Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 07. Juli 2014 - 1 SHa 6/14

Gericht
Tenor
Das Arbeitsgericht Celle wird als zuständiges Gericht bestimmt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit einer am 23.12.2013 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten im Zusammenhang mit einem früheren Beschäftigungsverhältnis die Zahlung von Schadensersatz. Soweit sie mit dem Klageantrag zu 1) die Zahlung von 2.039,17 € geltend macht, wird die Klage mit der Nichtherausgabe von Gegenständen begründet.
4Durch Urteil des Arbeitsgericht Celle vom 23.03.2011 (2 Ca 310/10) wurde der Beklagte u. a. zur Herausgabe des mechanischen Notschlüssels für den von ihm früher genutzten Dienstwagen ( ) sowie verschiedener Kabel verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Ein Vollstreckungsversuch aus dem Urteil, mit dem die Herausgabe der Gegenstände erzwungen werden sollte, verlief am 21.05.2012 ergebnislos. Mangels Herausgabe macht die Klägerin nunmehr Wiederbeschaffungskosten für die Kabel in Höhe von 1.306,64 € sowie Kosten für den Austausch der Schließanlage an dem Dienstwagen in Höhe von 732,53 € geltend.
5In der Güteverhandlung am 26.02.2014 wies der Vorsitzende darauf hin, dass hinsichtlich des Klageantrags zu 1) eine ausschließliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Celle gegeben sein dürfte. Der Beklagtenvertreter erklärte, er werde sich zur Klage rügelos einlassen.
6Durch Verfügung vom 13.03.2014 hat das Arbeitsgericht Köln den Antrag zu 1) abgetrennt, die Parteien darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, das Verfahren an das Arbeitsgericht Celle zu verweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Beschluss vom 24.04.2014 hat es sich unter Bezugnahme auf §§ 893 Abs. 2, 802 ZPO für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Arbeitsgericht Celle verwiesen.
7Ohne Anhörung der Beteiligten hat sich auch das Arbeitsgericht Celle mit Beschluss vom 22.05.2014 für örtlich unzuständig erklärt und das Landesarbeitsgericht Köln zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts angerufen. Das Arbeitsgericht Celle ist der Auffassung, der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln sei nicht bindend, weil er offensichtlich rechtsfehlerhaft sei. Die Vorschriften, die von dem Arbeitsgericht Köln herangezogenen worden seien, regelten lediglich im Zwangsvollstreckungsrecht die Abgrenzung zwischen Vollstreckungsgericht und Prozessgericht, nicht jedoch die örtliche Zuständigkeit des Prozessgerichts. Insoweit seien §§ 12 ff. ZPO maßgeblich. Hinzu komme, dass sich der Vertreter des Beklagten rügelos eingelassen habe.
8II.
9Das Arbeitsgericht Celle ist zur Entscheidung des Verfahrens örtlich zuständig.
101. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Köln und Celle haben sich beide für unzuständig erklärt. Zuständig zur Bestimmung ist das Landesarbeitsgericht Köln (§ 36 Abs. 2 ZPO).
112. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Celle folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 24.04.2014. Gerichtliche Verweisungsbeschlüsse sind gemäß § 17 a) Abs. 2S. 3 GVG i. V. m. § 48 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG bindend. Die Bindungswirkung ist auch im Rahmen eines Bestimmungsverfahrens analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO maßgeblich (BAG v. 19.03.2003 – 5 AS 1/03 – BAGE 105, 305 ff. = NZA 2003, 683). Mangels gesetzlicher Ausnahmeregelung und unter Berücksichtigung der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist eine Abweichung von der Bindungswirkung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nur in engen Grenzen und nur zur Durchsetzung von Grundrechtspositionen, etwa bei der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei der Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1S. 2 GG) möglich (BVerfG v. 01.10.2009 – 1 BvR 1069/09 – bei juris).
12Ein Grundrechtsverstoß, der die Durchbrechung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung in § 17 a) Abs. 2 S. 3 GVG rechtfertigt, liegt im Streitfall nicht vor.
13a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör scheidet aus, denn das Arbeitsgericht Köln hat durch Schreiben vom 13.03.2014 den Parteien zu einer Verweisung an das Arbeitsgericht Celle rechtliches Gehör gewährt.
14b) Es liegt auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter vor, denn das Arbeitsgericht Celle ist der gesetzliche Richter.
15aa) Ausweislich der Klagebegründung verfolgt die Klägerin nach der vergeblichen Herausgabevollstreckung Schadensersatzansprüche. Für diesen Fall einer Zahlungsklage, mit der das Interesse nach fruchtlos verlaufener Zwangsvollstreckung geltend gemacht wird, sieht das Gesetz in § 893 Abs. 2 ZPO vor, dass ein solcher Anspruch bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen ist. Es ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur anerkannt, dass das Gesetz als „Prozessgericht“ sowohl hinsichtlich der sachlichen als auch der örtlichen Zuständigkeit das Gericht bestimmt, das den Herausgabetitel geschaffen hat (BGH v. 17.02.1997 – II ZR 343/95 – Rn. 3 – NJW 1997, 2245; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 893 Rn. 2 m.w.N.; MünchKomm.-Gruber, ZPO, 3. Aufl., § 893 Rn. 6; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, 5. Aufl., § 893 Rn. 2). Es handelt sich dabei um lex specialis für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, durch die die §§ 12 ff. ZPO vollständig verdrängt werden. Denn das Gesetz begründet gemäß §§ 893 Abs. 2, 802 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG einen ausschließlichen Gerichtsstand. Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht schon allein aus Gründen der Sachnähe im Zusammenhang mit dem Vorprozess an. Als Gericht, das den Herausgabetitel geschaffen hat, ist das Arbeitsgericht Celle das zuständige Gericht für die Schadensersatzklage wegen Nichtherausgabe dieser Gegenstände.
16bb) Eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die von dem Beklagten in der Verhandlung am 26.02.2014 erklärte rügelose Einlassung. In den Fällen eines – hier vorliegenden – ausschließlichen Gerichtsstands gemäß § 802 ZPO wird die Zuständigkeit eines Gerichts auch nicht durch rügelose Verhandlung zur Hauptsache begründet (§ 40 Abs. 2 S. 2 ZPO i. V. m.§§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG).
17II.
18Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 ZPO).

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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
Die in diesem Buch angeordneten Gerichtsstände sind ausschließliche.
(1) Die Vereinbarung hat keine rechtliche Wirkung, wenn sie nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechtsstreitigkeiten sich bezieht.
(2) Eine Vereinbarung ist unzulässig, wenn
In diesen Fällen wird die Zuständigkeit eines Gerichts auch nicht durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache begründet.