Finanzgericht München Urteil, 10. Feb. 2017 - 3 K 2276/15

bei uns veröffentlicht am10.02.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Streitig ist, ob ein geänderter Umsatzsteuerbescheid unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit durch den Beklagten (im Folgenden: FA) aufgehoben werden konnte.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der A GmbH.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 01 vom 10.8.2011 errechnete die A eine negative Umsatzsteuer von 200.000 €. Mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid vom 11.7.2012 setzte das FA die Umsatzsteuer für 01 auf den negativen Betrag von 100.000 € fest; die Änderungen beruhten auf den Feststellungen einer UmsatzsteuerSonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Mai 01. Mit Bescheid vom 21.6.2013 setzte das FA die Umsatzsteuer für 01 auf den negativen Betrag von 50.000 € fest; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufrechterhalten. Diese Änderungen beruhten auf den Feststellungen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Juni bis Dezember 01.

Durch Beschluss des Amtsgerichts B vom 1.4.2014 wurde über das Vermögen der A das Insolvenzverfahren eröffnet sowie der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am 14.5.2013 wurde bei der A mit der Durchführung einer Betriebsprüfung begonnen, diese endete am 30.9.2014. Prüfungsgegenstand war unter anderem die Umsatzsteuer 01; der Prüfungsbericht stammt vom 20.1.2015. In diesem Betriebsprüfungsbericht findet sich unter Tz. 7.1 (Umsatzsteuerschuld - Übersicht) als ausgewiesener „Unterschied“ auf Grund der Prüfung ein Betrag von 0 €; die Besteuerungsgrundlagen blieben auf Grund dieser Prüfung unverändert. Mit Schreiben vom 14.4.2015 teilte das FA dem Kläger mit, dass der Prüfungsbericht vom 22.1.2015 ausgewertet wurde; bezüglich der Umsatzsteuer wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „die Rechtsbehelfe nicht erledigt sind und die Verfahren fortgeführt bzw. bis zur Entscheidung durch den BFH zurückgestellt werden“.

Mit einem an den Insolvenzverwalteter gerichteten Bescheid vom 14.4.2015 setzte das FA die Umsatzsteuer für 01 auf den negativen Betrag von 100.000 € fest; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Dieser Änderungsbescheid führte zu einem „Restguthaben“ von 50.000 €, welches vom FA allerdings nicht ausbezahlt wurde. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid wurde ausgeführt, dass „der Festsetzung die Ergebnisse der durchgeführten Außenprüfung mit Prüfungsbericht vom 16.10.2014 zugrunde liegen und dass dieser Bescheid den Bescheid vom 21.6.2013 ändere“.

Mit an den Insolvenzverwalteter gerichteten Verwaltungsakt vom 4.5.2015 hob das FA den geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 14.4.2015 nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wieder auf und teilte mit, dass nunmehr wieder der Bescheid vom 21.6.2013 Gegenstand des laufenden Revisionsverfahrens sei.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass der Aufhebungsbescheid vom 4.5.2015 unwirksam sei und deshalb der Änderungsbescheid vom 14.4.2015 vom FA nicht mehr aufgehoben werden könne. Zwar könnten im Insolvenzverfahren grundsätzlich keine belastenden Steuerbescheide mehr erlassen werden. Davon bestehe aber eine Ausnahme, wenn - wie im Streitfall - eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt werde, wenn sich hieraus keine Zahllast ergebe. Mit dem Umsatzsteuerbescheid für 01 vom 14.4.2015 sei ein solcher Erstattungsbetrag in Höhe von 50.000 € festgesetzt worden, der Vorbehalt der Nachprüfung sei damit ausdrücklich aufgehoben worden. Es sei nicht erkennbar, auf Grund welcher Norm dieser Bescheid aufgehoben werden könne, von den Änderungsmöglichkeiten des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO sei hier jedenfalls keine einschlägig. Gleichfalls sei die vom FA nachgeschobene Berichtigungsmöglichkeit wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO nicht einschlägig. Vorliegend handele es sich nach dem Vorbringen des FA nicht um eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern der Erlass des Verwaltungsaktes sei die offenbare Unrichtigkeit. Die Umstände sprächen hier vielmehr dafür, dass der Betriebsprüfer die vom FA genannten Prüfhinweise beim Erlass des Bescheides vom 14.4.2015 bewusst übergangen habe. So lege auch die Tatsache, dass sich in der Handakte des Betriebsprüfers sowohl der Umsatzsteuerprüfungsbericht vom 31.5.2013 sowie der Ausdruck des Änderungsbescheides vom 21.6.2013 befinde, nahe, dass hier feststehende Tatsachen nicht berücksichtigt worden seien. Ein schlichtes Übersehen des Bescheides vom 21.6.2013 scheide auch deshalb aus, weil in dem vom FA vorlegten Prüfhinweis unter der Nummer 1967 dieser Bescheid ausdrücklich genannt werde.

