Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Sept. 2018 - 5 Sa 122/17
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund –Kammern Neubrandenburg- vom 13. Juni 2017 – Aktenzeichen 11 Ca 444/16 – wird dieses abgeändert und in Ziffer 1 wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46,05 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.08.2016 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 25 Prozent und die Beklagte zu 75 Prozent.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über die Frage, in welchem Umfang dem Kläger Überstundenzuschläge zustehen und wann diese fällig werden.
- 2
Der Kläger ist seit 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern zuletzt als Linienführer im Druck tätig.
- 3
Der erste Arbeitsvertrag nach der Wiedervereinigung wurde zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der K.verlag und Druck GmbH & Co. KG, A-Stadt geschlossen.
- 4
In § 12 des Arbeitsvertrages heißt:
- 5
„§ 12 Tarifbindung
- 6
Im übrigen werden die für den Verlag einschlägigen bestehenden oder künftigen Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie in ihrer jeweils gültigen Fassung ausdrücklich zum Inhalt dieses Vertrages gemacht.“
- 7
Die damalige Arbeitgeberin war seinerzeit Mitglied im Verband der Zeitungsverlage Norddeutschland e. V.
- 8
Ausweislich des Änderungsvertrages vom 05.12.2013, in welchem eine Regelung zur Arbeitszeit aufgenommen wurde, beträgt die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 33 Stunden pro Woche und richtet sich nach den jeweils aktuellen Schichtplänen. Alle übrigen Punkte des Arbeitsvertrages blieben unberührt (Blatt 36 der Akte).
- 9
Zum 15.05.2007 wechselte die K.verlags GmbH & Co. KG in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft).
- 10
Der Kläger seinerseits trat 2009 in die Gewerkschaft ein.
- 11
Mit Wirkung zum 01.04.2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Teilbetriebsübergangs von der K.verlags GmbH & Co. KG auf die N.-Druck GmbH & Co. KG über. Die N.-Druck GmbH & Co. KG war zu keinem Zeitpunkt tarifgebunden.
- 12
Zum 01.10.2012 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut durch Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene jetzige Beklagte über.
- 13
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stünden Überstundenzuschläge in Höhe von 30 Prozent auf jede geleistete Überstunde, welche in dem Monat auszuzahlen seien, in welchem er die Überstunde geleistet habe, selbst wenn die Überstunde dem Stundenkonto gutgeschrieben werde, zu.
- 14
Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, abgeschlossen am 15. Juli 2015, mit erstmaliger Kündigungsmöglichkeit zum 31.12.2009 enthält hinsichtlich der Regelung der Arbeitszeit und Überstunden folgende Regelung:
- 15
„§ 3 Arbeitszeit
- 16
I. Dauer der Arbeitszeit
- 17
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 35 Stunden, in den neuen Bundesländern 38 Stunden. Bei ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit ist diese im Durchschnitt zu erbringen.
- 18
…
- 19
II. Verteilung der Arbeitszeit
- 20
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist für den einzelnen Arbeitnehmer auf 5 Tage in der Regel von Montag bis Freitag zu verteilen.
- 21
…
- 22
7. Arbeitszeitverteilungspläne mit ungleichmäßiger Verteilung der Tages- und/oder Wochenarbeitszeit sind aus betrieblichen Gründen zulässig. Durch Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sind Regelungen für die Planungsänderung durch kurzfristige An- und Absage von Arbeitszeit zu vereinbaren. Der Ausgleich zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit kann über Zeitkonten abgerechnet werden und ist in der Betriebsvereinbarung zu regeln. Dabei ist ein gleichbleibender Monatslohn zu zahlen, der durch Multiplikation des Stundenlohnes mit dem Faktor 152 (neue Bundesländer: 165) zu ermitteln ist. Auf den Zeitkonten können bis zu 220 Plusstunden und 70 Minusstunden angesammelt werden. Bestehende betriebliche Regelungen können fortgeführt werden.
- 23
§ 5 Überstunden
- 24
1. Überstunden sind solche Arbeitsstunden, die für den einzelnen Arbeitnehmer über die nach § 3 vereinbarte tägliche Arbeitszeit (auch bei ungleichmäßiger Verteilung) hinausgehen.
- 25
Bei Teilzeitbeschäftigten gelten diejenigen Arbeitsstunden als Überstunden, welche über die für den Betrieb oder die betreffende Abteilung geltende regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehen [§ 3 I Ziff. 1].
- 26
§ 8 Zuschläge
- 27
1. Zuschläge für den vertraglichen Stundenlohn (Berechnungsgrundlage) sind wie folgt zu bezahlen:
- 28
…
- 29
e) Für Überstunden [§ 5 Ziff. 1]:
- 30
bei Tagschicht oder Frühschicht
25 %
bei Spätschicht
45 %
bei Nachtschicht
70 %
- 31
Maßgebend für die Errechnung der Überstundenzuschläge ist die Lage der Schicht, für die der betreffende Arbeitnehmer an diesem Tag eingeteilt war. Dabei ist es unerheblich, ob diese Überstunden vor oder nach der Schicht des Tages geleistet werden.
- 32
Dabei gilt eine Schicht als
- 33
- Spätschicht, wenn sie in der zuschlagsfreien Tagesarbeitszeit [Buchstabe a) Abs. 2] beginnt und in der zuschlagspflichtigen Nachtarbeitszeit endet;
- 34
- Nachtschicht, wenn sie in der zuschlagspflichtigen Nachtarbeitszeit beginnt und endet. Dies gilt auch, wenn die Schicht innerhalb der zuschlagspflichtigen Nachtarbeitszeit beginnt und aufgrund angeordneter Überstunden innerhalb der ersten 3 Stunden in der nachfolgenden zuschlagsfreien Tagesarbeitszeit endet.
- 35
2. Treffen verschiedene Zuschläge zusammen, gilt folgende Regelung:
- 36
…
- 37
c) Zuschläge für Überstunden werden nicht neben Zuschlägen für Nachtarbeit bezahlt. Ist der Überstundenzuschlag jedoch höher als der Nachtarbeitszuschlag, so wird er neben dem Nachtarbeitszuschlag bezahlt, allerdings nur in der Höhe der Differenz beider Zuschläge.
- 38
…
- 39
d) Zuschläge für Überstunden werden nicht neben Zuschlägen für Samstags-, Sonn- oder Feiertagsarbeit bezahlt. Wird jedoch an Sonn- oder Feiertagen länger als 8 Stunden gearbeitet, ist neben dem Zuschlag für Sonn- oder Feiertagsarbeit ab der 9. Stunde der Überstundenzuschlag zu bezahlen.
- 40
§ 15 Ausschlussfristen
- 41
1. Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und den Lohntarifverträgen sind wie folgt geltend zu machen:
- 42
a) Ansprüche auf tarifliche Zuschläge und Antrittsgebühren innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen der Lohnabrechnung, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen.
- 43
…
- 44
3. Ist ein tariflicher Anspruch rechtzeitig geltend gemacht und lehnt der andere Teil seine Erfüllung ab, muss der Anspruch innerhalb von 12 Wochen seit der ausdrücklichen Ablehnung rechtshängig gemacht werden. Eine spätere Klageerhebung ist ausgeschlossen. “
- 45
Bei der Beklagten existiert eine Betriebsvereinbarung vom 26.09.2013 mit folgenden streitgegenständlichen Regelungen:
- 46
„§ 2 Regelungsgegenstände
- 47
1. Arbeitszeiten
- 48
Die betriebsübliche Arbeitszeit beträgt
- 49
- in den Bereichen Linienführer und Mitarbeiter Versand im Durchschnitt 33 h pro Woche,
- 50
…
- 51
Es sind im Mittel fünf (5) Tage pro Woche zu arbeiten. Individualvertraglich abweichende Regelungen zur Arbeitszeit werden im Arbeitszeitkonto berücksichtigt.
- 52
…
- 53
4. Schichtplan
- 54
4.1 Die Arbeitseinteilung erfolgt durch einen Schichtplan. Basis für diesen Schichtplan sind die Regelungen dieser Betriebsvereinbarung. Im Fall von vom Arbeitgeber nicht zu vertretenden Störungen oder auflagenstarken Druckaufträgen, deren Auflage dem Arbeitgeber am Vortrag nach 15.00 Uhr konkret mitgeteilt wird, sind Änderungen des Schichtplans gestattet. Diese bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates.
- 55
4.2 Der Arbeitgeber erstellt im dritten Quartal eines Jahres in Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit dem Betriebsrat einen Jahresplan über die gleichmäßige Schichteinteilung und –verteilung (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht) jedes einzelnen Mitarbeiters für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres. Für den Fall, dass es bis zum Monatsletzten des Augusts eines Jahres zu keiner Einigung zwischen den Betriebsparteien kommt, tritt bis zum 15. September des gleichen Jahres eine Einigungsstelle zusammen, welche die fehlende Einigung ggf. durch Spruch ersetzt.
- 56
…
- 57
4.6 Mehrarbeit / Arbeitszeitkonto:
- 58
Arbeitszeit-Konto
- 59
Für jeden Mitarbeiter wird ein Arbeitszeitkonto geführt, auf dem jede geleistete Arbeitszeitstunde 1:1 festgehalten wird. Die Ist-Stunden werden den Soll-Stunden aus dem Schichtplan gegenübergestellt und gesondert ausgewiesen. Gehen die geleisteten Arbeitsstunden über die im Schichtplan festgelegte Arbeitszeit hinaus, werden diese als Vorholstunden ausgewiesen (Zeitguthaben). Werden die im Schichtplan festgelegten Soll-Stunden nicht erreicht, entstehen Minus-Stunden (Zeitschulden). Am Ende des Ausgleichszeitraums dürfen nicht mehr als 60 Vorholstunden bzw. 20 Minusstunden ausgewiesen werden. Jeder Mitarbeiter erhält mit der Monatsabrechnung eine Übersicht über seinen Kontostand. Dem Betriebsrat wird auf Wunsch eine Liste über den Stand der Arbeitszeitkonten aller Mitarbeiter vorgelegt.
- 60
Ausgleich des Arbeitszeitkontos
- 61
Der Ausgleichszeitraum für Zeitguthaben und Zeitschulden beträgt zwölf Monate (1. Oktober – 30. September des Folgejahres). An dessen Ende sind etwaige bestehende Zeitguthaben auszuzahlen. Auf ausdrücklichen Wunsch eines Mitarbeiters können Vorholstunden in den nächsten Ausgleichszeitraum übertragen werden und sind spätestens nach vier Monaten auszugleichen. Zeitschulden verfallen. Die Freizeitabgeltung soll bei rechtzeitiger Ankündigung in vollen Schichten erfolgen. Auf ausdrücklichen Wunsch der Mitarbeiter ist sie auch stundenweise möglich. Bei der Freizeitabgeltung wird unter Wahrung betrieblicher Notwendigkeit den persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung getragen.
- 62
Entlohnung
- 63
Als gleichbleibender Monatsgrundlohn wird entsprechend dem jeweils geltenden Arbeitsvertrag der vertragliche Stundenlohn multipliziert mit den vertraglich festgelegten Monatsarbeitsstunden. Zuzüglich erhalten die Arbeitnehmer die Zuschläge für die im Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit.
- 64
Mehrarbeitsstunden werden am Ende des Ausgleichszeitraums auf Wunsch des Arbeitnehmers entweder ausgezahlt oder danach innerhalb von vier Monaten mit Freizeit ausgeglichen. Erfolgt der Freizeitausgleich nicht innerhalb der Vier-Monats-Frist, werden diese Stunden automatisch mit der nächsten Lohn- und Gehaltsabrechnung ausgezahlt.“
- 65
In dem streitgegenständlichen Zeitraum arbeitete der Kläger wie folgt:
- 66
Datum
Monat
Arbeitszeit
Zeit von –bis
ÜberstundenAnzahl Mehr
/ Über
StundenGrund Überstunden
/
Überstundenabnahme18.4.16
April
08.30 – 16.15
07:30 – 08:30 &
16:15 – 17:001,75
Produktionsbedingt
22.4
April
20.00 – 03.30
03:30 – 06:00
2,5
Produktionsbedingt
23.4.16
April
20:00 – 00:30
Nachtrag Sa-
Schicht aus März26.4.16
April
20.30 – 02.15
12:30 – 14:30
2
Betriebsratssitzung
27.4.16
April
20.30 – 02.15
02:15 – 04:15
2
Produktionsbedingt
29.4.16
April
20:00 – 22:00
4.5.16
Mai
12.00 – 20.00
10:30 – 12:00
1,5
Produktionsbedingt
19.5.16
Mai
10.00 – 19.00
19:30 – 21:30
2
Produktionsbedingt
24.5.16
Mai
20.30 – 02.15
13:00 – 15:00
2
Betriebsratssitzung
31.5.16
Mai
08.00 – 18.45
18:45 – 20:45
2
Produktionsbedingt
3.6.16
Juni
12:30 – 14:00
Vom AN gewünscht
6.6.16
Juni
20.30 – 04.00
11:00 – 12:30
1,5
Betriebsratssitzung
21.6.16
Juni
19.45 – 01.30
01:45 – 08:00
6,5
Havarie an der Maschine
23.6.16
Juni
20.30 – 06.00
12:00 – 14:00
2
Betriebsratssitzung
25.6.16
Juni
20:00 – 23:00
Vom AN gewünscht
Tausch Schicht mit
anderem LF28.6.16
Juni
08.00 – 18.45
18:45 – 19:45
1
Produktionsbedingt
12.7.16
Juli
freie Schicht
12:30 – 14:40
2
Betriebsratssitzung
14.7.16
Juli
18:00 – 19:00
30.7.16
Juli
06.00 – 13.00
13:00 – 14:00
1
Reparatur bei lfd
Prod. Blitz
- 67
Der Arbeitsvertrag des Klägers regelt in § 3 b), dass der Lohn spätestens bis zum 10. Kalendertag des Folgemonats für den Vormonat zu zahlen ist. Die Beklagte zahlte in den Jahren 2014 und 2015 Überstundenzuschläge, jedoch nicht in der geltend gemachten Höhe.
- 68
Der Kläger hat seine Ansprüche für den Monat April am 08.04.2016 bei der Beklagten geltend gemacht. Am 12.05.1015 wandte sich der Kläger mit Schreiben an die Beklagte (Blatt 129 der Akte) mit folgendem Wortlaut:
- 69
„Sehr geehrter Herr E.,
- 70
nach Prüfung meiner Lohnabrechnung für den Monat April 2016 musste ich leider feststellen, dass mir die tariflich zustehenden Überstundenzuschläge nicht ausgezahlt wurden.
- 71
Ich möchte Sie auffordern, mir innerhalb von 14 Tagen den ausstehenden Betrag auf mein Konto zu überweisen.“
- 72
Das Schreiben erhielt die Beklagte unter dem 13.05.2016.
- 73
Die Ansprüche für den Monat April machte der Kläger klagweise mit Klagschrift vom 03.08.2016, eingegangen bei dem Arbeitsgericht Stralsund –Kammern Neubrandenburg- am 4. August 2016, geltend.
