Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Jan. 2016 - 2 Sa 216/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0128.2SA216.15.0A
bei uns veröffentlicht am28.01.2016

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Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.03.2015 - 6 Ca 2002/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 07.05.2014 nicht fristlos aufgelöst ist, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 24.05.2014 fortbestanden hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.104,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und um Ansprüche des Klägers auf Lohnzahlung sowie Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten, die eine Bauunternehmung betreibt, aufgrund Arbeitsvertrages vom 05. März 2014 (Bl. 7 - 9 d. A.) seit dem 10. März 2014 als Bauhelfer mit einem Stundenlohn in Höhe von 11,50 EUR brutto bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Nach § 3 des Arbeitsvertrages der Parteien gelten die ersten sechs Monate als Probezeit, während der das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann.

3

Für den 02. Mai 2014 legte der Kläger der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor (Bl. 56 d. A.). Am 06. Mai 2014 rief der Kläger den Komplementär der Beklagten nach 21:00 Uhr an und fragte, ob er am folgenden Tag Urlaub wegen eines Bewerbungsgesprächs haben könne. Die Einzelheiten dieses Telefongesprächs sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere, ob der Beklagte dem Kläger erklärt hat, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen. Um 22:44 Uhr versandte der Komplementär der Beklagten eine SMS an den Kläger mit folgendem Inhalt (Bl. 48 d. A.):

4

"Hallo . Nun schriftlich: Du bekommst morgen nicht frei, morgen früh am Lager 6:00 Uhr wie jeder andere auch."

5

Am folgenden Tag antwortete der Kläger um 8:19 Uhr per SMS wie folgt (Bl. 49 d. A.):

6

"Hallo habe das Handy nachts aus und um die Uhrzeit war ich schon eine Stunde im Bett. Du hast gesagt, ich brauche überhaupt nicht mehr zu kommen."

7

Mit Schreiben vom 07. Mai 2014 (Bl. 10 d. A.), dem Kläger am 10. Mai 2014 zugegangen, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Mit einem weiteren Schreiben vom 07. Mai 2014 (Bl. 11 d. A.), dem Kläger am 13. Mai 2014 zugegangen, kündigte er das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis nochmals ordentlich zum 21. Mai 2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

8

In der Zeit vom 08. bis 13. Mai 2014 war der Kläger ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08. Mai 2014 (Bl. 135 d. A.) krankgeschrieben.

9

Mit seiner am 20. Mai 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung vom 07. Mai 2014 gewandt und den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 27. Mai 2014 geltend gemacht. Klageerweiternd hat er für den Monat April 2014 die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 2.139,-- EUR brutto abzüglich 1.569,56 EUR netto, für die Zeit vom 01. bis 27. Mai 2014 die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 1.748,-- EUR brutto abzüglich 290,81 EUR netto und Urlaubsabgeltung in Höhe von 275,04 EUR brutto geltend gemacht.

10

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

11

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

12

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch fristlose Kündigung vom 07. Mai 2014 endete, sondern durch ordentliche Kündigung bis zum 27. Mai 2014 fortbesteht,

13

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.139,-- EUR brutto abzüglich geleisteter 500,01 EUR netto sowie abzüglich weiterer geleisteter 1.069,55 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2014 zu zahlen,

14

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.748,-- EUR brutto abzüglich 290,81 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2014 zu zahlen,

15

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 275,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2014 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 18. März 2015 - 6 Ca 2002/14 - der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

19

Gegen das ihr am 14. April 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Juni 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

20

Sie trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass ihr Komplementär in dem gemeinsamen Telefonat gegenüber dem Kläger am Abend des 06. Mai 2014 erklärt habe, dass dieser nicht mehr zur Arbeit erscheinen brauche. Vielmehr sei dem Kläger nach ihrem Vortrag in dem Telefonat mitgeteilt worden, dass der begehrte Urlaub aufgrund der kurzfristigen Anfrage nicht gewährt werden könne und der Kläger am nächsten Tag pünktlich und vereinbarungsgemäß zur Arbeit erscheinen solle. Dies habe ihr Komplementär auch nochmals schriftlich gemäß der vom Kläger bereits vorgelegten SMS-Nachricht bestätigt. Der in Widerspruch zu seiner ursprünglichen Klagebegründung stehende spätere Vortrag des Klägers, dass er keinen Urlaub erhalten, sondern ihr Komplementär nur geäußert habe, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen brauche, sei als offensichtliche Schutzbehauptung zu bewerten. So sei dem vom Kläger vorgelegten Auszug seiner SMS-Nachrichten zu entnehmen, dass seine Nachricht, mit welcher er sein Fernbleiben zu rechtfertigen versucht habe, erst auf einen Telefonanruf von ihrer Seite versandt worden sei. Hätte der Kläger ein ernsthaftes Interesse an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses gehabt, so hätte er sich spätestens nach der vorgetragenen Kenntnisnahme der SMS-Nachricht zum nächstmöglichen Zeitpunkt zur Arbeit melden müssen. Eine Rechtfertigung oder Entschuldigung für sein Fernbleiben habe der insofern beweisbelastete Kläger somit nicht dargetan und seine vertragliche Hauptleistungspflicht damit grob verletzt, so dass die außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Diesbezüglich sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger der Arbeit nicht lediglich unentschuldigt ferngeblieben sei, sondern er gegen die ausdrückliche Anweisung ihres Komplementärs gehandelt habe. Aufgrund der Schwere und Nachhaltigkeit der Pflichtverletzung sei eine vorherige Abmahnung daher entbehrlich gewesen. Unabhängig davon habe der Kläger bereits zuvor seine Pflichten grob verletzt, indem er am 02. Mai 2014 unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen sei, ohne sie zu informieren. Diesbezüglich wäre der Kläger verpflichtet gewesen, sie vor Arbeitsbeginn von seinem Fernbleiben zu unterrichten. Allein der Umstand, dass der Kläger einen Arbeitskollegen telefonisch von seinem Fernbleiben unterrichtet haben wolle, sei unbeachtlich, weil der Arbeitskollege weder als Vorarbeiter eingesetzt oder mit sonstigen Befugnissen ausgestattet noch überhaupt auf derselben Baustelle wie der Kläger eingesetzt gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits zuvor am 02. Mai 2014 Urlaub habe nehmen wollen und er sein Fernbleiben bereits am 30. April 2014 vorbereitet habe, indem er nicht wie üblich ihren Kleinbus für die Heimfahrt benutzt habe, sei davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Die deswegen dem Kläger erteilte Abmahnung sei ihm per Boten am 03. Mai 2014 zugestellt worden. Die für die erbrachte Arbeitsleistung vereinbarte Vergütung habe sie vollumfänglich ausgeglichen. Bezüglich der Abrechnung für den Monat Mai 2014 sei zu berücksichtigen, dass der Kläger ab dem 07. Mai 2014 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei und danach aufgrund der wirksamen fristlosen Kündigung kein Vergütungsanspruch bestehe. Gemäß § 8 Nr. 6 des allgemeinverbindlichen und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe richte sich ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen die Kasse.

