Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Juni 2013 - 4 Sa 41/12
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29.11.2011 - 9 Ca 1337/11 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 20. April 2011, dem Kläger am 26. April 2011 ausgehändigt, beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Bauwerker weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an den Kläger für den Zeitraum 14. März 2011 bis 10. April 2011 Urlaubsvergütung in Höhe von 1.680,00 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2011 und
b) für den Zeitraum 18. April 2011 bis 27. Mai 2011 Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.520,00 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 04. November 2011
zu zahlen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten sowohl in erster als auch in zweiter Instanz über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger Urlaubsvergütung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu zahlen. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien insbesondere darüber, ob der Kläger am 26. April 2011 im Zusammenhang mit dem Erhalt einer Lohnsteuerkarte nebst Lohnsteuerbescheinigung eine Ausgleichsquittung mit Klageverzicht unterzeichnet hat oder nicht.
- 2
Der am ... 1958 geborene Kläger ist verheiratet. Er war seit dem 17. Juli 2006 bei der Beklagten als Bauwerker zu einem Stundenlohn von 12,35 € brutto beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
- 3
Der Kläger erlitt am 30. September 2009 einen Arbeitsunfall. Gemäß Unfallanzeige (Bl. 36 d. A.) baute der Kläger eine zwei Meter hohe Bockrüstung. Dabei wählte er den seitlichen Überstand auf der Fensterseite mit einem Meter zu groß. Er betrat den überstehenden Bereich und stürzte 2,50 Meter ab. Gemäß Abschlussbericht der M... Klinik M (Bl. 11 d. A.) kam es u. a. zu einer Schädeldachfraktur. Der Kläger wurde aus der Rehabilitation zum 14. März 2011 arbeitsfähig entlassen.
- 4
Unter dem 14. März 2011 Unterzeichneten die Parteien einen Antrag auf bezahlten Erholungsurlaub des Klägers für die Zeit vom 14. März bis 30. April 2011 (Bl. 56 d. A.).
- 5
In der Zeit vom 11. April bis 29. April 2011 war der Kläger erneut arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11. April 2011 nimmt Bezug auf den Arbeitsunfall (Bl. 37 d. A.).
- 6
Am Nachmittag des 26. April 2011 erschien der Mitarbeiter der Beklagten K bei dem Kläger in der Küche und überreichte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 20. April 2011 zum 31. Mai 2011 (Bl. 10 d. A.). Den Empfang des Kündigungsschreibens hat der Kläger auf der Kündigung quittiert.
- 7
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger bei dieser Gelegenheit auch die Lohnsteuerkarte ausgehändigt erhalten hat. Ferner ist streitig, ob der Kläger dies quittiert und gleichzeitig eine Ausgleichsquittung (Bl. 38 d. A.) unterzeichnet hat
- 8
Gegen die Kündigung vom 20. April 2011 wehrt sich der Kläger mit seiner am 09. Mai 2011 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klage. Der Kläger hält die Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt. Er bestreitet ausdrücklich, die Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 unterzeichnet zu haben. Er habe auch die Lohnsteuerkarte nicht am 26. April 2011 erhalten. Vielmehr sei ihm diese bereits zwei Wochen vorher postalisch zugegangen.
- 9
Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiter Urlaubsvergütung für die Zeit vom 14. März bis 10. April 2011 in Höhe von 1.680,00 € brutto sowie Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 18. April 2011 bis 27. Mai 2011 in Höhe von 2.520,00 € brutto nebst Zinsen.
- 10
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29. November 2011 - 9 Ca 1337/11 - auf den Seiten 2 bis 5 (Bl. 97 - 100 d. A.) Bezug genommen.
- 11
Der Tenor der Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29. November 2011 lautet:
- 12
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 14. März 2011 bis 10. April 2011 Urlaubsvergütung in Höhe von 1.680,00 € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27. Mai 2011 zu zahlen.
- 13
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 14
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 13 % und der Kläger zu 87 %.
- 15
4. Der Streitwert wird auf 12.894,00 € festgesetzt.
- 16
In den Entscheidungsgründen des vorgenannten Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29. November 2011 heißt es u. a.:
- 17
„... Die Kammer hat die Unterschrift unter der Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 eingehend geprüft. Bei der Akte befinden sich mehrere Vergleichsunterschriften des Klägers. Einerseits hat der Kläger den PKH-Vordruck unterschrieben (Bl. 1 Rü. des PKH-Heftes). Ferner hat der Kläger die Prozessvollmacht unterzeichnet (Bl. 6 d. A.). Bei der Akte befindet sich der Arbeitsvertrag (Bl. 9 d. A.). Ferner liegt das Empfangsbekenntnis zur Kündigung (Bl. 10 d. A.) vor. Das dazugehörige Original lag in der Kammerverhandlung vor. Weiter hat der Kläger den Urlaubsantrag vom 14. März 2011 (Bl. 56 d. A.) unterzeichnet. Bei dem Unterschriftenvergleich wurde festgestellt, dass der Kläger nicht in allen Fällen gleich unterschreibt. So sind die einzelnen Buchstaben des Vornamens auf der Prozessvollmacht, im PKH-Heft und unter dem Arbeitsvertrag deutlich zu unterscheiden. Bei dem unstreitig vom Kläger unterzeichneten Empfangsbekenntnis zur Kündigung ist dies nicht der Fall. Hinsichtlich der Schreibweise des Nachnamens liegen jedoch eindeutig Übereinstimmungen zwischen der Ausgleichsquittung und beispielsweise der Unterschrift im PKH-Vordruck vor. Der Anfangsbuchstabe des Nachnamens ist charakteristisch. Auch weist die Unterschrift unter dem Urlaubsantrag vom 14. März 2011 große Übereinstimmung mit der Unterschrift unter der Ausgleichsquittung auf. Sie ist nicht vollständig identisch. Dies ist jedoch nach Auffassung der Kammer der Tatsache geschuldet, dass der Kläger in unterschiedlichen Situationen wohl unterschiedlich schnell schreibt. Im Ergebnis hat die Kammer jedoch keine Zweifel, dass die Unterschrift der Ausgleichsquittung vom Kläger stammt.