- 74
Die Ansprüche für den Monat Mai machte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 13.07.2016 geltend, klagweise ebenso unter dem 03.08.2016.
- 75
Die Ansprüche für den Monat Juni machte der Kläger ebenso unter dem 13.07.2016 geltend .
- 76
Ausweislich Blatt 48 der Akte beantragte der Kläger unter dem 08.09.2016 die Überprüfung der Lohnabrechnung für Juli 2016 unter Hinweis darauf, dass ihm die tariflich zustehenden Überstundenzuschläge nicht ausgezahlt worden seien und benannte konkret die drei Überstunden. Das Schreiben wurde abgezeichnet durch den Geschäftsführer:
- 77
„am 05.09.16 eingegangen E.“.
- 78
Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung die Parteien zu dem Fristablauf befragt. Dazu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm die Lohnabrechnung erst am 23.08.2016 persönlich übergeben worden sei. Bei der Beklagten würden Lohnabrechnungen persönlich übergeben. Bei dem 23.08.2016 habe es sich um seinen ersten Arbeitstag nach dem Urlaub gehandelt.
- 79
Der Geschäftsführer der Beklagten hat nach Inaugenscheinnahme bestätigt, dass es sich bei dem Kürzel hinter „am 05.09.16 eingegangen“ um seine Unterschrift handelt.
- 80
Mit Klagerweiterung vom 05.10.2016, eingegangen beim Arbeitsgericht Stralsund –Kammern Neubrandenburg- am 7. Oktober 2016 machte der Kläger klagerweiternd die Ansprüche für Juli 2016 geltend.
- 81
Ausweislich der Lohnabrechnung für 9/2016 (Blatt 219 der Akte) zahlte die Beklagte für den Monat September Überstundenzuschläge auf 3,75 Überstunden in Höhe von 30 Prozent, so dass die Beklagte einen Bruttobetrag für die Überstunden von 18,70 Euro abrechnete und den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger auskehrte.
- 82
Der Kläger meint, ihm stünden die Überstundenzuschläge in jeweils 30prozentiger Höhe zu. Der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft bzw. die Betriebsübergänge würden hieran nichts ändern. Der Kläger meint, die Vereinbarung in § 12 des Arbeitsvertrages vom 10. Februar 1994 sei nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen, sondern habe konstitutiven Charakter. Ebenso sei die Betriebsvereinbarung unwirksam, sie verstoße gegen § 77 BetrVG. Zudem würde die Betriebsvereinbarung unter der Überschrift „Entlohnung“ regeln, dass der Arbeitnehmer die Zuschläge für die im Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit erhalte. Der Kläger habe nicht konkludent einer Veränderung seines Arbeitsvertrages zugestimmt. Auch könne der Einwand der Verwirkung nicht greifen, der Kläger habe seine Ansprüche regelmäßig innerhalb der Fristen des Tarifvertrages geltend gemacht.
- 83
Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:
- 84
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 127,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
- 85
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
- 86
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger pauschalisierten Schadenersatz nach
- 88
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
- 89
Die Beklagte meint, der MTV-Druck würde auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung finden. Dies folge bereits daraus, dass er normativ nicht gelten würde und auch vertraglich nicht fortgelten könne. Die N.-Druck GmbH & Co. KG sei zum Zeitpunkt des Teilbetriebsüberganges auf die N. Medienlogistik GmbH nicht tarifgebunden gewesen. Insoweit könne auf Grund des Betriebsüberganges der Tarifvertrag nicht fortgelten, da er bereits beim Veräußerer nicht gegolten habe. Vielmehr gelte die Betriebsvereinbarung, deren Entlohnungsgrundsätze die Beklagte eingehalten habe. Auch würde sich aus betrieblicher Übung kein Anspruch des Klägers ergeben. Die vertragliche Vereinbarung sei eine Gleichstellungsabrede, welche mit Wechsel in die OT-Mitgliedschaft lediglich zu einer statischen Bezugnahmeklausel führen würde. Die Betriebsvereinbarung habe das Thema Mehrarbeitsstunden abschließend geregelt und wirke für die Arbeitnehmer gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend. Der Kläger habe sich mit den Regelungen konkludent einverstanden erklärt. Das Einverständnis ergebe sich aus der widerspruchslosen Entgegennahme der Gehaltsabrechnungen und Gehälter im Zeitraum Oktober 2013 bis März 2016. Eine stillschweigende Zustimmungserklärung des Arbeitnehmers könne dann angenommen werden, wenn er nach dem Angebot einer abändernden oder gar verschlechternden Vertragsänderung durch den Arbeitgeber von der Änderung unmittelbar und sogleich betroffen werde. Des Weiteren erhebt die Beklagte die Einrede der Verwirkung und beruft sich darüber hinaus auf die Ausschlussfristen des Tarifvertrages. Die Beklagte meint weiterhin, auf Grund der Öffnungsklausel im Manteltarifvertrag habe die Betriebsvereinbarung in der vorliegenden Gestalt abgeschlossen werden können und verstoße gerade nicht gegen den Tarifvertrag. Die Beklagte meint, das Schreiben aus Mai 2016 genüge nicht für eine Geltendmachung der Überstundenzuschläge für April, insbesondere fehle es an eine Bezifferung. Des Weiteren bestünde der Anspruch des Klägers nicht in Höhe von 30 Prozent, sondern sei vielmehr gestaffelt nach Lage der Schichten zu berechnen.
- 90
Mit Urteil vom 13.06.2017 hat das Arbeitsgericht Stralsund wie folgt für Recht erkannt:
- 91
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 64,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 11.08.2016 zu zahlen.
- 92
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 13.10.2016 zu zahlen.
- 93
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger pauschalierten Schadenersatz in Höhe von 40,00 € zu zahlen.
- 94
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 95
5. Der Kläger trägt ½, die Beklagten jeweils ½ der Kosten des Rechtsstreits.
- 96
6. Der Streitwert wird auf 143,00 € festgesetzt.
- 97
7. Die Berufung wird für beide Parteien zugelassen.
- 98
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der vertraglichen Regelung um eine Gleichstellungsabrede handeln würde, weshalb der Tarifvertrag für die Parteien weitergelte. Die Ansprüche seien bis auf den Monat Mai rechtzeitig geltend gemacht worden, weshalb die Ausschlussfristen nicht greifen würden. Danach seien die Ansprüche auf Überstundenzulage für den Monat Mai 2016 untergegangen. Für die verbleibenden Monate ergäben sich folgende Ansprüche:
- 99
April
18.04
Frühschicht
25 %
6,03 €
22.04
Nachtschicht
18 %
6,88 €
26.04.
Frühschicht
25 %
8,31 €
27.04.
Nachtschicht
18 %
5,98 €
27,20 €
- 100
Für den Monat Juni 2016 seien folgende Ansprüche entstanden:
- 101
Juni
06.06.
Frühschicht
25 %
5,60 €
21.06.
Nachtschicht
18 %
18,85 €
23.06.
Frühschicht
25 %
8,31 €
28.06.
Spätschicht
30 %
4,99 €
37,55 €
- 102
Für den Juli ergäben sich Ansprüche auf Zuschläge in der Frühschicht in Höhe von 25 %, insgesamt 12,47 €. Des Weiteren hat es ausgeführt, dass die Betriebsvereinbarung die Fälligkeit nicht abweichend regeln würde. Die Arbeitnehmer würden ausweislich der Betriebsvereinbarung die Zuschläge für die im Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit erhalten, so dass der Anspruch auf Auszahlung der Überstundenzuschläge im jeweiligen Abrechnungsmonat fällig sei.
- 103
Das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19. Juni 2017 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2017 – eingegangen unter demselben Datum bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – legte die Beklagtenseite Berufung gegen das Urteil ein. Mit Berufungsbegründungsschriftsatz vom 17. August 2017, eingegangen unter demselben Datum, wurde die Berufung begründet.
- 104
Die Beklagte führt unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens zur Begründung aus, dass auf Grund der Betriebsvereinbarung keinerlei Überstundenansprüche bestehen würden. Der Tarifvertrag Druck würde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht kraft individualvertraglicher Vereinbarung Anwendung finden. Zutreffend sei das Arbeitsgericht Stralsund von einer Gleichstellungsabrede ausgegangen. Das Arbeitsgericht habe jedoch den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft verkannt. Auch habe das Arbeitsgericht den Einwand der Verwirkung verkannt. Zudem sei der Fälligkeitszeitraum der Überstundenzuschläge verkannt worden, indem § 4 Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung missachtet worden sei, wonach der Ausgleichszeitraum für Zeitguthaben und Zeitschulden zwölf Monate betrage. Auch die Berechnung der Ausschlussfristen sei fehlerhaft erfolgt. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht verkannt, dass für den gesamten Ausgleichszeitraum bereits Überstundenzuschläge in Höhe von 18,70 Euro bezahlt worden seien.
- 105
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 13. Juni 2017 zum Aktenzeichen 11 Ca 444/16 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
- 106
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
- 107
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Hinsichtlich des Erfüllungseinwandes in Höhe von 18,70 Euro führt er aus, dass nicht zwingend ein Zusammenhang mit dem hier streitgegenständlichen Forderungen gegeben sei. Es sei nicht ersichtlich, für welchen Monat konkret die Überstundenzuschläge angefallen seien.
Entscheidungsgründe
I.
- 108
Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet.
II.
- 109
Der Kläger hat einen Anspruch in Höhe von 8,50 Euro brutto für den Monat April 2016 sowie für den Monat Juni 2016 in Höhe von 37,55 Euro brutto und für den Monat Juli 2016 in Höhe von 12.47 Euro brutto aus Überstundenzuschlägen.
- 110
Des Weiteren hat der Kläger Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 40,00 Euro sowie auf Verzinsung der Ansprüche.
- 111
Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht.
- 112
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschläge in der tenorierten Höhe gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag sowie den durch diesen in Bezug genommenen Manteltarifvertrag der Druckindustrie Stand 2005.
- 113
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen, welche je nach Lage der Schichten differieren. Die Ansprüche des Klägers ergeben sich aus § 8 Ziffer 1 e) des Manteltarifvertrages in Verbindung mit § 5 Ziffer 1 des Tarifvertrages.
1.
- 114
Der Manteltarifvertrag der Druckindustrie Stand 2005 findet statisch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
- 115
In § 12 des Arbeitsvertrages haben die Parteien die Geltung der für den Verlag einschlägigen bestehenden oder künftigen Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie in der jeweils gültigen Fassung ausdrücklich zum Inhalt dieses Vertrages gemacht.
a)
- 116
Bei der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bzgl. der Geltung der Tarifverträge der Druckindustrie handelt es sich um eine sogenannte Gleichstellungsabrede, da der damalige Arbeitgeber tarifgebunden war. Die Auslegung einer ohne nähere Ausgestaltung vereinbarten Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede kommt in Betracht, wenn allein eine möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge deren - dynamische - Geltung im Arbeitsverhältnis verhindern könnte und das den Vertragsparteien unterstellte Ziel ist, eine einer solchen Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers entsprechende einzelvertragliche Rechtslage herbeizuführen. Das bedeutete für die vereinbarte Dynamik der Tarifgeltung, dass diese unter der auflösenden Bedingung der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers stand, weil dieser bei Wegfall seiner Tarifgebundenheit tarifrechtlich gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht mehr zur Anwendung neu abgeschlossener Tarifverträge verpflichtet war. (BAG Urteil vom 21.10.2009 – Aktenzeichen 4 AZR 396/08 – Rz. 21). Dabei ist eine Gleichstellungsabrede eine typisierte vertragliche Abrede, in welcher die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis sich nach einem im Arbeitsvertrag bezeichneten Tarifvertrag richten soll, so lange der Arbeitgeber selbst normativ an diesen Tarifvertrag gebunden ist, unabhängig davon, ob auch der Arbeitnehmer selbst normativ an diesen Tarifvertrag gebunden ist. Voraussetzung für die Auslegung einer dynamischen Verweisungsklausel auf einen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede ist demnach, dass diese einschlägig war und nur allein deshalb möglicherweise nicht galt, weil der Arbeitnehmer, und nur dieser, nicht tarifgebunden war (vgl. BAG a. a. O., Rz. 22 ff.).
- 117
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages war der damalige Arbeitgeber des Klägers tarifgebunden, der Kläger hingegen nicht.
- 118
Insoweit ist die Formulierung in § 12 des Arbeitsvertrages als sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu werten.
b)
- 119
Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Wechsel der Arbeitgeberseite in die OT-Mitgliedschaft 2007 hingegen nicht dazu, dass die Anwendbarkeit des Tarifvertrages entfallen ist. Vielmehr führt eine Gleichstellungsabrede bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die In Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Austritts anzuwenden sind (vgl. BAG Urteil vom 18.11.2009 – Aktenzeichen 4 AZR 518/08 – NZA 2010, Seite 170, 172).
- 120
Aus Gründen des Vertrauensschutzes wird diese Auslegungsregel weiterhin auf Bezugnahmeklauseln angewendet, die vor dem 01.01.2002 vereinbart worden sind (vgl. nur BAG Urteil vom 14.12.2005 – Aktenzeichen 4 AZR 536/04 – sowie BAG Urteil vom 18.04.2007 – Aktenzeichen 4 AZR 652/05 -).
c)
- 121
Entgegen der Auffassung der Beklagten ändert auch der Betriebsübergang auf die Beklagte an der statischen Fortgeltung des Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nichts.
- 122
Der sich von Gesetzes wegen nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vollziehende Eintritt des Erwerbers eines Betriebes oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses bezieht sich auf alle arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten. Er umfasst mithin auch Verweisungsklauseln auf einen Tarifvertrag. Nach Satz 1 der Vorschrift tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers und nimmt dessen Rechtsstellung unverändert ein (BAG Urteil vom 21.10.2009 – Aktenzeichen 4 AZR 396/08 – Rz. 16).
- 123
Da der Erwerber in alle arbeitsvertraglichen Ansprüche gegenüber dem übernommenen Arbeitnehmer eintritt (vgl. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 18. Auflage, § 613 a BGB, Rn. 79), trat somit die Beklagte auch in die Ansprüche des Klägers gegenüber dem ursprünglichen Arbeitgeber aus der statischen Fortgeltung des Tarifvertrages ein.
2.
- 124
Die Berechnung und Feststellung der Überstunden erfolgt nach folgenden Grundsätzen:
- 125
Gemäß § 5 des Manteltarifvertrages sind Überstunden solche Arbeitsstunden, die für den einzelnen Arbeitnehmer über die nach § 3 vereinbarte tägliche Arbeitszeit hinausgehen. Bei Teilzeitbeschäftigten gelten diejenigen Arbeitsstunden als Überstunden, welche über die für den Betrieb oder die betreffende Abteilung geltende regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehen (§ 3 I Ziffer 1).
