Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 09. Juli 2015 - 2 Sa 8/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0709.2SA8.15.0A
bei uns veröffentlicht am09.07.2015

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.12.2014 - 10 Ca 1929/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Beklagte war beim Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde zum 27. September 2010 beendet. Die vom Kläger geleisteten Lohnzahlungen an den Beklagten erfolgten ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen.

2

In einem Aktenvermerk des Hauptzollamtes K-Stadt vom 13. Oktober 2010 (Bl. 86 d. A.) heißt es:

3
1. Frau H. (Arbeitsgemeinschaft A-Stadt) teilte am 12.10.2010 telefonisch mit, dass in der Firma A. Markierungen, A-Straße, A-Stadt, Empfänger von Leistungen nach dem SGB II einer Beschäftigung nachgehen würden. Diese würden als geringfügig Beschäftigte mit einem niedrigen Monatsgehalt angemeldet, tatsächlich aber wesentlich mehr Stunden leisten als dies der ARGE gemeldet wird. Dieser Umstand sei der ARGE durch eigene Abklärungen bekannt aber bisher nicht nachweisbar. So habe z. B. ein Herr C. in der Firma A. gearbeitet. Dieser wurde durch seinen ehemaligen Arbeitgeber fristlos gekündigt und habe der ARGE ebenfalls über die tatsächlichen Verhältnisse berichtet. Frau H. wurde durch Unterzeichner um Aufstellung bekannter Arbeitnehmer und der gemeldeten Beschäftigungszeiträume gebeten.
4
2. Durch Frau H. (ARGE A-Stadt) wurde mitgeteilt, dass in der Firma A. der C. beschäftigt war. Er habe gegenüber der ARGE angegeben, monatlich durchschnittlich 1.200,00 EURO an Lohn erhalten zu haben. Auf den Gehaltsnachweisen und Quittungen wurde allerdings immer ein geringerer Verdienst angegeben. Weiterhin sei in der Firma der M. G. beschäftigt. Dieser habe entgegen der Meldung nicht am 01.09.2010 sondern bereits am 15.06.2010 die Beschäftigung aufgenommen. Auch der G. würde bedeutend mehr Einkommen erzielen, als gegenüber der ARGE angegeben wird. Ferner sei Franz M. in der Firma A. beschäftigt. Dieser würde ebenfalls mehr Stunden als angegeben arbeiten. Der ARGE A-Stadt gemeldeten Beschäftigungszeiträume der o.g. Arbeitnehmer wurden ebenfalls übermittelt.
5
3. Im Rahmen der Vorermittlungen wurde festgestellt, dass die Firma A. Markierungen durch W. betrieben wird. Gegen W. als Inhaber der Unternehmung A. Markierungen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, dass in der Firma Personal beschäftigt wird, welches nicht oder nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet wurde. Durch diese Handlung werden fällige Beträge zur Sozialversicherung der zuständigen Einzugsstelle vorenthalten, § 266 a StGB.
6

Das Hauptzollamt K-Stadt erließ gegen den Kläger wegen nicht ordnungsge-mäßer Führung bzw. Bereithaltung von Unterlagen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz und unterbliebener Abführung von Beiträgen an die S-Bau in der Zeit vom 01. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 einen Bußgeldbescheid über einen zu zahlenden Gesamtbetrag von 28.406,00 EUR (Bl. 88, 89 d. A.), der sich nach Einspruch durch den Verteidiger des Klägers auf einen Betrag von 1.200,00 EUR reduzierte. Weiterhin erging gegen den Kläger ein Strafbefehl des Amtsgerichts K-Stadt vom 12. Juni 2012 (Bl. 90, 91 d. A.), nach dem gegen den Kläger wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Zeit vom 01. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 eine Geldstrafe in Höhe von 6.000,00 EUR festgesetzt wurde.

7

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Erstattung nachentrichteter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die Jahre 2008 bis 2010 in Höhe von 1.875,09 EUR. Hilfsweise hat er den Klageanspruch auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung der ihm entstandenen Verteidigerkosten wegen seiner Denunziation gestützt.

8

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. Dezember 2014 - 10 Ca 1929/14 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.875,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit seinem Urteil vom 18. Dezember 2014 - 10 Ca 1929/14 - die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger vom Beklagten nach § 28 g Satz 1 bis 3 SGB IV nicht die Rückerstattung der gezahlten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung verlangen könne, weil dieser Anspruch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden könne und ein Lohnabzugsverfahren wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich sei. Zwar sei der zur Nachentrichtung zu Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtete Arbeitgeber nicht daran gehindert, den Arbeitnehmer wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch zu nehmen. So könne der Arbeitgeber Schadensersatz fordern, wenn ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem Ziel kündige, dadurch einem Lohnabzugsverfahren zu entgehen und den Arbeitgeber dadurch zu schädigen. Der Kläger habe allerdings keine einen solchen Schadensersatzanspruch rechtfertigenden Tatsachen vortragen können. Unklar bleibe auch, welche unwahren Tatsachen überhaupt vom Beklagten zum Nachteil des Klägers behauptet sein könnten.

14

Gegen das ihm am 05. Januar 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06. Januar 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 08. Januar 2015 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 31. Januar 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 09. Februar 2015 eingegangen, begründet.

15

Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB verneint. Vielmehr sei der Tatbestand des § 826 BGB dadurch vollumfänglich erfüllt, dass der Beklagte mit dem Ziel der Vernichtung seines Betriebes Denunziationen angebracht habe, welche sich in ganz wesentlichem Umfang als nicht vollständig gerechtfertigt erwiesen hätten. Dementsprechend sei das Strafverfahren in erheblichem Umfang eingestellt worden und die bei Weitem übertriebenen Vorhalte hätten sich gerade nicht bestätigen können. Dadurch seien ihm jedoch erhebliche Rechtsverfolgungs-kosten entstanden, die vom Beklagten so gewollt und vorhergesehen gewesen seien. Zwar habe das Arbeitsgericht im Ansatz zutreffend erkannt, dass der Anspruch aus § 826 BGB in Betracht komme und es auch einem Arbeitgeber unbenommen sei, den Arbeitnehmer wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch zu nehmen. Sodann habe das Arbeitsgericht aber verkannt, dass er durchaus Tatsachen vorgetragen habe, die einen solchen Schadensersatzanspruch rechtfertigen würden. Es erfülle regelmäßig die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, ein den Betrieb übermäßig und völlig unproportional schädigendes Strafverfahren mit dem Ziel herbeizuführen, diesen zu ruinieren. Der Beklagte habe ein behördliches Verfahren mit im Wesentlichen unzutreffenden Beschuldigungen herbeiführen wollen. Dies habe schon der Ausgang des Verfahrens gezeigt, wonach die ursprünglich weitaus größeren, durch den Beklagten und seine Äußerungen maßgeblich aufgeblähten Beschuldigungen auf einen ganz geringfügigen Teil hätten eingedampft werden können. Diesbezüglich verweise er auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 11. Juli 2014 (Bl. 76 bis 85 d. A.). Dieses Vorbringen würde jedenfalls hilfsweise den Anspruch begründen, weil das Vorgehen ohne weiteres die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfülle. Der Beklagte habe gegenüber der Zeugin H. in bewusst falscher übertriebener Weise unzutreffende übersetzte Angaben über angebliche Hinterziehungen von Lohn- und Einkommenssteuer gemacht und ein Verfahren herbeigeführt, bei welchem die Strafverfolgungsbehörden zunächst versucht hätten, eine für seinen Betrieb ruinöse Sanktionssumme anzusetzen, die sich dann auf einen Bruchteil reduziert habe. Aufgrund der vorsätzlichen und allein von einer Schädigungsabsicht getragenen Vorgehensweise sei zunächst per Bescheid eine exorbitante Bußgeldsumme festgesetzt worden, woraufhin es dann unter Vermeidung einer Hauptverhandlung durch teure Verteidigungsbemühungen gelungen sei, diese Summe auf einen Betrag von 1.200,00 EUR zu reduzieren, wobei auch nur im Erledigungsinteresse eine Verfahrensbeendigung gesucht worden sei. Ein solches Vorgehen gegen einen ehemaligen Arbeitgeber dürfte der klassische Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sein. Der Beklagte habe die Denunziation bei Frau H. vom Jobcenter A-Stadt/ARGE ausgebracht. Der Zeuge G. habe sich geweigert, die ihm von der Mitarbeiterin der ARGE vorgehaltenen Denunziationen des Beklagten zu unterschreiben. Eines Abends sei der Zeuge G. zu der Privatwohnung des Beklagten gegangen, um mit diesem über das Geschehen zu reden und ihn davon abzubringen, weil die Falschanschuldigungen den gemeinsamen Betrieb zu Fall bringen könnten. Darauf habe der Beklagte damit reagiert, dass er eine größere Menge kochend heißes Wasser aus seinem im oberen Bereich des Hauses gelegenen Zimmer auf die Straße gekippt habe, wobei der Zeuge G. gerade noch so habe weglaufen können. Dies zeige, dass dem Beklagten jedes Mittel recht gewesen sei, gegen seine Firma vorzugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf seine zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