21

Die Beklagte beantragt,

22

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. März 2015 - 6 Ca 2002/14 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Er erwidert, die rechtliche Bewertung der Beklagten, sein Fernbleiben am 07. Mai 2014 stelle einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar, gehe fehl. Die Beklagte lasse unberücksichtigt, dass seinem Fehlen ein jedenfalls widersprüchliches Verhalten der Beklagten zugrunde gelegen habe. Soweit die Beklagte angeführt habe, er habe erstinstanzlich widersprüchlich argumentiert, sei dies dahingehend aufzuklären, dass aufgrund eines Übertragungsfehlers seine Prozessbevollmächtigte bei Klageerhebung irrig davon gegangen sei, es sei Urlaub gewährt worden. Tatsächlich sei dies im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens richtiggestellt worden. Auch der von ihm selbst zur Akte gereichte SMS-Verkehr wider-spreche dem nicht. Wenn sich der Komplementär der Beklagten mit dem Versand der SMS nach dem Führen des Telefonats dazu entschieden habe, ihn zur Arbeitsleistung per SMS nachts aufzufordern, könne dies allenfalls bedeuten, dass er seine geäußerte Auffassung der Ablehnung der Arbeitsleistung überdacht und sich anders entschieden habe. Es verbleibe jedenfalls dabei, dass er keineswegs nach dem geführten Telefonat damit habe rechnen müssen, eine anderslautende Anweisung zu erhalten. Es möge sein, dass ihm gegenüber vorgeworfen werden könne, dass er sich nach Kenntnisnahme der SMS zur Aufforderung der Arbeitsleistung nicht unmittelbar bei der Beklagten gemeldet habe. Einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB könne dies jedoch nicht darstellen, zumal jedenfalls ein nicht eindeutiges Verhalten des Arbeitgebers über die Frage der Verpflichtung zur Arbeitsleistung am 07. Mai 2014 im Raum gestanden habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten wäre der Ausspruch einer Abmahnung für das vermeintliche unentschuldigte Fehlen am 07. Mai 2014 insbesondere aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Komplementärs der Beklagten das mildere Mittel gewesen. Entgegen der Darstellung des Beklagten sei er am 02. Mai 2014 nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und habe auch dafür keine Abmahnung erhalten. Vielmehr habe er sich fernmündlich vor Arbeitsbeginn arbeitsunfähig gemeldet. Jedenfalls habe er am 02. Mai 2014 ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht unentschuldigt gefehlt. Mithin habe das Arbeitsverhältnis erst zum 27. Mai 2014 sein Ende gefunden, so dass ihm ein entsprechender Annahmeverzugslohnanspruch zustehe.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

28

In der Sache hat die Berufung des Beklagten lediglich teilweise Erfolg. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 07. Mai 2014 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Im Hinblick darauf, dass die am 10. Mai 2014 zugegangene außerordentliche Kündigung vom 07. Mai 2014 gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien innerhalb der vereinbarten Probezeit mit Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist am 24. Mai 2014 sein Ende gefunden. Dem Kläger steht für die Zeit vom 08. bis 24. Mai 2014 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.104,00 EUR brutto zu. Die Ansprüche des Klägers für den Monat April 2014 und für die Zeit vom 01. bis 06. Mai 2014 hat die Beklagte hingegen erfüllt. Für den 07. Mai 2014 besteht mangels Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung kein Vergütungsanspruch. Der gegen den Beklagten geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch ist nach § 8 Nr. 6.2 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) ausgeschlossen.

I.

29

Die außerordentliche Kündigung vom 07. Mai 2014 ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

30

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung geeignet sind (erste Stufe) und aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (zweite Stufe). Unentschuldigtes Fehlen und eine eigenmächtige Urlaubsnahme eines Arbeitnehmers sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zu begründen (BAG 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - Rn. 36, DB 2000, 1524). Der Arbeitgeber ist für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zur Rechtfertigung einer von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung darlegungs- und beweispflichtig. Den Kündigenden trifft - entgegen der Ansicht der Beklagten - die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ausschließen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 29, DB 2009, 964). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 24).

31

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des von der Beklagten nicht widerlegten Entlastungsvorbringens des Klägers keine außerordentliche Kündigung wegen eigenmächtiger Selbstbeurlaubung bzw. unentschuldigten Fehlens gerechtfertigt.

32

Im Streitfall hat die Beklagte die von ihr ausgesprochene außerordentliche Kündigung darauf gestützt, dass ihr Komplementär dem Kläger in dem am Abend des 06. Mai 2014 geführten Telefonat mitgeteilt habe, dass der begehrte Urlaub aufgrund der kurzfristigen Anfrage nicht gewährt werden könne und der Kläger am nächsten Tag pünktlich und vereinbarungsgemäß zur Arbeit erscheinen solle, was ihr Komplementär auch nochmals schriftlich gemäß der vorgelegten SMS-Nachricht bestätigt habe. Der Kläger hat darauf erwidert, dass der Beklagte bei dem am Abend des 06. Mai 2014 geführten Gespräch auf seine Bitte um Erteilung eines Urlaubstages verärgert reagiert und das Gespräch mit den Worten beendet habe, er brauche überhaupt nicht wiederzukommen. Die SMS des Beklagten habe er erst am nächsten Vormittag gesehen und darauf per SMS geantwortet, dass er das Handy nachts aushabe und der Komplementär der Beklagten gesagt habe, dass er überhaupt nicht mehr zu kommen brauche. Diese Einlassung des Klägers hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht zu widerlegen vermocht.

33

a) Im Hinblick darauf, dass das Telefongespräch am 06. Mai 2014 zwischen dem Kläger und dem Komplementär der Beklagten allein geführt worden ist und daher der beweisbelasteten Beklagten diesbezüglich kein Zeuge zur Verfügung steht (sog. Vier-Augen-Gespräch), hat das Berufungsgericht den Komplementär der Beklagten hierzu persönlich gemäß § 141 ZPO angehört (vgl. hierzu BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - NZA 2007, 885; Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. § 448 Rn. 4).

34

Die Voraussetzungen für eine förmliche Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO liegen nicht vor. Gemäß § 445 Abs. 1 ZPO kann nur die Vernehmung des Gegners beantragt werden. Der Kläger hat sich auch nicht mit einer Parteivernehmung des Komplementärs der beweispflichtigen Beklagten ausdrücklich einverstanden erklärt (§ 447 ZPO, vgl. hierzu Zöller ZPO 31. Aufl. § 447 Rn. 2). Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nach § 448 ZPO grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - NJW 1999, 363, zu II 2 b bb der Gründe; Zöller ZPO 31. Aufl. § 448 Rn. 4 u. 4a; sog. Anbeweis). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Auch nach der durchgeführten Parteianhörung spricht nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als die des Klägers.

35

Der Komplementär der Beklagten hat bei seiner Anhörung erklärt, dass der Kläger ihn am Abend des 06. Mai 2015 angerufen und gefragt habe, ob er frei haben könne. Auf seine Frage, warum er frei haben wolle, habe er erklärt, dies sei für ein Bewerbungsgespräch. Er habe ihm dann gesagt, dass er nicht frei bekomme und wie jeder andere auch am Morgen zur Arbeit zu erscheinen habe. Er habe aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit nochmals ausdrücklich betont, dass er am nächsten Morgen zu erscheinen habe. Seine Frau habe ihm gesagt, dass dies ja nur mündlich gewesen sei und er das nochmals schriftlich machen solle. Deshalb habe er dann die SMS geschrieben.