- 18
Infolgedessen konnte der Kläger einen Klageverzicht gegenüber der ihm zuvor ausgehändigten Kündigung erklären. Die Ausgleichsquittung ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil das Papier die Überschrift „Arbeitspapiere“ trägt. Die letzten beiden Absätze mit dem Verzicht sind zwar nicht schrifttechnisch hervorgehoben. Sie sind aber auch nicht etwa versteckt oder schlecht erkennbar. Insbesondere ist der letzte Satz leicht erkennbar, wonach der Kläger erklärt, er habe die vorstehende Ausgleichsquittung sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen.
- 19
Mit der Ausgleichsquittung hat der Kläger auch auf etwaige Entgeltfortzahlungsansprüche verzichtet.
- 20
Da die Kammer bereits die Unterschrift für echt hält, war eine Würdigung der Zeugenaussagen nicht mehr erforderlich.“
- 21
Wegen der weiteren Gründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29. November 2011 wird auf dessen Seiten 5 bis 7 (Bl. 100 - 102 d. A.) Bezug genommen.
- 22
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 22. Dezember 2011 zugestellt. Dessen Berufung ist am Montag, den 23. Januar 2012 und dessen Berufungsbegründung am 21. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.
- 23
Wegen des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf dessen Schriftsätze vom 17. Februar 2012 (Bl. 130 - 138 d. A.) und vom 05. Dezember 2012 (Bl. 185 - 189 d. A.) Bezug genommen.
- 24
Hinsichtlich der zuletzt von den Parteien in der Berufungsinstanz gestellten Anträge wird auf Seite 2 des Protokolls über die Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2013 (Bl. 296 d. A.) verwiesen.
- 25
Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren Schriftsätze vom 14. März 2012 (Bl. 145 - 147 d. A.) und vom 11. Dezember 2012 (Bl. 192 - 194 d. A.) nebst Anlagen - diverse Schreiben (Bl. 192 ff d. A.) Bezug genommen.
- 26
Wegen des Inhalts und Verlaufs der Berufungsverhandlung vom 14. November 2012 wird auf Blatt 178 - 180 der Akte Bezug genommen. Darin heißt es u. a.:
- 27
„...Der Vorsitzende weist auf die BAG-Entscheidung vom 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - = NJW 2012, 103 ff = NZA 2011, 1338 ff hin ...
- 28
...Rechtsanwältin F... überreicht Original der Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 und Original der Kündigung vom 20. April 2011. Rechtsanwältin R... überreicht ebenfalls Original der Kündigung vom 20. April 2011 jeweils mit Originalunterschriften...
- 29
...Die Kammer unterbreitet folgenden Vergleichsvorschlag:
- 30
1. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Entgeltfortzahlung 2.520,00 Euro.
- 31
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger, der die streitgegenständliche Kündigung akzeptiert, eine Abfindung in Höhe von 2.150,00 Euro...
- 32
Hinsichtlich des Inhalts des Kammerbeschlusses vom 14. November 2012 wird auf Blatt 181 der Akte verwiesen.
- 33
Auf die gerichtliche Aufforderung vom 28. Dezember 2012 bezeichneten beide Parteien den Diplom-Psychologen Dr. N als geeigneten Schriftsachverständigen (vgl. Bl. 205, 207 d. A.). Dieser wurde durch Beschluss vom 27. Februar 2013 (Bl. 215 - 216 d. A.) mit der Stellungnahme beauftragt, ob die Unterschrift unter der Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 vom Kläger stammt oder nicht. Der Schriftsachverständige Dr. N... teilte mit Schreiben vom 08. März 2013 mit, dass die Erfolgsaussichten der Untersuchung erheblich verbessert werden könnten, wenn etwa 15 bis 25 weitere unbefangen entstandene anerkannte Unterschriften des Vergleichsschreibers aus dem Jahr 2011 sowie den Jahren davor und danach vorgelegt würden (vgl. Bl. 222 d. A. nebst Anlage - Bl. 223 d. A.). Dem kamen die Parteien nach. Im Anschluss daran erstattete der Schriftsachverständige Dr. N unter dem 12. April 2013 ein Schriftgutachten, wegen dessen Inhalts auf Bl. 238 ff der Akte verwiesen wird. Dort heißt es unter 4.2 Schlussfolgerungen:
- 34
„... 4.2 Schlussfolgerungen
- 35
Die Bewertungen der vorliegenden Untersuchungsbefunde führten zu der Schlussfolgerung, dass
- 36
- der Hypothese der Urheberschaft des Vergleichsschreibers K... T... an der in Frage stehenden Unterschrift eine leicht überwiegende Wahrscheinlichkeit und
- 37
- der Hypothese der Urheberschaft einer anderen Person eine eher mäßige Wahrscheinlichkeit
- 38
beizumessen ist.
- 39
Es verbleiben Zweifel...
- 40
5. Zusammenfassung
- 41
Entsprechend dem Beschluss vom 27.02.2013 sollte untersucht werden, ob die Unterschrift unter der mit „ARBEITSPAPIERE“ überschriebenen Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 vom Kläger stammt oder nicht.
- 42
Die Untersuchung der fraglichen Unterschrift ließ keinerlei Anzeichen einer technischen Manipulation und keine auch nur entfernt hinreichenden Anzeichnen einer atypischen Entstehungsweise erkennen. Es handelte sich um eine zügig geleistete Unterschrift, die in einem dynamischen Bewegungsablauf entstanden ist.
- 43
Die vergleichenden Untersuchungen führten zur Feststellung verschiedener grafischer Entsprechungen zu den Proben des Vergleichsschreibers. Der Grad der Einfügung in die Variationsbreite der Vergleichsproben ist gleichwohl nicht sehr hoch. Die grafischen Eigenschaften der in Frage stehenden Unterschriften bleiben zu einem wesentlichen Teil außerhalb der Variationsbreite der Vergleichsproben. Die Vergleichsproben sind allerdings sehr variantenreich. Teilweise liegen zwischen den Vergleichsproben noch größere Unterschiede vor als zu der in Frage stehenden Unterschrift.