16

Der Kläger beantragt,

17

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. Dezember 2014 - 10 Ca 1929/14 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.875,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Er erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass das Vorbringen des Klägers nicht geeignet sei, einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Insbesondere habe das Arbeitsgericht richtig ausgeführt, dass unklar geblieben sei, welche unwahren Behauptungen von ihm zum Nachteil des Klägers aufgestellt worden sein sollten. Selbst wenn man unterstelle, er habe den Kläger zur Anzeige gebracht, sei bis heute im Dunkeln geblieben, welche Behauptungen er aufgestellt haben solle, die nachweislich unwahr gewesen seien. Konkret werde dazu vom Kläger nichts vorgetragen. Deshalb habe das Arbeitsgericht im Kammertermin zu Recht darauf hingewiesen, dass er doch letztlich die Rechtsordnung wiederhergestellt habe, wenn er den Kläger angezeigt haben sollte. In diesem Falle lägen überhaupt keine unwahren Behauptungen vor. Unabhängig davon sei auch kein Strafverfahren von ihm initiiert worden. Der geschilderte Vorfall mit kochend heißem Wasser sei frei erfunden und ebenfalls nicht einlassungsfähig.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

23

Die Berufung des Klägers hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

24

I. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung nachentrichteter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 1.875,09 EUR.

25

1. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts kann der Kläger nach § 28 g SGB IV vom Beklagten nicht die Rückerstattung nachentrichteter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die Jahre 2008 bis 2010 verlangen.

26

Der Anspruch des Arbeitgebers auf den vom Arbeitnehmer zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28 g Satz 1 SGB IV) kann nach § 28 g Satz 2 SGB IV nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nach § 28 g Satz 3 SGB IV nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits zum 27. September 2010 beendet wurde und ein Lohnabzug danach nicht mehr möglich ist, ist ein Rückerstattungsanspruch des Klägers wegen der von ihm nachentrichteten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nach § 28 g SGB IV ausgeschlossen. Das Vorliegen eines der in § 28 g Satz 4 SGB IV geregelten Ausnahmetatbestände ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

27

2. Der Klageanspruch ist auch nicht unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten begründet.

28

Zwar ist der Arbeitgeber durch § 28 g SGB IV nicht gehindert, Schadensersatz zu fordern, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber dadurch sittenwidrig schädigt, dass er sich der Beitragsentziehung durch Lohnabzug entzieht (BAG 14. Januar 1988 - 8 AZR 238/85 - Rn. 16, NZA 1988, 803). Die Voraussetzungen zur An-nahme eines solchen Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB sind aber nicht erfüllt. Der Kläger hat weder behauptet, der Beklagte habe ihn am Einzug der Versicherungsbeiträge gehindert, noch, der Beklagte selbst habe gerade zu dem Zweck gekündigt, dem Lohnabzugsverfahren zu entgehen. Auch wenn es zwischen den Parteien eine "Schwarzgeldabrede" gegeben haben mag, ändert dies gemäß der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts nichts daran, dass der Kläger nicht am Einzug des vom Beklagten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gehindert war, sondern willentlich pflichtwidrig vom Beitragsabzug abgesehen hat. Im Falle der sog. Schwarzarbeit muss der Arbeitgeber neben seiner Strafbarkeit (§ 266 a StGB) die Nachentrichtung des Gesamtsozialversicherungsentgelts gegenwärtigen, in der Regel - wie hier - ohne Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, § 28 e Abs. 1 Satz 1, § 28 g Satz 3 SGB IV (vgl. BAG 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 24, NZA 2012, 145).

29

II. Soweit der Kläger die mit dem Klageantrag begehrte Zahlung in Höhe von 1.875,09 EUR im Wege einer zulässigen Klageänderung hilfsweise auf einen Anspruch auf Erstattung der ihm infolge der behaupteten Denunziation durch den Beklagten entstandenen Verteidigerkosten gestützt hat (nachträgliche Eventualklagehäufung durch hilfsweise Stützung des Klagebegehrens auf einen weiteren Klagegrund, vgl. BGH 04. Juli 2014 - V ZR 298/13 - Rn. 12 ff., NJW 2014, 3314; BGH 04. Februar 2015 - VIII ZR 175/14 - Rn. 14, NJW 2015, 1296), ist die Klage auch mit diesem hilfsweise geltend gemachten Klageanspruch nicht begründet. Der Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Erstattung der dem Kläger entstandenen Rechtsverfolgungskosten verpflichtet.

30

Der als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, welche unwahren Tatsachenbehauptungen der Be-klagte zu seinem Nachteil überhaupt aufgestellt haben soll.

31

In dem vom Kläger selbst vorgelegten Aktenvermerk des Hauptzollamts K-Stadt vom 13. Oktober 2010 heißt es, dass nach Mitteilung von Frau H. von der Arbeitsgemeinschaft A-Stadt in der Firma des Klägers der Beklagte beschäftigt gewesen sei, der gegenüber der ARGE angegeben habe, monatlich durchschnittlich 1.200,00 EUR an Lohn zu erhalten, während auf den Gehaltsnachweisen und Quittungen allerdings immer ein geringerer Verdienst angegeben worden sei. Weiterhin sei in der Firma des Klägers Herr G. beschäftigt, der ebenfalls bedeutend mehr Einkommen erzielen würde, als gegenüber der ARGE angegeben werde. Ferner sei Herr M. in der Firma des Klägers beschäftigt, der ebenfalls mehr Stunden als angegeben arbeiten würde. Gegen den Kläger als Firmeninhaber sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, weil der Verdacht bestehe, dass in der Firma Personal beschäftigt werde, welches nicht oder nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet worden sei. Durch diese Handlung würden fällige Beiträge zur Sozialversicherung der zuständigen Einzugsstelle vorenthalten (§ 266 a StGB).