- 126
Auf den Kläger finden die Vorschriften über die Teilzeit Anwendung. Gemäß § 3 des Manteltarifvertrages beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in den neuen Bundesländern 38 Stunden. Ausweislich des Arbeitsvertrages des Klägers arbeitet der Kläger lediglich 33 Stunden wöchentlich. Danach ist er Teilzeitarbeitnehmer im Sinne des Tarifvertrages. Dementsprechend ist für den Kläger auf die für den Betrieb oder die betreffende Abteilung geltende regelmäßige tägliche Arbeitszeit abzustellen.
- 127
Bei der Beklagten schwanken die täglichen Arbeitszeiten zwischen drei Stunden und zehn Stunden. Die Schichteinteilung erfolgt jedoch auf Grund mitbestimmter Schichtplanung, welche ein Jahr im Voraus auf Grund der Betriebsvereinbarung erfolgt. Auf Grund der in der Betriebsvereinbarung eröffneten Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeitgestaltung unter Verwendung des Arbeitszeitkontos variiert die Schichteinteilung und ermöglicht lediglich im Durchschnitt eine wöchentliche Arbeitszeit von 33 Stunden. Da es an einer betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit fehlt, hingegen jedoch für jeden einzelnen Arbeitnehmer eine ein Jahr gültige Schichtplanung durch die Beklagte in Abstimmung mit dem Betriebsrat vorgenommen wird, ist in diesem konkreten Fall als betrieblich übliche tägliche Arbeitszeit die für den jeweiligen Tag vorgenommene Schichtplanung als übliche Arbeitszeit zu Grunde zu legen und sämtliche Stunden, die vor ursprünglichem Schichtbeginn bzw. nach Schichtende erbracht werden als Überstunden im Sinne des Tarifvertrages anzusehen. Sämtliche von dem Kläger geltend gemachte Stunden sind jeweils vor oder nach ursprünglicher Schichteinplanung erbracht worden. Diese waren auch betriebsnotwendig.
- 128
Gemäß § 8 ist maßgeblich für die Berechnung der Überstundenzuschläge die Lage der Schicht, für die der betreffende Arbeitnehmer an diesem Tag eingeteilt war. Dabei ist es unerheblich, ob diese Überstunden vor oder nach der Schicht des Tages geleistet werden. Auf die geleisteten Stunden, welche sich an die Frühschicht anschlossen ist daher ein Zuschlag von 25 Prozent zu zahlen und für die Stunden der Nachtschicht in Höhe von 18 Prozent, da die Zuschläge für Überstunden nicht neben der Nachtarbeit bezahlt werden und bei einem höheren Überstundenzuschlag lediglich die Differenz zum Nachtarbeitszuschlag gezahlt wird. Da ausweislich § 8 1. a) für die Stunden von 24:00 Uhr bis zum Ende der Nachtarbeitszeit je Stunde 52 Prozent gezahlt werden, beträgt die Differenz für den Überstundenzuschlag bei Nachtarbeit lediglich 18 Prozent.
3.
- 129
Die Betriebsvereinbarung über die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos lässt die Ansprüche auf Mehrarbeitszuschläge nicht entfallen.
a)
- 130
Bei den Ansprüchen des Klägers handelt es sich um tarifvertragliche Ansprüche. Gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Definition von Mehrarbeit und Überstunden sowie deren Zulagen werden üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt. Insoweit kann eine Betriebsvereinbarung nicht deren Entfallen regeln. Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht aus § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, wonach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht gilt, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarung ausdrücklich zulässt. Eine solche Öffnung ist in dem Tarifvertrag nicht enthalten. Zwar regelt § 3 II. „Verteilung der Arbeitszeit“ unter Ziffer 7, dass Arbeitszeitverteilungspläne mit unregelmäßiger Verteilung der Tages- und/oder Wochenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen zulässig sind und durch Betriebsvereinbarungen Regelungen für die Planungsänderung durch kurzfristige An- und Absage von Arbeitszeit vereinbart werden können. Hierin ist jedoch gerade keine Öffnung im Hinblick auf zuschlagspflichtige Überstunden zu sehen. Des Weiteren enthält die Betriebsvereinbarung selbst die Regelung, dass die Arbeitnehmer die Zuschläge für die im Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit erhalten (§ 4.6 Mehrarbeit / Arbeitszeitkonto, Unterpunkt Entlohnung, erster Absatz). Insoweit beinhaltet die Betriebsvereinbarung selbst eine Regelung zu Zuschlägen, welche nicht dazu führt, dass solche entfallen. Im Übrigen wäre eine solche Regelung im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG zudem unwirksam.
b)
- 131
Dass die von dem Kläger über die ursprüngliche Schichteinteilung hinaus geleisteten Stunden dem Arbeitszeitkonto gut geschrieben werden, führt zudem nicht zum Entfall der Zuschlagspflichtigkeit dieser Stunden. Auch bei Einführung einer flexiblen Arbeitszeit kann tarifliche Mehrarbeit entstehen. Diese entsteht auch dann, wenn die im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit für den jeweiligen Arbeitstag per Betriebsvereinbarung festgelegte Arbeitszeit auf Grund einer Anordnung überschritten wird. Die dabei entstehende Mehrarbeit ist eine eigene arbeitszeitrechtliche Kategorie und fließt auch nicht in den Stundensaldo der flexiblen Arbeitszeit ein. Auf sie sind im Unterschied zu einem Plusstundensaldo grundsätzlich Mehrarbeitszuschläge zu leisten, auch dann, wenn die Mehrarbeitsstunden durch eine entsprechende bezahlte Zeitfreistellung ausgeglichen werden (vgl. BAG Urteil vom 25.10.2000 – Aktenzeichen 4 AZR 596/99 -).
- 132
Die Einstellung einer Mehrarbeitsstunde in ein Arbeitszeitkonto begründet gegebenenfalls einen Anspruch des Arbeitnehmers auf entsprechende Freistellung bzw. Bezahlung dieser Arbeitsstunde als reine Arbeitsstunde. Die bloße Einstellung in ein Arbeitszeitkonto führt jedoch nicht dazu, dass zugleich der Mehrarbeitszuschlag abgegolten würde. Vielmehr ist dieser bei Anfall von Mehrarbeit trotz Einstellung der reinen Zeitstunde in das Arbeitszeitkonto zusätzlich zu zahlen.
4.
- 133
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch keine stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrages vor. Soweit die Beklagte hierfür die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts – Urteil vom 1. August 2001, Aktenzeichen 4 AZR 129/00, Rz. 44 – zitiert, ist die nicht einschlägig. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass die widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers gemäß §§ 133, 157 BGB dann als Annahme der Vertragsänderung angesehen werden könne, wenn diese sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirke; nicht hingegen, so lange deren Folgen nicht hervorträten, da nur bei einer unmittelbar eintretenden Änderung im Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer Veranlassung habe dieser sofort zu widersprechen. Der Arbeitnehmer könne und müsse in einem solchen Fall erkennen, dass seine widerspruchslose Weiterarbeit als Einverständnis mit der angebotenen Vertragsänderung verstanden werde. In dem dort zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt wurde ein neuer Manteltarifvertrag abgeschlossen, auf dessen Regelung und Geltung der Kläger mit einem expliziten Schreiben hingewiesen wurde. Auf diese Schreiben hin reagierte der dortige Kläger nicht und arbeitete widerspruchslos weiter. Das Bundesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, dass die Parteien einvernehmlich die Regelungen des Arbeitsverhältnisses neu getroffen hätten, indem der Kläger widerspruchslos weitergearbeitet habe und das Schreiben des Arbeitgebers als Änderungsangebot gewertet.
- 134
Vorliegend hat jedoch die Beklagte dem Kläger gerade kein Änderungsangebot im Sinne der §§ 133, 157 BGB unterbreitet. Vielmehr hat die Beklagtenseite mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung eines Arbeitszeitkontos geschlossen. Gegen die Anwendung des Arbeitszeitkontos hat sich der Kläger nie gewehrt und sich diesen Regelungen unterworfen. Jedoch ist in dem Abschluss der Betriebsvereinbarung wie bereits ausgeführt gerade nicht zu erkennen, dass daraufhin tarifliche Regelungen zu Mehrarbeitszuschlägen entfallen sollen. Insoweit fehlt es bereits an einem einschlägigen Änderungsangebot, welches der Kläger hätte stillschweigend annehmen können.
5.
- 135
Unter Anwendung des Tarifvertrages ergeben sich für den Kläger folgende Ansprüche für den Monat April: Der Kläger hat für den Monat April 3,75 Überstunden im Sinne des Tarifvertrages in der Frühschicht und 4,5 Überstunden in der Nachtschicht geleistet. Die Ansprüche auf Mehrarbeitszuschlag für den Monat April sind auch nicht gemäß § 15 Ziffer 1 des Manteltarifvertrages verfallen. Hiernach müssen Ansprüche auf tarifliche Zuschläge innerhalb von zwei Wochen nach vorliegender Lohnabrechnung geltend gemacht werden. Die Ansprüche für den Monat April lagen dem Kläger mit Lohnabrechnung vom 10. Mai 2016 vor. Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 hat der Kläger diese Ansprüche geltend gemacht. Dieses Schreiben ist der Beklagten unter dem 13.05.2016 ausweislich der Abzeichnung durch den Geschäftsführer zugegangen. Das Schreiben vom 12.05.2016, mit welchem der Kläger erklärt, dass ihm die tariflich zustehenden Überstundenzuschläge nicht ausgezahlt wurden, genügt einer Geltendmachung. Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer Ausschlussfrist verlangt, dass die in Anspruch genommene Vertragspartei erkennen kann, welcher konkrete Anspruch ihr gegenüber erhoben wird. Dieser ist dem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen. Eine Bezifferung der Forderung ist entbehrlich, wenn sie dem Schuldner der Höhe nach bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (BAG Urteil vom 25.04.2018 – Aktenzeichen 5 AZR 245/17 -).
- 136
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze konnte der Kläger davon ausgehen, dass der Beklagten die tariflichen Regelungen zu Überstunden bekannt sind. Da die Höhe der Überstunden zwischen den Parteien nie im Streit war, bedurfter es auch keiner Angabe der geleisteten Überstunden. Insoweit war weder eine Bezifferung der Überstunden als solche noch der sich aus dem Tarifvertrag ergebenden Überstundenzuschläge notwendig.
- 137
Der Kläger hat die Ansprüche aus dem Monat April mit Klagschrift vom 03.08.2016 - eingegangen am 04.08.2016 – geltend gemacht. Insoweit hat er auch § 15 Ziffer 3 gewahrt, wonach ein tariflicher Anspruch, den der andere Teil abgelehnt hat, innerhalb von zwölf Wochen seit der ausdrücklichen Ablehnung rechtshängig gemacht werden muss, gewahrt. Vorliegend kann dahinstehen, ob die Frist überhaupt zu laufen begonnen hat, da die Beklagtenseite diese Ansprüche nicht explizit abgelehnt hat. Jedenfalls hat der Kläger die Zwölf-Wochen-Frist gewahrt.
- 138
Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche waren jedoch um 18,70 Euro für den Monat April zu reduzieren. Die Beklagtenseite hat insoweit die Ansprüche erfüllt.
- 139
Gemäß § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Die Beklagtenseite hat mit der Saldierung des Arbeitszeitkontos im September 2016 Überstundenzuschläge in Höhe von 18,70 Euro gezahlt. Die Beklagtenseite ist insofern unzutreffend davon ausgegangen, dass Überstundenzuschläge lediglich auf ein Plusguthaben des Arbeitszeitkontos zu zahlen sind. Sofern der Kläger meint, eine Anrechnung auf konkrete Monatsüberstundenzuschläge könne nicht erfolgen, da nicht erkennbar sei, auf welche Monate gezahlt werden könne, kann dem insoweit nicht gefolgt werden.
- 140
Gemäß § 366 Abs. 1 BGB wird diejenige Schuld getilgt, wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zur gleichartigen Leistung verpflichtet ist und das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, welche er bei der Leistung bestimmt.
- 141
Gemäß § 366 Abs. 2 BGB wird, sofern der Schuldner keine Bestimmung trifft, die zunächst fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleichsicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleichlästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.
- 142
Vorliegend macht der Kläger Ansprüche für April, Mai und Juni geltend. Insoweit handelt es sich bei den Ansprüchen aus April um die älteste Schuld. Eine Tilgungsbestimmung liegt seitens der Beklagten insoweit nicht vor, als sie sämtliche Mehrarbeitsstunden als abgegolten betrachtet. Dies hat selbst der Kläger vorgetragen, indem er meint, dass nicht zu erkennen ist, auf welche der möglichen Schulden die Beklagte zahlen wollte. Insoweit liegt gerade keine Tilgungsbestimmung vor und § 366 Abs. 2 BGB kommt mit der Folge zur Anwendung, dass die älteste Schuld getilgt wird.
7.
- 143
Für den Monat Juni hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von 37,55 Euro Überstundenzuschläge. Der Kläger hat 3,5 Überstunden in Frühschicht geleistet und 6,5 Stunden in Nachtschicht, welche wiederum mit 18 Prozent Überstundenzuschlag zu vergüten waren sowie am 28.06. eine Stunde in der Spätschicht, welche mit 30 Prozent berücksichtigt werden musste. Diese Überstunden hat er mit Schreiben vom 13.07.2016 geltend gemacht. Die Lohnabrechnung für Juni 2016 lag dem Kläger am 10.07.2016 vor. Insoweit hat er die Zwei-Wochen-Frist des § 15 Manteltarifvertrages gewahrt. Darüber hinaus hat der Kläger Anspruch auf Zahlung für Zuschläge in der Frühschicht in Höhe von 12,47 Euro (25 Prozent) für drei Arbeitsstunden, welche am 12.07. sowie am 30.07. angefallen sind. Der Kläger hat auch hier die Ausschlussfrist des § 15 Manteltarifvertrages gewahrt.
- 144
Für den Monat Juli hat der Kläger Anspruch auf Bezahlung von zwei Überstunden in der Frühschicht in Höhe von 25% in Höhe von 12,47 €. Dem Kläger wurde die Lohnabrechnung für den Monat Juli auf Grund Urlaubs am 23.08.2016 übergeben. Damit lief die Frist von zwei Wochen am 06.09.2016 ab. Der Kläger hat die Ansprüche bereits am 05.09.2016 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
8.
- 145
Die Ansprüche des Klägers sind nicht auf Grund Verwirkung untergegangen. Nach § 242 BGB verstößt die Geltendmachung eines Rechts im Rahmen einer Gesamtschau dann gegen Treu und Glauben, wenn der Gläubiger längere Zeit zugewartet hat, obwohl er in der Lage war, das Recht geltend zu machen, der Schuldner nach dem Verhalten des Gläubigers davon ausgehen konnte, Ansprüche würden nicht mehr gestellt werden, er sich darauf eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, und daraufhin eigene Disposition getroffen hat bzw. es ihm auf Grund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, sich auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche einzulassen. Zwischen den ein Vertrauen begründenden Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf um so kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umständen sind, und das umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger der abgelaufene Zeitraum ist. Allerdings gilt die Einschränkung, dass wer keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemeine, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen kann. Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber der Grundsatz von Treu und Glauben (Landesarbeitsgericht Hamm, 20.05.2015 – Aktenzeichen 17 Sa 1746/14).
