Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Okt. 2016 - 7 Sa 171/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:1020.7SA171.16.0A
20.10.2016

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8. April 2016, Az. 4 Ca 1058/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8. April 2016, Az. 4 Ca 1058/15, wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 11/20 und die Beklagte 9/20 zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von restlichem Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 und 2014 sowie von Urlaubsabgeltung.

2

Die Klägerin war seit dem 1. Juni 1990 zunächst bei dem Zahnarzt Dr. Z. Y., sodann bei der Beklagten als Zahnarzthelferin beschäftigt.

3

Mit Datum vom 16. September 2010 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 6 ff. d. A.), in dem es auszugsweise heißt:

4

"§ 5
Vergütung

5

1. Als Vergütung für ihre Tätigkeit erhält die Zahnarzthelferin/Zahnmedizinische Fachangestellte ein frei vereinbartes monatliches Bruttogehalt in Höhe von € 1.681,-.
Das Gehalt ist am letzten Tag eines jeden Monats auf ein von der Zahnarzthelferin/Zahnmedizinischen Fachangestellten anzugebendes Konto zu zahlen."
2. (…)
3. Sofern aus Anlass des Weihnachtsfestes eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, geschieht dies - auch nach wiederholter Zahlung - ohne einen Rechtsanspruch der Zahnarzthelferin/ Zahnmedizinischen Fachangestellten zu begründen.
Dementsprechend erkennt sie an, dass die Gratifikation freiwillig gezahlt wird und hierauf auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst.
3.1. Es wird bis auf weiteres eine jährliche Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehaltes zum 30. November gezahlt. Die Weihnachtsgratifikation für 2010 wird anteilig berechnet.
Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung oder bis zum 31. Dezember von einem der Vertragspartner gekündigt wird. Die Zahnarzthelferin/Zahnmedizinische Fachangestellte ist verpflichtet, die Gratifikation zurückzuzahlen, wenn sie aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher oder verhaltensbedingter Kündigung des Praxisinhabers aus einem von ihr zu vertretenden Grund bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet.
Die Rückzahlungsverpflichtung gilt entsprechend, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb des vorgenannten Zeitraumes durch Aufhebungsvertrag beendet wird und Anlass des Aufhebungsvertrages ein Recht zur außerordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung des Praxisinhabers oder ein Aufhebungsbegehren der Zahnarzthelferin/Zahnmedizinischen Fachangestellten ist. (…)

6

§ 7
Urlaub

7

1. Die Zahnarzthelferin/Zahnmedizinische Fachangestellte hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Urlaub. Er beträgt 32 Arbeitstage.
2. Der Urlaub wird unter Berücksichtigung der Belange der Praxis und der Wünsche der Zahnarzthelferin/Zahnmedizinischen Fachangestellten nach Möglichkeit zusammenhängend gewährt.
3. (…)

§ 10

8

1. (…)
2. Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.
3. Sind einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam, so ist die unwirksame Bestimmung durch eine dem Sinn dieser Rechnung tragende Regelung zu ersetzen, die übrigen Vertragsbestimmungen bleiben hiervon unberührt."

9

Das Monatsgehalt der Kläger beträgt 1.885,00 € brutto. In den Jahren 2013 und 2014 zahlte die Beklagte ein Weihnachtsgeld in Höhe von 955,00 €.

10

Die Beklagte kündigte am 29. April 2015 das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen (Schließung der Zahnarztpraxis) zum 30. November 2015. Ab Mai 2015 hat die Beklagte die Zahnarztpraxis geschlossen. In der Zeit vom 19. Mai bis 31. Juli 2015 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.

11

Mit Schreiben vom 4. August 2015 wandte sich die Beklagte an die Klägerin. In diesem heißt es auszugsweise:

12

"mein Mann sagte Ihnen am Montag, dass Sie von mir hören wie es weitergeht bezüglich Ihrer Arbeitsstelle.
Wie Sie gesehen haben, ist in der Praxis nichts mehr an Mobiliar vorhanden.
Sie die nächsten Wochen dort putzen zu lassen, macht natürlich keinen Sinn und wäre meines Erachtens mehr als lächerlich.
Ansonsten kann ich Ihnen keinen Arbeitsplatz anbieten, da ich, wie Sie wissen, angestellt bin und kein Personal mitnehmen konnte."

13

Durch Ihren Prozessbevollmächtigten machte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2015 (Bl. 37 f. d. A.) außergerichtlich unter anderem die zweite Hälfte des Weihnachtsgeldes für die Jahre 2013 und 2014 geltend.

14

Mit an die Klägervertreter gerichteten anwaltlichen Schreiben vom 12. August 2015 (Bl. 33 d. A.) erklärte die Beklagte sodann

15

"unwiderruflich unter Anrechnung sämtlicher etwaiger bestehender Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zum 30.11.2015, die Freistellung Ihrer Mandantin von der Arbeitsleistung."

16

Dieser Freistellung widersprach die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14. August 2015 (Bl. 34 d. A.) mit dem Hinweis darauf, dass die Beklagte keine Möglichkeit mehr habe, sie vertragsgemäß zu beschäftigen. Die Beklagte befinde sich mit der Annahme im Verzug. Eine Freistellung komme deshalb nicht in Betracht.

17

Mit ihrer am 21. August 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 27. August 2015 zugestellten Klage verfolgte die Klägerin Ansprüche auf Leistungszulagen für die Monate Juni und Juli 2015 sowie Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 und 2014 nebst Zinsen. Mit ihrer am 28. September 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 29. September 2015 zugestellten Klageerweiterung vom 25. September 2015 verlangte sie weiter die Zahlung einer Leistungszulage für die Monate August bis November 2015 sowie von Urlaubsabgeltung.

18

Die Klägerin war - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - zusammengefasst der Ansicht,
die Anrechnung von Urlaubsansprüchen im Rahmen der Freistellung sei unwirksam, so dass die nicht genommenen Urlaubstage abzugelten seien. Eine Freistellung mit dem Ziel, dem Arbeitnehmer keinen Urlaub gewähren zu müssen bzw. die Urlaubsabgeltung zu ersparen, sei rechtsunwirksam. Insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber gar nicht in der Lage sei, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, könne er sich dieser Pflicht nicht dadurch entziehen, nunmehr einseitig eine Freistellung auszusprechen, die im Ergebnis sinn- und wirkungslos sei, weil der Arbeitgeber ohnedies den Arbeitnehmer nicht beschäftigen könne, wobei er das Betriebsrisiko zu tragen habe. Eine einvernehmliche Freistellung liege nicht vor.

19

Sie habe für das Jahr 2013 und für das Jahr 2014 Anspruch auf Zahlung eines weiteren Weihnachtsgeldes in Höhe von jeweils noch 930,00 €. Die Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf den in § 5 Abs. 3 vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt berufen, weil in Ziffer 3.1 ohne Vorbehalt eine jährliche Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehaltes zum 30. November vereinbart sei. Im Übrigen handele es sich bei dieser Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Beklagte habe mit allen Mitarbeitern insoweit die gleich formulierten Arbeitsverträge abgeschlossen. Sie war der Ansicht, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei es unerheblich, dass die Zahlung des 13. Gehaltes als freiwillige Leistung bezeichnet werde. Damit werde nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht nach Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet sei. Der Hinweis genüge für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12; vom 17. April 2013 - 10 AZR 281/12). Im Übrigen ergebe sich die Unklarheit auch aus der Formulierung nach Ziffer 3.1, in der von Freiwilligkeit keine Rede mehr sei. Überdies habe das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14) entschieden, dass dann, wenn der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahresende eine als "Sonderzahlung" bezeichnete Leistung erbracht habe, der Arbeitnehmer daraus auf ein verbindliches Angebot im Sinn von § 145 BGB auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung schließen dürfe. Hier sei die Sonderleistung als "Weihnachtsgratifikation" bezeichnet und in Höhe eines vollen Monatsgehaltes zum 30. November vereinbart worden. Dem Anspruch stehe nach dieser Rechtsprechung auch nicht entgegen, wenn es in § 5 in Ziffer 3.1 weiter heiße, dass der Anspruch auf Gratifikation ausgeschlossen sei, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung oder bis zum 31. Dezember von einem der Vertragspartner gekündigt werde. Eine solche Klausel benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und sei deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

20

Am ersten Tag nach dem Herbsturlaub 2013 habe die Beklagte in einer Besprechung zwischen der Beklagten und den Helferinnen mitgeteilt, es werde kein Weihnachtsgeld gezahlt. In einem Gespräch habe die Beklagte dann erklärt, sie werde das Weihnachtsgeld erst einmal hälftig zum November zahlen. Die zweite Hälfte bekomme man dann im Frühjahr. Als die zweite Hälfte nicht gezahlt worden sei, sei erneut der Anspruch gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden, die dann mitgeteilt habe, die zweite Hälfte werde nicht mehr gezahlt.

21

Für das Jahr 2015 sei ein Anspruch auf vollen Jahresurlaub im Umfang von 32 Arbeitstagen entstanden. Der Freistellung durch die Beklagte habe sie widersprochen. Im Übrigen habe sich die Beklagte durch Aufgabe der Praxis leistungsunfähig gemacht und verschiebe mit dieser Erklärung das Betriebsrisiko auf sie. Wer nicht leistungsfähig sei, könne niemanden anderen von der Erbringung seiner Leistung freistellen, wenn er diese gar nicht annehmen könne.

22

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Leistungszulage für die Monate Juni, Juli, August, September, Oktober und November insgesamt 3.720,-€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 620,-€ seit 1. Juli 2015, aus weiteren 620,-€ seit dem 1. August 2015, aus weiteren 620,-€ seit dem 1. September 2015, aus weiteren 620,-€ seit dem 1. Oktober 2015, aus weiteren 620,-€ seit dem 1. November 2015, aus weiteren 620,-€ seit dem 1. Dezember 2015 zu zahlen,

24

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.310,-€ zu zahlen,

25

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 und 2014 weitere 1.860,-€ zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 930,- € seit 1. Januar 2014 und aus weiteren 930,- € ab 1. Januar 2015.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Sie hat vorgetragen,
der Klägerin stehe die Zahlung von Weihnachtsgeld nicht zu. Soweit hinsichtlich der Regelung zum Weihnachtsgeld gemäß § 5 Ziff. 3 des Arbeitsvertrages von einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auszugehen sei, so sei diese klar und verständlich und von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise so zu verstehen, dass ein Anspruch der Arbeitnehmerin auf Weihnachtsgeld nicht bestehe, sondern es im freien Ermessen des Arbeitgebers liege, ob Weihnachtsgeld gezahlt werde. Darüber hinaus solle die Regelung erkennbar den Arbeitgeber davor schützen, dass ein Rechtsanspruch bei wiederholter Zahlung von Weihnachtsgeld entstehe. Es bestehe kein Interpretationsbedarf, ob die Bezeichnung als freiwillige soziale Leistung lediglich zum Ausdruck bringen solle, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet sei.

29

Unabhängig davon habe die Klägerin ihr Recht auf die Zahlung von weiterem Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 und 2014 dadurch verloren, dass sie das gezahlte Weihnachtsgeld akzeptiert und damit die getroffene nachträgliche Regelung hinsichtlich des Weihnachtsgeldes anerkannt habe. Sie habe zudem ihr Recht auf die Zahlung von weiterem Weihnachtsgeld verwirkt. Im Jahr 2013 sei die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens bereits angespannt gewesen, weshalb sie sich entschlossen gehabt habe, kein Weihnachtsgeld zu zahlen. Die hierüber enttäuschten Mitarbeiterinnen hätten darum gebeten, dann zumindest ein geringeres Weihnachtsgeld als im Vorjahr auszuzahlen. Sie habe daraufhin mit den Mitarbeiterinnen, somit auch der Klägerin vereinbart, dass im Jahr 2013 ein hälftiges Weihnachtsgeld ausgezahlt werde. Mit der getroffenen Regelung sei die Klägerin ausdrücklich einverstanden gewesen und habe diese Regelung spätestens durch vorbehaltlose Entgegennahme der Zahlung akzeptiert. Da auch im Jahr 2014 keine wirtschaftliche Besserung eingetreten gewesen sei, habe sie im Jahr 2014 wiederum Weihnachtsgeld in Höhe eines hälftigen Monatsgehaltes gezahlt. Diese Zahlung sei ebenfalls von den Mitarbeiterinnen vorbehaltslos akzeptiert worden, weshalb die Klägerin ihr Recht auf die Forderung einer weiteren Weihnachtsgeldzahlung zudem verwirkt habe.

30

Ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin scheide aus. Sie habe die Klägerin einseitig freistellen können, da im konkreten Fall ihre besonderen Interessen (Auflösung der Zahnarztpraxis/Angestelltenverhältnis seit dem 1. Juli 2015) an der Freistellung zu berücksichtigen gewesen wären. Dieses besondere Interesse habe eine Weiterbeschäftigung der Klägerin unzumutbar werden lassen, wodurch eine einseitige unwiderrufliche Freistellung ausnahmsweise möglich gewesen sei.

31

Das Arbeitsgericht Trier hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin als Leistungszulage für die Monate Juni, August, September, Oktober und November 2015 insgesamt 3.100,00 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin als Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 und 2014 weitere 1.860,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 930,00 € brutto seit dem 1. Januar 2014 und aus weiteren 930,00 € brutto seit 1. Januar 2015. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin könne die Zahlung der Leistungszulage für den streitgegenständlichen Zeitraum, mit Ausnahme des Monats Juli 2015 verlangen. Die Klägerin könne auch den jeweils hälftigen Betrag des arbeitsvertraglich vereinbarten Weihnachtsgeldes erfolgreich geltend machen. Da § 5 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags eine rechtsgeschäftliche Zusage für die Zahlung treffe, erscheine der dazu im Widerspruch stehende Freiwilligkeitsvorbehalt als widersprüchlich, unklar und damit intransparent. Dem Anspruch stehe auch nicht ein Verzicht der Klägerin oder eine Verwirkung entgegen. Die Beklagte habe hierzu auf Bestreiten der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Hinzu komme, dass die Parteien in § 10 Nr. 2 des Arbeitsvertrags eine einfache Schriftformklausel vereinbart hätten. Sofern man diese Klausel als unwirksam ansehe bzw. mündliche Vereinbarungen hierneben zulasse, bleibe die Arbeitgeberin selbst als Verwenderin an die Klausel gebunden. Die Klägerin habe hingegen keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Die Beklagte habe mit der Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen im Streitfall die noch offenen Urlaubsansprüche erfüllen können. Damit hätten im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Urlaubstage mehr offen gestanden. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier (Bl. 69 ff. d. A.) Bezug genommen.

32

Das genannte Urteil ist beiden Parteien am 19. April 2016 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 4. Mai 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 3. Mai 2016 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier mit am 18. Mai 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 17. Mai 2016 Berufung eingelegt und diese mit am 20. Mai 2016 eingegangenen Schriftsatz vom 19. Mai 2016 begründet.

33

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 3. Mai 2016 sowie des Schriftsatzes vom 13. Juni 2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 80 ff., 111 f. d. A.), zusammengefasst ergänzend geltend,
der Klägerin stehe die Zahlung von Weihnachtsgeld nicht zu. Die Klägerin könne und habe sich hinsichtlich der Forderung einer weiteren Weihnachtsgeldzahlung zudem nicht darauf berufen, dass bezüglich der individuellen Absprache ein Schriftformerfordernis bestanden habe, da auf dieses, zumindest konkludent, von den Vertragsparteien verzichtet worden sei.

34

Die Beklagte beantragt,

35

unter teilweiser Abänderung des am 8. April 2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Trier, Az. 4 Ca 1058/15, die Klage in Höhe eines weiteren Betrages von 1.860,00 € (Ziffer 2 des Urteils) abzuweisen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

1. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8. April 2016 - 4 Ca 1058/15 - zurückzuweisen,

38

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8. April 2016 - 4 Ca 1858/15 - teilweise abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, über die durch das angefochtene Urteil zuerkannten Ansprüche hinaus an sie Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.310,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 25. September 2015 zu zahlen.

39

Die Beklagte beantragt,

40

die Berufung der Klägerin vom 17. Mai 2016 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8. April 2016 - 4 Ca 1058/15 - zurückzuweisen.

41

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 13. Mai 2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 94 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

42

Die Regelung in § 5 Ziffer 3.1 des Arbeitsvertrages enthalte eine rechtsgeschäftliche Zusage für die Zahlung. Damit stehe der Freiwilligkeitsvorbehalt, auf den die Beklagte sich berufe, im Widerspruch. Auch für das Jahr 2014 sei das Weihnachtsgeld nur in halber Höhe gezahlt worden. Eine Vereinbarung über eine einvernehmliche Reduzierung des Anspruches sei nicht zustande gekommen. Die Mitarbeiterinnen hätten volle Zahlung des Weihnachtsgeldes verlangt. Dass sie zunächst einmal die hälftige Zahlung angenommen hätten, bedeute nicht, dass damit eine einvernehmliche Regelung zustande gekommen sei.

43

Sie macht nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 19. Mai 2016, vom 16. Juni 2016 und vom 17. Oktober 2016, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Bl 102 ff., 112 f., 114 ff. d. A.), zur Begründung ihrer Berufung geltend,
durch die erklärte unwiderrufliche Freistellung habe der ihr zustehende Urlaubsanspruch nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abgegolten werden können. Ihr sei durch Schließung der Zahnarztpraxis die Erfüllung der Arbeitsleistung unmöglich gemacht worden (§ 275 Abs. 1 BGB). Ihr Anspruch auf die Gegenleistung bleibe indessen gemäß § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand, die Leistung nicht mehr annehmen zu können, verantwortlich sei. Mache der Arbeitgeber dem leistungswilligen und auch leistungsfähigen Arbeitnehmer seine Leistung, nämlich die Erbringung der vertragsgemäßen Tätigkeit dadurch unmöglich, indem er den Betrieb schließe, trage er das damit verbundene Betriebsrisiko (§ 615 S. 3 BGB). Dieses Betriebsrisiko könne er nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen, wenn er gar nicht mehr in der Lage sei, die vertragsgemäße Leistung des Arbeitnehmers anzunehmen. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vom 18. Dezember 1986 – 8 AZR 481/84) sei nicht einschlägig und zudem überholt (vgl. BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - sowie vom 23. September 2015 - 5 AZR 146/14).

44

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - und vom 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15) liege eine wirksame Urlaubsgewährung in der Freistellung zudem nur dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahle oder vorbehaltslos zusage. Die Beklagte habe durch das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. August 2015 mit keinem Wort eine Urlaubsvergütung zugesagt geschweige denn bezahlt. Auch sei ein fester Bestandteil des Gehalts, nämlich die „Leistungszulage“ während des gesamten Zeitraums nach der erklärten Freistellung nicht gezahlt worden, sondern habe vielmehr klageweise geltend gemacht werden müssen.

45

Die Beklagte erwidert,
der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers könne - wie vorliegend geschehen - auch dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeit freistelle. Dies sei ständige Rechtsprechung seit dem 18. Dezember 1986 (8 AZR 481/84). Eine unverzügliche Mitteilung darüber, dass die Klägerin hiermit nicht einverstanden sei, liege nicht vor. Die Freistellung sei erforderlich und zulässig gewesen, weil die besonderen, berechtigten Interessen der Beklagten die Interessen der Klägerin überwogen hätten. Sie habe auf Grund der wirtschaftlichen Situation der Zahnarztpraxis deren Betrieb einstellen müssen. Ihr Interesse an der Freistellung habe damit das Interesse an der Weiterbeschäftigung der Klägerin überwogen.

46

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 20. Oktober 2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

47

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch die von der Klägerin eingelegte Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungen erweisen sich auch sonst als zulässig.

B.

48

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf die Zahlung weiteren Weihnachtsgeldes für die Jahre 2013 und 2014 in Höhe von jeweils 930,00 € brutto gemäß § 5 Ziffer 3.1 des Arbeitsvertrages. § 5 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages steht dem nicht entgegen. Auf diesen Anspruch hat die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht wirksam verzichtet. Die Klägerin hat die Geltendmachung auch nicht verwirkt.

I.

49

Nach Auffassung der Kammer enthält § 5 Ziffer 3.1 des Arbeitsvertrags eine Zusage der Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts. Dem steht der Vorbehalt in § 5 Ziffer 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Dieser ist unwirksam.

1.

50

Bei der in § 5 Ziffer 3 und 3.1 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinn von § 305 Abs. 1 BGB.

51

Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zum Beispiel BAG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 AZR 177/12 – NZA 2013, 1015, 1016 Rz. 16 m. w. N.). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., zum Beispiel BAG, Urteil vom 17. April 2013 – 10 AZR 271/12 – NJW 2013, 3051, 3052 Rz. 12; vom 20. Februar 2013 – 10 AZR 177/12 – NZA 2013, 1015, 1016 Rz. 16, jeweils m. w. N.).

2.

52

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin aus § 5 Ziffer 3.1 einen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts für die Jahre 2013 und 2014, der von der Beklagten jeweils zum Teil erfüllt worden ist.

53

Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Ziffer 3.1 „wird gezahlt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (vgl. BAG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173, 1179 Rz. 45 m. w. N.). Die Höhe ist präzise mit einem vollen Monatsgehalt festgelegt. Für das Jahr des Abschlusses des schriftlichen Arbeitsvertrags 2010 ist eine anteilige Berechnung vorgesehen. Auch wären die Regelungen zur Rückzahlungsverpflichtung in den Absätzen 2 und 3 der Ziffer 3.1 überflüssig, wenn die Beklagte jährlich neu über die Gewährung und Höhe der Weihnachtsgratifikation frei entscheiden könnte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die jährliche Weihnachtsgratifikation „bis auf weiteres“ gezahlt werden soll. Auch diese Formulierung lässt sich nur dahingehend verstehen, dass der Klägerin eine Weihnachtsgratifikation zusteht. Ein Widerruf einer Leistung durch den Arbeitgeber setzt den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung voraus, sonst ginge dieser ins Leere (vgl. BAG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 10 AZR 606/07 – NZA 2008, 1173, 1179 Rz. 45 m. w. N.).

54

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in § 5 Ziffer 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation - auch nach wiederholter Zahlung - keinen Rechtsanspruch begründen soll und „freiwillig gezahlt“ wird. Diese Regelung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist deshalb unwirksam.

55

Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinn von § 307 Abs. 1 BGB (st. Rspr., zum Beispiel BAG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 AZR 177/12 – NZA 2013, 1015, 1017 Rz. 19 m. w. N.). So liegt der Fall hier.

56

Zwar ist in der Ziffer 3 des § 5 des Arbeitsvertrags formuliert, dass „sofern aus Anlass des Weihnachtsfestes eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, (…) dies – auch nach wiederholter Zahlung – [geschieht] ohne einen Rechtsanspruch der Zahnarzthelferin/Zahnmedizinischen Fachangestellten zu begründen. Dementsprechend erkennt sie an, dass die Gratifikation freiwillig gezahlt wird und hierauf auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst.“ Der Wortlaut dieser Abrede ist zwar eindeutig, sie schließt den Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus. Diese Bestimmung steht aber im Widerspruch zu dem nach § 5 Ziffer 3.1 gewährten Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich im Sinn von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und unwirksam. Diese unwirksame Regelung fällt gemäß § 306 Abs. 1 BGB ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen (vgl. BAG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 AZR 177/12 – NZA 2013, 1015, 1017 Rz. 19 m. w. N.).

II.

57

Die Beklagte hat auch nicht substantiiert zu einem Verzicht der Klägerin auf die weitere Weihnachtsgratifikation für die Jahre 2013 und 2014 vorgetragen. So hat die Beklagte insbesondere nicht vorgetragen, aus welchen Tatsachen sich ergeben soll, dass die Klägerin mit der „getroffenen Regelung“ für das Jahr 2013 ausdrücklich einverstanden gewesen sein soll. Nicht vorgetragen hat die Beklagte auch, wann, wo und unter welchen genauen Umständen ein solches Einverständnis von der Klägerin erklärt worden sein soll. In der bloßen Entgegennahme einer (Teil-) Zahlung kann ein solches Einverständnis und ein Verzicht auf weitergehende Ansprüche nicht gesehen werden.

58

Hinsichtlich des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014 hat die Beklagte lediglich vorgetragen, die Zahlung sei ebenfalls von den Mitarbeiterinnen vorbehaltslos akzeptiert worden. Wann, wo und unter welchen konkreten Umständen durch welche Handlung dies geschehen sein soll, hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.

III.

59

Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch auch nicht verwirkt.

60

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient – wie die Verjährung – dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist. Zudem hat das Rechtsinstitut der Verwirkung Ausnahmecharakter. Unterliegt ein geltend gemachter Anspruch nach §§ 195, 199 BGB der kurzen regelmäßigen Verjährung von drei Jahren, kann im Rahmen der Verwirkung eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände angenommen werden (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 8 AZR 838/13 – NZA 2015, 808, 809 f. Rz. 24 ff.).

61

Die Beklagte hat jedenfalls keine Umstände vorgetragen, aus denen sich für sie der Eindruck ergeben hätte, dass die Klägerin jeweils die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikation für die Jahre 2013 und 2014 nicht mehr geltend machen würde.

IV.

62

Die Berechnung des weiteren Weihnachtsgeldes für die Jahre 2013 und 2014 ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

C.

63

Auch die Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht in Höhe der von der Klägerin beanspruchten Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.310,00 € abgewiesen. Der Klägerin steht kein Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 BUrlG) gegen die Beklagte zu. Die Beklagte hat den Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2015 durch die unwiderrufliche Freistellung mit anwaltlichem Schreiben vom 12. August 2015 erfüllt. Dadurch ist der Urlaubsanspruch der Klägerin gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

64

Die Beklagte hat der Klägerin durch das Schreiben vom 12. August 2015 wirksam Urlaub gewährt. Dem steht weder entgegen, dass die Beklagte die Praxis zuvor geschlossen hatte, noch dass sie den konkreten Urlaubszeitraum nicht angegeben hat, noch dass die Klägerin der Urlaubsgewährung widersprochen hat.

I.

65

Der Freistellung der Klägerin zur Erfüllung der offenen Urlaubsansprüche stand nicht entgegen, dass die Beklagte die Klägerin nach Schließung der Zahnarztpraxis nicht mehr (sinnvoll) beschäftigen konnte.

66

Durch die Schließung der Praxis ist keine Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung der Klägerin eingetreten, durch die die Klägerin von ihrer Arbeitspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB frei geworden wäre. Die Arbeitspflicht der Klägerin ist nicht im Zeitpunkt der Schließung für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen.

67

Zwar muss der Urlaubsanspruch erfüllbar sein, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 669/12 – AP BUrlG § 7 Nr. 72 Rz. 16), flug- oder seeuntauglich ist (Lampe in BeckOK, Stand: 1. September 2016, § 7 Rn. 1 m. w. N.). Insoweit handelt es sich jedoch um Umstände in der Person des Arbeitnehmers, die diesem die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich machen. Dagegen ist dem Arbeitgeber die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht auch dann noch möglich, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Betrieb bzw. die Praxis geschlossen worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 19. März 2002 – 9 AZR 16/01 – NJOZ 2003, 1319, dem eine unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche nach Betriebsstilllegung zugrunde lag). Zum einen ist die Beschäftigung des Arbeitnehmers beispielsweise mit Restarbeiten auch dann grundsätzlich noch möglich. Zum anderen treten für die Dauer der Freistellung die urlaubsrechtlichen Folgen ein, wie zum Beispiel Ansprüche auf Urlaubsvergütung, zusätzliches Urlaubsgeld und die Unwiderruflichkeit der Arbeitsbefreiung. Auch wird der Arbeitnehmer durch die Bewilligung von Urlaub von der Anrechnung des Werts desjenigen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, befreit (§ 615 BGB).

68

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin auch nicht aus anderen Gründen von ihrer Arbeitspflicht befreit worden. Insoweit liegt der vorliegende Fall anders als der vom Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 16. Dezember 2008 (9 AZR 164/08 – NZA 2009, 689) entschiedene Fall. In diesen war der Arbeitnehmer durch eine Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit, die die Arbeitszeit auf Null verringerte, von seiner Arbeitspflicht befreit worden.

II.

69

Die Beklagte konnte der Klägerin Urlaub gewähren, indem sie sie nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freigestellt hat.

70

Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Die Freistellung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, wobei der Arbeitgeber die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG). Beginn und Ende des Urlaubs sind festzulegen. Die Freistellungserklärung ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – NZA 2015, 998, 999 Rz. 19; vom 14. August 2007 – 9 AZR 934/06 – NZA 2008, 473, 474 Rn. 10 f., jeweils m. w. N.). Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt. Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – NZA 2015, 998, 999 Rz. 19 m. w. N.).

71

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung frei, ist in der Regel davon auszugehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zeitliche Festlegung der Urlaubszeit überlässt und im Übrigen die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ablehnt oder den Abschluss eines Erlassvertrags im Sinn von § 397 BGB anbietet (BAG, Urteil vom 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - NJW 2007, 2796, 2797 Rn. 18). Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch dann, wenn der Arbeitgeber diese Freistellung nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung für den verbleibenden Zeitraum der Kündigungsfrist erklärt.

72

Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, die konkrete Lage des Urlaubs innerhalb eines bestimmten Zeitraums selbst zu bestimmen. Ist der Arbeitnehmer damit nicht einverstanden, weil er ein Annahmeverweigerungsrecht geltend macht, hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Unterbleibt eine solche Mitteilung, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, der Arbeitnehmer lege die Urlaubszeit innerhalb der Kündigungsfrist selbst fest. Ein späteres Urlaubsabgeltungsverlangen des Arbeitnehmers wäre rechtsmissbräuchlich (BAG, Urteil vom 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - NJW 2007, 2796, 2797 Rn. 19).

73

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. August 2015 hat die Beklagte die Klägerin unwiderruflich unter Anrechnung sämtlicher etwaiger bestehender Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zum 30. November 2015 von der Arbeitsleistung freigestellt. Damit hat sie der Klägerin die Festlegung des Urlaubszeitraums innerhalb der Zeit bis zum 30. November 2015 überlassen.

III.

74

Der Urlaubsgewährung durch die Freistellung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte bei der Erklärung der Freistellung nicht die Urlaubsvergütung gezahlt hat oder ausdrücklich erklärt hat, dass die Urlaubsvergütung vorbehaltslos gezahlt werde.

75

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 10. Februar 2015 (9 AZR 455/13 – NZA 2015, 998) und vom 19. Januar 2016 (2 AZR 449/15 – NZA 2016, 1144, 1150 Rz. 68) erkannt, dass ein Arbeitgeber durch eine Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung nur dann wirksam Urlaub gewährt, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltslos zusagt. Dies soll jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs gelten, der dem Arbeitnehmer zugestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung beendet worden wäre (BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – NZA 2015, 998, 1000 Rz. 25).

76

Der vorliegende Fall ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht vergleichbar. Vorliegend hat die Beklagte keine Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung oder für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist einer ordentlichen, hinsichtlich ihrer Wirksamkeit streitigen Kündigung abgegeben. Sie hat den Urlaub gerade nicht vorsorglich für den Fall gewährt, dass eine von ihr erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Sie hat die Klägerin vielmehr für den Zeitraum bis zur unstreitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt. Anders als im vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall der Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung ist hier nicht von der Entscheidung im Kündigungsschutzprozess abhängig, ob im Zeitraum der Freistellung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann. Im vorliegenden Fall ist daher auch nicht im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs unsicher, ob ihm für den Urlaubszeitraum ein Anspruch auf Vergütung zusteht. Das Arbeitsverhältnis bestand bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzweifelhaft fort. Hieraus folgt, dass die Klägerin für diesen Zeitraum einen Anspruch auf (Urlaubs-)Vergütung hat. Sie ist – anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall – nicht in ihrer Urlaubsgestaltung eingeschränkt gewesen, weil sie bei Urlaubsantritt nicht wusste, ob ihr Urlaubsentgelt gezahlt werden würde. Dem Zweck des unionsrechtlichen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub (Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG), es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen, ist genügt. Dieser Zweck kann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 – NZA 2015, 998, 1000 Rz. 23).

77

Eine andere Beurteilung ist nach Auffassung der Kammer auch nicht deshalb geboten, weil zwischen den Parteien Streit darüber bestand, ob die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der Leistungszulage für die Zeit der Freistellung beanspruchen kann. Hierdurch war die Klägerin nicht in ihrer Urlaubsgestaltung eingeschränkt.

IV.

78

Zwar hat die Klägerin der von der Beklagten erklärten Freistellung mit anwaltlichem Schreiben vom 14. August 2015 unverzüglich widersprochen. Die Klägerin hat in diesem Schreiben jedoch kein Annahmeverweigerungsrecht geltend gemacht. Ein solches stände ihr im vorliegenden Fall auch nicht zu.

79

Die Beklagte hat sich hinsichtlich der Freistellung nicht auf ein Annahmeverweigerungsrecht berufen, sondern nur rechtlich geltend gemacht, eine Freistellung komme nicht in Betracht, weil die Beklagte überhaupt keine Möglichkeit habe, die Klägerin zu beschäftigen. Die Beklagte befinde sich mit der Annahme im Verzug. Eine Freistellung komme deshalb nicht in Betracht. Einen abweichenden Urlaubswunsch hat die Klägerin nicht geäußert.

80

Macht der Arbeitnehmer keine andere Urlaubswünsche geltend, ist die Festlegung des Urlaubs auf die Zeit der Kündigungsfrist ordnungsgemäß (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urteil vom 14. August 2007 – 9 AZR 934/06 – NZA 2008, 473, 474 Rn. 12 m. w. N.). Die Urlaubsgewährung in der Kündigungsfrist liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern. Der Arbeitnehmer kann mit dem Annahmeverweigerungsrecht nicht das Ziel verfolgen, die Urlaubserteilung überhaupt zu verhindern, um in den Genuss einer Abgeltung zu kommen. Da auch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die Urlaubsabgeltung die Ausnahme ist, besteht grundsätzlich kein Annahmeverweigerungsrecht hinsichtlich einer Urlaubsgewährung in der Kündigungsfrist (ErfK/Gallner, 17. Aufl. 2017, § 7 BUrlG Rz. 15; Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015, § 104 Rz. 82).

D.

81

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 1. Dezember 2011 - 9 Sa 146/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1. August 2004 beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.450,00 Euro.

3

Der von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Arbeitsvertrag vom 29./31. Juli 2004 lautet auszugsweise:

        

§ 5   

        

Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen

        

... [Abs. 1 bis Abs. 4 befassen sich mit dem Urlaubsanspruch]

        

Freiwillige Soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt:

        

-       

Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 € pro Urlaubstag.

        

-       

Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehaltes im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehaltes.

        

-       

Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 € pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

                          
        

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

4

In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Novembervergütung Weihnachtsgeld in der im Arbeitsvertrag angegebenen gestaffelten Höhe. Anlässlich der Zahlung erhielt der Kläger jeweils ein Schreiben, in dem es heißt:

        

„…    

        

Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.

        

Wird das Arbeitsverhältnis durch Sie gekündigt oder erfolgt die Kündigung durch uns aus Gründen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, oder aber endet das Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertragsbruch, so ist die Zuwendung zurückzuzahlen, wenn sie mehr als EURO 100,00 beträgt und das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des Folgejahres beendet wird. Die Zahlung gilt insoweit als Vorschuss und kann bei der Endabrechnung verrechnet werden.

        

Durch die Entgegennahme der Zuwendung wird das Einverständnis mit den vorstehenden Bedingungen bekundet.

        

…“    

5

Im Jahr 2009 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Im Dezember 2010 erhielt der Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 880,00 Euro brutto, mit der die Beklagte „die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen“ wollte; ein Weihnachtsgeld nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde nicht gezahlt.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts (2.205,00 Euro) und für das Jahr 2010 in Höhe eines vollen Monatsgehalts (2.450,00 Euro) zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrags. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert würden, sei es widersprüchlich, sie zugleich an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Die Klausel sei unklar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.205,00 Euro seit 1. Dezember 2009 und aus weiteren 2.450,00 Euro seit 1. Dezember 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe sich nicht verpflichtet, Weihnachtsgeld ohne gesetzliche oder kollektivrechtliche Grundlage dauerhaft zu zahlen. Dies ergebe sich eindeutig aus der arbeitsvertraglichen Regelung; der entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalt sei wirksam. In § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags sei ausdrücklich von „freiwilligen sozialen Leistungen“ die Rede. Damit sei keineswegs ein vorbehaltloser Anspruch vertraglich zugesichert und nachträglich unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt worden. Vielmehr sei von Anfang an geregelt, dass für diese freiwillige Leistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft bestehe. Für die Arbeitnehmer habe keine Unklarheit bestanden.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts und für das Jahr 2010 in Höhe eines Monatsgehalts. Der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt steht dem nicht entgegen.