32

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb diese Angaben falsch sein sollen. Vielmehr hat der Kläger selbst eingeräumt, dass von ihm sowohl für den Beklagten als auch die Mitarbeiter G. und M. Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet werden mussten. Allein der Ausgang des angeführten Bußgeldverfahrens lässt nicht auf ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten bzw. die Behauptung unzutreffender Tatsachen zum Nachteil des Klägers schließen, zumal es für den Ausgang des Bußgeldverfahrens eine Vielzahl denkbarer Gründe geben kann. Das Arbeitsgericht hat dementsprechend in seinem Urteil zutreffend ausgeführt, dass unklar bleibt, welche unwahren Tatsachen überhaupt vom Beklagten zum Nachteil des Klägers behauptet sein könnten. Hierzu hat der Kläger auch im Berufungsverfahren keine hinreichend konkreten und nachvollziehbaren Angaben gemacht, sondern sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe seiner persönlichen Wertungen beschränkt ("in bewusst falscher übertriebener Weise unzutreffend übersetzte Angaben über angebliche Hinterziehungen von Lohn- und Einkommenssteuer gemacht", "nachweisliche Aufbauschungen"). Dementsprechend kommt auch der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

34

Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Sept. 2011 - 5 AZR 629/10

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - teilwe

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Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 (WK) - in seinen Ziff. II. 1. bis 3. teilweise abgeändert und insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008 zu zahlen.

3. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2008 - 30 Ca 18451/07 - und - 30 Ca 14891/08 (WK) - wird mit der vom Landesarbeitsgericht in Ziff. II. seines Urteils vom 19. März 2010 - 9 Sa 2161/08 -, - 9 Sa 2266/08 - und - 9 Sa 2316/08 - ausgesprochenen Maßgabe insgesamt zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist, und über die Abgeltung von Überstunden.

2

Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten, einer Versicherungsmaklerin, seit dem 1. April 2005 als Büroleiter tätig. Grundlage seiner Tätigkeit war die am 22. März 2005 handschriftlich festgehaltene Vereinbarung, in der es heißt:

        

„1.     

Beide Parteien beschließen ab 1.4.05 eine Zusammenarbeit. H. S ist bereit ab 21.3.05 in der H zeitweise tätig zu sein. Diese Zeit wird separat vergütet oder verrechnet.

        

2.    

Die Tätigkeit von H. S ist die eines Büroleiters gemäß den ausgehändigten Beschreibungen.

        

3.    

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden (Mo - Freitag).

        

4.    

Das Arbeitsentgelt beträgt € 3.000 per Monat.

        

5.    

Es wird eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart. Die Kündigungsfrist beträgt in dieser Zeit 14 Tage.

        

6.    

(…)     

        

7.    

Nach Ablauf der Probezeit wird über die Vertragsmodalitäten neu verhandelt.

        

8.    

Geplant ist ab 1.1.2006 die Tätigkeit als stellvertr. GF.

        

9.    

Ab 1.1.2007 ist die Tätigkeit als GF geplant mit Unternehmensbeteiligung in Höhe von 10 % (i.W. zehn).

        

...“   

        
3

Rückwirkend zum selben Zeitpunkt schlossen die Parteien eine „Zusatzvereinbarung zum Mitarbeitervertrag“, in der sie ua. Folgendes vereinbarten:

        

„§ 1: Herr S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft von den dem Arbeitgeber daran zufließenden Abschlussprovisionen in den Bereichen Kapitalanlagen (Fonds), Lebens-, Renten- und Krankenversicherung eine Beteiligung in Höhe von siebenundsechzig Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von H geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der H zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 2: Herr S erhält als Vergütung für von ihm allein und eigenständig vermitteltes Neugeschäft, von den dem Arbeitgeber daran zufließende Erstjahrescourtagen in den Bereichen der Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutz-Versicherung eine Beteiligung in Höhe von siebenundsechzig Prozent. Ist das Neugeschäft nicht aus dem Umfeld von H geworben, beträgt der Beteiligungssatz achtzig Prozent der H zufließenden Provisionen.

                 
        

§ 3: Für Verträge, die mit Hilfe von weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers als Zuträger abgeschlossen werden, wird der Provisionsanspruch um fünfundzwanzig Prozent der vorgenannten Provisionen des Arbeitgebers gekürzt. (…)

        

...“   

4

In einem Nachtrag hierzu heißt es:

        

„a)     

Das vereinbarte Grundgehalt ist ausschließlich dem Arbeitsvertrag mit den dazu gehörigen Arbeitsplatzbeschreibungen zuzuordnen.

        

b)    

Außendiensttätigkeiten gemäß der Zusatzvereinbarung sind, sofern ein Grundgehalt bezahlt wird, nach Arbeitsschluss (reguläre Arbeitszeit) durchzuführen.

        

c)    

Sollte ein Termin während der Arbeitszeit anfallen, kann dieser durchgeführt werden und wird jedoch mit der Arbeitszeit verrechnet und abgezogen.

        

d)    

Angebote und Telefonate fallen in den Bereich der Arbeitszeit.

        

…“    

        
5

Vom Beginn der Zusammenarbeit an erhielt der Kläger von der Beklagten monatlich 3.000,00 Euro. Die Beklagte führte hierfür weder Lohnsteuern ab, noch meldete sie den Kläger zur Sozialversicherung an. Auch der Kläger zahlte weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge auf das Entgelt. Über den Betrag von 3.000,00 Euro existieren monatliche Rechnungen des Klägers, deren Echtheit teilweise streitig ist.

6

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 kündigte die Beklagte „die Zusammenarbeit aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung“. Im Kündigungsschutzprozess stützte sie ihre Kündigung darauf, der Kläger habe sich in Medien als „kommissarischer Reichspräsident“ dargestellt. Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 nicht fristlos aufgelöst wurde, sondern bis zum 31. Dezember 2007 fortbestand.

7

Ab Oktober 2007 zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr. Auf ihre Aufforderung arbeitete der Kläger wieder vom 13. November 2007 bis zu seiner Freistellung ab dem 3. Dezember 2007.

8

Mit Klageerweiterungen im Kündigungsschutzprozess hat der Kläger Vergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 begehrt, die er ausgehend von 3.000,00 Euro netto unter Zugrundelegung der Steuerklasse V auf eine monatliche Bruttovergütung von 6.910,77 Euro hochrechnete. Er hat geltend gemacht, die Parteien hätten ein Nettoentgelt vereinbart, zumindest ergebe sich eine Nettolohnabrede aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Außerdem hat der Kläger die Abgeltung von während der gesamten Beschäftigungszeit geleisteter 1.448,5 Überstunden verlangt und vorgetragen, der Geschäftsführer der Beklagten habe diese angeordnet und genehmigt. Wie alle anderen Arbeitnehmer habe der Kläger mittels einer Excel-Tabelle ein Arbeitszeitkonto führen müssen. Dieses habe er regelmäßig, letztmalig am 6. Juli 2007 dem Geschäftsführer vorgelegt.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - nach vorläufiger Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen

        

a)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Oktober 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

b)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt November 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

c)    

6.910,77 Euro brutto (Gehalt Dezember 2007) abzüglich gezahlter 3.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008,

        

d)    

weitere 55.000,66 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2008.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, eine Nettovergütung sei weder vereinbart gewesen, noch ergebe sich eine solche aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Die Parteien hätten keine Schwarzgeldabrede getroffen, sondern sich über eine freie Mitarbeit geeinigt, weil der Erwerb von Gesellschaftsanteilen beabsichtigt war. Ein Arbeitszeitkonto habe der Kläger nicht führen müssen. Seine Aufzeichnungen über angeblich geleistete Arbeitszeit hätten nachträglich manipuliert werden können. Überstunden habe sie weder angeordnet noch genehmigt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 9.000,00 Euro netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach vier Terminen zur mündlichen Verhandlung hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die Berufung des Klägers verurteilt, an diesen weitere 23.671,42 Euro netto nebst Zinsen zur Abgeltung von Überstunden zu zahlen. Mit der vom Senat für die Beklagte zugelassenen Revision wendet sich diese gegen die Zahlung einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und verfolgt hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist begründet.