- 44
Die Bewertungen der vorliegenden Untersuchungsbefunde führten zu der Schlussfolgerung, dass
- 45
- der Hypothese der Urheberschaft des Vergleichsschreibers K... T... an der in Frage stehenden Unterschrift eine leicht überwiegende Wahrscheinlichkeit und
- 46
- der Hypothese der Urheberschaft einer anderen Person einer eher mäßige Wahrscheinlichkeit
- 47
beizumessen ist...“
- 48
Der Kläger nahm zum vorgenannten Schriftgutachten vom 12. April 2013 mit Schriftsatz vom 02. Mai 2013 (Bl. 209 - 210 d. A.) und die Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2013 (Bl. 286 - 287 d. A.) Stellung. Auf diesen Schriftsatz der Beklagten vom 21. Mai 2013 erwiderte der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Mai 2013 (Bl. 284 d. A.). Auf diesen Schriftsatz vom 29. Mai 2013 erwiderte die Beklagte nochmals mit Schriftsatz vom 06. Juli 2013.
- 49
Wegen des Inhalts und des Verlaufs der weiteren Berufungsverhandlung vom 26. Juni 2013 wird auf das diesbezügliche Protokoll (Bl. 295 - 298 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 50
Die vorliegende Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. den §§ 517, 519 ZPO).
II.
- 51
Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29. November 2011 - 9 Ca 1337/11 - teilweise abzuändern und gemäß dem obigen Tenor insgesamt neu zu fassen. Diese Entscheidung der Berufungskammer beruht kurz zusammengefasst in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf folgenden Erwägungen:
- 52
1. Anders als das Arbeitsgericht Magdeburg gemäß seinem vorgenannten Urteil vom 29. November 2011 vermochte sich die Berufungskammer nicht selbst davon zu überzeugen, ob die Unterschrift des Klägers unter der „Ausgleichsquittung“ vom 26. April 2011 echt ist oder nicht. Hierüber haben die Parteien sowohl in erster als auch in zweiter Instanz nachdrücklich gestritten. Der Schriftsachverständige Dr. N geht mit verbleibenden Zweifeln davon aus, dass die Unterschrift über der vorgenannten Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Kläger stammt und die Urheberschaft einer anderen Person eine nur eher mäßige Wahrscheinlichkeit beizumessen ist. Mithin kann mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger die im Streit stehende „Ausgleichsquittung“ vom 26. April 2011 unterzeichnet hat.
- 53
2. Die hier im Streit stehende Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 (Bl. 38 d. A.) ist jedoch nach Auffassung der Berufungskammer unangemessen benachteiligend i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Darin findet sich eine von der Beklagten vorformulierte - und nicht einzeln mit dem Kläger ausgehandelte - Ausgleichsklausel, die einseitig nur Ansprüche des Klägers erfasst und diesem dafür keine entsprechende Gegenleistung gewährt. Das Schriftstück vom 26. April 2011 lautet nämlich:
- 54
„F GmbH
- 55
ARBEITSPAPIERE
...
- 56
anbei überreichen wir Ihnen die unten aufgeführten Arbeitspapiere mit der Bitte, uns den Empfang durch Ihre Unterschrift und Rückgabe dieses Schreibens zu bestätigen.
- 57
Hiermit bestätige ich, folgende Papiere ordnungsgemäß von der Firma F zurückerhalten zu haben:
- 58
x Lohnsteuerkarte * Lohnsteuerbescheinigung
- 59
Sozialversicherungsabmeldung
- 60
Lohnzettel
- 61
Urlaubsnachweis
- 62
Ich (Arbeitnehmer) bestätige, dass ich weitergehende Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung nicht mehr gegen die Firma F habe. Eine Kündigungsschutzklage werde ich nicht erheben; eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage werde ich unverzüglich zurücknehmen.
- 63
Die vorstehende Ausgleichsquittung habe ich sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen.“
- 64
Im oberen Teil geht es ausschließlich darum, dass die Rückgabe einer Lohnsteuerkarte und einer Lohnsteuerbescheinigung durch Unterschrift bestätigt werden soll.
- 65
Im unteren Teil geht es ausschließlich um die Bestätigung des Klägers, dass er keine weitergehenden Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung gegen die Beklagte mehr habe sowie eine Kündigungsschutzklage nicht erhebe und eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage unverzüglich zurücknehme. Am Ende heißt es nur noch, dass die vorstehende Ausgleichsquittung sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen wurde.
- 66
Während in der Mitte dieses Schriftstücks verschiedene Arbeitspapiere, um die es gehen kann und die anzukreuzen sind, jeweils fettgedruckt aufgelistet sind, ist der übrige Text darüber und darunter nicht fett gedruckt und in kleinerer Schrift gehalten.
- 67
Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage bzw. die Verpflichtung, eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage zurückzunehmen, eine irgendwie geartete Gegenleistung erhalten hat. Jedenfalls geht dieses aus dem Schriftstück vom 26. April 2011 nicht hervor. Vielmehr erlitt der Kläger, der seit 2006 bei der Beklagten als Bauwerker beschäftigt ist, am 30. September 2009 einen Arbeitsunfall. Er wurde erst am 14. März 2011 aus der Rehabilitation arbeitsfähig entlassen. Weniger als sechs Wochen danach soll der Kläger am 26. April 2011 die hier im Streit stehende Ausgleichsquittung unterzeichnet haben, mit der er betreffend die Kündigung vom 20. April 2011 einen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ausgesprochen haben soll bzw. die Verpflichtung eingegangen ist, eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage unverzüglich zurückzunehmen, und zwar ohne entsprechende Gegenleistung. Diese Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 benachteiligt den Kläger deshalb unangemessen. Die Berufungskammer schließt sich diesbezüglich auch zur Vermeidung von Wiederholungen den zutreffenden Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - an und nimmt auf diese auch zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
- 68
Zusammengefasst: Der Kläger war nach seinem Arbeitsunfall vom 30. September 2009 rund achtzehn Monate arbeitsunfähig. Er wurde erst zum 14. März 2011 arbeitsfähig entlassen. Bereits am 20. April 2011 sprach die Beklagte ihm gegenüber die hier im Streit stehende Kündigung aus. Selbst dann, wenn die Berufungskammer davon ausgeht, dass der Kläger das Schriftstück vom 26. April 2011 unterzeichnet hat, beinhaltet diese keine wirksame Ausgleichsquittung. Diese ist nämlich als Ausgleichsklausel zu qualifizieren, mit der nur einseitig Ansprüche des Klägers erfasst und dafür keine entsprechende Gegenleistung gewährt wurde. Für den Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage bzw. die Verpflichtung, eine solche unverzüglich zurückzunehmen, ist dem Kläger nämlich keinerlei Gegenleistung gewährt worden.
