Finanzgericht München Urteil, 12. Mai 2014 - 7 K 3486/11

bei uns veröffentlicht am12.05.2014

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob im Streitjahr 2009 vorausbezahlte Kosten einer Zahnbehandlung in Höhe von 45.000 € in diesem Jahr als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erhielt im Jahr 2009 von seinem früheren Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 250.000 € für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008.

In der Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger insgesamt 48.534,47 € für Krankheitskosten geltend. Darin enthalten sind 45.000 € für eine Rechnung der Zahnärzte … vom 8.12.2009, die der Kläger am 10.12.2009 überwiesen hat. Laut der beigefügten Rechnung entfiel die in Rechnung gestellte Summe auf Abschlagszahlungen für Chirurgie Oberkiefer, Provisorium Unterkiefer, Zahnersatz Oberkiefer und Unterkiefer und Chirurgie Unterkiefer. Da der Kläger der Aufforderung des beklagten Finanzamts, wegen des möglicherweise vorliegenden Tatbestands eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abgabenordnung (AO) eine Abrechnung des Zahnarztes über die im Kalenderjahr 2009 tatsächlich erbrachten Leistungen und die damit in 2009 entstandenen Kosten beizubringen nicht nachkam, schätzte das Finanzamt die in 2009 angefallenen Aufwendungen mit 15.000 €. Unter Berücksichtigung weiterer unstrittige Krankheitskosten in Höhe von 3534 € und nach Abzug einer zumutbaren Belastung in Höhe von 17.613 € zog das Finanzamt  im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15. Februar 2011 einen Betrag von 921 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte ab. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und machten geltend, dass ausschließlich das Abflussprinzip gemäß § 11 Abs. 2 EStG gelte und § 42 AO in diesem Fall keine Anwendung fände. Eine leistungsbezogene Abgrenzung analog einem bilanzierenden Kaufmann, wie sie das Finanzamt vorgenommen habe, sei mit diesen Grundsätzen unvereinbar. Bei den in 2009 geleisteten Abschlagszahlungen habe es sich um keine Vorauszahlungen „ins Blaue hinein“ gehandelt, sondern um kostendeckende leistungsgerechte Vorauszahlungen für die Gesamtbehandlung, welche sich auf Grund der schwierigen Gesundheitsverhältnisse des Klägers in die Länge ziehe und die derzeit (im März 2011) noch nicht habe endgültig abgeschlossen werden können.

Auf die Aufforderung des Finanzamts, einen Heil- und Kostenplan bzw. Kostenvoranschlag des Zahnarztes für die Zahnbehandlung vorzulegen, eine Zwischenabrechnung für die bis zum 31.12.2009 erbrachten Leistungen sowie eine Endabrechnung, legten die Kläger die Abrechnung des Zahnarztes vom 10.01.2001 (Heil- und Kostenplan Teil 2a), vom 21.01.2011 (Heil- und Kostenplan Teil 2b) und ein Schreiben der …-Betriebskrankenkasse vom 03.02.2011 vor. Als Grund für die Vorauszahlung der Zahnbehandlungskosten nannten die Kläger eine mit dem Zahnarzt abgeschlossene Festpreisvereinbarung in Höhe von 45.000 €, um Sicherheit darüber zu erhalten, in welcher Höhe sich die zu erbringenden Eigenleistungen des Klägers belaufen würden. Aufgrund der getroffenen Festpreisvereinbarung sei es für den Kläger klar gewesen, dass sich die Gesamtkostensumme nicht mehr verändern werde und sich allenfalls kleine Nachzahlungen wegen geringfügiger Zahnarztleistungen ergeben könnten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 24. November 2011).

Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen zur Begründung vor, für die im Juli 2009 begonnene Behandlung, welche erst im Juli 2011 habe abgeschlossen werden können, sei zunächst die Höhe der zu erwartenden Eigenkosten für den Kläger nicht absehbar gewesen. Deshalb habe er eine verbindliche Festkostenvereinbarung angestrebt. Diese sei Ende 2009 zustande gekommen unter der Voraussetzung, dass der vereinbarte Festkostenbetrag von 45.000 € innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt bezahlt werde. Daher sei der mit der Rechnung vom 8.12.2009 ausgewiesene Gesamtbetrag von 45.000 € per 10.12.2009 an die Zahnklinik überwiesen worden. Die Vereinbarung sei wirtschaftlich sinnvoll gewesen, um einen Überblick über die vom Kläger selbst zu tragenden voraussichtlichen Kosten zu erhalten, dies umso mehr, als ein von der Krankenversicherung geleisteter Zuschuss von insgesamt nur rund 1190 € zu erwarten gewesen sei. Unter Einbeziehung auch der zu erwartenden Steuerermäßigung nach § 33 EStG habe sich ergeben, dass diese zahnärztliche Maßnahme für den Kläger unter Einsatz eines Teilbetrages aus der erhaltenen Abfindung finanzierbar gewesen sei. Sowohl die der Klarheit und Bestimmtheit dienende Festpreisvereinbarung als auch die Erzielung einer maximalen Steuervergünstigung sei letztlich der ausschlaggebende wirtschaftliche Grund bzw. Anlass der Vorausleistung zur Abgeltung sämtlicher künftig anfallender Gesamtmaßnahmekosten in Höhe von 45.000 € gewesen. Die Zahnarztleistungen seien entsprechend der vorherigen Festpreisvereinbarung in der Zeit bis Mitte 2011 vollumfänglich erbracht worden, wobei sich weder Überzahlungen noch Nachzahlungen ergeben hätten. Bei der im Rahmen des § 33 EStG anzuwendenden Regelung des § 11 EStG könne nach der Rechtsprechung kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO vorliegen. Ursache für die lange Behandlungsdauer und die Kostenhöhe sei der in die Behandlung einzubeziehende übrige Gesundheitszustand des Klägers. Die Kläger legen ein Konvolut von Rechnungen des behandelnden Zahnarztes über die streitgegenständliche Zahnbehandlung vor, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Bei der vom Finanzamt vertretenen Auffassung sei es unklar, wie der im Streitjahr nicht berücksichtigte Teil der Kosten zu behandeln sei. Gegebenenfalls werde eine analoge Anwendung des Schreibens des BMF vom 19. August 2013 IV C 3 – S 2221/12/10010:004, BStBl I 2013, 1087 beantragt.

Zum Nachweis, dass eine Festkostenvereinbarung getroffen worden sei, legen die Kläger ein Schreiben der … ohne Datum vor,  in dem für die Behandlung ein "Festpreis mit Vertrauens-Garantie" in Höhe von 45.002 € genannt wird mit folgender Fußnote: "das voraussichtliche Honorar ist auf der Grundlage des derzeitigen Befundes berechnet. Sollte sich dieser nicht ändern, ist der oben genannte Betrag ein Festpreisangebot. Die Garantiebedingungen können am Empfang der Praxis eingesehen werden. Bei gesetzlich versicherten Patienten entspricht die oben genannte Summe dem maximal selbst zu bezahlenden Anteil. Die gesetzliche Krankenkasse beteiligt sich an den chirurgischen Kosten nicht. Für die prothetische Versorgung gewährleistet die gesetzliche Krankenkasse einen Zuschuss“.

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen sei derzeit ein Verfahren beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 4 K 1970/10 anhängig. Im Hinblick auf eine bundeseinheitliche Regelung bezüglich der Verfahrensweise werde angeregt, die Bearbeitung insoweit vorerst zurückzustellen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2011 dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 48.534 € ohne Kürzung um die zumutbare Belastung abgezogen werden und die Einkommensteuer auf dieser Grundlage neu berechnet wird. Hilfsweise wird die Zulassung der Revision beantragt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und führt zur Begründung an, dass aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen klar ersichtlich sei, dass die Behandlung zum größten Teil erst in den Kalenderjahren 2010 und 2011 erfolgt sei. Die darauf entfallenden Kosten seien dem Kläger damit im Jahr 2009 nicht zwangsläufig entstanden. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen erfolgten im Kalenderjahr 2009 kieferorthopädische Behandlungen an vier Tagen, die Gesamtkosten dieser Behandlung beliefen sich auf 6681,08 €. Das Finanzamt habe im Schätzungswege jedoch bereits 15.000 € für Leistungen des Zahnarztes als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Vorauszahlungen auf Behandlungskosten, welche zeitnah, d.h. im ersten Halbjahr 2010 angefallen seien, seien ebenfalls mit dem vom Finanzamt angesetzten Betrag abgegolten. Aus dem Umstand, dass die Heil- und Kostenpläne erst am 11.1.2011 und 21.1.2011 erstellt und dieses Kostenzuschüsse erst am 3.2.2011 von der Betriebskrankenkasse genehmigt worden seien, die Eingliederung des Zahnersatzes erst Ende 2011 erfolgt sei und die Schlussabrechnungen betreffend die Heil- und Kostenpläne Nummer drei und Nummer vier erst am 2.3.2012 erstellt worden seien ergebe sich, dass die Erstellung und auch Bezahlung der "Pauschalrechnung" Höhe von 45.000 € im Dezember 2009 nur zur Erzielung eines steuerlichen Vorteils erfolgt sei, da die Berücksichtigung des Gesamtbetrages im Rahmen des § 33 EStG aufgrund der hohen Abfindungszahlungen 2009 zu einer enormen steuerlichen Vergünstigung führen würde. Obwohl die Rechnung vom 8.12.2009 nicht detailliert aufgeschlüsselt sei, habe der Kläger gleichsam ins "Blaue hinein" Zahlungen geleistet, ohne genau zu wissen, welche Leistungen er erhalten werde. Auch einer Kostenvereinbarung müsse ein Kostenplan zu Grunde liegen. Wirtschaftliche außersteuerliche Gründe für die Bezahlung der Gesamtsumme in 2009 seien nicht erkennbar. Es sei im Übrigen anhand der nunmehr vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang die Sanierung des gesamten Gebisses im Rahmen der einheitlichen Maßnahme medizinisch indiziert gewesen sei. Nach § 33 Abs. 1 EStG seien nur solche Kosten berücksichtigungsfähig, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel aufgewendet werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Vorbeugende Maßnahmen gehörten nicht zu den Krankheitskosten.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2014 wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO angenommen.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf.  Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten hält die Rechtsprechung zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 543 m.w.N.). Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch indizierte Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Auch Aufwendungen für Zahnprothesen und Zahnimplantate sind Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich abzugsfähig (vgl. FG Berlin, Urteil vom 18. Dezember 1980 IV 51/79, EFG 1981, 293; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. November 2007 2 K 5507/04 B; EFG 2008, 544). Nach diesen Grundsätzen fallen auch die Kosten für die vom Kläger in den Jahren 2009 bis 2011 vorgenommenen Zahnbehandlung unter die zwangsläufig entstandenen Kosten im Sinne des § 33 EStG.

Die zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten sind in der Höhe als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, in der sie eine endgültige Belastung des Steuerpflichtigen bedeuten. Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 EStG. Das bedeutet, dass die außergewöhnliche Belastung grundsätzlich im Veranlagungszeitraum der Verausgabung, vermindert um zu erwartende Ermäßigungen zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 30. Juli 1982 VI R 67/79, BStBl II 1982, 744). Nach § 11 Abs. 2 EStG wären im Streitfall daher grundsätzlich die vom Kläger am 10. Dezember 2009 als Vorauszahlung geleisteten 45.000 € für die Zahnbehandlung im Streitjahr 2009 zu berücksichtigen.

Ein zum Abzug im Jahr der Verausgabung in voller Höhe berechtigender Zahlungsabfluss liegt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH dann nicht vor, wenn zum Steuerabzug berechtigende Kosten ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund vorausgezahlt werden, weil die Vorauszahlung in diesem Fall einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellt (BFH-Urteil vom 23. September 1986 IX R 113/82, BStBl II 1987, 219; vom 11. August 1987 IX R 163/83, BStBl II 1989, 702). Nach § 42 Abs. 2 AO liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Liegt ein Missbrauch vor, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).

Im Streitfall liegt kein wirtschaftlich vernünftiger außersteuerrechtlicher Grund dafür vor, dass der Kläger die gesamten Kosten der sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahren erstreckenden Zahnbehandlung bereits bei Beginn der Behandlung – zu einem Zeitpunkt, in dem der größte Teil der Behandlung noch bevorstand und insbesondere die kostenintensiven prothetischen Maßnahmen noch nicht erbracht wurden - im Dezember 2009  vorausbezahlt hat. Dass – wie vorgetragen – in Höhe der vorausbezahlten Summe von 45.000 € mit der behandelnden Zahnklinik bzw. dem Zahnarzt eine Festkostenvereinbarung getroffen worden ist, trifft bei näherer Prüfung der getroffenen Vereinbarung nicht zu. Eine Festkostenvereinbarung könnte als wirtschaftlich vernünftiger Grund für eine Vorauszahlung der gesamten Behandlungskosten anzuerkennen sein, wenn sich das genaue Ausmaß der Behandlung noch nicht mit hinreichender Sicherheit absehen lässt und dem Steuerpflichtigen dadurch das Risiko genommen wird, dass die Behandlungskosten aufgrund unvorhersehbarer Maßnahmen höher werden als geplant. Eine solche Vereinbarung wurde jedoch nicht getroffen. In der Rechnung vom 8. Dezember 2009, aufgrund derer der Kläger die Zahlung geleistet hat, ist von einem Festpreis nicht die Rede. Vielmehr wird in dieser pauschal ein Betrag von 45.000 € in Rechnung gestellt, wobei in der Aufschlüsselung von „Abschlagszahlungen“ für Chirurgie Oberkiefer, Provisorium Unterkiefer und von „Vorauszahlungen“ Zahnersatz Oberkiefer, Unterkiefer und „Vorauszahlungen“ Chirurgie Unterkiefer die Rede. Eine Abschlagszahlung ist im Rechtsverkehr (vgl. § 632a Bürgerliches Gesetzbuch) eine Form der Teilzahlung für bereits erbrachte Leistungen, die unter dem Vorbehalt der endgültigen Abrechnung steht. Eine Vorauszahlung stellt dagegen eine Bezahlung der Vergütung dar, bevor der Unternehmer die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat. Das von den Klägern vorgelegte Schreiben der Klinik ohne Datum mit der Mitteilung der vom Kläger selbst zu tragenden Summe von 45.002 € bezeichnet diesen Betrag zwar als „Festpreis mit Vertrauens-Garantie“. Aus dem Kleingedruckten in der Fußnote des Schreibens ergibt sich jedoch, dass es sich tatsächlich um keinen Festpreis handelt. Vielmehr wird dort ausgeführt, dass das voraussichtliche Honorar auf der Grundlage des derzeitigen Befundes berechnet ist. Sollte sich dieser nicht ändern, stellt der genannte Betrag ein Festpreisangebot dar. Damit steht der genannte Preis unter dem Vorbehalt, dass sich der Befund, auf dessen Grundlage das Honorar berechnet wurde, nicht ändert und stellt damit nichts anderes als einen Kostenvoranschlag dar. Ein Kostenvoranschlag, der den Kläger über die zu erwartenden Kosten informiert und von der Krankenkasse regelmäßig gefordert wird, setzt jedoch, was keiner besonderen Begründung bedarf, keine Vorauszahlung der berechneten Summe voraus. Damit verbleibt als Grund für die Vorauszahlung im Dezember 2009, wie auch von den Klägern selbst eingeräumt wird, die Erzielung eines maximalen Steuervorteils, der sich vor allem daraus ergibt, dass der Kläger wegen der im Streitjahr erhaltenen Abfindung in Höhe von 250.000 € einer hohen Steuerprogression unterlag. Eine Gestaltung, die alleine der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist, ist jedoch unangemessen und damit missbräuchlich im Sinne von § 42 AO (Druen in Tipke/Kruse, AO, § 42 Rz. 33 m.w.N.).  In Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts angemessen wäre es vielmehr gewesen, wenn der Kläger keine Vorauszahlung für die Zahnbehandlung geleistet hätte, sondern – wie üblich - erst bezahlt hätte, nachdem die zahnärztliche Behandlung erbracht worden ist. Auch eine Bezahlung gesondert abrechenbarer Teilleistungen, nachdem die jeweiligen Teilleistungen erbracht worden sind, wäre noch wirtschaftlich angemessenen gewesen. Mit einer Vorauszahlung des gesamten zu erwartenden Rechnungsbetrages setzte sich jedoch der Kläger dem Risiko aus, dass er bei einer mangelhaft erbrachten Leistung des Zahnarztes nicht mehr die Möglichkeit hat, die Vergütung zu verweigern um ein Druckmittel gegenüber dem Zahnarzt zu haben, Nachbesserungsmaßnahmen zu erbringen bzw. wenn dies nicht möglich ist, das Honorar ganz oder teilweise zu kürzen (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. März 2011 VI ZR 133/10, NJW 2011, 1674).