Zu dem weiteren Vorbringen des Klägers wird auf seine im Klageverfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 4. 5.2015 zur Aufhebung des geänderten Umsatzsteuerbescheides 02 vom 14.4.2015 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, das § 87 der Insolvenzordnung (InsO) dem Erlass des Aufhebungsbescheides vom4.5.2015 nicht entgegenstehe und dass dieser auch aus verfahrensrechtlichen Gründen habe ergehen dürfen. So enthalte der Bescheid vom 4.5.2015 keine Besteuerungsgrundlagen, die abstrakt geeignet wären, sich auf die Höhe des zur Insolvenztabelle angemeldeten Betrages auszuwirken. Hier werde keine Steuer festgesetzt und keine Zahlung verlangt, der Bescheid führe lediglich zum Wiederaufleben des Bescheides vom 21.6.2013, der bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam bekannt gegeben worden sei. Verfahrensrechtlich könne der vorhergehende Bescheid vom 14.4.2015 zwar nicht nach § 172 AO geändert werden, eine Änderungsmöglichkeit ergebe sich aber wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO. Bei der Auswertung im Rahmen einer Betriebsprüfung sei der Prüfer von einem falschen Ausgangswert der festgesetzten Umsatzsteuer vor der Prüfung ausgegangen, der Prüfer sei hier von -100.000 € ausgegangen statt richtig -50.000 €. Der Betriebsprüfer und ihm folgend der Veranlagungsbeamte hätten hier aus Unachtsamkeit den Bescheid vom 21.6.2013 übersehen. Nach der Rechtsprechung gehöre zu den offenbaren Unrichtigkeiten auch das Übersehen eindeutiger Mitteilungen durch Nachlässigkeiten; nichts Anderes könne aber für das Übersehen eines Änderungsbescheides gelten.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Umsatzsteuerbescheid für 01 vom 14.4.2015 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit zu Recht mit Bescheid vom 4.5.2015 aufgehoben.

1. Streitig ist nur noch die Rechtsmäßigkeit des Aufhebungsbescheides vom 4.5.2015. Der Vertreter des Klägers teilte in der mündlichen Verhandlung mit, dass er keine weiteren materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für 01 erhebt und nur die Aufhebung des Bescheids vom 4.5.2015 beantragt.

2. Das FA konnte im Streitfall zunächst trotz des laufenden Insolvenzverfahrens am 14.4.2015 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 01 erlassen. Die Regelungen des § 251 Abs. 2 AO und des § 87 InsO stehen dem nicht entgegen, denn mit dem genannten Umsatzsteuerbescheid hat das FA eine negative Umsatzsteuer festgesetzt, die zu einem Restguthaben in Höhe von 50.000 € zugunsten des Klägers geführt hatte. Diesem Bescheid fehlt deshalb die abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn damit hat das FA keine Insolvenzforderung, die nach § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag festgesetzt, der nicht zur Tabelle anzumelden war (BFH-Urteile vom 11.12.2013 XI R 22/11, BStBl II 2014, 332, Rz. 21 und vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BStBl II 2010, 11, Rz. 18 und 23). Da sich hier keine Zahllast ergibt, kann sich aus dem Bescheid unter keinen Umständen eine zur Tabelle anzumeldende Forderung ergeben.