11

I. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

12

Die Beklagte setzt sich in ihrer Revisionsbegründung vom 10. April 2012 ausreichend mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auseinander. Sie greift dabei insbesondere mit Bezug auf die verschiedenen Argumente des Landesarbeitsgerichts dessen Annahme an, § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags gewähre einen Rechtsanspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sollte die Revision mit dieser Ansicht durchdringen, könnte der Klage jedenfalls mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht stattgegeben werden. Damit genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO (vgl. dazu zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10, NZA 2011, 878).

13

II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

14

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 hat. Dem steht der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Vielmehr ist dieser unwirksam.

15

a) Bei der von der Beklagten in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294).

16

Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).

17

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Nach dieser Regelung wird ihm ein Weihnachtsgeld „gewährt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45 mwN, BAGE 127, 185). Für den Begriff „gewährt“ gilt nichts anderes. Darüber hinaus ist die Höhe der Leistung präzise festgelegt, und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils zehn Prozentpunkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts (zur präzisen Höhenangabe: vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - aaO). Dem steht nicht entgegen, dass das Weihnachtsgeld sowohl in der Überschrift des § 5 als auch in dessen Absatz 5 als „freiwillige soziale Leistung“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung als freiwillig kann auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151). Sie genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss eines Rechtsanspruchs aus der Formulierung „zur Zeit werden gewährt“. Dies bringt lediglich zum Ausdruck, mit welcher konkreten Höhe der Zahlung der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen darf, ohne dass dem entnommen werden könnte, dass sich der Arbeitgeber damit einen völligen Entzug der Leistung vorbehalten wollte. Dies gilt insbesondere im Kontext der konkreten Euro-Beträge des Urlaubsgeldes und der vermögenswirksamen Leistungen. Zwar erscheint auch die von der Beklagten vertretene Auslegung möglich, wonach sich aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch ergibt. Der Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss aber bei Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen.

18

c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll. Diese Regelung verstößt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

19

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). So liegt der Fall hier.

20

bb) Der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichnet die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen einschließlich der Weihnachtsgratifikation nicht nur als freiwillig, sondern will „in jedem Einzelfall“ ausschließen, dass deren Zahlung einen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Wortlaut dieser Abrede ist zwar eindeutig, sie schließt einen Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus. Die Bestimmung steht aber im Widerspruch zu dem nach § 5 Abs. 5 Satz 2 gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und unwirksam(vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation: BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45, BAGE 127, 185). Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen.

21

d) Es kann dahinstehen, ob die bei jeder Zahlung erklärten Vorbehalte für sich genommen wirksam wären (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43) und einen Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung verhindern könnten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger nicht geltend; seinen vertraglichen Anspruch aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags können spätere einseitige Erklärungen der Arbeitgeberin nicht beseitigen. Von einem Einverständnis des Klägers wegen dessen widerspruchsloser Entgegennahme der Zuwendung in den Jahren 2004 bis 2008 durfte die Beklagte nicht ausgehen. Da der Kläger bereits einen vertraglichen Anspruch hatte, kam der Entgegennahme der Zuwendung nicht die von der Beklagten gewünschte Bedeutung zu.

22

2. Die Höhe der Forderung für die Jahre 2009 und 2010 ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auch nicht mehr geltend gemacht, die Sonderzahlung von 880,00 Euro sei auf die streitgegenständliche Forderung geleistet worden. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 und § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

23

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Baschnagel    

        

    Großmann    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 12. Januar 2012 - 3 Sa 85/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung für das Jahr 2010.

2

Die Klägerin trat am 1. April 1999 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Der Anstellungsvertrag vom 29. März 1999 regelt auszugsweise Folgendes:

        

㤠3

        

Für die Tätigkeit erhält die Mitarbeiterin während der Probezeit ein Bruttogehalt von monatlich DM 3.800,00 einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.

        

Nach der Probezeit beträgt das Bruttogehalt monatlich

        

DM 4.000,00

        

einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.

        

Mit der Gehaltszahlung sind eventuelle Überstunden abgegolten.

        

Die Bezüge werden zum Ende eines jeden Monats bargeldlos gezahlt.

        

Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

3

Eine am 6. Juli 1999 getroffene „Vereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 29.03.1999“ regelt Folgendes:

        

„Die Probezeit von sechs Monaten wird verkürzt auf vier Monate und endet somit zum 30.07.1999.

        

Die Mitarbeiterin erhält ab o. g. Datum ein mtl. Bruttogehalt von DM 4.000,00. Des Weiteren wird vereinbart, dass das 13. Monatsgehalt in Höhe von DM 4.000,00 voll gezahlt wird.“

4

Im Zusammenhang mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte haben die Parteien am 1. Juli 2005 vereinbart:

        

„Die Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 29.03.1999 zwischen Frau D und der A GmbH gelten unverändert für das neue Arbeitsverhältnis zwischen Frau D und der A GmbH & Co. KG fort. Insbesondere wird der soziale Besitzstand gewahrt.“

5

Die Klägerin hat in den Jahren 1999 bis 2003 mit der Gehaltsabrechnung für November ein „Weihnachtsgeld“ und in den Jahren 2004 bis 2009 eine „freiwillige Leistung“ in Höhe eines Novembergehalts erhalten. Sie ist zum 31. Dezember 2010 bei der Beklagten ausgeschieden. Für das Jahr 2010 hat die Klägerin keine Sonderzahlung erhalten. Sie hat die Beklagte unter Fristsetzung zum 15. Januar 2011 erfolglos zur Zahlung aufgefordert.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen vertraglichen Anspruch auf ein 13. Gehalt, und beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.385,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2011 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts in § 3 des Anstellungsvertrags bestehe kein Anspruch.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat bereits aus dem Anstellungsvertrag Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehalts. Auf eine vom Landesarbeitsgericht als anspruchsbegründend angenommene betriebliche Übung kommt es nicht an.

10

I. Der Anspruch folgt aus § 3 Satz 5 des Anstellungsvertrags vom 29. März 1999. Danach ist die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Eine Auslegung dieser Klausel ergibt unter Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB, dass damit ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatsgehalts begründet worden ist.

11

1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

12

2. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, aaO). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., vgl. BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 16).

13

3. Die Auslegung von § 3 Satz 5 des Anstellungsvertrags lässt mehrere Ergebnisse vertretbar erscheinen.

14

a) Denkbar ist, dass unmittelbar ein vertraglicher Anspruch auf ein 13. Gehalt begründet worden ist. Die Regelung kann nämlich wie folgt verstanden werden: „Es wird ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt, wobei die Leistung anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

15

aa) Nach dem Wortlaut wird „die Zahlung eines 13. Gehalts“ bestimmt, ohne dass sich - für den durchschnittlichen Vertragspartner ohne Weiteres erkennbar - der Verwender die jeweilige Entscheidung über die Zahlung vorbehalten hat (etwa: „Wird ein 13. Gehalt gezahlt. …“). Ein Vorbehalt besteht ausdrücklich nur insoweit, als das 13. Gehalt anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Daraus mag für den durchschnittlichen Vertragspartner folgen, dass der Verwender sich die Entscheidung über die Aufteilung, nicht aber über das „Ob“ einer Zuwendung vorbehalten hat. Auch deren Höhe ist mit der Bezeichnung „13. Gehalt“ eindeutig bestimmbar.

16

bb) Unerheblich ist, dass die Zahlung eines 13. Gehalts als „freiwillige Leistung“ der Firma bezeichnet wird. Damit wird - jedenfalls unmissverständlich - nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151). Der Hinweis genügt für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 17).

17

b) Gegen vorstehendes Verständnis der Klausel könnte allerdings sprechen, dass im Anstellungsvertrag nur die Zahlung „eines“ und nicht „des“ 13. Gehalts vereinbart ist. Die Verwendung eines unbestimmten Artikels in diesem Regelungszusammenhang lässt eine Auslegung vertretbar erscheinen, dass mit § 3 Satz 5 des Anstellungsvertrags ein vertraglicher Anspruch nicht unmittelbar begründet werden sollte. Der Regelung käme dann die Bedeutung zu: „Die etwaige Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung …“ bzw. „Es kann ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt werden …“

18

c) Es bestehen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung, beide Auslegungsergebnisse sind nicht fernliegend. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel zulasten des Verwenders. Damit greift die der Klägerin als Vertragspartnerin günstigere Auslegung. Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehlt es bereits an einer Vertragslücke. Sie kommt entgegen der Auffassung der Revision auch deshalb nicht in Betracht, weil die Bestimmungen des Anstellungsvertrags vom 29. März 1999 zwischen den Parteien am 1. Juli 2005 und damit nach Inkrafttreten des § 305 ff. BGB ausdrücklich (erneut) vereinbart worden sind; zudem war die Unklarheitenregel bereits vor dem Jahr 2002 allgemein anerkannt (BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 19; 26. Januar 2005 - 10 AZR 331/04 - zu II 2 c bb (3) der Gründe, BAGE 113, 265).

19

II. Ob sich der geltend gemachte Anspruch auch aus der Ergänzungsvereinbarung vom 6. Juli 1999 oder einer konkludenten Vereinbarung aufgrund des Leistungsverhaltens der Beklagten ergibt, bedarf keiner Erörterung.

20

III. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.

21

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Trümner    

        

    Simon    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Oktober 2013 - 6 Sa 134/12 - aufgehoben, soweit es die Klage in Bezug auf die jährliche Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro abgewiesen hat.

2. Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch über eine Sonderzahlung.

2

Der Kläger war vom 1. Mai 1992 bis zum 19. November 2010 bei der Beklagten als Bauleiter gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 5.300,00 Euro brutto beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde nicht schriftlich niedergelegt. Der Kläger bekam jährlich zusammen mit der Novembervergütung ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts, das in den Jahren 2007 4.800,00 Euro brutto, 2008 5.200,00 Euro brutto und 2009 5.300,00 Euro brutto betrug. Außerdem erhielt der Kläger mit der am 10. Januar des Folgejahres ausgezahlten Vergütung für Dezember einen in den jeweiligen Abrechnungen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 auf jeweils 12.500,00 Euro brutto belief.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro brutto zu. Durch die vorbehaltlose Leistung einer Sonderzahlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren habe die Beklagte ihm gegenüber konkludent eine entsprechende Zahlungsverpflichtung begründet. Die geringere Höhe der Sonderzahlung im Jahr 2007 stehe dem für das Jahr 2010 geltend gemachten Anspruch ebenso wenig entgegen wie die unterjährige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.

4

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2011 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat auf den Streitgegenstand Sonderzahlung beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

8

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus dem Sachvortrag des Klägers lasse sich allenfalls ableiten, dass er infolge der mehrmaligen Gewährung einer Sonderzahlung jeweils nach Ablauf des Kalenderjahres konkludent einen Rechtsanspruch gegen die Beklagte auf eine solche Leistung für den Fall erworben habe, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien am Jahresende (Stichtag) noch bestanden habe. Da der Kläger unterjährig ausgeschieden sei, scheide auch eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2010 aus.

9

II. Dem folgt der Senat nicht. Dabei kann dahinstehen, ob der Senat den Erklärungswert des vom Kläger vorgetragenen Verhaltens der Beklagten in vollem Umfang oder - etwa wegen des Einzelfallcharakters der Zahlungen - nur eingeschränkt daraufhin überprüfen kann, ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung die dafür geltenden gesetzlichen Regeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder für die Auslegung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 17. April 2013 - 10 AZR 251/12 - Rn. 15). Die Beurteilung des Parteivortrags durch das Landesarbeitsgericht hält bereits einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist von unzutreffenden rechtlichen Annahmen ausgegangen und hat nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt.

10

1. Für die rechtliche Einordnung des Verhaltens der Beklagten sind nach der Senatsrechtsprechung folgende Grundsätze maßgeblich:

11

a) Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich zu dem vereinbarten monatlichen Gehalt eine einmalige Sonderzahlung, ist zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB)zu ermitteln, ob er sich nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 11, BAGE 139, 156). Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit einem Erklärungswert, wie einer betrieblichen Übung, ergeben. Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, weil der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen durch die Leistungsgewährung ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat(vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 12 f. mwN, aaO).

12

b) Die vom Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung verfolgten Zwecke sind durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln.

13

aa) Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Macht die Zahlung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich gleichfalls regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, BAGE 140, 239). Wird die Zahlung erbracht, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (vgl. BAG 3. September 2014 - 5 AZR 1020/12 - Rn. 30). Gleiches gilt, wenn die Höhe der Leistung nach der vom Arbeitgeber getroffenen Zweckbestimmung vom Betriebsergebnis abhängt. Auch in diesem Fall handelt es sich grundsätzlich um eine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers, da die synallagmatische Verknüpfung dieser Leistungen nicht durch die Abhängigkeit des gezahlten Entgelts von einem Unternehmensergebnis im maßgeblichen Bezugszeitraum in Frage gestellt wird (vgl. BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, BAGE 137, 300; 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, aaO).

14

bb) Will der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. So können Sonderzahlungen als Treueprämie erwiesene oder als „Halteprämie“ künftige Betriebstreue honorieren; der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet. Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Ein weiteres Merkmal derartiger Zahlungen ist, dass sie nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 13, BAGE 140, 239).

15

c) Gewährt der Arbeitgeber auf einseitig vorgegebener vertraglicher Grundlage eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung ist, kann die Sonderzahlung nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (vgl. BAG 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 31, BAGE 146, 284). Dies gilt gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch bei sog. „Einmal-Bedingungen“, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung oder einseitigen Vorgabe durch den Arbeitgeber auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

16

2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die klageabweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in Bezug auf die vom Kläger verlangte Sonderzahlung als unzutreffend. Die gebotene Auslegung des Vortrags beider Parteien ergibt vielmehr, dass der Kläger aufgrund einer konkludent geschlossenen arbeitsvertraglichen Abrede mit der Beklagten einen Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 gegen die Beklagte erworben hat, der mit der Dezembervergütung fällig geworden ist und dessen Höhe die Beklagte nach billigem Ermessen zu bestimmen hatte. Der Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, da der insoweit maßgebliche Sachverhalt feststeht und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 17. Juni 2014 - 3 AZR 412/13 - Rn. 55 mwN).

17

a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, den Zahlungen in den Jahren 2007 bis 2009 sei zu entnehmen, dass die Beklagte allenfalls einen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung für den Fall des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses am Jahresende begründen wollte, berücksichtigt den Vortrag der Parteien nicht genügend und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Beklagte hatte im zweiten Rechtszug behauptet, die Höhe der Zahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig gewesen. Weitere Anspruchsvoraussetzungen hat sie nicht näher dargelegt. Nachdem auch der Kläger vorgetragen hat, die Zahlung sei mit keinen weiteren Anforderungen verbunden worden, liegt es fern, allein aus der Auszahlung der Sonderzuwendung mit dem Dezembergehalt den Schluss zu ziehen, weitere Anspruchsvoraussetzung hierfür sei das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Jahresende gewesen. Dies verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze, denn es ist viel nahe liegender, diesen Auszahlungszeitpunkt als bloßen Fälligkeitstermin zu verstehen, wenn ansonsten hierzu jeglicher Vortrag fehlt.

18

b) Für die gebotene Auslegung der Handlungen der Beklagten ist in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den Jahren 2007 bis 2009 zusätzlich zum Dezembergehalt einen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag erhalten hat, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 gleichbleibend auf 12.500,00 Euro brutto belief. Die Steigerung erfolgte nicht proportional zur Entwicklung der Monatsvergütung des Klägers. Aus der Bezeichnung der Leistung als „Sonderzahlung“ in den jeweiligen Abrechnungen, ihrer dreimaligen vorbehaltlosen Auszahlung jeweils zum Jahresende und ihrer unterschiedlichen Höhe konnte der Kläger verständiger Weise auf ein verbindliches Angebot der Beklagten iSv. § 145 BGB des Inhalts schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten.

19

Umstände, die dafür sprechen, dass die Beklagte nur in dem jeweiligen Auszahlungsjahr eine Sonderzahlung leisten und keine weitere Bindung eingehen wollte, sind nicht ersichtlich. Einen entsprechenden Vorbehalt hat die Beklagte auch nicht konkludent erklärt. Aus der nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung in den Jahren 2007 bis 2009 musste der Kläger nicht den Schluss ziehen, die Beklagte habe sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollen. Es ist gerade typisch für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, dass deren Höhe schwanken kann (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 17). Dass die Beklagte dieses Verständnis teilt, belegt nicht zuletzt ihr Vortrag, es sei jährlich neu über die Höhe der Sonderzahlung entschieden worden. Demzufolge ging auch die Beklagte davon aus, die Sonderzahlung werde grundsätzlich geschuldet und lediglich die Festsetzung ihrer Höhe bedürfe einer jährlich neu zu treffenden Entscheidung. Soweit der Senat - allerdings im Zusammenhang mit einer betrieblichen Übung - im Urteil vom 28. Februar 1996 (- 10 AZR 516/95 -) vertreten hat, bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen und es komme darin lediglich der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, in jedem Jahr neu „nach Gutdünken“ über die Zuwendung zu entscheiden, hält er daran nicht fest.

20

c) Entgegen der Auffassung der Revision konnte der Kläger aus dem Verhalten der Beklagten jedoch nicht den Schluss ziehen, die Sonderzahlung betrage 12.500,00 Euro brutto. Dagegen spricht bereits, dass die Sonderzahlung nur in zwei der insgesamt drei aufeinanderfolgenden Jahren gleichbleibend 12.500,00 Euro brutto betragen hat und im Jahr 2009 nicht nochmals angestiegen ist, obwohl das Monatsgehalt des Klägers in jedem der drei Jahre erhöht worden war. Der Kläger musste deshalb das Verhalten der Beklagten so verstehen, dass diese Jahr für Jahr über die Höhe der Sonderzahlung neu entscheidet.

21

d) Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass er das Angebot der Beklagten auf Leistung einer von ihr einseitig festzusetzenden jährlichen Sonderzahlung durch Entgegennahme der drei aufeinanderfolgenden Zahlungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 und damit durch schlüssiges Verhalten (§ 151 BGB) angenommen hat.

22

e) Der Einwand der Beklagten, bei der Sonderzahlung habe es sich um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung gehandelt, steht dieser rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Der Begriff „freiwillig“ bringt regelmäßig lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Er genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen (BAG 20. Februar 2013 - 10 AZR 177/12 - Rn. 17). Die Beklagte kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, die Sonderzahlung sei jederzeit widerruflich gewesen. Abgesehen davon, dass sie nicht vorgetragen hat, wann und auf welche Weise sie mit dem Kläger einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart habe, hat sie nicht dargelegt, dass sie die vereinbarte Leistung für das Jahr 2010 widerrufen hat. Das bloße Unterlassen einer Zahlung ist für sich betrachtet kein Widerruf. Hinzu kommt, dass eine Leistung nicht - wie von der Beklagten behauptet - zugleich freiwillig und widerruflich sein kann (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 21 f., BAGE 139, 156).

23

3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, einem Anspruch des Klägers auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2010 stehe entgegen, dass ein solcher Anspruch nach dem Vortrag des Klägers vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des laufenden Jahres abhängig sei, das Arbeitsverhältnis jedoch bereits am 19. November 2010 geendet habe. Damit hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen, dass die Beklagte die Sonderzahlung als zusätzliche Vergütung für die vom Kläger im Kalenderjahr geleistete Arbeit erbracht hat. Dies ergibt sich sowohl aus den Darlegungen des Klägers als auch der Beklagten.

24

a) Nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte die Zahlung vorbehaltlos und ohne weitere Leistungszweckbestimmungen vorgenommen. Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Höhe der Sonderzahlung an das Betriebsergebnis gekoppelt. Die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzahlung wird jedoch durch deren Anknüpfung an das Betriebsergebnis nicht in Frage gestellt.

25

b) Allein dem Umstand, dass die Sonderzahlung jeweils zum Ende des Kalenderjahres ausgezahlt wurde, lässt sich nicht entnehmen, dass mit ihr ausschließlich die Betriebstreue honoriert werden sollte. Will der Arbeitgeber andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss dies vielmehr deutlich aus der zugrunde liegenden, ggf. konkludent getroffenen arbeitsvertraglichen Abrede hervorgehen (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, BAGE 140, 239). Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Gegen ein solches Verständnis spricht im vorliegenden Fall, dass die Sonderzahlung mit rund 15 % einen nicht unwesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausgemacht hat und zusätzlich zu einem Weihnachtsgeld entrichtet wurde. Da die Sonderzahlung somit Gegenleistung für die im laufenden Jahr erbrachte Arbeitsleistung des Klägers war, konnte sie nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden.

26

III. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend über die Höhe der dem Kläger anteilig für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 19. November 2010 zustehenden Sonderzahlung befinden zu können.

27

Die Beklagte hatte nach dem bisherigen Prozessverlauf keinen hinreichenden Anlass, nähere Einzelheiten dazu vorzutragen, ob und ggf. welche konkreten Vereinbarungen sie mit dem Kläger über die Bemessung der Sonderzahlung getroffen hat. Sie hat in den Vorinstanzen lediglich pauschal behauptet, die Zahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig gewesen. Was sie hierunter konkret versteht, hat sie nicht erläutert. Da der Kläger im Rahmen der insoweit geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast bereits alle Umstände zur Begründung eines Anspruchs auf die anteilige Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 schlüssig dargelegt hat, deren Höhe die Beklagte nach billigem Ermessen iSd. § 315 BGB zu bestimmen hat, wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, darzulegen, ob und ggf. welche konkreten Kriterien sie mit dem Kläger vereinbart hat und in welcher (anteiligen) Höhe sich bei Anwendung dieser Kriterien ein Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis zum 19. November 2010 ergibt.

28

Sollte die Beklagte eine Vereinbarung mit dem Kläger über die Bemessung der Höhe der Sonderzahlung nicht darlegen können oder insoweit beweisfällig bleiben, wird das Landesarbeitsgericht der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, ergänzend vorzutragen, dass die für das Kalenderjahr 2010 vorgenommene Leistungsbestimmung „auf Null“ billigem Ermessen entsprach (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Beklagte als diejenige, der das Leistungsbestimmungsrecht zustand, ist dafür darlegungs- und beweispflichtig (BAG 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 33). Entspricht die Leistungsbestimmung nicht billigem Ermessen, wird sie das Landesarbeitsgericht gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB selbst vorzunehmen haben.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Brune    

        

        

        

    W. Guthier    

        

    D. Schumann    

                 

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. März 2013 - 16 Sa 763/12 - aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zu zahlen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29. März 2012 - 6 Ca 4596/11 - wird im Umfang der Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu 80 % zu tragen, die Beklagte zu 20 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1987 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt gegen eine monatliche Vergütung iHv. 3.639,41 Euro brutto. Der nicht unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1987 regelt unter Ziff. 6 „Weitere Kündigungsregelungen“ Folgendes:

        

„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit unter Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen.“

3

Unter Ziff. 14 „Anwendung einschlägiger Tarifverträge“ heißt es:

        

„Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge für Angestellte Anwendung, die von dem für den Betrieb räumlich zuständigen Innungsverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks für den Geltungsbereich des Betriebes abgeschlossen sind oder abgeschlossen werden. Dies gilt beispielsweise für Urlaub, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsfrist.“

4

Die Beklagte wendet die Tarifverträge für den „Auftragsbezogenen Ladenbau“ in Nordrhein-Westfalen an.

5

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

hiermit kündigen wir das mit Ihnen am 01.10.1987 begonnene Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011.

        

Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch dieser Kündigung angehört.

        

Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“

6

Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem beim Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19.05.2011 mit Wirkung zum 30.06.2011 aus betrieblichen Gründen beendet werden wird.

        

…       

        
        

5.    

Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.

        

6.    

Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.

        

7.    

Damit ist der Rechtsstreit 7 Ca 227/11 erledigt.“

7

In einer am 8. Juni 2011 erstellten Verdienstabrechnung für Mai 2011 wies die Beklagte Urlaubsabgeltung für 88,23 Stunden bei einem Stundensatz von 20,55 Euro brutto iHv. insgesamt 1.813,13 Euro brutto aus. Nach einer unter dem 4. August 2011 erstellten weiteren Verdienstabrechnung erhielt der Kläger ein Urlaubstagegeld iHv. 1.296,40 Euro brutto. Der sich aus der Abrechnung ergebende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt.

8

Mit Schreiben vom 1. August 2011 verlangte der Kläger ua. die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Ziff. 5 des geschlossenen Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltung noch ausstehender Urlaubsansprüche. Letztere lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. August 2011 ab.

9

Mit seiner am 4. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger ua. Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto geltend gemacht. Hierzu hat der Kläger behauptet, bei einer Beendigung am 30. Juni 2011 habe ihm ein Urlaubsanspruch von 15,5 Tagen zugestanden. Dies entspreche 114,7 Stunden, die mit jeweils 20,55 Euro abzugelten seien. Die Beklagte habe weder durch die Erklärung im Kündigungsschreiben noch durch die Vereinbarung im Vergleich wirksam Erholungsurlaub gewährt.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Urlaub sei dem Kläger durch die Freistellung tatsächlich gewährt worden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand der Revision ist - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht eine Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zugesprochen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub bereits erfüllt.

14

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers jedenfalls nicht vollständig durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Erklärung der Beklagten erfüllt wurde. Die in Verbindung mit der fristlosen und der hilfsweise fristgemäßen Kündigung erteilte bezahlte Freistellung im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung „unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche“ hat den Urlaubsanspruch des Klägers allenfalls teilweise erfüllt.

15

1. Es ist umstritten, ob der kündigende Arbeitgeber Urlaub unter der Bedingung erteilen kann, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

16

a) Der Senat hat bisher angenommen, der Arbeitgeber könne den Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher werde durch eine Kündigung nicht berührt (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Mit der Kündigung mache der Arbeitgeber lediglich geltend, er gehe davon aus, das Arbeitsverhältnis werde zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt enden. Er „behaupte“ eine Beendigung (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 97, 18). Dem entspreche, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der während eines Kündigungsschutzrechtsstreits Urlaub verlangt, Urlaub zu gewähren habe (vgl. BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 92, 299). Die vorsorgliche Urlaubsgewährung liege im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b bb der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 c der Gründe, aaO). Dem stehe nicht entgegen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzrechtsstreit offen sei, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schulde (vgl. 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 79, 92). Der Urlaubsanspruch sei kein sog. Einheitsanspruch. Er richte sich auf die Befreiung von der Arbeitspflicht. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt werde dadurch nicht berührt. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet, sei der Urlaub abzugelten.

17

b) Diese Auffassung ist auf Kritik gestoßen (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 69; Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 7 Rn. 38; ErfK/Gallner 15. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 6; AR/Gutzeit 7. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 10). Zum einen sei bei einer bedingten Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar, ob er Erholungsurlaub habe oder nicht (vgl. ErfK/Gallner aaO; AR/Gutzeit aaO). Zum anderen gebiete das Unionsrecht eine Rückkehr zur dogmatischen Einordnung des Urlaubsanspruchs als Einheitsanspruch (vgl. Arnold/Tillmanns/Arnold aaO; AR/Gutzeit aaO). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne zudem, dass der Arbeitgeber durch seine unwirksame Kündigung das Risiko der Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen selbst geschaffen habe (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe).

18

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Modifikation bedarf. Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

19

a) Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 16, BAGE 131, 30; vgl. auch BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will (st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zB zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will(st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24; 9. Juni 1998 - 9 AZR 43/97 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 89, 91; Arnold/Tillmanns/Arnold aaO Rn. 25). Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11). Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 17, aaO). Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - und - 9 AZR 9 AZR 877/13 - jeweils Rn. 16).

20

b) Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung frei und erhebt der Arbeitnehmer Klage nach § 4 KSchG, so steht in dem Zeitraum, in dem der Urlaub erfüllt werden soll, regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Dies gilt auch noch nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG ist in Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Berufung immer statthaft. Da nur im Falle der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann, ist mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist.

21

c) Darüber hinaus ist der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich(vgl. BAG 5. August 2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet der in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 16; 15. September 2011 - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 19; 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN). Daher ist der Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, unbeschadet günstigerer Bestimmungen iSv. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie so festzulegen, dass der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist(EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 59, aaO).

22

Es kann vorliegend dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, dass die Rechtsprechung des EuGH eine Rückkehr zur Einordnung des Urlaubsanspruchs als sog. Einheitsanspruchs mit allen in der Vergangenheit daraus gezogenen Schlussfolgerungen erfordert (zum Streit vgl. Hohmeister BB 1995, 2110). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gebietet nicht, dass das Urlaubsentgelt schon vor dem Urlaubsbeginn ausgezahlt werden muss(vgl. zur alten Rspr. BAG 9. Januar 1979 - 6 AZR 647/77 -). Der EuGH hat festgestellt, dass keine Bestimmung der Arbeitszeitrichtlinie ausdrücklich den Zeitpunkt festlegt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Diese Festlegung obliegt vielmehr den Mitgliedstaaten (EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 54 und 56, aaO).

23

Aus dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub folgt jedoch, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Mit dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 21 mwN, Slg. 2009, I-8405). Dieser Zweck kann typischerweise nur dann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.

24

d) Dies berücksichtigend hat die Beklagte durch die Erklärung im Kündigungsschreiben den Urlaubsanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Sie hat dem Kläger weder vor Antritt des Urlaubs Urlaubsvergütung gezahlt noch vorbehaltlos zugesagt.

25

aa) Dies gilt jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung beendet worden wäre. Im Falle der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hätte der Kläger zwar einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, der abzugeltende Urlaubsanspruch wäre aber nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG auf vier Zwölftel zu kürzen. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 hätte dem Kläger dagegen der Urlaubsanspruch ungekürzt zugestanden. In Bezug auf den Anteil von acht Zwölftel des Urlaubsanspruchs des Jahres 2011 wusste der Kläger bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 17. Juni 2011 nicht, ob ihm ein Vergütungsanspruch zustehen würde. Es ist weder festgestellt noch sonst erkennbar, dass die Beklagte ihm insofern unabhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im fraglichen Zeitraum die Zahlung eines Urlaubsentgelts vorbehaltslos zugesagt hat.

26

bb) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, der Kläger habe jedenfalls aufgrund der Verdienstabrechnung für Mai 2011 sicher sein können, für 88,23 Stunden eine Urlaubsabgeltung iHv. 1.813,13 Euro brutto zu erhalten, stand diese Abrechnung einer vorbehaltslosen Zusage der Urlaubsvergütung nicht gleich. Der Senat hat die sog. Surrogatstheorie mit Urteil vom 19. Juni 2012 (- 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64) vollständig aufgegeben. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung folgt nicht mehr den Regeln des Urlaubsanspruchs. Dementsprechend muss der Gläubiger nicht stets davon ausgehen, dass die Leistung zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugleich auch der Erfüllung eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt dienen soll. Vielmehr bedarf es regelmäßig einer (hilfsweisen) Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 Abs. 1 BGB. Ob die Beklagte eine solche zumindest konkludent abgegeben hat, bedarf keiner weiteren Klärung, weil der Anspruch des Klägers schon aus anderen Gründen nicht gegeben ist.

27

II. Über die Gewährung und Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in der Zeit bis zum 30. Juni 2011 haben sich die Parteien unter Ziff. 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Juni 2011 geeinigt. Danach wurde der Urlaubsanspruch des Klägers vollständig durch bezahlte Freistellung in diesem Zeitraum erfüllt. Nach § 779 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Die insoweit insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestehende Ungewissheit über die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung im Kündigungsschreiben wurde durch die Einigung beseitigt.

28

1. Die Auslegung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(BAG 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; Thomas/Putzo/Seiler 36. Aufl. § 794 Rn. 18). In welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist umstritten (vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 20 ff.). Teilweise wird angenommen, weil es sich um eine Prozesshandlung handele, sei die Auslegung gerichtlicher Vergleiche in der Revision vollständig überprüfbar, selbst wenn ihr Inhalt ausschließlich individuell bestimmt sei (BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b aa der Gründe; vgl. auch BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu I 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22; Düwell/Lipke/Düwell 3. Aufl. § 73 Rn. 22; ErfK/Koch 15. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 8). Andererseits wird die Auffassung vertreten, bei Prozessvergleichen sei ebenso wie bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen darauf abzustellen, ob es sich um eine typische Erklärung handele oder um eine atypische. Handele es sich um einen nichttypischen Vertrag könne die Auslegung des Prozessvergleichs vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 31 ff., BAGE 117, 218; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - aaO, mit dem Hinweis, dass Klauseln in Prozessvergleichen in der Regel nichttypische Erklärungen seien; vgl. auch BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 18; HWK/Bepler 6. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 15; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 28; GK-ArbGG/Mikosch Stand Dezember 2014 § 73 Rn. 43 mit der Annahme, es handele sich in der Regel um typische Vereinbarungen).

29

2. Es bedarf keiner abschließenden Klärung, in welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht zu überprüfen ist. Diese hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sich rechtsfehlerhaft auf die Auslegung des Satzes 2 der Ziff. 5 des Vergleichs beschränkt, ohne die übrigen Regelungen des Prozessvergleichs in die Auslegung einzubeziehen.

30

a) Im Kündigungsschreiben vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte erklärt, im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werde der Kläger mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Mit Ziff. 1 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass diese Bedingung erfüllt war, indem sie vereinbarten, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 beendet werden wird. Da die Parteien die Beendigung bereits zum 30. Juni 2011 und nicht - wie in der Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 vorgesehen - zum 31. Dezember 2011 vereinbarten, hätte es nahe gelegen, als Beendigungsgrund den gerichtlichen Vergleich selbst und nicht das Kündigungsschreiben der Beklagten anzunehmen. Das Anknüpfen an die Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 stellt vor diesem Hintergrund ein Indiz dafür dar, dass gerade auch die Urlaubsgewährung ab jenem Zeitpunkt von dem Willen der Parteien umfasst war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht zwingend der ausdrücklichen Vereinbarung im Prozessvergleich, dass die bezahlte Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs dienen sollte.

31

b) Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner Auslegung auch nicht auf Ziff. 6 des Prozessvergleichs eingegangen. Danach sollten mit der Erfüllung dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt sein. Bei dem Urlaubsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Damit folgt auch aus Ziff. 6 des Vergleichs, dass durch die bezahlte Freistellung des Klägers im Zeitraum vom Zugang der Kündigung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 auch der Urlaubsanspruch erfüllt sein sollte. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass dieser Zeitraum nicht ausgereicht habe, um sämtliche Urlaubsansprüche und Überstundenguthaben zu erfüllen.

32

Der Wortlaut von Ziff. 6 des Vergleichs unterscheidet sich auch erheblich von dem Wortlaut der Erledigungsklausel, die Gegenstand des Urteils des Senats vom 9. Juni 1998 war (- 9 AZR 43/97 - BAGE 89, 91 [„Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.“]). Durch die Formulierung „mit der Erfüllung dieses Vergleichs“ haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zum Ausdruck gebracht, dass die vergütete Freistellung von der Arbeit und nicht erst die Erledigungsklausel selbst zum Untergang des Urlaubsanspruchs führen sollte. Insofern ähnelt die Klausel zwar der Klausel, über die sich die Entscheidung des Achten Senats vom 31. Mai 1990 verhält (- 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171 [„Mit Erledigung der Ziffern 2. bis 4. sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.“]). In jenem (außergerichtlichen) Vergleich einigten sich die Parteien in Ziff. 2 jedoch nur auf eine Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist, ohne die Vergütungspflicht ausdrücklich zu regeln. Im Übrigen ist im Vergleich der Parteien vom 17. Juni 2011 auch die in der Formulierung, „dass der Kläger … freigestellt bleibt“, liegende Bezugnahme auf das Schreiben vom 19. Mai 2011 zu berücksichtigen, in dem die Anrechnung der bezahlten Freistellung auf sämtliche Urlaubsansprüche ausdrücklich genannt ist.