13

Streitgegenständlich sind in der Revisionsinstanz nach der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu ihrem Revisionsantrag und mangels Anschlussrevision des Klägers nur die Fragen, ob für die Monate Oktober bis Dezember 2007 eine Brutto- oder Nettovergütung geschuldet ist und der Kläger die Abgeltung von Überstunden beanspruchen kann. Damit steht insbesondere rechtskräftig fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, das durch die Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2007 zum 31. Dezember 2007 aufgelöst wurde.

14

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen und der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben.

15

I. Die Revision der Beklagten ist allerdings nicht bereits deshalb begründet, weil der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts nach § 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG vorläge. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ist unbegründet.

16

1. Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts ist unverzichtbar, so dass entgegen der Auffassung des Klägers ein mögliches Einverständnis der Beklagten mit der Besetzung der Richterbank in der letzten Berufungsverhandlung am 19. März 2010 unerheblich ist.

17

2. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Die Norm umfasst auch diejenigen Fälle, in denen über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich Berufenen (BAG 9. Juni 2011 - 2 ABR 35/10 - Rn. 16, NJW 2011, 3053; 26. September 2007 - 10 AZR 35/07 - Rn. 11, AP ZPO § 547 Nr. 7; 16. Mai 2002 - 8 AZR 412/01 - zu II 3 der Gründe, BAGE 101, 145 - jeweils mwN). Aus dem verfassungsrechtlichen Verbot, einem Verfahrensbeteiligten den gesetzlichen Richter zu entziehen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt, dass die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt werden dürfen als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist. „Gesetzlicher Richter“ bedeutet, dass sich der für die einzelne Sache zuständige Richter im Voraus eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muss. Kennzeichnung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen Richters (BAG 20. Juni 2007 - 10 AZR 375/06 - Rn. 16, AP ZPO § 547 Nr. 6 = EzA GG Art. 101 Nr. 8; 26. September 1996 - 8 AZR 126/95 - zu A I der Gründe, BAGE 84, 189).

18

3. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die von der Beklagten gerügte Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters R an der angefochtenen Entscheidung entspricht dem Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für das Geschäftsjahr 2010 (im Folgenden: GVPl.). Nach dessen Ziff. 7.1 Satz 3 war zwar zunächst aufgrund der in der Berufungsverhandlung vom 31. Juli 2009 erfolgten Beweisaufnahme die ehrenamtliche Richterin W zu den Fortsetzungsterminen heranzuziehen. Dementsprechend nahm Frau W an der Berufungsverhandlung am 20. November 2009 teil, die mit dem Beschluss endete, Termin zur Verkündung einer Entscheidung werde auf den 18. Dezember 2009 bestimmt. Diesen Verkündungstermin hob die Kammervorsitzende mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 auf. Am 5. März 2010 erließ die vollbesetzte Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterin W den am selben Tag verkündeten Beschluss, die mündliche Verhandlung am 19. März 2009 fortzusetzen. Nachdem die ehrenamtliche Richterin W sich für diesen Termin für verhindert erklärte, wurde statt ihrer der ehrenamtliche Richter R herangezogen.

19

Diese Verfahrensweise steht im Einklang mit Ziff. 7.2 GVPl. Danach sind bei Verhinderung ehrenamtlicher Richter und Richterinnen an der Wahrnehmung einer Sitzung, eines Fortsetzungstermins oder eines für diesen anberaumten Ersatztermins der festgelegten Reihenfolge nach noch nicht zu nachfolgenden Sitzungen eingeteilte ehrenamtliche Richter und Richterinnen heranzuziehen. Für die Anzeige einer Verhinderung durch den ehrenamtlichen Richter oder die ehrenamtliche Richterin ist deren förmliche Ladung nicht erforderlich. Das gilt umso mehr, als im Streitfall der ehrenamtlichen Richterin W durch ihre Mitwirkung an dem Beschluss vom 5. März 2010 der anberaumte Fortsetzungstermin schon vor einer förmlichen Ladung hierzu bekannt war.

20

II. Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zu einer Nettovergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Der Kläger kann eine Nettovergütung für diesen Zeitraum nicht beanspruchen.

21

1. Zwischen den Parteien steht in der Revisionsinstanz außer Streit, dass dem Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 2007 Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB für geleistete Arbeit und im Übrigen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs(§ 615 Satz 1 BGB) zusteht. Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die vereinbarte Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro monatlich als Nettovergütung zu zahlen, besteht jedoch nicht.

22

a) Eine solche ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien. Eine ausdrückliche Nettolohnvereinbarung wurde von ihnen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getroffen.

23

b) Eine Nettolohnabrede folgt auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Unbeschadet der - vom Landesarbeitsgericht bejahten - Frage, ob die Parteien eine Schwarzgeldabrede getroffen haben, beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das bürgerlichrechtliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - Rn. 13 ff., BAGE 133, 332; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 475; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 228; Palandt/Weidenkaff 70. Aufl. § 611 BGB Rn. 51; Arnold ArbR Aktuell 2010, 322; Steenfatt BB 2010, 1992). Das ergibt eine systematische Auslegung der Norm, deren Ergebnis durch den Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bestätigt wird(s. dazu im Einzelnen BAG 17. März 2010 - 5 AZR 301/09 - aaO).

24

Die Befürchtung des Klägers, ein solches Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV schaffe für Arbeitgeber Anreize zur Schwarzarbeit, ist unberechtigt. Neben seiner Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB muss der Arbeitgeber die Nachentrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegenwärtigen, in der Regel ohne(volle) Rückgriffsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, § 28e Abs. 1 Satz 1, § 28g Satz 3 SGB IV.

25

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu der des Bundesgerichtshofs. Dieser versteht § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ebenfalls(nur) als sozialversicherungsrechtliche Berechnungsgrundlage des Arbeitsentgelts in einem illegalen Beschäftigungsverhältnis, die er im Rahmen der Strafnorm des § 266a StGB bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge anwendet(BGH 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08 - Rn. 12 ff., BGHSt. 53, 71). Der vom Kläger angeregten Vorlage an die Vereinigten Großen Senate beim Bundesgerichtshof (§ 132 Abs. 1 Satz 2 GVG) bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Bundesarbeitsgericht - anders als das Reichsarbeitsgericht, das als besonders besetzter Senat des Reichsgerichts konzipiert war (vgl. GMP/Prütting 7. Aufl. ArbGG Einl. Rn. 14) - ein eigenständiger oberster Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) ist.

26

2. Der Kläger kann die vereinbarte Vergütung von 3.000,00 Euro monatlich, die auch dann wirksam vereinbart ist, wenn die Parteien - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - eine Schwarzgeldabrede getroffen haben (vgl. BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 690/01 - zu II 4 der Gründe, BAGE 105, 187), nur als Bruttovergütung beanspruchen (BAG 16. Juni 2004 - 5 AZR 521/03 - zu II 1 und 2 der Gründe, BAGE 111, 131; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 474 mwN). Denn der Arbeitnehmer ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer und muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber den ihn treffenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags tragen, § 28g SGB IV. Dass das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist, steht aufgrund der nicht angegriffenen Entscheidung des Berufungsgerichts im Kündigungsschutzprozess rechtskräftig fest.

27

3. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils durch den Kläger bewirkt nicht die materiell-rechtliche Erfüllung des Vergütungsanspruchs und führt bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht zur endgültigen Tilgung nach § 815 Abs. 3, § 819 ZPO(vgl. Palandt/Grüneberg § 362 BGB Rn. 15 mwN).