- 146
Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 1, Abs. 4 BGB begründet.
III.
- 147
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
- 148
Gründe, die Revision zuzulassen sind, nicht gegeben.
- 149
Die Entscheidung erfolgt unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Sept. 2018 - 5 Sa 122/17
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Sept. 2018 - 5 Sa 122/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
- 1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb; - 2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; - 3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit; - 4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte; - 5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird; - 6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen; - 7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften; - 8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist; - 9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen; - 10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung; - 11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren; - 12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen; - 13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt; - 14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2017 - 14 Sa 877/16 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2016 - 4 Ca 161/16 - hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 69,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2016 abgeändert und die Klage abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
-
2. Im Übrigen wird auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2017 - 14 Sa 877/16 - aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2016 - 4 Ca 161/16 - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Urteils des Arbeitsgerichts zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:
-
Es wird festgestellt, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderliche Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über Vergütung für Umkleidezeiten.
- 2
-
Die Klägerin ist seit 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt als Mitarbeiterin in der stationären Dienstleistung im Betrieb in D beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das bundesweit im Bereich Geld- und Werttransporte sowie Geldbearbeitung tätig ist. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Klägerin vom 18. April 1994 bestimmt ua.:
-
„§ 1
Beginn des Arbeitsverhältnisses
(1)
…
(2)
Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
…
§ 4
Entgelt
Es werden … die … vereinbarten Arbeitsstunden vergütet.
Der Brutto-Stundenlohn beträgt …“
- 3
-
Der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 (iF MRTV) enthält ua. folgende Regelungen:
-
„§ 4
Allgemeine Bestimmungen
1.
Der Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel. …
…
§ 6
Arbeitszeit
1.1.
Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. …
…
§ 10
Ausrüstung und Bekleidung
1.
Die für den Dienst erforderliche Ausrüstung und die erforderliche Dienstkleidung sind dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in ordnungsgemäßem Zustand unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, diese Sachen im Dienst zu gebrauchen. Zum Gebrauch außer Dienst ist er ohne ausdrückliche Genehmigung der Betriebsleitung nicht befugt.
…
§ 12
Ausschlussfristen
1.
Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen beiderseits drei Monate nach Fälligkeit, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer jedoch nicht später als einen Monat nach Fälligkeit der Ansprüche für den Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, sofern sie nicht vorher unter Angabe der Gründe schriftlich geltend gemacht worden sind.
2.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird.
…“
- 4
-
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 hat die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 11. November 2013 eine Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF RVB) vereinbart, die ua. bestimmt:
-
„§ 2
Besitzstandsfortschreibung und Arbeitsortprinzip
…
1.
Die Tarifparteien vereinbaren für die Laufzeit dieser Tarifvereinbarung, dass zunächst alle bis 31. Dezember 2013 für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen gültigen oder nachwirkenden regionalen Tarifverträge und der Mantelrahmentarifvertrag vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen ab 1. Januar 2014 weitergelten, sofern nachfolgend nichts anderes vereinbart ist.
…
3.
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung für die mobile Dienstleistung im Tarifsinne für inländische Unternehmen der Ort ist, an dem die Arbeit aufgenommen und beendet wird.
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird.
…
§ 12
Ausschlussfristen
…
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.
Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche schriftlich ab, sind die Ansprüche innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen.
§ 13
Sonderregelung Berlin und Brandenburg
…
Für die Bundesländer Berlin und Brandenburg werden die Tarifvertragsparteien manteltarifliche Regelungen vereinbaren.
…“
- 5
-
Die manteltariflichen Sonderregelungen Berlin und Brandenburg gem. § 13 RVB vom 11. November 2013 für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF Sonderregelungen Berlin-Brandenburg) enthalten folgende Bestimmung:
-
„6. Dienstbeginn und -ende
Der vergütungspflichtige Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel (Ausrüstungsgegenstände) und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel.“
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Die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. hat mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 11. November 2013 auch einen Bundeslohntarifvertrag für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF BLTV 2013) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 und mit Wirkung ab 1. Januar 2017 den Bundeslohntarifvertrag vom 1. Februar 2017 (iF BLTV 2017) vereinbart. In § 2 BLTV 2013 und BLTV 2017 werden die Stundenlöhne für mobile und stationäre Dienstleistung in Abhängigkeit vom jeweiligen Bundesland und bestimmten Stichtagen festgesetzt. In BLTV 2013 und BLTV 2017 wird gleichlautend ua. bestimmt:
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„§ 5
Arbeitsortprinzip
1.
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung für die mobile Dienstleistung im Tarifsinne für inländische Unternehmen der Ort ist, an dem die Arbeit aufgenommen und beendet wird.
2.
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird.“
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Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgebervereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste. Die Beklagte vergütet die Arbeit in der stationären Dienstleistung vom Beginn der dienstplanmäßigen Tätigkeit bis zur Betätigung der Stempeluhr nach Arbeitsende mit 15,29 Euro brutto/Stunde. Neben der Stempeluhr am Haupteingang befinden sich weitere Stempeluhren vor den Abteilungen. Die Arbeitnehmer sind angewiesen, unmittelbar nach Tätigkeitsende die Stempeluhr vor der jeweiligen Abteilung zu bedienen.
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Die Klägerin ist im Geldbearbeitungszentrum in der obersten Etage tätig. Wenn sie sich im Betrieb umzieht, sucht sie die Umkleideräume im Untergeschoss auf und legt dort ihre Dienstkleidung an. Diese besteht aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt, auf dem sich auf Vorder- und Rückseite in gelber Schrift das Firmenlogo befindet. Danach betätigt die Klägerin die Stempeluhr vor ihrer Abteilung, verrichtet ihre Tätigkeit, betätigt unmittelbar nach deren Beendigung erneut die Stempeluhr vor der Abteilung und begibt sich wieder in die Umkleideräume. Manche Arbeitnehmer erscheinen bereits in Dienstkleidung zur Arbeit und legen damit auch den Weg nach Hause zurück.
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Mit Schreiben vom 2. November 2015 hat die Klägerin Vergütung für Umkleidezeiten vom 7. September bis 23. Oktober 2015 verlangt. Mit ihrer der Beklagten am 14. Januar 2016 zugestellten Klage hat sie die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb und die Zahlung der sich ergebenden Bruttovergütung für die Zeit von 7. September bis 30. November 2015 gefordert.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Umkleidezeiten seien Teil der von der Beklagten zu vergütenden Arbeitszeit. Die Vergütungspflicht sei nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen. Sie hat behauptet, sie kleide sich jeweils vor ihrer Tätigkeit im Betrieb um. Bei einem tariflichen Stundenlohn von 15,29 Euro brutto im Jahr 2015 schulde die Beklagte Vergütung für Umkleidezeiten von 275 Minuten, insgesamt 69,00 Euro brutto.
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Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt
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1.
festzustellen, dass die Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist,
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 69,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung sei nicht besonders auffällig, weshalb die Umkleidezeit keine zu vergütende Arbeitszeit sei. Jedenfalls seien die von der Klägerin erfassten Umkleidezeiten überhöht.
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Das Arbeitsgericht hat - soweit in der Revision von Bedeutung - der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungs- und Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), denn die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für Umkleidezeiten im Betrieb der Beklagten. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das kann der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten der Klägerin fehlt.
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I. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist - in der gebotenen Auslegung - als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.
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1. Der Feststellungsantrag ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung. Er ist dahin zu verstehen, dass mit ihm die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb der Beklagten unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt werden soll.
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a) Für die Auslegung von Klageanträgen gelten die für Willenserklärungen maßgeblichen Auslegungsregeln, §§ 133, 157 BGB. Die Gerichte sind gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (BAG 23. März 2016 - 5 AZR 758/13 - Rn. 26, BAGE 154, 337). Danach war der Feststellungantrag bereits mit Klageerhebung nur auf Umkleidezeiten im Betrieb sowie auf Zeiten des An- und Ablegens des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Poloshirts nebst Sicherheitsschuhen gerichtet. Darüber hinaus ergibt die Auslegung des Antrags unter Berücksichtigung des Inhalts der Klageschrift, dass lediglich die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderlichen Umkleidezeiten vom Feststellungsantrag erfasst sein sollen. In dieser Auslegung ist er zulässig und hinreichend bestimmt.
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b) Der so verstandene Antrag ist in Form der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
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Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann die Klägerin zugleich mit der Hauptklage - hier der Zahlungsklage auf Vergütung für Umkleidezeiten - auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen, weil hierdurch Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten hergestellt wird. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 25, BAGE 138, 287). Diese Vorgreiflichkeit ist hier gegeben. Die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist eine Vorfrage, die jedenfalls bei der Entscheidung über den Leistungsantrag beantwortet werden muss. Zugleich reicht sie über das dort erfasste Rechtsschutzziel der Klägerin hinaus. Denn der in der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch ist auf die Zeit vom 7. September bis zum 30. November 2015 begrenzt.
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2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten folgt aus § 611 Abs. 1 BGB. Sie ist nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen.
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a) Bei den von der Klägerin benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB.
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aa) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Zu den „versprochenen Diensten“ iSd. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient(BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 12 mwN).
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bb) Um vergütungspflichtige Arbeit handelt es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. An der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 13 mwN).
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Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Gleiches gilt, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 13 mwN).
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cc) Danach ist die für das An- und Ablegen der Dienstkleidung, bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen, im Betrieb benötigte Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen.
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(1) Die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sind unstreitig zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet.
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(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin durch den Schriftzug auf dem Poloshirt in der Öffentlichkeit als Mitarbeiterin der Beklagten eindeutig zu erkennen. Die hierauf gestützte Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu tragenden Poloshirt handele es sich um besonders auffällige Dienstkleidung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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(3) Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt auch beim Tragen der Sicherheitsschuhe vor. Das Landesarbeitsgericht hat zwar dahinstehen lassen, ob diese eine besonders auffällige Dienstkleidung darstellen. Doch kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn die Klägerin erfüllt mit dem Tragen von Sicherheitsschuhen kein eigenes Bedürfnis, sondern kommt damit dem Erfordernis zur Nutzung einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schutzkleidung während ihrer Tätigkeit nach.
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b) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich - soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht - nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - Rn. 28, BAGE 157, 116).
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c) Die Vergütung der Umkleidezeiten ist nicht durch arbeitsvertragliche Vereinbarung und entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen.
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aa) Mit der Einordnung der Umkleidezeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden (vgl. BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 226/16 - Rn. 23 mwN).
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(1) Der Arbeitsvertrag selbst schließt die Vergütung der Umkleidezeiten nicht aus. § 4 Arbeitsvertrag regelt lediglich die Höhe der Vergütung pro Arbeitsstunde.
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(2) Aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifregelungen ergibt sich ebenfalls kein Ausschluss der Vergütung. Das Landesarbeitsgericht hat ohne jede Begründung angenommen, die Regelungen des BLTV (2013/2017) fänden auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Gemäß § 5 BLTV sei eine Vergütung für Umkleidezeiten nicht vorgesehen. Mit dieser Vorgehensweise hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass nach seinen Feststellungen eine Tarifbindung der Parteien nicht bestand und die Bezugnahmeklausel des § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag den zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. und ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag nicht einbezieht. Danach finden die zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Hierzu zählen zwar auch die von ver.di als Rechtsnachfolger der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge (BAG 7. Dezember 2016 - 4 AZR 414/14 - Rn. 27) und damit der MRTV, nicht jedoch der BLTV, der auf Arbeitgeberseite von der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste abgeschlossen wurde.
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(3) Auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellten beiderseitigen Tarifbindung im Streitzeitraum verbleibt es bei dem gefundenen Ergebnis. Denn die dann anwendbare RVB regelt nicht - insbesondere nicht in § 2 Nr. 3 - Beginn und Ende der vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dort ist nur bestimmt, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird. Eine Regelung zu Beginn und Ende der tariflichen Arbeitszeit oder eine Zuordnung, welche Tätigkeiten zur Arbeitszeit zählen, enthält diese Tarifnorm nicht. Gleiches gilt für § 5 BLTV 2013 und BLTV 2017. Das darin geregelte Arbeitsortprinzip dient nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang der Zuordnung der Sicherheitsmitarbeiter zu den in § 2 BLTV aufgeführten und je nach Bundesland unterschiedlich festgelegten Stundenlohnsätzen.
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(4) Die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist auch nicht nach § 4 Nr. 1 MRTV iVm. § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Diese Norm regelt Beginn und Ende des Dienstes. Dieser beginnt „mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel“ und endet „mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel“. Was „Aufnahme der Tätigkeit“ bedeutet, bestimmt der Tarifvertrag nicht näher. Denkbar ist zwar, dass damit auf die konkrete Arbeitsleistung in den jeweiligen, vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfassten Arbeitsbereichen, im Fall der Klägerin die Geldbearbeitung, abgestellt wird. Dann würde das An- und Ablegen der Dienstkleidung noch nicht zum „Dienst“ und damit nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören. Doch erlaubt der Tarifwortlaut gleichermaßen die Auslegung, als Beginn der Tätigkeit „gemäß Dienstanweisung“ bereits das Umkleiden einzubeziehen, denn zum Tragen der Dienstkleidung ist die Klägerin durch eine Anweisung der Beklagten verpflichtet. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist zur Beantwortung der Frage eines möglichen Ausschlusses der Vergütungspflicht von Umkleidezeiten nicht ergiebig. Ein klarer übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Wollen die Tarifvertragsparteien die grundsätzliche bestehende Vergütungspflicht des Arbeitgebers ausschließen, bedarf dies jedoch einer klaren Regelung (zur tariflichen Festlegung einer abweichenden Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 53/09 - Rn. 12, BAGE 133, 101). Daran fehlt es in § 4 Nr. 1 MRTV.
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(5) § 10 Nr. 1 MRTV schließt ebenfalls die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten nicht aus. Die Bestimmung regelt die Pflicht des Arbeitsgebers zur unentgeltlichen Bereitstellung der Dienstkleidung und die Tragepflicht des Arbeitnehmers. Die Vergütung der Umkleidezeiten ist darin indes nicht angesprochen.
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(6) Entgegen der Auffassung der Revision kann Nr. 6 der Sonderregelungen Berlin-Brandenburg zur Auslegung des MRTV nicht herangezogen werden. Dem steht entgegen, dass diese Tarifregelungen von anderen Tarifvertragsparteien für einen anderen örtlichen Geltungsbereich abgeschlossen worden ist. Da es entscheidend auf den Willen der Vertragschließenden ankommt, ist nur ausnahmsweise bei gewichtigen Anhaltspunkten davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch anderer Tarifvertragsparteien und die von ihnen getroffene Regelung für die Auslegung des in Streit stehenden Tarifvertrags von Bedeutung ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn mehrere Tarifverträge eine gewisse Einheit bilden (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 327/16 - Rn. 28). Die Sonderregelungen Berlin-Brandenburg bilden jedoch keine Einheit mit dem MRTV.