33

c) Nach Ziff. 3 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 zahlt die Beklagte an den Kläger wegen des Verlusts seines sozialen Besitzstands eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG iHv. 15.000,00 Euro brutto. Es ist - gerade unter Berücksichtigung der Erledigungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs - nicht erkennbar, dass die Beklagte durch den Vergleich neben dem Abfindungsanspruch noch einen zusätzlichen Anspruch begründen wollte. Dies wäre aber nach der Auslegung des Landesarbeitsgerichts der Fall. Der Kläger hätte neben dem Anspruch auf Abgeltung des vollen Urlaubs einen Anspruch auf bezahlte Freistellung im Zeitraum vom Zugang der Erklärung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011. Ein Anlass, warum die Beklagte sich neben der Pflicht zur Urlaubsgewährung bzw. zur Urlaubsabgeltung zu einer weiteren bezahlten Freistellung von der Arbeitsleistung verpflichten sollte, ist weder festgestellt noch dargelegt.

34

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Matth. Dipper    

        

    Anthonisen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 9. Januar 2014 - 5 Sa 517/12 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 24. Juli 2012 - 5 Ca 1559/11 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten als Sicherheitsmitarbeiter angestellt. Die Beklagte betreibt ein privates Wach- und Sicherheitsunternehmen, das mit dem Schutz von Liegenschaften der US-Streitkräfte betraut ist.

3

Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält ua. Folgendes:

        

„1. Allgemeines.

        

Die Firma … ist Mitglied des Bundesverbandes deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. Auf diesen Arbeitsvertrag sind daher die zwischen dem o. g. Verband und der Gewerkschaft ver.di (…) abgeschlossenen Tarifverträge für das Bundesland Bayern ohne Einschränkung anwendbar.

        

Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses ist der zwischen den US-Streitkräften und dieser Firma abgeschlossene Bewachungsvertrag …

        

…       

        

14. Einsatzgenehmigung.

        

Die Vertragsparteien sind dazu verpflichtet, die Bedingungen, Anforderungen und Standards der jeweiligen Kundenspezifikationen/PWS (Performance Work Statements) einzuhalten bzw. zu erfüllen. Die Einsatzgenehmigung der US-Streitkräfte ist Grundlage des Vertrages. Wird die Einsatzgenehmigung wegen Nichteinhaltung der PWS, die für die Vertragsparteien verbindlich sind und von der amerikanischen Regierung vorgegeben sind, widerrufen, endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf unter Anwendung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist. …“

4

Die Performance Work Statements beinhalten ua. die Möglichkeit des Entzugs der Einsatzgenehmigung bei Missbrauch illegaler Drogen.

5

Am 1. Dezember 2011 wurde der Kläger von den US-Streitkräften zu einem Drogentest ausgewählt. Der Kläger blieb dem Drogentest fern. Der Vorgesetzte des Klägers bat den zuständigen Mitarbeiter der US-Streitkräfte, mit dem Drogentest zu warten, und forderte den Kläger in einem Telefongespräch auf, sofort zum Urintest zu erscheinen. Der Kläger befolgte diese Aufforderung nicht.

6

Am 5. Dezember 2011 widerrief das U die Einsatzgenehmigung des Klägers. Mit Schreiben gleichen Datums informierte die Beklagte den Kläger, dass das Arbeitsverhältnis durch auflösende Bedingung unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist zum 29. Februar 2012 ende. Der Kläger sei mit sofortiger Wirkung, unter Anrechnung von Resturlaub und Überstunden, vom Dienst freigestellt. Nach Beendigung des Urlaubs und bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei er unbezahlt freigestellt. Eine andere Einsatzmöglichkeit bestand für den Kläger nicht.

7

Für die Zeit ab 5. Dezember 2011 leistete die Beklagte keine Vergütung. Der Kläger bezog im Januar 2012 Arbeitslosengeld iHv. 407,28 Euro und im Februar 2012 iHv. 1.018,20 Euro.

8

Der Kläger hat zunächst Bedingungskontrollklage erhoben. Sodann hat er die Klage um Vergütungsansprüche für die Zeit 5. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 nebst Zinsen abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds erweitert. Die Parteien haben sich erstinstanzlich in einem gerichtlichen Teilvergleich auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 29. Februar 2012 gegen Zahlung einer Abfindung verständigt. Die Vergütungsansprüche sind streitig geblieben.

9

Der Kläger meint, die Beklagte schulde Vergütung für die Zeit nach Entzug der Einsatzgenehmigung wegen Annahmeverzugs. Der Zweck der Arbeitnehmerschutzvorschrift des § 15 Abs. 2 TzBfG werde nur verwirklicht, wenn in der Auslauffrist auch Lohn zu zahlen sei.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.305,68 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.839,04 Euro seit 1. Januar 2012, aus 2.233,32 Euro seit 1. Februar 2012 abzüglich übergegangener Ansprüche iHv. 407,28 Euro netto sowie aus 2.233,32 Euro seit 1. März 2012 abzüglich übergegangener Ansprüche iHv. 1.018,20 Euro netto zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs bestehe nicht, weil der Kläger für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht leistungsfähig gewesen sei. Ein Vergütungsanspruch könne auch nicht aus § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB hergeleitet werden. Die Beklagte habe die Leistungsunfähigkeit des Klägers nicht zu verantworten.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihr verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht für den Streitzeitraum weder Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB oder wegen Betriebsrisikos nach § 615 Satz 3 BGB noch gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.

14

I. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus Annahmeverzug. Das Landesarbeitsgericht hat einen solchen Anspruch, gestützt auf § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB, zu Unrecht bejaht.

15

1. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Der Gläubiger kommt aber nach § 297 BGB nicht in Verzug, wenn der Schuldner außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Ob es sich dabei um gesundheitliche, rechtliche oder andere Gründe handelt, ist nicht maßgebend. Das Unvermögen kann etwa auf einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot oder auf dem Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis beruhen (BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 13, BAGE 130, 29).

16

2. Der Kläger war im Streitzeitraum für die vertraglich vorgesehene Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter nicht mehr leistungsfähig. Ihm wurde die für eine Tätigkeit bei den US-Streitkräften erforderliche Einsatzgenehmigung entzogen.

17

a) Die Beklagte kann bei der Bewachung von militärischen Einrichtungen der US-Streitkräfte über das eingesetzte Personal nicht frei entscheiden, sondern darf nur solche Arbeitnehmer einsetzen, die über eine Einsatzgenehmigung des Auftraggebers verfügen, auf deren Erteilung und Entzug die Beklagte keinen Einfluss hat. Auf die den amerikanischen Streitkräften eingeräumte Rechtsposition müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einlassen. Sie folgt aus den Besonderheiten bei der Bewachung von militärischen Einrichtungen und entspricht den Befugnissen der Bundeswehr gegenüber zivilen Wachpersonen (vgl. § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie ziviler Wachpersonen; vgl. hierzu BAG 19. März 2008 - 7 AZR 1033/06 - Rn. 12). Mit dem Entzug der Einsatzgenehmigung nehmen die US-Streitkräfte eine hoheitliche Maßnahme vor, die kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität von der Jurisdiktion der Bundesrepublik Deutschland genießt (vgl. Hessischer VGH 14. Juli 1988 - 11 TG 1736/85 -).

18

b) Mangels Einsatzgenehmigung war der Kläger nach dem 5. Dezember 2011 leistungsunfähig für die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit. Nach Entzug der Einsatzgenehmigung war er - ähnlich wie im Fall eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots - außerstande, die vertraglich vereinbarte Leistung zu bewirken (vgl. BAG 31. August 1988 - 7 AZR 525/87 - zu 1 der Gründe bei fehlender Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde; 15. Juni 2004 - 9 AZR 483/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 111, 97, bei fehlender bergrechtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung; 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 17 bei Entzug der Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen nach SÜG; LAG Rheinland-Pfalz 31. August 2006 - 11 Sa 323/06 - Rn. 35 bei fehlender Flugtauglichkeitsbescheinigung). Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestand unstreitig nicht.

19

3. Diesem Ergebnis steht der Normzweck des § 15 Abs. 2 TzBfG nicht entgegen, der nach § 21 TzBfG auf einen Arbeitsvertrag unter auflösender Bedingung entsprechende Anwendung findet. Die Regelung des § 15 Abs. 2 TzBfG dient dem Arbeitnehmerschutz, indem die Beendigung eines zweckbefristeten bzw. auflösend bedingten Arbeitsverhältnisses mit einer Auslauffrist verbunden wird. Dies verhindert die Umgehung des Schutzzwecks der gesetzlichen Kündigungsfristen. Das Arbeitsverhältnis besteht in der Verlängerungsphase mit allen beiderseitigen Rechten und Pflichten fort. § 15 Abs. 2 TzBfG hält aber lediglich das Arbeitsverhältnis aufrecht. Der Wortlaut der Norm besagt nicht, dass auch der Vergütungsanspruch unabhängig von der Erfüllung seiner jeweiligen Voraussetzungen aufrechterhalten werde. Dieser kann nur aus einer den Entgeltanspruch aufrechterhaltenden Norm (wie § 615 Satz 1 BGB) folgen. Das gilt für die gesetzliche Mindestauslauffrist von zwei Wochen ebenso wie für eine individual- oder tarifvertraglich vereinbarte längere Auslauffrist. Auch die Gesetzesbegründung liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitnehmer ohne Erfüllung jeglicher weiterer Voraussetzungen in jedem Fall Vergütung während der Auslauffrist erhalten soll (BT-Drs. 14/4374 S. 20). § 15 Abs. 2 TzBfG verfolgt einen den Regelungen des § 622 BGB vergleichbaren Zweck. Im Rahmen des zeitlichen Bestandsschutzes soll die Beendigungswirkung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden (hierzu BAG 18. April 1985 - 2 AZR 197/84 - zu II 1 a der Gründe; 12. Juli 2007 - 2 AZR 699/05 - Rn. 40). Doch auch während des Laufs der Kündigungsfrist nach Ausspruch einer Kündigung ist der Vergütungsanspruch nicht ohne Erfüllung seiner gesetz- oder vertraglichen Voraussetzungen gegeben. Nimmt der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist nicht an, besteht ein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nur, wenn der Arbeitnehmer für die vertraglich geschuldete Tätigkeit leistungsfähig ist.

20

II. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 3 BGB wegen Betriebsrisikos.

21

1. Nach § 615 Satz 3 BGB kann ein Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Arbeit infolge von Umständen ausfällt, für die der Arbeitgeber das Risiko trägt(BAG 9. Juli 2008 - 5 AZR 810/07 - Rn. 13, BAGE 127, 119).

22

2. Es liegt kein Fall vor, in dem die Beklagte das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen hat. § 615 Satz 3 BGB meint das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko(ErfK/Preis 15. Aufl. § 615 BGB Rn. 122; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 615 Rn. 90; BT-Drs. 14/6857 S. 48). Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können. Die Arbeitsleistung des Klägers unterblieb nicht wegen Ausfalls von Betriebsstoffen oder anderer für den Betriebsablauf notwendiger Betriebsmittel, einer Betriebsstilllegung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften/Anordnungen (vgl. BAG 30. Mai 1963 - 5 AZR 282/62 - zu 2 b der Gründe) oder eines Geschehens, das von außen auf typische Betriebsmittel einwirkt und sich als höhere Gewalt darstellt, wie zB die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe (vgl. HWK/Krause 5. Aufl. § 615 BGB Rn. 116; ferner BAG 9. März 1983 - 4 AZR 301/80 - BAGE 42, 94 zum Ausfall einer Ölheizung im Betrieb wegen plötzlichen Kälteeinbruchs). Entscheidender Umstand war vielmehr der Entzug der dem Kläger persönlich erteilten Einsatzgenehmigung. Dieser gehört nicht zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers.

23

III. Der Vergütungsanspruch wurde nicht nach § 611 Abs. 1, § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB aufrechterhalten.

24

1. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - diese Anspruchsgrundlage nicht geprüft. Aufgrund der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen kann der Senat aber in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

25

2. Nach § 275 Abs. 1 BGB führt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zum Ausschluss des Leistungsanspruchs des Arbeitgebers. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gegenleistung entfällt nach § 326 Abs. 1 BGB, bleibt aber gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht. Der Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 BGB umfasst sämtliche gegenseitigen Verträge und findet auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung(BAG 24. November 1960 - 5 AZR 545/59 - zu 4 der Gründe, BAGE 10, 202 zur Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF). Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung allein oder weit überwiegend zu verantworten hat (BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 40, BAGE 123, 98; 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 26).

26

3. Der Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB im Arbeitsrecht steht § 615 BGB nicht entgegen. Die dienstvertraglichen Regeln des Annahmeverzugs verdrängen § 326 BGB nicht. Vielmehr ergänzen sich beide. Wird dem Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung unmöglich, bestimmt sich die Rechtsfolge für seinen Vergütungsanspruch nach § 615 BGB, wenn sich der Arbeitgeber bei Eintritt der Unmöglichkeit im Annahmeverzug befindet, ansonsten nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB. Beruht die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung aufgrund ihres Fixschuld-Charakters allein auf dem Zeitablauf, wird der Vergütungsanspruch - unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers - nach § 615 BGB aufrechterhalten, wenn die Voraussetzungen des Annahmeverzugs zur Zeit des Eintritts der Unmöglichkeit vorlagen. Fehlt es hieran, zB weil ein Fall des § 297 BGB gegeben war, kann der Vergütungsanspruch nach § 326 Abs. 2 BGB aufrechterhalten werden, wenn dessen Voraussetzungen(insbesondere die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers) erfüllt sind.

27

4. Die Beklagte war für die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung des Klägers nicht verantwortlich iSv. § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB.

28

a) Verantwortlich nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB meint Vertretenmüssen iSd. §§ 276, 278 BGB, dh. mindestens fahrlässiges Handeln (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 29). Anders als in der Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF findet sich in § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht, dass der Gläubiger den Umstand „zu vertreten“ habe. Doch kann für die Bestimmung des Begriffs „verantwortlich“ auf die amtlichen Überschriften der §§ 276, 278 BGB zurückgegriffen werden, die „Verantwortlichkeit des Schuldners“ bzw. „Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte“ lauten. Damit ist vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln gemeint. Die Gesetzesbegründung zu § 326 Abs. 2 BGB zeigt schließlich, dass der Gesetzgeber an die Vorgängerregelung anknüpfen wollte, weil die Norm den „bisherigen § 324 mit leichten Umformulierungen übernimmt“(BT-Drs. 14/6040 S. 189). Das Verschuldensprinzip ist auch bei der Nachfolgeregelung zugrunde zu legen.

29

b) Die Beklagte hat im Hinblick auf den Entzug der Einsatzgenehmigung weder durch ihre Organe noch durch ihre Erfüllungsgehilfen verantwortlich in diesem Sinne gehandelt. Der Entzug der Einsatzgenehmigung wurde ausschließlich veranlasst durch die Nichtteilnahme des Klägers an dem durch die US-Streitkräfte festgesetzten Drogentest. Dieser Drogentest beruht auf den Performance Work Statements der US-Streitkräfte und damit auf Vertragsbedingungen, die vom Kläger mit Abschluss seines Arbeitsvertrags akzeptiert wurden. Der Kläger ließ überdies die Möglichkeit, den Drogentest nach Anruf seines Vorgesetzten nachzuholen, ungenutzt verstreichen. Somit lag die Verantwortung für den Entzug der Einsatzgenehmigung und die daraus folgende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung beim Kläger.

30

5. Die Beklagte hat in Nr. 14 des Arbeitsvertrags nicht das vertragliche Risiko übernommen, die Vergütung auch dann zahlen zu müssen, wenn der Kläger die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat.

31

a) Bei den Regelungen des Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu zwar keine Feststellungen getroffen. Für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen begründet jedoch das äußere Erscheinungsbild des Vertrags eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 25. Juni 2015 - 6 AZR 383/14 - Rn. 23). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 22).

32

b) Ein Anhaltspunkt für die Übernahme des Vergütungsrisikos durch die Beklagte findet sich in Nr. 14 des Arbeitsvertrags nicht. Eine vertragliche Übernahme des bei subjektiven Leistungshindernissen an sich den Arbeitnehmer treffenden Vergütungsrisikos durch den Arbeitgeber ist zwar möglich und besonders dann naheliegend, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Kenntnis des Leistungshindernisses einstellt (BAG 31. August 1988 - 7 AZR 525/87 - zu 2 e der Gründe). Im Fall des Klägers bestand das Leistungshindernis bei Vertragsschluss noch nicht, vielmehr machten die Parteien die Einsatzgenehmigung ausdrücklich zur Geschäftsgrundlage ihrer Vertragsbeziehung. Dies gibt keinen Hinweis auf eine Übernahme des Risikos der Vergütung ohne Arbeitsleistung durch die Beklagte.

33

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Zorn    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. März 2013 - 16 Sa 763/12 - aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zu zahlen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29. März 2012 - 6 Ca 4596/11 - wird im Umfang der Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu 80 % zu tragen, die Beklagte zu 20 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1987 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt gegen eine monatliche Vergütung iHv. 3.639,41 Euro brutto. Der nicht unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1987 regelt unter Ziff. 6 „Weitere Kündigungsregelungen“ Folgendes:

        

„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit unter Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen.“

3

Unter Ziff. 14 „Anwendung einschlägiger Tarifverträge“ heißt es:

        

„Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge für Angestellte Anwendung, die von dem für den Betrieb räumlich zuständigen Innungsverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks für den Geltungsbereich des Betriebes abgeschlossen sind oder abgeschlossen werden. Dies gilt beispielsweise für Urlaub, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsfrist.“

4

Die Beklagte wendet die Tarifverträge für den „Auftragsbezogenen Ladenbau“ in Nordrhein-Westfalen an.

5

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

hiermit kündigen wir das mit Ihnen am 01.10.1987 begonnene Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011.

        

Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch dieser Kündigung angehört.

        

Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“

6

Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem beim Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19.05.2011 mit Wirkung zum 30.06.2011 aus betrieblichen Gründen beendet werden wird.

        

…       

        
        

5.    

Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.

        

6.    

Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.

        

7.    

Damit ist der Rechtsstreit 7 Ca 227/11 erledigt.“

7

In einer am 8. Juni 2011 erstellten Verdienstabrechnung für Mai 2011 wies die Beklagte Urlaubsabgeltung für 88,23 Stunden bei einem Stundensatz von 20,55 Euro brutto iHv. insgesamt 1.813,13 Euro brutto aus. Nach einer unter dem 4. August 2011 erstellten weiteren Verdienstabrechnung erhielt der Kläger ein Urlaubstagegeld iHv. 1.296,40 Euro brutto. Der sich aus der Abrechnung ergebende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt.

8

Mit Schreiben vom 1. August 2011 verlangte der Kläger ua. die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Ziff. 5 des geschlossenen Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltung noch ausstehender Urlaubsansprüche. Letztere lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. August 2011 ab.

9

Mit seiner am 4. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger ua. Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto geltend gemacht. Hierzu hat der Kläger behauptet, bei einer Beendigung am 30. Juni 2011 habe ihm ein Urlaubsanspruch von 15,5 Tagen zugestanden. Dies entspreche 114,7 Stunden, die mit jeweils 20,55 Euro abzugelten seien. Die Beklagte habe weder durch die Erklärung im Kündigungsschreiben noch durch die Vereinbarung im Vergleich wirksam Erholungsurlaub gewährt.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Urlaub sei dem Kläger durch die Freistellung tatsächlich gewährt worden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand der Revision ist - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht eine Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zugesprochen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub bereits erfüllt.

14

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers jedenfalls nicht vollständig durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Erklärung der Beklagten erfüllt wurde. Die in Verbindung mit der fristlosen und der hilfsweise fristgemäßen Kündigung erteilte bezahlte Freistellung im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung „unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche“ hat den Urlaubsanspruch des Klägers allenfalls teilweise erfüllt.

15

1. Es ist umstritten, ob der kündigende Arbeitgeber Urlaub unter der Bedingung erteilen kann, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

16

a) Der Senat hat bisher angenommen, der Arbeitgeber könne den Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher werde durch eine Kündigung nicht berührt (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Mit der Kündigung mache der Arbeitgeber lediglich geltend, er gehe davon aus, das Arbeitsverhältnis werde zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt enden. Er „behaupte“ eine Beendigung (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 97, 18). Dem entspreche, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der während eines Kündigungsschutzrechtsstreits Urlaub verlangt, Urlaub zu gewähren habe (vgl. BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 92, 299). Die vorsorgliche Urlaubsgewährung liege im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b bb der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 c der Gründe, aaO). Dem stehe nicht entgegen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzrechtsstreit offen sei, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schulde (vgl. 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 79, 92). Der Urlaubsanspruch sei kein sog. Einheitsanspruch. Er richte sich auf die Befreiung von der Arbeitspflicht. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt werde dadurch nicht berührt. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet, sei der Urlaub abzugelten.

17

b) Diese Auffassung ist auf Kritik gestoßen (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 69; Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 7 Rn. 38; ErfK/Gallner 15. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 6; AR/Gutzeit 7. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 10). Zum einen sei bei einer bedingten Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar, ob er Erholungsurlaub habe oder nicht (vgl. ErfK/Gallner aaO; AR/Gutzeit aaO). Zum anderen gebiete das Unionsrecht eine Rückkehr zur dogmatischen Einordnung des Urlaubsanspruchs als Einheitsanspruch (vgl. Arnold/Tillmanns/Arnold aaO; AR/Gutzeit aaO). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne zudem, dass der Arbeitgeber durch seine unwirksame Kündigung das Risiko der Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen selbst geschaffen habe (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe).

18

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Modifikation bedarf. Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

19

a) Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 16, BAGE 131, 30; vgl. auch BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will (st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zB zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will(st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24; 9. Juni 1998 - 9 AZR 43/97 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 89, 91; Arnold/Tillmanns/Arnold aaO Rn. 25). Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11). Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 17, aaO). Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - und - 9 AZR 9 AZR 877/13 - jeweils Rn. 16).

20

b) Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung frei und erhebt der Arbeitnehmer Klage nach § 4 KSchG, so steht in dem Zeitraum, in dem der Urlaub erfüllt werden soll, regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Dies gilt auch noch nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG ist in Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Berufung immer statthaft. Da nur im Falle der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann, ist mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist.

21

c) Darüber hinaus ist der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich(vgl. BAG 5. August 2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet der in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 16; 15. September 2011 - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 19; 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN). Daher ist der Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, unbeschadet günstigerer Bestimmungen iSv. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie so festzulegen, dass der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist(EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 59, aaO).

22

Es kann vorliegend dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, dass die Rechtsprechung des EuGH eine Rückkehr zur Einordnung des Urlaubsanspruchs als sog. Einheitsanspruchs mit allen in der Vergangenheit daraus gezogenen Schlussfolgerungen erfordert (zum Streit vgl. Hohmeister BB 1995, 2110). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gebietet nicht, dass das Urlaubsentgelt schon vor dem Urlaubsbeginn ausgezahlt werden muss(vgl. zur alten Rspr. BAG 9. Januar 1979 - 6 AZR 647/77 -). Der EuGH hat festgestellt, dass keine Bestimmung der Arbeitszeitrichtlinie ausdrücklich den Zeitpunkt festlegt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Diese Festlegung obliegt vielmehr den Mitgliedstaaten (EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 54 und 56, aaO).

23

Aus dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub folgt jedoch, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Mit dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 21 mwN, Slg. 2009, I-8405). Dieser Zweck kann typischerweise nur dann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.

24

d) Dies berücksichtigend hat die Beklagte durch die Erklärung im Kündigungsschreiben den Urlaubsanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Sie hat dem Kläger weder vor Antritt des Urlaubs Urlaubsvergütung gezahlt noch vorbehaltlos zugesagt.

25

aa) Dies gilt jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung beendet worden wäre. Im Falle der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hätte der Kläger zwar einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, der abzugeltende Urlaubsanspruch wäre aber nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG auf vier Zwölftel zu kürzen. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 hätte dem Kläger dagegen der Urlaubsanspruch ungekürzt zugestanden. In Bezug auf den Anteil von acht Zwölftel des Urlaubsanspruchs des Jahres 2011 wusste der Kläger bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 17. Juni 2011 nicht, ob ihm ein Vergütungsanspruch zustehen würde. Es ist weder festgestellt noch sonst erkennbar, dass die Beklagte ihm insofern unabhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im fraglichen Zeitraum die Zahlung eines Urlaubsentgelts vorbehaltslos zugesagt hat.

26

bb) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, der Kläger habe jedenfalls aufgrund der Verdienstabrechnung für Mai 2011 sicher sein können, für 88,23 Stunden eine Urlaubsabgeltung iHv. 1.813,13 Euro brutto zu erhalten, stand diese Abrechnung einer vorbehaltslosen Zusage der Urlaubsvergütung nicht gleich. Der Senat hat die sog. Surrogatstheorie mit Urteil vom 19. Juni 2012 (- 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64) vollständig aufgegeben. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung folgt nicht mehr den Regeln des Urlaubsanspruchs. Dementsprechend muss der Gläubiger nicht stets davon ausgehen, dass die Leistung zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugleich auch der Erfüllung eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt dienen soll. Vielmehr bedarf es regelmäßig einer (hilfsweisen) Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 Abs. 1 BGB. Ob die Beklagte eine solche zumindest konkludent abgegeben hat, bedarf keiner weiteren Klärung, weil der Anspruch des Klägers schon aus anderen Gründen nicht gegeben ist.

27

II. Über die Gewährung und Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in der Zeit bis zum 30. Juni 2011 haben sich die Parteien unter Ziff. 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Juni 2011 geeinigt. Danach wurde der Urlaubsanspruch des Klägers vollständig durch bezahlte Freistellung in diesem Zeitraum erfüllt. Nach § 779 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Die insoweit insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestehende Ungewissheit über die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung im Kündigungsschreiben wurde durch die Einigung beseitigt.

28

1. Die Auslegung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(BAG 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; Thomas/Putzo/Seiler 36. Aufl. § 794 Rn. 18). In welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist umstritten (vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 20 ff.). Teilweise wird angenommen, weil es sich um eine Prozesshandlung handele, sei die Auslegung gerichtlicher Vergleiche in der Revision vollständig überprüfbar, selbst wenn ihr Inhalt ausschließlich individuell bestimmt sei (BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b aa der Gründe; vgl. auch BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu I 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22; Düwell/Lipke/Düwell 3. Aufl. § 73 Rn. 22; ErfK/Koch 15. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 8). Andererseits wird die Auffassung vertreten, bei Prozessvergleichen sei ebenso wie bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen darauf abzustellen, ob es sich um eine typische Erklärung handele oder um eine atypische. Handele es sich um einen nichttypischen Vertrag könne die Auslegung des Prozessvergleichs vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 31 ff., BAGE 117, 218; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - aaO, mit dem Hinweis, dass Klauseln in Prozessvergleichen in der Regel nichttypische Erklärungen seien; vgl. auch BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 18; HWK/Bepler 6. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 15; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 28; GK-ArbGG/Mikosch Stand Dezember 2014 § 73 Rn. 43 mit der Annahme, es handele sich in der Regel um typische Vereinbarungen).

29

2. Es bedarf keiner abschließenden Klärung, in welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht zu überprüfen ist. Diese hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sich rechtsfehlerhaft auf die Auslegung des Satzes 2 der Ziff. 5 des Vergleichs beschränkt, ohne die übrigen Regelungen des Prozessvergleichs in die Auslegung einzubeziehen.

30

a) Im Kündigungsschreiben vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte erklärt, im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werde der Kläger mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Mit Ziff. 1 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass diese Bedingung erfüllt war, indem sie vereinbarten, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 beendet werden wird. Da die Parteien die Beendigung bereits zum 30. Juni 2011 und nicht - wie in der Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 vorgesehen - zum 31. Dezember 2011 vereinbarten, hätte es nahe gelegen, als Beendigungsgrund den gerichtlichen Vergleich selbst und nicht das Kündigungsschreiben der Beklagten anzunehmen. Das Anknüpfen an die Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 stellt vor diesem Hintergrund ein Indiz dafür dar, dass gerade auch die Urlaubsgewährung ab jenem Zeitpunkt von dem Willen der Parteien umfasst war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht zwingend der ausdrücklichen Vereinbarung im Prozessvergleich, dass die bezahlte Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs dienen sollte.

31

b) Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner Auslegung auch nicht auf Ziff. 6 des Prozessvergleichs eingegangen. Danach sollten mit der Erfüllung dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt sein. Bei dem Urlaubsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Damit folgt auch aus Ziff. 6 des Vergleichs, dass durch die bezahlte Freistellung des Klägers im Zeitraum vom Zugang der Kündigung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 auch der Urlaubsanspruch erfüllt sein sollte. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass dieser Zeitraum nicht ausgereicht habe, um sämtliche Urlaubsansprüche und Überstundenguthaben zu erfüllen.

32

Der Wortlaut von Ziff. 6 des Vergleichs unterscheidet sich auch erheblich von dem Wortlaut der Erledigungsklausel, die Gegenstand des Urteils des Senats vom 9. Juni 1998 war (- 9 AZR 43/97 - BAGE 89, 91 [„Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.“]). Durch die Formulierung „mit der Erfüllung dieses Vergleichs“ haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zum Ausdruck gebracht, dass die vergütete Freistellung von der Arbeit und nicht erst die Erledigungsklausel selbst zum Untergang des Urlaubsanspruchs führen sollte. Insofern ähnelt die Klausel zwar der Klausel, über die sich die Entscheidung des Achten Senats vom 31. Mai 1990 verhält (- 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171 [„Mit Erledigung der Ziffern 2. bis 4. sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.“]). In jenem (außergerichtlichen) Vergleich einigten sich die Parteien in Ziff. 2 jedoch nur auf eine Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist, ohne die Vergütungspflicht ausdrücklich zu regeln. Im Übrigen ist im Vergleich der Parteien vom 17. Juni 2011 auch die in der Formulierung, „dass der Kläger … freigestellt bleibt“, liegende Bezugnahme auf das Schreiben vom 19. Mai 2011 zu berücksichtigen, in dem die Anrechnung der bezahlten Freistellung auf sämtliche Urlaubsansprüche ausdrücklich genannt ist.

33

c) Nach Ziff. 3 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 zahlt die Beklagte an den Kläger wegen des Verlusts seines sozialen Besitzstands eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG iHv. 15.000,00 Euro brutto. Es ist - gerade unter Berücksichtigung der Erledigungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs - nicht erkennbar, dass die Beklagte durch den Vergleich neben dem Abfindungsanspruch noch einen zusätzlichen Anspruch begründen wollte. Dies wäre aber nach der Auslegung des Landesarbeitsgerichts der Fall. Der Kläger hätte neben dem Anspruch auf Abgeltung des vollen Urlaubs einen Anspruch auf bezahlte Freistellung im Zeitraum vom Zugang der Erklärung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011. Ein Anlass, warum die Beklagte sich neben der Pflicht zur Urlaubsgewährung bzw. zur Urlaubsabgeltung zu einer weiteren bezahlten Freistellung von der Arbeitsleistung verpflichten sollte, ist weder festgestellt noch dargelegt.

34

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Matth. Dipper    

        

    Anthonisen    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. Juni 2015 - 1 Sa 35/12 - im Kostenausspruch, in Ziff. 2 und Ziff. 4 des Tenors jeweils insgesamt und in Ziff. 1 des Tenors insoweit aufgehoben, wie es das Versäumnisurteil vom 7. Februar 2013 (- 1 Sa 35/12 -) teilweise aufgehoben, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Juni 2012 (- 3 Ca 143/12 -) teilweise abgeändert und festgestellt hat, dass dem Kläger 32 Tage bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung als Ersatz für den Urlaub aus dem Jahr 2008 zustehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung, über Ersatzurlaubsansprüche für verfallenen Urlaub bzw. Entschädigung in Geld und - im Wege der Widerklage - über einen Rückzahlungsanspruch wegen Gehaltsüberzahlung.

2

Der Kläger ist Fachwirt der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Seit dem 1. August 2000 war er bei der Beklagten, einer Ersatzkasse, in deren Hauptverwaltung als Sachgebietsleiter beschäftigt. Zuletzt wurde er im Bereich kaufmännisches Immobilienmanagement eingesetzt. In der Hauptverwaltung, für die ein Personalrat gewählt ist, beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die von der Beklagten abgeschlossenen Haustarifverträge, ua. der Manteltarifvertrag der Techniker Krankenkasse (TKT), in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Beklagte vergütete den Kläger zuletzt nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 11 TKT.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien vor den streitgegenständlichen Kündigungen - beginnend ab Juni 2006 - mehrere Male, zuletzt am 14. Juli 2010 fristlos. Infolge dieser Kündigungen, gegen die er jeweils Kündigungsschutzklage erhob, erbrachte der Kläger letztmalig am 19. November 2007 Arbeitsleistungen für die Beklagte. Diese stellte den Kläger durch mehrere Schreiben unter Anrechnung auf tariflichen Jahresurlaub - ua. der Jahre 2008, 2009 und 2010 - von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Im April 2013 entschied das Landesarbeitsgericht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 nicht aufgelöst worden ist. Das Urteil wurde am 15. Juli 2013 rechtskräftig.

5

In einem parallel geführten Rechtsstreit hat sich der Kläger gegen eine zum 26. April 2006 erfolgte Änderung seines Tätigkeitsbereichs gewandt. Am 31. Januar 2008 hat das Landesarbeitsgericht - unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils - die Beklagte verurteilt, den Kläger als Sachgebietsleiter BW.3 (Kaufmännisches Immobilienmanagement) neben den Tätigkeiten der Dokumentation des Verwaltungshandelns und der Erstellung und Prüfung von Betriebskostenabrechnungen mit Tätigkeiten der Anmietung von Dienststellenflächen, der Vermietung von eigenen Immobilien der Beklagten, der Durchführung von Mietzahlungen, der Überwachung der zufließenden Mieteinnahmen sowie der Durchführung des in Bezug auf die Betriebskostenabrechnungen und Mietzahlungen aus den Mietverhältnissen der Beklagten des außergerichtlichen Mahnwesens zu beschäftigen. Der Rechtsstreit ist - nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten - in die Revision gelangt. Das Verfahren ist ausgesetzt.

6

Mit Schreiben vom 22. Juli 2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, sich am 24. Juli 2013, 10:00 Uhr, in der Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden.

7

Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 bat der Kläger, die Beklagte möge ausstehende Annahmeverzugsvergütung abrechnen und die sich hieraus ergebenden Nettobeträge an ihn auszahlen. Er erklärte, er mache bis zur Erledigung von seinem Zurückbehaltungsrecht „an seiner Arbeitskraft“ Gebrauch. Außerdem verwies er auf einen früheren Antrag, ihm für die Zeit vom 18. Juli bis 4. September 2013 Urlaub zu gewähren.

8

Die Beklagte kündigte baldige Zahlung an. Hinsichtlich des Urlaubs teilte sie mit, der Anspruch für das laufende Jahr sei durch eine vorsorgliche Freistellung in der Zeit vom 21. Januar 2013 bis einschließlich 8. März 2013 erfüllt. Auf ihre Anweisung wurde dem Konto des Klägers am 26. Juli 2013 ein Betrag in Höhe von 95.029,80 Euro netto gutgeschrieben.