36

Der Kläger hat bei seiner Anhörung erklärt, dass er den Komplementär der Beklagten angerufen und nach einem Tag Urlaub wegen eines Vorstellungsgesprächs gefragt habe. Dieser sei dann sofort sauer geworden und habe sogleich gesagt: "Wie Vorstellungsgespräch? Du brauchst gar nicht mehr zu kommen!" Dann habe der Komplementär der Beklagten einfach aufgelegt. Danach habe dieser ihn nochmals angerufen und gefragt, wo das Auto stehe, damit die Arbeitskollegen auf die Arbeit kommen könnten. Weil er wegen des Vorstellungsgesprächs auch nicht früh raus gemusst habe, sei die SMS von ihm erst spät zur Kenntnis genommen worden. Er habe dem Komplementär der Beklagten daraufhin geantwortet, dass dieser doch gesagt habe, dass er gar nicht mehr zu kommen brauche.

37

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat klargestellt, dass sie aufgrund eines Übertragungsfehlers bei Klageerhebung irrig davon ausgegangen sei, es sei Urlaub gewährt worden, was sie im Laufe des Verfahrens richtiggestellt habe. Der Kläger selbst hat den SMS-Verkehr zur Akte gereicht. Für die Darstellung des Komplementärs der Beklagten, er habe mit seiner SMS seine Aussage im Telefonat bestätigt, spricht nicht mehr als für die des Klägers, die SMS des Komplementärs der Beklagten könne allenfalls bedeuten, dass dieser seine im Telefonat erklärte Ablehnung der Arbeitsleistung überdacht und sich anders entschieden habe. Der Umstand, dass der Kläger seine SMS erst auf einen Telefonanruf von Seiten der Beklagten versandt hat, spricht nicht gegen die Darstellung des Klägers, nach der er die SMS des Komplementärs der Beklagten erst danach am nächsten Vormittag bemerkt und dann beantwortet hat. Soweit die Beklagte angeführt hat, dass der Kläger am 06. Mai 2014 seine aufbewahrten Sachen eingepackt habe, hat der Kläger darauf verwiesen, dass es sich dabei um seine Arbeitskleidung gehandelt habe, die aufgrund seiner Tätigkeit zementverschmiert gewesen sei und die er zur heimischen Reinigung mitgenommen habe. Nach seiner eigenen Schilderung hat der Kläger den Firmenwagen aufgrund seines beabsichtigten Vorstellungsgesprächs am nächsten Tag nicht mit nach Hause genommen, obwohl er noch nicht gewusst hatte, ob die Beklagte ihm frei gibt. Hierzu hat der Kläger erklärt, dass notfalls auch sein Schwiegersohn ihn zur Firma hätte bringen können. Die Vorgehensweise des Klägers lässt zwar darauf schließen, dass er vor dem am Abend des 06. Mai 2014 geführten Telefon davon ausgegangen war, dass er am nächsten Tag an dem Vorstellungsgespräch teilnehmen wird. Das lässt aber nicht den Rückschluss darauf zu, dass der Kläger auch ohne die von ihm behauptete Erklärung des Komplementärs der Beklagten, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen, ohnehin nicht mehr zur Arbeit erschienen wäre und seine Darstellung als Schutzbehauptung zu bewerten ist. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der Anhörung der Parteien ist der von der Beklagten geschilderte Inhalt des Telefongesprächs nicht anbewiesen i.S.v. § 448 ZPO.

38

b) Unter Berücksichtigung der nicht widerlegten Einlassung des Klägers, nach der ihm von Seiten der Beklagten erklärt worden war, dass er überhaupt nicht mehr zu kommen brauche, erscheint das Fernbleiben des Klägers am 07. Mai 2014 jedenfalls nicht als derart schwerwiegend, dass bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen als unzumutbar angesehen werden kann.

39

Zwar ist der Kläger nach Erhalt der SMS nicht mehr am selben Tag später zur Arbeit erschienen und hat auch keinen Klärungsversuch mehr unternommen. Eine hierin liegende Pflichtverletzung des Klägers erscheint jedoch in einem milderen Licht, wenn der Beklagte ihm kurz zuvor noch gesagt hat, er brauche überhaupt nicht mehr zu kommen. Ab dem 08. Mai 2014 war der Kläger ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsunfähig erkrankt. Allein die unterbliebene nachträgliche Arbeitsaufnahme am 07. Mai 2014 nach Erhalt der SMS des Beklagten reicht auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Abmahnung vom 02. Mai 2014 in Anbetracht der vorangegangenen Ablehnung der Arbeitsleistung (nach der unwiderlegten Einlassung des Klägers) nach Art und Schwere einer hierin liegenden Pflichtverletzung zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung nicht aus. Vielmehr war es der Beklagten jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen einzuhalten.

40

Die hiernach unwirksame außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.Mai 2014, die dem Kläger am 10. Mai 2014 zugegangen ist, kann jedoch - ungeachtet der vorsorglich ausgesprochenen und am 13. Mai 2014 zugegangenen weiteren ordentlichen Kündigung vom 07. Mai 2014 - gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, die das Arbeitsverhältnis der Parteien innerhalb der vereinbarten Probezeit mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB) am 24. Mai 2014 beendet hat.

II.

41

Der mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte (Differenz)Vergütungsanspruch für den Monat April 2014 besteht nicht.

42

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf den vereinbarten Lohn für den Monat April 2014 bereits abgerechnet und bezahlt. Unter Zugrundelegung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden ergibt sich für den Monat April 2014 bei 22 Arbeitstagen (20 Arbeitstage und 2 Feiertage) ein Vergütungsanspruch in Höhe von 2.024,00 EUR brutto (22 Arbeitstage x 8 Stunden x 11,50 EUR brutto), der von der Beklagten abgerechnet (gemäß der vorgelegten Abrechnung nebst Korrekturabrechnung, Bl. 39, 40 d. A.) und bezahlt worden ist. Der Kläger hat die sich aus den abgerechneten Bruttobeträgen ergebenden Nettobeträge in Höhe von insgesamt 1.569,96 EUR für den Monat April 2014 unstreitig erhalten (Vorschuss in Höhe von 500,01 EUR und Überweisung des Restlohns in Höhe von 1.069,95 EUR, Bl. 42 d. A.).

43

Die Beklagte hat unter Vorlage der Abrechnung des mit dem Kläger gemeinsamen eingesetzten Mitarbeiters (Bl. 43 d. A.) bestritten, dass weitergehende vergütungspflichtige Arbeitszeiten für den Monat April 2014 angefallen seien. Der als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht dargelegt, ob und ggf. an welchen Tagen er zu welchen Uhrzeiten welche (Mehr-)Arbeitszeiten im April 2014 geleistet haben will, die über die von der Beklagten bereits abgerechnete vertragsgemäße Vergütung hinaus einen Anspruch auf Überstundenvergütung für den Monat April 2014 begründen sollen.

III.

44

Der mit dem Antrag zu 3. für die Zeit vom 01. bis 27. Mai 2014 geltend gemachte Differenzvergütungsanspruch ist nur in Höhe von 1.104,00 EUR brutto für die Zeit vom 08. bis 24. Mai 2014 begründet.

