen, dass auch der weitere Vollzug der Abschiebungshaft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Allerdings schließt eine Duldung nach § 60a AufenthG weder die Anordnung noch den weiteren Vollzug der Abschiebungshaft schlechthin aus, weil die Duldung nur den Vollzug der Abschiebung aussetzt, sie aber dem Ausländer kein Recht zum Aufenthalt gibt und seine Pflicht zur Ausreise unberührt lässt. Mit Rücksicht auf die Geltungsdauer einer Duldung besteht jedoch stets Anlass zur Prüfung, ob die Abschiebung noch innerhalb von drei Monaten seit Anordnung der Haft (§ 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG) durchgeführt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28 Rn. 12 f.). Eine solche Prüfung führt hier angesichts des weiteren Ablaufs dazu, dass die Haft hätte aufgehoben werden müssen. Die beteiligte Behörde, die nach Landesrecht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsAAZVO) nur für die Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts abgelehnter Asylbewerber, jedoch nicht für die Erteilung von Duldungen zuständig ist, hat die Haftentlassung des Betroffenen am 12. September 2012 verfügt, weil sie nach ihrem Vorbringen erst in diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem endgültigen Willensentschluss des für die Erteilung der Duldung zuständigen Landratsamts erlangte. Nach der in der Akte befindlichen Mitteilung des Landratsamts an den Betroffenen vom 7. September 2012 ist indessen davon auszugehen, dass das Landratsamt, wäre es auch für die Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts des Betroffenen zuständig, bereits an diesem Tage dessen Entlassung aus der Haft verfügt hätte. Verzögerungen bei der Haftentlassung, die auf die landesrechtliche Aufteilung behördlicher Zuständigkeiten zurückzuführen sind, gehen jedoch nicht zu Lasten des Ausländers.
IV.
- 19
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO. Stresemann Schmidt-Räntsch Czub Weinland Kazele
AG Chemnitz, Entscheidung vom 12.07.2012 - 211 XIV 85/12 (B) -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 06.09.2012 - 3 T 416/12 -
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.
(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.
(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.
(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll.
(2) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.
(3) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.
(4) Die Bestellung endet, wenn sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Freiheitsentziehung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.
(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.
(6) Für die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers gilt § 277 entsprechend. Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.