9

Unter dem 29. Juli 2013 beanstandete der Kläger die Zahlung als zu gering. Schon auf der Basis der bisherigen Eingruppierung habe eine Nachzahlung von rund 120.000,00 Euro netto erfolgen müssen und bestehe noch eine Differenz von „ca. EUR 25.000,00 netto“. Im Übrigen stünden Verzugszinsen offen, sei eine nachvollziehbare Abrechnung nicht erfolgt und habe er seit dem 1. Juli 2010 Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe 10 Stufe 11 TKT. Unabhängig davon sei er in der Vergangenheit erheblichen Anfeindungen und Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts ausgesetzt gewesen. Mit Blick hierauf erwarte er eine betriebsöffentliche, ihn rehabilitierende Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines bisherigen unmittelbaren Vorgesetzten. Außerdem sehe er einem Angebot zur Durchführung eines betriebsinternen Supervisions- oder Mediationsverfahrens unter Teilnahme mehrerer Personen, ua. eines Vertreters des Personalrats, entgegen. Dies sei erforderlich, um künftig eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit - auch mit ihm unterstellten Mitarbeitern - zu ermöglichen. Bis zur Bestätigung der Abgabe oder Durchführung der geforderten Erklärungen bzw. Maßnahmen mache er „zusätzlich zu dem Zurückbehaltungsrecht aufgrund der nicht erfüllten Gegenforderungen“ von einem Zurückbehaltungsrecht „an der Arbeitskraft“ Gebrauch.

10

Mit Schreiben vom 31. Juli 2013 erläuterte die Beklagte anhand beigefügter monatlicher Entgeltabrechnungen, sie habe für die Zeit vom 29. Juni 2010 bis 31. Juli 2013 unter Berücksichtigung etwaiger Sonderzahlungen Bruttovergütung iHv. insgesamt 243.119,00 Euro berechnet. Bei der erfolgten Gutschrift handele es sich um den daraus ermittelten Nettobetrag. Außerdem gab sie Erklärungen zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der Beträge zur Arbeitslosenversicherung ab. Weiter gehende Forderungen wies sie - bis auf Zinsforderungen - zurück. Am 1. August 2013 überwies sie dem Kläger zu deren Ausgleich einen Betrag von 18.623,33 Euro netto.

11

Der mit den vorgenannten Schreiben jeweils wiederholten Aufforderung der Beklagten, sich in der Hauptverwaltung einzufinden, leistete der Kläger keine Folge. Weitere Erklärungen gab er nicht ab. Mit Schreiben vom 7. und 27. August 2013 sowie vom 9. September 2013 mahnte die Beklagte ihn jeweils wegen „Nichterscheinens am Arbeitsplatz“ ab. Zugleich erneuerte sie jeweils - erfolglos - die Ladung zum Arbeitsantritt.

12

Mit Schreiben vom 27. September 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - mit Zustimmung des Personalrats - außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2014.

13

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Er sei zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet gewesen. Die Beklagte sei nicht bereit gewesen, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Im Übrigen habe er rechtmäßig von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Grundlage hierfür seien - neben offenen Gehaltsforderungen - erhebliche Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts gewesen, denen er seit dem Jahr 2006 ausgesetzt gewesen sei. So sei er einem regelrechten „Mobbing-Programm“ unterzogen worden, das im mittleren Management der Beklagten praktiziert worden sei. Zur Wiedergutmachung und zum Ausschluss künftiger Störungen habe er Anspruch auf die mit Schreiben vom 29. Juli 2013 verlangte betriebsöffentliche Stellungnahme gehabt. Um eine reibungslose und sachdienliche Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Beklagten zu ermöglichen, habe es zudem einer Supervision oder - nach Wahl der Beklagten - einer Mediation bedurft.

14

Daneben hat der Kläger - im Rahmen ursprünglich getrennt geführter Klagen und soweit noch von Interesse - Ansprüche wegen nicht erfüllter Urlaubsansprüche geltend gemacht. Mit Klage vom 29. Dezember 2011 hat er zunächst - im Hinblick auf die Kündigung vom 14. Juli 2010 - „Abgeltung“ für 34 Tage Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 verlangt. Im Berufungsrechtszug hat er sein Begehren um eine Feststellungsklage erweitert, mit der er „hilfsweise“ für den Fall des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses Ersatzurlaub im Umfang von zwei Tagen für das Jahr 2007 und von 32 Tagen für das Jahr 2008 geltend gemacht hat. Mit weiterer Klage vom 23. Dezember 2013 hat er die Feststellung von Ersatzurlaubsansprüchen für Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 im Umfang von je 32 Tagen begehrt; „hilfsweise“ für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 27. September 2013 hat er deren „Abgeltung“ verlangt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit den vorsorglichen Freistellungen im Rahmen der früheren Kündigungsschutzprozesse seine Urlaubsansprüche - mangels vorbehaltloser Zusage der Urlaubsvergütung - nicht erfüllt. Angesichts deren zwischenzeitlichen Verfalls sei sie verpflichtet, Schadensersatz zu leisten.

15

Der Kläger hat zuletzt, soweit von Interesse, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. September 2013 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.909,36 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2010 zu zahlen,

                 

hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht, festzustellen, dass ihm 34 Tage restlicher Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 zustehen;

        

3.    

festzustellen, dass ihm aus den Jahren 2009 und 2010 noch ein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung iHv. 64 Arbeitstagen zusteht,

                 

hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. September 2013 endete, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.793,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. September 2013 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, sowie widerklagend,

        

den Kläger zu verurteilen, an sie 6.653,87 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat die Kündigungen als wirksam verteidigt. Der Kläger habe spätestens seit dem 1. August 2013 die Arbeitsleistung grundlos und beharrlich verweigert. Bei pflichtgemäßer Meldung in der Hauptverwaltung wäre ihm die Leitung des Sachgebiets BW.3 im Wesentlichen „in dem Bestand“ aus dem Jahr 2006 übertragen worden. Ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung habe er schon nicht wirksam ausgeübt. Den tariflichen Jahresurlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 habe sie bis zum Ablauf des jeweiligen Übertragungszeitraums vollständig erteilt. Im Übrigen habe der Kläger jeweils die Urlaubsgewährung verlangt. Es sei widersprüchlich, ihn nicht als erfüllt zu betrachten. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen, mindestens aber verjährt. Der mit der Widerklage verfolgte Anspruch beruhe auf einer Überzahlung. Der Kläger habe die an ihn - unstreitig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleisteten Gehaltszahlungen für die Monate August und September 2013 ohne Rechtsgrund erlangt.

18

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

19

Das Arbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil, das es nach frist- und formgerecht eingelegtem Einspruch des Klägers aufrechterhalten hat, die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die weiter gehenden Klageanträge hat es - soweit noch von Bedeutung - ebenfalls abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil vom 7. Februar 2013 die Berufung des Klägers im Umfang der geltend gemachten „Urlaubsabgeltung“ für Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 und der für diese Jahre „hilfsweise“ beantragten Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf 34 Tage Ersatzurlaub zurückgewiesen. Nach frist- und formgerecht eingelegtem Einspruch des Klägers und Verbindung der Rechtsstreitigkeiten der Parteien zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht, soweit noch von Interesse, (zu Nr. 4 des Tenors) der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Außerdem hat es (zu Nr. 1 und Nr. 2 des Tenors) - unter teilweiser Aufhebung seines Versäumnisurteils vom 7. Februar 2013 und dessen Aufrechterhaltung im Übrigen - festgestellt, dass dem Kläger je 32 Tage bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung als Ersatz für Urlaub aus den Jahren 2008, 2009 und 2010 zustehen.

20

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte hinsichtlich des Ersatzurlaubs für das Jahr 2008 die Wiederherstellung des zweitinstanzlichen Versäumnisurteils, im Übrigen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidungen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

22

A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben dem Kündigungsschutzantrag, den Anträgen auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf je 32 Tage Ersatzurlaub für Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 und dem Widerklageantrag - der Antrag auf Entschädigung für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 (16.793,12 Euro brutto nebst Zinsen). Über den zuletzt genannten Antrag hat das Landesarbeitsgericht, ausgehend von dem zutreffenden Verständnis, es handele sich um einen „echten“, vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Hilfsantrag, nicht entschieden (zur Entbehrlichkeit eines Anschlussrechtsmittels in einem solchen Fall vgl. BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 75, BAGE 133, 289). Anders verhält es sich mit dem Antrag auf „Abgeltung“ von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2007 und 2008 und dem Feststellungsantrag, soweit er sich auf zwei Ersatzurlaubstage für Urlaub aus dem Jahr 2007 bezieht. In diesem Umfang hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers unter Aufrechterhaltung seines Versäumnisurteils vom 7. Februar 2013 zurückgewiesen. Da der Kläger insoweit Anschlussrevision nicht eingelegt hat, fällt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über diese Streitgegenstände dem Senat nicht zur Überprüfung an. Ob ihr ein zutreffendes Antragsverständnis zugrunde liegt, kann dahinstehen.

23

B. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden.

24

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Begründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11). Bei mehreren Streitgegenständen muss grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Einer eigenständigen Begründung bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 11; 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 353).

25

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Zwar setzt sie sich nicht gesondert mit der Begründung der Entscheidung über die Widerklage auseinander, obwohl diese lediglich Zahlungen für die Zeit nach Zugang der Kündigung vom 27. September 2013 betrifft und damit unmittelbar vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängt. Das ist aber unschädlich. Das Landesarbeitsgericht hat die Widerklage mit der - knappen - Erwägung abgewiesen, im entscheidungserheblichen Zeitraum habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden, in dem die Beklagte zur Zahlung von Entgelt verpflichtet gewesen sei. Für den Rechtsgrund der Zahlung bezieht es sich erkennbar stillschweigend auf seine Entscheidung über die Kündigungsschutzklage. Dieser hat es mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe den Kläger nicht in beachtlicher, ihren Annahmeverzug beendender Weise zur Arbeit aufgefordert mit der Folge, dass er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte legt im Einzelnen dar, warum diese Rechtsauffassung fehlerhaft sei. Die Sachrügen sind, ihre Berechtigung unterstellt, geeignet, außer der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage auch die Entscheidung über die Widerklage zu Fall zu bringen. Entsprechendes gilt für die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub. Über sie ist - bei sachgerechtem Verständnis - nur im Fall des vollständigen Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu entscheiden.

26

C. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag nicht stattgeben (I.). Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2013 aufgelöst worden ist, steht nicht fest und kann vom Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst entschieden werden (II.). Über die ordentliche Kündigung und über die Ersatzurlaubsansprüche bzw. Ansprüche auf Geldentschädigung ist in Abhängigkeit vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits zu entscheiden. Auch hinsichtlich der Widerklage ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif (III.).

27

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben.

28

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 20; 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 27, 28).

29

2. Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist ein in diesem Sinne „an sich“ die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigender Grund (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 22; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN). Als ein solcher kommt aber auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 517/14 - Rn. 23; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19). Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen (vgl. BGH 13. November 2012 - XI ZR 145/12 - Rn. 28), als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten (zum Inhalt möglicher Nebenleistungspflichten vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 418/09 - Rn. 12). Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - aaO; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32).

30

3. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 22; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161).

31

4. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe den Arbeitsaufforderungen der Beklagten mangels genügender Spezifizierung der Art der künftig von ihm zu leistenden Tätigkeit keine Folge leisten müssen, ist nicht berechtigt. Hiervon ausgehend ist es zu dem rechtsfehlerhaften Ergebnis gelangt, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung liege nicht vor. Es hat übersehen, dass ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zumindest unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht kommt.

32

a) Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, die Beklagte habe den Kläger nach ihrer früheren Kündigung vom 14. Juli 2010 zur Arbeit auffordern müssen, um dessen Arbeitspflicht zu begründen. Die Würdigung ist - auch soweit sie auf der nicht näher begründeten Annahme beruht, die Beklagte habe sich vor der Ladung vom 22. Juli 2013 mit der Annahme der Dienste des Klägers im Verzug befunden - nachvollziehbar.

33

aa) In den früheren Kündigungen - zuletzt der rechtskräftig für unwirksam erklärten fristlosen Kündigung vom 14. Juli 2010 - lag zugleich die Erklärung der Beklagten, sie werde die Arbeitsleistung des Klägers nicht mehr annehmen. Sie geriet damit grundsätzlich in Annahmeverzug, ohne dass es eines - auch nur wörtlichen - Arbeitsangebots des Klägers bedurfte, §§ 295, 296 BGB(vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 12, BAGE 141, 340; 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 216; 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe mwN, BAGE 108, 27). Davon geht die Beklagte, die für die Zeit vom 29. Juni 2010 bis einschließlich Juli 2013 vorbehaltlos Annahmeverzugsvergütung an den Kläger ausgekehrt hat, erkennbar selbst aus. Sie meint lediglich, aufgrund der Nichtbefolgung ihrer Ladungen zum Arbeitsantritt habe ihr Gläubigerverzug spätestens Anfang August 2013 geendet.

34

bb) Die Beendigung des Annahmeverzugs ist gesetzlich nicht besonders geregelt. Er endet in dem Zeitpunkt, in dem seine Voraussetzungen entfallen (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - Rn. 22; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 3 der Gründe, BAGE 90, 329). Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung in Annahmeverzug geraten, muss er, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Die Erledigung des Kündigungsrechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten. Da der Arbeitgeber mit der unwirksamen Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht hat, kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - aaO; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 14 mwN, BAGE 141, 340; grundlegend 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - zu B II 5 b der Gründe, BAGE 46, 234). Einer solchen Aufforderung bedarf es in jedem Fall, wenn für den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - aaO; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - aaO). Nimmt der Arbeitnehmer die Arbeit trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder auf, endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers, weil dann regelmäßig vom Fehlen des Leistungswillens des Arbeitnehmers auszugehen ist. Der Anwendungsbereich des § 297 BGB ist nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer schon vor einer Kündigung nicht zu vertragsgemäßer Arbeitsleistung bereit war(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 16 mwN; APS/Biebl 4. Aufl. § 11 KSchG Rn. 13).

35

cc) Hinsichtlich der Aufforderung, die Arbeit aufzunehmen, braucht der Arbeitgeber keine „Ankündigungsfrist“ einzuhalten. Zwar ist der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung gehalten, seine Arbeitskraft anderweitig zu verwerten, § 615 Satz 2 BGB. Deshalb räumt ihm § 12 KSchG ein Wahlrecht ein: Besteht nach einer Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort und ist der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft die Fortsetzung des (früheren) Arbeitsverhältnisses verweigern. Mit der Erklärung endet das (frühere) Arbeitsverhältnis und es ist ihm nach § 12 Satz 4 KSchG entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. Lässt der Arbeitnehmer die Wochenfrist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeitnehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 18, BAGE 141, 340).

36

b) Diesen Vorgaben werden die Erklärungen der Beklagten grundsätzlich gerecht. Sie hat den Kläger nach Erledigung der vorausgegangenen Kündigungsschutzprozesse mehrmals schriftlich aufgefordert, sich in ihrer Hauptverwaltung „zum Arbeitsantritt“ einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden. Im Zeitpunkt ihres Schreibens vom 22. Juli 2013 war die Wochenfrist des § 12 Satz 1 KSchG verstrichen, ohne dass der Kläger sich auf die Eingehung eines anderen Arbeitsverhältnisses berufen hätte. Die Ladungen enthielten eindeutige Vorgaben zu Ort und Zeitpunkt (24. Juli 2013, 10:00 Uhr bzw. nachfolgend: „unverzüglich“) des erwarteten Dienstantritts.

37

c) Es kann unterstellt werden, dass es zur Bewirkung der vom Kläger geschuldeten Hauptleistung einer Konkretisierung der Art der zu verrichtenden Tätigkeit bedurfte. Eine ggf. erforderliche Spezifizierung brauchte die Beklagte jedenfalls nicht schon bei der Arbeitsaufforderung vorzunehmen. Sie durfte vielmehr das Erscheinen des Klägers im Betrieb abwarten. Die bisherigen Feststellungen berechtigen nicht zu der Annahme, dem Kläger sei schon die bloße Meldung in der Hauptverwaltung unzumutbar gewesen.

38

aa) Die dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung obliegende Mitwirkungshandlung iSd. §§ 295, 296 BGB besteht darin, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen(BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 90, 329; 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - zu II 2 d der Gründe). Daraus folgt aber keine Obliegenheit des Arbeitgebers, neben der grundsätzlich gebotenen Festlegung von Zeit und Ort der Arbeitsaufnahme auch den Inhalt der vom Arbeitnehmer konkret zu leistenden Arbeit bereits bei der Arbeitsaufforderung festzulegen. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer ohne eine solche Konkretisierung außerstande ist, seine Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

39

(1) Die Arbeitsaufforderung hat den Zweck, dem Arbeitnehmer Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der Arbeitgeber ihm die Arbeitsaufnahme nicht länger verwehrt und den Arbeitsplatz - freilich im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen - überhaupt zur Verfügung stellt. Dafür kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob und ggf. welcher konkreten Arbeitsanweisungen es zusätzlich bedarf, um den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seiner Hauptleistungspflicht nachzukommen (BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - zu II 2 d der Gründe). Ausreichend ist vielmehr die Bereitschaft des Arbeitgebers, ggf. erforderliche Konkretisierungshandlungen nach Erscheinen des Arbeitnehmers im Betrieb vorzunehmen (Konzen Anm. AP BGB § 615 Nr. 35). Steht der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest, genügt als Anzeige dieser Bereitschaft grundsätzlich auch eine nicht näher spezifizierte Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers.

40

(2) Für diese Sichtweise spricht auch die Obliegenheit, bei der laufenden Planung des Arbeitseinsatzes billiges Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO) walten zu lassen. Dies kann es erforderlich machen, auf einen vorab abzuklärenden Einarbeitungsbedarf des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen, was umso mehr gilt, wenn die unwirksame Kündigung des Arbeitgebers zu einer längeren Arbeitsunterbrechung geführt hat. Im Übrigen bleibt es dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen, von einer vor Arbeitsantritt vorgenommenen oder avisierten Leistungsbestimmung im Zeitpunkt des Erscheinens des Arbeitnehmers im Betrieb wieder Abstand zu nehmen und den Inhalt der Arbeitsleistung in den Grenzen des § 106 GewO neu festzulegen.

41

(3) Gegenstand des dem Arbeitgeber zukommenden Direktionsrechts ist im Übrigen nicht allein die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers. Ihm unterliegen gleichfalls solche Verhaltenspflichten, die darauf zielen, den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 804/11 - Rn. 23, BAGE 143, 62; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 17; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 45 Rn. 14). Auch dies spricht dafür, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer für unwirksam erklärten Kündigung - sofern er ihm nur einen Arbeitsplatz überhaupt zur Verfügung stellt - zur „Arbeit“ schlicht in der Weise auffordern kann, dass er ihn mit der Maßgabe in den Betrieb einbestellt, sich an einem vorgegebenen Ort zur Entgegennahme weiterer Weisungen bereit zu halten.

42

bb) Kommt der Arbeitnehmer einer ihm insoweit auferlegten Vorbereitungshandlung bewusst nicht nach, kann dies zum einen indizieren, dass ihm die Bereitschaft, Arbeit überhaupt zu leisten, fehlt (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 19, BAGE 141, 340). Zum anderen liegt in dem Verhalten eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, die bei intensiver Weigerung „an sich“ auch eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermag.

43

cc) Der Streitfall weist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Die Beklagte musste die Art der vom Kläger künftig zu leistenden Tätigkeit nicht deshalb vor dem erwarteten Dienstantritt konkretisieren, weil sie womöglich im Zusammenhang mit einer früheren Änderung des Arbeitsbereichs des Klägers in unwirksamer Weise von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht hatte und infolgedessen über den Inhalt der Arbeitspflicht des Klägers Streit bestand.

44

(1) Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Begründung seines nicht rechtskräftigen Urteils vom 31. Januar 2008 gemeint, die Beklagte habe ihr Direktionsrecht bei der fraglichen Änderung des Sachgebiets BW.3 in maßregelnder Weise und damit unter Verstoß gegen § 612a BGB ausgeübt. Eine andere, vertragsgemäße Tätigkeit habe sie dem Kläger im Anschluss nicht mehr übertragen. Die Würdigung ist in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Ihr ist nicht zu entnehmen, ob sich das Landesarbeitsgericht, das sich hier auf ein Begründungselement aus der herangezogenen Entscheidung bezieht, die dortigen Feststellungen konkludent zu eigen gemacht und sie einer eigenen tatrichterlichen Würdigung unterzogen hat, oder ob es - was unzureichend wäre - die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung ungeprüft übernommen hat.

45

(2) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die mit der Änderung des Tätigkeitsbereichs zusammenhängende Leistungsbestimmung nicht lediglich unverbindlich (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB), sondern wegen Verstoßes gegen § 612a BGB aus anderen Gründen unwirksam war. Daraus folgte grundsätzlich aber nur, dass es bis zu einer rechtswirksamen Neuausübung des die Hauptleistungspflicht betreffenden Direktionsrechts durch die Beklagte bei der dem Kläger zuvor zugewiesenen Arbeitsaufgabe verblieb und er nicht verpflichtet war, die Leitung des Sachgebiets BW.3 in der Ausgestaltung, den dieses seit dem 26. April 2006 hatte, auch nur vorläufig zu übernehmen (vgl. dazu BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 239). Auch ein dem Kläger ggf. im Hinblick auf die Änderung seines Tätigkeitsbereichs zukommendes Leistungsverweigerungsrecht (§ 275 Abs. 3 BGB) berechtigte ihn - jenseits der Frage, ob er von dem Recht bereits Gebrauch gemacht hatte - grundsätzlich nicht, Handlungen zu unterlassen, die lediglich der Vorbereitung einer späteren Arbeitsaufnahme dienten und die es der Beklagten ermöglicht hätten, von ihrem Direktionsrecht ggf. erneut und nunmehr rechtswirksam Gebrauch zu machen. Dementsprechend lassen sich aus der bloßen Unwirksamkeit einer vor der Kündigung in Bezug auf die Hauptleistung erteilten Weisung auch keine besonderen Anforderungen an den Inhalt einer dem Arbeitgeber obliegenden Arbeitsaufforderung ableiten. Nichts anderes gilt für die Verurteilung vom 31. Januar 2008. Auch mit ihr war keine Entscheidung darüber getroffen, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte zukünftig von ihrem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen konnte (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - aaO; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 10).

46

dd) Zwar läge keine genügende Arbeitsaufforderung vor, wenn der Beklagten grundsätzlich die Bereitschaft gefehlt hätte, den Kläger vertragsgemäß einzusetzen. Auch käme ggf. ein Weigerungsrecht des Klägers unmittelbar aus oder analog § 275 Abs. 3 BGB in Betracht, wenn er aufgrund äußerer Umstände berechtigten Anlass gehabt hätte, eine generelle Annahmeunwilligkeit der Beklagten zu vermuten. Für beides fehlt es auf der Basis der bisherigen Feststellungen aber an Anhaltspunkten.

47

(1) Das Landesarbeitsgericht hat in diese Richtung ausgeführt, dem Vorbringen der Beklagten „aus Gerichtsverfahren“ sei zu entnehmen, dass sie den Kläger nach Arbeitsantritt erneut nur als Leiter des Sachgebiets BW.3 in der Ausgestaltung habe beschäftigen wollen, den dieses nach der Änderung des Tätigkeitsbereichs seit dem 26. April 2006 gehabt habe. Die Würdigung verletzt, wie die Beklagte mit Recht rügt, § 286 ZPO. Sie lässt nicht erkennen, auf welchen tatsächlichen Grundlagen sie beruht. Es kann deshalb nicht beurteilt werden, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlungen gewürdigt hat, insbesondere ob es sich mit dem Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 28. April 2015 auseinandergesetzt hat, die Tätigkeit, die sie dem Kläger nach seinem Erscheinen in der Hauptverwaltung habe zuweisen wollen, habe der ihr durch das Urteil vom 31. Januar 2008 auferlegten Beschäftigungspflicht entsprochen. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Beklagte habe dem Sachgebiet BW.3 das Vergaberecht entzogen bzw. es bei dem Entzug belassen wollen, widerspricht dies nicht deren Rechtsauffassung. Das Gebiet zählt nicht zu den im Tenor des Urteils vom 31. Januar 2008 einzeln aufgeführten Arbeitsaufgaben.

48

(2) Aber auch wenn die von der Beklagten in den Blick genommene Beschäftigung nicht den Vorgaben der Verurteilung vom 31. Januar 2008 entsprochen hätte, folgte daraus nicht, dass ihr grundsätzlich die Bereitschaft gefehlt hätte, auf etwaige Einwände des Klägers einzugehen und ihm erforderlichenfalls andere Aufgaben zuzuweisen.

49

II. Der Kündigungsschutzantrag ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt ist. Die Entscheidung darüber stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO).

50

1. Die bisherigen Feststellungen bieten - wie gezeigt - keinen genügenden Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagte sei grundsätzlich nicht bereit gewesen, den Kläger vertragsgemäß einzusetzen. Das Vorbringen der Parteien aus den Vorinstanzen liefert dafür keine zusätzlichen Anhaltspunkte. Der Kläger hat lediglich gemeint, die Beklagte habe schon bei früherer Arbeitsaufforderung vom 26. Januar 2010 nicht klargestellt, auf welcher Grundlage sie ihn beschäftigen werde. Dies reicht ebenso wenig aus wie sein Hinweis, die Beklagte habe bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs für das Jahr 2013 seine Urlaubswünsche nicht berücksichtigt. Die Beklagte hat dies mit dem „Verbrauch“ des Urlaubs durch eine im Lauf der Vorprozesse erfolgte vorsorgliche Urlaubsgewährung begründet. Damit hat sie lediglich in einer umstrittenen Rechtsfrage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Da der Kläger auf die mehrfachen Ladungen zum Arbeitsantritt trotz Abmahnung nicht reagiert hat, ist - vorbehaltlich eines ihm aus anderen Gründen zustehenden Rechts, seine Arbeitskraft zurückzuhalten - zumindest von einer beharrlichen, die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten auszugehen.

51

2. Nach dem bisher festgestellten Streitverhältnis spricht wenig dafür, die Weigerung des Klägers in Ausübung des von ihm ausgeübten Zurückbehaltungsrechts (§ 273 Abs. 1 BGB) als gerechtfertigt anzusehen (zum Ausschluss einer Arbeitsverweigerung bei berechtigter Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts vgl. BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 37; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

52

a) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 37; 3. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff.).

53

b) Danach ist, soweit der Kläger geltend gemacht hat, ein Zurückbehaltungsrecht stehe ihm wegen behaupteter Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts zu, schon fraglich, ob er die Beeinträchtigungen durch die pauschale Bezugnahme auf Ausführungen in einem früheren Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hinreichend spezifiziert hatte (zu diesem Erfordernis vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 51). Im Ergebnis dürfte es hierauf nicht ankommen. Soweit der Kläger in Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts die Abgabe einer „betriebsöffentlichen“ Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines unmittelbaren Vorgesetzten verlangt hat, „… da[ss] [er] sich gegenüber der [Beklagten] auch sonst kein kündigungsrelevantes Verhalten ha[be] zu schulden kommen lassen“, ist nicht erkennbar, worauf sich das Verlangen stützt, insbesondere soweit es neben die Erklärung treten sollte, dass alle gegenüber dem Kläger erhobenen Kündigungsvorwürfe unbegründet gewesen seien. Im Übrigen liegt nicht in jeder unberechtigten Kritik, überzogenen Abmahnung und/oder unwirksamen Kündigung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - aaO). Es hätte deshalb einer näheren, auf die einzelnen Vorwürfe bezogenen Darstellung bedurft, warum die maßgebende Schwelle im Streitfall überschritten sein soll. Die Unterbreitung eines Angebots auf Durchführung eines innerbetrieblichen Mediations- oder Supervisionsverfahrens konnte der Kläger schon deshalb nicht in Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durchsetzen, weil die Beklagte Mitglieder des Personalrats in ihrer Funktion als Amtsträger grundsätzlich nicht zur Teilnahme an solchen Verfahren verpflichten kann. Dass die von ihm erbetenen Offerten auf Freiwilligkeit ausgelegt sein sollten, ist dem Schreiben vom 29. Juli 2013 nicht ohne Weiteres zu entnehmen.

54

c) Ein Arbeitnehmer kann das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung zwar auch dann ausüben, wenn er einen fälligen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber erworben hat und der Arbeitgeber diesen nicht erfüllt (vgl. BAG 25. Oktober 1984 - 2 AZR 417/83 - zu II 3 der Gründe). Der Kläger hat aber nicht aufgezeigt, dass ihm nach der Anfang August 2013 bewirkten Zahlung von Verzugszinsen noch eine fällige Gehaltsforderung einschließlich etwaiger Nebenforderungen zugestanden habe. Soweit er sich im Schreiben vom 29. Juli 2013 darauf bezogen hat, ihm zugeflossene Nettobeträge seien zu gering, fehlt es an einer nachvollziehbaren Berechnung des Anspruchs. Ansprüche des Klägers auf Höhergruppierung haben die Vorinstanzen - insoweit rechtskräftig - abgewiesen. Damit steht - soweit ersichtlich - fest, dass dem Kläger auch aus einem solchen Grund keine weiter gehenden Zahlungsansprüche zugestanden haben.

55

3. Auch wenn es auf der Basis der bisherigen Feststellungen eher fernliegen dürfte anzunehmen, der Kläger habe wirksam von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, muss die abschließende Beurteilung, die auch auf tatsächlichem Gebiet liegt, dem Landesarbeitsgericht vorbehalten bleiben.

56

4. Abgesehen davon hat das Landesarbeitsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt ausgehend konsequent - keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und damit die Prüfung unterlassen, ob das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiegt (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 35, BAGE 150, 109; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28). Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Dabei wird insbesondere auf einen möglichen Rechtsirrtum des Klägers über ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht Bedacht zu nehmen sein. Ein solcher Irrtum wäre, auch wenn er für den Kläger auflösbar und vermeidbar gewesen sein mag, für die Interessenabwägung nicht von vornherein bedeutungslos (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 40; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44). Im Streitfall könnte er sich jedenfalls dann zugunsten des Klägers auswirken, wenn rechtswidrige Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht objektiv vorgelegen haben sollten, was nach seinem - bestrittenen - Vorbringen nicht ausgeschlossen erscheint. Auch dann bliebe es zwar bei der unwirksamen Ausübung des Rechts und hätte der Kläger aufgrund der nachdrücklichen Abmahnungen der Beklagten hinreichenden Anlass gehabt, seine Rechtsausübung auf Angemessenheit zu überprüfen. Gleichwohl erschiene die Pflichtverletzung in einem milderen Licht, was bei der Interessenabwägung zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wäre.

57

5. Die fristlose Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt wäre. Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger sei grundsätzlich nicht bereit gewesen, ihren Ladungen zu folgen und seine Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich bis zum Kündigungszeitpunkt fortlaufend neu verwirklichte (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45).

58

6. Auf andere Unwirksamkeitsgründe hat sich der Kläger nicht berufen.

59

III. Der Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren, in die Revision gelangten Streitgegenstände.

60

1. Über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung ist nur zu entscheiden, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Sollte der Antrag dem Landesarbeitsgericht erneut zur Entscheidung anfallen, wird es zunächst weiterhin davon ausgehen können, dass sich der Kündigungsschutzantrag trotz verkürzter Formulierung auf beide am 27. September 2013 erklärte Kündigungen bezieht. Darüber hinaus wird es zu berücksichtigen haben, dass seine Würdigung, die Kündigung sei mangels kündigungsrelevanter Pflichtverletzung sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KSchG, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht tragfähig ist.

61

2. Die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub sind - jedenfalls seit ihrer Verbindung mit dem Kündigungsschutzantrag - als uneigentliche Hilfsanträge zu diesem zu verstehen. Die Entscheidung über sie hängt davon ab, dass sich keine der beiden Kündigungen als wirksam erweist. Im Alternativverhältnis dazu steht - was den Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 betrifft - der „echte“ Hilfsantrag auf Entschädigung in Geld, der erkennbar für den Fall gestellt ist, dass auch nur eine der beiden Kündigungen Bestand hat und damit die Gewährung des Ersatzurlaubs wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Betracht kommt.

62

3. Sollten ihm die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub erneut zur Entscheidung anfallen, wird das Landesarbeitsgericht - auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens - im Ergebnis weiter davon ausgehen können, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von je 32 Arbeitstagen Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 hat. Sollte es auf den Entschädigungsanspruch ankommen, wird es ergänzende Feststellungen insbesondere zur Anspruchshöhe zu treffen haben. Von dahin gehenden Hinweisen sieht der Senat ab.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsanträge mit Recht für zulässig erachtet. Ein Vorrang der Leistungsklage besteht nicht (BAG 15. Dezember 2015 - 9 AZR 747/14 - Rn. 9).

64

b) Anspruchsgrundlage sind § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um (BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 507/14 - Rn. 21; 3. Juni 2014 - 9 AZR 944/12 - Rn. 10 mwN).

65

c) Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend angenommen, der Urlaubsanspruch des Klägers sei in den Jahren 2008 bis 2010 im Umfang von je 32 (Arbeits-)Tagen entstanden und nicht durch Erfüllung erloschen.

66

aa) Zwischen den Parteien bestand im fraglichen Zeitraum und darüber hinaus bis jedenfalls zum 27. September 2013 ein Arbeitsverhältnis. Gemäß § 21 TKT (idF des ÄnderungsTV vom 12. September 2006) hatte der Kläger Anspruch auf 32 Arbeitstage Urlaub jährlich. Der Anspruch wird durch eine mit Wirkung zum 1. Januar 2012 erfolgte Neufassung der Vorschrift nicht berührt. Der tarifliche Jahresurlaub schließt den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) ein.

67

bb) Nach den bisherigen Feststellungen stellte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3. November 2008 unwiderruflich unter Anrechnung auf den tariflichen Erholungsurlaub für das Jahr 2008 von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. August 2009 gab sie für das Jahr 2009 und mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 sowie 23. Februar 2010 für das Jahr 2010 entsprechende Erklärungen ab. Mit diesen Freistellungen, die jeweils im Verlauf schwebender Kündigungsschutzverfahren erfolgten, hat sie die betreffenden Urlaubsansprüche des Klägers nicht erfüllt.

68

(1) Zwar kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst (BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Eine wirksame Urlaubsgewährung liegt darin nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber nur dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt (BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 18, BAGE 150, 355).

69

(2) Die Beklagte behauptet selbst nicht, sie habe entsprechende Zahlungen oder Zusagen vorgenommen. Sie meint nur, der Rechtssatz aus der Entscheidung vom 10. Februar 2015 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Das trifft nicht zu.

70

(a) Wie der Neunte Senat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt hat, ist der Urlaubsanspruch nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat vielmehr jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Vorschrift entspricht der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird (im Einzelnen dazu BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 21 bis 23, BAGE 150, 355).

71

(b) Die Ausführungen beziehen sich nicht nur auf den der Entscheidung vom 10. Februar 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt einer nach fristloser Kündigung des Arbeitgebers erfolgten Freistellung des Arbeitnehmers für die Dauer der Kündigungsfrist einer zugleich erklärten ordentlichen Kündigung. Sie beanspruchen darüber hinaus Geltung.

72

(c) Soweit die Beklagte auf ihre objektive Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verweist, übersieht sie, dass es hierauf nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Arbeitnehmer losgelöst vom Streit über die Wirksamkeit der Kündigung seiner Urlaubsvergütung sicher sein kann. Das Argument der Beklagten, die Höhe des Bruttomonatseinkommens des Klägers stehe den angestellten Zumutbarkeitserwägungen entgegen, verfängt ebenso wenig. Es versteht sich von selbst, dass sich ein Arbeitnehmer bei der Urlaubsgestaltung an der Höhe seiner Urlaubsvergütung orientiert und orientieren darf.

73

(3) Dem Kläger ist es nicht unter dem Gesichtspunkt missbräuchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Urlaubsgewährungen zu berufen (zu den Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53, BAGE 141, 1; BGH 15. November 2012 - IX ZR 103/11 - Rn. 12). Zwar kann bspw. der Arbeitnehmer, wenn er mit der zeitlichen Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber nicht einverstanden ist, gehalten sein, dem Arbeitgeber die Annahmeverweigerung unverzüglich mitzuteilen, und das Unterlassen einer solchen Mitteilung kann rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 19, BAGE 119, 232). Dies bedeutet aber nicht, dass Rechtsmissbrauch auch dann in Betracht käme, wenn die Freistellungserklärung - wie hier - von vornherein nicht geeignet war, den Anspruch zu erfüllen.