45

Die Beklagte hat die vertragsgemäße Vergütung für die Zeit vom 01. bis 06. Mai 2014 einschließlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 02. Mai 2014 ausweislich der Abrechnung für den Monat Mai 2014 (Bl. 41 d. A.) abgerechnet und auch bezahlt. Dementsprechend hat der Kläger im Antrag zu 3. selbst den abgerechneten Nettobetrag in Abzug gebracht.

46

Für Mittwoch, den 07. Mai 2014, kann der Kläger mangels Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung keine Vergütung beanspruchen. Die Beklagte hat dem Kläger für diesen Tag nach dem Telefongespräch vom 06. Mai 2014 unstreitig keinen Urlaub bewilligt. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung am 07. Mai 2014 weder tatsächlich noch wörtlich angeboten (§§ 294, 295 BGB). Im Hinblick darauf, dass der Kläger als Anspruchsteller für die Voraussetzungen eines Annahmeverzugsanspruchs darlegungs- und beweisbelastet ist, geht der nicht feststellbare Verlauf des Telefongesprächs vom 06. Mai 2014 insoweit zu seinen Lasten, als sich nicht feststellen lässt, dass die Beklagte mit der vom Kläger behaupteten Erklärung eine weitere Erbringung der Arbeitsleistung abgelehnt hat.

47

Für den nachfolgenden Zeitraum vom 08. Mai 2014 bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 24. Mai 2014 hat der Kläger hingegen einen Anspruch auf die vertragsgemäße Vergütung in Höhe von 1.104,00EUR brutto (12 Arbeitstage x 8 Stunden x 11,50 EUR brutto). Ausweislich der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08. Mai 2014 (Bl. 135 d. A.) war der Kläger in der Zeit vom 08. bis 13. Mai 2014 arbeitsunfähig erkrankt, so dass ihm für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 EFZG zusteht. Für die Folgezeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 24. Mai 2014 hat der Kläger aufgrund der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 07. Mai 2014 einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn (§§ 293, 296, 615 Satz 1 BGB).

IV.

48

Der gegen die Beklagte gerichtete Urlaubsabgeltungsanspruch (Klageantrag zu 4.) ist nach dem allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV), der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, ausgeschlossen. Nach § 8 Nr. 6.2 BRTV richtet sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen die Urlaubskasse, an die die Beklagte die entsprechenden Beiträge geleistet hat.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

50

Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Ta

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 295 Wörtliches Angebot


Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die gesch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 140 Umdeutung


Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 294 Tatsächliches Angebot


Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 296 Entbehrlichkeit des Angebots


Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und ein

Zivilprozessordnung - ZPO | § 445 Vernehmung des Gegners; Beweisantritt


(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 447 Vernehmung der beweispflichtigen Partei auf Antrag


Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Referenzen - Urteile

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Jan. 2016 - 2 Sa 216/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Jan. 2016 - 2 Sa 216/15 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Sept. 2012 - 2 AZR 646/11

bei uns veröffentlicht am 27.09.2012

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. April 2011 - 11 Sa 58/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Jan. 2016 - 2 Sa 216/15.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. Dez. 2016 - 5 Sa 305/16

bei uns veröffentlicht am 15.12.2016

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 28. April 2016, Az. 6 Ca 3/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatb

Referenzen

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. April 2011 - 11 Sa 58/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die 1956 geborene Klägerin war seit Mai 1982 bei der Beklagten - einer Bank für Privatkunden - als Kundenbetreuerin tätig. Seit Dezember 2006 war sie in einer Filiale in R eingesetzt. Die Zweigstelle gehört zum Vertriebsbereich D, für den ein Betriebsrat gewählt ist. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin betrug zuletzt 15 Wochenstunden.

3

Im Jahr 2009 mahnte die Beklagte die Klägerin dreimal ab. Zwei Abmahnungen wurden zwischenzeitlich - in einem Fall nach gerichtlicher Entscheidung, im anderen Fall aufgrund eines Vergleichs - aus deren Personalakte entfernt. Die dritte Abmahnung wurde von der Klägerin nicht gerichtlich angegriffen.

4

Am 17. März 2010 war die Klägerin an der Kasse eingesetzt, als zwei Kunden - wohl ein Ehepaar - die R Filiale betraten. Diese wollten ein aktuelles Festgeldangebot nutzen und wandten sich für eine Beratung an die Kundenbetreuerin K. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu Unstimmigkeiten. Die Kundenbetreuerin hatte wegen einer ungewöhnlichen Farbschattierung Zweifel an der Echtheit eines der beiden Personalausweise, die ihr zu Identifikationszwecken vorgelegt wurden. Gegen 13:00 bis 13:10 Uhr setzte der Filialleiter die Betreuung der Kunden fort und bat diese in sein Büro. Die Mitarbeiterin K trat ihre Mittagspause an und begab sich zunächst in einen angrenzenden Sozialraum. Dort traf sie die Klägerin und eine andere Kollegin an. Nachdem Frau K ihre Arbeit wieder aufgenommen hatte, übergab ihr der Filialleiter Unterlagen aus dem Kundengespräch zur weiteren Bearbeitung. Beigefügt waren Fotokopien von zwei Ausweisdokumenten, die den Vermerk trugen, das Original habe vorgelegen.

5

Mit Schreiben vom 22. März 2010 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Meldung eines Verstoßes gegen Sicherheitsrichtlinien“ an die „Zentrale Revision“ der Beklagten. Sie teilte - auszugsweise - Folgendes mit:

        

„...   

        

ich zeige Ihnen hiermit einen schweren und vorsätzlichen Verstoß gegen die Sicherheitsrichtlinien der T und ggfls. gegen gesetzliche Richtlinien an.

        

Datum:

Mittwoch, 17.03.2010

        

Ort:   

Filiale R

        

Verursacher:

Filialleiter …

        

Tathergang:

        

... An dem besagten Tage war ich an der Kasse eingesetzt. …

        

… Dabei stellte sich heraus, dass der Kunde statt eines Bundespersonalausweises nur eine Kopie davon mit bei sich hatte. Als die Kollegin dies bemängelte, übernahm der Zweigstellenleiter diesen Fall und bat den Kunden in einen separaten Raum. … Dabei kam es zu dem eklatanten Verstoß gegen die Sicherheitsregel: Der Kunde konnte keinen gültigen Personalausweis vorlegen: Er hatte wohl eine Fotokopie bei der Hand.

        

Der Zweigstellenleiter kopierte die Kopie und soll eigenhändig den Vermerk aufgeschrieben haben, das Original habe vorgelegen.

        

Letzteres durch Aussage der mit dem Fall befassten Kollegin.

        

Es obliegt Ihnen, die Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten.

        

Zeugnis zur möglicherweise notwendigen Befragung: Kollegin … K“

6

Am 7. April 2010 wurde die Klägerin vom Personalreferenten der Beklagten zu dem Vorfall befragt. Sie sollte sich ua. dazu äußern, ob und inwieweit sie von der Kasse aus habe erkennen können, dass es sich um einen „falschen“ Ausweis gehandelt habe. Sie gab an, diese Beobachtung habe ihre Kollegin gemacht. Die gleichfalls befragte Mitarbeiterin K führte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 16. April 2010 aus, der männliche Kunde habe auf ihre Bitte, sich zu legitimieren, verärgert und „offensichtlich ertappt“ reagiert. Auf ihren Versuch, die Ausweise zu kontrollieren, sei sie von beiden Kunden „in lautem, unverschämten Ton“ „angepöbelt“ worden. Dem Filialleiter, der daraufhin das Beratungsgespräch fortgeführt habe, seien die Papiere ebenfalls auffällig vorgekommen.