Rechtsfolge der Anwendung des § 42 AO im Streitfall ist, dass als außergewöhnliche Belastung nur der Teil der Kosten der Zahnbehandlung im Streitjahr abzugsfähig ist, der im Falle einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre. Es braucht nicht darüber abschließend entschieden werden, ob es noch alles angemessen angesehen werden könnte, wenn der Zahnarzt dem Kläger den noch im Streitjahr vorgenommene Teil der Behandlung in Rechnung gestellt hätte, denn das Finanzamt hat im Schätzungswege von den gesamten Behandlungskosten im Streitjahr 15.000 € berücksichtigt. Dies ist unstreitig mehr, als auf die noch im Jahr 2009 durchgeführte Behandlung entfällt.

2. Die Kürzung der dem § 33 EStG unterfallenden Aufwendungen um die zumutbare Belastung ist nicht verfassungswidrig. Der Senat sieht deshalb keinen Grund, die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht –BVerfGG- vorzulegen. Zur Begründung wird auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 4 K 1970/10, EFG 2012, 2205 verwiesen. Dass der 6. Senat des BFH in jenem Verfahren auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision zugelassen hat (Az. VI R 32/13), ist kein Grund, das vorliegende Verfahren nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, da BFH-Entscheidungen keine allgemeine Bindungswirkung zukommt (Brandis in Tipke/Kruse, FGO, § 74 Rz. 14).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wegen der beim BFH anhängigen Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

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(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1)1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.3Der Steuerpflichtige kann Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38a Absatz 1 Satz 2 und 3 und § 40 Absatz 3 Satz 2.5Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(2)1Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.2Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.3Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Satz 3 ist auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.5§ 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.6Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1)1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.3Der Steuerpflichtige kann Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38a Absatz 1 Satz 2 und 3 und § 40 Absatz 3 Satz 2.5Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(2)1Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.2Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.3Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Satz 3 ist auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.5§ 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.6Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.



Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Ansatz einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten.

2

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr (2008) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2008 machten die Kläger Krankheitskosten in Höhe von 1.098 € als außergewöhnliche Belastung geltend.

3

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03. Mai 2010 sah der Beklagte die Krankheitskosten ohne weitere Prüfung dem Grunde nach als abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung in Höhe von 38.787 €, nämlich 6 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte von 646.456 €, ergab sich jedoch kein Abzug als außergewöhnliche Belastung.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2010 aus, dass aufgrund des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG- nur der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteige, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden könne. Die Höhe der zumutbaren Belastung betrage gemäß § 33 Abs. 3 EStG im Falle der Kläger 6 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte. Damit müsse der Steuerpflichtige entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit einen Teil der Belastung selbst tragen. Dies sei verfassungsgemäß, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 X R 61/01, BStBl II 2008, 16/22, m.w.N.; Schmidt/Loschelder EStG, 29. Auflage 2010, § 33 Rz 31). Der gegenteiligen, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden und in der vorgenannten Fundstelle (Schmidt/Loschelder EStG, 29. Auflage 2010, § 33 Rz 31) erwähnten Auffassung (Paus, DStZ 2006, 373; Kosfeld FR 2009, 366) könne der Beklagte nicht folgen. Er sei als Organ der Exekutive nach dem Prinzip der Gewaltenteilung an die Gesetze gehalten (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die geltend gemachten Aufwendungen wurden im Klageverfahren auf 1.249,07 € erhöht. Es handelt sich um folgende als Krankheitskosten geltend gemachte Aufwendungen:

4

Dres. K., Zahnärzte, Airflow Zahnreinigung

        

bzw. Zahnreinigung mit Ultrasonic-Scaler

237,80 €

Zuzahlungen gem. § 28 Abs. 4 SGB V

50,00 €

MVZ Laboratoriumsmedizin X

17,49 €

M.d./Univ. A.R. K.

150,69 €

Klinikum M (Zweibettzimmerzuschlag)

250,25 €

Klinikum M

289,26 €

Klinikum Y

102,52 €

Zuzahlung für den stationären Krankenhausaufenthalt

60,00 €

Aufwendungen für Medikamente

91,06 €

(davon 15,- € für Medikamentenzuzahlungen)

        

Gesamt

1.249,07 €

        
5

Sämtliche Kosten, die vorliegend nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen worden seien, seien zwangsläufig entstanden, da sich die Kläger diesen aus tatsächlichen Gründen nicht hätten entziehen können. Bei Krankheitskosten sei stets zu unterstellen, dass die Kosten zwangläufig entstanden seien. Einer nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit im Einzelfall bedürfe es hier nicht (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. April 2005 III R 45/03, BStBl II 2005, 602). Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG- zur zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG, wonach eine zumutbare Belastung verfassungsgemäß sei, solange dem Steuerpflichtigen insgesamt ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege, sei seit dem Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) zum Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen nicht mehr auf den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen in der Kranken- und Pflegeversorgung übertragbar. Das BVerfG habe im Beschluss vom 13. Februar 2008 für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung dem subjektiven Nettoprinzip über Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG- i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG unmittelbaren Verfassungsrang eingeräumt, der es erfordere, dass der hierfür aufgebrachte Teil des Einkommens von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen sei. Das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum müsse einem Steuerpflichtigen nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben, sondern sei bereits im Rahmen der steuerlichen Bemessungsgrundlage vollständig auszunehmen. Dies werde vom BVerfG aus dem Grundgedanken der Subsidiarität abgeleitet, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge habe. Die Kläger, denen durch Krankheit zwangsläufig und existenziell notwendige Aufwendungen entstanden seien, dürften nicht mit den Steuerpflichtigen gleichgestellt werden, die bei im Übrigen gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen keine Krankheitskosten zu tragen gehabt hätten. Es sei ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG. Insbesondere könne dies nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass den Klägern ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums verbleibe. Auch oberhalb der Grenze des Existenzminimums sei das Gebot der Steuergerechtigkeit, konkretisiert durch das subjektive Nettoprinzip, im Bereich der Kranken- und Pflegeversorgung ebenso wie im Rahmen des Familienlastenausgleichs verfassungsrechtlich geboten. Ebenso fordere das BVerfG in ständiger Rechtsprechung eine realitätsgerechte, den entsprechenden Bedarf abdeckende Steuerfreiheit des Existenzminimums. Es seien keine Gründe erkennbar, die eine Eigenbeteiligung bei Krankheitsaufwendungen rechtfertigen würden. Eine solche Eigenbeteiligung im Wege einer sog. zumutbaren Belastung würde letztendlich darauf hinauslaufen, ein variables Existenzminimum des Steuerpflichtigen zu unterstellen. Auch Bezieher höherer Einkommen hätten ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf gleichheitskonforme Besteuerung. Kläger des Ausgangsverfahrens des BVerfG Beschlusses vom 13. Februar 2008 sei ein Rechtsanwalt mit Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von ca. 431.000 DM gewesen. Das BVerfG habe hier zu Recht die gleichheitswidrige Behandlung nicht - wie der Beklagte – mit der Begründung gerechtfertigt, dass nach Abzug der Steuern ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums verbleibe.

6

Durch den Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 sei der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 01. Januar 2010 gezwungen worden, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig von der steuerlichen Bemessungsgrundlage zum Abzug zu bringen. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, wie mit den zahlreichen Zuzahlungen und den von der Krankenversicherung nicht abgedeckten Krankheitskosten zu verfahren sei. Insbesondere nach der Systemumstellung der gesetzlichen Krankenversicherung zum 01. Januar 2004 gehörten hierzu zahlreiche Aufwendungen mit erheblicher Breitenwirkung. So würden neben den Krankenkassenbeiträgen zahlreiche Zuzahlungen erhoben; z.B.: die sogenannte ärztliche Praxisgebühr, Zuzahlungen für ärztlich verordnete Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Zuzahlungen im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung oder einer Rehabilitation. Hinzu komme, dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung konstant gekürzt werde. So erfolge etwa keine Kostenübernahme für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel oder Sehhilfen und eine nur anteilige Kostenübernahme für Zahnersatz, obwohl hier in aller Regel eine eindeutige medizinische Indikation vorliege. Das gesetzliche Krankenversicherungssystem beruhe auf dem Sachleistungsprinzip. Die Bereitstellung von erforderlichen medizinischen Leistungen erfolge in Natura durch die Krankenkasse. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung sei im fünften Sozialgesetzbuch kodifiziert. Der Patient nehme die  Leistungen in Anspruch, erhalte aber dafür keine Rechnung vom Leistungserbringer, beispielsweise dem Arzt, dem Krankenhaus oder der Apotheke. Der Leistungserbringer rechne vielmehr die Leistungen direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Krankenkasse ab. Die zahlreichen, als Zuzahlung bezeichneten Eigenbeteiligungen sollten das Kostenbewusstsein der Versicherten stärken und damit die Wirtschaftlichkeit der Krankenkassen fördern. Durch die Zuzahlungen werde das Sachleistungssystem als solches nicht tangiert; die Zahlungsflüsse blieben im Grundsatz unangetastet. Die an den unmittelbaren Leistungserbringer geleisteten Zuzahlungen würden zwar nicht an die Krankenkassen weitergeleitet, jedoch verringere sich dadurch der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber der Krankenkasse / Kassenärztlichen Vereinigung. Es handele sich demnach um eine Aufrechnung, als wirtschaftlicher Empfänger und rechtlich Berechtigter der Zuzahlungen sei weiterhin die Krankenkasse anzusehen. Personenkreise, denen eine Zuzahlung nicht zugemutet werden könne, seien unter Anwendung bestimmter Belastungsgrenzen von der Zuzahlung befreit. Hierzu gehörten beispielsweise Versicherungsnehmer, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem zweiten Sozialgesetzbuch, wie Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld oder etwa BaföG erhielten. Damit setze der Sozialgesetzgeber für Bedürftige einen Mindeststandard medizinischer Versorgung fest, indem Arztbesuche, verordnete Medikamente oder etwa Krankenhausaufenthalte ohne Eigenanteil gewährleistet würden. Erhebliche Breitenwirkung hätten auch die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht (mehr) übernommenen Krankheitskosten im Rahmen der medizinischen Basisversorgung. So erfolge beispielsweise für Zahnersatz nur noch ein befundbezogener und gestaffelter Festkostenzuschuss; für Sehhilfen erfolge keine Übernahme der Kosten. Die medizinische Versorgung mit Zahnersatz sei allerdings weiterhin im Leistungskatalog enthalten. Dadurch erfolge hier eine vollständige Kostenübernahme beispielsweise für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Empfänger von Sozialgeld. Gesetzliche Zuzahlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht abgedeckte Krankheitskosten würden jedoch gegenwärtig nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassen. De lege lata würden diese Aufwendungen vielmehr nur als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) berücksichtigt. Jedoch führe dies im Regelfall zu keinem einkommensmindernden Effekt. Die außergewöhnlichen Belastungen müssten hierfür nämlich die dem Steuerpflichtigen sogenannte „zumutbare Belastung" übersteigen. Nur der Teil, der die zumutbare Belastung übersteige, werde steuermindernd berücksichtigt. Die Höhe der zumutbaren Belastung sei in § 33 Abs. 3 EStG geregelt. Diese sei gestaffelt und betrage zwischen 1 v.H. und 7v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte. Der konkrete Prozentsatz richte sich nach dem Einkommen, dem Familienstand und der Zahl der Kinder, für die der Steuerpflichtige einen Anspruch auf den Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld habe. Beispielsweise betrage die zumutbare Belastung 4.200 € für einen Alleinstehenden mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 60.000 €. Sollten diesem außergewöhnliche Belastungen unterhalb von 4.200 € entstanden sein, würden diese vollständig nicht berücksichtigt und der Steuerpflichtige müsse diese zwangsläufigen Aufwendungen vollständig aus versteuertem Einkommen tragen. Selbst sozial schwachen Steuerpflichtigen unterstelle § 33 Abs. 3 EStG eine „zumutbare Belastung". So müsse etwa ein Steuerpflichtiger mit drei Kindern und einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 16.000 € Krankheitsaufwendungen für sich und seine Kinder in Höhe von bis zu 160 € vollständig aus versteuertem Einkommen tragen. Diese Regelung führe in der Praxis dazu, dass es in den meisten Fällen zu keiner Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlungen oder der von der Krankenkasse nicht abgedeckten Krankheitskosten komme, da die „zumutbare Belastung" nicht überschritten werde. Grundsätzlich räume das BVerfG dem Steuergesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes (und dementsprechend auch für Abzugsverbote) einen relativ hohen Gestaltungsspielraum ein, der jedoch verfassungsrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip und durch die Grundrechte beschränkt sei. Dabei gelte der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als die Fundamentalnorm staatlicher Verteilungsgerechtigkeit. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts werde der Gleichheitssatz bereichsspezifisch im sog. Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert. Demnach dürfe ein Steuerpflichtiger nur nach seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit belastet werden. Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit müssten auch gleich hoch besteuert werden. Die Gleichheit aller Steuerpflichtigen verlange demnach, dass jeder gleichmäßig - je nach Grad seiner individuellen Leistungsfähigkeit - zur Finanzierung der Staatsaufgaben beitrage. Dies gelte auch für Bezieher höherer Einkommen, da auch diese ein Recht auf horizontale Steuergerechtigkeit hätten. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete, dass Gleichheit insbesondere schon bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage stattfinde und nicht - in Höhe einer scheinbar „zumutbaren Belastung" -wesentlich Ungleiches gleich behandelt werde. Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip leite sich das Nettoprinzip ab. Ein Unterfall des Nettoprinzips sei das subjektive Nettoprinzip, welches erfordere, dass notwendiger existenzsichernder Aufwand und individuelle persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Steuerlast hinreichend berücksichtigt würden. Bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten sei ausschließlich das subjektive Nettoprinzip betroffen. Dieses Prinzip finde seinen Ausdruck im Einkommensteuerrecht darin, dass der typisierte Grundfreibetrag keiner Besteuerung unterworfen werde und daneben die individuellen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt würden. Das subjektive Nettoprinzip habe nach der h.M. im Schrifttum Verfassungsrang und stehe damit nicht zur Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers. Dies werde nicht nur aus dem Gleichheitssatz mit seinem Vergleichsmaßstab der individuellen Leistungsfähigkeit, sondern auch aus der verfassungsrechtlich garantierten Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), das freiheitsrechtlich begründete Eigentumsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 14 Abs. 1 GG) sowie dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG; Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) hergeleitet. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BVerfG fordere das Grundgesetz, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener und realitätsgerechter Höhe - unabhängig von der jeweiligen Höhe des Einkommens - von der Einkommensteuer bereits bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage freigestellt werde. Was als existenznotwendiger Aufwand anzusehen sei, werde regelmäßig im Sozialrecht konkretisiert. An diesen Maßstäben habe sich auch der Steuergesetzgeber zu orientieren. Denn das  fundamentale Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit habe sein Spiegelbild im Sozialrecht. Während das Steuerrecht dem Leistungsfähigen die Mittel nehme, gebe das Sozialrecht daraus dem Bedürftigen. Dementsprechend sei für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen. Im Bereich der Kranken- und Pflegeversorgung habe das BVerfG im Beschluss vom 13. Februar 2008 zum Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen seine Methodik zum subjektiven Nettoprinzip im Rahmen des Familienlastenausgleich auf die Kranken- und Pflegeversorgung übertragen. Der Steuergesetzgeber habe demnach das Existenzminimum in Höhe der typisierten Grundfreibeträge zuzüglich der individuellen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen für den Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie vollständig steuerfrei zu stellen. Nur hinsichtlich des Teils des Einkommens, welches das so definierte Existenzminimum überschreite, könne eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen angenommen werden, welche eine Einkommensteuerbelastung und damit letztendlich auch eine Finanzierung des Sozialstaats rechtfertige. Welche Aufwendungen das steuerliche Existenzminimum berührten sei durch das Sozialhilferecht determiniert. Für die nähere Konkretisierung des steuerlichen Existenzminimums stelle das BVerfG auf den sozialhilfegleichen Mindestversorgungsstandard ab, der durch die staatliche Fürsorge Mittellosen gewährt werde. An diesen Regelungen habe sich auch der Steuergesetzgeber folgerichtig zu orientieren. Nach den Regelungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitssuchende werde die Übernahme von Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung staatlich gewährleistet. Ferner seien Steuerpflichtige aus niedrigeren Einkommensgruppen von gesetzlichen Zuzahlungen befreit. Dementsprechend gebiete es Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG, dass ein sozialhilfegleiches Versorgungsniveau in voller Höhe aus steuerfreiem Einkommen bestritten werden könne. Zuzahlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und von der Krankenkasse nicht abgedeckte Leistungen müssten daher vollständig und in unbegrenzter Höhe die einkommensteuerrechtliche Bemessungsgrundlage mindern.