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II. Die Revision ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Zahlungsantrag der Klägerin zurückgewiesen hat. Ob und in welcher Höhe das Zahlungsbegehren begründet ist, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Es fehlt an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten der Klägerin. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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1. Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt Vergütung für Umkleidezeiten für insgesamt 275 Minuten in der Zeit von 7. September bis 30. November 2015 in Höhe von jeweils 0,25 Euro brutto. Damit ist der Antrag für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (BAG 23. Januar 2018 - 9 AZR 854/16 - Rn. 13 mwN).
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2. Die Vergütungspflicht für die Umkleidezeiten folgt aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. Arbeitsvertrag. Ob und in welcher Höhe der Antrag begründet ist, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben. Der bisherige Vortrag der Klägerin hierzu ist nicht ausreichend substantiiert. Sie verweist lediglich auf die Anlage zur Klageschrift. Die Bezugnahme auf Anlagen ersetzt jedoch grundsätzlich keinen Sachvortrag (BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 667/12 - Rn. 14). Die Beklagte hat die Behauptungen der Klägerin zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Steht fest, dass Umkleidezeiten im Streitzeitraum entstanden sind, kann aber die Klägerin ihrer Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleidezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen (BAG 6. September 2017 - 5 AZR 382/16 - Rn. 28 mwN).
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3. Besteht ein Zahlungsanspruch, hat die Klägerin die Ausschlussfristen gemäß § 12 MRTV bzw. § 12 RVB eingehalten.
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a) Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer Ausschlussfrist verlangt, dass die in Anspruch genommene Vertragspartei erkennen kann, welcher konkrete Anspruch ihr gegenüber erhoben wird. Dieser ist dem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen. Eine Bezifferung der Forderung ist entbehrlich, wenn sie dem Schuldner der Höhe nach bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (BAG 26. September 2017 - 1 AZR 717/15 - Rn. 36).
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b) Bereits die der Beklagten am 14. Januar 2016 zugestellte Klageschrift wahrt sowohl die erste als auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist nach § 12 MRTV bzw. § 12 RVB. Die Klägerin hat die im streitgegenständlichen Zeitraum ihrer Auffassung nach angefallenen Umkleidezeiten aufgeführt und mit Schreiben vom 2. November 2015 auch die Bemessung des Entgelts „Monatsbasis“ angegeben. Die Vergütung für den Monat September 2015 war sowohl nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BLTV 2013 als auch nach § 8 Nr. 2 Satz 3 MRTV zum 15. Oktober 2015 fällig, die Frist zur schriftlichen Geltendmachung nach § 12 Nr. 1 MRTV bzw. § 12 Abs. 1 RVB ist erst am 15. Januar 2016 abgelaufen.
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III. Das Landesarbeitsgericht wird über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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Linck
Biebl
Volk
E. Bürger
Jens M. Schubert
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
(1) Ist der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt.
(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.11.2014 – 4 Ca 1050/14 – unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.097,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 972,72 € seit dem 14.07.2014 und aus 1.134,72 € seit dem 07.03.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt der Kläger zu 91 %, die Beklagte zu 9 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägen der Kläger zu 81 %, die Beklagte und der Nebenintervenient zu jeweils 9,5 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Höhe der monatlichen Vergütung des Klägers.
3Er ist seit dem 01.07.1989 im Lager der Beklagten in Q beschäftigt. Diese betreibt einen Möbelhandel mit vier Standorten und beschäftigt mehrere hundert Arbeitnehmer.
4Seinem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 17.03.1989 (Bl. 6 bis 9 d.A.) zugrunde.
5§ 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags lautet wie folgt:
6„Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages. . . . “
7In § 4 des Arbeitsvertrages wurde Nr. 1 (Einstufung in eine Lohngruppe des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel) nicht ausgefüllt. Dagegen wurde in Nr. 2 handschriftlich ein Bruttostundenlohn von 14,96 DM eingetragen.
8§ 4 Nr. 4 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:
9„Die über den Tariflohn hinausgehenden Lohnbestandteile sowie die gewährte Provision können jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekürzt oder widerrufen werden. Sie können bei einer Erhöhung der Lohntarife, beim Aufrücken in eine höher Lohngruppe/-stufe und bei Höhergruppierungen angerechnet werden.“
10Die Beklagte ist Mitglied des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen ist. Sie war zunächst Mitglied mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 20.09.2004 erklärte sie gegenüber dem Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe den Ausschluss der Tarifbindung zum Ablauf des auf den Zugang dieser Erklärung folgenden Monats. Seit dem 01.11.2004 führt sie der Verband als Mitglied ohne Tarifbindung.
11Bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung wurde der Lohn des Klägers regelmäßig entsprechend den Tarifabschlüssen erhöht. Am 01.03.2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertrages (Bl. 10 der Akte). Sie hat folgenden Wortlaut:
12„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen Ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter. Ebenso bleibt die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewahrt.
13Arbeitszeit
14Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40,0 Stunden.
15Zuschläge
16Auf Spätöffnungs- und Mehrarbeitszuschläge besteht kein Anspruch.
17Sonderzahlungen
18. . .
19Urlaub
20. . .
21Seit Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung erhöhte die Beklagte die monatliche Vergütung des Klägers nicht. Er erhält sei 2005 ein Grundentgelt von 1.916,88 €. Wegen der Einzelheiten der Vergütung wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegten Verdienstabrechnungen für Februar 2005 und Februar 2014 (Bl. 11, 12 der Akte) Bezug genommen.
22Mit Schreiben vom 19.09.2007 (Bl 191 d.A.) gab die Beklagte gegenüber ihren Mitarbeitern folgende Erklärung ab:
23…
24Durch Ihre Bereitschaft, Ihre Wochenarbeitszeit gegenüber der früherenbetriebsüblichen Regelung bei gleich bleibendem Lohn/Gehalt zu erhöhen und/oder auf bis dahin gewährte Sonderzuwendungen zu verzichten, haben Sie in insgesamt für den Einzelhandel, namentlich den Möbel-Einzelhandel sehr schwierigen Zeiten dazu beigetragen, die wirtschaftliche Situation unseres Unternehmens erheblich zu verbessern und im Gegensatz zu manchen anderen erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können. Insbesondere konnte der Personalbestand nicht nur gehalten, sondern noch erhöht werden. Wir möchten dies ausdrücklich anerkennen und gewähren den Mitarbeitern, die einen solchen Verzicht geleistet haben, ab Januar 2008 bis auf Weiteres einen Teilausgleich. Die Höhe der Ausgleichszahlung soll für Vollzeitmitarbeiter 50,00 € brutto monatlich betragen. …
25Am 12.05.2010 unterzeichneten der Kläger und sein Vorgesetzter eine Personalveränderung (Bl. 66 d.A.). Als Arbeitsplatz des Klägers wurde die Abteilung Mitnahmelager angegeben. Mit Wirkung zum 01.05.2010 erhielt er eine bis zum 31.12.2010 befristete Funktionszulage in Höhe von 100,00 €. Die Rubrik „Die Zustimmung des Betriebsrats liegt vor“ wurde angekreuzt.
26Am 19.12.2012 unterzeichneten der Kläger und sein Vorgesetzter erneut eine Personalveränderung (Bl. 67 d.A.). Als Arbeitsplatz wurde unverändert das Mitnahmelager in Q angegeben. Seine Tätigkeit wurde als die des Lagerarbeiters bezeichnet. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden wurde in die Rubrik Lohn/Gehalt/Garantiegehalt bisher und künftig ein Betrag von 1.916,88 € mit dem Zusatz „Vergütungsgruppe III“ eingetragen. Die Personalveränderung enthält den zusätzlichen Eintrag „Die Funktionszulage in Höhe von 100,00 € ist befristet bis zum 31.12.2013“ mit dem handschriftlichen Zusatz „also ab 2014 keine Zulage mehr!“ Die Gesamtvergütung des Klägers wurde mit 2.016,88 € angegeben. Rubriken hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats und der Erteilung von Informationen an besondere Ansprechpartner der Beklagten wurden nicht ausgefüllt.
27Am 13.01.2014 unterschrieben der Kläger und sein Vorgesetzter erneut eine Personalveränderung (Bl. 68 d.A.). Die Eintragungen in den Rubriken Abteilung, Standort, Tätigkeit, Arbeitszeit, Lohn/Gehalt/Garantiegehalt, Zulagen und Summe der Vergütung waren unverändert. Die Funktionszulage in Höhe von 100,00 € wurde befristet bis zum 31.12.2014 weitergewährt. Die Rubriken hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats und der Erteilung von Informationen an besondere Ansprechpartner wurden erneut nicht ausgefüllt.
28Am 12.01.2015 wurde eine weitere Personalveränderung unterzeichnet (Bl. 157 d.A.). Die Personalveränderung hat folgenden Inhalt:
29Das Urteil hat hier eine Auflistung die aus technischen Gründen nicht eingesetzt werden kann.
30Das Urteil kann in vollständiger Form für 12,50 € beim Landesarbeitsgericht angefordert werden.
31Mit seiner am 11.07.2014 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen, der Beklagten am 14.07.2014 zugestellten Klage macht der Kläger die Vergütungsdifferenz zwischen dem Tariflohn nach der Lohngruppe II Lohnstaffel c des Lohntarifvertrages für die Arbeitnehmer des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2013 und dem tatsächlichen Entgelt für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014 in Höhe von 2.295,69 € zuzüglich einer bis zum 31.12.2014 befristeten Funktionszulage von 100,00 € brutto und einer Ausgleichszahlung von 50,00 € brutto geltend. Wegen der Berechnung seiner Zahlungsdifferenzen im Einzelnen wird auf die Klageschrift (Bl. 3, 4 d.A.) verwiesen.
32Er hat vorgetragen:
33Die Beklagte habe ihn im Zeitpunkt der Beendigung der Tarifbindung als Lagerarbeiter aus der Lohngruppe II Lohnstaffel c des Lohntarifvertrages vergütet.
34Die Tarifverträge seien auf das Arbeitsverhältnis gemäß § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit der Vereinbarung vom 01.03.2005 dynamisch anwendbar.
35Gegenstand der Vereinbarung vom 12.05.2010 sei lediglich die befristete Funktionszulage gewesen. Diese sei auch Gegenstand der Folgevereinbarung vom 19.12.2012 gewesen. Die in dieser Vereinbarung erstmals unter der Rubrik „Lohn/Gehalt/Garantiegehalt“ angegebene Vergütungsgruppe III und das entsprechende Entgelt von 1.916,88 € gäben lediglich deklaratorisch die nach der im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens zustande gekommenen innerbetrieblichen Vergütungsordnung vom 12.06.2012 für ihn maßgebliche Vergütungsgruppe wieder. Die Beklagte habe im Rahmen der Vergütungsgruppen das jeweilige Entgelt einseitig festgelegt. Er habe nicht auf die ihm aufgrund der Vereinbarung vom 01.03.2005 zustehenden Lohnansprüche verzichten wollen. Es gelte vielmehr das Günstigkeitsprinzip mit der Folge, dass seine individualrechtlich begründeten Ansprüche vorgingen.
36Gleiches gelte auch für die Vereinbarung vom 13.01.2014. Anlass für diese Vereinbarung sei die Verlängerung der Zahlung einer Funktionszulage gewesen.
37Der Kläger hat beantragt,
38- 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von € 2.268,72 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn künftig sein monatliches Grundentgelt in Höhe von € 2.295,00 brutto zuzüglich einer bis zum 31.12.2014 befristeten Funktionszulage in Höhe von € 100,00, einer Ausgleichszahlung in Höhe von € 50,00 brutto zu zahlen;
- 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sein monatliches Grundentgelt in Höhe von zurzeit € 2.295,00 brutto bei Änderungen im Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen.
Die Beklagte hat beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Sie hat die Auffassung vertreten:
44Der Arbeitsvertrag verweise hinsichtlich der Lohnhöhe nicht auf die Tarifverträge des Einzelhandels, da in § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages ein konkretes Entgelt vereinbart worden sei.
45§ 1 Nr. 3 des Vertrages sei jedenfalls als Gleichstellungsabrede auszulegen. Ihr sei Vertrauensschutz zu gewähren.
46Die Vereinbarung vom 01.03.2005 führe ebenfalls nicht zu einer konstitutiven Verweisung auf die Lohntarifverträge. Der Kläger habe gewusst, dass sie in die OT-Mitgliedschaft gewechselt sei. Sie habe sich für ihn erkennbar aus der Tarifdynamik lösen wollen. Bei Abfassung der Vereinbarung vom 01.03.2005 sei es ihr lediglich darum gegangen, keine redaktionell völlig neu gefassten Arbeitsverträge entwerfen zu müssen. In dieser Situation habe es der ausdrücklichen Formulierung, dass eine etwaige Dynamisierung der Tarifverträge fortan nicht mehr Platz greifen solle, nicht bedurft. Die Parteien hätten die Änderungsvereinbarung auch übereinstimmend so verstanden, wie die Tatsache zeige, dass der Kläger über Jahre die tarifgerechte Entlohnung nicht verlangt habe.
47Die von ihm verlangte Eingruppierung in die Lohnstaffel c sei unzutreffend. Er sei allenfalls aus der Lohngruppe II Lohnstaffel b des Lohntarifvertrages zu vergüten.
48In der Personalveränderung vom 19.12.2012 hätten die Parteien unmissverständlich geregelt, dass ihr Arbeitsverhältnis fortan der innerbetrieblichen Vergütungsordnung unterstehen solle. Das gelte auch für die Änderungsvereinbarung vom 13.01.2014.
49Mit Schriftsatz vom 03.09.2014 (Bl. 70,71 d.A.) hat die Beklagte Rechtsanwalt B den Streit verkündet.
50Mit Urteil vom 26.11.2014 hat das Arbeitsgericht Paderborn die Beklagte verurteilt, an den Kläger 962,72 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14.07.2014 zu zahlen. Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger künftig ein monatliches Grundentgelt in Höhe von 2.106,00 € brutto zuzüglich einer bis zum 31.12.2014 befristeten Funktionszulage in Höhe von 100,00 € brutto und einer Ausgleichszulage in Höhe von 50,00 € brutto zu zahlen und sein monatliches Grundentgelt in Höhe von zurzeit 2.106,00 € brutto bei Änderungen im Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen jeweils um die im Lohntarifvertrag festgeschriebene prozentuale Erhöhung zu erhöhen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
51Es hat ausgeführt:
52Der Kläger habe für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung der Entgeltdifferenzen zwischen dem Tariflohn nach der Lohngruppe II Lohnstaffel b des Tarifvertrages und dem tatsächlich gezahlten Entgelt. Die Regelungen in §§ 1 Nr. 3, 4 Nr. 2, 4 des Arbeitsvertrages seien in der Gesamtschau dahingehend auszulegen, dass die Parteien in § 1 Nr. 3 eine Gleichstellungsabrede im Sinne der damaligen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vereinbart hätten.