74

cc) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Kläger den Urlaub rechtzeitig verlangt hat. Es hat gemeint, eines solchen Verlangens habe es nicht bedurft, weil die Beklagte die Ansprüche als solche mit den Freistellungen bestätigt habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hatte Urlaub zum Zwecke der Erfüllung des Anspruchs vorsorglich erteilt. Daraus konnte der Kläger grundsätzlich nicht schließen, sie stelle die Ansprüche unabhängig von der Eignung ihrer Erklärung streitlos, der angestrebten Kumulation von Urlaubsansprüchen vorzubeugen, oder sie verzichte für den Fall, dass der Kläger die Ansprüche nicht als erfüllt ansehe, auf deren Geltendmachung. Im Ergebnis dürfte es hierauf aber nicht ankommen.

75

(1) Nach den Feststellungen im Berufungsurteil hatte der Kläger mit Schreiben vom 10. November 2008 um Gewährung des ihm für das Jahr 2008 zustehenden Urlaubs gebeten. Betreffend den Urlaub für die beiden Folgejahre hat er - soweit ersichtlich unbestritten - vorgetragen, er habe die Beklagte mit Einschreiben vom 25. November 2009 und vom 22. November 2010 jeweils zur Urlaubsgewährung aufgefordert.

76

(2) Die Verlangen waren rechtzeitig. Die in den Jahren 2008, 2009 und 2010 entstandenen Urlaubsansprüche, die auch während der laufenden Kündigungsschutzprozesse grundsätzlich erfüllt werden konnten, waren nicht am 31. Dezember des jeweiligen Jahres untergegangen, sondern konnten gemäß § 23 Abs. 1 TKT ohne Bindung an weitere Voraussetzungen noch bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres gewährt und genommen werden. Nach dieser Bestimmung „verfällt“ Urlaub, „der nicht spätestens drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres genommen wird, ohne Anspruch auf Geldentschädigung; es sei denn, dass er erfolglos schriftlich geltend gemacht worden ist“. Die Regelung erweitert - unter Berücksichtigung der Festlegung in § 20 Abs. 1 Satz 2 TKT, nach der Urlaubsjahr das Kalenderjahr ist - gegenüber § 7 Abs. 3 BUrlG den Zeitraum, in dem der Urlaub aus einem bestimmten Kalenderjahr gewährt und genommen werden kann, auf das erste Quartal des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres. Sie bestimmt die Voraussetzungen des Verfalls des Urlaubs, auch soweit er den gesetzlichen Mindesturlaub einschließt, erkennbar abschließend.

77

dd) Einer Mahnung bedurfte es, ausgehend von den Behauptungen zur Geltendmachung der Urlaubsansprüche, nicht. Die Beklagte hatte dem Kläger lediglich „vorsorglich“ Urlaub erteilt, ohne vorab das Entgelt zu zahlen oder vorbehaltlos zuzusagen. Auf dessen - soweit ersichtlich - zeitlich nachfolgende Urlaubsverlangen hat sie nicht mehr reagiert. Unter diesen Umständen durfte der Kläger annehmen, die Beklagte gehe davon aus, alles zur Erfüllung der Ansprüche Erforderliche getan zu haben, und musste sich eine Mahnung als bloße Förmelei erweisen (BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 760/11 - Rn. 14).

78

ee) Der daraus erwachsene Schadensersatzanspruch unterliegt keiner gesetzlichen Befristung. Der Ersatzurlaub brauchte deshalb nicht erneut geltend gemacht zu werden. Ob der Ersatzurlaub der einstufigen tariflichen Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 TKT unterliegt, bedarf keiner Entscheidung. Sie wäre jedenfalls durch die Aufforderungen des Klägers zur Urlaubsgewährung auch hinsichtlich des Ersatzurlaubs gewahrt (vgl. BAG 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12; 15. November 2005 - 9 AZR 633/04 - Rn. 41).

79

ff) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Der Ersatzurlaubsanspruch unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 37). Seinen frühestens am 31. März 2009 entstandenen Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaubsgewährung für Urlaub aus dem Jahr 2008 hat der Kläger durch Klageerweiterung im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 gerichtlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Schluss des Jahres 2009 begonnene Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 1 BGB)noch nicht abgelaufen. Der Eintritt der Verjährung der frühestens am 31. März 2010 bzw. 31. März 2011 entstandenen Schadensersatzansprüche auf Gewährung von Ersatzurlaub für Urlaub aus den Jahren 2009 bzw. 2010 wurde durch Feststellungsklage vom 23. Dezember 2013, die der Beklagten am 8. Januar 2014 „demnächst“ (§ 167 ZPO) zugestellt worden ist, gehemmt.

80

4. Die Sache ist auch hinsichtlich der Widerklage nicht zur Endentscheidung reif.

81

a) Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob der Kläger verpflichtet war, den Ladungen der Beklagten zum Arbeitsantritt zu folgen. Bejahendenfalls wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob und ggf. ab wann der Kläger leistungsunwillig war und sich selbst außerstande gesetzt hat, die Arbeitsleistung zu bewirken mit der Folge, dass ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für die Zukunft entfiel.

82

b) Für die Tage nach Zugang der fristlosen Kündigung beim Kläger hängt die Entscheidung über die Widerklage unmittelbar vom Ausgang des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung ab.

83

5. Soweit sich die Aufhebung und Zurückverweisung auf den Ausspruch in Ziff. 1 des Tenors des Urteils des Landesarbeitsgerichts bezieht, war zur Klarstellung das Datum des (teilweise) abgeänderten Urteils des Arbeitsgerichts (- 3 Ca 143/12 -) auf den 13. Juni 2012 zu berichtigen (vgl. dazu auch auf Seite 8, 3. Absatz des Berufungsurteils).

84

D. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 1. Dezember 2011 - 9 Sa 146/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1. August 2004 beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.450,00 Euro.

3

Der von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Arbeitsvertrag vom 29./31. Juli 2004 lautet auszugsweise:

        

§ 5   

        

Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen

        

... [Abs. 1 bis Abs. 4 befassen sich mit dem Urlaubsanspruch]

        

Freiwillige Soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt:

        

-       

Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 € pro Urlaubstag.

        

-       

Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehaltes im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehaltes.

        

-       

Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 € pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

                          
        

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

4

In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Novembervergütung Weihnachtsgeld in der im Arbeitsvertrag angegebenen gestaffelten Höhe. Anlässlich der Zahlung erhielt der Kläger jeweils ein Schreiben, in dem es heißt:

        

„…    

        

Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.

        

Wird das Arbeitsverhältnis durch Sie gekündigt oder erfolgt die Kündigung durch uns aus Gründen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, oder aber endet das Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertragsbruch, so ist die Zuwendung zurückzuzahlen, wenn sie mehr als EURO 100,00 beträgt und das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des Folgejahres beendet wird. Die Zahlung gilt insoweit als Vorschuss und kann bei der Endabrechnung verrechnet werden.

        

Durch die Entgegennahme der Zuwendung wird das Einverständnis mit den vorstehenden Bedingungen bekundet.

        

…“    

5

Im Jahr 2009 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Im Dezember 2010 erhielt der Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 880,00 Euro brutto, mit der die Beklagte „die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen“ wollte; ein Weihnachtsgeld nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde nicht gezahlt.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts (2.205,00 Euro) und für das Jahr 2010 in Höhe eines vollen Monatsgehalts (2.450,00 Euro) zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrags. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert würden, sei es widersprüchlich, sie zugleich an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Die Klausel sei unklar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.205,00 Euro seit 1. Dezember 2009 und aus weiteren 2.450,00 Euro seit 1. Dezember 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe sich nicht verpflichtet, Weihnachtsgeld ohne gesetzliche oder kollektivrechtliche Grundlage dauerhaft zu zahlen. Dies ergebe sich eindeutig aus der arbeitsvertraglichen Regelung; der entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalt sei wirksam. In § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags sei ausdrücklich von „freiwilligen sozialen Leistungen“ die Rede. Damit sei keineswegs ein vorbehaltloser Anspruch vertraglich zugesichert und nachträglich unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt worden. Vielmehr sei von Anfang an geregelt, dass für diese freiwillige Leistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft bestehe. Für die Arbeitnehmer habe keine Unklarheit bestanden.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts und für das Jahr 2010 in Höhe eines Monatsgehalts. Der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt steht dem nicht entgegen.

11

I. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

12

Die Beklagte setzt sich in ihrer Revisionsbegründung vom 10. April 2012 ausreichend mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auseinander. Sie greift dabei insbesondere mit Bezug auf die verschiedenen Argumente des Landesarbeitsgerichts dessen Annahme an, § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags gewähre einen Rechtsanspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sollte die Revision mit dieser Ansicht durchdringen, könnte der Klage jedenfalls mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht stattgegeben werden. Damit genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO (vgl. dazu zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10, NZA 2011, 878).

13

II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

14

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 hat. Dem steht der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Vielmehr ist dieser unwirksam.

15

a) Bei der von der Beklagten in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294).

16

Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).

17

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Nach dieser Regelung wird ihm ein Weihnachtsgeld „gewährt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45 mwN, BAGE 127, 185). Für den Begriff „gewährt“ gilt nichts anderes. Darüber hinaus ist die Höhe der Leistung präzise festgelegt, und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils zehn Prozentpunkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts (zur präzisen Höhenangabe: vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - aaO). Dem steht nicht entgegen, dass das Weihnachtsgeld sowohl in der Überschrift des § 5 als auch in dessen Absatz 5 als „freiwillige soziale Leistung“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung als freiwillig kann auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151). Sie genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss eines Rechtsanspruchs aus der Formulierung „zur Zeit werden gewährt“. Dies bringt lediglich zum Ausdruck, mit welcher konkreten Höhe der Zahlung der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen darf, ohne dass dem entnommen werden könnte, dass sich der Arbeitgeber damit einen völligen Entzug der Leistung vorbehalten wollte. Dies gilt insbesondere im Kontext der konkreten Euro-Beträge des Urlaubsgeldes und der vermögenswirksamen Leistungen. Zwar erscheint auch die von der Beklagten vertretene Auslegung möglich, wonach sich aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch ergibt. Der Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss aber bei Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen.

18

c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll. Diese Regelung verstößt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

19

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). So liegt der Fall hier.

20

bb) Der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichnet die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen einschließlich der Weihnachtsgratifikation nicht nur als freiwillig, sondern will „in jedem Einzelfall“ ausschließen, dass deren Zahlung einen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Wortlaut dieser Abrede ist zwar eindeutig, sie schließt einen Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus. Die Bestimmung steht aber im Widerspruch zu dem nach § 5 Abs. 5 Satz 2 gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und unwirksam(vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation: BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45, BAGE 127, 185). Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen.

21

d) Es kann dahinstehen, ob die bei jeder Zahlung erklärten Vorbehalte für sich genommen wirksam wären (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43) und einen Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung verhindern könnten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger nicht geltend; seinen vertraglichen Anspruch aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags können spätere einseitige Erklärungen der Arbeitgeberin nicht beseitigen. Von einem Einverständnis des Klägers wegen dessen widerspruchsloser Entgegennahme der Zuwendung in den Jahren 2004 bis 2008 durfte die Beklagte nicht ausgehen. Da der Kläger bereits einen vertraglichen Anspruch hatte, kam der Entgegennahme der Zuwendung nicht die von der Beklagten gewünschte Bedeutung zu.

22

2. Die Höhe der Forderung für die Jahre 2009 und 2010 ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auch nicht mehr geltend gemacht, die Sonderzahlung von 880,00 Euro sei auf die streitgegenständliche Forderung geleistet worden. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 und § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

23

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Baschnagel    

        

    Großmann    

                 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 1. Dezember 2011 - 9 Sa 146/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1. August 2004 beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.450,00 Euro.

3

Der von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Arbeitsvertrag vom 29./31. Juli 2004 lautet auszugsweise:

        

§ 5   

        

Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen

        

... [Abs. 1 bis Abs. 4 befassen sich mit dem Urlaubsanspruch]

        

Freiwillige Soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt:

        

-       

Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 € pro Urlaubstag.

        

-       

Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehaltes im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehaltes.

        

-       

Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 € pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

                          
        

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

4

In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Novembervergütung Weihnachtsgeld in der im Arbeitsvertrag angegebenen gestaffelten Höhe. Anlässlich der Zahlung erhielt der Kläger jeweils ein Schreiben, in dem es heißt:

        

„…    

        

Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.

        

Wird das Arbeitsverhältnis durch Sie gekündigt oder erfolgt die Kündigung durch uns aus Gründen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, oder aber endet das Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertragsbruch, so ist die Zuwendung zurückzuzahlen, wenn sie mehr als EURO 100,00 beträgt und das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des Folgejahres beendet wird. Die Zahlung gilt insoweit als Vorschuss und kann bei der Endabrechnung verrechnet werden.

        

Durch die Entgegennahme der Zuwendung wird das Einverständnis mit den vorstehenden Bedingungen bekundet.

        

…“    

5

Im Jahr 2009 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Im Dezember 2010 erhielt der Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 880,00 Euro brutto, mit der die Beklagte „die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen“ wollte; ein Weihnachtsgeld nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde nicht gezahlt.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts (2.205,00 Euro) und für das Jahr 2010 in Höhe eines vollen Monatsgehalts (2.450,00 Euro) zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrags. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert würden, sei es widersprüchlich, sie zugleich an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Die Klausel sei unklar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.205,00 Euro seit 1. Dezember 2009 und aus weiteren 2.450,00 Euro seit 1. Dezember 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe sich nicht verpflichtet, Weihnachtsgeld ohne gesetzliche oder kollektivrechtliche Grundlage dauerhaft zu zahlen. Dies ergebe sich eindeutig aus der arbeitsvertraglichen Regelung; der entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalt sei wirksam. In § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags sei ausdrücklich von „freiwilligen sozialen Leistungen“ die Rede. Damit sei keineswegs ein vorbehaltloser Anspruch vertraglich zugesichert und nachträglich unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt worden. Vielmehr sei von Anfang an geregelt, dass für diese freiwillige Leistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft bestehe. Für die Arbeitnehmer habe keine Unklarheit bestanden.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts und für das Jahr 2010 in Höhe eines Monatsgehalts. Der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt steht dem nicht entgegen.

11

I. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

12

Die Beklagte setzt sich in ihrer Revisionsbegründung vom 10. April 2012 ausreichend mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auseinander. Sie greift dabei insbesondere mit Bezug auf die verschiedenen Argumente des Landesarbeitsgerichts dessen Annahme an, § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags gewähre einen Rechtsanspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sollte die Revision mit dieser Ansicht durchdringen, könnte der Klage jedenfalls mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht stattgegeben werden. Damit genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO (vgl. dazu zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10, NZA 2011, 878).

13

II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

14

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 hat. Dem steht der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Vielmehr ist dieser unwirksam.

15

a) Bei der von der Beklagten in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294).

16

Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).

17

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Nach dieser Regelung wird ihm ein Weihnachtsgeld „gewährt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45 mwN, BAGE 127, 185). Für den Begriff „gewährt“ gilt nichts anderes. Darüber hinaus ist die Höhe der Leistung präzise festgelegt, und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils zehn Prozentpunkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts (zur präzisen Höhenangabe: vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - aaO). Dem steht nicht entgegen, dass das Weihnachtsgeld sowohl in der Überschrift des § 5 als auch in dessen Absatz 5 als „freiwillige soziale Leistung“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung als freiwillig kann auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151). Sie genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss eines Rechtsanspruchs aus der Formulierung „zur Zeit werden gewährt“. Dies bringt lediglich zum Ausdruck, mit welcher konkreten Höhe der Zahlung der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen darf, ohne dass dem entnommen werden könnte, dass sich der Arbeitgeber damit einen völligen Entzug der Leistung vorbehalten wollte. Dies gilt insbesondere im Kontext der konkreten Euro-Beträge des Urlaubsgeldes und der vermögenswirksamen Leistungen. Zwar erscheint auch die von der Beklagten vertretene Auslegung möglich, wonach sich aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch ergibt. Der Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss aber bei Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen.

18

c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll. Diese Regelung verstößt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

19

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). So liegt der Fall hier.

20

bb) Der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichnet die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen einschließlich der Weihnachtsgratifikation nicht nur als freiwillig, sondern will „in jedem Einzelfall“ ausschließen, dass deren Zahlung einen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Wortlaut dieser Abrede ist zwar eindeutig, sie schließt einen Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus. Die Bestimmung steht aber im Widerspruch zu dem nach § 5 Abs. 5 Satz 2 gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und unwirksam(vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation: BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45, BAGE 127, 185). Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen.

21

d) Es kann dahinstehen, ob die bei jeder Zahlung erklärten Vorbehalte für sich genommen wirksam wären (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43) und einen Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung verhindern könnten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger nicht geltend; seinen vertraglichen Anspruch aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags können spätere einseitige Erklärungen der Arbeitgeberin nicht beseitigen. Von einem Einverständnis des Klägers wegen dessen widerspruchsloser Entgegennahme der Zuwendung in den Jahren 2004 bis 2008 durfte die Beklagte nicht ausgehen. Da der Kläger bereits einen vertraglichen Anspruch hatte, kam der Entgegennahme der Zuwendung nicht die von der Beklagten gewünschte Bedeutung zu.

22

2. Die Höhe der Forderung für die Jahre 2009 und 2010 ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auch nicht mehr geltend gemacht, die Sonderzahlung von 880,00 Euro sei auf die streitgegenständliche Forderung geleistet worden. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 und § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

23

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Baschnagel    

        

    Großmann    

                 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.

(2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

(3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 1. Dezember 2011 - 9 Sa 146/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1. August 2004 beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.450,00 Euro.

3

Der von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Arbeitsvertrag vom 29./31. Juli 2004 lautet auszugsweise:

        

§ 5   

        

Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen

        

... [Abs. 1 bis Abs. 4 befassen sich mit dem Urlaubsanspruch]

        

Freiwillige Soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt:

        

-       

Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 € pro Urlaubstag.

        

-       

Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehaltes im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehaltes.

        

-       

Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 € pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

                          
        

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

4

In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Novembervergütung Weihnachtsgeld in der im Arbeitsvertrag angegebenen gestaffelten Höhe. Anlässlich der Zahlung erhielt der Kläger jeweils ein Schreiben, in dem es heißt:

        

„…    

        

Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.

        

Wird das Arbeitsverhältnis durch Sie gekündigt oder erfolgt die Kündigung durch uns aus Gründen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, oder aber endet das Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertragsbruch, so ist die Zuwendung zurückzuzahlen, wenn sie mehr als EURO 100,00 beträgt und das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des Folgejahres beendet wird. Die Zahlung gilt insoweit als Vorschuss und kann bei der Endabrechnung verrechnet werden.

        

Durch die Entgegennahme der Zuwendung wird das Einverständnis mit den vorstehenden Bedingungen bekundet.

        

…“    

5

Im Jahr 2009 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Im Dezember 2010 erhielt der Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 880,00 Euro brutto, mit der die Beklagte „die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen“ wollte; ein Weihnachtsgeld nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde nicht gezahlt.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts (2.205,00 Euro) und für das Jahr 2010 in Höhe eines vollen Monatsgehalts (2.450,00 Euro) zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrags. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert würden, sei es widersprüchlich, sie zugleich an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Die Klausel sei unklar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.205,00 Euro seit 1. Dezember 2009 und aus weiteren 2.450,00 Euro seit 1. Dezember 2010 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe sich nicht verpflichtet, Weihnachtsgeld ohne gesetzliche oder kollektivrechtliche Grundlage dauerhaft zu zahlen. Dies ergebe sich eindeutig aus der arbeitsvertraglichen Regelung; der entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalt sei wirksam. In § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags sei ausdrücklich von „freiwilligen sozialen Leistungen“ die Rede. Damit sei keineswegs ein vorbehaltloser Anspruch vertraglich zugesichert und nachträglich unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt worden. Vielmehr sei von Anfang an geregelt, dass für diese freiwillige Leistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft bestehe. Für die Arbeitnehmer habe keine Unklarheit bestanden.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts und für das Jahr 2010 in Höhe eines Monatsgehalts. Der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt steht dem nicht entgegen.

11

I. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

12

Die Beklagte setzt sich in ihrer Revisionsbegründung vom 10. April 2012 ausreichend mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auseinander. Sie greift dabei insbesondere mit Bezug auf die verschiedenen Argumente des Landesarbeitsgerichts dessen Annahme an, § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags gewähre einen Rechtsanspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sollte die Revision mit dieser Ansicht durchdringen, könnte der Klage jedenfalls mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht stattgegeben werden. Damit genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO (vgl. dazu zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - Rn. 10, NZA 2011, 878).

13

II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

14

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 hat. Dem steht der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Vielmehr ist dieser unwirksam.

15

a) Bei der von der Beklagten in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294).

16

Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).

17

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Nach dieser Regelung wird ihm ein Weihnachtsgeld „gewährt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45 mwN, BAGE 127, 185). Für den Begriff „gewährt“ gilt nichts anderes. Darüber hinaus ist die Höhe der Leistung präzise festgelegt, und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils zehn Prozentpunkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts (zur präzisen Höhenangabe: vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - aaO). Dem steht nicht entgegen, dass das Weihnachtsgeld sowohl in der Überschrift des § 5 als auch in dessen Absatz 5 als „freiwillige soziale Leistung“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung als freiwillig kann auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151). Sie genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss eines Rechtsanspruchs aus der Formulierung „zur Zeit werden gewährt“. Dies bringt lediglich zum Ausdruck, mit welcher konkreten Höhe der Zahlung der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen darf, ohne dass dem entnommen werden könnte, dass sich der Arbeitgeber damit einen völligen Entzug der Leistung vorbehalten wollte. Dies gilt insbesondere im Kontext der konkreten Euro-Beträge des Urlaubsgeldes und der vermögenswirksamen Leistungen. Zwar erscheint auch die von der Beklagten vertretene Auslegung möglich, wonach sich aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch ergibt. Der Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss aber bei Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen.

18

c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll. Diese Regelung verstößt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend annimmt - gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

19

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 22, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). So liegt der Fall hier.

20

bb) Der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichnet die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen einschließlich der Weihnachtsgratifikation nicht nur als freiwillig, sondern will „in jedem Einzelfall“ ausschließen, dass deren Zahlung einen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Wortlaut dieser Abrede ist zwar eindeutig, sie schließt einen Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus. Die Bestimmung steht aber im Widerspruch zu dem nach § 5 Abs. 5 Satz 2 gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und unwirksam(vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation: BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 45, BAGE 127, 185). Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen.

21

d) Es kann dahinstehen, ob die bei jeder Zahlung erklärten Vorbehalte für sich genommen wirksam wären (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43) und einen Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung verhindern könnten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger nicht geltend; seinen vertraglichen Anspruch aus § 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrags können spätere einseitige Erklärungen der Arbeitgeberin nicht beseitigen. Von einem Einverständnis des Klägers wegen dessen widerspruchsloser Entgegennahme der Zuwendung in den Jahren 2004 bis 2008 durfte die Beklagte nicht ausgehen. Da der Kläger bereits einen vertraglichen Anspruch hatte, kam der Entgegennahme der Zuwendung nicht die von der Beklagten gewünschte Bedeutung zu.

22

2. Die Höhe der Forderung für die Jahre 2009 und 2010 ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auch nicht mehr geltend gemacht, die Sonderzahlung von 880,00 Euro sei auf die streitgegenständliche Forderung geleistet worden. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 und § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

23

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Baschnagel    

        

    Großmann    

                 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 25. Juli 2013 - 5 Sa 525/11 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den Beklagten, seinen ehemaligen Vorgesetzten, auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch. Zum Ersatz immateriellen Schadens sei der Beklagte verpflichtet, weil er den Kläger von 2006 bis Anfang 2008 „gemobbt“ habe.

2

Der 1958 geborene Kläger, der das Erste juristische Staatsexamen abgelegt hat, war bei der P GmbH und deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 23. Juli 1990 beschäftigt, zuletzt als Personalfachberater/Fachberater Arbeitsrecht mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 4.500,00 Euro. Die P GmbH war die Dachgesellschaft aller Versandhandelsmarken der 2009 in Insolvenz geratenen A AG, vormals K AG. Einem Zwischenzeugnis vom 31. Mai 2006 zufolge führte der Kläger die ihm übertragenen Aufgaben „stets zur … vollsten Zufriedenheit“ der Arbeitgeberin aus, in den Jahren 2001 und 2006 erhielt er für herausragende Leistungen Sonderprämien.

3

Anfang Juni 2006 wurde die bisherige Abteilung des Klägers mit einer weiteren zu einer neuen Abteilung zusammengelegt, in der nur noch Volljuristen Sachbearbeiter sein sollten. Die Abteilungsleiterin der neu gebildeten Abteilung war dem Beklagten unterstellt. In die neue Abteilung wurde der Kläger nicht aufgenommen, vielmehr wurde auch er dem Beklagten als Vorgesetzten unmittelbar unterstellt.

4

Der Beklagte teilte dem Kläger am 17. Juli 2006 mit, dass er sich - extern im Wege des Outplacements - eine andere Stelle suchen solle, in der neu gebildeten Abteilung könne er nicht mehr beschäftigt werden. Bewerbungen des Klägers auf andere Stellen im Unternehmen blieben erfolglos. In der Folgezeit leitete der Beklagte als direkter Vorgesetzter des Klägers eine Reihe von Maßnahmen ein, die dieser als „Mobbing“ in Form der Isolierung, Herabwürdigung, Schikane wertete. Nachdem der Kläger in zwei E-Mails den Vorwurf des Mobbings erhoben hatte, wurde er mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 9. März 2007 abgemahnt, eine weitere, vom Beklagten unterzeichnete Abmahnung wurde unter dem 25. Mai 2007 wegen Nichterledigung eines Auftrages ausgesprochen. In dem dazu geführten Rechtsstreit einigten sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung des Berufungsrechtszugs am 21. Juli 2009 darauf, beide Abmahnungen als gegenstandslos zu betrachten.

5

2007 erkrankte der Kläger an einem chronischen Überlastungssyndrom und Depression. Er war an insgesamt 52 Tagen in drei Krankheitszeiträumen arbeitsunfähig. 2008 konnte der Kläger an 216 Tagen nicht arbeiten, im Jahre 2009 durchgängig bis zum August. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis, das schließlich endgültig am 28. Februar 2010 endete.

6

Der Kläger hat behauptet, die letzte Einzelhandlung des Mobbings habe am 4. Februar 2008 stattgefunden, durch sein Vorgehen habe der Beklagte die erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten und die zugrunde liegende schwere Erkrankung ausgelöst.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn wegen Mobbings ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, mindestens jedoch 10.000,00 Euro.

8

Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags hat der Beklagte abgestritten, gegenüber dem Kläger Mobbinghandlungen vorgenommen zu haben. Die den Kläger betreffenden Maßnahmen seien der Umstrukturierung geschuldet gewesen. Der Beklagte hat im Übrigen die Einrede der Verjährung erhoben und im Berufungsrechtszug zudem die Auffassung vertreten, ein etwaiger Schmerzensgeldanspruch sei jedenfalls verwirkt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da dem Beklagten Mobbing im Sinne der Rechtsprechung nicht vorgeworfen werden könne. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg, das seine Entscheidung ausschließlich auf den Gesichtspunkt der Verwirkung gestützt hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe einen etwaigen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens verwirkt.

11

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wie bei vertraglichen oder tariflichen Ausschlussfristen beginne der eine Verwirkung auslösende Zeitraum mit der zeitlich letzten behaupteten Mobbinghandlung. Mit der Geltendmachung seines Schmerzensgeldanspruchs durch die am 28. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage habe der Kläger „annähernd zwei Jahre“ zugewartet. Dadurch habe der Kläger unter Verstoß gegen Treu und Glauben das Interesse des Beklagten missachtet, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das Interesse des Beklagten als Anspruchsgegner, dem Dokumentationserfordernis zu genügen, falle ins Gewicht. Die Dokumentationserfordernis- und Beweisprobleme seien der Situation vergleichbar, die den Gesetzgeber für Schadensersatz- oder Entschädigungsforderungen nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zu einer zweimonatigen Geltendmachungsfrist(§ 15 Abs. 4 AGG) veranlasst hätte. Der Kläger habe nach Abschluss des Verfahrens um die beiden Abmahnungen am 21. Juli 2009 von einer „zeitnahen“ Klärung seiner Mobbingvorwürfe abgesehen. Auch nach Erhalt der Kündigung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Unternehmensgruppe der Arbeitgeberin sei der Kläger nicht aktiv geworden.

12

B. Die Revision des Klägers ist begründet. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Voraussetzungen der Verwirkung liegen nicht vor. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

13

I. Die Klage ist schlüssig. Den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, kommt ein Schmerzensgeldanspruch nach § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB in Betracht.

14

1. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Mobbings setzt eine hinreichend schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus (vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 19 und 30, AP BGB § 611 Mobbing Nr. 7). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (ErfK/Schmidt 15. Aufl. GG Art. 2 Rn. 48, 84).

15

2. Dabei ist der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Mobbinghandlungen, aus denen er seinen Schmerzensgeldanspruch herleitet, darlegungs- und beweispflichtig. Dass die behaupteten Äußerungen und Verhaltensweisen des Beklagten als seines Vorgesetzten tatsächlich getätigt worden sind, muss der Kläger - soweit streitig - beweisen (vgl. BAG 14. November 2013 - 8 AZR 813/12 - Rn. 11; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 41, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42).

16

3. Angesichts des gesamten - unstreitigen wie streitigen - Tatsachenvortrags des Klägers lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass eine Gesamtabwägung sämtlicher vom Kläger behaupteter und ggf. zu beweisender Tatsachen - Handlungen des Beklagten - eine hinreichend schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung ergibt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage daher nicht unschlüssig.

17

II. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz seines immateriellen Schadens ist nicht verjährt.

18

1. Für einen Schmerzensgeldanspruch gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem zum einen der Anspruch entstanden ist, und in dem zum anderen der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. In Mobbingfällen ist daher der verjährungsrelevante Zeitpunkt regelmäßig auf den Abschluss der zeitlich letzten vorgetragenen Mobbinghandlung festzusetzen (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 60, BAGE 122, 304).

19

2. Nach dem Vortrag des Klägers hat sich die letzte angebliche Mobbinghandlung im Februar 2008 ereignet. Die Verjährungsfrist begann demnach mit Ablauf des 31. Dezember 2008 und endete mit dem 31. Dezember 2011. Die Klage ging per Fax am 28. Dezember 2010 bei Gericht ein. Die Einrede der Verjährung ist unbehelflich.

20

III. Anhaltspunkte für das Eingreifen tariflicher oder gesetzlicher Ausschlussfristen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch liegen nicht vor.

21

1. Eine arbeitsvertragliche oder tarifliche Ausschlussfrist, die auch im Falle von auf Mobbing gestützten Ansprüchen gelten und zu deren von Amts wegen zu beachtendem Verfall führen könnte (vgl. zuletzt zu derartigen Ausschlussfristen bei Mobbingfällen: BAG 26. September 2013 - 8 AZR 1013/12 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 204; 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 -), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

22

2. Eine gesetzliche Ausschlussfrist für Ansprüche wegen „Mobbings“ besteht nicht. Eine analoge Anwendung anderer gesetzlicher Ausschlussfristen, etwa die des § 15 Abs. 4 AGG, kommt nicht in Betracht, da es an den Voraussetzungen einer Analogiebildung fehlt. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht gesehen. Bei § 15 Abs. 4 AGG handelt es sich um eine Bestimmung, die eng auszulegen und grundsätzlich nicht analogiefähig ist. Weiter fehlt es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass dem durch Mobbing Geschädigten grundsätzlich keine Beweiserleichterungen wie dem Diskriminierungsopfer nach § 22 AGG zugute kommen. Es existiert auch keine sonstige gesetzliche Frist zur Rechtsausübung wie zB in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB.

23

IV. Zwar wird auch bei einem Anspruch wegen behaupteten Mobbings die Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht von vornherein ausgeschlossen, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (vgl. BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 752/09 - Rn. 28). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch sowohl verkannt, dass vorliegend bereits die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht gegeben sind, als es auch die in ständiger Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen selbst nicht angewendet hat.

24

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient - wie die Verjährung - dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen (vgl. BAG 12. Dezember 2006 - 9 AZR 747/06 - Rn. 17 mwN).

25

a) Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (so die vom Senat zur Verwirkung des Widerspruchsrechts bei Betriebsübergängen aufgestellten Grundsätze; s. etwa aktuell BAG 17. Oktober 2013 - 8 AZR 974/12 - Rn. 26).

26

b) Zudem hat das Rechtsinstitut der Verwirkung Ausnahmecharakter. Unterliegt ein geltend gemachter Anspruch nach §§ 195, 199 BGB der kurzen regelmäßigen Verjährung von drei Jahren, kann im Rahmen der Verwirkung eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände angenommen werden(BGH 20. Juli 2010 - EnZR 23/09 - Rn. 22; vgl. 13. Januar 1988 - IVb ZR 7/87 - BGHZ 103, 62; 17. Februar 1969 - II ZR 30/65 - BGHZ 51, 346).

27

2. Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. BAG 17. Oktober 2013 - 8 AZR 974/12 - Rn. 28, AP BGB § 613a Nr. 448; 11. November 2010 - 8 AZR 185/09 - Rn. 25; 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - Rn. 24).

28

3. Das Berufungsgericht hat die rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung verkannt.

29

a) Im Zuge einer Gesamtwürdigung hat das Landesarbeitsgericht entscheidend auf die für den Beklagten sich ergebenden „Dokumentationserfordernisse“ und mögliche Beweisschwierigkeiten bei längerem Zeitablauf abgestellt.

30

Etwaige Beweisschwierigkeiten stellen jedoch als solche keinen Gesichtspunkt dar, der - alleine oder in Zusammenschau mit weiteren Gesichtspunkten - die Annahme der Verwirkung rechtfertigte. Dies würde im praktischen Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Verjährungsfristen, insbesondere lange Verjährungsfristen, kaum noch ausgeschöpft werden könnten. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung darf in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährungsregelung in weitem Maße unterlaufen wird. Überdies ist der Gläubiger in gleicher Weise den Beweisschwierigkeiten ausgesetzt, die durch Zeitablauf auftreten. Dem Beweisargument könnte allenfalls dann Bedeutung zukommen, wenn der Schuldner im Vertrauen darauf, dass der Gläubiger nach Ablauf eines längeren Zeitraums mit Ansprüchen nicht mehr hervortreten werde, Beweismittel vernichtet hat (BGH 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91 - zu II 1 b der Gründe, zur 30-jährigen Verjährungsfrist; bestätigt durch BVerfG 14. Dezember 2005 - 1 BvR 2874/04 - Rn. 27). Dies muss erst recht gelten, nachdem vom Gesetzgeber die regelmäßige Verjährungsfrist auf drei Jahre festgesetzt wurde, § 195 BGB. Zudem hat sich vorliegend der Beklagte im Verfahren nicht auf ihm drohende Beweisschwierigkeiten berufen. Das Berufungsgericht hat mithin nicht den Einzelfall und die konkreten Beweisantritte umfassend gewürdigt, sondern rein abstrakte Überlegungen angestellt.

31

b) Es kann auch nicht mit dem Gesichtspunkt einer „zeitnahen Klärung“ vor Gericht auf den Gedanken der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abgestellt werden, ohne dass dies eine normative oder vertragliche Grundlage hätte. Der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dienen bereits die Verjährungsvorschriften, vor allem diejenigen mit kurzer Verjährungsfrist. Solche sollen möglichst rasch Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herstellen, den verspätet in Anspruch genommenen Schuldner vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs schützen und eine alsbaldige Klärung der erhobenen Ansprüche herbeiführen. Diese, bereits im Verjährungsrecht berücksichtigten Gesichtspunkte dürfen nicht als „doppelrelevante Topoi“ nochmals zur Begründung einer Verwirkung herangezogen werden.

32

4. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für eine Verwirkung im vorliegenden Fall erkennbar nicht vor.

33

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob das sogenannte „Zeitmoment“ - der Ablauf einer gewissen längeren Zeitspanne - erfüllt war. Auch in Ansehung der knapp bemessenen, jedoch unionsrechtskonformen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG können die Anforderungen an das Zeitmoment bei der Verwirkung von Schadensersatzansprüchen aufgrund von Mobbinghandlungen nicht herabgesetzt werden.