1. Vorliegend stehen die Regelungen des § 87 InsO und des § 251 AO auch dem Erlass des Aufhebungsbescheides vom4.5.2015 nicht entgegen, denn mit diesem Bescheid hat das FA nur den Rechtszustand wiederhergestellt, der vor Erlass des unrichtigen Änderungsbescheides vom 14.4.2015 bestanden hatte. Der Bescheid vom 4.5.2015 führte lediglich zum „Wiederaufleben“ des Bescheides vom 21.6.2013, der bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam bekanntgegeben und aus dem die Steuerforderungen des FA zur Insolvenztabelle angemeldet worden waren. Vorliegend ist es auch nicht zu einer Auszahlung des Guthabens in Höhe von 50.000 € an den Kläger gekommen, dieses wurde mit anderen Steuerschulden verrechnet. Durch die im Streitfall erfolgte Aufhebung eines offenkundig unrichtigen Bescheides (Tz. II.3) ist auch der Schutzzweck des § 87 InsO nicht berührt worden. Dieser besteht in der Sicherung der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (Sternal, in Schmidt, Kommentar zur Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 87 Rz. 1). Da die Steuerforderung des FA aus der Umsatzsteuer 01 bereits vor Insolvenzeröffnung festgesetzt wurde und diese auch zur Insolvenztabelle angemeldet wurde, tritt hier keine Beeinträchtigung anderer Gläubiger ein, denn der bei Insolvenzeröffnung bestehende Rechtszustand bleibt unverändert; insoweit bedurfte es vorliegend auch keiner Feststellung einer Insolvenzforderung nach § 251 Abs. 3 AO.

3. Das FA durfte den Bescheid für die Umsatzsteuer 01 vom 14.4.2015 mit dem Bescheid vom 4.5.2015 aufheben, weil dieser an einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne von § 129 Satz 1 AO litt.

a) Gemäß § 129 Satz 1 AO sind die Finanzbehörden berechtigt, ihnen beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufene Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten zu berichtigen. Eine Berichtigung nach dieser Änderungsvorschrift ist jederzeit möglich (vgl. nur Seer, in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 129 AO Rz. 30), sofern die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 2 AO), so dass die vorliegend erfolgte Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einer Änderung nicht entgegenstand. Die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Umsatzsteuer 01 war hier im Jahr 2015 schon deshalb nicht abgelaufen, weil die Umsatzsteuererklärung für 01 erst im Jahr 03 abgegeben wurde (vgl. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).

b) Offenbar i.S.d. § 129 Satz 1 AO ist eine Unrichtigkeit, wenn sie auf der Hand liegt (BFH-Beschluss vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BStBl II 1984, 834, Rz. 13), wenn der Fehler mithin durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 1993

X R 47/91, BFH/NV 1993, 638, Rz. 12 und Beschluss vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BStBl II 1984, 834, Rz. 13). Zu diesen offenbaren Unrichtigkeiten gehören neben Schreibund Rechenfehlern auch ähnliche Fehler, zum Beispiel mechanische Fehler (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1988 III R 49/85, BFH/NV 1989, 341, Rz. 9). Eine Berichtigung gemäß § 129 Satz 1 AO ist auch dann möglich, wenn ein solches mechanisches Versehen eines Außenprüfers zur Unrichtigkeit des Außenprüfungsberichts geführt hat und dieser Fehler von dem Veranlagungsbeamten bei der Auswertung des Berichts lediglich unbemerkt übernommen worden ist (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539 und Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 10. Dezember 1996 6 K 3320/95, EFG 1997, 382).