53Trotz Änderung der Rechtsprechung durch das Bundesarbeitsgericht seien aus Gründen des Vertrauensschutzes Verweisungsklauseln in Altverträgen weiterhin als Gleichstellungsabreden auszulegen. Etwas anderes gelte jedoch im vorliegenden Fall, da die Parteien im März 2005 einen sogenannten Neuvertrag geschlossen hätten. Maßgeblich sei, ob sie nach dem 01.01.2002 anlässlich einer Vertragsänderung die Klausel erneut zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht hätten. Das sei zu bejahen, da es in der Änderungsvereinbarung vom 01.03.2005 heiße „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“.
54Eine konstitutive Festschreibung des Entgeltes sei auch nicht durch die Personalveränderungen erfolgt. Die Kammer schließe sich insoweit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Hamm (10.09.2014 – 3 Sa 642/14) an, dass die Personalveränderungen nicht ohne Zweifel als vertragliche Abrede anzusehen seien. Im Übrigen hätten die Parteien mit den Personalveränderungen nicht die Grundvergütung des Klägers geändert.
55Seine Ansprüche seien nicht gemäß § 242 BGB verwirkt.
56Er könne jedoch keine Vergütung aus der Lohngruppe II Lohnstaffel c des Lohntarifvertrages verlangen. Er trage die Darlegungs- und Beweislast für die zu- treffende Eingruppierung.
57Als Lagerarbeiter erfülle er das Richtbeispiel der Lohngruppe II Lohnstaffel b. Dass die Beklagte ihn zuvor in die Lohngruppe II Lohnstaffel c eingruppiert habe, führe nicht dazu, dass er erneut entsprechend einzugruppieren sei. Es sei nicht ersichtlich, dass er die Tätigkeit eines Möbelfachpackers ausübe. Das habe er auch nicht behauptet. Eine vorherige – fehlerhafte – Eingruppierung führe nicht dazu, dass er einen Besitzstand habe. Er habe nicht vorgetragen, dass seine Eingruppierung unabhängig von tariflichen Eingruppierungsmerkmalen durch Vereinbarung erfolgt sei.
58Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 102 bis 119 der Akte Bezug genommen.
59Gegen das ihm am 04.12.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.12.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.03.2015 am 03.03.2015 eingehend begründet.
60Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.12.2012 zugestellte Urteil am 08.12.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 31.12.2014 eingehend begründet.
61Der Nebenintervenient ist mit Schriftsatz vom 02.01.2015 dem Rechtsstreit beigetreten.
62Der Kläger rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
63Zu Unrecht sei das erstinstanzliche Gericht von einer Eingruppierung in die Lohngruppe II Staffel b des Lohntarifvertrages ausgegangen. Es habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt.
64Aufgrund der Tatsache, dass ihn die Beklagte zuvor in die Lohngruppe II Lohnstaffel c eingruppiert habe, trage diese die Darlegungs- und Beweislast. Ihr Vortrag beschränke sich jedoch auf die Behauptung, eine Eingruppierung in die Lohnstaffel c sei falsch.
65Tatsächlich erfülle er die Voraussetzungen der Lohnstaffel c hinsichtlich der Merkmale besondere Geschicklichkeit, Übung oder Erfahrung. Neben der einfachen Tätigkeit als Lagermitarbeiter, die im Wesentlichen im Verräumen der Ware nach entsprechenden Vorgaben bestehe, übe er die Tätigkeiten der Warenannahme, des Paketdienstes, des Postversandes, der Warenbewegung, der Warenausgabe und gelegentlich der Kleinmontage aus. Im Rahmen der Warenausgabe müsse er auch Mietverträge über an Kunden vermietete Kleintransporter ausfüllen, diese nach Rückgabe auf Schäden untersuchen und die entsprechenden Abrechnungen vornehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten der vom Kläger verrichteten Tätigkeiten wird auf seinen Schriftsatz vom 03.03.2015 (Bl. 202 d.A.) verwiesen.
66Die beschriebenen Tätigkeiten, die in zeitlicher Hinsicht den weit überwiegenden Anteil seiner Aufgaben ausmachten, zeichneten sich nicht in erster Linie durch die körperliche Belastung, sondern vielmehr durch erhöhte Anforderungen, insbesondere durch das Erfordernis der Erfahrung aus. Seine Tätigkeit sei der von dem Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 24.09.2008 (4 ABR 83/07) zugrunde gelegten Tätigkeit mit Ausnahme das Fahren eines Gabelstaplers vergleichbar. Das Bundesarbeitsgericht habe die Eingruppierung in die Lohngruppe II Lohnstaffel c für zutreffend erachtet.
67Bei Unterzeichnung der Personalveränderung aus Januar 2015 habe er nicht den Willen zu einer konstitutiven Lohnvereinbarung gehabt. Das gelte gerade vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens. Es sei lediglich um die Entfristung der Funktionszulage gegangen. Er habe die Vereinbarung ohne anwaltliche Beratung unterschrieben.
68Zur Wahrung der Ausschlussfristen erhöhe er seine Klage um die Vergütungsdifferenzen für die Monate Juli 2014 bis Februar 2015 in Höhe von 3.024,96 €.
69Der Kläger beantragt,
70- 71
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.11.2014 entsprechend seinen in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen zu erkennen mit der Maßgabe, dass der Feststellungsantrag zu 2) wie folgt lautet:
festzustellen, dass sein monatliches Grundgehalt für die Geltungsdauer des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in NRW vom 10.12.2013 2.295,00 € brutto beträgt. Im Übrigen nehme er den Antrag zu 2) zurück;
73- 74
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 3.024,96 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Zustellung des Schriftsatzes vom 03.03.2015 (06.03.2015) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
76die Berufung des Klägers zurückzuweisen und unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.11.2014 (4 Ca 1050/14) die Klage abzuweisen.
77Der Nebenintervenient schloss sich den Anträgen der Beklagten an.
78Der Kläger beantragt,
79die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
80Die Beklagte rügt ebenfalls das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und führt aus:
81Zu Unrecht sei das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass in dem Arbeitsvertrag vom 17.03.1989 auf die Entlohnung nach den Lohntarifverträgen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen verwiesen worden sei. Die Auslegung ergebe, dass der Stundenlohn des Klägers individuell vereinbart worden sei.
82Eine dynamische Verweisung auf das Tarifentgelt sei auch nicht zum Gegenstand der Willensbildung anlässlich der Vereinbarung vom 01.03.2005 gemacht worden. Sie genieße Vertrauensschutz, sollte die Verweisungsklausel im Ursprungsarbeitsvertrag als Gleichstellungsabrede auszulegen sei. Die Änderungsvereinbarung aus März 2005 nehme Bezug auf „Regelungen“, die nicht berührt werden sollten. Zu den fortbestehenden Regelungen gehöre jedoch die Tatsache, dass die Vergütung des Klägers bei Abschluss der Veränderungsvereinbarung bereits „eingefroren“ gewesen sei.
83Auch die Interessenlage zum Zeitpunkt des Abschlusses der Änderungsvereinbarung führe dazu, dass die Verweisungsklausel des Ursprungsarbeitsvertrages nicht dynamisch zu verstehen sei. Es sei sinnlos, in eine OT-Mitgliedschaft zu wechseln, um anschließend durch individualvertragliche Vereinbarung die Tarifdynamik wiederherzustellen. Das sei nicht gewollt gewesen.
84Im Übrigen seien die Ansprüche des Klägers verwirkt. Insoweit verweise sie auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nach § 613 Abs. 6 BGB. Der Kläger habe das erforderliche Umstandsmoment in den Verhandlungen über Personalveränderungen gesetzt, indem er die jeweilige inhaltliche Ausgestaltung akzeptiert habe. Ihr sei zwar die Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche im Einzelnen nicht unzumutbar. Es sei jedoch die Masse der Verfahren zu berücksichtigen. In Erwartung der Geltendmachung tariflicher Ansprüche hätte sie jedenfalls die in den Personalveränderungen niedergelegten Vereinbarungen nicht getroffen.
85Das erstinstanzliche Gericht habe auch die rechtliche Qualität der Personalveränderungen verkannt. Es handle sich eindeutig um rechtsgeschäftliche Vereinbarungen. Bei Änderungen der Arbeitsverträge verwende sie keine anderen Formulare oder Schriftstücke.
86Im Übrigen gehe das Gericht selbst davon aus, dass jedenfalls „zuvor“ entsprechende Abreden geschlossen worden seien.
87In den Vereinbarungen vom 19.12.2012 und 13.01.2014 sei ausdrücklich von der Vergütungsgruppe III der innerbetrieblichen Vergütungsordnung die Rede gewesen. Durch Spruch der Einigungsstelle seien Vergütungsgruppen mit einzelnen Tätigkeitsmerkmalen definiert worden. Sie habe den konkreten Lohn nach Maßgabe der als Ecklohn bezeichneten Vergütungsgruppe IV bestimmt. Mit dem Kläger sei in den Personalveränderungen die Vergütungsgruppe III vereinbart worden.
88Jedenfalls sei eine entsprechende Einigung über die Anwendung der Vergütungsordnung auf sein Arbeitsverhältnis in der Vereinbarung vom 12.01.2015 erfolgt.
89Der Nebenintervenient hat sich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen und ergänzend ausgeführt:
90Die Parteien hätten in dem Ursprungsarbeitsvertrag einen individuellen Stundenlohn vereinbart. Das ergebe sich schon aus einem Vergleich von § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrags mit § 7 des Arbeitsvertrages. Anders als bei dem Stundenlohn hätten die Parteien hier hinzugesetzt, dass sich das Urlaubsgeld und die Urlaubshöhe nach dem Tarifvertrag richteten.
91Unerheblich sei es, dass die Beklagte den Kläger während ihrer Tarifbindung tarifgerecht vergütet habe.
92Nach den gesamten Umständen der Änderungsvereinbarung aus März 2005 sei es den Parteien nicht um die Vereinbarung einer unbedingten, zeitdynamischen Verweisung auf das Tarifwerk gegangen.
93In Belegschaftsversammlungen habe die Geschäftsführung die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von der Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich informiert, habe sich aber gleichzeitig bereit erklärt, bis zum 28.02.2007 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Er gehe davon aus, dass in den Belegschaftsversammlungen auch die künftige OT-Mitgliedschaft der Beklagten kommuniziert worden sei. Das gelte auch für die Personalgespräche, die die Vorgesetzten mit den gewerblichen Beschäftigten im März 2005 geführt hätten. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass es zukünftig einen Anspruch auf Teilnahme an der künftigen Tariflohnentwicklung nicht mehr habe geben sollen. Bis zur Klageerhebung habe er über einen Zeitraum von neun Jahren keine Lohnanpassung verlangt. Er sei auch mit dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen einverstanden gewesen. Diesen Ausschluss habe die Beklagte den Mitarbeitern noch im März 2005 nach Unterzeichnung der Abänderungsvereinbarungen schriftlich bestätigt.
94Die Parteien hätten in den Personalveränderungen die innerbetriebliche Vergütungsordnung vereinbart.
95Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment sei in der Tatsache zu sehen, dass der Kläger die monatlich abgerechnete und gezahlte Vergütung widerspruchslos entgegengenommen habe, obwohl in den Lohnabrechnungen auf die innerbetriebliche Entgeltgruppe verwiesen worden sei.
96Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
97Entscheidungsgründe
98A.
99Gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthaften Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.11.2015 sind nur teilweise begründet.
100I.
1011. Der insgesamt zulässige Zahlungsantrag des Klägers ist zum Teil begründet.
102a. Sein Anspruch auf tarifgerechte Vergütung folgt nicht aus der unmittelbaren Anwendung des Lohntarifvertrages vom 10.12.2013, da die Parteien nicht tarifgebunden sind, §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG.
103b. Er rechtfertigt sich jedoch für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2014 in Höhe von 2.097,44 € aus §§ 611 Abs. 1 BGB, § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom 17.03.1989 i.V.m. § 2 Abs. 3 Lohngruppe II Lohnstaffel b des Lohntarifvertrages vom 10.12.2013.
104aa. Die Parteien haben in dem ursprünglichen Arbeitsvertrag aus 1989 ein dynamisches Tarifentgelt vereinbart und sich nicht individuell auf einen bestimmten Lohn geeinigt. Das folgt aus der Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB.
105(1) Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die arbeitsvertraglichen Lohnregelungen nicht eindeutig sind. In § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages haben die Parteien die Geltung der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils geltenden Fassung sowie die Geltung von Nachfolgeverträgen vereinbart. Sie haben jedoch nicht in § 4 Nr. 1 des Arbeitsvertrages die Lohngruppe nach dem in Bezug genommenen Lohntarifvertrag für den Einzelhandel eingetragen, sondern haben vielmehr in § 4 Nr. 2 des Vertrages einen festen Stundenlohn vereinbart. In § 4 Nr. 4 des Vertrages haben sie wiederum eine Einigung dahin getroffen, dass die über den Tariflohn hinausgehenden Lohnbestandteile sowie die gewährte Provision jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat gekürzt oder widerrufen werden können. Die allgemeine Verweisungsklausel kann dafür sprechen, dass der Tariflohn vereinbart wurde. Die Einigung in § 4 Nr. 2 des Vertrages kann dahin verstanden werden, dass sie eine individuelle Entgeltvereinbarung getroffen haben, die statisch gelten sollte.
106(2) Die Auslegung ergibt jedoch, dass das Arbeitsentgelt dynamisch nach dem Tarifentgelt vereinbart wurde.
107Bei den hier maßgeblichen Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, da die Beklagte ersichtlich einen Musterarbeitsvertrag für die Mitglieder der Einzelhandelsorganisation verwendet hat, den sie mehrfach eingesetzt hat.
108Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen ist. Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, ist auf die typischen und von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Ziele abzustellen. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, 21.08.2013 – 5 AZR 582/13 –, Rdnr. 19; 16.12.2009 – 5 AZR 888/08 –, Rdnr. 12, NZA 2010, 401).
109Bleiben Zweifel, gehen diese nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
110Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Parteien durch Bezugnahme in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrags das jeweils maßgebende Tarifentgelt vereinbart (so auch LAG Hamm, 20.08.2014 – 3 Sa 451/14; 10.09.2014 – 3 Sa 452/14).
111Das ergibt der Gesamtzusammenhang der arbeitsvertraglichen Regelungen in § 1 Nr. 3, 4 Nr. 1, 2, 4 des Arbeitsvertrags.
112Hervorzuheben ist, dass die Arbeitsvertragsparteien die Bezugnahmeklausel in § 1 der Lohnvereinbarung § 4 des Vertrages vorangestellt haben. In § 1 haben sie grundsätzliche Regelungen für ihr Arbeitsverhältnis getroffen wie Vertragsbeginn, Tätigkeit des Klägers als Auslieferungsfahrer in Vollzeit sowie Nebenpflichten (gewissenhafte und sorgfältige Arbeitsausführung, Anzeigepflichten, Tragen von Berufskleidung). Die Bezugnahmeklausel enthält keine Einschränkung dahingehend, dass sie nur ergänzend gelten sollte.