- 69
3. Aus dem vorstehendem folgt:
a)
- 70
Zunächst war festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 20. April 2011, dem Kläger am 26. April 2011 ausgehändigt, beendet worden ist. Das Kündigungsschutzgesetz findet unstreitig Anwendung. Das Vorbringen der Beklagten begründet unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Annahme, dass es sich hierbei um eine rechtswirksame krankheitsbedingte Kündigung handelt. Dazu trägt die Beklagte vor, der Kläger sei vom 30. September 2009 bis zum 14. März 2011 fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Das ist zutreffend. Der Kläger erlitt am 30. September 2009 einen Arbeitsunfall (u. a. Schädeldachfraktur). Der Kläger wurde erst zum 14. März 2011 aus der Rehabilitation arbeitsfähig entlassen. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei ab dem 11. April 2011 erneut arbeitsunfähig gewesen. Diese Arbeitsunfähigkeit habe auf dem Arbeitsunfall beruht. Er sei lediglich vom 14. März bis 11. April 2011 arbeitsfähig gewesen. Eine negative Gesundheitsprognose liege vor. Durch den Ausfall des Klägers seien auch betriebliche und wirtschaftliche Interessen der Beklagten beeinträchtigt gewesen. Insbesondere sei die Beklagte durch Entgeltfortzahlungen belastet worden.
- 71
Ferner sei es zur Störungen im Betriebsablauf gekommen. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung seit ca. 19 Monaten, bis auf eine Unterbrechung von vier Wochen, fortlaufend arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen sei. Bei alledem berücksichtigt die Beklagte nicht ausreichend, dass ausschließlicher Grund für die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ein Arbeitsunfall war. Im Abschlussbericht der medizinisch-beruflichen Rehabilitation vom 11. März 2011 heißt es auf Seite 6 (Bl. 12 d. A.) u. a.:
- 72
„Zusammenfassung und Empfehlungen zur beruflichen Rehabilitation
- 73
Im Rahmen der Belastungserprobung und des Arbeitstrainings erreichte Herr T... bei körperlichen Leistungsanforderungen gute Ergebnisse. Einschränkungen in der Kognition bestehen aus neurologischer Sicht nicht.
- 74
Die Belastbarkeit konnte im Verlauf deutlich gesteigert werden. Der Patient selbst beschreibt weiterhin konditionelle Einschränkungen bei Tätigkeiten in Zwangshaltungen durch eine Luftknappheit.
- 75
Aus Sicht der Berufs- und Arbeitstherapeuten bestehen derzeit keine Einschränkungen in der aktuellen beruflichen Leistungsfähigkeit.
- 76
Herr T wird arbeitsfähig zum 14.03.2011 entlassen.
- 77
Die Arbeitsbelastbarkeit wird über 6 Stunden und mehr eingeschätzt.
- 78
In einem Abschlussgespräch mit Herrn T..., seinem Arbeitgeber und dem Kostenträger wurden die Ergebnisse der medizinisch-beruflichen Rehabilitation besprochen.
- 79
Wir hoffen, dass wir mit unserer Maßnahme zur Wiedereingliederung von Herr T in Arbeit und Beruf beitragen konnten. Für Rückfragen steht Ihnen die Leiterin der Medizinisch-beruflichen Rehabilitation, Frau R, gern zur Verfügung.“
- 80
In der ärztlichen Bescheinigung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung vom 11. April 2011 (Bl. 14 d. A.) heißt es u. a.
- 81
„Untersuchung:
G 25 Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeit Anforderungsstufe 2 Nachuntersuchung
Datum:
08.04.2011
Ergebnis:
keine ges. Bedenken unter best. Voraussetzungen
Nächste Untersuchung:
Bemerkungen für AG:
- Wiedereingliederung nach Hamburger Modell - Einsatz erstmal zu ebener Erde
- Wiedervorstellung am Ende der Wiedereingliederung“
- 82
Im vorgenannten Abschlussbericht vom 11.03.2011 heißt es zudem u. a., dass in einem Abschlussgespräch mit dem Kläger, seinem Arbeitgeber und dem Kostenträger die Ergebnisse der medizinisch-beruflichen Rehabilitation besprochen worden sind. In der ärztlichen Bescheinigung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Voruntersuchung vom 11. April 2011 heißt es, dass eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell mit einem Einsatz erst einmal zu ebener Erde erfolgen soll. Bereits neun Tage später hat die Beklagte gegenüber dem Kläger die vorliegende streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen und zwar aus krankheitsbedingten Gründen. Die Kündigungsbegründung der Beklagten erscheint mit Blick auf den vorgenannten Abschlussbericht der M -Klinik NRC M vom 11.03.2011 und mit Blick auf die ärztliche Bescheinigung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung vom 11. April 2011 als unhaltbar. Der Kläger hat einen erheblichen Arbeitsunfall erlitten und war deshalb rund achtzehn Monate arbeitsunfähig. Es ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass die Beklagte hier die Wiedereingliederung des Klägers unter dessen Einsatz erst einmal zu ebener Erde in der vorgesehenen Weise ordnungsgemäß und mit den notwendigen nachhaltigen Bemühungen begleitet hat, bevor sie die hier streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen hat. Ein Zeitraum von neun Tagen genügt dazu sicher nicht. Mit Blick auf diese Situation ist der Kläger im Zusammenhang mit dem Schriftstück vom 26. April 2011 aus der Sicht der Berufungskammer auch deshalb besonders unangemessen benachteiligt worden, weil die streitgegenständliche Kündigung vom 20. April 2011 möglicherweise auch eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation des Klägers im Unternehmen der Beklagten vereitelt hat, obwohl dieser seinen Arbeitsunfall dort erlitten hat.
b)
- 83
Die Beklagte war antragsgemäß zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Bauwerker weiterzubeschäftigen. Diese Entscheidung beruht auf dem Urteil des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 = AP-Nr. 14 zu § 611 BGB - Beschäftigungspflicht. Dieser Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich nach zutreffender Auffassung des Bundesarbeitsgerichts unmittelbar aus der sich aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Artikel 1 und 2 Grundgesetz über den Persönlichkeitsschutz für den Arbeitgeber ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers. Dem stehen im vorliegenden Falle keine ersichtlichen schutzwerten Interessen der beklagten Arbeitgeberin entgegen, zumal diese sich nach wie vor an einer ordnungsgemäßen Rehabilitation bzw. Wiedereingliederung des Klägers in das Arbeitsleben nach dessen Entlassung als arbeitsfähig zum 14. März 2011 zu beteiligen hat.