7

Am 30. April 2010 hörte die Beklagte den Filialleiter, der in der Zeit vom 23. März 2010 bis zum 12. April 2010 urlaubsabwesend war, zu den Vorwürfen an. Dieser erklärte, er habe die Ausweise unter einer im Kassenbereich angebrachten UV-Lampe überprüft. Dabei und bei der Datenaufnahme im Kundensystem habe er keine Unregelmäßigkeiten feststellen können.

8

Am 24. Juni 2010 unterhielten sich zwei Vertreter der Beklagten - darunter der Personalreferent - mit der Klägerin über das sich stetig verschlechternde Arbeitsklima in der Filiale. Dabei kam erneut die Anzeige vom 22. März 2010 zur Sprache. Diesbezüglich wurde ein weiteres Personalgespräch für den 13. Juli 2010 verabredet. Am 25. Juni 2010 fasste die Mitarbeiterin K auf Bitten der Beklagten nochmals die Vorgänge vom 17. März 2010 zusammen. Sie gab an, nach „Übernahme“ der Kunden durch den Filialleiter - „aufgeregt und erschrocken darüber“, dass dieser ihr in einer „so kniffligen Situation“ in den Rücken gefallen sei - „in die Küche“ gelaufen zu sein. Gegenüber ihren dort bereits anwesenden Kolleginnen - darunter die Klägerin - habe sie geäußert, die Kunden seien ihr „auf Anhieb komisch“ vorgekommen. Einer der Ausweise habe „so komisch“ ausgesehen als wäre er nicht echt; sie habe diesen nicht geprüft und wisse auch nicht, ob der Filialleiter, der die Kunden jetzt bediene, „das noch mache“. Sie habe nichts mehr mit dem Fall zu tun.

9

Am 26. Juni 2010 erhielt die Klägerin eine förmliche Einladung mit Tagesordnung zu dem anstehenden Gespräch. Mit E-Mail vom 28. Juni 2010 schrieb sie dem Personalreferenten, die Frage nach ihrer Motivation für die Anzeige vom 22. März 2010 habe in ihr „tiefste Zweifel“ ausgelöst. Das sei doch ihre „heiligste Pflicht“ gewesen. Sie habe eigentlich „Anerkennung für Pflichterfüllung … erwartet“. Sie habe bereits vorgehabt nachzufragen, ob die Sache nicht verfolgt würde oder „im Sande verlaufen sei“. Dies werde sie nunmehr „in Richtung Geschäftsführung/Zentralrevision“ erfragen.

10

Die Beklagte zog daraufhin das Personalgespräch auf den 2. Juli 2010 vor. An ihm nahmen neben einer weiteren Person der Personaldirektor der Beklagten, der Direktor „Human Resources Arbeitsrecht und Mitbestimmung“ und ein Mitglied des Betriebsrats teil. Der Klägerin wurde unter Fristsetzung aufgegeben, sich abschließend schriftlich zu dem Geschehen am 17. März 2010 zu äußern. Nach Eingang der Erklärung wollte die Beklagte über mögliche „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ entscheiden. Die am 4. Juli 2010 verfasste und an die vorgenannten Direktoren der Beklagten adressierte Stellungnahme der Klägerin ging am 5. Juli 2010 auf einem allgemein zugänglichen Faxgerät der Filiale R ein. Parallel leitete die Klägerin die Erklärung allen Gesprächsteilnehmern vom 2. Juli 2010 und der Geschäftsleitung der Beklagten zu. Ihrer Kollegin K und einer weiteren Filialmitarbeiterin überreichte sie jeweils eine Abschrift. Inhaltlich verwahrte sie sich gegen den Vorwurf, in ihrer Anzeige falsche Angaben gemacht zu haben. Sie führte aus, eine bankinterne Überprüfung des verdächtigen Ausweises sei während ihrer Anwesenheit unterblieben. Weiter schrieb sie: „Obwohl Sie die Ankündigung eines Verfahrens wegen ‚übler Nachrede‘ wohl eher als Drohung verstanden wissen wollten, bin ich mit einem Strafverfahren nach § 186 StGB mehr als einverstanden. … Ich bedanke mich für den … vorgeschlagenen Weg der externen Klärungsmöglichkeit und erwarte nunmehr Ihre angekündigte Anzeige wegen übler Nachrede innerhalb eines angemessenen Zeitraums …“

11

Die Beklagte forderte die Klägerin auf, die Behauptung, ihr sei mit einer Strafanzeige gedroht worden, unter Richtigstellung des Sachverhalts zu widerrufen. Mit E-Mail vom 6. Juli 2010 erklärte diese, die Worte „üble Nachrede“ seien von Vertretern der Beklagten in den Raum gestellt worden. In Ermangelung eines gemeinsamen Gesprächsprotokolls sei sie aber bereit, einzelne Darstellungen in der Sache oder der Tendenz nach zu revidieren, falls der Beklagten diese als falsch erschienen.

12

Am Folgetag stellte die Beklagte die Klägerin von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 14. Juli 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit „sozialer Auslauffrist“ zum 31. März 2011.

13

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Sie habe nicht bewusst falsche Anschuldigungen gegen den Filialleiter erhoben. Vielmehr habe sie über einen Vorfall berichtet, den die Beklagte bis zuletzt nicht vollständig aufgeklärt habe. Etwas anderes sei auch nicht ihrer im Vorprozess abgegebenen Erklärung zu entnehmen, sie habe „schon einige Filialleiter der Beklagten kommen und gehen sehen“ und werde auch den derzeitigen „aussitzen“. Sie habe sich durch die in kurzer zeitlicher Folge erteilten Abmahnungen unberechtigt angegriffen gefühlt und überreagiert. Ebenso wenig sei die Kündigung wegen ihres Verhaltens im Zusammenhang mit der Stellungnahme vom 4. Juli 2010 gerechtfertigt. Während des Gesprächs am 2. Juli 2010 habe sie den Eindruck gewonnen, die Beklagte beabsichtige, sie wegen vermeintlich übler Nachrede anzuzeigen. Sie sei weiterhin bereit, die Aussage, ihr sei ein Strafverfahren „angedroht“ worden, zu korrigieren.

14

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch zum 31. März 2011 aufgelöst worden ist.