7

Hinsichtlich der Zuzahlungen sei in § 62 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –SGB- V für Sozialleistungsempfänger eine Belastungsgrenze in Höhe von 88,76 € für 2008 festgelegt worden. Sofern diese Belastungsgrenze überschritten werde, würden durch den Sozialleistungsträger die Zuzahlungen vollständig erstattet. Damit werde im Sozialrecht ein Mindeststandard definiert, der folgerichtig im Steuerrecht Berücksichtigung finden müsse.
Die Einordnung von gesetzlichen Zuzahlungen im Rahmen der Krankenversicherung und andere nicht abgedeckte Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung wirkten sich in Höhe der zumutbaren Belastung jedoch faktisch wie eine Abzugsbeschränkung aus. Insbesondere könne dies nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass dem Steuerpflichtigen ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums verbleibe. Auch oberhalb der Grenze des Existenzminimums sei das Gebot der Steuergerechtigkeit, konkretisiert durch das subjektive Nettoprinzip, verfassungsrechtlich geboten. Das Existenzminimum müsse folgerichtig vollständig steuerfrei gestellt werden und nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben. Steuerliche Gleichheit fange bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage an. Daher müsse § 33 EStG verfassungskonform so ausgelegt werden, dass Krankheitsaufwendungen ohne Anrechnung einer zumutbaren Belastung berücksichtigt werden. Dies gelte auch für die privatärztliche Behandlung der Klägerin, da hiermit die Konsultation mit einem HNO-Arzt und mit einem Neurologen verbunden gewesen sei, während bei der gesetzlichen Versorgung die Notwendigkeit einer Konsultation abzuwarten gewesen und eine angezeigte neurologische Untersuchung durchweg nicht üblich sei. Soweit hier das Finanzgericht Hannover die Regelung über die zumutbare Belastung als verfassungsgemäß eingestuft habe, (Urteil vom 7. Dezember 2011 2011 – 2 K 19/11), betreffe dies einen anders gelagerten Sachverhalt.

8

Die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht gedeckten Krankheitsaufwendungen der Kläger in Höhe von insgesamt 1.249,07 € seien damit vollständig und –  sofern im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen angeordnet - ohne Anrechnung einer zumutbaren Belastung vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.
Der Beklagte hat den angegriffenen Einkommensteuerbescheid im Verlauf des Klageverfahrens letztmals mit Datum vom 26. Oktober 2011 geändert (Bl. 86 ff. PA) und hat dort einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 647.587 € zugrunde gelegt.
Die Kläger beantragen, den zuletzt am 26. Oktober 2011 geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 dahingehend zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen in Höhe von  1.249,07 € ohne Anrechnung einer zumutbaren Belastung steuermindernd berücksichtigt werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der von den Klägern erwähnte Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (DStR 2008, 604) biete keine Veranlassung zur steuermindernden Berücksichtigung der - verbleibenden - Krankheitskosten ohne Abzug der zumutbaren Belastung. Diesem Beschluss lasse sich entnehmen, dass nach dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen habe, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötige. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge habe, entspreche es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richte. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen habe, das dürfe er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen. Dass der Staat den Klägern durch Besteuerung ihres Einkommens etwas entzogen hätte, was er ihnen aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hätte, bedürfe bei einem zu versteuernden Einkommen von 591.950 € keiner weiteren Erörterung. Wie das BVerfG weiter festgestellt habe, ergäben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichten. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liege dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletze, ließen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und :Regelungsbereiche bestimmen.  Daraus habe das BVerfG hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs von Versicherungsbeiträgen abgeleitet, dass bei einem Vergleich der einkommensteuerrechtlichen Situation von Gruppen, die unterschiedlichen Vorsorgesystemen angehörten, auch die spezifischen Funktionsbedingungen dieser Systeme und deren Verhältnis zu den Normen des Einkommensteuergesetzes im Auge zu behalten seien. In § 33 EStG hingegen gehe es um die Erfassung der subjektiven Leistungsfähigkeit und letztendlich um die Frage, ab wann der Einzelne Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft habe. Dass die Kläger bei einem zu versteuernden Einkommen von 591.950 € bezüglich der Berücksichtigung ihrer Krankheitskosten Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft hätten, hätten sie nicht vorgetragen und wäre auch nicht nachvollziehbar.

9

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage der medizinischen Indikation der beim Kläger durchgeführten Zahnreinigungen (Beschluss vom 24. Februar 2012, Bl. 126 f. PA). Auf den Inhalt des Gutachtens vom 30. April 2012 (Bl. 169 ff. PA) und die ergänzende Mitteilung vom 17. Juni 2012  zu Alternativmethoden, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden (Bl. 211 ff. PA), wird Bezug genommen. Weiterhin hat das Gericht Auskünfte bei den die Klägerin behandelnden Ärzten angefordert. Auf die Antwortschreiben (Bl. 197, 200 und 201 ff. PA) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

I. Die Klage ist nicht begründet.

11

1. Die hier in Rede stehenden Aufwendungen sind nur im Wege der außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen. Der Bundesfinanzhof –BFH- hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 (X R 41/11, DStR 2012, 1696) entschieden, dass die Zuzahlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 28 Abs. 4 SGB V, die sog. "Praxisgebühren", nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG können Steuerpflichtige "Beiträge zu Krankenversicherungen" als Sonderausgaben abziehen. Darunter fallen jedoch nur solche Ausgaben, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen, also letztlich der Vorsorge dienen.

12

Bei der "Praxisgebühr" ist dies nicht der Fall, da der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig von der Zahlung der „Praxisgebühr" gewährt wird. Sie stellt vielmehr eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten dar. Dies gilt insoweit auch für die von den Klägern geleisteten Medikamentenzuzahlungen sowie für die Zuzahlung zur stationären Krankenhausbehandlung.

13

2. Vorliegend sind nur Aufwendungen in Höhe von 1.173,01 € als Krankheitskosten im Wege der außergewöhnlichen Belastung berücksichtigungsfähig. Die Aufwendungen für die ärztlicherseits nicht verordneten Arzneimittel in Höhe von 76,06 € konnten nicht berücksichtigt werden; denn insoweit fehlt der Nachweis der Zwangsläufigkeit dieser Kosten. Der Gesetzgeber hat durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 -StVereinfG 2011- auf die Rechtsprechungsänderung des BFH reagiert und für bestimmte Arten von Heilmaßnahmen - u.a. für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel - ein formalisiertes Nachweisverfahren eingeführt. Diese müssen gem. § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung –EStDV- durch einen Arzt oder Heilpraktiker verordnet worden sein. Die rückwirkende gesetzliche Einführung des formalisierten Nachweises ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat folgt insoweit dem BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10 (BFH/NV 2012, 1269; ebenso Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 27. April 2012, 2 K 19/11, dokumentiert in Juris). Dem in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 und in § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelten Verlangen, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall formalisiert nachzuweisen, ist nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 somit auch im Veranlagungszeitraum 2008 Rechnung zu tragen.

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3. Der Senat ist vorliegend nicht zu der Überzeugung gelangt, dass im vorliegenden Verfahren die Kürzung der Aufwendungen um die zumutbare Belastung verfassungswidrig wäre und somit die Frage dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das BundesverfassungsgerichtBVerfGG- vorzulegen gewesen wäre oder eine von Verfassungswegen gebotene teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Kürzung um die zumutbare Belastung in Betracht zu ziehen gewesen wäre.

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a) Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann (BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BStBl II 1998, 613; vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV1997, 337; vom 12. Juni 1991 III R 102/89, BStBl II 1991, 763). Eine derartig typisierende Behandlung der Krankheitskosten hält die Rechtsprechung zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten. Dies gilt auch, soweit die Berücksichtigung der Aufwendungen nicht betragsmäßig auf die im Einzelfall gebotene Höhe „gedeckelt“ wird. Maßgeblich allein ist danach die medizinische Indikation der Aufwendungen. Insoweit entscheidet allein der Steuerpflichtige, welche Aufwendungen er für Linderung seiner Krankheit tragen will. Berücksichtigungsfähig sind allerdings nur solche Aufwendungen, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Hierbei muss es sich allerdings um unmittelbare Krankheitskosten handeln. Nicht zu den Krankheitskosten gehören deshalb grundsätzlich vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit ganz allgemein dienen (BFH-Urteile vom 30. Juni 1998 III R 110/93, BFH/NV 1998, 1480).

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Dies hat der BFH zuletzt (Urteil vom 5. Oktober 2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33) bestätigt, soweit er im Zusammenhang mit der Zurückverweisung an das Finanzgericht wie folgt ausführt: „Bei dieser Prüfung hat sich das Finanzgericht –FG- zugleich zu vergegenwärtigen, dass Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf, wenn die Maßnahmen medizinisch indiziert sind. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40), es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).“

17

b) Soweit es hier jedoch darum geht, inwieweit der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, den Steuerpflichtigen bei der Einkommensteuer von den gesamten Krankheitskosten freizustellen und auf die Kürzung um die zumutbare Belastung zu verzichten, ist hierbei ein engerer Begriff der Zwangsläufigkeit zugrunde zu legen. Denn insoweit kann es allein darum gehen, die Steuerfreiheit des Existenzminimums abzusichern. Dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, a.a.O.) dergestalt postuliert, dass es hinsichtlich der gebotenen steuermindernden Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen darauf abgestellt hat, dass die konkreten Versicherungsbeiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erforderlich sein müssen, wobei das Gericht auch eine sachgerechte Typisierung hinsichtlich des Umfangs der abzugsfähigen Beträge zulässt. Hierauf hat der Gesetzgeber mit dem sog. Bürgerentlastungsgesetz ab dem VZ 2010 reagiert und hinsichtlich der berücksichtungsfähigen Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung die Aufwendungen in vergleichbarer Höhe einer Basisversorgung anerkannt.