aa) Ein derartiges mechanisches Versehen liegt aber dann nicht vor, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung besteht (BFH-Urteil vom 4. März 2009 I R 45/08, BFH/NV 2010, 244, Rz. 28). Insoweit stellt nicht jeder Fehler eine „offenbare Unrichtigkeit“ dar; erfasst werden nur die genannten mechanischen Fehler, denen keine Würdigung oder Beurteilung zugrunde liegt (vgl. etwa Frotscher M., in Schwarz/Pahlke, Kommentar zur AO und FGO, § 129 AO Rz. 6). So schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 129 Satz 1 AO aus (BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 84/86, BFH/NV 2009, 1394, Rz. 22).

bb) Es ist nicht erforderlich, dass die Unrichtigkeit aus dem Bescheid selbst erkennbar ist. Maßgebend ist vielmehr, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhaltes für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkannt werden kann (BFH-Urteile vom 28. Oktober 1992 II R 111/89, BFH/NV 1993, 637, Rz. 11 und vom 15. März 1994 XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937, Rz. 9). Hat die Nichtberücksichtigung einer Tatsache ihren Grund in einer bloßen Unachtsamkeit und liegt sie offen zutage, so kann von einem auf mangelnder Sachaufklärung beruhenden Nichterkennen der Tatsache nicht gesprochen werden (BFH-Urteil vom 29. März 1985 VI R 140/81, BStBl II 1985, 569, Rz. 12 m.w.N.).

cc) Die Frage, ob jede Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachaufklärung bzw. fehlerhafter Tatsachenwürdigung ausgeschlossen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles, vor allem nach der Aktenlage (BFH-Urteile vom 17. Februar 1993 X R 47/91, juris, Rz. 20 und vom 8. März 1989 X R 116/87, BStBl II 1989, 531, Rz. 16).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FA den Umsatzsteuerbescheid 01 vom 14.4.2015 zu Recht mit Bescheid vom 4.5.2015 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit aufgehoben.

aa) Zunächst führt die falsche Bezeichnung der Änderungsvorschrift in dem Aufhebungsbescheid vom 4.5.2015 nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids (BFH-Urteil vom 21. Oktober 2014 VIII R 44/11, BStBl II 2015/ 593, Rz. 15). Es entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein Änderungsbescheid selbst bei Angabe einer fehlerhaften Änderungsgrundlage rechtmäßig ist, falls er durch den Tatbestand einer anderen Änderungsvorschrift gedeckt ist (vgl. nur BFH-Beschluss vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761, Rz. 8 m.w.N.); davon geht das Gericht vorliegend aus.

bb) Im Streitfall hatte der Betriebsprüfer durch Unachtsamkeit übersehen, dass nach dem Erlass des Umsatzsteuerbescheides für 01 vom 11.7.2012 am 21.6.2013 ein Änderungsbescheid ergangen war. Der Betriebsprüfer hatte als „Ausgangspunkt“ seiner Prüfungszusammenstellung für die Umsatzsteuer 01 irrtümlich die Steuerfestsetzung aus dem Umsatzsteuerbescheid für 01 vom 11.7.2012 in Höhe von negativ 100.000 € herangezogen und zugleich festgestellt, dass der „Unterschied“ auf Grund seiner Prüfung „0 €“ beträgt. Als festzusetzende Steuer ging der Betriebsprüfer - insoweit irrig - von einem negativen Betrag von 100.000 € aus und nicht - wie richtig - von einem negativen Betrag von 50.000 €. Nur dies führte zu einer Differenz in der nachfolgenden Steuerfestsetzung auf Grund der Betriebsprüfung in Höhe von 50.000 € und zu einem entsprechenden Guthaben zugunsten des Klägers, obwohl der Betriebsprüfungsbericht ausweislich seiner Tz. 7.1 gerade zu keiner Änderung der Festsetzung der Umsatzsteuer für 01 geführt hatte.

Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums des Betriebsprüfers schließt das Gericht bei diesem Sachverhalt als fernliegend aus (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 10. Dezember 1996 6 K 3320/95, EFG 1997, 382). Denn hier bestand kein sachlicher Grund, der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer 01 den bereits durch Änderung keine Wirkung mehr entfaltenden Bescheid vom 11.7.2012 und nicht den letzten Änderungsbescheid vom 21.6.2013 zugrunde zu legen, vor allem, weil der Betriebsprüfungsbericht keine Prüfungsfeststellungen für die Umsatzsteuer 01 enthielt.

cc) Ausgangspunkt des „Fehlers“ des FA bei den nachfolgenden Veranlagungsarbeiten war demnach die Erstellung dieses Betriebsprüfungsberichts vom 20.1.2015, den das FA dann im Umsatzsteuerbescheid vom 14.4.2015 auch noch fehlerhaft als „Prüfungsbericht vom 16.10.2014“ bezeichnete.

Dieser „Fehler“ wurde dann bei den Veranlagungsarbeiten „übernommen“. Ein mechanisches Versehen kann nun auch darin liegen, dass eine offenbare Unrichtigkeit, die in einem Außenprüfungsbericht enthalten ist, von dem Veranlagungsbeamten bei der Auswertung des Berichts unbemerkt in den Bescheid übernommen wird (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, Rz. 15). Denn in diesem Fall macht sich der Veranlagungsbeamte diesen Fehler zu eigen mit der Folge, dass der Bescheid, in den der Fehler eingeht, in der gleichen Weise berichtigt werden kann, als ob der Veranlagungsbeamte selbst den Fehler begangen hätte. Zu den offenbaren Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO gehören auch solche, die sich im Vorfeld der Steuerfestsetzung ergeben haben (BFH-Urteile vom 4. März 2009 I R 45/08, BFH/NV 2010, 244, Rz. 29 und vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539). Von einer derartigen „Fehlerübernahme“ geht das Gericht hier im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Sachverhalts aus. Erkennbar wird das auch aus dem an den Kläger gerichteten Schreiben des FA vom 14.4.2015, welches mithin im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerbescheid vom 14.4.2015 erstellt wurde. Hier führt das FA unter Hinweis auf die Auswertung des Betriebsprüfungsberichts an, dass „die Rechtsbehelfe bezüglich der Umsatzsteuer nicht erledigt seien…“. Das zeigt deutlich, dass die Veranlagungsbearbeiterin und ihr folgend die zeichnungsberechtigten Sachgebietsleiter schlicht einen Fehler übersehen hatten und insbesondere keine eigene rechtliche Würdigung hinsichtlich der Umsatzsteuer 01 in dem Sinne vornehmen wollten, dass sie den Umsatzsteuerbescheid für 01 vom 21.6.2013 aufheben wollten.

An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, dass bei der Veranlagung entsprechende elektronisch erstellte Prüfhinweise übersehen wurden. Bei den Vorarbeiten zur Steuerfestsetzung hatte die Veranlagungsbeamtin des FA eine sogenannte „Hinweismitteilung“ zur Umsatzsteuer-Festsetzung 01 erhalten, in der drei Prüfhinweise (PHW) und ein Bearbeitungshinweis (BHW) erschienen waren. Diese Prüfhinweise wurden aber von der Bearbeiterin sowie den zeichnungsberechtigten Sachgebietsleitern ignoriert und die Veranlagung freigegeben. Auch dies zeigt, dass vorliegend eine erneute rechtliche Würdigung durch das FA gerade unterblieben ist. Die zur Veranlagung und zur Freigabe der Veranlagung zuständigen Beamten hatten den Fehler des Betriebsprüfers ohne weitere Prüfung übernommen.