15

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Die Klägerin habe den Filialleiter im Schreiben vom 22. März 2010 sinngemäß eines Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz bezichtigt. Dabei habe sie den Eindruck vermittelt, der beschriebene „Tathergang“ sei Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung, obwohl die Anschuldigungen tatsächlich auf reinen Mutmaßungen beruhten. Am 7. April 2010 habe sie erklärt, mit Sicherheit ausschließen zu können, dass der Filialleiter die Ausweise vorschriftsmäßig geprüft habe. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass auch ihre als Zeugin benannte Kollegin den Vorfall nicht durchgängig beobachtet habe. In den nachfolgenden Gesprächen habe sie unverändert an ihrem Standpunkt festgehalten. Erstmals mit ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 habe sie ihre Behauptungen auf die Zeit ihrer Anwesenheit beschränkt. Allerdings habe sie zugleich unzutreffend und wider besseres Wissen behauptet, ihr sei in dem vorausgegangenen Personalgespräch durch Vertreter der Beklagten mit einer Strafanzeige gedroht worden. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Die Klägerin habe ihre Vertragspflichten grob verletzt. Ihre falschen Anschuldigungen habe sie gegenüber einem sich stetig vergrößernden Empfängerkreis wiederholt bzw. publik gemacht und keine Einsicht gezeigt. Damit habe sie das Ansehen des Filialleiters beschädigt und nachhaltig den Betriebsfrieden gestört. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis sei ihr - der Beklagten - unzumutbar. Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch mit Ablauf einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist aufgelöst worden.

18

I. Die fristlose Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (MTV) unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

19

1. Dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien zufolge fanden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils geltenden Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken Anwendung. Gemäß § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV (in der maßgebenden, ab 22. April 2009 geltenden Fassung) sind Arbeitnehmer, die ihr 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören - vorbehaltlich im Streitfall nicht einschlägiger Ausnahmetatbestände - nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündbar. Die Regelung, deren persönliche Voraussetzungen die Klägerin im Kündigungszeitpunkt erfüllte, nimmt auf § 626 BGB Bezug(vgl. zu § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV in der ab 1. Oktober 1997 geltenden Fassung: BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 1 der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; allgemein zur Bedeutung des Begriffs „wichtiger Grund“ in Tarifverträgen: bspw. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA KSchG § 2 Nr. 80; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 9).

20

2. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei ordentlicher Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ist für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, auf den Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen (BAG 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 34, BAGE 118, 104). Aus § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.

21

3. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

22

4. Einen in diesem Sinne die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen ua. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 626 Nr. 226 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich für ein solches Verhalten regelmäßig nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70). Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - aaO; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; zur ordentlichen Kündigung: 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).

23

5. Von diesen Grundsätzen geht auch das Landesarbeitsgericht aus. Seine Auffassung, das Verhalten der Klägerin stelle schon keinen die fristlose Kündigung rechtfertigenden Grund „an sich“ dar, ist revisionsrechtlich zumindest insoweit nicht zu beanstanden, wie es davon ausgeht, die Klägerin habe weder im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 22. März 2010 noch im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Personalgespräch vom 2. Juli 2010 bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt.

24

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Schreiben vom 22. März 2010 sei unschwer zu entnehmen, dass die Anschuldigungen nicht durchgängig auf eigener Wahrnehmung der Klägerin beruhten. Das gelte insbesondere für die durch Fettdruck hervorgehobene Behauptung, hinsichtlich derer die Klägerin auf das Zeugnis der „mit dem Fall befassten Kollegin“ verwiesen habe. Spätestens aufgrund der anschließenden Befragungen habe der Beklagten klar sein müssen, dass weder die Klägerin noch die benannte Kollegin aus eigener Wahrnehmung hätten angeben können, der Filialleiter habe die erforderliche Kontrolle nicht vorgenommen. Verbleibende Zweifel habe die Beklagte durch eine persönliche Gegenüberstellung der Klägerin und des Filialleiters ausräumen können, was unterblieben sei. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht dargetan, dass die Anschuldigungen, was die behaupteten Versäumnisse des Filialleiters im Rahmen der Legitimationsprüfung anbelange, unrichtig seien. Eine mögliche und zumutbare Befragung der Kunden sei nicht erfolgt. Was die Äußerungen der Klägerin im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 betreffe, sei nicht auszuschließen, dass sie die ihr gemachten Vorhaltungen als - konkludente - Drohung mit der Erstattung einer Strafanzeige missverstanden habe.

25

b) Die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind nach § 286 ZPO nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht von den zutreffenden Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat(vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Gemessen daran zeigt die Beklagte keinen revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler auf.

26

aa) Soweit die Wertung des Landesarbeitsgerichts auf einer Auslegung der Erklärungen im Schreiben vom 22. März 2010 beruht, ist diese möglich. Die Klägerin beschrieb in ihrer „Anzeige“ einen Sachverhalt, für den sie sich im maßgebenden Punkt - dem behaupteten Verstoß gegen Sicherheitsrichtlinien bei der Legitimationsprüfung von Ausweispapieren - auf die Aussage einer Arbeitskollegin berief. Außerdem überließ sie es ausdrücklich weiteren Ermittlungen der Beklagten, die „Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten“. Das lässt nicht - schon gar nicht zwingend - den Schluss zu, die Klägerin habe behaupten wollen, ihre Angaben beruhten insgesamt auf eigener Wahrnehmung. Ebenso wenig ist dem Schreiben mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, die Klägerin habe bewusst den - falschen - Eindruck erweckt oder erwecken wollen, unmittelbare Wahrnehmungen ihrer Kollegin K wiederzugeben. Gegen eine solche Interpretation als einzig mögliche Deutung spricht, dass die Klägerin für eine „möglicherweise notwendige“ Befragung auf das Zeugnis der betreffenden Mitarbeiterin verwies. Ein verständiger Empfänger der „Anzeige“ musste angesichts dieser Angaben in Rechnung stellen, dass die Klägerin lediglich Umstände beschrieb, die sie zwar nicht selbst kannte, von denen sie aber annahm, sie aufgrund greifbarer Anhaltspunkte vermuten zu dürfen.

27

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einschließlich der ihr zugrunde liegenden Auslegung lässt, anders als die Revision meint, nicht den Inhalt der nachfolgend geführten Personalgespräche außer Acht. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin bei den Unterredungen am 7. April 2010, am 24. Juni 2010 und am 2. Juli 2010 jeweils an ihrer Anschuldigung festgehalten hat, der Filialleiter habe die Ausweise nicht wie vorgeschrieben überprüft. Auch dies ist kein evidentes, vernünftige Zweifel ausschließendes Indiz dafür, dass die Klägerin behaupten wollte, sie selbst habe dies beobachtet. Trotz der allgemein gehaltenen Formulierung kann den Umständen nach nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihre Aussage in der Annahme, dies sei der Beklagten klar, stillschweigend auf Zeiten ihrer Anwesenheit im Verkaufsraum der Filiale bezogen hat. Dafür sprechen jedenfalls ihre klarstellenden Ausführungen in der Stellungnahme vom 4. Juli 2010. Überdies konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagten ihr zeitweiliger Aufenthalt im Sozialraum bzw. der Küche bekannt war. Selbst wenn die Erklärung so zu verstehen sein sollte, die Klägerin habe behaupten wollen, der Filialleiter habe die fragliche Prüfung zu keiner Zeit, auch nicht während der Zeit ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz vorgenommen, folgte daraus nicht - zumindest nicht zwingend -, dass sie bewusst über den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung oder den der Beobachtungen ihrer Kollegin zu täuschen versucht hätte. Ebenso gut kann es sein, dass sie - im Sinne einer wertenden Schlussfolgerung - auf der Grundlage der Angaben ihrer Kollegin zum äußeren Erscheinungsbild der Ausweise und dem Verhalten der Kunden zu dem Ergebnis gelangt ist, die vorgeschriebene Überprüfung der Ausweise könne nicht wirklich stattgefunden haben.