18

aa) Für die gebotene Berücksichtigung von Krankheitsaufwendungen heißt dies konkret,  dass Krankheitskosten als Kosten der Existenzsicherung nicht generell ohne Abzug einer zumutbaren Belastung abgezogen werden müssten. Dies könnte allenfalls nur für die medizinischen Leistungen gelten, die ein Sozialleistungsempfänger – kostenfrei - erhalten würde. Sofern Versorgungsleistungen direkt bereitgestellt werden, orientieren sie sich im Rahmen des sozialhilferechtlichen Leistungsniveaus gem. §§ 52, 61 SGB XII ebenfalls im Wesentlichen an der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. BVerfG Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, a.a.O., unter D.IV.1.a;). Von der einer dem sozialhilferechtlichen Niveau entsprechenden Krankenversicherung nicht abgedeckte Krankheitskosten werden indes von der Sozialhilfe ebenfalls nicht zusätzlich umfasst, so dass sie nicht unter die gebotene Freistellung des Existenzminimums fallen (ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 07. Dezember 2011, 2 K 19/11, dokumentiert in Juris). Die Kosten der Zahnreinigung und die der Klägerin für die Wahlleistung „Chefarztbehandlung“ gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz –KHEntG- in Rechnung gestellten Beträge sowie die Aufwendungen für die Unterbringung in einem Zweibettzimmer als weitere Wahlleistung und auch die Kosten für die nicht ärztlicherseits verschriebenen Medikamente (s. unter I.2. der Gründe) bleiben damit von vornherein außer Ansatz. Denn wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt hat, hätte der Kläger im Rahmen der Behandlung der Parodontitis ggf. auch eine von der gesetzlichen Krankenkasse getragene Zahnreinigung – allerdings verbunden mit einer örtlichen Betäubung – im Rahmen eines sog. Parodontalstatus beantragen können. Gegen die ergänzende Mitteilung vom 17. Juni 2012 zu Alternativmethoden, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, haben die Kläger keine Einwände vorgebracht, die die Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen hätten in Zweifel ziehen lassen können. Soweit die privatärztliche Behandlung der Klägerin damit begründet wurde, dass hiermit die frühzeitige Konsultation mit einem HNO-Arzt und mit einem Neurologen verbunden gewesen sei, haben sie nicht weiter ausgeführt, dass eine neurologische Untersuchung im Rahmen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkasse hätte überhaupt nicht erfolgen können. Der bloße Wunsch einer möglichst frühzeitigen Konsultation erfüllt insoweit nicht die strengeren Anforderungen an die Zwangsläufigkeit, da die konkreten medizinischen Leistungen im Rahmen der Wahlleistung „Chefarztbehandlung“ auch ein Sozialleistungsempfänger nicht kostenfrei erhalten würde. Dies gilt insoweit auch für die Zuzahlungen für ein Zweibettzimmer.

19

bb) Damit verbleiben allenfalls nur noch 142,49 € (Zuzahlungen und Rechnung der Laborärzte).

20

Eine existenzielle Betroffenheit ist bei diesen noch verbleibenden marginalen Aufwendungen angesichts der Höhe der Einkünfte der Kläger nicht zu erkennen. Denn danach betragen die noch verbleibenden 142,49 € gerade einmal 0,0222 v.H.  des Gesamtbetrags der Einkünfte. (Bei den gesamten Krankheitskosten wären dies 0,18 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte). Die geltend gemachte krankheitsbedingte steuerliche Schlechterstellung verstößt damit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie beinhaltet keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung und zwingt deshalb auch nicht zu einer anderslautenden - verfassungskonformen - Auslegung des § 33 Abs. 1 GG bzw. zu einer Vorlage an das BVerfG. Der allgemeine Gleichheitssatz verwehrt dem Gesetzgeber nämlich nicht jede Differenzierung. Davon ausgehend, dass jede gesetzliche Regelung verallgemeinern muss, ist der Gesetzgeber berechtigt, bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie hier - generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen – auch im Bereich der außergewöhnlichen Belastung - zu verwenden. Dabei kann es - ebenso wie in anderen steuerrechtlichen Bereichen - zu Belastungen und Härten kommen, die nicht linear, sondern in Stufenschritten wirksam werden und die sich deshalb für die Betroffenen in einem gewissen Rahmen ungleich auswirken können. Das Ziel einer möglichst weitgehenden Einzelfallgerechtigkeit muss, um diese Massenerscheinung noch mit verhältnismäßigen Mitteln zu bewältigen, hinter Praktikabilitätserwägungen zurücktreten, ohne dass wegen der damit verbundenen Härten ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorläge (BVerfG-Urteile vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. -, BVerfGE 100, 138 ff;  Urteil vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 -, BverfGE 116, 164 ff m.w.N.). Ein Verstoß wäre erst dann anzunehmen, wenn die unterschiedliche Behandlung verschiedener Normadressaten ohne hinreichend gewichtigen Grund erfolgte und der Bedarf nach einer Typisierung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre. Zulässig ist die Typisierung deshalb, wenn sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG-Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. -, a.a.O.). Vorliegend ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber insoweit – gewissermaßen als Kompensation - einen gewissen Anteil der Krankheitskosten als zumutbare Belastung von der Abzugsfähigkeit ausnimmt, da sowohl die Gründe der Erkrankung als auch die Höhe der Aufwendungen für die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen (grds.) keine Rolle spielt. Ein im Einzelfall etwa vorliegender Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit könnte nämlich erst ab einem – hier erkennbar nicht vorliegenden - gewissen Gewicht zur Verfassungswidrigkeit der hier einschlägigen Regelungen führen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. Juli 2012 IV R 39/09, DStR 2012, 1805, 1809, unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434, wonach durch Typisierungs- und Pauschalierungsregelungen ein gewisses Maß einer wirtschaftlich ungleichen Wirkung auf die Steuerzahler hingenommen werden kann). Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist hiernach erst dann gegeben, wenn die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (BVerfG-Beschluss vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, a.a.O.). Die Frage, ob die vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Prozentsätze vom Gesamtbetrag der Einkünfte insoweit verfassungswidrig sein könnten, stellt sich angesichts der hier so geringen Höhe der nicht berücksichtigten Aufwendungen deshalb schon gar nicht mehr.

21

cc) Die überwiegende Meinung in der Literatur sieht in der hier vorliegenden Konstellation (hoher Gesamtbetrag der Einkünfte bei relativ geringen Krankheitsaufwendungen) keine Verfassungswidrigkeit der zumutbaren Belastung (Schmidt/Loschelder EStG, 31. Aufl., 2012, § 33 Rz 31; Mellinghoff in Kirchhof, EStG-Kommentar, 11. Aufl., 2012, § 33 Rz 48; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 216; Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 134).

22

Auch der BFH hat insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (z.B. BFH-Urteil vom 15. November 1991, III R 30/88, BStBl II 1992, 179; BFH-Beschlüsse vom 8. Dezember 1999, III B 72/99, BFH/NV 2000, 704 und vom 10. Januar 2003 III B 26/02, BFH/NV 2003, 616). Auch nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG zur Abzugsfähigkeit von Krankenversicherungsbeiträgen (BVerfG Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, a.a.O.) hat der BFH an dieser Beurteilung zur zumutbaren Belastung im Zusammenhang mit Krankheitskosten festgehalten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. März 2009 VI R 58/08, nv. juris; vom 30. Juni 2011 VI R 14/10 BFH/NV 2011, 1951). Auch der X. Senat des BFH  äußert in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11 (DStR 2012, 1696, 1698) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Ansatzes einer zumutbaren Belastung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4 SGB V. Diese Einschätzung hat das BVerfG geteilt. Soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege, sei die Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1987, 1 BvR 672/87, Der Betrieb 1988, 368). Mit Beschlüssen vom 14. März 1997, 2 BvR 861/92 (Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 543) sowie vom 30. Mai 2005 (2 BvR 923/03, nv) hat das BVerfG erneut Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG gerichtet hatten, nicht zur Entscheidung angenommen. Abgesehen von der geringen Höhe der nicht berücksichtigten Aufwendungen verbleibt den Klägern auch unter Berücksichtigung der Krankheitskosten ein verfügbares Einkommen, das deutlich weit über dem Regelsatz für das Existenzminimum liegt.

23

dd) Soweit in der Literatur dem entgegen davon ausgegangen wird, dass die Kürzung einer zumutbaren Belastung bei den Krankheitskosten der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG widerspreche (vgl. z.B. Haupt, DStR 2010, 960, 963; Karrenbrock/Petrak, DStR 2011, 552 ff), vermag der Senat dem aus den oben angeführten Gründen nicht zu folgen. Zu dem von den Klägern angeführten Beschluss des BVerfG merkt der erkennende Senat im Übrigen an, dass das BVerfG in diesem Beschluss 2 BvL 1/06 den Gesetzgeber erst ab dem VZ 2010 zu einer Neuregelung der Berücksichtung von Krankenversicherungsbeiträgen aufgefordert hat.

24

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

25

III. Revisionszulassungsgründe i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1)1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.3Der Steuerpflichtige kann Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38a Absatz 1 Satz 2 und 3 und § 40 Absatz 3 Satz 2.5Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(2)1Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.2Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.3Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Satz 3 ist auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.5§ 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.6Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Der Unternehmer kann von dem Besteller eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen. Sind die erbrachten Leistungen nicht vertragsgemäß, kann der Besteller die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern. Die Beweislast für die vertragsgemäße Leistung verbleibt bis zur Abnahme beim Unternehmer. § 641 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Leistungen sind durch eine Aufstellung nachzuweisen, die eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglichen muss. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für erforderliche Stoffe oder Bauteile, die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind, wenn dem Besteller nach seiner Wahl Eigentum an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird.

(2) Die Sicherheit nach Absatz 1 Satz 6 kann auch durch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet werden.

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.

(2) Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 133/10 Verkündet am:
29. März 2011
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei einem (zahn-)ärztlichen Behandlungsvertrag setzt der Verlust des Vergütungsanspruchs
wegen vertragswidrigen Verhaltens nach § 628 Abs. 1 Satz 2
Fall 2 BGB nicht voraus, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend
oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB anzusehen ist.

b) Ein geringfügiges vertragswidriges Verhalten lässt die Pflicht, die bis zur Kündigung
erbrachten Dienste zu vergüten, unberührt.

c) Ein (zahn-)ärztlicher Behandlungsfehler kann vertragswidriges Verhalten im Sinne
BGH, Urteil vom 29. März 2011 - VI ZR 133/10 - OLG Frankfurt in Darmstadt
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner,
Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 22. April 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Zahnarzt Rückzahlung von Ho1 norar für eine zahnprothetische Behandlung. Die damals 75 Jahre alte, privat versicherte Klägerin ließ sich zwischen
2
Dezember 2003 und Juni 2004 bei dem Beklagten für den Oberkiefer und drei Zähne im Unterkiefer vollkeramische Brücken und Kronen gegen ein Pauschalhonorar in Höhe von 12.000 € erstellen. Hierbei war auch eine Korrektur der Bisshöhe vorgesehen. Am 4. Juni 2004 wurden die definitiven Kronen und Brücken provisorisch eingesetzt. Am 21. Juni 2004 fand noch ein Gespräch zwischen den Parteien statt, in dem die Klägerin Unzufriedenheit äußerte, die sie in einem Schreiben vom 29. Juni 2004 wiederholte und mitteilte, dass sie sich für eine anderweitige Neuherstellung entschieden habe. Gleichzeitig zahlte sie den noch offenen Restbetrag auf das vereinbarte Honorar. Die Brücken und Kronen ließ sie durch einen anderen Zahnarzt neu erstellen, wofür sie einen Eigenanteil in Höhe von 8.420,64 € aufwendete.
3
Die Vorinstanzen haben die auf Rückerstattung der gezahlten 12.000 €, hilfsweise auf Ersatz des Eigenanteils für die Neuherstellung des Zahnersatzes gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, Urteil vom 22. April 2010 - 22 U 153/08, veröffentlicht in juris) hat offen gelassen, ob Behandlungsfehler vorlagen. Denn die Klägerin könne auch in diesem Fall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt das vereinbarte Honorar zurückverlangen oder Ersatz des an den nachbehandelnden Zahnarzt gezahlten Eigenanteils beanspruchen. Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu, weil sie das Honorar zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem zahnärztlichen Dienstvertrag gezahlt habe, der als Rechtsgrund für die Leistung auch dann fortbestehe, wenn die Behandlung fehlerhaft gewesen sei. Da der Arzt nicht für den Erfolg seiner Bemühungen einstehen wolle, fehle auch eine Zweckabrede, wie sie der Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts eines bezweckten Erfolges voraussetze. Eine fehlerhafte Behandlung lasse den Honoraranspruch auch nicht im Wege der unzulässigen Rechtsausübung entfallen. Ob besonders grobe, vorsätzliche und strafbare Pflichtverletzungen zu einer Verwirkung des Honoraranspruchs führen könnten, sei im Einzelfall zu beurteilen. Solche Umstände lägen jedoch nicht vor. Eine Rückgewähr habe auch nicht nach Rücktrittsrecht gemäß § 628 Abs. 1 Satz 3, § 346 BGB zu erfolgen. Zum einen seien diese Bestimmungen auf die teilweise Nichterfüllung der Dienstverpflichtung zugeschnitten, nicht aber auf ihre Schlechterfüllung. Zum anderen sei eine Streichung oder Kürzung des zahn- ärztlichen Honorars nicht als sachgerechte Reaktion auf den Nichteintritt des Erfolges einer zahnprothetischen Maßnahme anzusehen. Jedenfalls aber habe die Klägerin nicht während laufender Behandlung gekündigt, sondern die Behandlung als abgeschlossen angesehen. Und selbst wenn man von einer Kündigung ausgehe, sei sie nicht durch ein vertragswidriges Verhalten des Beklagten veranlasst, weil es hierfür eines schwerwiegenden schuldhaften Vertragsverstoßes im Sinne des § 626 BGB bedurft habe, der nicht vorliege. Die Klägerin könne das Honorar auch nicht im Wege des Schadensersatzes zurückverlangen. Das gezahlte Honorar stelle keinen im Rahmen der §§ 280 ff. BGB zu erstattenden Schaden dar, da es auch ohne den Behandlungsfehler habe gezahlt werden müssen. Es könne auch nicht als frustrierte Aufwendung angesehen werden, weil es kein freiwilliges Vermögensopfer sei, sondern der Erfüllung einer Vertragsschuld gedient habe. Ebenso wenig könne die Klägerin den Eigenanteil für die Nachbehandlung als Schadensersatz statt der Leistung ersetzt verlangen, weil sie die hierfür erforderliche Nachfrist nicht gesetzt habe, obwohl die Mängel behebbar und ihr die Fortsetzung der Behandlung zumutbar gewesen sei. Aus diesem Grund könne sie einen Erstattungsanspruch auch nicht darauf stützen, dass der Beklagte seinerseits Mängelbeseitigungskosten erspart habe (§§ 346, 326 Abs. 4, Abs. 2 Satz 2 BGB).

II.