c) Der genannte Fehler des FA war für den Kläger auch offenkundig. Dabei ist es für eine solche Offenkundigkeit nach der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichend, wenn die Unrichtigkeit bei Offenlegung des Sachverhalts für die Beteiligten klar und eindeutig erkennbar ist (BFH-Urteile vom 28. Oktober 1992 II R 111/89, BFH/NV 1993, 637, Rz. 11 und vom 15. März 1994 XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937, Rz. 9; vgl. auch Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 129 AO Rz. 69). Von einer derartigen Offenkundigkeit für den Kläger geht das Gericht bei der Gesamtwürdigung der Umstände des Sachverhalts aus folgenden Erwägungen aus:

aa) Zunächst war es für den Kläger schon aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung unter Tz. 7.1 des Prüfungsberichts leicht erkennbar, dass bei dieser Prüfung für die Umsatzsteuer 01 keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt ist, denn in dem Betriebsprüfungsbericht wird für die Umsatzsteuer 01 ein Unterschied von 0 € ausgewiesen. Wenn der Kläger dann nachfolgend einen Umsatzsteuerbescheid für diesen Besteuerungszeitraum erhält, der trotz unveränderter Besteuerungsgrundlagen einen Erstattungsbetrag von 50.000 € ausweist, musste ihm ohne weiteres bewusst sein, dass dieser Bescheid fehlerhaft war. Dies gilt umso mehr, als der Bescheid vom 14.4.2015 den vorangegangenen Bescheid vom 21.6.2013 auf den Cent genau negiert hatte, denn mit dem zuletzt genannten Bescheid wurde ein Zahlbetrag zu Lasten des Klägers in Höhe von 50.000 € errechnet.

bb) Die offenkundige Unrichtigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung für 01 auf Grund der Steuerfestsetzung vom 14.4.2015 war für den Kläger auch daraus ersichtlich, dass das FA ihm mit Schreiben vom gleichen Tag über die Auswertung des Betriebsprüfungsberichts unterrichtete und ihm damit zugleich mitteilte, dass „die Rechtsbehelfe bezüglich der Umsatzsteuer dadurch nicht erledigt seien“. Dass eine zeitgleiche Entstehung eines Guthabens in Höhe von immerhin 50.000 € nicht auf rechtlichen Erwägungen, sondern nur auf einem Fehler beruhen konnte, liegt deshalb nach Überzeugung des Gerichts auf der Hand.

cc) An dieser Offenkundigkeit für den Kläger ändert auch die Tatsache nichts, dass das FA den Bescheid trotz der elektronisch generierten Fehlerhinweise erlassen hat. Denn eine offenbare Unrichtigkeit bleibt auch dann bestehen, wenn die Flüchtigkeit dem Beamten mehrmals unterlaufen ist (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 1992 12 K 176/90, EFG 1993, 357; Wernsmann, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 129 AO Rz. 73). Die Offenbarkeit eines Fehlers kann nicht daran gemessen werden, ob der Veranlagungsbeamte den Fehler tatsächlich bemerkt hat oder hätte bemerken müssen, denn dann würde diese Änderungsvorschrift weitestgehend leerlaufen und die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 129 Satz 1 AO würde von ihr fremden Verschuldenserwägungen abhängig gemacht.

Eine andere Beurteilung wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn aufgrund des Fehlerhinweises eine Überprüfung zu einer neuen Willensbildung des Veranlagungsbeamten oder der zeichnungsberechtigten Vorgesetzten geführt hätte. Eine solche Willensbildung oder rechtliche Würdigung lässt sich im Streitfall aber aus den oben genannten Gründen nicht feststellen. Gerade die Missachtung der elektronisch generierten Fehlerhinweise spricht hier gegen eine neue Willensbildung des FA mit Blick auf die Veranlagung der Umsatzsteuer für 01.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung.

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(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,

1.
wenn er Verbrauchsteuern betrifft,
2.
wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft,
a)
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft,
b)
soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
c)
soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
d)
soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist. In den Fällen des Satzes 2 ist Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a ebenfalls anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat; Erklärungen und Beweismittel, die nach § 364b Abs. 2 in der Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden.