c)
- 84
Bereits das Arbeitsgericht Magdeburg hat durch sein Urteil vom 29. November 2011 die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen, an den Kläger für den Zeitraum vom 14. März 2011 bis zum 10. April 2011 eine Urlaubsvergütung in Höhe von 1.680,00 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2011 zu zahlen.
d)
- 85
Nichts anderes gilt für die ausgeurteilte Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.520,00 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 04. November 2011. Dazu hat das Arbeitsgericht Magdeburg in seinem Urteil vom 29. November 2011 auf Seite 6 (Bl. 101 d. A.) lediglich ausgeführt, mit der Ausgleichsquittung habe der Kläger auch auf etwaige Entgeltfortzahlungsansprüche verzichtet. Da die Ausgleichsquittung vom 26. April 2011 aus der Sicht der Berufungskammer rechtsunwirksam ist, ist dies nicht der Fall. Demgemäß ist die Beklagte für den Zeitraum vom 18. April bis 27. Mai 2011 zur Entgeltfortzahlung verpflichtet.
- 86
Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
III
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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Januar 2010 - 5 Sa 603/09 - aufgehoben.
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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 7. Mai 2009 - 3 Ca 3854/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte auf die Hauptforderung Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2008 zu zahlen hat.
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Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über eine Ausgleichszahlung für die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vor Vollendung des 65. Lebensjahres.
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Der am 3. Juni 1944 geborene Kläger war seit dem 1. August 1974 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Vertrag vom 21./23. Dezember 2005 vereinbarten die Parteien, ihr Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortzusetzen. In dem von der Beklagten vorformulierten und mindestens fünf Mal verwendeten Vertragsformular heißt es auszugsweise wie folgt:
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„§ 1
Beginn und Dauer der Altersteilzeit
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird hiermit im gegenseitigen Einvernehmen geändert und vom 01.11.2006 bis 31.10.2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt.
…
§ 3
Abfindung
Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31.10.2008.
Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer gemäß §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9, § 24, § 34 EStG und auf der Grundlage (von) § 10 des Tarifvertrags über Altersteilzeit vom 22.09.2000 eine Abfindung in Höhe von brutto EUR 2.168,00 zum Austrittstermin abgerechnet.
Darüber hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, bestehen nicht.“
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Hinsichtlich des Tarifvertrags über Altersteilzeit vom 22. September 2000 sind die Parteien tarifgebunden. Die Beklagte zahlte ab 1990 bzw. 1992 an Beschäftigte, welche nach mindestens 15-jähriger Betriebszugehörigkeit vorzeitig ausschieden, eine sog. „Ausgleichszahlung“ für jedes Jahr der Beschäftigung mit Steigerung bis zu einer 25-jährigen Beschäftigungsdauer. Dazu traf sie unter dem 25. Juli 1990 eine „Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 63. Lebensjahr“ und unter dem 2. April 1992 eine „Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 63. Lebensjahres“. Ziff. 3 der Ausgleichsregelung vom 2. April 1992 begrenzt den Anspruch auf maximal 18.000,00 DM. Nach Ziff. 4 der Ausgleichsregelung vom 25. Juli 1990 sollte der Ausgleichsbetrag, falls steuerrechtlich möglich, gemäß „§ 3 Absatz 9 EStG“ steuerfrei ausgezahlt werden.
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Die Beklagte lehnte gegenüber dem Kläger auf dessen Geltendmachungsschreiben vom 31. März 2008 mit Schreiben vom 4. November 2008 die Zahlung des vom Kläger geforderten Ausgleichsbetrags ab.
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Mit seiner der Beklagten am 3. Dezember 2008 zugestellten Klage macht der Kläger diese Ausgleichszahlung geltend.
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Er ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Zahlung unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung verpflichtet. Die Ausgleichsklausel in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags stehe dem erhobenen Anspruch nicht entgegen. Als überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB sei die Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden. Zudem lasse sich ihr der Wille, auf Rechte zu verzichten, nicht entnehmen. Schließlich fielen Ansprüche der betrieblichen Altersversorgung - wie der Klageanspruch - regelmäßig nicht in den Anwendungsbereich von Ausgleichsklauseln.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.203,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch des Klägers sei aufgrund der Ausgleichsklausel in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags erloschen. Als gewöhnliche Abgeltungsklausel fehle der Vertragsbestimmung das von § 305c Abs. 1 BGB vorausgesetzte Überraschungsmoment. Ihrem Inhalt nach beschränke sie sich auf Abwicklungsansprüche nach §§ 9, 10 KSchG und die streitgegenständliche Ausgleichszahlung.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der klagestattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
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A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung iHv. 9.203,25 Euro. Hiervon hat der Kläger nur 9.203,00 Euro geltend gemacht.
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I. Der Anspruch des Klägers auf die Ausgleichszahlung war aus betrieb-licher Übung entstanden.
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1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Das als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern angenommen, indem sie die Leistung widerspruchslos entgegennehmen (vgl. BAG 18. März 2009 - 10 AZR 281/08 - Rn. 13, BAGE 130, 21). Der Zugang der Annahmeerklärung ist nach § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Durch die betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste. Der Arbeitgeber kann sich auch im Hinblick auf Einmalleistungen durch eine betriebliche Übung binden (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 25, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12).
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2. Nach diesen Grundsätzen war hier eine betriebliche Übung entstanden. Die Beklagte zahlte seit 1990 vorbehaltlos an Arbeitnehmer, die vor dem 63. Lebensjahr, und seit 1992 auch an Arbeitnehmer, die später aus einem Arbeitsverhältnis mit ihr ausschieden, einen „Ausgleich“, wie ihn auch der Kläger geltend gemacht hat. Aus diesem regelmäßigen Verhalten durften die Arbeitnehmer auf einen entsprechenden Bindungswillen der Beklagten schließen (vgl. so schon in dem weitgehend parallelen Verfahren BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 21 ff., AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12).