34

b) Jedenfalls fehlt es an dem erforderlichen Umstandsmoment. Der Einwand der Verwirkung ist nur dann begründet, wenn zu dem Zeitablauf im Verhalten des Berechtigten beruhende, im Falle einer kurzen Verjährung besondere Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigten, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH 18. Juli 2014 - V ZR 291/13 - Rn. 22). Ein derartiges spezifisches Verhalten des Klägers ist weder ersichtlich, noch wurde es vom Berufungsgericht angeführt oder belegt.

35

aa) Soweit das Berufungsgericht das bloße „Zuwarten“ des Klägers moniert und als treuwidrig bezeichnet, geht dies fehl, weil es vorliegend keine Rechtspflicht oder auch nur Obliegenheit des Klägers gab, zu bestimmten Zeitpunkten seine Ansprüche gegen den Beklagten aktiv durchzusetzen. Das bloße Unterlassen oder „Nichtstun“ des Klägers konnte beim Beklagten nur dann die begründete Erwartung hervorrufen, er werde nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn es eine von dem Beklagten wahrnehmbare Pflicht zum Handeln gab. Hierfür ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

36

bb) Weder die bloße Tatsache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch diejenige der Insolvenz der Arbeitgeberin stellen ein Umstandsmoment für sich genommen dar, das zur Verwirkung führen könnte. Das vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Urteil zur Verwirkung des Anspruchs auf Zeugniserteilung ist schon wegen der nicht vergleichbaren Sachverhalte unbehelflich (BAG 17. Februar 1988 - 5 AZR 638/86 - BAGE 57, 329). Zudem lagen jenem Urteil besondere Umstände zugrunde, aufgrund derer sich eine Pflicht zur zeitnahen Anforderung eines Zeugnisses ergeben hatte.

37

C. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), weil der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da das Berufungsgericht die Verwirkung eines eventuell bestehenden Schmerzensgeldanspruchs angenommen hat, hat es - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob die materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs wegen einer Gesundheits- oder Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben sind. Ob die Rechte des Klägers aufgrund der von ihm behaupteten Mobbinghandlungen verletzt worden sind, muss das Landesarbeitsgericht aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilen. Diese Würdigung darf dem Berufungsgericht nicht entzogen werden (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 26; 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 20, AP BGB § 611 Mobbing Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 63, BAGE 122, 304).

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Mallmann    

        

    R. Kandler    

                 

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. Dezember 2011 - 17 Sa 496/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer Fluggesellschaft, die Gewährung von Erholungsurlaub.

2

Die Parteien begründeten mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 13. Dezember 1991 ein Arbeitsverhältnis. Ziff. 1 des Arbeitsvertrags lautet:

        

„1.     

Beginn und Ort der Tätigkeit

                 

Herr T wird im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Schulung (voraussichtlich 20.06.1992) als Flugzeugführer mit Einsatzort Köln beschäftigt.

                 

DLT kann Herrn T entsprechend seinen Fähigkeiten und Kenntnissen auch mit einer anderen im Interesse der DLT liegenden Aufgabe im Flugbetrieb betrauen, unter Umständen auch an einem anderen Ort im In- und Ausland.“

3

Das Grundgehalt des Klägers betrug ab Mai 2009 monatlich 9.122,71 Euro brutto. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag Nr. 1 für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals der Lufthansa CityLine GmbH vom 17. April 2004 (im Folgenden: MTV) kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung.

4

Gemäß einer Mitteilung des flugmedizinischen Sachverständigen vom 19. November 2008 kann dem Kläger dauerhaft kein Tauglichkeitszeugnis als Flugzeugführer iSd. Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung erteilt werden. Über die Fluguntauglichkeit des Klägers besteht zwischen den Parteien kein Streit. Wegen ihr wird der Kläger von der Beklagten nicht beschäftigt.

5

Mit seiner der Beklagten am 18. August 2009 zugestellten Klageerweiterung hat der Kläger von der Beklagten ua. verlangt, ihm den tariflichen Erholungsurlaub für das Jahr 2009 zu gewähren. Dazu hat er die Ansicht vertreten, die Gewährung von Urlaub setze nicht die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus.

6

Er hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Urlaubsjahr 2009 30 bezahlte Tage Urlaub ab Rechtskraft der Entscheidung zu gewähren.

7

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger könne eine Urlaubsgewährung nicht verlangen, weil der Urlaubsanspruch wegen der Fluguntauglichkeit des Klägers nicht erfüllt werden könne.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 10. Juli 2012 zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klage auf Urlaubsgewährung ist zulässig, aber unbegründet.

10

I. Der auf Gewährung von 30 Tagen Urlaub aus dem Jahr 2009 gerichtete Leistungsantrag ist zulässig.

11

1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Der Kläger begehrt keine rückwirkende Befreiung von seiner Arbeitspflicht. Mit der Formulierung, die Beklagte solle verurteilt werden, ihm „für das Urlaubsjahr 2009 30 bezahlte Tage Urlaub“ zu gewähren, kennzeichnet er lediglich das Jahr, in dem der geltend gemachte Urlaubsanspruch entstanden sein soll (vgl. BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 522/00 - zu I der Gründe). Mit seinem Revisionsantrag hat der Kläger dies nunmehr auch klargestellt, indem er eine Gewährung erst „ab Rechtskraft der Entscheidung“ begehrt. Da der Antrag von vornherein in diesem Sinne zu verstehen war, handelt es sich nicht um eine unzulässige Klageänderung in der Revisionsinstanz.

12

2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Klagen, mit denen der Arbeitgeber zur Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen ab einem in der Zukunft liegenden, nicht näher genannten Zeitpunkt verurteilt werden soll, sind zulässig (ErfK/Gallner 14. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 31 unter Hinweis auf BAG 5. September 2002 - 9 AZR 355/01 - zu A I der Gründe, BAGE 102, 294; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 80 f. unter Hinweis auf BAG 25. November 1982 - 6 AZR 1254/79 - zu 4 der Gründe, BAGE 40, 379).

13

II. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der beanspruchte Urlaub nicht zu.

14

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Urlaub im Umfang von 30 Tagen aus § 17 MTV bzw. 20 Arbeitstagen gemäß §§ 1, 3 BUrlG. Der im Jahr 2009 entstandene Urlaub ist spätestens am 31. März 2011 verfallen. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) ist § 7 Abs. 3 BUrlG zwar unionsrechtskonform so auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist(vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119). Die unionsrechtskonforme Auslegung hat jedoch nur zur Folge, dass der aufrechterhaltene Urlaubsanspruch zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzutritt und damit erneut dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG unterfällt(vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 425/10 - Rn. 19). Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, Slg. 2011, I-11757). Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt (vgl. BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 914/11 - Rn. 26; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371). Der MTV enthält keinen längeren Übertragungszeitraum. § 17 Abs. 4 MTV entspricht weitgehend § 7 Abs. 3 BUrlG, sodass insoweit von einem Gleichlauf der gesetzlichen und tariflichen Urlaubsregelungen auszugehen ist.

15

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung von 30 Tagen Urlaub unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu. Die Beklagte ist nicht gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger 30 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus dem Jahr 2009 zu gewähren. Zwar hat der Kläger mit seiner Klageerweiterung im August 2009 den Urlaubsanspruch rechtzeitig geltend gemacht (vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 18). Die Beklagte konnte dem Kläger jedoch keinen Urlaub gewähren.

16

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hängt die Erfüllbarkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nach dem nationalen Urlaubsrecht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers ab. Wer arbeitsunfähig krank ist, kann durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht nicht mehr befreit werden (BAG 26. Mai 1992 - 9 AZR 172/91 - zu 1 a der Gründe; zust. Düwell NZA Beilage 3/2011, 133, 134; vgl. auch ErfK/Gallner § 7 BUrlG Rn. 21; Leinemann/Linck § 7 BUrlG Rn. 134; Powietzka/Rolf BUrlG § 7 Rn. 51). Eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers kann nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur bewirken, soweit für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht(vgl. BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 760/11 - Rn. 17 mwN; 8. September 1998 - 9 AZR 161/97 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 89, 362; krit. DFL/Gutzeit 6. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 4). Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeit nicht mehr erbringen, wird ihm die Arbeitsleistung nachträglich unmöglich. Er wird nach § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei(Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 49 Rn. 5). Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet (vgl. Gotthardt/Greiner DB 2002, 2106, 2111 f. mwN zur Abgrenzung zwischen § 275 Abs. 1 und Abs. 3). Es handelt sich um eine Leistungsstörung auf Seiten des Arbeitnehmers (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 850/12 - Rn. 14 mwN).

17

b) Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union.

18

aa) Soweit der EuGH davon ausgeht, die Arbeitszeitrichtlinie behandele den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Teile eines einzigen Anspruchs (EuGH 16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 58, Slg. 2006, I-2531), folgt daraus nicht, dass einem Arbeitnehmer, dem die Erbringung der Arbeitsleistung nicht möglich ist, Urlaub zu gewähren ist. Gerade wenn man mit dem EuGH davon ausginge, es bestehe ein einheitlicher Anspruch auf bezahlten Urlaub, kann nicht ein Teilaspekt - der Anspruch auf Urlaubsvergütung - erfüllt werden, ohne dass zugleich auch der andere Teil - der Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung - erfüllt wird. Wäre der Arbeitgeber gemäß der Rechtsansicht des Klägers verpflichtet, im fortbestehenden Arbeitsverhältnis einem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer trotz der nicht möglichen Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung Urlaubsvergütung zu zahlen, käme dies im Ergebnis einer Abgeltung des Urlaubs im laufenden Arbeitsverhältnis gleich. Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf jedoch nach Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

19

bb) Der EuGH hat ausdrücklich klargestellt, dass Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer „im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen“(EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 32, Slg. 2009, I-179). Was den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub betrifft, ist es, wie sich aus dem Wortlaut der Arbeitszeitrichtlinie und der Rechtsprechung des EuGH ergibt, Sache der Mitgliedstaaten, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs festzulegen und dabei die konkreten Umstände zu bezeichnen, unter denen die Arbeitnehmer von diesem Anspruch Gebrauch machen können, ohne dabei aber bereits die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig zu machen (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 28, aaO). Wenn nach dem Unionsrecht der Urlaub eines Arbeitnehmers auch dann abzugelten ist, wenn dieser längere Zeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, wird daraus deutlich, dass während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Freistellungsanspruch nicht erfüllt werden konnte (nochmals bestätigend: EuGH 8. November 2012 - C-229/11 und C-230/11 - [Heimann und Toltschin] Rn. 25).

20

cc) Aus Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) folgt nichts anderes. Die Vorschrift bestimmt nur, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub hat. Die Grundrechtecharta enthält keine Regelung über die Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung des Urlaubs. Die Frage, inwieweit Art. 31 Abs. 2 GRC im Verhältnis zwischen zwei Privaten überhaupt unmittelbare Wirkung entfalten kann(vgl. EuGH 15. Januar 2014 - C-176/12 - [Association de médiation sociale]), kann vor diesem Hintergrund offenbleiben.

21

dd) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind - wie dargestellt - durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt oder ihre Beantwortung ist offenkundig.

22

c) Entgegen der Ansicht des Klägers gibt auch das nationale Recht keinen Anlass, die Rechtsprechung zur Unvereinbarkeit von Urlaub und Krankheit in Frage zu stellen.

23

aa) Dies gilt insbesondere für die Bestimmung des § 9 BUrlG(vgl. LAG Köln 10. Oktober 2012 - 5 Sa 255/12 - zu II 2 b bb der Gründe; aA noch LAG Köln 7. Februar 2011 - 5 Sa 891/10 - zu V 2 d der Gründe). Die Vorschrift regelt den Fall, dass der Arbeitgeber vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers diesem Urlaub gewährt hat, indem er ihn für einen bestimmten Zeitraum von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit hat. Ohne die Regelung in § 9 BUrlG würde der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch ersatzlos verlieren, wenn er während eines bereits bewilligten Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt. Dies folgt aus § 275 Abs. 1 BGB. Der Arbeitgeber würde von der Leistungspflicht frei, weil er mit der Festlegung des Urlaubszeitraums als Schuldner das nach § 7 Abs. 1 BUrlG Erforderliche getan hätte(AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 9 BUrlG Rn. 8). Bei bestehender Arbeitsunfähigkeit träte somit Unmöglichkeit ein, die an sich eigentlich zum Ausschluss einer Verpflichtung des Arbeitgebers, erneut Urlaub zu bewilligen, führen würde. Hiervon enthält § 9 BUrlG eine Ausnahme zugunsten des Arbeitnehmers. Diese führt indes nicht dazu, dass der Arbeitnehmer den Urlaub während der Arbeitsunfähigkeit nehmen kann. Er soll ihn vielmehr, wenn er initiativ wird, danach erneut beanspruchen können. Wird er nicht initiativ, bleibt es bei der Rechtsfolge, dass der Arbeitgeber von der Leistungspflicht frei wird.

24

bb) Auch die Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG spricht gegen die Rechtsauffassung des Klägers, einem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer könne Urlaub erteilt werden. Nach dieser Bestimmung findet eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr statt, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Damit ist insbesondere die mit einer Erkrankung des Arbeitnehmers verbundene Arbeitsunfähigkeit gemeint (vgl. BAG 5. Dezember 1995 - 9 AZR 871/94 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 81, 339; HWK/Schinz 6. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 82). Einer derartigen Übertragungsvorschrift bedürfte es nicht, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer während seiner Erkrankung Urlaub gewähren könnte.

25

d) Vor diesem Hintergrund war es der Beklagten bis zum Untergang des Urlaubsanspruchs unmöglich, dem Kläger Urlaub durch Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung zu gewähren. Der Kläger war schon aufgrund seiner Fluguntauglichkeit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Davon ist das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber wegen Krankheit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung einer vorhandenen Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird (BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 19 mwN). Der Urlaubsanspruch ist auch dann erfüllbar, wenn der Arbeitnehmer andere Arbeitsleistungen hätte erbringen können, welche der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag als vertragsgemäß hätte annehmen müssen (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 423/02 - zu A II 2 b bb der Gründe, BAGE 106, 361). Aufgrund seiner durch den flugmedizinischen Sachverständigen festgestellten Fluguntauglichkeit konnte der Kläger seine Arbeitsleistung als Flugzeugführer dauerhaft nicht mehr erbringen. Die Beklagte hatte auch keine Möglichkeit, dem Kläger in Ausübung ihres Direktionsrechts einen sogenannten leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Die hierauf gerichteten Klageanträge hat das Landesarbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen. Für den Kläger bestand demnach gemäß § 275 Abs. 1 BGB keine Arbeitspflicht.

26

Da es nur darauf ankommt, ob dem Arbeitgeber die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung möglich ist, ist es unerheblich, ob unabhängig davon bei dem Arbeitnehmer der Zweck der Urlaubsgewährung eintreten kann. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es daher ohne Bedeutung, ob er sich trotz seiner Krankheit hätte erholen können (vgl. AnwK-ArbR/Düwell § 9 BUrlG Rn. 14; Leinemann/Linck § 9 Rn. 3).

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    W. Schmid    

        

    Mehnert    

                 

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. März 2013 - 16 Sa 763/12 - aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zu zahlen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29. März 2012 - 6 Ca 4596/11 - wird im Umfang der Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu 80 % zu tragen, die Beklagte zu 20 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1987 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt gegen eine monatliche Vergütung iHv. 3.639,41 Euro brutto. Der nicht unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1987 regelt unter Ziff. 6 „Weitere Kündigungsregelungen“ Folgendes:

        

„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit unter Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen.“

3

Unter Ziff. 14 „Anwendung einschlägiger Tarifverträge“ heißt es:

        

„Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge für Angestellte Anwendung, die von dem für den Betrieb räumlich zuständigen Innungsverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks für den Geltungsbereich des Betriebes abgeschlossen sind oder abgeschlossen werden. Dies gilt beispielsweise für Urlaub, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsfrist.“

4

Die Beklagte wendet die Tarifverträge für den „Auftragsbezogenen Ladenbau“ in Nordrhein-Westfalen an.

5

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

hiermit kündigen wir das mit Ihnen am 01.10.1987 begonnene Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011.

        

Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch dieser Kündigung angehört.

        

Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“

6

Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem beim Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19.05.2011 mit Wirkung zum 30.06.2011 aus betrieblichen Gründen beendet werden wird.

        

…       

        
        

5.    

Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.

        

6.    

Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.

        

7.    

Damit ist der Rechtsstreit 7 Ca 227/11 erledigt.“

7

In einer am 8. Juni 2011 erstellten Verdienstabrechnung für Mai 2011 wies die Beklagte Urlaubsabgeltung für 88,23 Stunden bei einem Stundensatz von 20,55 Euro brutto iHv. insgesamt 1.813,13 Euro brutto aus. Nach einer unter dem 4. August 2011 erstellten weiteren Verdienstabrechnung erhielt der Kläger ein Urlaubstagegeld iHv. 1.296,40 Euro brutto. Der sich aus der Abrechnung ergebende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt.

8

Mit Schreiben vom 1. August 2011 verlangte der Kläger ua. die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Ziff. 5 des geschlossenen Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltung noch ausstehender Urlaubsansprüche. Letztere lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. August 2011 ab.

9

Mit seiner am 4. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger ua. Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto geltend gemacht. Hierzu hat der Kläger behauptet, bei einer Beendigung am 30. Juni 2011 habe ihm ein Urlaubsanspruch von 15,5 Tagen zugestanden. Dies entspreche 114,7 Stunden, die mit jeweils 20,55 Euro abzugelten seien. Die Beklagte habe weder durch die Erklärung im Kündigungsschreiben noch durch die Vereinbarung im Vergleich wirksam Erholungsurlaub gewährt.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Urlaub sei dem Kläger durch die Freistellung tatsächlich gewährt worden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand der Revision ist - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht eine Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zugesprochen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub bereits erfüllt.

14

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers jedenfalls nicht vollständig durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Erklärung der Beklagten erfüllt wurde. Die in Verbindung mit der fristlosen und der hilfsweise fristgemäßen Kündigung erteilte bezahlte Freistellung im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung „unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche“ hat den Urlaubsanspruch des Klägers allenfalls teilweise erfüllt.

15

1. Es ist umstritten, ob der kündigende Arbeitgeber Urlaub unter der Bedingung erteilen kann, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

16

a) Der Senat hat bisher angenommen, der Arbeitgeber könne den Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher werde durch eine Kündigung nicht berührt (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Mit der Kündigung mache der Arbeitgeber lediglich geltend, er gehe davon aus, das Arbeitsverhältnis werde zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt enden. Er „behaupte“ eine Beendigung (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 97, 18). Dem entspreche, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der während eines Kündigungsschutzrechtsstreits Urlaub verlangt, Urlaub zu gewähren habe (vgl. BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 92, 299). Die vorsorgliche Urlaubsgewährung liege im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b bb der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 c der Gründe, aaO). Dem stehe nicht entgegen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzrechtsstreit offen sei, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schulde (vgl. 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 79, 92). Der Urlaubsanspruch sei kein sog. Einheitsanspruch. Er richte sich auf die Befreiung von der Arbeitspflicht. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt werde dadurch nicht berührt. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet, sei der Urlaub abzugelten.

17

b) Diese Auffassung ist auf Kritik gestoßen (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 69; Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 7 Rn. 38; ErfK/Gallner 15. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 6; AR/Gutzeit 7. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 10). Zum einen sei bei einer bedingten Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar, ob er Erholungsurlaub habe oder nicht (vgl. ErfK/Gallner aaO; AR/Gutzeit aaO). Zum anderen gebiete das Unionsrecht eine Rückkehr zur dogmatischen Einordnung des Urlaubsanspruchs als Einheitsanspruch (vgl. Arnold/Tillmanns/Arnold aaO; AR/Gutzeit aaO). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne zudem, dass der Arbeitgeber durch seine unwirksame Kündigung das Risiko der Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen selbst geschaffen habe (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe).

18

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Modifikation bedarf. Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

19

a) Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 16, BAGE 131, 30; vgl. auch BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will (st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zB zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will(st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24; 9. Juni 1998 - 9 AZR 43/97 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 89, 91; Arnold/Tillmanns/Arnold aaO Rn. 25). Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11). Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 17, aaO). Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - und - 9 AZR 9 AZR 877/13 - jeweils Rn. 16).

20

b) Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung frei und erhebt der Arbeitnehmer Klage nach § 4 KSchG, so steht in dem Zeitraum, in dem der Urlaub erfüllt werden soll, regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Dies gilt auch noch nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG ist in Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Berufung immer statthaft. Da nur im Falle der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann, ist mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist.

21

c) Darüber hinaus ist der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich(vgl. BAG 5. August 2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet der in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 16; 15. September 2011 - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 19; 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN). Daher ist der Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, unbeschadet günstigerer Bestimmungen iSv. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie so festzulegen, dass der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist(EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 59, aaO).

22

Es kann vorliegend dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, dass die Rechtsprechung des EuGH eine Rückkehr zur Einordnung des Urlaubsanspruchs als sog. Einheitsanspruchs mit allen in der Vergangenheit daraus gezogenen Schlussfolgerungen erfordert (zum Streit vgl. Hohmeister BB 1995, 2110). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gebietet nicht, dass das Urlaubsentgelt schon vor dem Urlaubsbeginn ausgezahlt werden muss(vgl. zur alten Rspr. BAG 9. Januar 1979 - 6 AZR 647/77 -). Der EuGH hat festgestellt, dass keine Bestimmung der Arbeitszeitrichtlinie ausdrücklich den Zeitpunkt festlegt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Diese Festlegung obliegt vielmehr den Mitgliedstaaten (EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 54 und 56, aaO).

23

Aus dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub folgt jedoch, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Mit dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 21 mwN, Slg. 2009, I-8405). Dieser Zweck kann typischerweise nur dann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.

24

d) Dies berücksichtigend hat die Beklagte durch die Erklärung im Kündigungsschreiben den Urlaubsanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Sie hat dem Kläger weder vor Antritt des Urlaubs Urlaubsvergütung gezahlt noch vorbehaltlos zugesagt.

25

aa) Dies gilt jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung beendet worden wäre. Im Falle der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hätte der Kläger zwar einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, der abzugeltende Urlaubsanspruch wäre aber nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG auf vier Zwölftel zu kürzen. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 hätte dem Kläger dagegen der Urlaubsanspruch ungekürzt zugestanden. In Bezug auf den Anteil von acht Zwölftel des Urlaubsanspruchs des Jahres 2011 wusste der Kläger bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 17. Juni 2011 nicht, ob ihm ein Vergütungsanspruch zustehen würde. Es ist weder festgestellt noch sonst erkennbar, dass die Beklagte ihm insofern unabhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im fraglichen Zeitraum die Zahlung eines Urlaubsentgelts vorbehaltslos zugesagt hat.

26

bb) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, der Kläger habe jedenfalls aufgrund der Verdienstabrechnung für Mai 2011 sicher sein können, für 88,23 Stunden eine Urlaubsabgeltung iHv. 1.813,13 Euro brutto zu erhalten, stand diese Abrechnung einer vorbehaltslosen Zusage der Urlaubsvergütung nicht gleich. Der Senat hat die sog. Surrogatstheorie mit Urteil vom 19. Juni 2012 (- 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64) vollständig aufgegeben. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung folgt nicht mehr den Regeln des Urlaubsanspruchs. Dementsprechend muss der Gläubiger nicht stets davon ausgehen, dass die Leistung zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugleich auch der Erfüllung eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt dienen soll. Vielmehr bedarf es regelmäßig einer (hilfsweisen) Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 Abs. 1 BGB. Ob die Beklagte eine solche zumindest konkludent abgegeben hat, bedarf keiner weiteren Klärung, weil der Anspruch des Klägers schon aus anderen Gründen nicht gegeben ist.

27

II. Über die Gewährung und Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in der Zeit bis zum 30. Juni 2011 haben sich die Parteien unter Ziff. 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Juni 2011 geeinigt. Danach wurde der Urlaubsanspruch des Klägers vollständig durch bezahlte Freistellung in diesem Zeitraum erfüllt. Nach § 779 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Die insoweit insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestehende Ungewissheit über die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung im Kündigungsschreiben wurde durch die Einigung beseitigt.

28

1. Die Auslegung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(BAG 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; Thomas/Putzo/Seiler 36. Aufl. § 794 Rn. 18). In welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist umstritten (vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 20 ff.). Teilweise wird angenommen, weil es sich um eine Prozesshandlung handele, sei die Auslegung gerichtlicher Vergleiche in der Revision vollständig überprüfbar, selbst wenn ihr Inhalt ausschließlich individuell bestimmt sei (BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b aa der Gründe; vgl. auch BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu I 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22; Düwell/Lipke/Düwell 3. Aufl. § 73 Rn. 22; ErfK/Koch 15. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 8). Andererseits wird die Auffassung vertreten, bei Prozessvergleichen sei ebenso wie bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen darauf abzustellen, ob es sich um eine typische Erklärung handele oder um eine atypische. Handele es sich um einen nichttypischen Vertrag könne die Auslegung des Prozessvergleichs vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 31 ff., BAGE 117, 218; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - aaO, mit dem Hinweis, dass Klauseln in Prozessvergleichen in der Regel nichttypische Erklärungen seien; vgl. auch BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 18; HWK/Bepler 6. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 15; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 28; GK-ArbGG/Mikosch Stand Dezember 2014 § 73 Rn. 43 mit der Annahme, es handele sich in der Regel um typische Vereinbarungen).

29

2. Es bedarf keiner abschließenden Klärung, in welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht zu überprüfen ist. Diese hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sich rechtsfehlerhaft auf die Auslegung des Satzes 2 der Ziff. 5 des Vergleichs beschränkt, ohne die übrigen Regelungen des Prozessvergleichs in die Auslegung einzubeziehen.

30

a) Im Kündigungsschreiben vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte erklärt, im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werde der Kläger mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Mit Ziff. 1 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass diese Bedingung erfüllt war, indem sie vereinbarten, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 beendet werden wird. Da die Parteien die Beendigung bereits zum 30. Juni 2011 und nicht - wie in der Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 vorgesehen - zum 31. Dezember 2011 vereinbarten, hätte es nahe gelegen, als Beendigungsgrund den gerichtlichen Vergleich selbst und nicht das Kündigungsschreiben der Beklagten anzunehmen. Das Anknüpfen an die Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 stellt vor diesem Hintergrund ein Indiz dafür dar, dass gerade auch die Urlaubsgewährung ab jenem Zeitpunkt von dem Willen der Parteien umfasst war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht zwingend der ausdrücklichen Vereinbarung im Prozessvergleich, dass die bezahlte Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs dienen sollte.

31

b) Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner Auslegung auch nicht auf Ziff. 6 des Prozessvergleichs eingegangen. Danach sollten mit der Erfüllung dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt sein. Bei dem Urlaubsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Damit folgt auch aus Ziff. 6 des Vergleichs, dass durch die bezahlte Freistellung des Klägers im Zeitraum vom Zugang der Kündigung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 auch der Urlaubsanspruch erfüllt sein sollte. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass dieser Zeitraum nicht ausgereicht habe, um sämtliche Urlaubsansprüche und Überstundenguthaben zu erfüllen.

32

Der Wortlaut von Ziff. 6 des Vergleichs unterscheidet sich auch erheblich von dem Wortlaut der Erledigungsklausel, die Gegenstand des Urteils des Senats vom 9. Juni 1998 war (- 9 AZR 43/97 - BAGE 89, 91 [„Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.“]). Durch die Formulierung „mit der Erfüllung dieses Vergleichs“ haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zum Ausdruck gebracht, dass die vergütete Freistellung von der Arbeit und nicht erst die Erledigungsklausel selbst zum Untergang des Urlaubsanspruchs führen sollte. Insofern ähnelt die Klausel zwar der Klausel, über die sich die Entscheidung des Achten Senats vom 31. Mai 1990 verhält (- 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171 [„Mit Erledigung der Ziffern 2. bis 4. sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.“]). In jenem (außergerichtlichen) Vergleich einigten sich die Parteien in Ziff. 2 jedoch nur auf eine Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist, ohne die Vergütungspflicht ausdrücklich zu regeln. Im Übrigen ist im Vergleich der Parteien vom 17. Juni 2011 auch die in der Formulierung, „dass der Kläger … freigestellt bleibt“, liegende Bezugnahme auf das Schreiben vom 19. Mai 2011 zu berücksichtigen, in dem die Anrechnung der bezahlten Freistellung auf sämtliche Urlaubsansprüche ausdrücklich genannt ist.

33

c) Nach Ziff. 3 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 zahlt die Beklagte an den Kläger wegen des Verlusts seines sozialen Besitzstands eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG iHv. 15.000,00 Euro brutto. Es ist - gerade unter Berücksichtigung der Erledigungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs - nicht erkennbar, dass die Beklagte durch den Vergleich neben dem Abfindungsanspruch noch einen zusätzlichen Anspruch begründen wollte. Dies wäre aber nach der Auslegung des Landesarbeitsgerichts der Fall. Der Kläger hätte neben dem Anspruch auf Abgeltung des vollen Urlaubs einen Anspruch auf bezahlte Freistellung im Zeitraum vom Zugang der Erklärung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011. Ein Anlass, warum die Beklagte sich neben der Pflicht zur Urlaubsgewährung bzw. zur Urlaubsabgeltung zu einer weiteren bezahlten Freistellung von der Arbeitsleistung verpflichten sollte, ist weder festgestellt noch dargelegt.

34

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Matth. Dipper    

        

    Anthonisen    

                 

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. März 2013 - 16 Sa 763/12 - aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zu zahlen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29. März 2012 - 6 Ca 4596/11 - wird im Umfang der Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu 80 % zu tragen, die Beklagte zu 20 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1987 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt gegen eine monatliche Vergütung iHv. 3.639,41 Euro brutto. Der nicht unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1987 regelt unter Ziff. 6 „Weitere Kündigungsregelungen“ Folgendes:

        

„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit unter Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen.“

3

Unter Ziff. 14 „Anwendung einschlägiger Tarifverträge“ heißt es:

        

„Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge für Angestellte Anwendung, die von dem für den Betrieb räumlich zuständigen Innungsverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks für den Geltungsbereich des Betriebes abgeschlossen sind oder abgeschlossen werden. Dies gilt beispielsweise für Urlaub, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsfrist.“

4

Die Beklagte wendet die Tarifverträge für den „Auftragsbezogenen Ladenbau“ in Nordrhein-Westfalen an.

5

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

hiermit kündigen wir das mit Ihnen am 01.10.1987 begonnene Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011.

        

Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch dieser Kündigung angehört.

        

Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“

6

Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem beim Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19.05.2011 mit Wirkung zum 30.06.2011 aus betrieblichen Gründen beendet werden wird.

        

…       

        
        

5.    

Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.

        

6.    

Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.

        

7.    

Damit ist der Rechtsstreit 7 Ca 227/11 erledigt.“

7

In einer am 8. Juni 2011 erstellten Verdienstabrechnung für Mai 2011 wies die Beklagte Urlaubsabgeltung für 88,23 Stunden bei einem Stundensatz von 20,55 Euro brutto iHv. insgesamt 1.813,13 Euro brutto aus. Nach einer unter dem 4. August 2011 erstellten weiteren Verdienstabrechnung erhielt der Kläger ein Urlaubstagegeld iHv. 1.296,40 Euro brutto. Der sich aus der Abrechnung ergebende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt.

8

Mit Schreiben vom 1. August 2011 verlangte der Kläger ua. die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Ziff. 5 des geschlossenen Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltung noch ausstehender Urlaubsansprüche. Letztere lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. August 2011 ab.

9

Mit seiner am 4. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger ua. Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto geltend gemacht. Hierzu hat der Kläger behauptet, bei einer Beendigung am 30. Juni 2011 habe ihm ein Urlaubsanspruch von 15,5 Tagen zugestanden. Dies entspreche 114,7 Stunden, die mit jeweils 20,55 Euro abzugelten seien. Die Beklagte habe weder durch die Erklärung im Kündigungsschreiben noch durch die Vereinbarung im Vergleich wirksam Erholungsurlaub gewährt.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Urlaub sei dem Kläger durch die Freistellung tatsächlich gewährt worden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand der Revision ist - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht eine Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zugesprochen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub bereits erfüllt.

14

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers jedenfalls nicht vollständig durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Erklärung der Beklagten erfüllt wurde. Die in Verbindung mit der fristlosen und der hilfsweise fristgemäßen Kündigung erteilte bezahlte Freistellung im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung „unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche“ hat den Urlaubsanspruch des Klägers allenfalls teilweise erfüllt.

15

1. Es ist umstritten, ob der kündigende Arbeitgeber Urlaub unter der Bedingung erteilen kann, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

16

a) Der Senat hat bisher angenommen, der Arbeitgeber könne den Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher werde durch eine Kündigung nicht berührt (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Mit der Kündigung mache der Arbeitgeber lediglich geltend, er gehe davon aus, das Arbeitsverhältnis werde zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt enden. Er „behaupte“ eine Beendigung (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 97, 18). Dem entspreche, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der während eines Kündigungsschutzrechtsstreits Urlaub verlangt, Urlaub zu gewähren habe (vgl. BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 92, 299). Die vorsorgliche Urlaubsgewährung liege im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b bb der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 c der Gründe, aaO). Dem stehe nicht entgegen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzrechtsstreit offen sei, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schulde (vgl. 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 79, 92). Der Urlaubsanspruch sei kein sog. Einheitsanspruch. Er richte sich auf die Befreiung von der Arbeitspflicht. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt werde dadurch nicht berührt. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet, sei der Urlaub abzugelten.

17

b) Diese Auffassung ist auf Kritik gestoßen (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 69; Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 7 Rn. 38; ErfK/Gallner 15. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 6; AR/Gutzeit 7. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 10). Zum einen sei bei einer bedingten Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar, ob er Erholungsurlaub habe oder nicht (vgl. ErfK/Gallner aaO; AR/Gutzeit aaO). Zum anderen gebiete das Unionsrecht eine Rückkehr zur dogmatischen Einordnung des Urlaubsanspruchs als Einheitsanspruch (vgl. Arnold/Tillmanns/Arnold aaO; AR/Gutzeit aaO). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne zudem, dass der Arbeitgeber durch seine unwirksame Kündigung das Risiko der Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen selbst geschaffen habe (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe).

18

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Modifikation bedarf. Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

19

a) Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 16, BAGE 131, 30; vgl. auch BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will (st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zB zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will(st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24; 9. Juni 1998 - 9 AZR 43/97 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 89, 91; Arnold/Tillmanns/Arnold aaO Rn. 25). Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11). Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 17, aaO). Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - und - 9 AZR 9 AZR 877/13 - jeweils Rn. 16).

20

b) Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung frei und erhebt der Arbeitnehmer Klage nach § 4 KSchG, so steht in dem Zeitraum, in dem der Urlaub erfüllt werden soll, regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Dies gilt auch noch nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG ist in Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Berufung immer statthaft. Da nur im Falle der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann, ist mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist.

21

c) Darüber hinaus ist der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich(vgl. BAG 5. August 2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet der in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 16; 15. September 2011 - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 19; 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN). Daher ist der Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, unbeschadet günstigerer Bestimmungen iSv. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie so festzulegen, dass der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist(EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 59, aaO).

22

Es kann vorliegend dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, dass die Rechtsprechung des EuGH eine Rückkehr zur Einordnung des Urlaubsanspruchs als sog. Einheitsanspruchs mit allen in der Vergangenheit daraus gezogenen Schlussfolgerungen erfordert (zum Streit vgl. Hohmeister BB 1995, 2110). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gebietet nicht, dass das Urlaubsentgelt schon vor dem Urlaubsbeginn ausgezahlt werden muss(vgl. zur alten Rspr. BAG 9. Januar 1979 - 6 AZR 647/77 -). Der EuGH hat festgestellt, dass keine Bestimmung der Arbeitszeitrichtlinie ausdrücklich den Zeitpunkt festlegt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Diese Festlegung obliegt vielmehr den Mitgliedstaaten (EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 54 und 56, aaO).