28

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

29

III. Die Revision der Beklagten ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Abgeltung von Überstunden abweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.

30

1. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kann deshalb nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

31

Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung wird zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es jedoch nicht (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 21, ZIP 2011, 2204; ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 18; HWK/Thüsing 4. Aufl. § 612 BGB Rn. 23 - jeweils mwN). Die Vergütungserwartung ist deshalb stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 -- zu IV 4 a der Gründe, BAGE 96, 45). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt.

32

2. Aus dem Sachvortrag des Klägers lässt sich das Bestehen einer Vergütungserwartung nicht begründen. Anders als im „Normalarbeitsverhältnis“ sind die Vertragsbeziehungen der Parteien im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger neben dem Arbeitsverhältnis als Büroleiter, in dem er für eine bestimmte Wochenarbeitszeit eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhalten sollte, damit betraut war, Versicherungsverträge für die Beklagte unabhängig von dem dafür benötigten Zeitaufwand auf Provisionsbasis zu vermitteln. Dabei waren die unterschiedlichen Vergütungsregelungen folgenden Tätigkeiten arbeitszeitlich nicht strikt getrennt, sondern ineinander verschränkt. Der Kläger durfte nach Buchst. d des Nachtrags zur Zusatzvereinbarung (im Folgenden: Nachtrag) während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Außendiensttätigkeiten sollten zwar nach der Arbeitszeit als Büroleiter erfolgen, konnten aber unter Verrechnung auf diese während der „regulären Arbeitszeit“ durchgeführt werden, Buchst. b und Buchst. c des Nachtrags. Damit wird deutlich, dass es den Parteien nicht auf eine strikte Trennung der unterschiedlich vergüteten Arbeitsbereiche ankam. Der Kläger durfte ohne zeitliche Begrenzung während der Arbeitszeit als Büroleiter Angebote für seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter ausarbeiten und entsprechende Telefonate führen. Bei einer derartigen Verschränkung arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeits- bzw. Dienstleistungen lässt sich das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung für Überstunden im arbeitszeitbezogen vergüteten Arbeitsbereich nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände oder einer entsprechenden Verkehrssitte begründen. Fehlt es daran, kann eine Überstundenvergütung nur verlangt werden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart ist.

33

3. Besondere Umstände für eine Ausnahme von dieser Regel hat der Kläger nicht vorgebracht. Die geplante Tätigkeit als Geschäftsführer unter Beteiligung als Minderheitsgesellschafter an der beklagten GmbH spricht eher gegen eine Vergütungserwartung iSv. § 612 Abs. 1 BGB. Anhaltspunkte für eine die Auffassung des Klägers stützende entsprechende Verkehrssitte hat der Senat nicht. Dieses Ergebnis bestätigt das Verhalten des Klägers, der der Beklagten bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Überstunden aus seiner Büroleitertätigkeit weder in Rechnung gestellt noch sonst geltend gemacht hat.

34

IV. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Nach § 92 Abs. 1 ZPO haben der Kläger von den Kosten der Berufung 19/20 und die Beklagte 1/20 sowie von den erstinstanzlichen Kosten der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10 zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zorn    

        

    Bürger    

                 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 5. November 2013 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als mit der Zurückweisung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 22. August 2012 zugleich die (erstmals in der Berufungsinstanz erhobene) Klage abgewiesen worden ist, die auf Zahlung von 3.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2013 gerichtet ist.

Die Beklagte zu 18 wird verurteilt, an die Klägerin 3.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2013 zu zahlen.

Die in den Rechtsmittelinstanzen entstandenen Kosten werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen zu 77 % die Klägerin und zu 23 % die Beklagte zu 18.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 18 trägt die Klägerin zu 77 %, die der Beklagten zu 1 bis 17 trägt sie insgesamt. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt zu 23 % die Beklagte zu 18. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Das Wohnungseigentum der Klägerin gehört zu der Anlage der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft (Beklagte zu 18). In der Wohnung der Klägerin wurde im Januar 2009 als Folge eines Feuchtigkeitsschadens ein Befall mit giftigen Schimmelpilzen festgestellt, der die Wohnung für einen Zeitraum von zwanzig Monaten unbewohnbar machte. Nachdem die Klägerin Schadensersatz bzw. Zahlung einer Entschädigung gemäß § 14 Nr. 4 WEG von der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt hatte, stimmten die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 21. Juli 2010 mehrheitlich für folgenden Antrag:

„Der Versammlungsleiter stellt den Antrag, der (…) [Klägerin] pauschal 3.000 € von den verlangten 5.710,50 € zu erstatten, und die Option einzuräumen, sofern die Gemeinschaft bei einer Schadensersatzklage gegen den Vorverwalter oder den Architekten rechtswirksam ihren Anspruch durchsetzen können, die restlichen Kosten inklusive der entgangenen Mieten einschließlich bis August 2010“.

2

Der Beschluss ist inzwischen bestandskräftig geworden. Die Klägerin verlangt von der Wohnungseigentümergemeinschaft Zahlung in Höhe von 8.900,96 € nebst Zinsen aufgrund der ihr entstandenen Schäden. In den Vorinstanzen ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte zu 18 beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe in der Eigentümerversammlung ein Angebot auf Abschluss eines Vergleichs abgegeben. Sie habe sich den Vorschlag ihres Schwiegersohns, der zu der Beschlussfassung geführt habe, zu Eigen gemacht und der Wohnungseigentümergemeinschaft damit ein Vergleichsangebot unterbreitet. Diese habe das Angebot durch die Beschlussfassung angenommen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch bestehe nicht, weil die Schadensersatzforderungen der Klägerin durch den Vergleichsabschluss erledigt seien. Die danach vereinbarte Zahlung von 3.000 €, auf die sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestützt habe, sei nicht Gegenstand der Klage, weil der Vergleich einen neuen Klagegrund schaffe.

II.

4

Die Revision hat teilweise Erfolg.

5

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergebe, dass die Klägerin und die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Vergleich geschlossen hätten, hält der eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand; sie ist nur darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denk- oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08, NJW 2010, 146 Rn. 10). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

6

a) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, keine Partei habe vorgetragen, dass sie, die Klägerin, der Wohnungseigentümergemeinschaft vor der Beschlussfassung einen Antrag auf Abschluss des Vergleichs gemacht habe. Denn das Berufungsgericht hat den von dem Amtsgericht im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellten tatsächlichen Sachverhalt rechtlich gewürdigt; insoweit war es nicht an die Einschätzung der Parteien gebunden. Es hat auch nicht verkannt, dass ein schlichter Antrag eines Wohnungseigentümers auf Beschlussfassung in der Regel keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hat. Vielmehr ist es - ebenso wie das Amtsgericht, dessen Würdigung es sich angeschlossen hat - im Rahmen der einzelfallbezogenen tatrichterlichen Würdigung nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass das Verhalten der Klägerin (bzw. ihres Schwiegersohns, dessen Äußerungen sie sich zu Eigen gemacht habe) in der der Beschlussfassung vorangehenden Diskussion aus Empfängersicht als rechtlich bindender Antrag zu verstehen war. Dass der Antrag in dem Protokoll der Eigentümerversammlung als solcher des Versammlungsleiters bezeichnet wird, ist aufgrund der Feststellungen zu den vorangehenden Abläufen unerheblich.

7

b) Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beschlussfassung rechtlich zugleich als (stillschweigende) Annahme des Angebots ansieht; immerhin konnte der Antrag der Klägerin nur sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 Satz 1 BGB), und nach der Würdigung der Vorinstanzen sollte auf der Eigentümerversammlung dem Wunsch der Klägerin entsprechend eine abschließende Regelung herbeigeführt werden.