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3. Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen, von denen die Beklagte in der Vergangenheit die Ausgleichszahlung abhängig gemacht hat. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Oktober 2008 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem der am 3. Juni 1944 geborene Kläger das 64., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hatte. Er war bei der Beklagten seit dem 1. August 1974 und damit mehr als 15 Jahre beschäftigt. Bei dieser Beschäftigungsdauer von insgesamt 34 Jahren war der Ausgleich einschließlich der Steigerungssätze auf den Höchstbetrag für 25 Jahre iHv. 9.203,25 Euro (18.000,00 DM) begrenzt. Der Kläger hat die Zahlung von 9.203,00 Euro deshalb zu Recht gefordert.
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II. Der aus betrieblicher Übung entstandene Anspruch des Klägers ist nicht untergegangen. Zwar ist in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags vom 21./23. Dezember 2005 bestimmt, dass über die tarifliche Abfindung hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht bestehen sollen. Diese Klausel ist aber nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Ausgleichsklausel in § 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags sei weder überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB noch benachteilige sie den Arbeitnehmer unangemessen. Der von dem Kläger erhobene Anspruch sei deshalb untergegangen. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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2. Die Ausgleichsklausel ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB und unterliegt damit der richterlichen Kontrolle nach § 305 ff. BGB.
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Der mit dem Kläger geschlossene Altersteilzeitarbeitsvertrag enthält vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Beklagte für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen aufgestellt hat (§ 305 Abs. 1 BGB). Tatsächlich hat die Beklagte auch mindestens fünf Mal identische Vertragsformulare verwendet.
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3. Nach seinem Wortlaut enthält § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis. Dieses führt regelmäßig dazu, dass die betroffene Forderung nach § 397 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB erlischt.
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a) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer sog. Abgeltungsklausel abgegebenen Erklärungen haben, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Wille der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, kann insbesondere durch Erlassvertrag, konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis ausgedrückt werden (vgl. nur BAG 24. Juni 2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 24 mwN, AP HGB § 74 Nr. 81; 7. November 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17, BAGE 124, 349). Die Klausel in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags der Parteien ist ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis des Klägers.
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aa) Die Bestimmungen in einem Formulararbeitsvertrag sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (vgl. für die st. Rspr. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 45, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12). Gemäß § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders, dh. des Arbeitgebers, der die Klauseln in einen Formulararbeitsvertrag eingeführt hat.
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bb) Obwohl das Landesarbeitsgericht den Altersteilzeitarbeitsvertrag nicht ausgelegt hat, ist das Revisionsgericht im Streitfall nicht gehindert, selbst die Auslegung vorzunehmen; denn die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Formularverträgen hat wie die Auslegung von Normen zu erfolgen.
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cc) Wollen Parteien ihre Rechtsbeziehungen abschließend bereinigen, kommen der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag ist anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend nicht mehr erfüllt werden soll. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen (vgl. BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64).
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(1) Der Wortlaut von § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags, „Darüber hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses … bestehen nicht”, spricht für den Regelungswillen der Parteien, dass außer der in § 3 Abs. 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrags geregelten tariflichen Abfindung keine weiteren gleichartigen Ansprüche, „gleich aus welchem Rechtsgrund“, mehr bestehen sollen. Mit der Regelung haben die Parteien bewirken wollen, dass alle denkbaren sonstigen Ansprüche, die den Zweck haben, den Verlust des Arbeitsplatzes abzufinden oder auszugleichen, nicht mehr bestehen und damit gegebenenfalls erlöschen sollen.
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(2) Die Beschränkung des konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses auf diese Gruppe von Ansprüchen folgt nicht nur aus dem Wortlaut, „… im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses …“, sondern vor allem aus dem systematischen Zusammenhang der Klausel. Sie steht unter der Überschrift „Abfindung“ und nimmt erkennbar Bezug auf die im vorhergehenden Absatz für den Verlust des Arbeitsplatzes geregelte Abfindungszahlung. Sie knüpft auch sprachlich hieran an („Darüber hinausgehende …“).
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(3) Auch ein Arbeitnehmer muss die Klausel in diesem Sinne verstehen. Das Verständnis wird nicht durch juristische Fachbegriffe sprachlich erschwert. Die Bedeutung der Worte „Darüber hinausgehende Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche …, gleich aus welchem Rechtsgrund, bestehen nicht“, lässt für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer erkennen, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet sein soll, über die tarifliche Abfindung hinaus weitere etwaige Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche zu erfüllen.
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(4) Eine solche Ausgleichsklausel ist im Arbeitsleben auch nicht ungewöhnlich, sondern durchaus üblich. Sie war in ähnlicher Form bereits Gegenstand einer Entscheidung des Senats, der sie in diesem Sinne ausgelegt hat (BAG 7. September 2004 - 9 AZR 612/03 - zu I 2 c der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 11 = EzA HGB § 74 Nr. 66).
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b) Aus der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB folgt kein anderes Ergebnis.
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aa) Nach dieser Norm gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Hierfür muss nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt mithin voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die nur entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 873/08 - Rn. 24, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 9 ; 14. Dezember 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 47, NZA 2011, 509).
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bb) Der Inhalt der Ausgleichsklausel ist nach der hier gefundenen Auslegung, wie bereits ausgeführt, unzweifelhaft. Sie ist deshalb nicht unklar. Es wird schon nach ihrem Wortlaut ausreichend deutlich, dass keine weiteren Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers bestehen sollen. Die Klausel ist zudem in ihrer Formulierung im Arbeitsleben üblich.
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4. Die Klausel erfasst auch den aus betrieblicher Übung entstandenen Ausgleichsanspruch des Klägers. Tatsächliche Grundlage waren die Ausgleichsregelungen der Beklagten vom 25. Juli 1990 und 2. April 1992. Beide hatten die Überschrift „Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ...“ (vgl. hierzu BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 4 f., AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12 ). Die Auszahlung sollte nach Ziff. 4 der Regelung vom 25. Juli 1990 „steuerfrei … gemäß § 3 Absatz 9 EStG“ erfolgen. Dabei handelte es sich um Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses (§ 3 Nr. 9 EStG in der maßgeblichen Fassung). Das konstitutive negative Schuldanerkenntnis in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags betrifft, wie bereits ausgeführt, solche für den Verlust des Arbeitsplatzes vorgesehenen Abfindungsansprüche, und damit auch den streitgegenständlichen Ausgleichsanpruch.