23

Aus dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub folgt jedoch, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Mit dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 21 mwN, Slg. 2009, I-8405). Dieser Zweck kann typischerweise nur dann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.

24

d) Dies berücksichtigend hat die Beklagte durch die Erklärung im Kündigungsschreiben den Urlaubsanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Sie hat dem Kläger weder vor Antritt des Urlaubs Urlaubsvergütung gezahlt noch vorbehaltlos zugesagt.

25

aa) Dies gilt jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung beendet worden wäre. Im Falle der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hätte der Kläger zwar einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, der abzugeltende Urlaubsanspruch wäre aber nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG auf vier Zwölftel zu kürzen. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 hätte dem Kläger dagegen der Urlaubsanspruch ungekürzt zugestanden. In Bezug auf den Anteil von acht Zwölftel des Urlaubsanspruchs des Jahres 2011 wusste der Kläger bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 17. Juni 2011 nicht, ob ihm ein Vergütungsanspruch zustehen würde. Es ist weder festgestellt noch sonst erkennbar, dass die Beklagte ihm insofern unabhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im fraglichen Zeitraum die Zahlung eines Urlaubsentgelts vorbehaltslos zugesagt hat.

26

bb) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, der Kläger habe jedenfalls aufgrund der Verdienstabrechnung für Mai 2011 sicher sein können, für 88,23 Stunden eine Urlaubsabgeltung iHv. 1.813,13 Euro brutto zu erhalten, stand diese Abrechnung einer vorbehaltslosen Zusage der Urlaubsvergütung nicht gleich. Der Senat hat die sog. Surrogatstheorie mit Urteil vom 19. Juni 2012 (- 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64) vollständig aufgegeben. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung folgt nicht mehr den Regeln des Urlaubsanspruchs. Dementsprechend muss der Gläubiger nicht stets davon ausgehen, dass die Leistung zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugleich auch der Erfüllung eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt dienen soll. Vielmehr bedarf es regelmäßig einer (hilfsweisen) Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 Abs. 1 BGB. Ob die Beklagte eine solche zumindest konkludent abgegeben hat, bedarf keiner weiteren Klärung, weil der Anspruch des Klägers schon aus anderen Gründen nicht gegeben ist.

27

II. Über die Gewährung und Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in der Zeit bis zum 30. Juni 2011 haben sich die Parteien unter Ziff. 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Juni 2011 geeinigt. Danach wurde der Urlaubsanspruch des Klägers vollständig durch bezahlte Freistellung in diesem Zeitraum erfüllt. Nach § 779 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Die insoweit insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestehende Ungewissheit über die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung im Kündigungsschreiben wurde durch die Einigung beseitigt.

28

1. Die Auslegung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(BAG 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; Thomas/Putzo/Seiler 36. Aufl. § 794 Rn. 18). In welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist umstritten (vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 20 ff.). Teilweise wird angenommen, weil es sich um eine Prozesshandlung handele, sei die Auslegung gerichtlicher Vergleiche in der Revision vollständig überprüfbar, selbst wenn ihr Inhalt ausschließlich individuell bestimmt sei (BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b aa der Gründe; vgl. auch BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu I 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22; Düwell/Lipke/Düwell 3. Aufl. § 73 Rn. 22; ErfK/Koch 15. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 8). Andererseits wird die Auffassung vertreten, bei Prozessvergleichen sei ebenso wie bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen darauf abzustellen, ob es sich um eine typische Erklärung handele oder um eine atypische. Handele es sich um einen nichttypischen Vertrag könne die Auslegung des Prozessvergleichs vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 31 ff., BAGE 117, 218; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - aaO, mit dem Hinweis, dass Klauseln in Prozessvergleichen in der Regel nichttypische Erklärungen seien; vgl. auch BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 18; HWK/Bepler 6. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 15; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 28; GK-ArbGG/Mikosch Stand Dezember 2014 § 73 Rn. 43 mit der Annahme, es handele sich in der Regel um typische Vereinbarungen).

29

2. Es bedarf keiner abschließenden Klärung, in welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht zu überprüfen ist. Diese hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sich rechtsfehlerhaft auf die Auslegung des Satzes 2 der Ziff. 5 des Vergleichs beschränkt, ohne die übrigen Regelungen des Prozessvergleichs in die Auslegung einzubeziehen.

30

a) Im Kündigungsschreiben vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte erklärt, im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werde der Kläger mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Mit Ziff. 1 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass diese Bedingung erfüllt war, indem sie vereinbarten, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 beendet werden wird. Da die Parteien die Beendigung bereits zum 30. Juni 2011 und nicht - wie in der Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 vorgesehen - zum 31. Dezember 2011 vereinbarten, hätte es nahe gelegen, als Beendigungsgrund den gerichtlichen Vergleich selbst und nicht das Kündigungsschreiben der Beklagten anzunehmen. Das Anknüpfen an die Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 stellt vor diesem Hintergrund ein Indiz dafür dar, dass gerade auch die Urlaubsgewährung ab jenem Zeitpunkt von dem Willen der Parteien umfasst war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht zwingend der ausdrücklichen Vereinbarung im Prozessvergleich, dass die bezahlte Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs dienen sollte.

31

b) Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner Auslegung auch nicht auf Ziff. 6 des Prozessvergleichs eingegangen. Danach sollten mit der Erfüllung dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt sein. Bei dem Urlaubsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Damit folgt auch aus Ziff. 6 des Vergleichs, dass durch die bezahlte Freistellung des Klägers im Zeitraum vom Zugang der Kündigung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 auch der Urlaubsanspruch erfüllt sein sollte. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass dieser Zeitraum nicht ausgereicht habe, um sämtliche Urlaubsansprüche und Überstundenguthaben zu erfüllen.

32

Der Wortlaut von Ziff. 6 des Vergleichs unterscheidet sich auch erheblich von dem Wortlaut der Erledigungsklausel, die Gegenstand des Urteils des Senats vom 9. Juni 1998 war (- 9 AZR 43/97 - BAGE 89, 91 [„Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.“]). Durch die Formulierung „mit der Erfüllung dieses Vergleichs“ haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zum Ausdruck gebracht, dass die vergütete Freistellung von der Arbeit und nicht erst die Erledigungsklausel selbst zum Untergang des Urlaubsanspruchs führen sollte. Insofern ähnelt die Klausel zwar der Klausel, über die sich die Entscheidung des Achten Senats vom 31. Mai 1990 verhält (- 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171 [„Mit Erledigung der Ziffern 2. bis 4. sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.“]). In jenem (außergerichtlichen) Vergleich einigten sich die Parteien in Ziff. 2 jedoch nur auf eine Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist, ohne die Vergütungspflicht ausdrücklich zu regeln. Im Übrigen ist im Vergleich der Parteien vom 17. Juni 2011 auch die in der Formulierung, „dass der Kläger … freigestellt bleibt“, liegende Bezugnahme auf das Schreiben vom 19. Mai 2011 zu berücksichtigen, in dem die Anrechnung der bezahlten Freistellung auf sämtliche Urlaubsansprüche ausdrücklich genannt ist.

33

c) Nach Ziff. 3 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 zahlt die Beklagte an den Kläger wegen des Verlusts seines sozialen Besitzstands eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG iHv. 15.000,00 Euro brutto. Es ist - gerade unter Berücksichtigung der Erledigungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs - nicht erkennbar, dass die Beklagte durch den Vergleich neben dem Abfindungsanspruch noch einen zusätzlichen Anspruch begründen wollte. Dies wäre aber nach der Auslegung des Landesarbeitsgerichts der Fall. Der Kläger hätte neben dem Anspruch auf Abgeltung des vollen Urlaubs einen Anspruch auf bezahlte Freistellung im Zeitraum vom Zugang der Erklärung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011. Ein Anlass, warum die Beklagte sich neben der Pflicht zur Urlaubsgewährung bzw. zur Urlaubsabgeltung zu einer weiteren bezahlten Freistellung von der Arbeitsleistung verpflichten sollte, ist weder festgestellt noch dargelegt.

34

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Matth. Dipper    

        

    Anthonisen    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. Juni 2015 - 1 Sa 35/12 - im Kostenausspruch, in Ziff. 2 und Ziff. 4 des Tenors jeweils insgesamt und in Ziff. 1 des Tenors insoweit aufgehoben, wie es das Versäumnisurteil vom 7. Februar 2013 (- 1 Sa 35/12 -) teilweise aufgehoben, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Juni 2012 (- 3 Ca 143/12 -) teilweise abgeändert und festgestellt hat, dass dem Kläger 32 Tage bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung als Ersatz für den Urlaub aus dem Jahr 2008 zustehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung, über Ersatzurlaubsansprüche für verfallenen Urlaub bzw. Entschädigung in Geld und - im Wege der Widerklage - über einen Rückzahlungsanspruch wegen Gehaltsüberzahlung.

2

Der Kläger ist Fachwirt der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Seit dem 1. August 2000 war er bei der Beklagten, einer Ersatzkasse, in deren Hauptverwaltung als Sachgebietsleiter beschäftigt. Zuletzt wurde er im Bereich kaufmännisches Immobilienmanagement eingesetzt. In der Hauptverwaltung, für die ein Personalrat gewählt ist, beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die von der Beklagten abgeschlossenen Haustarifverträge, ua. der Manteltarifvertrag der Techniker Krankenkasse (TKT), in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Beklagte vergütete den Kläger zuletzt nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 11 TKT.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien vor den streitgegenständlichen Kündigungen - beginnend ab Juni 2006 - mehrere Male, zuletzt am 14. Juli 2010 fristlos. Infolge dieser Kündigungen, gegen die er jeweils Kündigungsschutzklage erhob, erbrachte der Kläger letztmalig am 19. November 2007 Arbeitsleistungen für die Beklagte. Diese stellte den Kläger durch mehrere Schreiben unter Anrechnung auf tariflichen Jahresurlaub - ua. der Jahre 2008, 2009 und 2010 - von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Im April 2013 entschied das Landesarbeitsgericht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 nicht aufgelöst worden ist. Das Urteil wurde am 15. Juli 2013 rechtskräftig.

5

In einem parallel geführten Rechtsstreit hat sich der Kläger gegen eine zum 26. April 2006 erfolgte Änderung seines Tätigkeitsbereichs gewandt. Am 31. Januar 2008 hat das Landesarbeitsgericht - unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils - die Beklagte verurteilt, den Kläger als Sachgebietsleiter BW.3 (Kaufmännisches Immobilienmanagement) neben den Tätigkeiten der Dokumentation des Verwaltungshandelns und der Erstellung und Prüfung von Betriebskostenabrechnungen mit Tätigkeiten der Anmietung von Dienststellenflächen, der Vermietung von eigenen Immobilien der Beklagten, der Durchführung von Mietzahlungen, der Überwachung der zufließenden Mieteinnahmen sowie der Durchführung des in Bezug auf die Betriebskostenabrechnungen und Mietzahlungen aus den Mietverhältnissen der Beklagten des außergerichtlichen Mahnwesens zu beschäftigen. Der Rechtsstreit ist - nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten - in die Revision gelangt. Das Verfahren ist ausgesetzt.

6

Mit Schreiben vom 22. Juli 2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, sich am 24. Juli 2013, 10:00 Uhr, in der Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden.

7

Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 bat der Kläger, die Beklagte möge ausstehende Annahmeverzugsvergütung abrechnen und die sich hieraus ergebenden Nettobeträge an ihn auszahlen. Er erklärte, er mache bis zur Erledigung von seinem Zurückbehaltungsrecht „an seiner Arbeitskraft“ Gebrauch. Außerdem verwies er auf einen früheren Antrag, ihm für die Zeit vom 18. Juli bis 4. September 2013 Urlaub zu gewähren.

8

Die Beklagte kündigte baldige Zahlung an. Hinsichtlich des Urlaubs teilte sie mit, der Anspruch für das laufende Jahr sei durch eine vorsorgliche Freistellung in der Zeit vom 21. Januar 2013 bis einschließlich 8. März 2013 erfüllt. Auf ihre Anweisung wurde dem Konto des Klägers am 26. Juli 2013 ein Betrag in Höhe von 95.029,80 Euro netto gutgeschrieben.

9

Unter dem 29. Juli 2013 beanstandete der Kläger die Zahlung als zu gering. Schon auf der Basis der bisherigen Eingruppierung habe eine Nachzahlung von rund 120.000,00 Euro netto erfolgen müssen und bestehe noch eine Differenz von „ca. EUR 25.000,00 netto“. Im Übrigen stünden Verzugszinsen offen, sei eine nachvollziehbare Abrechnung nicht erfolgt und habe er seit dem 1. Juli 2010 Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe 10 Stufe 11 TKT. Unabhängig davon sei er in der Vergangenheit erheblichen Anfeindungen und Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts ausgesetzt gewesen. Mit Blick hierauf erwarte er eine betriebsöffentliche, ihn rehabilitierende Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines bisherigen unmittelbaren Vorgesetzten. Außerdem sehe er einem Angebot zur Durchführung eines betriebsinternen Supervisions- oder Mediationsverfahrens unter Teilnahme mehrerer Personen, ua. eines Vertreters des Personalrats, entgegen. Dies sei erforderlich, um künftig eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit - auch mit ihm unterstellten Mitarbeitern - zu ermöglichen. Bis zur Bestätigung der Abgabe oder Durchführung der geforderten Erklärungen bzw. Maßnahmen mache er „zusätzlich zu dem Zurückbehaltungsrecht aufgrund der nicht erfüllten Gegenforderungen“ von einem Zurückbehaltungsrecht „an der Arbeitskraft“ Gebrauch.

10

Mit Schreiben vom 31. Juli 2013 erläuterte die Beklagte anhand beigefügter monatlicher Entgeltabrechnungen, sie habe für die Zeit vom 29. Juni 2010 bis 31. Juli 2013 unter Berücksichtigung etwaiger Sonderzahlungen Bruttovergütung iHv. insgesamt 243.119,00 Euro berechnet. Bei der erfolgten Gutschrift handele es sich um den daraus ermittelten Nettobetrag. Außerdem gab sie Erklärungen zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der Beträge zur Arbeitslosenversicherung ab. Weiter gehende Forderungen wies sie - bis auf Zinsforderungen - zurück. Am 1. August 2013 überwies sie dem Kläger zu deren Ausgleich einen Betrag von 18.623,33 Euro netto.

11

Der mit den vorgenannten Schreiben jeweils wiederholten Aufforderung der Beklagten, sich in der Hauptverwaltung einzufinden, leistete der Kläger keine Folge. Weitere Erklärungen gab er nicht ab. Mit Schreiben vom 7. und 27. August 2013 sowie vom 9. September 2013 mahnte die Beklagte ihn jeweils wegen „Nichterscheinens am Arbeitsplatz“ ab. Zugleich erneuerte sie jeweils - erfolglos - die Ladung zum Arbeitsantritt.

12

Mit Schreiben vom 27. September 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - mit Zustimmung des Personalrats - außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2014.

13

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Er sei zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet gewesen. Die Beklagte sei nicht bereit gewesen, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Im Übrigen habe er rechtmäßig von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Grundlage hierfür seien - neben offenen Gehaltsforderungen - erhebliche Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts gewesen, denen er seit dem Jahr 2006 ausgesetzt gewesen sei. So sei er einem regelrechten „Mobbing-Programm“ unterzogen worden, das im mittleren Management der Beklagten praktiziert worden sei. Zur Wiedergutmachung und zum Ausschluss künftiger Störungen habe er Anspruch auf die mit Schreiben vom 29. Juli 2013 verlangte betriebsöffentliche Stellungnahme gehabt. Um eine reibungslose und sachdienliche Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Beklagten zu ermöglichen, habe es zudem einer Supervision oder - nach Wahl der Beklagten - einer Mediation bedurft.

14

Daneben hat der Kläger - im Rahmen ursprünglich getrennt geführter Klagen und soweit noch von Interesse - Ansprüche wegen nicht erfüllter Urlaubsansprüche geltend gemacht. Mit Klage vom 29. Dezember 2011 hat er zunächst - im Hinblick auf die Kündigung vom 14. Juli 2010 - „Abgeltung“ für 34 Tage Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 verlangt. Im Berufungsrechtszug hat er sein Begehren um eine Feststellungsklage erweitert, mit der er „hilfsweise“ für den Fall des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses Ersatzurlaub im Umfang von zwei Tagen für das Jahr 2007 und von 32 Tagen für das Jahr 2008 geltend gemacht hat. Mit weiterer Klage vom 23. Dezember 2013 hat er die Feststellung von Ersatzurlaubsansprüchen für Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 im Umfang von je 32 Tagen begehrt; „hilfsweise“ für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 27. September 2013 hat er deren „Abgeltung“ verlangt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit den vorsorglichen Freistellungen im Rahmen der früheren Kündigungsschutzprozesse seine Urlaubsansprüche - mangels vorbehaltloser Zusage der Urlaubsvergütung - nicht erfüllt. Angesichts deren zwischenzeitlichen Verfalls sei sie verpflichtet, Schadensersatz zu leisten.

15

Der Kläger hat zuletzt, soweit von Interesse, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. September 2013 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.909,36 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2010 zu zahlen,

                 

hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht, festzustellen, dass ihm 34 Tage restlicher Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 zustehen;

        

3.    

festzustellen, dass ihm aus den Jahren 2009 und 2010 noch ein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung iHv. 64 Arbeitstagen zusteht,

                 

hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. September 2013 endete, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.793,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. September 2013 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, sowie widerklagend,

        

den Kläger zu verurteilen, an sie 6.653,87 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat die Kündigungen als wirksam verteidigt. Der Kläger habe spätestens seit dem 1. August 2013 die Arbeitsleistung grundlos und beharrlich verweigert. Bei pflichtgemäßer Meldung in der Hauptverwaltung wäre ihm die Leitung des Sachgebiets BW.3 im Wesentlichen „in dem Bestand“ aus dem Jahr 2006 übertragen worden. Ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung habe er schon nicht wirksam ausgeübt. Den tariflichen Jahresurlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 habe sie bis zum Ablauf des jeweiligen Übertragungszeitraums vollständig erteilt. Im Übrigen habe der Kläger jeweils die Urlaubsgewährung verlangt. Es sei widersprüchlich, ihn nicht als erfüllt zu betrachten. Etwaige Ansprüche seien zudem verfallen, mindestens aber verjährt. Der mit der Widerklage verfolgte Anspruch beruhe auf einer Überzahlung. Der Kläger habe die an ihn - unstreitig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleisteten Gehaltszahlungen für die Monate August und September 2013 ohne Rechtsgrund erlangt.

18

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

19

Das Arbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil, das es nach frist- und formgerecht eingelegtem Einspruch des Klägers aufrechterhalten hat, die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die weiter gehenden Klageanträge hat es - soweit noch von Bedeutung - ebenfalls abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil vom 7. Februar 2013 die Berufung des Klägers im Umfang der geltend gemachten „Urlaubsabgeltung“ für Urlaub aus den Jahren 2007 und 2008 und der für diese Jahre „hilfsweise“ beantragten Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf 34 Tage Ersatzurlaub zurückgewiesen. Nach frist- und formgerecht eingelegtem Einspruch des Klägers und Verbindung der Rechtsstreitigkeiten der Parteien zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht, soweit noch von Interesse, (zu Nr. 4 des Tenors) der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Außerdem hat es (zu Nr. 1 und Nr. 2 des Tenors) - unter teilweiser Aufhebung seines Versäumnisurteils vom 7. Februar 2013 und dessen Aufrechterhaltung im Übrigen - festgestellt, dass dem Kläger je 32 Tage bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung als Ersatz für Urlaub aus den Jahren 2008, 2009 und 2010 zustehen.

20

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte hinsichtlich des Ersatzurlaubs für das Jahr 2008 die Wiederherstellung des zweitinstanzlichen Versäumnisurteils, im Übrigen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidungen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

22

A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben dem Kündigungsschutzantrag, den Anträgen auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf je 32 Tage Ersatzurlaub für Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 und dem Widerklageantrag - der Antrag auf Entschädigung für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 (16.793,12 Euro brutto nebst Zinsen). Über den zuletzt genannten Antrag hat das Landesarbeitsgericht, ausgehend von dem zutreffenden Verständnis, es handele sich um einen „echten“, vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Hilfsantrag, nicht entschieden (zur Entbehrlichkeit eines Anschlussrechtsmittels in einem solchen Fall vgl. BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 75, BAGE 133, 289). Anders verhält es sich mit dem Antrag auf „Abgeltung“ von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2007 und 2008 und dem Feststellungsantrag, soweit er sich auf zwei Ersatzurlaubstage für Urlaub aus dem Jahr 2007 bezieht. In diesem Umfang hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers unter Aufrechterhaltung seines Versäumnisurteils vom 7. Februar 2013 zurückgewiesen. Da der Kläger insoweit Anschlussrevision nicht eingelegt hat, fällt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über diese Streitgegenstände dem Senat nicht zur Überprüfung an. Ob ihr ein zutreffendes Antragsverständnis zugrunde liegt, kann dahinstehen.

23

B. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden.

24

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Begründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11). Bei mehreren Streitgegenständen muss grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Einer eigenständigen Begründung bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 11; 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 353).

25

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Zwar setzt sie sich nicht gesondert mit der Begründung der Entscheidung über die Widerklage auseinander, obwohl diese lediglich Zahlungen für die Zeit nach Zugang der Kündigung vom 27. September 2013 betrifft und damit unmittelbar vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängt. Das ist aber unschädlich. Das Landesarbeitsgericht hat die Widerklage mit der - knappen - Erwägung abgewiesen, im entscheidungserheblichen Zeitraum habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden, in dem die Beklagte zur Zahlung von Entgelt verpflichtet gewesen sei. Für den Rechtsgrund der Zahlung bezieht es sich erkennbar stillschweigend auf seine Entscheidung über die Kündigungsschutzklage. Dieser hat es mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe den Kläger nicht in beachtlicher, ihren Annahmeverzug beendender Weise zur Arbeit aufgefordert mit der Folge, dass er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte legt im Einzelnen dar, warum diese Rechtsauffassung fehlerhaft sei. Die Sachrügen sind, ihre Berechtigung unterstellt, geeignet, außer der Entscheidung über die Kündigungsschutzklage auch die Entscheidung über die Widerklage zu Fall zu bringen. Entsprechendes gilt für die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub. Über sie ist - bei sachgerechtem Verständnis - nur im Fall des vollständigen Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag zu entscheiden.

26

C. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag nicht stattgeben (I.). Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2013 aufgelöst worden ist, steht nicht fest und kann vom Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst entschieden werden (II.). Über die ordentliche Kündigung und über die Ersatzurlaubsansprüche bzw. Ansprüche auf Geldentschädigung ist in Abhängigkeit vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits zu entscheiden. Auch hinsichtlich der Widerklage ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif (III.).

27

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben.

28

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 20; 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 27, 28).

29

2. Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist ein in diesem Sinne „an sich“ die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigender Grund (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 22; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN). Als ein solcher kommt aber auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 517/14 - Rn. 23; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19). Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen (vgl. BGH 13. November 2012 - XI ZR 145/12 - Rn. 28), als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten (zum Inhalt möglicher Nebenleistungspflichten vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 418/09 - Rn. 12). Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - aaO; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 32).

30

3. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 22; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161).

31

4. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe den Arbeitsaufforderungen der Beklagten mangels genügender Spezifizierung der Art der künftig von ihm zu leistenden Tätigkeit keine Folge leisten müssen, ist nicht berechtigt. Hiervon ausgehend ist es zu dem rechtsfehlerhaften Ergebnis gelangt, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung liege nicht vor. Es hat übersehen, dass ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zumindest unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht kommt.

32

a) Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, die Beklagte habe den Kläger nach ihrer früheren Kündigung vom 14. Juli 2010 zur Arbeit auffordern müssen, um dessen Arbeitspflicht zu begründen. Die Würdigung ist - auch soweit sie auf der nicht näher begründeten Annahme beruht, die Beklagte habe sich vor der Ladung vom 22. Juli 2013 mit der Annahme der Dienste des Klägers im Verzug befunden - nachvollziehbar.

33

aa) In den früheren Kündigungen - zuletzt der rechtskräftig für unwirksam erklärten fristlosen Kündigung vom 14. Juli 2010 - lag zugleich die Erklärung der Beklagten, sie werde die Arbeitsleistung des Klägers nicht mehr annehmen. Sie geriet damit grundsätzlich in Annahmeverzug, ohne dass es eines - auch nur wörtlichen - Arbeitsangebots des Klägers bedurfte, §§ 295, 296 BGB(vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 12, BAGE 141, 340; 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 216; 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe mwN, BAGE 108, 27). Davon geht die Beklagte, die für die Zeit vom 29. Juni 2010 bis einschließlich Juli 2013 vorbehaltlos Annahmeverzugsvergütung an den Kläger ausgekehrt hat, erkennbar selbst aus. Sie meint lediglich, aufgrund der Nichtbefolgung ihrer Ladungen zum Arbeitsantritt habe ihr Gläubigerverzug spätestens Anfang August 2013 geendet.

34

bb) Die Beendigung des Annahmeverzugs ist gesetzlich nicht besonders geregelt. Er endet in dem Zeitpunkt, in dem seine Voraussetzungen entfallen (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - Rn. 22; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 3 der Gründe, BAGE 90, 329). Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung in Annahmeverzug geraten, muss er, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Die Erledigung des Kündigungsrechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten. Da der Arbeitgeber mit der unwirksamen Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht hat, kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 93/12 - aaO; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 14 mwN, BAGE 141, 340; grundlegend 9. August 1984 - 2 AZR 374/83 - zu B II 5 b der Gründe, BAGE 46, 234). Einer solchen Aufforderung bedarf es in jedem Fall, wenn für den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - aaO; 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - aaO). Nimmt der Arbeitnehmer die Arbeit trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder auf, endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers, weil dann regelmäßig vom Fehlen des Leistungswillens des Arbeitnehmers auszugehen ist. Der Anwendungsbereich des § 297 BGB ist nicht auf den Fall beschränkt, in dem der Arbeitnehmer schon vor einer Kündigung nicht zu vertragsgemäßer Arbeitsleistung bereit war(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 16 mwN; APS/Biebl 4. Aufl. § 11 KSchG Rn. 13).

35

cc) Hinsichtlich der Aufforderung, die Arbeit aufzunehmen, braucht der Arbeitgeber keine „Ankündigungsfrist“ einzuhalten. Zwar ist der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung gehalten, seine Arbeitskraft anderweitig zu verwerten, § 615 Satz 2 BGB. Deshalb räumt ihm § 12 KSchG ein Wahlrecht ein: Besteht nach einer Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort und ist der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, kann er binnen einer Woche nach der Rechtskraft die Fortsetzung des (früheren) Arbeitsverhältnisses verweigern. Mit der Erklärung endet das (frühere) Arbeitsverhältnis und es ist ihm nach § 12 Satz 4 KSchG entgangener Verdienst nur für die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis zu gewähren. Lässt der Arbeitnehmer die Wochenfrist aber verstreichen, besteht das frühere Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Der Arbeitnehmer kann und muss deshalb jederzeit damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 18, BAGE 141, 340).

36

b) Diesen Vorgaben werden die Erklärungen der Beklagten grundsätzlich gerecht. Sie hat den Kläger nach Erledigung der vorausgegangenen Kündigungsschutzprozesse mehrmals schriftlich aufgefordert, sich in ihrer Hauptverwaltung „zum Arbeitsantritt“ einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden. Im Zeitpunkt ihres Schreibens vom 22. Juli 2013 war die Wochenfrist des § 12 Satz 1 KSchG verstrichen, ohne dass der Kläger sich auf die Eingehung eines anderen Arbeitsverhältnisses berufen hätte. Die Ladungen enthielten eindeutige Vorgaben zu Ort und Zeitpunkt (24. Juli 2013, 10:00 Uhr bzw. nachfolgend: „unverzüglich“) des erwarteten Dienstantritts.

37

c) Es kann unterstellt werden, dass es zur Bewirkung der vom Kläger geschuldeten Hauptleistung einer Konkretisierung der Art der zu verrichtenden Tätigkeit bedurfte. Eine ggf. erforderliche Spezifizierung brauchte die Beklagte jedenfalls nicht schon bei der Arbeitsaufforderung vorzunehmen. Sie durfte vielmehr das Erscheinen des Klägers im Betrieb abwarten. Die bisherigen Feststellungen berechtigen nicht zu der Annahme, dem Kläger sei schon die bloße Meldung in der Hauptverwaltung unzumutbar gewesen.

38

aa) Die dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung obliegende Mitwirkungshandlung iSd. §§ 295, 296 BGB besteht darin, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen(BAG 19. Januar 1999 - 9 AZR 679/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 90, 329; 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - zu II 2 d der Gründe). Daraus folgt aber keine Obliegenheit des Arbeitgebers, neben der grundsätzlich gebotenen Festlegung von Zeit und Ort der Arbeitsaufnahme auch den Inhalt der vom Arbeitnehmer konkret zu leistenden Arbeit bereits bei der Arbeitsaufforderung festzulegen. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer ohne eine solche Konkretisierung außerstande ist, seine Hauptleistungspflicht zu erfüllen.

39

(1) Die Arbeitsaufforderung hat den Zweck, dem Arbeitnehmer Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der Arbeitgeber ihm die Arbeitsaufnahme nicht länger verwehrt und den Arbeitsplatz - freilich im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen - überhaupt zur Verfügung stellt. Dafür kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob und ggf. welcher konkreten Arbeitsanweisungen es zusätzlich bedarf, um den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seiner Hauptleistungspflicht nachzukommen (BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - zu II 2 d der Gründe). Ausreichend ist vielmehr die Bereitschaft des Arbeitgebers, ggf. erforderliche Konkretisierungshandlungen nach Erscheinen des Arbeitnehmers im Betrieb vorzunehmen (Konzen Anm. AP BGB § 615 Nr. 35). Steht der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest, genügt als Anzeige dieser Bereitschaft grundsätzlich auch eine nicht näher spezifizierte Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers.

40

(2) Für diese Sichtweise spricht auch die Obliegenheit, bei der laufenden Planung des Arbeitseinsatzes billiges Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO) walten zu lassen. Dies kann es erforderlich machen, auf einen vorab abzuklärenden Einarbeitungsbedarf des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen, was umso mehr gilt, wenn die unwirksame Kündigung des Arbeitgebers zu einer längeren Arbeitsunterbrechung geführt hat. Im Übrigen bleibt es dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen, von einer vor Arbeitsantritt vorgenommenen oder avisierten Leistungsbestimmung im Zeitpunkt des Erscheinens des Arbeitnehmers im Betrieb wieder Abstand zu nehmen und den Inhalt der Arbeitsleistung in den Grenzen des § 106 GewO neu festzulegen.

41

(3) Gegenstand des dem Arbeitgeber zukommenden Direktionsrechts ist im Übrigen nicht allein die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers. Ihm unterliegen gleichfalls solche Verhaltenspflichten, die darauf zielen, den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 804/11 - Rn. 23, BAGE 143, 62; 23. Juni 2009 - 2 AZR 606/08 - Rn. 17; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 45 Rn. 14). Auch dies spricht dafür, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer für unwirksam erklärten Kündigung - sofern er ihm nur einen Arbeitsplatz überhaupt zur Verfügung stellt - zur „Arbeit“ schlicht in der Weise auffordern kann, dass er ihn mit der Maßgabe in den Betrieb einbestellt, sich an einem vorgegebenen Ort zur Entgegennahme weiterer Weisungen bereit zu halten.

42

bb) Kommt der Arbeitnehmer einer ihm insoweit auferlegten Vorbereitungshandlung bewusst nicht nach, kann dies zum einen indizieren, dass ihm die Bereitschaft, Arbeit überhaupt zu leisten, fehlt (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 19, BAGE 141, 340). Zum anderen liegt in dem Verhalten eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten, die bei intensiver Weigerung „an sich“ auch eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermag.

43

cc) Der Streitfall weist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Die Beklagte musste die Art der vom Kläger künftig zu leistenden Tätigkeit nicht deshalb vor dem erwarteten Dienstantritt konkretisieren, weil sie womöglich im Zusammenhang mit einer früheren Änderung des Arbeitsbereichs des Klägers in unwirksamer Weise von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht hatte und infolgedessen über den Inhalt der Arbeitspflicht des Klägers Streit bestand.

44

(1) Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Begründung seines nicht rechtskräftigen Urteils vom 31. Januar 2008 gemeint, die Beklagte habe ihr Direktionsrecht bei der fraglichen Änderung des Sachgebiets BW.3 in maßregelnder Weise und damit unter Verstoß gegen § 612a BGB ausgeübt. Eine andere, vertragsgemäße Tätigkeit habe sie dem Kläger im Anschluss nicht mehr übertragen. Die Würdigung ist in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Ihr ist nicht zu entnehmen, ob sich das Landesarbeitsgericht, das sich hier auf ein Begründungselement aus der herangezogenen Entscheidung bezieht, die dortigen Feststellungen konkludent zu eigen gemacht und sie einer eigenen tatrichterlichen Würdigung unterzogen hat, oder ob es - was unzureichend wäre - die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung ungeprüft übernommen hat.

45

(2) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die mit der Änderung des Tätigkeitsbereichs zusammenhängende Leistungsbestimmung nicht lediglich unverbindlich (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB), sondern wegen Verstoßes gegen § 612a BGB aus anderen Gründen unwirksam war. Daraus folgte grundsätzlich aber nur, dass es bis zu einer rechtswirksamen Neuausübung des die Hauptleistungspflicht betreffenden Direktionsrechts durch die Beklagte bei der dem Kläger zuvor zugewiesenen Arbeitsaufgabe verblieb und er nicht verpflichtet war, die Leitung des Sachgebiets BW.3 in der Ausgestaltung, den dieses seit dem 26. April 2006 hatte, auch nur vorläufig zu übernehmen (vgl. dazu BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BAGE 141, 34; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 239). Auch ein dem Kläger ggf. im Hinblick auf die Änderung seines Tätigkeitsbereichs zukommendes Leistungsverweigerungsrecht (§ 275 Abs. 3 BGB) berechtigte ihn - jenseits der Frage, ob er von dem Recht bereits Gebrauch gemacht hatte - grundsätzlich nicht, Handlungen zu unterlassen, die lediglich der Vorbereitung einer späteren Arbeitsaufnahme dienten und die es der Beklagten ermöglicht hätten, von ihrem Direktionsrecht ggf. erneut und nunmehr rechtswirksam Gebrauch zu machen. Dementsprechend lassen sich aus der bloßen Unwirksamkeit einer vor der Kündigung in Bezug auf die Hauptleistung erteilten Weisung auch keine besonderen Anforderungen an den Inhalt einer dem Arbeitgeber obliegenden Arbeitsaufforderung ableiten. Nichts anderes gilt für die Verurteilung vom 31. Januar 2008. Auch mit ihr war keine Entscheidung darüber getroffen, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte zukünftig von ihrem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen konnte (BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - aaO; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 10).

46

dd) Zwar läge keine genügende Arbeitsaufforderung vor, wenn der Beklagten grundsätzlich die Bereitschaft gefehlt hätte, den Kläger vertragsgemäß einzusetzen. Auch käme ggf. ein Weigerungsrecht des Klägers unmittelbar aus oder analog § 275 Abs. 3 BGB in Betracht, wenn er aufgrund äußerer Umstände berechtigten Anlass gehabt hätte, eine generelle Annahmeunwilligkeit der Beklagten zu vermuten. Für beides fehlt es auf der Basis der bisherigen Feststellungen aber an Anhaltspunkten.