113Für einen durchschnittlichen Vertragspartner ist § 1 Nr. 3 nur als unbeschränkte Bezugnahmeklausel zu verstehen (vergleiche zur Auslegung einer Klausel an „prominenter“ Vertragsposition BAG, 10.07.2013 – 10 AZR 898/11 –, Rdnr. 21 ff., ZTR 2013, 625).
114Eine Einschränkung der allgemeinen Bezugnahme auf tarifliche Bestimmungen ergibt sich auch nicht aus § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrags. Zunächst ist die Behauptung des Klägers unwidersprochen geblieben, dass das 1993 vereinbarte Stundenentgelt über der damals gültigen tariflichen Vergütung für einen Auslieferungsfahrer lag. Entsprechend haben die Parteien in § 4 Nr. 4 zwischen tariflichem und übertariflichem Entgelt unterschieden und der Beklagten bezüglich übertariflicher Entgeltbestandteile eine Kürzungs- und Widerrufsmöglichkeit sowie eine Anrechnungsmöglichkeit bei Erhöhung des Tarifentgelts eingeräumt. Diese Differenzierung zwischen Tarifentgelt und übertariflichem Entgelt erweckt den Eindruck, dass sie jedenfalls das jeweilige Tarifentgelt zahlen wollte. Als weiteres Auslegungskriterium, das allein jedoch nicht ausschlaggebend ist, ist anzuführen, dass die damals tarifgebundene Beklagte einen Vordruck für Mitglieder der Einzelhandelsorganisation verwendet hat. Auch daraus durfte ein redlicher Vertragspartner in der Gesamtschau der Vertragsklauseln den Schluss ziehen, sie wolle ihm auf jeden Fall das jeweils gültige Tarifentgelt zahlen.
115Dahinstehen kann, ob ihrer nachträglichen Handhabung, nämlich der Gewährung des Tarifentgelts für die Dauer ihrer Mitgliedschaft mit Tarifbindung, ein Erklärungswert beizumessen ist.
116Selbst wenn das von ihr vertretene Auslegungsergebnis – entgegen der Auffassung der Kammer – vertretbar wäre, wäre keinem der beiden möglichen Auslegungsergebnisse ein Vorzug zu geben. In diesem Fall ginge die Auslegung gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin des Vertragstextes.
117bb. Die Verweisungsklausel hat konstitutiven Charakter und ist nicht als sogenannte Gleichstellungsabrede zu verstehen.
118Die Kammer verkennt nicht, dass die Bezugnahmeklausel in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages vor dem 01.01.2002 von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformuliert mit dem Arbeitnehmer geschlossen und dynamisch auf Branchentarifverträge Bezug genommen wurde. In solchen Fällen wurde die Klausel stets als Gleichstellungsabrede ausgelegt (BAG, 17.11.2010 – 4 AZR 391/09 –, Rdnr. 14 f., BAGE 136, 184; 10.12.2008 – 4 AZR 881/07 –, Rdnr. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Mit der arbeitsvertraglichen Verweisung auf einen Tarifvertrag wollte der selbst tarifgebundene Arbeitgeber den Arbeitnehmer regelmäßig ungeachtet seiner Gewerkschaftszugehörigkeit so stellen, als sei er tarifgebunden. Die arbeitsvertragliche Verweisung ersetzte die fehlende oder mangels Zulässigkeit einer Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit unsichere Tarifbindung des Arbeitnehmers.
119Die Auslegung als Gleichstellungsabrede hatte zur Folge, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge teilnahm, die vertragliche Anbindung endete, wenn sie auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer geendet hätte (BAG, 17.11.2010 a. a. O., Rdnr. 16). Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.
120Mit seiner Entscheidung vom 18.04.2007 (4 AZR 652/05, BB 2007, 2125) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert und festgehalten, dass nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 die Bedeutung einer Verweisungsklausel in erster Linie anhand ihres Wortlautes zu ermitteln ist. Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch den Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder durch den sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird (unbedingte zeitdynamische Verweisung).
121Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist den Arbeitgebern, die bis zum 31.12.2001 Arbeitsverträge mit einer entsprechenden Bezugnahmeklausel abgeschlossen haben, Vertrauensschutz insoweit zu gewähren, als auf diese „Altverträge“ die frühere Auslegungsregel des Senats anzuwenden ist, wonach bei Beteiligung eines verbandsangehörigen Arbeitgebers und Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte in der Regel eine dynamische Verweisung auf einen einschlägigen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede auszulegen ist. Für Arbeitsverträge, die ab dem 01.01.2001 abgeschlossen worden sind („Neuverträge“) wendet das Bundesarbeitsgericht diese Auslegungsregel nicht an. (BAG, 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 –, Rdnr. 43, BAGE 122, 74).
122Ist nach dem 01.01.2002 eine Vertragsänderung erfolgt, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, davon ab, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist. Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrages“ und eine Rechtskorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrages erneut vereinbart oder bestätigt werden (BAG, 19.10.2011 – 4 AZR 811/09 –, Rdnr. 27, DB 2011, 2783).
123Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Änderungsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, den die Beklagte gegenüber zahlreichen Arbeitnehmern verwendet hat. Unter Zugrundelegung der für AGB-Klauseln geltenden Auslegungsregeln ist die Bezugnahmeklausel, die Regelung in dem Änderungsvertrag vom 01.03.2005 „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ als Neuvertrag zu verstehen. Die Parteien haben damit schon nach dem Wortlaut der Vereinbarung zu erkennen gegeben, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag weitergelten sollte, soweit nicht die konkret dargestellten Änderungen zur Arbeitszeit, zu Zuschlägen, zu Sonderzahlungen und zum Urlaub betroffen waren. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag sollte nach Satz 1 der Änderungsvereinbarung gerade nur „wie folgt geändert“ werden.
124Ein Auslegungsergebnis im Sinne der Beklagten ergibt sich auch nicht unter Heranziehung von außerhalb des reinen Wortlauts der Änderungsvereinbarung liegenden Umstände.
125Die Kammer unterstellt zugunsten der Beklagten, dass die Arbeitnehmer von ihrem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft Kenntnis hatten und daher davon ausgehen mussten, sie wolle sich künftig aus den Regelungen der Tarifverträge lösen. Wenn dann aber nur ganz bestimmte Arbeitsbedingungen in einer Vertragsänderung erwähnt werden, die zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden sollen, und im Übrigen die sonstigen, nicht erwähnten Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag weitergelten sollen, wird der Eindruck bei einem durchschnittlichen Vertragspartner erweckt, die Lösung aus dem Tarifvertrag bestehe lediglich in den erwähnten Bereichen, ansonsten solle der Ausgangsvertrag unverändert bleiben. Gerade weil ein so gewichtiger Aspekt wie das Entgelt nicht erwähnt wurde, durfte der Kläger weiterhin davon ausgehen, die ursprüngliche Vergütungsregelung mit der Anbindung an den Tarifvertrag bleibe trotz fehlender Tarifbindung erhalten. Ansonsten hätte es nahegelegen, auch diesen Vertragsgegenstand zu erwähnen und es nicht bei der uneingeschränkten Formulierung zu belassen „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“.
126Nichts anderes ergibt sich aus der Behauptung des Nebenintervenienten, die Parteien hätten sich zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt in einem nicht konkret geschilderten Gespräch auf das Einfrieren der monatlichen Bezüge vor dem Hintergrund der Zusage geeinigt, die Beklagte werde bis zum 28.02.2007 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Aus dem von ihm vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 19.09.2007 ergibt sich, dass sie den monatlichen Ausgleichsbetrag ab Januar 2008 für die Bereitschaft der Arbeitnehmer gezahlt hat, ihre Wochenarbeitszeit gegenüber der früheren betriebsüblichen Regelung bei gleichbleibendem Lohn/Gehalt zu erhöhen und/oder auf die bis dahin gewährte Sonderzuwendung zu verzichten. Damit werden genau die in der Vereinbarung vom 01.03.2005 genannten Änderungen in Bezug genommen.
127Auch die Nichtgeltendmachung künftiger Tariferhöhungen führt nicht dazu, dass von einem gemeinsamen Verständnis über die Bedeutung der Klausel „Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“ auszugehen ist. Die fehlende Geltendmachung kann unterschiedliche Gründe haben, ohne dass daraus geschlossen werden kann, der Kläger habe wie andere Arbeitnehmer die Vertragsänderung so verstanden, das Entgelt sei nunmehr auf alle Zeit eingefroren.
128Soweit der Wortlaut der Vereinbarung vom 01.03.2005 als unklar anzusehen wäre, müsste diese Unklarheit nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin gehen.
129bb. Die konstitutive Verweisung auf den Lohntarifvertrag im Einzelhandel ist jedoch in der Folge von einer individuellen konstitutiven Lohnvereinbarung abgelöst worden.
130(a) Die Personalveränderung vom 12.06.2010 hat allerdings noch nicht zu einer konstitutiven Lohnvereinbarung der Parteien geführt.
131(aa) Es kann dahinstehen, ob die von dem Kläger und seinem Vorgesetzten unterzeichnete Personalveränderung überhaupt als Vertragsänderung anzusehen ist, ob sie nicht eine bloße Information über eine bereits mündlich getroffene Abrede enthält (LAG Hamm 10.12.2014 – 3 Sa 564/14 - Rdnr. 127 ff.). In jedem Fall gibt sie das zwischen den Parteien (mündlich) Vereinbarte zutreffend wieder. Insoweit besteht kein Streit.
132(bb) Schon nach ihrem Wortlaut bezieht sich die Personalveränderung nur auf die Gewährung einer Funktionszulage. Nur diese war Gegenstand der Einigung. Der Lohn des Klägers wurde nicht weitergehend angesprochen.
133(b) Auch die Personalveränderung vom 19.12.2012 enthält keine konstitutive Lohnvereinbarung, wobei erneut davon ausgegangen wird, dass ihr jedenfalls eine entsprechende (mündliche) Einigung zugrunde liegt.
134Sie ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass sie lediglich auf die befristete Weitergewährung der Funktionszulage bezieht.
135Für die Auslegung einer Willenserklärung schreibt § 133 BGB die Erforschung des wirklichen Willens vor. Dabei ist nicht der innere Wille maßgeblich. Entscheidend ist der Empfängerhorizont. Für Verträge schreibt § 157 BGB darüber hinaus vor, dass Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen sind. Es ist daher vom Wortlaut der Erklärung ausgehend der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und unter Berücksichtigung der erkennbaren Begleitumstände zu ermitteln, welchen Willen der Erklärende gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung das Angebot des anderen Vertragsteils nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstanden hat oder verstehen musste. Zu den zu berücksichtigenden Begleitumständen gehören die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Abschluss des Rechtsgeschäfts, der Zweck der Vereinbarung und die beim Abschluss der Vereinbarung vorliegende Interessenlage (BAG, 08.03.2006 – 10 AZR 349/05 –, Rdnr. 35 ff., BAGE 117, 218).
136Schon nach dem Wortlaut der Personalveränderung war Gegenstand der Einigung ausschließlich die Vereinbarung einer Zulage von 100,00 Euro, die jederzeit kündbar sein sollte. Der Grundlohn wird so wenig erwähnt wie das sich unter Einschluss der Zulage ergebende Gesamtentgelt.
137Es sind auch keine Umstände außerhalb dieser Einigung ersichtlich, die dafür sprechen, dass das dynamisch ausgestaltete Entgelt nunmehr konstitutiv festgeschrieben werden sollte. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass nach dem Willen beider Parteien das bisherige Entgelt nicht verändert werden sollte. Das „bisherige“ Entgelt, das sie tatsächlich gezahlt hat, war nicht das Entgelt, das der Kläger nach der Arbeitsvertragsgestaltung beanspruchen konnte. Die Beklagte behauptet selbst nicht, ihm die Zulage bei gleichzeitiger Ablösung der Entgeltdynamik angeboten zu haben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien überhaupt über etwas anderes als die Gewährung einer Zulage verhandelt haben. Auch nach der Interessenlage konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, der Kläger verbinde mit der Annahme des Angebots auf Zahlung einer Zulage den Willen, das tatsächlich in dem Zeitpunkt gezahlte Entgelt als vertraglich maßgeblich festschreiben zu wollen.
138Nach dem Wortlaut der Personalveränderung sind der Umfang der Arbeitszeit und die Höhe des Lohnes unverändert geblieben. Gegenstand der Einigung war die Bewilligung der Funktionszulage für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013. Das zeigt sich schon in der Gestaltung der Personalveränderung, die in einem eigenen Textblock mit einem handschriftlichen Zusatz die Bewilligung der Funktionszulage hervorhebt.
139Das Gericht hat nicht verkannt, dass die angegebene Lohnhöhe mit dem Zusatz Vergütungsgruppe III versehen wurde. Nach Vortrag der Beklagten beruhte diese Angabe auf der Tatsache, dass aufgrund eines Einigungsstellenspruchs eine innerbetriebliche Vergütungsordnung eingeführt wurde. Diese bezieht sich jedoch nicht schon an sich auf den Lohnanspruch des Klägers. Regeln einer Betriebsvereinbarung und eine individualrechtliche Absprache denselben Gegenstand – hier die Eingruppierung und Vergütung – unterschiedlich, so gilt als Kollisionsregelung das Günstigkeitsprinzip. Es führt dazu, dass sich der Arbeitnehmer trotz Bestehens einer unmittelbar und zwingend wirkenden Regelung auf eine ihm günstigere einzelvertragliche Regelung berufen kann (BAG, 14.01.2014 – 1 ABR 57/12 - Rdnr. 21, NZA 2014, 922).
140Hier ist nicht ersichtlich, dass der Kläger den Willen hatte und ihn auch kundgetan hat, die innerbetriebliche Vergütungsordnung als arbeitsvertraglich maßgebend festzuschreiben. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass auch über die Entlohnung nach der neuen Vergütungsordnung, nicht nur über die Funktionszulage verhandelt wurde.
141(b) Nichts anderes ergibt sich aus den dargestellten Gründen aus der Personalveränderung vom 13.01.2014.
142(c) Die Kammer folgt jedoch der Auffassung der Beklagten, dass die Parteien mit der Personalveränderung vom 12.01.2015 den Lohn des Klägers mit Wirkung ab dem 01.01.2015 neu vereinbart haben. Das ergibt die Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Zugrundelegung der bereits dargestellten Auslegungskriterien.
143Schon nach ihrem Wortlaut beschränkt sich die Vereinbarung der Parteien nicht auf den Fortfall der Funktionszulage, auch wenn dieser in einem gesonderten Textblock hervorgehoben wurde. Die Parteien haben den Lohn des Klägers ersichtlich neu gestaltet. Statt einer jeweils befristet bewilligten Funktionszulage erhält er ab dem 01.01.2015 den Lohnbetrag, den er zuvor einschließlich der Funktionszulage als Gesamtlohn erhielt, ohne den befristet vereinbarten Lohnbestandteil von 100,00 € in einem festen Entgeltbetrag von 2.059,77 €. Dass dieser der zusätzlich ausdrücklich angegebenen Vergütungsgruppe „VGO/Anl.-2/L2“ der innerbetrieblichen Vergütungsordnung entspricht, hat der Kläger nicht bestritten.