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5. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, ein Verzicht auf Altersversorgungsansprüche müsse eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 225/08 - Rn. 50, AP BetrAVG § 1 Nr. 63). Bei der hier streitigen Ausgleichszahlung handelt es sich nicht um einen Anspruch der betrieblichen Altersversorgung. Ein solcher liegt vor, wenn Leistungen der Alters-, der Invaliditäts- oder der Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugesagt sind. Die Zusage muss einem Versorgungszweck dienen und die Leistungspflicht nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst werden (BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 23, AP BetrAVG § 7 Nr. 116 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 93). Die von der Beklagten im Wege der Gesamtzusage versprochenen Leistungen knüpften nicht an eines der genannten Risiken an, sondern dienten dem Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes.
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6. Das konstitutive negative Schuldanerkenntnis ist entgegen der Auffassung der Revision Bestandteil des Altersteilzeitarbeitsvertrags geworden.
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a) Bestimmungen in Formulararbeitsverträgen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Arbeitnehmer mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil(BAG 14. Dezember 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 50, NZA 2011, 509). Klauseln im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB liegen dann vor, wenn ihnen ein Überrumpelungseffekt innewohnt, weil sie eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrags ergeben kann, ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Überraschungsmoment ist um so eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben (BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 139/04 - zu II 4 b cc (1) der Gründe, BAGE 114, 33).
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b) Die Vereinbarung eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses war nach den Gesamtumständen nicht ungewöhnlich. Der Kläger musste damit rechnen.
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aa) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich der Überrumpelungseffekt nicht schon aus dem äußeren Erscheinungsbild des Altersteilzeitarbeitsvertrags. Es trifft zwar zu, dass die Ausgleichsklausel im Text unter der Überschrift „Abfindung“ enthalten und nicht drucktechnisch hervorgehoben ist. Dies war auch nicht notwendig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Text des Altersteilzeitarbeitsvertrags nur auf zwei Seiten verteilt ist und insgesamt eine Länge von etwas mehr als einer Seite aufweist. § 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags hat nur drei kurze Absätze mit insgesamt drei Sätzen. Wegen dieser Kürze des Textes ist schon ausgeschlossen, den Arbeitnehmer mit einer versteckten Klausel zu überraschen. Zudem befindet sich die Klausel im Text unmittelbar hinter der geregelten Abfindungszahlung. Es ist deshalb kaum möglich, den Anspruch auf Abfindungszahlung ohne die Ausgleichsklausel zur Kenntnis zu nehmen.
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bb) Ein Arbeitnehmer muss auch mit einer solchen Klausel rechnen. Die Parteien regelten in § 1 des Altersteilzeitarbeitsvertrags die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2008. Nur deshalb sollte die Abfindung nach § 3 Abs. 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrags gezahlt werden. Es ist durchaus üblich und weder ungewöhnlich noch überraschend, in Beendigungsvereinbarungen Ausgleichs- oder Abgeltungsklauseln aufzunehmen (vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 49, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12).
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7. Die Bestandteil des Altersteilzeitarbeitsvertrags gewordene Klausel hält jedoch nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Sie ist wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
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a) Die Klausel ist nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen.
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aa) Diese Vorschrift bestimmt, dass ua. die Regelungen des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nur dann Anwendung finden, wenn durch Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Daraus wird die Kontrollfreiheit der vertraglichen Hauptleistungspflichten hergeleitet. Das Äquivalenzverhältnis im gegenseitigen Vertrag soll der Kontrolle entzogen werden (vgl. BGH 7. Dezember 2010 - XI ZR 3/10 - Rn. 26, BGHZ 187, 360). Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung unterliegen aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig ebenso wenig wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt einer Inhaltskontrolle (vgl. BGH 9. Mai 2001 - IV ZR 121/00 - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 147, 354).
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bb) Nach diesen Maßstäben unterliegt die Ausgleichsklausel der gerichtlichen Inhaltskontrolle. Sie regelt weder Hauptleistungspflichten noch deren Teil, sondern ist kontrollfähige Nebenbestimmung.
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(1) Ist die Beendigungsvereinbarung ein selbstständiges Rechtsgeschäft, bei dem die Hauptleistung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Verzicht auf zukünftige Ansprüche ist, kann die Beendigung als solche keiner vertraglichen Inhaltskontrolle und einer entsprechenden Angemessenheitsprüfung unterzogen werden (BAG 3. Juni 2004 - 2 AZR 427/03 - zu B IV 3 der Gründe; 27. November 2003 - 2 AZR 135/03 - zu B IV 3 der Gründe, BAGE 109, 22). Im Äquivalenzverhältnis stehen im Falle einer Beendigung gegen Abfindungszahlung jedoch lediglich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und die Abfindungszahlung (Thüsing/Leder BB 2004, 42), nicht aber eine Ausgleichsklausel. Es kann dahinstehen, ob diese Kontrollfreiheit auch besteht, wenn die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nur Teil der Änderung eines Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist. Als Teil eines Aufhebungsvertrags ist die Ausgleichsklausel nur Nebenabrede zur kontrollfreien Aufhebungsvereinbarung und Abfindungszahlung. Die eine Leistung nur begleitenden Klauseln, wie die Ausgleichsklausel, sind einer Kontrolle durch die Gerichte nicht entzogen (vgl. ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 40).
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(2) Die hier von der Beklagten aufgestellte Ausgleichsklausel stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung dar.
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Hierzu ist es nicht erforderlich, dass eine AGB-Bestimmung von dispositivem Gesetzesrecht abweicht. Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind auch anerkannte, ungeschriebene Rechtsgrundsätze und Prinzipien(vgl. BGH 15. Juli 1997 - XI ZR 269/96 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 136, 261). Hierzu gehört das im Schuldrecht verankerte und anerkannte Äquivalenzprinzip. Es dient dazu, das ursprünglich von den Parteien festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu erhalten. Dieses Gleichgewicht wird durch einseitigen Anspruchsverzicht oder -erlass gestört. Der Arbeitnehmer verliert ohne kompensatorische Gegenleistung Ansprüche, unabhängig davon, ob sachliche Gründe dies rechtfertigen (vgl. Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 314 f.). Zudem folgt aus den Verjährungsvorschriften des § 194 ff. BGB, dass ein Anspruchshindernis erst nach geraumer Zeit eintreten kann. Hiervon weicht ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis ab; denn es führt dazu, dass der Anspruch ohne zeitliche Verzögerung untergeht (vgl. zu Ausschlussfristen: BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 116, 66).
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8. Die Ausgleichsklausel hält der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.