28

cc) Die Beklagte zeigt keinen materiellen Rechtsfehler auf, soweit sie sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, sie habe den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen nicht hinreichend aufgeklärt, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, die Behauptungen der Klägerin seien unwahr. Damit hat das Landesarbeitsgericht weder grundlegend die Darlegungs- und Beweislast verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an den Vortrag der Beklagten gestellt. Diese ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (zur Darlegungslast bezüglich behaupteter Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe: BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13). Es war somit grundsätzlich Sache der Beklagten, die Unwahrheit der Behauptungen der Klägerin darzutun, dh. aufzuzeigen, dass eine hinreichende Legitimationsprüfung stattgefunden hat. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es an Anhaltspunkten für ein - mögliches - pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters gänzlich gefehlt hätte, kann dahinstehen. So liegt der vorliegende Fall nicht. Die Klägerin hat ihre Vorwürfe nicht vollkommen „aus der Luft gegriffen“. Vielmehr stritten gewisse, wenngleich nicht zwingende Verdachtsmomente dafür, dass es sich bei einem der beiden Ausweispapiere nicht um ein echtes Dokument handelte. Wenn das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, die Erklärung des Filialleiters, er habe die Ausweise unter der UV-Lampe im Kassenbereich geprüft, sei für sich genommen noch kein ausreichendes Indiz für die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien, ist dies jedenfalls vertretbar. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte es unterlassen hat, ihre Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine solche Möglichkeit bestand objektiv in der Befragung der Kunden, von denen die Papiere stammten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auch bei vorsichtig formulierter Nachfrage mit einer konkreten Gefährdung der Geschäftsbeziehung hätte rechnen müssen und ihr deshalb eine weitere Aufklärung unzumutbar gewesen wäre, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Da sich schon aus dem Unterlassen einer Nachfrage bei den Kunden ergibt, dass die Beklagte ihre Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, kann dahinstehen, ob überdies eine persönliche „Gegenüberstellung“ der Klägerin und des Filialleiters angezeigt war, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat.

29

dd) Die Beklagte bringt vor, das Landesarbeitsgericht habe auf der Grundlage seiner Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, die Behauptung der Klägerin, ihr sei im Personalgespräch am 2. Juli 2010 mit einer Strafanzeige gedroht worden, beruhe auf einem Missverständnis. Insbesondere böten die Erklärungen der Klägerin in der E-Mail vom 6. Juli 2010 dafür keinen genügenden Anhaltspunkt. Damit zeigt die Beklagte keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Sie will nur ihre eigene Bewertung der fraglichen individuellen Äußerungen an die Stelle einer zumindest vertretbaren Würdigung des Landesarbeitsgerichts setzen.

30

ee) Mit ihren Verfahrensrügen dringt die Revision nicht durch.

31

(1) Soweit die Beklagte geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass es von der Zumutbarkeit einer Befragung des Kundenehepaars ausgehe, ist ihr Angriff unzulässig. Wird gerügt, das Berufungsgericht sei seiner richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO)nicht nachgekommen, muss der Rechtsmittelführer ua. im Einzelnen angeben, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss nachgeholt werden. Mit der Verfahrensrüge muss er für die erforderliche Schlüssigkeit bzw. Substantiierung seines Vortrags sorgen (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 39, AP BetrAVG § 7 Nr. 111 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 27). Darüber hinaus muss er die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung der Hinweispflicht dartun (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen - erheblichen - Vortrag sie im Hinblick auf den vermissten Hinweis hin geleistet und zu welchem entscheidungserheblichen Gesichtspunkt sie die Kunden als Zeugen benannt hätte.

32

(2) Die Beklagte beanstandet weiter, das Landesarbeitsgericht habe es ohne Begründung unterlassen, ihren unter I 2.1 bis 2.4 der Revisionsbegründung näher bezeichneten Beweisangeboten nachzugehen. Dadurch habe es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßen. Das trifft nicht zu.

33

(a) Die Rüge ist unzulässig, soweit die Beklagte meint, die Vernehmung einer weiteren namentlich genannten Filialmitarbeiterin hätte „zur Widerlegung der falschen Behauptungen der Klägerin beitragen können“. Es fehlt an der Darlegung, im Hinblick auf welche Tatsachen sie sich in welchem Schriftsatz auf das Zeugnis der betreffenden Arbeitnehmerin berufen hatte (zu den Anforderungen an die Rüge des Übergehens eines Beweisantritts: vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 20, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Entsprechendes gilt für die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe es versäumt, die Teilnehmer des Gesprächs vom 2. Juli 2010 (nicht: 2011) zum Inhalt der Äußerungen ihrer Vertreter zu hören. Die Beklagte zeigt nicht auf, wo genau ihr vermeintlich übergangener Beweisantritt in den vorinstanzlichen Schriftsätzen zu finden sein soll und auf welchen dort gehaltenen Vortrag er sich bezieht.

34

(b) Die weiteren Angriffe der Revision sind - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, dass die Klägerin noch im Gespräch vom 2. Juli 2010 an ihren Anschuldigungen gegenüber dem Filialleiter festgehalten hat. Den Inhalt der Stellungnahmen der Mitarbeiterin K hat es für unstreitig erachtet. Es brauchte deshalb den vermeintlich übergangenen Beweisantritten nicht nachzugehen.

35

(3) Dem Berufungsurteil sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen wäre, die Klägerin habe objektiv die Möglichkeit gehabt zu beobachten, ob der Filialleiter eine Überprüfung der Echtheit der Personalausweise mittels UV-Lampe vorgenommen habe. Ebenso wenig enthält es tatbestandliche Feststellungen, die den Ausführungen der Beklagten zu einem Aufenthalt der Klägerin und ihrer Kolleginnen im Sozialraum während der Mittagspause widersprechen. Soweit die Beklagte beanstandet, entgegen den Feststellungen im Berufungsurteil habe ihr Filialleiter seinen Urlaub nicht am 23. März 2010, sondern bereits am 22. März 2010 angetreten, fehlt es an der Darlegung, wo genau der betreffende Vortrag zu finden sein soll. Darüber hinaus fehlt es - auch unter Berücksichtigung der offenbar postalisch erfolgten Übermittlung der „Anzeige“ der Klägerin vom 22. März 2010 - an der Darlegung, inwieweit der Zeitpunkt des Urlaubsantritts entscheidungserheblich war. Aus diesen Gründen greift auch die Erwägung der Beklagten nicht, bei Urteilszustellung binnen der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO wäre ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung möglich gewesen.