8

c) Die Annahmeerklärung ist nicht gemäß § 181 BGB unwirksam, weil die Klägerin an der Beschlussfassung mitgewirkt hat. Das folgt schon daraus, dass Vertragspartnerin der Klägerin nicht sie selbst, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Ob die Klägerin an deren vorangehender interner Willensbildung mitwirken durfte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

9

d) Schließlich wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der von der Klägerin nunmehr geltend gemachte Betrag nicht durch den Vergleich abgegolten ist oder einzelne Positionen enthält, die von dem Vergleich nicht erfasst werden.

10

2. Im Ergebnis zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen den Zahlungsantrag in Höhe der im Vergleichswege vereinbarten Summe von 3.000 € abgewiesen.

11

a) Im Ausgangspunkt geht es allerdings zutreffend davon aus, dass die auf dem Vergleich beruhende Zahlungspflicht und die ursprüngliche Schadensersatz- bzw. Entschädigungsforderung unterschiedliche Streitgegenstände darstellen.

12

aa) Gegenstand des Rechtsstreits ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein prozessualer Anspruch; er wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 175 mwN).

13

bb) Stützt sich der Kläger - wie hier - in erster Linie auf Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche und nur hilfsweise auf die Zahlungspflicht, die sich aus einem vor Klageerhebung geschlossenen außergerichtlichen Vergleich ergibt, ist der Zahlungsantrag identisch; er wird jedoch regelmäßig auf zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt. Zwar ist im Zweifel - und auch hier - davon auszugehen, dass der Vergleich das ursprüngliche Rechtsverhältnis nicht im Wege einer Novation ersetzen soll (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - X ZR 204/02, FamRZ 2004, 1783 f. mwN). Die Verpflichtungen aus dem Schuldverhältnis und die in einem außergerichtlichen Vergleich über das Schuldverhältnis vereinbarten Verpflichtungen sind aber in der Regel als verschiedene prozessuale Lebenssachverhalte anzusehen, und zwar auch dann, wenn der Vergleich keine Novation herbeiführen soll (Staudinger/Marburger, BGB [2009], § 779 Rn. 38; Larenz, Schuldrecht Band 1, 14. Aufl., § 7 IV; Bork, Der Vergleich [1988], S. 431 ff.). So liegt es hier. Dem Hauptantrag zufolge beruht die Zahlungspflicht auf verschiedenen Positionen, die auf Schadensersatz- bzw. Entschädigungsrecht gestützt werden; nach dem Hilfsantrag beruht sie dagegen auf dem Vergleich, in dem eine pauschale Zahlung vereinbart worden ist. Wie es sich verhält, wenn die ursprüngliche Forderung nur inhaltlich umgestaltet werden soll (zu einer solchen Konstellation BGH, Urteil vom 7. März 2002 - III ZR 73/01, JZ 2002, 721 f. m. krit. Anm. Jacoby), kann dahinstehen.

14

b) Das Berufungsgericht verkennt jedoch, dass die Klägerin ihre Klage in zulässiger Weise um einen Hilfsantrag erweitert hat.

15

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen. Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 30 mwN).

16

bb) Daran gemessen hat die Klägerin eine nachträgliche Klagehäufung in Eventualstellung vorgenommen, indem sie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hilfsweise auf die in dem Vergleich vereinbarte Zahlungspflicht berufen hat; denn sie hat damit erklärt, für den Fall einer Abweisung des Hauptantrags eine Titulierung der im Vergleichswege vereinbarten Zahlungspflicht herbeiführen zu wollen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dürfen Haupt- und Hilfsantrag einander widersprechen oder sich gegenseitig ausschließen (RGZ 144, 71, 73 f.; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 260 Rn. 4 aE mwN). Eine nachträgliche Klagehäufung ist prozessual wie eine Klageänderung zu behandeln (BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842 mwN). Ihre Zulässigkeit ist an § 263 bzw. § 533 ZPO und nicht an § 264 Nr. 1 ZPO zu messen, wenn ursprüngliches Zahlungsbegehren und vergleichsweise vereinbarte Zahlung - wie hier - unterschiedliche Streitgegenstände darstellen (aA aus prozessökonomischen Überlegungen Bork in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 779 Rn. 25; ders., Der Vergleich [1988], 436).

17

cc) Weil das Berufungsgericht das Vorbringen nicht als nachträgliche Klagehäufung angesehen hat, hat es sich nicht mit der Frage befasst, ob diese sachdienlich im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO ist. Der Senat kann diese Frage selbst entscheiden, da die hierbei zu berücksichtigenden Gesichtspunkte feststehen und zusätzliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind. Danach ist die Sachdienlichkeit gegeben; es ist ein Gebot der Prozessökonomie, dass die Klägerin die Zahlungspflicht aus dem Vergleich in dem bereits anhängigen Verfahren titulieren lassen kann, nachdem der Abschluss des Vergleichs auch für die Entscheidung über die ursprüngliche Zahlungspflicht von entscheidender Bedeutung ist und die erforderlichen Beweise erhoben worden sind. Aus dem gleichen Grund sind auch die Voraussetzungen von § 533 Nr. 2 ZPO erfüllt.

III.

18

Soweit die Revision Erfolg hat, ist das Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur Endentscheidung reif. Der Zahlungsanspruch besteht in Höhe von 3.000 €. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB von der Rechtshängigkeit der Klageerweiterung an. Der Antrag der Klägerin ist dahingehend auszulegen, dass sie 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 2/12, WM 2013, 509 f.).

IV.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO analog, § 565 Satz 1 i.V.m. § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

Stresemann                      Lemke                         Schmidt-Räntsch

                    Brückner                    Weinland

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist seit Dezember 2010 Mieter einer 140 qm großen Wohnung des Klägers in H.   . Die spätestens bis zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus zu entrichtende Miete beläuft sich auf monatlich 1.100 € netto zuzüglich der Miete für die dazugehörige Garage in Höhe von 50 € sowie einer Betriebskostenvorauszahlung von 180 €.

2

Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Die seit Januar 2013 vom zuständigen Jobcenter für seine Unterkunft erhaltenen Zahlungen leitete er nicht an den Kläger weiter. Dieser kündigte daraufhin das Mietverhältnis unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände fristlos. Mit seiner am 8. Juni 2013 zugestellten Klage hat er den Beklagten auf Zahlung der rückständigen Miete bis einschließlich Mai 2013 in Höhe von 6.650 € nebst Zinsen sowie auf Räumung der Wohnung in Anspruch genommen. Seine Mietzahlungspflicht hat der Beklagte anerkannt, so dass er durch rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts insoweit antragsgemäß verurteilt worden ist.

3

Nach Zustellung der Klage beantragte der Beklagte bei dem für ihn bis dahin zuständigen Jobcenter die Übernahme der Mietschulden, was mit Rücksicht auf die Größe der Wohnung durch Bescheid vom 26. Juni 2013 abgelehnt wurde. Nachdem sein hiergegen erhobener Widerspruch erfolglos geblieben war, begehrte der Beklagte unter dem 23. Juli 2013 bei dem zuständigen Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz. Dieses verpflichtete das Jobcenter durch einstweilige Anordnung vom 8. August 2013, zur Abwendung der Räumungsklage die vom Kläger eingeklagte rückständige Miete sowie darüber hinaus die fällige Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung zu zahlen; zugleich wurde dem Jobcenter aufgegeben, noch am selben Tage gegenüber dem Kläger eine entsprechende Verpflichtungserklärung abzugeben. Das Jobcenter gab die geforderte Verpflichtungserklärung in der Folge ab, zahlte jedoch an den Kläger lediglich die eingeklagte Miete von Januar bis Mai 2013.