47

(1) Das Landesarbeitsgericht hat in diese Richtung ausgeführt, dem Vorbringen der Beklagten „aus Gerichtsverfahren“ sei zu entnehmen, dass sie den Kläger nach Arbeitsantritt erneut nur als Leiter des Sachgebiets BW.3 in der Ausgestaltung habe beschäftigen wollen, den dieses nach der Änderung des Tätigkeitsbereichs seit dem 26. April 2006 gehabt habe. Die Würdigung verletzt, wie die Beklagte mit Recht rügt, § 286 ZPO. Sie lässt nicht erkennen, auf welchen tatsächlichen Grundlagen sie beruht. Es kann deshalb nicht beurteilt werden, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlungen gewürdigt hat, insbesondere ob es sich mit dem Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 28. April 2015 auseinandergesetzt hat, die Tätigkeit, die sie dem Kläger nach seinem Erscheinen in der Hauptverwaltung habe zuweisen wollen, habe der ihr durch das Urteil vom 31. Januar 2008 auferlegten Beschäftigungspflicht entsprochen. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Beklagte habe dem Sachgebiet BW.3 das Vergaberecht entzogen bzw. es bei dem Entzug belassen wollen, widerspricht dies nicht deren Rechtsauffassung. Das Gebiet zählt nicht zu den im Tenor des Urteils vom 31. Januar 2008 einzeln aufgeführten Arbeitsaufgaben.

48

(2) Aber auch wenn die von der Beklagten in den Blick genommene Beschäftigung nicht den Vorgaben der Verurteilung vom 31. Januar 2008 entsprochen hätte, folgte daraus nicht, dass ihr grundsätzlich die Bereitschaft gefehlt hätte, auf etwaige Einwände des Klägers einzugehen und ihm erforderlichenfalls andere Aufgaben zuzuweisen.

49

II. Der Kündigungsschutzantrag ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt ist. Die Entscheidung darüber stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO).

50

1. Die bisherigen Feststellungen bieten - wie gezeigt - keinen genügenden Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagte sei grundsätzlich nicht bereit gewesen, den Kläger vertragsgemäß einzusetzen. Das Vorbringen der Parteien aus den Vorinstanzen liefert dafür keine zusätzlichen Anhaltspunkte. Der Kläger hat lediglich gemeint, die Beklagte habe schon bei früherer Arbeitsaufforderung vom 26. Januar 2010 nicht klargestellt, auf welcher Grundlage sie ihn beschäftigen werde. Dies reicht ebenso wenig aus wie sein Hinweis, die Beklagte habe bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs für das Jahr 2013 seine Urlaubswünsche nicht berücksichtigt. Die Beklagte hat dies mit dem „Verbrauch“ des Urlaubs durch eine im Lauf der Vorprozesse erfolgte vorsorgliche Urlaubsgewährung begründet. Damit hat sie lediglich in einer umstrittenen Rechtsfrage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Da der Kläger auf die mehrfachen Ladungen zum Arbeitsantritt trotz Abmahnung nicht reagiert hat, ist - vorbehaltlich eines ihm aus anderen Gründen zustehenden Rechts, seine Arbeitskraft zurückzuhalten - zumindest von einer beharrlichen, die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten auszugehen.

51

2. Nach dem bisher festgestellten Streitverhältnis spricht wenig dafür, die Weigerung des Klägers in Ausübung des von ihm ausgeübten Zurückbehaltungsrechts (§ 273 Abs. 1 BGB) als gerechtfertigt anzusehen (zum Ausschluss einer Arbeitsverweigerung bei berechtigter Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts vgl. BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 37; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

52

a) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 37; 3. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff.).

53

b) Danach ist, soweit der Kläger geltend gemacht hat, ein Zurückbehaltungsrecht stehe ihm wegen behaupteter Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts zu, schon fraglich, ob er die Beeinträchtigungen durch die pauschale Bezugnahme auf Ausführungen in einem früheren Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hinreichend spezifiziert hatte (zu diesem Erfordernis vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 51). Im Ergebnis dürfte es hierauf nicht ankommen. Soweit der Kläger in Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts die Abgabe einer „betriebsöffentlichen“ Stellungnahme des Vorstands der Beklagten und seines unmittelbaren Vorgesetzten verlangt hat, „… da[ss] [er] sich gegenüber der [Beklagten] auch sonst kein kündigungsrelevantes Verhalten ha[be] zu schulden kommen lassen“, ist nicht erkennbar, worauf sich das Verlangen stützt, insbesondere soweit es neben die Erklärung treten sollte, dass alle gegenüber dem Kläger erhobenen Kündigungsvorwürfe unbegründet gewesen seien. Im Übrigen liegt nicht in jeder unberechtigten Kritik, überzogenen Abmahnung und/oder unwirksamen Kündigung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - aaO). Es hätte deshalb einer näheren, auf die einzelnen Vorwürfe bezogenen Darstellung bedurft, warum die maßgebende Schwelle im Streitfall überschritten sein soll. Die Unterbreitung eines Angebots auf Durchführung eines innerbetrieblichen Mediations- oder Supervisionsverfahrens konnte der Kläger schon deshalb nicht in Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durchsetzen, weil die Beklagte Mitglieder des Personalrats in ihrer Funktion als Amtsträger grundsätzlich nicht zur Teilnahme an solchen Verfahren verpflichten kann. Dass die von ihm erbetenen Offerten auf Freiwilligkeit ausgelegt sein sollten, ist dem Schreiben vom 29. Juli 2013 nicht ohne Weiteres zu entnehmen.

54

c) Ein Arbeitnehmer kann das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung zwar auch dann ausüben, wenn er einen fälligen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber erworben hat und der Arbeitgeber diesen nicht erfüllt (vgl. BAG 25. Oktober 1984 - 2 AZR 417/83 - zu II 3 der Gründe). Der Kläger hat aber nicht aufgezeigt, dass ihm nach der Anfang August 2013 bewirkten Zahlung von Verzugszinsen noch eine fällige Gehaltsforderung einschließlich etwaiger Nebenforderungen zugestanden habe. Soweit er sich im Schreiben vom 29. Juli 2013 darauf bezogen hat, ihm zugeflossene Nettobeträge seien zu gering, fehlt es an einer nachvollziehbaren Berechnung des Anspruchs. Ansprüche des Klägers auf Höhergruppierung haben die Vorinstanzen - insoweit rechtskräftig - abgewiesen. Damit steht - soweit ersichtlich - fest, dass dem Kläger auch aus einem solchen Grund keine weiter gehenden Zahlungsansprüche zugestanden haben.

55

3. Auch wenn es auf der Basis der bisherigen Feststellungen eher fernliegen dürfte anzunehmen, der Kläger habe wirksam von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, muss die abschließende Beurteilung, die auch auf tatsächlichem Gebiet liegt, dem Landesarbeitsgericht vorbehalten bleiben.

56

4. Abgesehen davon hat das Landesarbeitsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt ausgehend konsequent - keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und damit die Prüfung unterlassen, ob das Beendigungsinteresse der Beklagten das Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiegt (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 35, BAGE 150, 109; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28). Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Dabei wird insbesondere auf einen möglichen Rechtsirrtum des Klägers über ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht Bedacht zu nehmen sein. Ein solcher Irrtum wäre, auch wenn er für den Kläger auflösbar und vermeidbar gewesen sein mag, für die Interessenabwägung nicht von vornherein bedeutungslos (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 40; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44). Im Streitfall könnte er sich jedenfalls dann zugunsten des Klägers auswirken, wenn rechtswidrige Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht objektiv vorgelegen haben sollten, was nach seinem - bestrittenen - Vorbringen nicht ausgeschlossen erscheint. Auch dann bliebe es zwar bei der unwirksamen Ausübung des Rechts und hätte der Kläger aufgrund der nachdrücklichen Abmahnungen der Beklagten hinreichenden Anlass gehabt, seine Rechtsausübung auf Angemessenheit zu überprüfen. Gleichwohl erschiene die Pflichtverletzung in einem milderen Licht, was bei der Interessenabwägung zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wäre.

57

5. Die fristlose Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt wäre. Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger sei grundsätzlich nicht bereit gewesen, ihren Ladungen zu folgen und seine Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich bis zum Kündigungszeitpunkt fortlaufend neu verwirklichte (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45).

58

6. Auf andere Unwirksamkeitsgründe hat sich der Kläger nicht berufen.

59

III. Der Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren, in die Revision gelangten Streitgegenstände.

60

1. Über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung ist nur zu entscheiden, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Sollte der Antrag dem Landesarbeitsgericht erneut zur Entscheidung anfallen, wird es zunächst weiterhin davon ausgehen können, dass sich der Kündigungsschutzantrag trotz verkürzter Formulierung auf beide am 27. September 2013 erklärte Kündigungen bezieht. Darüber hinaus wird es zu berücksichtigen haben, dass seine Würdigung, die Kündigung sei mangels kündigungsrelevanter Pflichtverletzung sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KSchG, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht tragfähig ist.

61

2. Die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub sind - jedenfalls seit ihrer Verbindung mit dem Kündigungsschutzantrag - als uneigentliche Hilfsanträge zu diesem zu verstehen. Die Entscheidung über sie hängt davon ab, dass sich keine der beiden Kündigungen als wirksam erweist. Im Alternativverhältnis dazu steht - was den Urlaub aus den Jahren 2009 und 2010 betrifft - der „echte“ Hilfsantrag auf Entschädigung in Geld, der erkennbar für den Fall gestellt ist, dass auch nur eine der beiden Kündigungen Bestand hat und damit die Gewährung des Ersatzurlaubs wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Betracht kommt.

62

3. Sollten ihm die Feststellungsanträge auf Ersatzurlaub erneut zur Entscheidung anfallen, wird das Landesarbeitsgericht - auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens - im Ergebnis weiter davon ausgehen können, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von je 32 Arbeitstagen Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2010 hat. Sollte es auf den Entschädigungsanspruch ankommen, wird es ergänzende Feststellungen insbesondere zur Anspruchshöhe zu treffen haben. Von dahin gehenden Hinweisen sieht der Senat ab.

63

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsanträge mit Recht für zulässig erachtet. Ein Vorrang der Leistungsklage besteht nicht (BAG 15. Dezember 2015 - 9 AZR 747/14 - Rn. 9).

64

b) Anspruchsgrundlage sind § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um (BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 507/14 - Rn. 21; 3. Juni 2014 - 9 AZR 944/12 - Rn. 10 mwN).

65

c) Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend angenommen, der Urlaubsanspruch des Klägers sei in den Jahren 2008 bis 2010 im Umfang von je 32 (Arbeits-)Tagen entstanden und nicht durch Erfüllung erloschen.

66

aa) Zwischen den Parteien bestand im fraglichen Zeitraum und darüber hinaus bis jedenfalls zum 27. September 2013 ein Arbeitsverhältnis. Gemäß § 21 TKT (idF des ÄnderungsTV vom 12. September 2006) hatte der Kläger Anspruch auf 32 Arbeitstage Urlaub jährlich. Der Anspruch wird durch eine mit Wirkung zum 1. Januar 2012 erfolgte Neufassung der Vorschrift nicht berührt. Der tarifliche Jahresurlaub schließt den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) ein.

67

bb) Nach den bisherigen Feststellungen stellte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3. November 2008 unwiderruflich unter Anrechnung auf den tariflichen Erholungsurlaub für das Jahr 2008 von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. August 2009 gab sie für das Jahr 2009 und mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 sowie 23. Februar 2010 für das Jahr 2010 entsprechende Erklärungen ab. Mit diesen Freistellungen, die jeweils im Verlauf schwebender Kündigungsschutzverfahren erfolgten, hat sie die betreffenden Urlaubsansprüche des Klägers nicht erfüllt.

68

(1) Zwar kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst (BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Eine wirksame Urlaubsgewährung liegt darin nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber nur dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt (BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 18, BAGE 150, 355).

69

(2) Die Beklagte behauptet selbst nicht, sie habe entsprechende Zahlungen oder Zusagen vorgenommen. Sie meint nur, der Rechtssatz aus der Entscheidung vom 10. Februar 2015 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Das trifft nicht zu.

70

(a) Wie der Neunte Senat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt hat, ist der Urlaubsanspruch nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat vielmehr jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Vorschrift entspricht der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird (im Einzelnen dazu BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 21 bis 23, BAGE 150, 355).

71

(b) Die Ausführungen beziehen sich nicht nur auf den der Entscheidung vom 10. Februar 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt einer nach fristloser Kündigung des Arbeitgebers erfolgten Freistellung des Arbeitnehmers für die Dauer der Kündigungsfrist einer zugleich erklärten ordentlichen Kündigung. Sie beanspruchen darüber hinaus Geltung.

72

(c) Soweit die Beklagte auf ihre objektive Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verweist, übersieht sie, dass es hierauf nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Arbeitnehmer losgelöst vom Streit über die Wirksamkeit der Kündigung seiner Urlaubsvergütung sicher sein kann. Das Argument der Beklagten, die Höhe des Bruttomonatseinkommens des Klägers stehe den angestellten Zumutbarkeitserwägungen entgegen, verfängt ebenso wenig. Es versteht sich von selbst, dass sich ein Arbeitnehmer bei der Urlaubsgestaltung an der Höhe seiner Urlaubsvergütung orientiert und orientieren darf.

73

(3) Dem Kläger ist es nicht unter dem Gesichtspunkt missbräuchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Urlaubsgewährungen zu berufen (zu den Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53, BAGE 141, 1; BGH 15. November 2012 - IX ZR 103/11 - Rn. 12). Zwar kann bspw. der Arbeitnehmer, wenn er mit der zeitlichen Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber nicht einverstanden ist, gehalten sein, dem Arbeitgeber die Annahmeverweigerung unverzüglich mitzuteilen, und das Unterlassen einer solchen Mitteilung kann rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 19, BAGE 119, 232). Dies bedeutet aber nicht, dass Rechtsmissbrauch auch dann in Betracht käme, wenn die Freistellungserklärung - wie hier - von vornherein nicht geeignet war, den Anspruch zu erfüllen.

74

cc) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Kläger den Urlaub rechtzeitig verlangt hat. Es hat gemeint, eines solchen Verlangens habe es nicht bedurft, weil die Beklagte die Ansprüche als solche mit den Freistellungen bestätigt habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hatte Urlaub zum Zwecke der Erfüllung des Anspruchs vorsorglich erteilt. Daraus konnte der Kläger grundsätzlich nicht schließen, sie stelle die Ansprüche unabhängig von der Eignung ihrer Erklärung streitlos, der angestrebten Kumulation von Urlaubsansprüchen vorzubeugen, oder sie verzichte für den Fall, dass der Kläger die Ansprüche nicht als erfüllt ansehe, auf deren Geltendmachung. Im Ergebnis dürfte es hierauf aber nicht ankommen.

75

(1) Nach den Feststellungen im Berufungsurteil hatte der Kläger mit Schreiben vom 10. November 2008 um Gewährung des ihm für das Jahr 2008 zustehenden Urlaubs gebeten. Betreffend den Urlaub für die beiden Folgejahre hat er - soweit ersichtlich unbestritten - vorgetragen, er habe die Beklagte mit Einschreiben vom 25. November 2009 und vom 22. November 2010 jeweils zur Urlaubsgewährung aufgefordert.

76

(2) Die Verlangen waren rechtzeitig. Die in den Jahren 2008, 2009 und 2010 entstandenen Urlaubsansprüche, die auch während der laufenden Kündigungsschutzprozesse grundsätzlich erfüllt werden konnten, waren nicht am 31. Dezember des jeweiligen Jahres untergegangen, sondern konnten gemäß § 23 Abs. 1 TKT ohne Bindung an weitere Voraussetzungen noch bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres gewährt und genommen werden. Nach dieser Bestimmung „verfällt“ Urlaub, „der nicht spätestens drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres genommen wird, ohne Anspruch auf Geldentschädigung; es sei denn, dass er erfolglos schriftlich geltend gemacht worden ist“. Die Regelung erweitert - unter Berücksichtigung der Festlegung in § 20 Abs. 1 Satz 2 TKT, nach der Urlaubsjahr das Kalenderjahr ist - gegenüber § 7 Abs. 3 BUrlG den Zeitraum, in dem der Urlaub aus einem bestimmten Kalenderjahr gewährt und genommen werden kann, auf das erste Quartal des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres. Sie bestimmt die Voraussetzungen des Verfalls des Urlaubs, auch soweit er den gesetzlichen Mindesturlaub einschließt, erkennbar abschließend.

77

dd) Einer Mahnung bedurfte es, ausgehend von den Behauptungen zur Geltendmachung der Urlaubsansprüche, nicht. Die Beklagte hatte dem Kläger lediglich „vorsorglich“ Urlaub erteilt, ohne vorab das Entgelt zu zahlen oder vorbehaltlos zuzusagen. Auf dessen - soweit ersichtlich - zeitlich nachfolgende Urlaubsverlangen hat sie nicht mehr reagiert. Unter diesen Umständen durfte der Kläger annehmen, die Beklagte gehe davon aus, alles zur Erfüllung der Ansprüche Erforderliche getan zu haben, und musste sich eine Mahnung als bloße Förmelei erweisen (BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 760/11 - Rn. 14).

78

ee) Der daraus erwachsene Schadensersatzanspruch unterliegt keiner gesetzlichen Befristung. Der Ersatzurlaub brauchte deshalb nicht erneut geltend gemacht zu werden. Ob der Ersatzurlaub der einstufigen tariflichen Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 TKT unterliegt, bedarf keiner Entscheidung. Sie wäre jedenfalls durch die Aufforderungen des Klägers zur Urlaubsgewährung auch hinsichtlich des Ersatzurlaubs gewahrt (vgl. BAG 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12; 15. November 2005 - 9 AZR 633/04 - Rn. 41).

79

ff) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Der Ersatzurlaubsanspruch unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 37). Seinen frühestens am 31. März 2009 entstandenen Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaubsgewährung für Urlaub aus dem Jahr 2008 hat der Kläger durch Klageerweiterung im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 gerichtlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Schluss des Jahres 2009 begonnene Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 1 BGB)noch nicht abgelaufen. Der Eintritt der Verjährung der frühestens am 31. März 2010 bzw. 31. März 2011 entstandenen Schadensersatzansprüche auf Gewährung von Ersatzurlaub für Urlaub aus den Jahren 2009 bzw. 2010 wurde durch Feststellungsklage vom 23. Dezember 2013, die der Beklagten am 8. Januar 2014 „demnächst“ (§ 167 ZPO) zugestellt worden ist, gehemmt.

80

4. Die Sache ist auch hinsichtlich der Widerklage nicht zur Endentscheidung reif.

81

a) Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob der Kläger verpflichtet war, den Ladungen der Beklagten zum Arbeitsantritt zu folgen. Bejahendenfalls wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob und ggf. ab wann der Kläger leistungsunwillig war und sich selbst außerstande gesetzt hat, die Arbeitsleistung zu bewirken mit der Folge, dass ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für die Zukunft entfiel.

82

b) Für die Tage nach Zugang der fristlosen Kündigung beim Kläger hängt die Entscheidung über die Widerklage unmittelbar vom Ausgang des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung ab.

83

5. Soweit sich die Aufhebung und Zurückverweisung auf den Ausspruch in Ziff. 1 des Tenors des Urteils des Landesarbeitsgerichts bezieht, war zur Klarstellung das Datum des (teilweise) abgeänderten Urteils des Arbeitsgerichts (- 3 Ca 143/12 -) auf den 13. Juni 2012 zu berichtigen (vgl. dazu auch auf Seite 8, 3. Absatz des Berufungsurteils).

84

D. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    A. Claes    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. März 2013 - 16 Sa 763/12 - aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zu zahlen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29. März 2012 - 6 Ca 4596/11 - wird im Umfang der Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu 80 % zu tragen, die Beklagte zu 20 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1987 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt gegen eine monatliche Vergütung iHv. 3.639,41 Euro brutto. Der nicht unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1987 regelt unter Ziff. 6 „Weitere Kündigungsregelungen“ Folgendes:

        

„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Angestellten jederzeit unter Fortzahlung des letzten monatlichen Gehaltes von der Arbeit freizustellen.“

3

Unter Ziff. 14 „Anwendung einschlägiger Tarifverträge“ heißt es:

        

„Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge für Angestellte Anwendung, die von dem für den Betrieb räumlich zuständigen Innungsverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks für den Geltungsbereich des Betriebes abgeschlossen sind oder abgeschlossen werden. Dies gilt beispielsweise für Urlaub, vermögenswirksame Leistungen und Kündigungsfrist.“

4

Die Beklagte wendet die Tarifverträge für den „Auftragsbezogenen Ladenbau“ in Nordrhein-Westfalen an.

5

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

hiermit kündigen wir das mit Ihnen am 01.10.1987 begonnene Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011.

        

Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch dieser Kündigung angehört.

        

Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“

6

Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem beim Arbeitsgericht Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17. Juni 2011 schlossen die Parteien einen Vergleich. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19.05.2011 mit Wirkung zum 30.06.2011 aus betrieblichen Gründen beendet werden wird.

        

…       

        
        

5.    

Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.

        

6.    

Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.

        

7.    

Damit ist der Rechtsstreit 7 Ca 227/11 erledigt.“

7

In einer am 8. Juni 2011 erstellten Verdienstabrechnung für Mai 2011 wies die Beklagte Urlaubsabgeltung für 88,23 Stunden bei einem Stundensatz von 20,55 Euro brutto iHv. insgesamt 1.813,13 Euro brutto aus. Nach einer unter dem 4. August 2011 erstellten weiteren Verdienstabrechnung erhielt der Kläger ein Urlaubstagegeld iHv. 1.296,40 Euro brutto. Der sich aus der Abrechnung ergebende Nettobetrag wurde an den Kläger ausgezahlt.

8

Mit Schreiben vom 1. August 2011 verlangte der Kläger ua. die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Ziff. 5 des geschlossenen Vergleichs, insbesondere im Hinblick auf die Abgeltung noch ausstehender Urlaubsansprüche. Letztere lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. August 2011 ab.

9

Mit seiner am 4. November 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger ua. Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto geltend gemacht. Hierzu hat der Kläger behauptet, bei einer Beendigung am 30. Juni 2011 habe ihm ein Urlaubsanspruch von 15,5 Tagen zugestanden. Dies entspreche 114,7 Stunden, die mit jeweils 20,55 Euro abzugelten seien. Die Beklagte habe weder durch die Erklärung im Kündigungsschreiben noch durch die Vereinbarung im Vergleich wirksam Erholungsurlaub gewährt.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Urlaub sei dem Kläger durch die Freistellung tatsächlich gewährt worden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand der Revision ist - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht eine Urlaubsabgeltung iHv. 2.357,09 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2011 zugesprochen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub bereits erfüllt.

14

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, dass der Urlaubsanspruch des Klägers jedenfalls nicht vollständig durch die im Kündigungsschreiben enthaltene Erklärung der Beklagten erfüllt wurde. Die in Verbindung mit der fristlosen und der hilfsweise fristgemäßen Kündigung erteilte bezahlte Freistellung im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung „unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche“ hat den Urlaubsanspruch des Klägers allenfalls teilweise erfüllt.

15

1. Es ist umstritten, ob der kündigende Arbeitgeber Urlaub unter der Bedingung erteilen kann, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

16

a) Der Senat hat bisher angenommen, der Arbeitgeber könne den Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher werde durch eine Kündigung nicht berührt (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14 f. mwN). Mit der Kündigung mache der Arbeitgeber lediglich geltend, er gehe davon aus, das Arbeitsverhältnis werde zu dem von ihm bestimmten Zeitpunkt enden. Er „behaupte“ eine Beendigung (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 97, 18). Dem entspreche, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der während eines Kündigungsschutzrechtsstreits Urlaub verlangt, Urlaub zu gewähren habe (vgl. BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 92, 299). Die vorsorgliche Urlaubsgewährung liege im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (BAG 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b bb der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 c der Gründe, aaO). Dem stehe nicht entgegen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzrechtsstreit offen sei, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schulde (vgl. 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 79, 92). Der Urlaubsanspruch sei kein sog. Einheitsanspruch. Er richte sich auf die Befreiung von der Arbeitspflicht. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt werde dadurch nicht berührt. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung beendet, sei der Urlaub abzugelten.

17

b) Diese Auffassung ist auf Kritik gestoßen (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe; Arnold/Tillmanns/Arnold BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 69; Bachmann in GK-BUrlG 5. Aufl. § 7 Rn. 38; ErfK/Gallner 15. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 6; AR/Gutzeit 7. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 10). Zum einen sei bei einer bedingten Urlaubserteilung für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar, ob er Erholungsurlaub habe oder nicht (vgl. ErfK/Gallner aaO; AR/Gutzeit aaO). Zum anderen gebiete das Unionsrecht eine Rückkehr zur dogmatischen Einordnung des Urlaubsanspruchs als Einheitsanspruch (vgl. Arnold/Tillmanns/Arnold aaO; AR/Gutzeit aaO). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne zudem, dass der Arbeitgeber durch seine unwirksame Kündigung das Risiko der Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen selbst geschaffen habe (LAG Berlin 7. März 2002 - 7 Sa 1648/01 - zu II 2 c der Gründe).

18

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Modifikation bedarf. Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

19

a) Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 16, BAGE 131, 30; vgl. auch BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will (st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zB zur besseren Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will(st. Rspr., vgl. BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24; 9. Juni 1998 - 9 AZR 43/97 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 89, 91; Arnold/Tillmanns/Arnold aaO Rn. 25). Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11). Notwendig ist allerdings stets die endgültige Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 17, aaO). Die unter dem Vorbehalt des Widerrufs stehende Befreiung erfüllt daher den Urlaubsanspruch nicht. Andererseits ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nur möglich, wenn überhaupt eine Arbeitspflicht im fraglichen Zeitraum besteht (BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - und - 9 AZR 9 AZR 877/13 - jeweils Rn. 16).

20

b) Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung frei und erhebt der Arbeitnehmer Klage nach § 4 KSchG, so steht in dem Zeitraum, in dem der Urlaub erfüllt werden soll, regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Dies gilt auch noch nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG ist in Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Berufung immer statthaft. Da nur im Falle der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eine Arbeitspflicht besteht, von der der Arbeitnehmer befreit werden kann, ist mit Zugang der bedingten Freistellungserklärung des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer nicht klar, ob eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, von der eine Befreiung möglich ist.

21

c) Darüber hinaus ist der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses Anspruchs genügt es daher nicht, dass der Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten muss. Das Gesetz verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein muss. § 1 BUrlG entspricht insoweit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist damit einer unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich(vgl. BAG 5. August 2014 - 9 AZR 77/13 - Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des EuGH bedeutet der in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie enthaltene Begriff des „bezahlten“ Jahresurlaubs, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 16; 15. September 2011 - C-155/10 - [Williams ua.] Rn. 19; 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 50, Slg. 2006, I-2531). Die Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und denjenigen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als die zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22. Mai 2014 - C-539/12 - [Lock] Rn. 17 mwN). Daher ist der Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, unbeschadet günstigerer Bestimmungen iSv. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie so festzulegen, dass der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist(EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 59, aaO).

22

Es kann vorliegend dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen ist, dass die Rechtsprechung des EuGH eine Rückkehr zur Einordnung des Urlaubsanspruchs als sog. Einheitsanspruchs mit allen in der Vergangenheit daraus gezogenen Schlussfolgerungen erfordert (zum Streit vgl. Hohmeister BB 1995, 2110). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gebietet nicht, dass das Urlaubsentgelt schon vor dem Urlaubsbeginn ausgezahlt werden muss(vgl. zur alten Rspr. BAG 9. Januar 1979 - 6 AZR 647/77 -). Der EuGH hat festgestellt, dass keine Bestimmung der Arbeitszeitrichtlinie ausdrücklich den Zeitpunkt festlegt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Diese Festlegung obliegt vielmehr den Mitgliedstaaten (EuGH 16. März 2006 - C-131/04 - [Robinson-Steele ua.] Rn. 54 und 56, aaO).

23

Aus dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub folgt jedoch, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird. Mit dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird bezweckt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 21 mwN, Slg. 2009, I-8405). Dieser Zweck kann typischerweise nur dann erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer während des Zeitraums weiß, dass er in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt ist, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.

24

d) Dies berücksichtigend hat die Beklagte durch die Erklärung im Kündigungsschreiben den Urlaubsanspruch des Klägers nicht vollständig erfüllt. Sie hat dem Kläger weder vor Antritt des Urlaubs Urlaubsvergütung gezahlt noch vorbehaltlos zugesagt.

25

aa) Dies gilt jedenfalls für den Anteil des Jahresurlaubs, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung, sondern erst mit Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung beendet worden wäre. Im Falle der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hätte der Kläger zwar einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, der abzugeltende Urlaubsanspruch wäre aber nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG auf vier Zwölftel zu kürzen. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 hätte dem Kläger dagegen der Urlaubsanspruch ungekürzt zugestanden. In Bezug auf den Anteil von acht Zwölftel des Urlaubsanspruchs des Jahres 2011 wusste der Kläger bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs am 17. Juni 2011 nicht, ob ihm ein Vergütungsanspruch zustehen würde. Es ist weder festgestellt noch sonst erkennbar, dass die Beklagte ihm insofern unabhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im fraglichen Zeitraum die Zahlung eines Urlaubsentgelts vorbehaltslos zugesagt hat.

26

bb) Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, der Kläger habe jedenfalls aufgrund der Verdienstabrechnung für Mai 2011 sicher sein können, für 88,23 Stunden eine Urlaubsabgeltung iHv. 1.813,13 Euro brutto zu erhalten, stand diese Abrechnung einer vorbehaltslosen Zusage der Urlaubsvergütung nicht gleich. Der Senat hat die sog. Surrogatstheorie mit Urteil vom 19. Juni 2012 (- 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64) vollständig aufgegeben. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung folgt nicht mehr den Regeln des Urlaubsanspruchs. Dementsprechend muss der Gläubiger nicht stets davon ausgehen, dass die Leistung zur Erfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zugleich auch der Erfüllung eines Anspruchs auf Urlaubsentgelt dienen soll. Vielmehr bedarf es regelmäßig einer (hilfsweisen) Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 Abs. 1 BGB. Ob die Beklagte eine solche zumindest konkludent abgegeben hat, bedarf keiner weiteren Klärung, weil der Anspruch des Klägers schon aus anderen Gründen nicht gegeben ist.

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II. Über die Gewährung und Inanspruchnahme von Erholungsurlaub in der Zeit bis zum 30. Juni 2011 haben sich die Parteien unter Ziff. 5 des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Juni 2011 geeinigt. Danach wurde der Urlaubsanspruch des Klägers vollständig durch bezahlte Freistellung in diesem Zeitraum erfüllt. Nach § 779 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Die insoweit insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestehende Ungewissheit über die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung im Kündigungsschreiben wurde durch die Einigung beseitigt.

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1. Die Auslegung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB(BAG 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50; Thomas/Putzo/Seiler 36. Aufl. § 794 Rn. 18). In welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist umstritten (vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 617/07 - Rn. 20 ff.). Teilweise wird angenommen, weil es sich um eine Prozesshandlung handele, sei die Auslegung gerichtlicher Vergleiche in der Revision vollständig überprüfbar, selbst wenn ihr Inhalt ausschließlich individuell bestimmt sei (BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b aa der Gründe; vgl. auch BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu I 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 73 Rn. 22; Düwell/Lipke/Düwell 3. Aufl. § 73 Rn. 22; ErfK/Koch 15. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 8). Andererseits wird die Auffassung vertreten, bei Prozessvergleichen sei ebenso wie bei sonstigen vertraglichen Vereinbarungen darauf abzustellen, ob es sich um eine typische Erklärung handele oder um eine atypische. Handele es sich um einen nichttypischen Vertrag könne die Auslegung des Prozessvergleichs vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht und nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05 - Rn. 31 ff., BAGE 117, 218; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - aaO, mit dem Hinweis, dass Klauseln in Prozessvergleichen in der Regel nichttypische Erklärungen seien; vgl. auch BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 18; HWK/Bepler 6. Aufl. § 73 ArbGG Rn. 15; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 28; GK-ArbGG/Mikosch Stand Dezember 2014 § 73 Rn. 43 mit der Annahme, es handele sich in der Regel um typische Vereinbarungen).

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2. Es bedarf keiner abschließenden Klärung, in welchem Umfang die Auslegung des Vergleichs durch das Landesarbeitsgericht zu überprüfen ist. Diese hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sich rechtsfehlerhaft auf die Auslegung des Satzes 2 der Ziff. 5 des Vergleichs beschränkt, ohne die übrigen Regelungen des Prozessvergleichs in die Auslegung einzubeziehen.

30

a) Im Kündigungsschreiben vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte erklärt, im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werde der Kläger mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt. Mit Ziff. 1 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass diese Bedingung erfüllt war, indem sie vereinbarten, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, ordentlicher Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 beendet werden wird. Da die Parteien die Beendigung bereits zum 30. Juni 2011 und nicht - wie in der Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 vorgesehen - zum 31. Dezember 2011 vereinbarten, hätte es nahe gelegen, als Beendigungsgrund den gerichtlichen Vergleich selbst und nicht das Kündigungsschreiben der Beklagten anzunehmen. Das Anknüpfen an die Kündigungserklärung vom 19. Mai 2011 stellt vor diesem Hintergrund ein Indiz dafür dar, dass gerade auch die Urlaubsgewährung ab jenem Zeitpunkt von dem Willen der Parteien umfasst war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - nicht zwingend der ausdrücklichen Vereinbarung im Prozessvergleich, dass die bezahlte Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs dienen sollte.

31

b) Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner Auslegung auch nicht auf Ziff. 6 des Prozessvergleichs eingegangen. Danach sollten mit der Erfüllung dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt sein. Bei dem Urlaubsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Damit folgt auch aus Ziff. 6 des Vergleichs, dass durch die bezahlte Freistellung des Klägers im Zeitraum vom Zugang der Kündigung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 auch der Urlaubsanspruch erfüllt sein sollte. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass dieser Zeitraum nicht ausgereicht habe, um sämtliche Urlaubsansprüche und Überstundenguthaben zu erfüllen.

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Der Wortlaut von Ziff. 6 des Vergleichs unterscheidet sich auch erheblich von dem Wortlaut der Erledigungsklausel, die Gegenstand des Urteils des Senats vom 9. Juni 1998 war (- 9 AZR 43/97 - BAGE 89, 91 [„Mit Zahlung des Gehalts Juni und Aushändigung der Papiere sowie einem qualifizierten Zeugnis sind alle gegenseitigen Forderungen erledigt.“]). Durch die Formulierung „mit der Erfüllung dieses Vergleichs“ haben die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zum Ausdruck gebracht, dass die vergütete Freistellung von der Arbeit und nicht erst die Erledigungsklausel selbst zum Untergang des Urlaubsanspruchs führen sollte. Insofern ähnelt die Klausel zwar der Klausel, über die sich die Entscheidung des Achten Senats vom 31. Mai 1990 verhält (- 8 AZR 132/89 - BAGE 65, 171 [„Mit Erledigung der Ziffern 2. bis 4. sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.“]). In jenem (außergerichtlichen) Vergleich einigten sich die Parteien in Ziff. 2 jedoch nur auf eine Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist, ohne die Vergütungspflicht ausdrücklich zu regeln. Im Übrigen ist im Vergleich der Parteien vom 17. Juni 2011 auch die in der Formulierung, „dass der Kläger … freigestellt bleibt“, liegende Bezugnahme auf das Schreiben vom 19. Mai 2011 zu berücksichtigen, in dem die Anrechnung der bezahlten Freistellung auf sämtliche Urlaubsansprüche ausdrücklich genannt ist.

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c) Nach Ziff. 3 des Vergleichs vom 17. Juni 2011 zahlt die Beklagte an den Kläger wegen des Verlusts seines sozialen Besitzstands eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG iHv. 15.000,00 Euro brutto. Es ist - gerade unter Berücksichtigung der Erledigungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs - nicht erkennbar, dass die Beklagte durch den Vergleich neben dem Abfindungsanspruch noch einen zusätzlichen Anspruch begründen wollte. Dies wäre aber nach der Auslegung des Landesarbeitsgerichts der Fall. Der Kläger hätte neben dem Anspruch auf Abgeltung des vollen Urlaubs einen Anspruch auf bezahlte Freistellung im Zeitraum vom Zugang der Erklärung vom 19. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011. Ein Anlass, warum die Beklagte sich neben der Pflicht zur Urlaubsgewährung bzw. zur Urlaubsabgeltung zu einer weiteren bezahlten Freistellung von der Arbeitsleistung verpflichten sollte, ist weder festgestellt noch dargelegt.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Matth. Dipper    

        

    Anthonisen    

                 

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.