5
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ein Anspruch der Klägerin auf Rück- zahlung von Honorar aus § 628 Abs. 1 Satz 3 BGB aus Rechtsgründen nicht verneint werden.
7
a) Im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass der Vertrag über die Sanierung des Gebisses der Klägerin insgesamt als Dienstvertrag über Dienste höherer Art anzusehen ist. Der Zahnarzt verspricht nämlich regelmäßig nur eine den allgemeinen Grundsätzen der zahnärztlichen Wissenschaft entsprechende Behandlung, nicht aber ihr - immer auch von der körperlichen und seelischen Verfassung des Patienten abhängiges - Gelingen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1974 - VII ZR 182/73, BGHZ 63, 305; Rechtsprechungsübersichten : Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rn. 404 ff.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., A Rn. 4). Zwar ist im Rahmen dieses Vertrages auch eine technische Anfertigung des Zahnersatzes geschuldet, für die der Beklagte wegen ihres werkvertraglichen Charakters nach werkvertraglichen Gewährleistungsvorschriften einzustehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1974 - VII ZR 182/73, aaO). Da die Klägerin jedoch die Bisshöhe, eine fehlende Okklusion und die Größe der neu gestalteten Zähne und damit Defizite in der spezifisch zahnärztlichen Planung und Gestaltung der neuen Versorgung rügt, ist jener Bereich nicht betroffen.
8
b) Diesen Dienstvertrag über Dienste höherer Art konnte die Klägerin gemäß § 627 BGB jederzeit auch ohne Gründe kündigen und hat dies mit Schreiben vom 29. Juni 2004 getan. Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB ist, ist nach § 627 Abs. 1 BGB die Kündigung auch ohne die in § 626 BGB bezeichnete Voraussetzung eines wichtigen Grundes zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Dies ist bei einem Arzt regelmäßig der Fall.
9
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Vertrag sei bereits beendet und daher nicht mehr kündbar gewesen. Diese Beurteilung steht - wie die Revision mit Recht geltend macht - in Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Im angefochtenen Urteil ist durch Verweis auf die Ausführungen des Landgerichts und die Sachverhaltsdarstellung im Sachverständigengutachten festgestellt, dass die definitiven Kronen und Brücken nur provisorisch eingesetzt waren. Unter diesen Umständen konnte die Mitteilung der Klägerin im Schreiben vom 29. Juni 2004, sie wolle das restliche Honorar überweisen und die Neufertigung anderweitig durchführen lassen, nur als Kündigung des Dienstverhältnis mit dem Beklagten angesehen werden. Da diesbezüglich weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann das Revisionsgericht die entsprechende Willenserklärung insoweit selbst auslegen (Senatsurteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, WM 2010, 2163 Rn. 21; MünchKommZPO /Wenzel, 3. Aufl., § 546 Rn. 10).
10
c) Gemäß § 628 Abs. 1 Satz 3 BGB hat der Dienstverpflichtete eine im Voraus für einen späteren, nach der Kündigung liegenden Zeitpunkt entrichtete Vergütung zurückzuerstatten. Die Bestimmung geht von ihrem Wortlaut her davon aus, dass die Vorausvergütung für nicht mehr erbrachte Dienstleistungen im Zeitpunkt der Kündigung bereits entrichtet ist und nicht erst danach entrichtet wird. Im Streitfall ist nicht festgestellt, dass die angekündigte Zahlung des Resthonorars vor Zugang des Kündigungsschreibens erfolgt ist. Der Punkt kann jedoch offen bleiben. Denn die Bestimmung des § 628 Abs. 1 Satz 3 BGB soll eine Rückabwicklung von Leistungen des Dienstberechtigten, denen keine Dienstleistungen des Dienstverpflichteten gegenüber stehen, gewährleisten, die der dienstvertraglichen Sonderbeziehung zwischen den Parteien angemessen ist. Sie ist deshalb jedenfalls dann entsprechend anzuwenden, wenn es - wie im Streitfall - bei der fraglichen Vergütung um ein kaum sachgerecht aufteilbares Pauschalhonorar für eine zahnärztliche Behandlung geht und anteilige Leistun- gen wie die endgültige Eingliederung des Zahnersatzes infolge der Kündigung nicht mehr erbracht werden.
11
d) § 628 Abs. 1 Satz 3 BGB enthält nicht nur eine angemessene Bestimmung für überzahlte Gegenleistungen für nicht mehr erbrachte, sondern auch für erbrachte Dienste, die jedoch gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entlohnt werden müssen. Trägt der Dienstverpflichtete für die vorzeitige Beendigung des Vertrages die Verantwortung, ist es nicht gerechtfertigt, ihn in den Genuss etwa der Entreicherungseinrede kommen zu lassen. Die Vorschrift ist daher auch auf diese, den Vorleistungen vergleichbaren Leistungen entsprechend anzuwenden (vgl. RGRK/Corts, BGB, 12. Aufl., § 628 Rn. 16; Henssler/ Deckenbrock, NJW 2005, 1, 5; vertraglicher Anspruch: Kramer, MDR 1998, 324, 331; vgl. auch § 326 Abs. 4, § 441 Abs. 4, § 638 Abs. 4 BGB; a.A. im Sinne eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs: Erman/Belling, BGB § 628 Rn. 13; OLG Oldenburg NJW-RR 1996, 1267).
12
e) Nach § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB steht dem Dienstverpflichteten, wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Dienstberechtigten veranlasst hat, kein Vergütungsanspruch zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Dienstberechtigten kein Interesse mehr haben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trifft den Dienstberechtigten , weil er sich gegenüber der grundsätzlichen Vergütungspflicht des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine Ausnahme beruft (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 37/96, NJW 1997, 188, 189).
13
(1) Ein vertragswidriges Verhalten im Sinne dieser Vorschrift setzt, obwohl nach dem Wortlaut ein objektiv vertragswidriges Verhalten genügen würde , schuldhaftes Verhalten im Sinne der §§ 276, 278 BGB voraus (Protokolle II S. 306; BGH, Urteile vom 8. Oktober 1981 - III ZR 190/79, NJW 1982, 437, 438; vom 30. März 1995 - IX ZR 182/94, NJW 1995, 1954, 1955 mwN; Bamberger /Roth/Fuchs, BGB, 2. Aufl., § 628 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Henssler, 5. Aufl., § 628 Rn. 16; Prütting/Wegen/Weinreich/Lingemann, BGB, 3. Aufl., § 628 Rn. 3; Staudinger/Preis (2002) § 628 Rn. 25; RGRK/Corts, BGB, 12. Aufl., § 628 Rn. 11; Larenz, Schuldrecht II, 12. Aufl., § 52 III e; Schellenberg , VersR 2007, 1343, 1346).
14
(a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es nicht erforderlich, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend (so aber: Palandt /Weidenkaff, BGB, 69. Aufl., § 628 Rn. 4) oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzusehen ist (so aber: OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 137; Weth in: jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 628 Rn. 15; Canaris, Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, S. 177, 182; Henssler /Deckenbrock, NJW 2005, 1, 2; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 17; Schellenberg, VersR 2007, 1343, 1346; a.A. Erman/Belling, BGB, 12. Aufl. § 628 Rn. 9; Staudinger/Preis, aaO). Eine solche Beschränkung auf vertragswidriges Verhalten, das dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht, ist für Kündigungen eines ärztlichen Behandlungsvertrages, der im Regelfall durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt wird, nicht gerechtfertigt. Entsprechende Einschränkungen ergeben sich weder aus dem Wortlaut des § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB noch aus seiner Entstehungsgeschichte (vgl. Protokolle II S. 301 ff.).
15
(b) Dies bedeutet allerdings nicht, dass jeder geringfügige Vertragsverstoß des Dienstverpflichteten den Entgeltanspruch entfallen lässt. Das Recht zur fristlosen Kündigung eines Dienstvertrages ersetzt ein Rücktrittsrecht (BGH, Urteil vom 19. Februar 2002 - X ZR 166/99, NJW 2002, 1870; Canaris, FS Karsten Schmidt (70. Geburtstag S. 177, 181; Palandt/Weidenkaff, aaO, Vorb. v. § 620 Rn. 8), das im Falle einer Schlechtleistung bei einer unerheblichen Pflichtverletzung ausgeschlossen ist (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Für die Vergütung gekündigter Dienste höherer Art (§§ 627, 628 BGB) ist eine entsprechende Einschränkung vorzunehmen. Sie ergibt sich aus dem § 242 BGB zu entnehmenden Übermaßverbot, wonach bestimmte schwerwiegende Rechtsfolgen bei geringfügigen Vertragsverletzungen nicht eintreten (BGH, Urteile vom 8. Juli 1983 - V ZR 53/82, BGHZ 88, 91, 95; vom 3. Oktober 1984 - VIII ZR 118/83, NJW 1985, 1894, 1895; vom 15. Februar 1985 - V ZR 131/83, WM 85, 876, 877; Jauernig/Mansel, BGB, 13. Aufl., § 242 Rn. 40; MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl., § 242 Rn. 376 ff., 380 ff.).
16
(c) Nach diesen Grundsätzen rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Beklagte durch ein schuldhaftes und nicht nur geringfügiges vertragswidriges Verhalten die Kündigung der Klägerin veranlasst hat. Abzustellen ist dabei auf das Verhalten, auf das die Kündigung gestützt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1995 - IX ZR 182/94, NJW 1995, 1288, 1289 Rn. 12; Erman/Belling, aaO, § 628, Rn. 9; Prütting/Wegen/Weinreich/Lingemann, aaO, § 628, Rn. 3; Staudinger/ Preis, aaO § 628 Rn. 25). Im Streitfall hat die Klägerin ihre Kündigung auf vermeintliche Behandlungsfehler des Beklagten gestützt.
17
Das Berufungsgericht hat insoweit offen gelassen, ob ein schuldhafter Behandlungsfehler vorlag. Deshalb ist revisionsrechtlich das entsprechende Vorbringen der Klägerin zu unterstellen. Danach soll der Beklagte Zähne der Klägerin über das nach dem zahnärztlichen Standard angemessene Maß hinaus beschliffen haben. Ferner hat die Klägerin die Form der Frontzähne beanstandet. Die Frontzahnstümpfe seien palatinal nicht ausreichend beschliffen worden mit der Folge, dass deren Schaufelform nicht genügend in der Präpara- tion nachgezogen gewesen sei. Auch insoweit kommt ein Behandlungsfehler in Betracht.
18
(2) Das Interesse der Klägerin an der Leistung des Beklagten ist allerdings nur weggefallen, soweit die Klägerin die Arbeiten des Beklagten nicht mehr wirtschaftlich verwerten konnte, sie also für sie nutzlos geworden waren (BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 - III ZR 37/83, NJW 1985, 41; BGH, Urteil vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 37/96, NJW 1997, 188, 189). Es genügt demnach zum einen nicht, dass die Leistung objektiv wertlos ist, wenn der Dienstberechtigte sie gleichwohl nutzt (OLG Naumburg, NJW-RR 2008, 1056, 1057), zum anderen aber auch nicht, dass der Dienstberechtigte sie nicht nutzt, obwohl er sie wirtschaftlich verwerten könnte. Das Berufungsgericht wird daher Feststellungen zu treffen haben, ob und ggf. inwieweit die Leistungen des Beklagten ohne Interesse für die Klägerin waren bzw. ein Nachbehandler auf Leistungen des Klägers hätte aufbauen oder durch eine Nachbesserung des gefertigten Zahnersatzes Arbeit gegenüber einer Neuherstellung hätte ersparen können.
19
2. Soweit das Berufungsgericht danach ggf. den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf Ersatz von Nachbehandlungskosten zu prüfen hat, wird es Gelegenheit haben, das entsprechende Vorbringen der Revision zu berücksichtigen.
Galke Wellner Pauge
Stöhr von Pentz

Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 01.04.2008 - 8 O 164/05 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 22.04.2010 - 22 U 153/08 -

(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

(2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Sind die Voraussetzungen des Artikels 100 Abs. 1 des Grundgesetzes gegeben, so holen die Gerichte unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein.

(2) Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Die Akten sind beizufügen.

(3) Der Antrag des Gerichts ist unabhängig von der Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch einen Prozeßbeteiligten.



Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Ansatz einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten.

2

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr (2008) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2008 machten die Kläger Krankheitskosten in Höhe von 1.098 € als außergewöhnliche Belastung geltend.

3

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03. Mai 2010 sah der Beklagte die Krankheitskosten ohne weitere Prüfung dem Grunde nach als abzugsfähig an. Wegen der zumutbaren Belastung in Höhe von 38.787 €, nämlich 6 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte von 646.456 €, ergab sich jedoch kein Abzug als außergewöhnliche Belastung.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2010 aus, dass aufgrund des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG- nur der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteige, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden könne. Die Höhe der zumutbaren Belastung betrage gemäß § 33 Abs. 3 EStG im Falle der Kläger 6 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte. Damit müsse der Steuerpflichtige entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit einen Teil der Belastung selbst tragen. Dies sei verfassungsgemäß, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 X R 61/01, BStBl II 2008, 16/22, m.w.N.; Schmidt/Loschelder EStG, 29. Auflage 2010, § 33 Rz 31). Der gegenteiligen, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden und in der vorgenannten Fundstelle (Schmidt/Loschelder EStG, 29. Auflage 2010, § 33 Rz 31) erwähnten Auffassung (Paus, DStZ 2006, 373; Kosfeld FR 2009, 366) könne der Beklagte nicht folgen. Er sei als Organ der Exekutive nach dem Prinzip der Gewaltenteilung an die Gesetze gehalten (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die geltend gemachten Aufwendungen wurden im Klageverfahren auf 1.249,07 € erhöht. Es handelt sich um folgende als Krankheitskosten geltend gemachte Aufwendungen:

4

Dres. K., Zahnärzte, Airflow Zahnreinigung

        

bzw. Zahnreinigung mit Ultrasonic-Scaler

237,80 €

Zuzahlungen gem. § 28 Abs. 4 SGB V

50,00 €

MVZ Laboratoriumsmedizin X

17,49 €

M.d./Univ. A.R. K.