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a) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Angemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall gelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Beachtung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 14. Dezember 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 53, NZA 2011, 509).
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b) Diese Voraussetzungen einer unangemessenen Benachteiligung sind erfüllt. Dies folgt daraus, dass der Arbeitnehmer einseitig und ohne kompensatorische Gegenleistung auf weitere Ausgleichsansprüche für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses verzichten soll.
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aa) Das Bundesarbeitsgericht hat zu einer einseitigen nur für Ansprüche des Arbeitnehmers geltenden Ausschlussfrist angenommen, der Arbeitgeber versuche damit missbräuchlich, sein eigenes Interesse an einer raschen Klärung offener Ansprüche ohne angemessenen Ausgleich durchzusetzen. Diese Benachteiligung des Arbeitnehmers sei sachlich nicht zu begründen. Es sei nicht ersichtlich, dass es für den Arbeitgeber schwerer möglich sei als für den Arbeitnehmer, Ansprüche durchzusetzen. Die einseitig den Arbeitnehmer treffende Erschwerung der Durchsetzung von Ansprüchen und der bei Fristversäumnis nur für den Arbeitnehmer vorgesehene völlige Anspruchsverlust widersprächen einer ausgewogenen Vertragsgestaltung (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 5 b dd (2) der Gründe, BAGE 115, 372).
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bb) Diese Grundsätze gelten erst recht für Ausgleichsklauseln, die einen unmittelbaren Verlust von Ansprüchen bewirken sollen und damit den Arbeitnehmer noch stärker belasten als Ausschlussfristen. Bei Ausschlussfristen besteht für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, während der Frist seine Ansprüche durchzusetzen; bei einer Verzichtserklärung, durch die die Frist „auf Null“ gesetzt wird (Preis DB 2006, 2812, 2815), besteht diese Möglichkeit nicht.
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cc) Einen angemessenen Ausgleich gewährt der vorliegende Altersteilzeitarbeitsvertrag nicht. Die in seinem § 3 Abs. 2 angeführte Abfindung begründet keinen neuen Anspruch, sondern verweist nur deklaratorisch auf die „Grundlage von § 10 des Tarifvertrags über Altersteilzeit vom 22.09.2000“. Die Belange des Arbeitnehmers werden damit nicht angemessen berücksichtigt. Ihm werden Ansprüche genommen, ohne dass dem eine entsprechende Gegenleistung des Arbeitgebers gegenübersteht (vgl. für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage ohne notwendige Kompensation: BAG 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 37, BAGE 124, 59).
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dd) Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Anspruchsverlust betreffe vorliegend nicht, wie regelmäßig bei Ausschlussfristen, alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, sondern nur Abfindungs- und abfindungsähnliche Ansprüche. Zwar kann eine unangemessene Benachteiligung ausgeschlossen sein, wenn eine Klausel nur geringfügige Ansprüche des Arbeitnehmers betrifft. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zeigt allerdings, dass wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, nicht geringfügig sein können. Gerade bei Beendigungsvereinbarungen sind Abfindungs- und Ausgleichsansprüche für den Verlust des Arbeitsplatzes von wesentlicher Bedeutung.
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ee) Das konstitutive negative Schuldanerkenntnis belastet zudem einseitig nur den Arbeitnehmer. Nach § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags sollen über die im vorstehenden Absatz beschriebene tarifliche Abfindung keine darüber hinausgehenden Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen. Damit wird deutlich, dass nur Ansprüche des Arbeitnehmers betroffen sein sollen; denn Abfindungs- und abfindungsähnliche Ausgleichsansprüche des Arbeitgebers sind kaum denkbar. Eine Gegenleistung des Arbeitgebers ist, wie bereits dargelegt, nicht vereinbart. Es kann dahinstehen, ob Arbeitnehmer einseitig ihrem Arbeitgeber bestimmte Ansprüche auch formularmäßig und ohne Kompensation erlassen können. Dies würde aber zumindest voraussetzen, dass sich die Klausel auf die dem Arbeitnehmer bekannten Ansprüche beschränkt und diese konkretisiert sind. Zumindest an Letzterem fehlt es. Die Ausgleichsklausel benennt nicht den streitgegenständlichen aus betrieblicher Übung entstandenen Ausgleichsanspruch.
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c) Die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB gebotene Berücksichtigung der Besonderheiten im Arbeitsrecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sind im Arbeitsrecht Ausgleichsklauseln in verschiedenen Formen üblich (vgl. BAG 19. November 2008 - 10 AZR 671/07 - Rn. 32, AP ZPO § 448 Nr. 7 = EzA ZPO 2002 § 448 Nr. 2). Es gibt aber keine Gründe, Ausgleichsklauseln generell trotz ihres möglichen Überraschungseffekts, ihrer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers und ihrer möglichen Intransparenz für wirksam zu erachten. Aus der Üblichkeit allein folgt weder die Rechtmäßigkeit noch die Angemessenheit einer Klausel, die „an sich“ in Formularverträgen unzulässig ist. Ansonsten würde zu Unrecht die bisherige Üblichkeit von Ausgleichsquittungen rechtfertigend berücksichtigt, wenn dem Arbeitgeber als Verwender ohne begründete und billigenswerte Interessen und ohne Gegenleistung zugestanden würde, mit vorformulierten Klauseln bestehende Ansprüche des Arbeitnehmers zum Erlöschen zu bringen (vgl. LAG Düsseldorf 13. April 2005 - 12 Sa 154/05 - zu B II 3 der Gründe, LAGE BGB 2002 § 307 Nr. 7).
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B. Der Kläger hat erst ab 4. Dezember 2008 Anspruch auf Zinsen. Er macht Prozesszinsen geltend („seit Klageerhebung“). Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, er könne schon seit dem 3. Dezember 2008 Prozesszinsen beanspruchen. Die Verzinsungspflicht für Prozesszinsen beginnt nach §§ 291, 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, die hier am 3. Dezember 2008 eintrat (vgl. BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 64 mwN, BAGE 127, 367).
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C. Da die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist, verbleibt es im Ergebnis bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen. Das teilweise Unterliegen des Klägers hinsichtlich der erhobenen Zinsforderung ist geringfügig und hat auf die Bildung der Kostenquote keinen Einfluss, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
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Krasshöfer
Suckow
Krasshöfer
Preuß
Merte
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.