4

Seit Juni 2013 stehen dem Beklagten Sozialleistungen nach dem SGB XII zu, für deren Bewilligung nicht mehr das Jobcenter, sondern die Stadt H.    zuständig ist. Diese bewilligte ihm wegen Bedenken gegen die Angemessenheit der Unterkunftskosten durch Bescheid vom 26. August 2013 lediglich den Regelsatz. Hiergegen erhob der Beklagte am 5. September 2013 Widerspruch. Auf Antrag des Beklagten wurde die Stadt H.    durch Beschluss des zuständigen Sozialgerichts vom 30. April 2014 im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Kosten der Unterkunft des Beklagten für die Zeit von November 2013 bis Juni 2014 zu tragen.

5

Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Amtsgericht der Räumungsklage mit Schlussurteil vom 2. Oktober 2013 stattgegeben. Hierbei ist es zwar davon ausgegangen, dass die Kündigung des Klägers vom 17. April 2013 durch die Verpflichtung des Jobcenters, die rückständigen Mieten auszugleichen, gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden ist. Zugleich hat es jedoch eine auf die rückständige Miete für die Monate Juni bis August 2013 gestützte weitere fristlose Kündigung des Klägers vom 30. August 2013 für wirksam erachtet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagen hat keinen Erfolg gehabt, nachdem der Kläger das Mietverhältnis wegen der von Oktober 2013 bis März 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 12. März 2014 und wegen der von Juli 2013 bis April 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 17. April 2014 erneut fristlos gekündigt hatte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren hinsichtlich der Räumungsklage weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Zwar sei die Kündigung vom 30. August 2013 wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam. Denn das Jobcenter habe sich zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gegenüber dem Kläger verpflichtet, die rückständige Miete jedenfalls bis August 2013 auszugleichen; die Vermögensinteressen des Klägers seien deshalb nicht ernsthaft gefährdet gewesen, auch wenn eine Zahlung für die Monate Juni bis August 2013 zum Kündigungszeitpunkt noch nicht erfolgt sei. Allerdings sei das Mietverhältnis durch die anschließende Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden, auf die sich der Kläger ungeachtet der verweigerten Einwilligung des Beklagten im Wege einer sachdienlichen Klageänderung hilfsweise gestützt habe und die er im Wege einer wirksam erhobenen Anschlussberufung auch noch zum Gegenstand seines Räumungsbegehrens habe machen können. Denn der Beklagte sei auch mit der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug geraten, so dass hierauf gestützt der Kläger gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erneut habe kündigen können.

9

Der Annahme eines dafür erforderlichen Zahlungsverzugs stehe nicht entgegen, dass der Beklagte rechtzeitig die entsprechenden Anträge beim zuständigen Sozialamt gestellt und ein sozialgerichtliches Verfahren angestrengt habe, nachdem das Sozialamt sich geweigert habe, die Kosten für die Unterkunft zu tragen. Denn für seine finanzielle Leistungsfähigkeit habe ein Schuldner - wie der Beklagte - verschuldensunabhängig einzustehen. Eine Fallgestaltung, bei der nach einer in der Instanzrechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung das Ausbleiben der Mietzahlung ausnahmsweise entschuldigt sein könne, weil der Mieter auf die Mietzahlung durch das Sozialamt habe vertrauen können und von deren Ausbleiben überrascht worden sei oder weil er sonst unabwendbar durch unvorhergesehene Umstände an einer rechtzeitigen Zahlung gehindert gewesen sei, sei hier nicht gegeben. Soweit in der Instanzrechtsprechung auch für die hier gegebene Konstellation bisweilen die Auffassung anklinge, der im Leistungsbezug der ARGE [heute gemäß § 6d SGB II: Jobcenter] stehende Mieter habe mit der rechtzeitigen Leistungsbeantragung alles ihm Obliegende und Zumutbare getan, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Miete an den Vermieter zu veranlassen und mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip dadurch seinem Beschaffungsrisiko genügt, könne dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil auch das Sozialstaatsprinzip nicht so weit gehe, dass es die Verantwortung für den hilfebedürftigen Mieter dem Vermieter anstelle der staatlichen Gemeinschaft aufbürde.

10

Die am 12. März 2014 ausgesprochene Kündigung sei auch nicht durch den Beschluss des Sozialgerichts vom 30. April 2014 unwirksam geworden. Abgesehen davon, dass dieser Beschluss nicht alle der Kündigung zugrunde liegenden Zahlungsrückstände erfasst habe, habe § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB der Gewährung einer erneuten Schonfrist entgegengestanden, da bereits die Kündigung vom 17. April 2013 nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden sei.

II.

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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

12

Das Berufungsgericht hat den Räumungsanspruch des Klägers (§ 546 Abs. 1 BGB) rechtsfehlerfrei für begründet erachtet, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Entrichtung der Miete (§ 535 Abs. 2 BGB) für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug, so dass ein für die ausgesprochene fristlose Kündigung erforderlicher wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB vorgelegen hat.

13

1. Das Berufungsgericht durfte - anders als die Revision meint - über das auf die Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 gestützte Räumungsbegehren in der Sache entscheiden. Denn der Kläger hat diesen Klagegrund zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung (§ 524 ZPO) in das Berufungsverfahren eingeführt.

14

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine hilfsweise Klageänderung vorgelegen hat, als der Kläger im Berufungsrechtszug sein Räumungsbegehren nunmehr auch auf die Kündigung vom 12. März 2014 gestützt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, GRUR 2012, 180 Rn. 19; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 15; jeweils mwN). Dementsprechend hat der Kläger, der erstinstanzlich mit dem auf die Kündigung vom 30. August 2013 gestützten Räumungsbegehren durchgedrungen war, dadurch, dass er dieses Begehren zusätzlich mit der Kündigung vom 12. März 2014 unterlegt hat, einen neuen Streitgegenstand in den Prozess eingeführt, nämlich ein Räumungsbegehren, das hilfsweise auf diese erneute Kündigung und den darin geltend gemachten Kündigungsgrund gestützt war (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, GE 2013, 117 Rn. 8). Die auf diese Weise herbeigeführte nachträgliche (Eventual-)Klage-häufung (§ 260 ZPO) ist deshalb wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO mit den dafür geltenden Regeln zu behandeln (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8; vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4; jeweils mwN; BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, aaO).

15

b) Den neuen Klagegrund konnte und musste der Kläger zweitinstanzlich im Wege eines Anschlussrechtsmittels in den Rechtsstreit einführen. Denn der Berufungsbeklagte, der seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen will, muss sich dazu gemäß § 524 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn - wie hier - die Einführung des neuen Klagegrundes eine Änderung des Sachantrags nicht erforderlich macht. Auch in einem solchen Fall will nämlich der Berufungsbeklagte, der im Berufungsrechtszug seine Klage auf einen anderen Klagegrund stützt, damit mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 22; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, aaO).

16

c) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Anschlussberufung auch sonst den Anforderungen des § 524 ZPO genügt. Insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen. Insbesondere ist es unschädlich, dass der Kläger, als er sich in seiner Berufungserwiderung auf die spätere Kündigung gestützt hat, dieses Vorgehen nicht als Anschlussberufung bezeichnet hat. Für die Einlegung eines Anschlussrechtsmittels ist keine dahingehende ausdrückliche Erklärung erforderlich. Es genügt vielmehr jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt. Dementsprechend kann der Anschluss an das Rechtsmittel der Gegenseite auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger - wie im Streitfall - sein im Übrigen unverändertes Klagebegehren auf einen weiteren Klagegrund stützt (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 26).