150,69 €

Klinikum M (Zweibettzimmerzuschlag)

250,25 €

Klinikum M

289,26 €

Klinikum Y

102,52 €

Zuzahlung für den stationären Krankenhausaufenthalt

60,00 €

Aufwendungen für Medikamente

91,06 €

(davon 15,- € für Medikamentenzuzahlungen)

        

Gesamt

1.249,07 €

        
5

Sämtliche Kosten, die vorliegend nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen worden seien, seien zwangsläufig entstanden, da sich die Kläger diesen aus tatsächlichen Gründen nicht hätten entziehen können. Bei Krankheitskosten sei stets zu unterstellen, dass die Kosten zwangläufig entstanden seien. Einer nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit im Einzelfall bedürfe es hier nicht (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. April 2005 III R 45/03, BStBl II 2005, 602). Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG- zur zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG, wonach eine zumutbare Belastung verfassungsgemäß sei, solange dem Steuerpflichtigen insgesamt ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege, sei seit dem Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) zum Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen nicht mehr auf den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen in der Kranken- und Pflegeversorgung übertragbar. Das BVerfG habe im Beschluss vom 13. Februar 2008 für den Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung dem subjektiven Nettoprinzip über Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG- i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG unmittelbaren Verfassungsrang eingeräumt, der es erfordere, dass der hierfür aufgebrachte Teil des Einkommens von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen sei. Das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum müsse einem Steuerpflichtigen nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben, sondern sei bereits im Rahmen der steuerlichen Bemessungsgrundlage vollständig auszunehmen. Dies werde vom BVerfG aus dem Grundgedanken der Subsidiarität abgeleitet, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge habe. Die Kläger, denen durch Krankheit zwangsläufig und existenziell notwendige Aufwendungen entstanden seien, dürften nicht mit den Steuerpflichtigen gleichgestellt werden, die bei im Übrigen gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen keine Krankheitskosten zu tragen gehabt hätten. Es sei ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG. Insbesondere könne dies nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass den Klägern ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums verbleibe. Auch oberhalb der Grenze des Existenzminimums sei das Gebot der Steuergerechtigkeit, konkretisiert durch das subjektive Nettoprinzip, im Bereich der Kranken- und Pflegeversorgung ebenso wie im Rahmen des Familienlastenausgleichs verfassungsrechtlich geboten. Ebenso fordere das BVerfG in ständiger Rechtsprechung eine realitätsgerechte, den entsprechenden Bedarf abdeckende Steuerfreiheit des Existenzminimums. Es seien keine Gründe erkennbar, die eine Eigenbeteiligung bei Krankheitsaufwendungen rechtfertigen würden. Eine solche Eigenbeteiligung im Wege einer sog. zumutbaren Belastung würde letztendlich darauf hinauslaufen, ein variables Existenzminimum des Steuerpflichtigen zu unterstellen. Auch Bezieher höherer Einkommen hätten ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf gleichheitskonforme Besteuerung. Kläger des Ausgangsverfahrens des BVerfG Beschlusses vom 13. Februar 2008 sei ein Rechtsanwalt mit Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von ca. 431.000 DM gewesen. Das BVerfG habe hier zu Recht die gleichheitswidrige Behandlung nicht - wie der Beklagte – mit der Begründung gerechtfertigt, dass nach Abzug der Steuern ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums verbleibe.

6

Durch den Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 sei der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 01. Januar 2010 gezwungen worden, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig von der steuerlichen Bemessungsgrundlage zum Abzug zu bringen. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, wie mit den zahlreichen Zuzahlungen und den von der Krankenversicherung nicht abgedeckten Krankheitskosten zu verfahren sei. Insbesondere nach der Systemumstellung der gesetzlichen Krankenversicherung zum 01. Januar 2004 gehörten hierzu zahlreiche Aufwendungen mit erheblicher Breitenwirkung. So würden neben den Krankenkassenbeiträgen zahlreiche Zuzahlungen erhoben; z.B.: die sogenannte ärztliche Praxisgebühr, Zuzahlungen für ärztlich verordnete Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Zuzahlungen im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung oder einer Rehabilitation. Hinzu komme, dass der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung konstant gekürzt werde. So erfolge etwa keine Kostenübernahme für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel oder Sehhilfen und eine nur anteilige Kostenübernahme für Zahnersatz, obwohl hier in aller Regel eine eindeutige medizinische Indikation vorliege. Das gesetzliche Krankenversicherungssystem beruhe auf dem Sachleistungsprinzip. Die Bereitstellung von erforderlichen medizinischen Leistungen erfolge in Natura durch die Krankenkasse. Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung sei im fünften Sozialgesetzbuch kodifiziert. Der Patient nehme die  Leistungen in Anspruch, erhalte aber dafür keine Rechnung vom Leistungserbringer, beispielsweise dem Arzt, dem Krankenhaus oder der Apotheke. Der Leistungserbringer rechne vielmehr die Leistungen direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Krankenkasse ab. Die zahlreichen, als Zuzahlung bezeichneten Eigenbeteiligungen sollten das Kostenbewusstsein der Versicherten stärken und damit die Wirtschaftlichkeit der Krankenkassen fördern. Durch die Zuzahlungen werde das Sachleistungssystem als solches nicht tangiert; die Zahlungsflüsse blieben im Grundsatz unangetastet. Die an den unmittelbaren Leistungserbringer geleisteten Zuzahlungen würden zwar nicht an die Krankenkassen weitergeleitet, jedoch verringere sich dadurch der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber der Krankenkasse / Kassenärztlichen Vereinigung. Es handele sich demnach um eine Aufrechnung, als wirtschaftlicher Empfänger und rechtlich Berechtigter der Zuzahlungen sei weiterhin die Krankenkasse anzusehen. Personenkreise, denen eine Zuzahlung nicht zugemutet werden könne, seien unter Anwendung bestimmter Belastungsgrenzen von der Zuzahlung befreit. Hierzu gehörten beispielsweise Versicherungsnehmer, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem zweiten Sozialgesetzbuch, wie Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld oder etwa BaföG erhielten. Damit setze der Sozialgesetzgeber für Bedürftige einen Mindeststandard medizinischer Versorgung fest, indem Arztbesuche, verordnete Medikamente oder etwa Krankenhausaufenthalte ohne Eigenanteil gewährleistet würden. Erhebliche Breitenwirkung hätten auch die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht (mehr) übernommenen Krankheitskosten im Rahmen der medizinischen Basisversorgung. So erfolge beispielsweise für Zahnersatz nur noch ein befundbezogener und gestaffelter Festkostenzuschuss; für Sehhilfen erfolge keine Übernahme der Kosten. Die medizinische Versorgung mit Zahnersatz sei allerdings weiterhin im Leistungskatalog enthalten. Dadurch erfolge hier eine vollständige Kostenübernahme beispielsweise für Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Empfänger von Sozialgeld. Gesetzliche Zuzahlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht abgedeckte Krankheitskosten würden jedoch gegenwärtig nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassen. De lege lata würden diese Aufwendungen vielmehr nur als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) berücksichtigt. Jedoch führe dies im Regelfall zu keinem einkommensmindernden Effekt. Die außergewöhnlichen Belastungen müssten hierfür nämlich die dem Steuerpflichtigen sogenannte „zumutbare Belastung" übersteigen. Nur der Teil, der die zumutbare Belastung übersteige, werde steuermindernd berücksichtigt. Die Höhe der zumutbaren Belastung sei in § 33 Abs. 3 EStG geregelt. Diese sei gestaffelt und betrage zwischen 1 v.H. und 7v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte. Der konkrete Prozentsatz richte sich nach dem Einkommen, dem Familienstand und der Zahl der Kinder, für die der Steuerpflichtige einen Anspruch auf den Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld habe. Beispielsweise betrage die zumutbare Belastung 4.200 € für einen Alleinstehenden mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 60.000 €. Sollten diesem außergewöhnliche Belastungen unterhalb von 4.200 € entstanden sein, würden diese vollständig nicht berücksichtigt und der Steuerpflichtige müsse diese zwangsläufigen Aufwendungen vollständig aus versteuertem Einkommen tragen. Selbst sozial schwachen Steuerpflichtigen unterstelle § 33 Abs. 3 EStG eine „zumutbare Belastung". So müsse etwa ein Steuerpflichtiger mit drei Kindern und einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 16.000 € Krankheitsaufwendungen für sich und seine Kinder in Höhe von bis zu 160 € vollständig aus versteuertem Einkommen tragen. Diese Regelung führe in der Praxis dazu, dass es in den meisten Fällen zu keiner Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlungen oder der von der Krankenkasse nicht abgedeckten Krankheitskosten komme, da die „zumutbare Belastung" nicht überschritten werde. Grundsätzlich räume das BVerfG dem Steuergesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes (und dementsprechend auch für Abzugsverbote) einen relativ hohen Gestaltungsspielraum ein, der jedoch verfassungsrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip und durch die Grundrechte beschränkt sei. Dabei gelte der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als die Fundamentalnorm staatlicher Verteilungsgerechtigkeit. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts werde der Gleichheitssatz bereichsspezifisch im sog. Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert. Demnach dürfe ein Steuerpflichtiger nur nach seiner individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit belastet werden. Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit müssten auch gleich hoch besteuert werden. Die Gleichheit aller Steuerpflichtigen verlange demnach, dass jeder gleichmäßig - je nach Grad seiner individuellen Leistungsfähigkeit - zur Finanzierung der Staatsaufgaben beitrage. Dies gelte auch für Bezieher höherer Einkommen, da auch diese ein Recht auf horizontale Steuergerechtigkeit hätten. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete, dass Gleichheit insbesondere schon bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage stattfinde und nicht - in Höhe einer scheinbar „zumutbaren Belastung" -wesentlich Ungleiches gleich behandelt werde. Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip leite sich das Nettoprinzip ab. Ein Unterfall des Nettoprinzips sei das subjektive Nettoprinzip, welches erfordere, dass notwendiger existenzsichernder Aufwand und individuelle persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Steuerlast hinreichend berücksichtigt würden. Bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten sei ausschließlich das subjektive Nettoprinzip betroffen. Dieses Prinzip finde seinen Ausdruck im Einkommensteuerrecht darin, dass der typisierte Grundfreibetrag keiner Besteuerung unterworfen werde und daneben die individuellen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt würden. Das subjektive Nettoprinzip habe nach der h.M. im Schrifttum Verfassungsrang und stehe damit nicht zur Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers. Dies werde nicht nur aus dem Gleichheitssatz mit seinem Vergleichsmaßstab der individuellen Leistungsfähigkeit, sondern auch aus der verfassungsrechtlich garantierten Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), das freiheitsrechtlich begründete Eigentumsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 14 Abs. 1 GG) sowie dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG; Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) hergeleitet. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BVerfG fordere das Grundgesetz, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener und realitätsgerechter Höhe - unabhängig von der jeweiligen Höhe des Einkommens - von der Einkommensteuer bereits bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage freigestellt werde. Was als existenznotwendiger Aufwand anzusehen sei, werde regelmäßig im Sozialrecht konkretisiert. An diesen Maßstäben habe sich auch der Steuergesetzgeber zu orientieren. Denn das  fundamentale Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit habe sein Spiegelbild im Sozialrecht. Während das Steuerrecht dem Leistungsfähigen die Mittel nehme, gebe das Sozialrecht daraus dem Bedürftigen. Dementsprechend sei für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen. Im Bereich der Kranken- und Pflegeversorgung habe das BVerfG im Beschluss vom 13. Februar 2008 zum Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen seine Methodik zum subjektiven Nettoprinzip im Rahmen des Familienlastenausgleich auf die Kranken- und Pflegeversorgung übertragen. Der Steuergesetzgeber habe demnach das Existenzminimum in Höhe der typisierten Grundfreibeträge zuzüglich der individuellen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen für den Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie vollständig steuerfrei zu stellen. Nur hinsichtlich des Teils des Einkommens, welches das so definierte Existenzminimum überschreite, könne eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen angenommen werden, welche eine Einkommensteuerbelastung und damit letztendlich auch eine Finanzierung des Sozialstaats rechtfertige. Welche Aufwendungen das steuerliche Existenzminimum berührten sei durch das Sozialhilferecht determiniert. Für die nähere Konkretisierung des steuerlichen Existenzminimums stelle das BVerfG auf den sozialhilfegleichen Mindestversorgungsstandard ab, der durch die staatliche Fürsorge Mittellosen gewährt werde. An diesen Regelungen habe sich auch der Steuergesetzgeber folgerichtig zu orientieren. Nach den Regelungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitssuchende werde die Übernahme von Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung staatlich gewährleistet. Ferner seien Steuerpflichtige aus niedrigeren Einkommensgruppen von gesetzlichen Zuzahlungen befreit. Dementsprechend gebiete es Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG, dass ein sozialhilfegleiches Versorgungsniveau in voller Höhe aus steuerfreiem Einkommen bestritten werden könne. Zuzahlungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und von der Krankenkasse nicht abgedeckte Leistungen müssten daher vollständig und in unbegrenzter Höhe die einkommensteuerrechtliche Bemessungsgrundlage mindern.

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Hinsichtlich der Zuzahlungen sei in § 62 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –SGB- V für Sozialleistungsempfänger eine Belastungsgrenze in Höhe von 88,76 € für 2008 festgelegt worden. Sofern diese Belastungsgrenze überschritten werde, würden durch den Sozialleistungsträger die Zuzahlungen vollständig erstattet. Damit werde im Sozialrecht ein Mindeststandard definiert, der folgerichtig im Steuerrecht Berücksichtigung finden müsse.
Die Einordnung von gesetzlichen Zuzahlungen im Rahmen der Krankenversicherung und andere nicht abgedeckte Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung wirkten sich in Höhe der zumutbaren Belastung jedoch faktisch wie eine Abzugsbeschränkung aus. Insbesondere könne dies nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass dem Steuerpflichtigen ein Einkommen oberhalb des Existenzminimums verbleibe. Auch oberhalb der Grenze des Existenzminimums sei das Gebot der Steuergerechtigkeit, konkretisiert durch das subjektive Nettoprinzip, verfassungsrechtlich geboten. Das Existenzminimum müsse folgerichtig vollständig steuerfrei gestellt werden und nicht nur nach Abzug der Steuern erhalten bleiben. Steuerliche Gleichheit fange bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage an. Daher müsse § 33 EStG verfassungskonform so ausgelegt werden, dass Krankheitsaufwendungen ohne Anrechnung einer zumutbaren Belastung berücksichtigt werden. Dies gelte auch für die privatärztliche Behandlung der Klägerin, da hiermit die Konsultation mit einem HNO-Arzt und mit einem Neurologen verbunden gewesen sei, während bei der gesetzlichen Versorgung die Notwendigkeit einer Konsultation abzuwarten gewesen und eine angezeigte neurologische Untersuchung durchweg nicht üblich sei. Soweit hier das Finanzgericht Hannover die Regelung über die zumutbare Belastung als verfassungsgemäß eingestuft habe, (Urteil vom 7. Dezember 2011 2011 – 2 K 19/11), betreffe dies einen anders gelagerten Sachverhalt.