36

6. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Klägerin, auch wenn sie nicht bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben mag, ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB)dadurch verletzt hat, dass sie ihre Anschuldigungen nicht vorsichtiger vorgebracht, sondern ohne weitere Prüfung die rechtliche Schlussfolgerung eines „schweren und vorsätzlichen Verstoßes“ gegen Sicherheitsrichtlinien und ggf. „gesetzliche Richtlinien“ gezogen hat. Ebenso wenig hat es sich auf der ersten Prüfungsstufe des wichtigen Grundes mit der Frage befasst, ob die Klägerin ihre „Anzeige“ in der vorrangigen Absicht erstattet hat, ihrem Vorgesetzten zu schaden oder sich an diesem für die aus ihrer Sicht unberechtigten Abmahnungen zu rächen. Für eine solche Motivation könnte der Umstand sprechen, dass sie nicht das Gespräch mit dem Filialleiter gesucht hat. Überdies lassen ihre Ausführungen in der E-Mail vom 28. Juni 2010 eine erhebliche Belastungstendenz erkennen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, in einem solchen Verhalten „an sich“ einen wichtigen Grund zur Kündigung zu erkennen.

37

a) Im Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen („Whistleblowing“) ist eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht stets schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Anzeige erstattet, ohne dabei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen (BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70; 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 107, 36). Eine Anzeige kann unabhängig vom Nachweis der mitgeteilten Verfehlung und ihrer Strafbarkeit ein Grund zur Kündigung sein, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten darstellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen(EGMR 21. Juli 2011 - 28274/08 - [Heinisch] Rn. 63 ff., AP BGB § 626 Nr. 235 = EzA BGB 2002 § 626 Anzeige gegen Arbeitgeber Nr. 1), schließt eine solche Bewertung nicht generell aus.

38

b) Es spricht einiges dafür, diese Grundsätze sinngemäß auf den Bereich innerbetrieblicher „Anzeigen“ zu übertragen. Auch unterhalb der Schwelle eines strafbaren Verhaltens muss ein Arbeitnehmer bei der Mitteilung vermeintlicher Missstände im Betrieb angemessen auf Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitskollegen und Vorgesetzten Rücksicht nehmen. Das folgt schon aus dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung des Betriebsfriedens.

39

c) Die damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen bedürfen im Streitfall keiner vertieften Erörterung. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung erweise sich zumindest im Rahmen einer ggf. vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung und Interessenabwägung als nicht gerechtfertigt. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

40

aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (st. Rspr., zuletzt bspw. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 43, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

41

bb) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind - neben der hier ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung - auch Abmahnung und Versetzung anzusehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - BAGE 30, 309). Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung künftiger Störungen - zu erreichen. Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 40; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37).

42

cc) Dem Berufungsgericht kommt bei der Einzelfallprüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO). Daran gemessen liegt kein Abwägungsfehler des Landesarbeitsgerichts vor. Es hat die Kündigung - hinsichtlich beider Kündigungssachverhalte - als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin vorrangig abzumahnen. Damit hat das Landesarbeitsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht verletzt. Die in Rede stehenden Pflichtverletzungen der Klägerin wiegen nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Ebenso wenig liegen Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, auch ohne Abmahnung sei von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen.

43

(1) Den Nachweis falscher Tatsachenbehauptungen hat die Beklagte nicht geführt. Die Anschuldigungen der Klägerin betreffend ein pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters mögen auf „dürftigen“ Verdachtsmomenten beruht haben. Gleichwohl hat die Klägerin sie nicht „ins Blaue hinein“ erhoben. Ihre Pflicht zur Diskretion hat sie zumindest insofern gewahrt, als sie sich an die „Zentrale Revision“ der Beklagten gewandt hat. Selbst wenn die Klägerin - weil sie eine Pflichtverletzung allenfalls vermuten konnte - lediglich einen Verdacht hätte äußern dürfen, musste sie doch ihre Bedenken gegen ein ordnungsgemäßes Verhalten des Filialleiters nicht vollkommen zurückstellen. Einer damit möglicherweise verbundenen Pflichtverletzung der Klägerin hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Das gilt auch dann, wenn der „Anzeige“ sachfremde Motive der Klägerin zugrunde gelegen haben sollten. Daraus folgt für sich genommen nicht, dass sie sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen, um künftig zurückhaltender vorzugehen und ggf. genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen zu unterscheiden. Dies vermag der Senat, sollte das Landesarbeitsgericht diesen Aspekt bei seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht genügend berücksichtigt haben, selbst zu entscheiden.

44

(2) Eine Abmahnung war auch nicht mit Blick auf die Behauptung der Klägerin entbehrlich, ihr sei im Personalgespräch vom 2. Juli 2010 eine Strafanzeige wegen übler Nachrede angedroht worden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin das ihr von den Vorinstanzen zugutegehaltene Missverständnis bei genauerer Prüfung hätte vermeiden können. Ihr Irrtum wäre auch dann nicht bedeutungslos (vgl. dazu BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160). Überdies hat die Klägerin mit ihrer E-Mail vom 6. Juli 2010 eine gewisse Einsicht gezeigt. Dass das Arbeitsverhältnis vor diesem Hintergrund durch das in Rede stehende Fehlverhalten so stark belastet wäre, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens in ein künftig redliches Vorgehen der Klägerin selbst nach einer Abmahnung ausgeschlossen erschiene, ist nicht erkennbar.

45

(3) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Stellungnahme vom 4. Juli 2010 Personen zugänglich gemacht hat, die an dem vorhergehenden Personalgespräch nicht beteiligt waren. Unabhängig davon, ob darin eine Pflichtverletzung liegt, steht auch dies einem Abmahnungserfordernis nicht entgegen. Die Beklagte beruft sich auf eine tiefgreifende Störung des Betriebsfriedens. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zufolge hat sie es aber versäumt aufzuzeigen, dass eine entsprechende Störung tatsächlich eingetreten wäre. Dessen hätte es bedurft, da die Darlegung der bloßen Möglichkeit einer Störung eine verhaltensbedingte Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe Vorbringen übergangen, zeigt sie nicht auf, wo genau sie welchen entscheidungserheblichen Vortrag zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens geleistet haben will. Soweit sie einen richterlichen Hinweis vermisst, fehlt es an der Darlegung, was sie hierauf Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Schon aus diesen Gründen bleiben ihre Verfahrensrügen erfolglos.

46

(4) Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor. Die in der Personalakte verbliebene Abmahnung aus dem Jahr 2009 hatte - soweit ersichtlich - ein verspätetes Erscheinen der Klägerin zu einem Personalgespräch zum Gegenstand.

47

(5) Erweist sich die Kündigung wegen Fehlens einer Abmahnung als unverhältnismäßig, kann offenbleiben, ob die Beklagte vorrangig auch eine Versetzung der Klägerin hätte in Betracht ziehen müssen, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Einer Auseinandersetzung mit den hiergegen gerichteten Revisionsrügen bedarf es nicht.

48

II. Die hilfsweise zum 31. März 2011 erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gleichfalls unwirksam. Auch insoweit fehlt es an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV. Das Landesarbeitsgericht geht fehlerfrei davon aus, dass es dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen hätte, die Klägerin vor Ausspruch einer Kündigung abzumahnen. Ohne eine solche Warnung war es der Beklagten nicht - weder bis zum Ablauf einer (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist noch auf Dauer - unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit ihr fortzusetzen. Schon aus diesem Grund kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist keinen Bestand haben (zur Problematik: vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18, 20, NZA 2013, 224).

49

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen.

(2) Der Antrag ist nicht zu berücksichtigen, wenn er Tatsachen betrifft, deren Gegenteil das Gericht für erwiesen erachtet.

Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.

Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.