17

2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung vom 12. März 2014 mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug war. Dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte, ändert an dem - neben den hier gegebenen Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen Verzugseintritt erforderlichen - Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB) ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der zuständige Träger der Sozialhilfe nach Kündigungsausspruch zur Übernahme der Mietschulden verpflichtet worden ist.

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a) Zur Verantwortlichkeit des Schuldners und damit auch zu der von § 286 Abs. 4 BGB geforderten Zurechnung einer Nichtleistung trotz Fälligkeit sieht § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Eine solche strengere Haftung besteht aber nach allgemeiner Auffassung bei Geldschulden. Danach befreit eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, um die es hier geht, den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB genauso zugrunde liegt wie der Vorgängerregelung des § 279 BGB aF und das im Übrigen auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 102 mwN; vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00, WM 2002, 347 unter II 3 b; vom 15. März 2002 - V ZR 396/00, BGHZ 150, 187, 194; ebenso auch BT-Drucks. 14/6040, S. 132).

19

b) Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 d cc; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 543 Rn. 56a; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 96 f.; Wiek, WuM 2010, 204, 205; jeweils mwN). Soweit in der Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten oder jedenfalls erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen (LG Bonn, Beschluss vom 10. November 2011 - 6 T 198/11, juris Rn. 5; Urteil vom 6. November 2014 - 6 S 154/14, juris Rn. 15; LG Wiesbaden, WuM 2012, 623, 624; ähnlich LG Berlin, NZM 2013, 121, 122; WuM 2014, 607 f.), trifft dies nicht zu.

20

aa) Zwar braucht sich - wie der Senat klargestellt hat - ein hilfebedürftiger Wohnungsmieter die Säumnis einer öffentlichen Stelle, die die Kosten seiner Unterkunft zu übernehmen hat, nicht gemäß § 278 BGB als eigenes Verschulden zurechnen zu lassen. Denn eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt, ist hierbei nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vermieter (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 30). Das ändert entgegen der Auffassung der Revision aber nichts daran, dass der Mieter verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.

21

Dementsprechend sind auch die nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass sie - anders als § 543 Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (dazu Senatsurteile vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO; vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, aaO Rn. 26) - eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht zulassen (Senatsurteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, WM 1987, 932 unter II 1 c). Vielmehr ist danach bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB allein aus diesem Grund eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen noch zusätzlich erfüllt sein müssen. Denn nach der Gesetzessystematik und den ihr zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher (Kardinal-)Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 15; vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 16 mwN; vom 26. März 1969 - VIII ZR 76/67, WM 1969, 625 unter IV 3 c).

22

bb) Gegenläufige Wertungskriterien, die eine abweichende rechtliche Beurteilung der aufgrund mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit des Mieters und seines Angewiesenseins auf öffentliche Sozialleistungen ausgebliebenen Mietzahlungen und einer hierauf gestützten Kündigung tragen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere steht der von ihr hervorgehobene Umstand, dass der Beklagte bei dem für ihn zuständigen Sozialhilfeträger rechtzeitig die Übernahme seiner Wohnungskosten beantragt und dieser die Übernahme - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist - zunächst zu Unrecht verweigert hatte, einer Wirksamkeit der Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 nicht entgegen.

23

Der Gesetzgeber, der es seit langem als eine in der Sozialstaatsverpflichtung des Art. 20 Abs. 1 GG angelegte Aufgabe begreift, den vertragstreuen Mieter vor willkürlichen beziehungsweise vor nicht von berechtigten Interessen des Vermieters getragenen Kündigungen und damit dem Verlust seiner Wohnung zu schützen (vgl. nur BT-Drucks. 7/2011, S. 7), hat die in Rede stehende Problemlage gesehen, sie jedoch nicht dadurch zu bereinigen versucht, dass er - abweichend von den sonst geltenden rechtlichen Maßstäben - die Anforderungen an die Leistungspflichten des Mieters und ein Vertretenmüssen von Mietzahlungsrückständen zu Lasten des Vermieters herabgesetzt und dadurch die Kündigungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB verändert hat. Er hat dem Interesse des durch einen erheblichen Mietrückstand vertragsuntreu gewordenen Mieters an einem Erhalt der gemieteten Wohnung vielmehr dadurch Rechnung getragen, dass er ihm - allerdings vorrangig zum Zwecke der im allgemeinen Interesse liegenden Vermeidung von Obdachlosigkeit - durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB genauso wie zuvor schon durch § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF die Möglichkeit zur einmaligen Nachholung rückständiger Mietzahlungen innerhalb von zwei Jahren eingeräumt hat, um bei deren Einhaltung eine auf den eingetretenen Mietzahlungsverzug gestützte Kündigung unwirksam werden zu lassen (BT-Drucks. 14/4553, S. 64).

24

Zugleich hat der Gesetzgeber es bei Verfolgung dieses Ziels genügen lassen, dass eine Befriedigung des Vermieters nicht sofort, wie in § 535 Abs. 2, § 556b Abs. 1 BGB vorgesehen, durch Entrichtung der bis dahin fälligen Miete oder Entschädigung, sondern durch Vorlage der entsprechenden Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle erfolgt (vgl. bereits BT-Drucks. IV/806, S. 10). Aufgrund der Erkenntnis, dass sich die ursprünglich vorgesehene Nachholungsfrist von einem Monat für die Sozialhilfebehörden häufig als zu kurz erwiesen hat, hat er, um diesen Behörden ein auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit finanziell schwacher Mieter gerichtetes Tätigwerden zu erleichtern, bei Schaffung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB schließlich die Schonfrist für die Nachholung der Zahlung der rückständigen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung oder der Vorlage einer entsprechenden Verpflichtungserklärung um einen Monat auf zwei Monate verlängert (BT-Drucks. 14/4553, aaO; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 21).

25

Durch diese Sonderregelung (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, aaO) hat der Gesetzgeber - allerdings abschließend - im allgemeinen Interesse zugleich auch dem Anliegen eines leistungsunfähigen Mieters, eine auf einen erheblichen Mietzahlungsverzug gestützte fristlose Kündigung des Vermieters nachträglich ungeschehen zu machen und ihm so die gemietete Wohnung zu erhalten, Rechnung getragen (im Ergebnis ebenso Schmidt-Futterer/Blank, aaO Rn. 97). Die dem Mieter auf diese Weise kraft Gesetzes einmalig eingeräumte Nachfrist zur Beschaffung der zur Mietzahlung erforderlichen Mittel, zumindest aber zur Herbeiführung der erforderlichen Verpflichtungserklärung, kann entgegen der Auffassung der Revision deshalb nicht dahin erweitert werden, dass über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus bereits die Beantragung der zur Erbringung der Mietzahlungen erforderlichen öffentlichen Mittel genügen soll. Denn die damit verbundene Ungewissheit, den Gebrauch der Mietsache weiterhin gewähren zu müssen, ohne als Gegenleistung zumindest die Sicherheit einer Begleichung der bis dahin fälligen Mietrückstände zu haben, hat der Gesetzgeber dem Vermieter über den zweimonatigen Schonfristzeitraum hinaus gerade nicht mehr aufbürden wollen.

26

c) Da nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bereits die unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin seit Januar 2013 aufgelaufenen Mietrückstände ausgesprochene fristlose Kündigung durch die im August 2013 abgegebene Verpflichtungserklärung des Jobcenters gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden war, kommt auch eine erneute Anwendung dieser Bestimmung hinsichtlich der auf den weiteren Mietzahlungsverzug im Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014 gestützten Kündigung vom 12. März 2014 von vornherein nicht mehr in Betracht (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB). Das Mietverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung vielmehr wirksam beendet worden.

Dr. Milger                            Dr. Hessel                        Dr. Achilles

                    Dr. Bünger                            Kosziol

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.