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Die von der gesetzlichen Krankenkasse nicht gedeckten Krankheitsaufwendungen der Kläger in Höhe von insgesamt 1.249,07 € seien damit vollständig und –  sofern im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen angeordnet - ohne Anrechnung einer zumutbaren Belastung vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.
Der Beklagte hat den angegriffenen Einkommensteuerbescheid im Verlauf des Klageverfahrens letztmals mit Datum vom 26. Oktober 2011 geändert (Bl. 86 ff. PA) und hat dort einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 647.587 € zugrunde gelegt.
Die Kläger beantragen, den zuletzt am 26. Oktober 2011 geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 dahingehend zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen in Höhe von  1.249,07 € ohne Anrechnung einer zumutbaren Belastung steuermindernd berücksichtigt werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der von den Klägern erwähnte Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (DStR 2008, 604) biete keine Veranlassung zur steuermindernden Berücksichtigung der - verbleibenden - Krankheitskosten ohne Abzug der zumutbaren Belastung. Diesem Beschluss lasse sich entnehmen, dass nach dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen habe, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötige. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge habe, entspreche es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richte. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen habe, das dürfe er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen. Dass der Staat den Klägern durch Besteuerung ihres Einkommens etwas entzogen hätte, was er ihnen aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hätte, bedürfe bei einem zu versteuernden Einkommen von 591.950 € keiner weiteren Erörterung. Wie das BVerfG weiter festgestellt habe, ergäben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichten. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liege dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletze, ließen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und :Regelungsbereiche bestimmen.  Daraus habe das BVerfG hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs von Versicherungsbeiträgen abgeleitet, dass bei einem Vergleich der einkommensteuerrechtlichen Situation von Gruppen, die unterschiedlichen Vorsorgesystemen angehörten, auch die spezifischen Funktionsbedingungen dieser Systeme und deren Verhältnis zu den Normen des Einkommensteuergesetzes im Auge zu behalten seien. In § 33 EStG hingegen gehe es um die Erfassung der subjektiven Leistungsfähigkeit und letztendlich um die Frage, ab wann der Einzelne Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft habe. Dass die Kläger bei einem zu versteuernden Einkommen von 591.950 € bezüglich der Berücksichtigung ihrer Krankheitskosten Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft hätten, hätten sie nicht vorgetragen und wäre auch nicht nachvollziehbar.

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Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage der medizinischen Indikation der beim Kläger durchgeführten Zahnreinigungen (Beschluss vom 24. Februar 2012, Bl. 126 f. PA). Auf den Inhalt des Gutachtens vom 30. April 2012 (Bl. 169 ff. PA) und die ergänzende Mitteilung vom 17. Juni 2012  zu Alternativmethoden, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden (Bl. 211 ff. PA), wird Bezug genommen. Weiterhin hat das Gericht Auskünfte bei den die Klägerin behandelnden Ärzten angefordert. Auf die Antwortschreiben (Bl. 197, 200 und 201 ff. PA) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist nicht begründet.

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1. Die hier in Rede stehenden Aufwendungen sind nur im Wege der außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen. Der Bundesfinanzhof –BFH- hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 (X R 41/11, DStR 2012, 1696) entschieden, dass die Zuzahlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 28 Abs. 4 SGB V, die sog. "Praxisgebühren", nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG können Steuerpflichtige "Beiträge zu Krankenversicherungen" als Sonderausgaben abziehen. Darunter fallen jedoch nur solche Ausgaben, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen, also letztlich der Vorsorge dienen.

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Bei der "Praxisgebühr" ist dies nicht der Fall, da der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig von der Zahlung der „Praxisgebühr" gewährt wird. Sie stellt vielmehr eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten dar. Dies gilt insoweit auch für die von den Klägern geleisteten Medikamentenzuzahlungen sowie für die Zuzahlung zur stationären Krankenhausbehandlung.

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2. Vorliegend sind nur Aufwendungen in Höhe von 1.173,01 € als Krankheitskosten im Wege der außergewöhnlichen Belastung berücksichtigungsfähig. Die Aufwendungen für die ärztlicherseits nicht verordneten Arzneimittel in Höhe von 76,06 € konnten nicht berücksichtigt werden; denn insoweit fehlt der Nachweis der Zwangsläufigkeit dieser Kosten. Der Gesetzgeber hat durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 -StVereinfG 2011- auf die Rechtsprechungsänderung des BFH reagiert und für bestimmte Arten von Heilmaßnahmen - u.a. für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel - ein formalisiertes Nachweisverfahren eingeführt. Diese müssen gem. § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung –EStDV- durch einen Arzt oder Heilpraktiker verordnet worden sein. Die rückwirkende gesetzliche Einführung des formalisierten Nachweises ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der erkennende Senat folgt insoweit dem BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10 (BFH/NV 2012, 1269; ebenso Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 27. April 2012, 2 K 19/11, dokumentiert in Juris). Dem in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 und in § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelten Verlangen, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall formalisiert nachzuweisen, ist nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 somit auch im Veranlagungszeitraum 2008 Rechnung zu tragen.

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3. Der Senat ist vorliegend nicht zu der Überzeugung gelangt, dass im vorliegenden Verfahren die Kürzung der Aufwendungen um die zumutbare Belastung verfassungswidrig wäre und somit die Frage dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das BundesverfassungsgerichtBVerfGG- vorzulegen gewesen wäre oder eine von Verfassungswegen gebotene teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Kürzung um die zumutbare Belastung in Betracht zu ziehen gewesen wäre.

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a) Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann (BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BStBl II 1998, 613; vom 10. Oktober 1996 III R 118/95, BFH/NV1997, 337; vom 12. Juni 1991 III R 102/89, BStBl II 1991, 763). Eine derartig typisierende Behandlung der Krankheitskosten hält die Rechtsprechung zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten. Dies gilt auch, soweit die Berücksichtigung der Aufwendungen nicht betragsmäßig auf die im Einzelfall gebotene Höhe „gedeckelt“ wird. Maßgeblich allein ist danach die medizinische Indikation der Aufwendungen. Insoweit entscheidet allein der Steuerpflichtige, welche Aufwendungen er für Linderung seiner Krankheit tragen will. Berücksichtigungsfähig sind allerdings nur solche Aufwendungen, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Hierbei muss es sich allerdings um unmittelbare Krankheitskosten handeln. Nicht zu den Krankheitskosten gehören deshalb grundsätzlich vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit ganz allgemein dienen (BFH-Urteile vom 30. Juni 1998 III R 110/93, BFH/NV 1998, 1480).

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Dies hat der BFH zuletzt (Urteil vom 5. Oktober 2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33) bestätigt, soweit er im Zusammenhang mit der Zurückverweisung an das Finanzgericht wie folgt ausführt: „Bei dieser Prüfung hat sich das Finanzgericht –FG- zugleich zu vergegenwärtigen, dass Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf, wenn die Maßnahmen medizinisch indiziert sind. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40), es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).“

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b) Soweit es hier jedoch darum geht, inwieweit der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, den Steuerpflichtigen bei der Einkommensteuer von den gesamten Krankheitskosten freizustellen und auf die Kürzung um die zumutbare Belastung zu verzichten, ist hierbei ein engerer Begriff der Zwangsläufigkeit zugrunde zu legen. Denn insoweit kann es allein darum gehen, die Steuerfreiheit des Existenzminimums abzusichern. Dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 13. Februar 2008 (2 BvL 1/06, a.a.O.) dergestalt postuliert, dass es hinsichtlich der gebotenen steuermindernden Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen darauf abgestellt hat, dass die konkreten Versicherungsbeiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erforderlich sein müssen, wobei das Gericht auch eine sachgerechte Typisierung hinsichtlich des Umfangs der abzugsfähigen Beträge zulässt. Hierauf hat der Gesetzgeber mit dem sog. Bürgerentlastungsgesetz ab dem VZ 2010 reagiert und hinsichtlich der berücksichtungsfähigen Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung die Aufwendungen in vergleichbarer Höhe einer Basisversorgung anerkannt.

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aa) Für die gebotene Berücksichtigung von Krankheitsaufwendungen heißt dies konkret,  dass Krankheitskosten als Kosten der Existenzsicherung nicht generell ohne Abzug einer zumutbaren Belastung abgezogen werden müssten. Dies könnte allenfalls nur für die medizinischen Leistungen gelten, die ein Sozialleistungsempfänger – kostenfrei - erhalten würde. Sofern Versorgungsleistungen direkt bereitgestellt werden, orientieren sie sich im Rahmen des sozialhilferechtlichen Leistungsniveaus gem. §§ 52, 61 SGB XII ebenfalls im Wesentlichen an der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. BVerfG Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, a.a.O., unter D.IV.1.a;). Von der einer dem sozialhilferechtlichen Niveau entsprechenden Krankenversicherung nicht abgedeckte Krankheitskosten werden indes von der Sozialhilfe ebenfalls nicht zusätzlich umfasst, so dass sie nicht unter die gebotene Freistellung des Existenzminimums fallen (ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 07. Dezember 2011, 2 K 19/11, dokumentiert in Juris). Die Kosten der Zahnreinigung und die der Klägerin für die Wahlleistung „Chefarztbehandlung“ gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz –KHEntG- in Rechnung gestellten Beträge sowie die Aufwendungen für die Unterbringung in einem Zweibettzimmer als weitere Wahlleistung und auch die Kosten für die nicht ärztlicherseits verschriebenen Medikamente (s. unter I.2. der Gründe) bleiben damit von vornherein außer Ansatz. Denn wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt hat, hätte der Kläger im Rahmen der Behandlung der Parodontitis ggf. auch eine von der gesetzlichen Krankenkasse getragene Zahnreinigung – allerdings verbunden mit einer örtlichen Betäubung – im Rahmen eines sog. Parodontalstatus beantragen können. Gegen die ergänzende Mitteilung vom 17. Juni 2012 zu Alternativmethoden, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, haben die Kläger keine Einwände vorgebracht, die die Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen hätten in Zweifel ziehen lassen können. Soweit die privatärztliche Behandlung der Klägerin damit begründet wurde, dass hiermit die frühzeitige Konsultation mit einem HNO-Arzt und mit einem Neurologen verbunden gewesen sei, haben sie nicht weiter ausgeführt, dass eine neurologische Untersuchung im Rahmen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkasse hätte überhaupt nicht erfolgen können. Der bloße Wunsch einer möglichst frühzeitigen Konsultation erfüllt insoweit nicht die strengeren Anforderungen an die Zwangsläufigkeit, da die konkreten medizinischen Leistungen im Rahmen der Wahlleistung „Chefarztbehandlung“ auch ein Sozialleistungsempfänger nicht kostenfrei erhalten würde. Dies gilt insoweit auch für die Zuzahlungen für ein Zweibettzimmer.

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bb) Damit verbleiben allenfalls nur noch 142,49 € (Zuzahlungen und Rechnung der Laborärzte).

20

Eine existenzielle Betroffenheit ist bei diesen noch verbleibenden marginalen Aufwendungen angesichts der Höhe der Einkünfte der Kläger nicht zu erkennen. Denn danach betragen die noch verbleibenden 142,49 € gerade einmal 0,0222 v.H.  des Gesamtbetrags der Einkünfte. (Bei den gesamten Krankheitskosten wären dies 0,18 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte). Die geltend gemachte krankheitsbedingte steuerliche Schlechterstellung verstößt damit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie beinhaltet keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung und zwingt deshalb auch nicht zu einer anderslautenden - verfassungskonformen - Auslegung des § 33 Abs. 1 GG bzw. zu einer Vorlage an das BVerfG. Der allgemeine Gleichheitssatz verwehrt dem Gesetzgeber nämlich nicht jede Differenzierung. Davon ausgehend, dass jede gesetzliche Regelung verallgemeinern muss, ist der Gesetzgeber berechtigt, bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie hier - generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen – auch im Bereich der außergewöhnlichen Belastung - zu verwenden. Dabei kann es - ebenso wie in anderen steuerrechtlichen Bereichen - zu Belastungen und Härten kommen, die nicht linear, sondern in Stufenschritten wirksam werden und die sich deshalb für die Betroffenen in einem gewissen Rahmen ungleich auswirken können. Das Ziel einer möglichst weitgehenden Einzelfallgerechtigkeit muss, um diese Massenerscheinung noch mit verhältnismäßigen Mitteln zu bewältigen, hinter Praktikabilitätserwägungen zurücktreten, ohne dass wegen der damit verbundenen Härten ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorläge (BVerfG-Urteile vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. -, BVerfGE 100, 138 ff;  Urteil vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 -, BverfGE 116, 164 ff m.w.N.). Ein Verstoß wäre erst dann anzunehmen, wenn die unterschiedliche Behandlung verschiedener Normadressaten ohne hinreichend gewichtigen Grund erfolgte und der Bedarf nach einer Typisierung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre. Zulässig ist die Typisierung deshalb, wenn sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG-Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. -, a.a.O.). Vorliegend ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber insoweit – gewissermaßen als Kompensation - einen gewissen Anteil der Krankheitskosten als zumutbare Belastung von der Abzugsfähigkeit ausnimmt, da sowohl die Gründe der Erkrankung als auch die Höhe der Aufwendungen für die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen (grds.) keine Rolle spielt. Ein im Einzelfall etwa vorliegender Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit könnte nämlich erst ab einem – hier erkennbar nicht vorliegenden - gewissen Gewicht zur Verfassungswidrigkeit der hier einschlägigen Regelungen führen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. Juli 2012 IV R 39/09, DStR 2012, 1805, 1809, unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434, wonach durch Typisierungs- und Pauschalierungsregelungen ein gewisses Maß einer wirtschaftlich ungleichen Wirkung auf die Steuerzahler hingenommen werden kann). Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist hiernach erst dann gegeben, wenn die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (BVerfG-Beschluss vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, a.a.O.). Die Frage, ob die vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Prozentsätze vom Gesamtbetrag der Einkünfte insoweit verfassungswidrig sein könnten, stellt sich angesichts der hier so geringen Höhe der nicht berücksichtigten Aufwendungen deshalb schon gar nicht mehr.

21

cc) Die überwiegende Meinung in der Literatur sieht in der hier vorliegenden Konstellation (hoher Gesamtbetrag der Einkünfte bei relativ geringen Krankheitsaufwendungen) keine Verfassungswidrigkeit der zumutbaren Belastung (Schmidt/Loschelder EStG, 31. Aufl., 2012, § 33 Rz 31; Mellinghoff in Kirchhof, EStG-Kommentar, 11. Aufl., 2012, § 33 Rz 48; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 216; Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 134).

22

Auch der BFH hat insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (z.B. BFH-Urteil vom 15. November 1991, III R 30/88, BStBl II 1992, 179; BFH-Beschlüsse vom 8. Dezember 1999, III B 72/99, BFH/NV 2000, 704 und vom 10. Januar 2003 III B 26/02, BFH/NV 2003, 616). Auch nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG zur Abzugsfähigkeit von Krankenversicherungsbeiträgen (BVerfG Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, a.a.O.) hat der BFH an dieser Beurteilung zur zumutbaren Belastung im Zusammenhang mit Krankheitskosten festgehalten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. März 2009 VI R 58/08, nv. juris; vom 30. Juni 2011 VI R 14/10 BFH/NV 2011, 1951). Auch der X. Senat des BFH  äußert in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11 (DStR 2012, 1696, 1698) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Ansatzes einer zumutbaren Belastung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4 SGB V. Diese Einschätzung hat das BVerfG geteilt. Soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibe, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liege, sei die Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1987, 1 BvR 672/87, Der Betrieb 1988, 368). Mit Beschlüssen vom 14. März 1997, 2 BvR 861/92 (Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 543) sowie vom 30. Mai 2005 (2 BvR 923/03, nv) hat das BVerfG erneut Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG gerichtet hatten, nicht zur Entscheidung angenommen. Abgesehen von der geringen Höhe der nicht berücksichtigten Aufwendungen verbleibt den Klägern auch unter Berücksichtigung der Krankheitskosten ein verfügbares Einkommen, das deutlich weit über dem Regelsatz für das Existenzminimum liegt.