144Soweit er sich in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, er habe nur den Willen gehabt, die Zahlung der Funktionszulage zu entfristen, ist dieser Wille in der Erklärung nicht zum Ausdruck gekommen. Maßgeblich ist nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (Palandt – Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 133 BGB Rdnr. 9).
145Ein lediglich auf die Erhöhung des Lohnes um den Betrag der bisher gezahlten Funktionszulage gerichteter Wille ergab sich für die Beklagte auch nicht aus der Interessenlage des Klägers zum Zeitpunkt der Einigung. Ihrer Interessenlage entsprach es, einen festen Monatslohn entsprechend der innerbetrieblichen Vergütungsordnung zu zahlen. Das Interesse war für den Kläger erkennbar. Sein Interesse kann es aus Sicht der Beklagten gewesen sein, sich unabhängig von dem Prozessausgang jedenfalls einen Lohn von 2.059,77 € monatlich zu sichern. Es kann aber auch in seinem Interesse gelegen haben, den bestehenden Konflikt für die Zukunft zu bereinigen und sich hinsichtlich seiner Entlohnung in die innerbetriebliche Vergütungsordnung einzureihen, um so eine gewisse Lohnentwicklung sicherzustellen. Letzterem entspricht der Zweck der Vereinbarung, wie er sich aus ihrem Wortlaut ergibt. Es sollte gerade nicht nur die Zahlung der Funktionszulage entfristet werden.
146Der Kläger hätte sein Einverständnis mit der Neuregelung seiner Vergütung unter den Vorbehalt stellen können, dass nicht rechtskräftig die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, ihn nach dem jeweils im Einzelhandel NRW geltenden Lohntarifvertrag zu vergüten. Ein solcher Vorbehalt lässt sich der Vereinbarung weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen.
147Im Ergebnis hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Lohndifferenz für Januar 2015 und Februar 2015 in Höhe von insgesamt 756,24 €.
148cc. Für das Jahr 2014 kann er die Differenz zwischen dem gezahlten Lohn und dem Entgelt nach § 2 Lohngruppe II Lohnstaffel b des Lohntarifvertrags verlangen. Ein Anspruch auf Vergütung aus der Lohnstaffel c besteht nicht.
149(1) Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass der Kläger ursprünglich bei Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft im Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe aus der Lohngruppe II Lohnstaffel c vergütet wurde. Er will an dieser Eingruppierung festhalten, während die Beklagte geltend macht, eine niedrigere Einstufung als die damals als zutreffend erachtete Lohngruppe sei richtig. Daraus folgt, dass sie die tatsächlichen Voraussetzungen für die als zutreffend angesehene Eingruppierung im Sinne der korrigierenden Rückgruppierung darlegen und beweisen muss (BAG, 20.03.2013 – 4 AZR 521/11 - Rdnr. 18, ZTR 2013, 615).
150Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (MTV) erfolgt die Festsetzung in einer besonderen Regelung, in dem jeweils gültigen Lohntarifvertrag. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 MTV wird der Arbeitnehmer in die seiner überwiegend ausgeübten Tätigkeit entsprechende Lohngruppe eingeordnet.
151Gemäß § 2 Abs. 1 des Lohntarifvertrags vom 10.12.2013 sind die gewerblichen Arbeitnehmer nach der von ihnen tatsächlich verrichteten Tätigkeit in eine der nachstehenden Lohngruppen einzugliedern, wobei die in den Lohngruppen aufgeführten Beispiele als Richtbeispiele gelten.
152Aus der Lohngruppe II des Lohntarifvertrags werden Arbeitskräfte für eine Tätigkeit vergütet, die ohne handwerkliche Vor- und Ausbildung ausgeführt wird. Dem entsprechen weitaus überwiegend die Beispiele in den Lohnstaffeln. Soweit dies wie bei dem Handelsfachpacker und dem Möbelfachpacker in der Lohnstaffel c nicht der Fall ist, haben die Tarifvertragsparteien eine vom Obersatz abweichende Sonderregelung getroffen, was in ihrer Regelungsbefugnis liegt (BAG 24.09.2008 – 4 ABR 83/07 - Rdnr. 15, NZA 2009, 224).
153Nach § 2 Lohngruppe II Lohnstaffel b werden Arbeitskräfte für Tätigkeiten vergütet, die in der Regel schweres Arbeiten erfordern. Als Beispiele sind die Tätigkeiten des Kommissionierers und des Lagerarbeiters genannt.
154Der Kläger ist als gewerblicher Mitarbeiter im Lager der Beklagten tätig.
155Die Lohnstaffel c erfordert gegenüber der Lohnstaffel b Tätigkeiten, die ein besonderes Geschick, Übung oder Erfahrung erfordern.
156Der Kläger erfüllt die Richtbeispiele der Lohnstaffel c nicht. Weder ist er überwiegend als Hubstaplerfahrer beschäftigt noch ist er Handelsfachpacker oder Möbelfachpacker. Er hat nicht vorgetragen, über eine Berufsausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik zu verfügen.
157Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich auch nicht, dass er Tätigkeiten verrichtet, die die Voraussetzungen des Obersatzes der Lohnstaffel c erfüllen.
158Zu den Aufgaben eines Lagerarbeiters gehören – wie vom Kläger geschildert – die Warenannahme, der Paketdienst, der Postversand, die Warenbewegung und die Warenausgabe. Es sind – wie auch die Beklagte einräumt – schwere körperliche Tätigkeiten. Nach dem Vortrag der Parteien sind die Hervorhebungsmerkmale der Lohnstaffel c jedoch nicht gegeben. Das folgt schon aus dem eigenen Vortrag des Klägers. Eine besondere Erfahrung ist nicht deshalb erforderlich, weil im Paketdienst dafür Sorge zu tragen ist, dass die eingehenden Postsendungen den richtigen innerbetrieblichen Adressaten erreichen. Die Kenntnis der Organisation ist bei jedem Lagerarbeiter vorauszusetzen, der im Rahmen des Paketdienstes oder der Warenbewegung Güter für Filialen oder innerbetriebliche Abteilung bereitstellen muss.
159Der Postversand stellt ebenfalls keine besonderen Anforderungen.
160Im Rahmen der Warenbewegung muss der Kläger Kommissionen für andere Filialen zusammenstellen und zu diesem Zweck auch das innerbetriebliche EDV-System nutzen. Da die EDV-gestützte Warenbewegung seit Jahren zum Alltag der Lagerlogistik, auch der Lagerarbeiter gehört – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – liegt es nicht auf der Hand, dass eine besondere Übung oder Erfahrung zur Aufgabenerfüllung von Nöten ist.
161Zu den jedem Lagerarbeiter nach dem Tätigkeitsbild obliegenden Aufgaben gehört dagegen nicht, Mietverträge mit Kunden über Mietfahrzeuge abzuschließen, die Fahrzeuge herauszugeben und entgegenzunehmen sowie auf Schäden zu kontrollieren. Diese Aufgabe mag Erfahrung erfordern.
162Eine besondere Geschicklichkeit mag auch bei der Montage von Kleinmöbeln und der Auslieferung von Möbeln an Kunden erforderlich sein.
163Die Abwicklung der Überlassung von Mietfahrzeugen an Kunden und die Kleinmöbelmontage bzw. die Möbelauslieferung stellen jedoch nicht die überwiegend von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit dar. Er hat selbst eingeräumt, nur bei Bedarf Möbel zu montieren, bei Bedarf zu Arbeiten in den Ausstellungsräumen herangezogen zu werden und nur gelegentlich Möbel an Kunden auszuliefern. Die Abwicklung der Fahrzeugmietverträge kann schon nach der Art der Aufgabe nicht so häufig anfallen, dass sie die Tätigkeit des Klägers entscheidungserheblich mitprägt.
164Letztlich ist er auch nicht der Behauptung der Beklagten entgegengetreten, dass er die gleiche Arbeit verrichtet wie die anderen aus der Lohnstaffel b vergüteten gewerblichen Mitarbeiter im Lager, keine herausgehobene Position mit besonderen Aufgaben hat, die sie sich nach den Anforderungen aus der Lohnstaffel b herausheben.
165(2) Für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.04.2014 beträgt der Tariflohn der Lohnstaffel b 2.063,00 €, für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 31.12.2014 2.106,00 €.
166Die Beklagte hat an den Kläger ein Grundgehalt ohne Zulagen von 1.916,88 € gezahlt. Für vier Monate ergibt sich eine Differenz von 146,12 € monatlich, für acht Monate von 189,12 € monatlich, insgesamt von 2.097,44 €.
167dd. Die Ansprüche sind nicht gemäß § 242 BGB verwirkt.
168Nach § 242 BGB verstößt die Geltendmachung eines Rechts im Rahmen einer Gesamtschau dann gegen Treu und Glauben, wenn der Gläubiger längere Zeit zugewartet hat, obwohl er in der Lage war, das Recht geltend zu machen, der Schuldner nach dem Verhalten des Gläubigers davon ausgehen konnte, Ansprüche würden nicht mehr gestellt werden, er sich darauf eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, und daraufhin eigene Dispositionen getroffen hat bzw. es ihm aufgrund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist, sich auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche einzulassen (LAG Rheinland-Pfalz, 28.10.2013 – 5 Sa 257/13 –, Rdnr. 43, Anwaltsblatt 2014, 274 m. w. N.). Zwischen den ein Vertrauen begründenden Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen sind, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (LAG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rdnr. 44 m. w. N.). Allerdings gilt die Einschränkung, dass, wer keine Kenntnis von einem möglichen Anspruch eines Dritten hat, auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen kann. Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber der Grundsatz von Treu und Glauben (BAG, 18.02.2003 – 3 AZR 160/02 – Rdnr. 63, EzA § 10 AÜG Nr. 11). Das für die Verwirkung eines Anspruchs erforderliche Umstandsmoment wird auch dann regelmäßig fehlen, wenn der Verpflichtete davon ausgehen muss, der Berechtigte kenne den ihm zustehenden Anspruch nicht (LAG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rdnr. 48).
169Der Kläger das Zeitmoment erfüllt, indem er über einen Zeitraum von neun Jahren trotz mehrerer Tariflohnerhöhungen eine entsprechende Anpassung seines Lohnes nicht verlangt hat.
170Es kann dahinstehen, ob er das erforderliche Umstandsmoment dadurch gesetzt hat, dass er die Personalveränderungen vom 19.12.2012 und 13.01.2014 unterzeichnet hat.
171Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie sich darauf eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, und dass sie daraufhin eigene Disposition getroffen hat. Sie hat eingeräumt, dass ihr die Erfüllung der klägerischen Ansprüche im Einzelfall nicht unzumutbar ist, hat aber auf das Gesamtvolumen der von vielen Arbeitnehmern geltend gemachten Ansprüche verwiesen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, welche Dispositionen sie in dem Vertrauen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, getroffen hat. Ob und welche anders lautenden Änderungsvereinbarungen sie mit welchen Arbeitnehmern hätte treffen können, ist offen.
172Zu berücksichtigen ist auch, dass sie selbst davon ausgegangen ist, mit dem Kläger Vereinbarungen getroffen zu haben, die eine tarifliche Vergütung ausschließen. Insofern hatte sie keine Kenntnis von möglichen Ansprüchen und konnte deshalb auch kein schützenswertes Vertrauen in das Ausbleiben der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Kläger entwickeln.
173ee. Er hat die Ausschlussfrist nach § 24 Abs. 1 c, Abs. 2 MTV, gemäß § 27 MTV am 01.05.2013 in Kraft getreten, gewahrt. Die Verfallfrist von sechs Monaten begann mit der Fälligkeit des ältesten Anspruchs aus Januar 2014 am Monatsschluss, § 10 Abs. 7 Satz 1 MTV, und endete am 31.07.2014. Sie wurde durch die am 11.07.2014 bei dem Arbeitsgericht Paderborn eingegangene, der Beklagten am 14.07.2014 zugestellte Klage gewahrt. Diese wahrt auch die Ausschlussfrist für die Ansprüche aus den Monaten Februar 2014 bis Juni 2014.
174Die Ausschlussfrist für die Ansprüche aus den Monaten Juli 2014 bis Dezember 2014 ist ebenfalls eingehalten worden.
175Zwar fordert § 24 MTV grundsätzlich die schriftliche Geltendmachung der Entgeltdifferenzen aus jedem einzelnen Monat. Die einmalige Geltendmachung reicht nach dem Wortlaut für künftige, noch nicht entstandene Ansprüche nicht aus. Eine Geltendmachung vor Entstehen eines Anspruchs widerspricht auch regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen (BAG, 16.01.2013 – 10 AZR 863/11 - Rdnr. 30, BAGE 144, 210).
176Etwas anderes gilt jedoch, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Das ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung kann die Ausschlussfrist auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Eine entsprechende Auslegung der tariflichen Ausschlussfrist kommt auch ohne ausdrückliche Regelung wie z.B. in § 37 TVöD in Betracht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird (BAG, 16.01.2013 a.a.O. Rdnr. 31).
177Hier leitet der Kläger seine monatlichen Ansprüche auf Zahlung einer Entgeltdifferenz aus einem bestimmten Sachverhalt her, der für die streitgegenständlichen Monate unverändert geblieben ist. Das zeigt sich schon in dem Antrag aus der Klageschrift auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn künftig ein monatliches Grundentgelt von 2.295,00 € zu zahlen.
178b. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 247 BGB.
179Prozesszinsen sind in Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem Tag zu zahlen, der auf den Tag der Klagezustellung folgt (BAG, 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06 - Rdnr. 35, NZA 2008, 464).
180Da die Beklagte den auf den Tag der Klagezustellung datierten Beginn der Verzinsung nicht mit der Berufung angegriffen hat, war insoweit keine Korrektur veranlasst.
181Die Berufungsschrift des Klägers ist ihr am 06.03.2015 zugestellt worden.
1822. Seine Feststellungsanträge sind gemäß § 256 Abs. 2 ZPO in der zuletzt gestellten Fassung zulässig, aber unbegründet, da die Parteien – wie ausgeführt – mit Wirkung zum 01.01.2015 eine die tarifliche Anbindung der Lohnentwicklung ablösende Lohnvereinbarung geschlossen haben.
183B.
184Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
185Unter Zugrundelegung eines Streitwertes von 10.889,86 € (36 Monate x 378,12 € Differenzbetrag x 80 %) hat der Kläger erstinstanzlich mit einem Betrag von 962,72 € obsiegt. Zweitinstanzlich hat seine Zahlungsklage mit einem Betrag von 2.097,44 € Erfolg gehabt.
186Die Zulassung der Revision für beide Parteien folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.