23

dd) Soweit in der Literatur dem entgegen davon ausgegangen wird, dass die Kürzung einer zumutbaren Belastung bei den Krankheitskosten der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG widerspreche (vgl. z.B. Haupt, DStR 2010, 960, 963; Karrenbrock/Petrak, DStR 2011, 552 ff), vermag der Senat dem aus den oben angeführten Gründen nicht zu folgen. Zu dem von den Klägern angeführten Beschluss des BVerfG merkt der erkennende Senat im Übrigen an, dass das BVerfG in diesem Beschluss 2 BvL 1/06 den Gesetzgeber erst ab dem VZ 2010 zu einer Neuregelung der Berücksichtung von Krankenversicherungsbeiträgen aufgefordert hat.

24

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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III. Revisionszulassungsgründe i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012  4 K 1970/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob von der Krankenversicherung nicht getragene Krankheitskosten, insbesondere Zuzahlungen, als außergewöhnliche Belastungen von Verfassungs wegen ohne Ansatz einer zumutbaren Belastung einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer des Streitjahrs (2008) zusammenveranlagte Eheleute, erzielten einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 647.587 €. Die Kläger machten die nachstehenden Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 1.249,07 € im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung geltend: 237,80 € für zahnärztliche Airflow Zahnreinigung (Ultrasonic-Scaler); 50 € für Zuzahlungen gemäß § 28 Abs. 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V); 17,49 € für Laboratoriumsmedizin; 150,69 € für eine Arztrechnung; 250,25 € für einen Zweibettzimmerzuschlag im Klinikum M; 289,26 € an das Klinikum M; 102,52 € an das Klinikum Y; 60 € Zuzahlung für einen stationären Krankenhausaufenthalt; 91,06 € Aufwendungen für Medikamente, davon 15 € Zuzahlungen. Diese von der Krankenversicherung nicht übernommenen Aufwendungen seien --so die Kläger-- zwangsläufig entstanden; sie seien ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen. Das folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) zum von Verfassungs wegen zwingenden Sonderausgabenabzug der Krankenversicherungsbeiträge und ungeachtet dessen, dass den Klägern auch ohne Berücksichtigung dieser hier streitigen Aufwendungen noch ein zu versteuerndes Einkommen über dem Existenzminimum verbleibe.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ohne Ansatz der zumutbaren Belastung ab.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 2205 veröffentlichten Gründen ab.

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Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung materiellen (Verfassungs-)Rechts.

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Sie beantragen,
1. den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 19. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2010 sowie das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 aufzuheben und
2. die Einkommensteuer der Kläger für 2008 unter mindernder Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen der Kläger von 1.249,07 €, hilfsweise jedenfalls in Höhe von 142,49 €, jeweils ohne Anrechnung der sog. zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzusetzen.

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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat den Beitritt zum Verfahren erklärt (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

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II.Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von den Klägern aufgewendeten Krankheitskosten zwar grundsätzlich unter den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen fallen, sich im Streitfall aber steuerlich nicht auswirken, weil die Aufwendungen die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 1 und Abs. 3 EStG) nicht überschritten haben. Es ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten, hinsichtlich dieser Aufwendungen auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten.

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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

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Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Dementsprechend geht der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft (zuletzt Senatsurteil vom 14. April 2015 VI R 89/13, BFHE 249, 483, BStBl II 2015, 703, m.w.N.).

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Nach § 33 Abs. 3 EStG beträgt die zumutbare Belastung in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit davon, ob bei den Steuerpflichtigen der Grundtarif oder das Splittingverfahren zur Anwendung kommt sowie ob mehr oder weniger als drei Kinder zu berücksichtigen sind, zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte.

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2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die streitbefangenen Zuzahlungen Krankheitskosten darstellen und daher grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind (offen gelassen im BFH-Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11, BFHE 238, 103, BStBl II 2012, 821). Die Krankheitskosten sind allerdings nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, als sie den Betrag der nach § 33 Abs. 3 EStG ermittelten zumutbaren Belastung überschreiten. Denn § 33 Abs. 3 EStG differenziert bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht zwischen Krankheitskosten und anderen Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind; der Wortlaut ist insoweit eindeutig.

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Soweit die einkommensteuerrechtliche Literatur zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Ansatzes einer zumutbaren Belastung Stellung nimmt, geht eine Auffassung davon aus, dass ein solcher Ansatz verfassungsrechtlich hinnehmbar sei (Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 134; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 216; Stöcker in Lademann, EStG, § 33 Rz 257; C.P. Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, Baden-Baden 2008, S. 190 ff.) oder dass dies jedenfalls dann gelte, solange ein verfügbares Einkommen über dem Existenzminimum verbleibe (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 48; Fuhrmann in Korn, § 33 EStG Rz 57). Soweit die zumutbare Belastung als verfassungswidrig beurteilt wird, wird dies insbesondere damit begründet, dass die zumutbare Belastung dem Prinzip der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit widerspreche (J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 618 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Bd. II, S. 830 f.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 8 Rz 720; L. Karrenbrock/Petrak, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 552; H. Haupt, DStR 2010, 960; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz A 6, B 44) oder dass die Berechnung der zumutbaren Belastung zu im Ergebnis verfassungswidrigen Progressionssprüngen führen könne (Kosfeld, Finanz-Rundschau --FR-- 2009, 366, FR 2012, 969, FR 2013, 359).

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3. Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass der Ansatz der zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten, auch soweit es um den Abzug von Zuzahlungen geht, von Verfassungs wegen hinzunehmen ist. Die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums richtet sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Auch Sozialhilfeempfänger haben jedoch Zuzahlungen zu leisten. Daher ist eine Differenzierung zwischen Krankheitskosten und anderen als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen beim Ansatz der zumutbaren Belastung verfassungsrechtlich nicht geboten.

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a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.).

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b) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören grundsätzlich auch die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Kranken- und Pflegeversorgung. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Hausrat, Wohnung und Heizung.

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aa) Der erkennende Senat geht dabei entgegen der Auffassung des beigetretenen BMF davon aus, dass Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung dem Grunde nach nicht nur die Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch den eigentlichen Sachaufwand für eine Krankenversorgung umfassen. Denn auch das BVerfG sieht es als unerheblich an, ob die Kranken- und Pflegeversorgung indirekt über eine Versicherung oder direkt über Versorgungsleistungen sichergestellt werde. Solange der Empfänger entsprechender Sozialleistungen aus den allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werde, sei der entsprechende Aufwand im Einkommensteuerrecht steuerfrei zu stellen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125, Rz 115).

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bb) Allerdings ist für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands hinsichtlich der Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung der Höhe nach auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen (so BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 120, 125; vom 25. September 1992  2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 <171>).

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c) Die hier im Einzelnen streitigen Aufwendungen sind nicht Teil des sozialhilferechtlichen Versorgungsniveaus. Dies gilt --was zwischen den Beteiligten insoweit auch unstreitig ist-- für die von Ärzten durchgeführte Zahnreinigung, für die übrigen Arztrechnungen und für den Zweibettzimmerzuschlag in den Kliniken. Dies gilt aber auch für die von den Klägern darüber hinaus erbrachten Zahlungen, auf die sie in ihrem Hilfsantrag Bezug nehmen und wofür sie die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ohne Anrechnung der zumutbaren Belastung begehren. Denn auch Sozialhilfeempfänger müssen seit 2004 Zuzahlungen leisten.

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aa) Nach § 31 Abs. 3 SGB V haben Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrag zu leisten, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels ("Arzneimittelzuzahlung"; Beck in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 31 SGB V). Nach § 28 SGB V in der vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2011 geltenden und damit auch hier im Streitjahr anwendbaren Fassung hatten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten, je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 2 SGB V ergebenden Betrag an den Leistungserbringer zu leisten ("Praxisgebühr"; Fahlbusch in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 28 SGB V Rz 82 ff.). Das sind im Fall der Arzneimittelzuzahlung nach § 61 Satz 1 SGB V 10 % des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 € und höchstens 10 €, allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Im Fall der Praxisgebühr waren dies 10 € je Kalendervierteljahr. Zuzahlungsverpflichtungen (insgesamt dazu: Albers in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 62 SGB V Rz 17) bestehen insbesondere auch für Heilmittel (§ 32 Abs. 2 i.V.m. § 61 Satz 3 SGB V), Hilfsmittel (§ 33 Abs. 8 i.V.m. § 61 Satz 1 SGB V) sowie zur Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 4 i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V). Als Zuzahlungen zu stationären Maßnahmen sind nach § 61 Satz 2 SGB V jeweils je Kalendertag 10 € zu erbringen. Bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege beträgt nach § 61 Satz 3 SGB V die Zuzahlung 10 % der Kosten sowie 10 € je Verordnung.

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bb) Diese Zuzahlungen nach § 61 SGB V sind bis zur Belastungsgrenze des § 62 SGB V von jedem Versicherten zu erbringen. Die Belastungsgrenze beträgt 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V); für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, reduziert sie sich auf 1 %. Dies gilt nach § 62 Abs. 2 Sätze 5 und 6 SGB V in grundsätzlich gleicher Weise auch für Versicherte, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten, sowie für Versicherte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten. Bei Versicherten, die Sozialleistungen nach dem SGB XII oder nach dem SGB II erhalten, sind als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft der Regelsatz des Haushaltsvorstands nach der Regelsatzverordnung und die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblich (§ 62 Abs. 2 Sätze 5, 6 SGB V).

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Diese Rechtslage gilt ab Januar 2004. Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2003, 2190) auch die zuvor durch § 62 SGB V in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung gegebene Möglichkeit der Befreiung von der Zuzahlungspflicht entfallen lassen (zur Rechtsentwicklung Albers in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 62 SGB V Rz 2). Die Zuzahlungen sollen nunmehr aus dem Regelsatz erbracht werden, um im Hinblick auf die Zuzahlungen Sozialhilfeempfänger den Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzustellen. Im Ergebnis haben damit, so auch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 16. Dezember 2010 B 8 SO 7/09 R (Sozialrecht 4-3500 § 28 Nr. 6, BSGE 107, 169), seit dem 1. Januar 2004 Sozialhilfeempfänger wie alle gesetzlich Versicherten Zuzahlungen von bis zu 2 % ihres Bruttoeinkommens zu erbringen.

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cc) Dagegen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II haben zwar monatliche Zuzahlungen zu leisten und Leistungskürzungen des GMG hinzunehmen; das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum ist dadurch aber nicht unterschritten. Der erkennende Senat nimmt insoweit auf die Rechtsprechung des BSG Bezug, die die geänderten §§ 61, 62 SGB V für verfassungsgemäß hält (Urteil vom 22. April 2008 B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Kammerbeschluss vom 25. März 2010  1 BvR 2220/08). Das BSG hat sich dabei zur Frage, ob das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum unterschritten sei, auf die Rechtsprechung des BVerfG gestützt. Denn danach ist es dem Gesetzgeber prinzipiell erlaubt, den Versicherten über den Beitrag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in Form von Zuzahlungen zu bestimmten Leistungen zu beteiligen, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann (BVerfG-Beschluss vom 6. Dezember 2005  1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, unter B.I.2.b; Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 31 SGB V Rz 4).

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d) Da auch Empfänger von Sozialleistungen die Zuzahlungen aus den ihnen zur Verfügung gestellten Sozialleistungen bis zur Belastungsgrenze selbst zu erbringen haben, gehören Zuzahlungen i.S. des § 61 SGB V nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum.

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aa) Wenn nach sozialhilferechtlichen Maßstäben die Krankenversorgung nicht zuzahlungsfrei, sondern aus den für die Haushaltsführung zur Verfügung stehenden Geldmitteln zu finanzieren ist, ist es nicht zu beanstanden, dass Empfänger von Leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung Zuzahlungen zu Krankheitskosten in betragsmäßig geringerem Umfang zu leisten haben als Steuerpflichtige mit einem entsprechend höheren Gesamtbetrag der Einkünfte. Denn auch diese haben bis zu 2 % --bei chronischer Erkrankung 1 %-- der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel für Zuzahlungen zu den Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen und werden demnach mit Sozialhilfeempfängern gleich behandelt.

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Eine Zuzahlung mag zwar dann nicht mehr zumutbar sein, wenn dadurch in das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen werden sollte (BSG-Urteil in BSGE 100, 221, Rz 16). Solange allerdings der tatsächliche Umfang der von den Steuerpflichtigen erbrachten Aufwendungen für die Zuzahlungen der Höhe nach nicht geeignet ist, dieses Existenzminimum zu tangieren, hält der erkennende Senat keine Einschränkung der zumutbaren Belastung von Verfassungs wegen für geboten. Im hier vorliegenden Streitfall der Kläger mit streitigen Aufwendungen in Höhe von 143 € sind angesichts des Gesamtbetrags ihrer Einkünfte keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum betroffen wäre. Angesichts dessen kann der Senat hier dahinstehen lassen, ob in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige Zuzahlungen zu leisten hat und dadurch dessen zu versteuerndes Einkommen den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG unterschreitet, eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 EStG, eine Vorlage an das BVerfG oder eine aus Billigkeitsgründen abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 der Abgabenordnung in Betracht kommt.

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bb) Das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum wird zwar noch nicht allein dadurch in einer verfassungsrechtlich hinreichenden Art und Weise berücksichtigt, dass dem Steuerpflichtigen nach Zahlung der Steuer ein ausreichendes Einkommen zur Verfügung bleibt. Denn das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen. Das hat das BVerfG schon in seinem Beschluss zum Familienleistungsausgleich vom 10. November 1998  2 BvL 42/93 (BStBl II 1999, 174, BVerfGE 99, 246) und ebenso im Beschluss zur von Verfassungs wegen gebotenen Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten vom 16. März 2005  2 BvL 7/00 (BVerfGE 112, 268) klargestellt. Dies gilt indessen nur für Aufwendungen, die tatsächlich von Verfassungs wegen auch dem einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum zuzuordnen sind, weil die Aufwendungen dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau entsprechen. Die sozialhilferechtliche Krankenversorgung ist allerdings, wie ausgeführt, weil nicht zuzahlungsfrei, gerade nicht Teil des sozialhilferechtlichen Versorgungsniveaus.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.