(2) Absatz 1 gilt auch für einen Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ganz oder teilweise abgelehnt wird.

(3) Anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht entsprochen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. § 367 Abs. 2b Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,

1.
wenn er Verbrauchsteuern betrifft,
2.
wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft,
a)
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft,
b)
soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
c)
soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
d)
soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist. In den Fällen des Satzes 2 ist Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a ebenfalls anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat; Erklärungen und Beweismittel, die nach § 364b Abs. 2 in der Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden.

(2) Absatz 1 gilt auch für einen Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ganz oder teilweise abgelehnt wird.

(3) Anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht entsprochen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. § 367 Abs. 2b Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin aus einer für das Jahr 2003 (Streitjahr) nachgereichten Umsatzsteuererklärung eine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung sowie die Änderung der nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) bislang vorgenommenen Feststellung der steuerlichen Insolvenzforderung.

2

Unternehmensgegenstand der zum 1. Februar 2000 errichteten Insolvenzschuldnerin war die Beteiligung an Unternehmen sowie deren Verwaltung und Beratung im Bereich der neuen Technologien, insbesondere die Beteiligung an Internet-Unternehmen und die Dienstleistungs- und Entwicklungstätigkeit in diesem Umfeld. Über ihr Vermögen eröffnete das Amtsgericht X mit Beschluss vom 3. November 2004 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

3

In dem vom Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter erstellten Ermittlungsbericht vom 2. November 2004 berichtete dieser, dass ein Jahresabschluss "angabegemäß für 2003 erstellt" worden sei, dieser ihm jedoch nicht vorliege. Am 6. Dezember 2004 zeigte der Kläger gemäß § 208 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) die Masseunzulänglichkeit an.

4

Die Insolvenzschuldnerin gab für das Streitjahr zunächst keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung ab. Nach vergeblicher Erinnerung ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) eine Umsatzsteuerforderung für das Streitjahr nach vorheriger Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und übermittelte dem Kläger als Insolvenzverwalter am 16. November 2004 eine entsprechende Berechnungsmitteilung über einen Umsatzsteuerbetrag in Höhe von ... €. Daraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von ... €, den das FA am 28. Januar 2005 --neben anderen Forderungen-- gemäß § 174 Abs. 1 InsO beim Kläger anmeldete.

5

Nachdem der Kläger die Forderungen bestritten hatte, erteilte ihm das FA am 28. November 2005 einen Bescheid nach § 251 Abs. 3 AO, in dem u.a. die Umsatzsteuernachzahlung für 2003 als Insolvenzforderung festgestellt wurde. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch des Klägers erließ das FA am 2. August 2006 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO geänderten Feststellungsbescheid, mit dem es --neben Forderungen betreffend die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das 2. und 3. Kalendervierteljahr 2004 in Höhe von ... € bzw. ... € samt eines auf das 2. Quartal 2004 bezogenen Verspätungszuschlages in Höhe von ... € und eines Säumniszuschlages in Höhe von ... €-- die Umsatzsteuernachforderung für 2003 nunmehr auf ... € feststellte. Den Einspruch des Klägers bezeichnete das FA dadurch als erledigt.

6

Hinsichtlich des sich aus dem Bescheid vom 2. August 2006 ergebenden --in die (Insolvenz-)Tabelle eingetragenen-- Gesamtbetrages in Höhe von ... € erklärte der Kläger am 18. September 2006, diesen als (Insolvenz-)Forderung nachträglich anzuerkennen und lediglich die darüber hinausgehenden Mehrbeträge auch weiterhin bestreiten zu wollen.

7

Am 1. November 2007 reichte der Kläger für die Insolvenzschuldnerin eine Umsatzsteuererklärung für 2003 ein, aus der sich eine Umsatzsteuererstattung in Höhe von ... € ergab.

8

Das FA nahm die Erklärung mit Hinweis darauf zu den Akten, dass der vorangegangene Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 bestandskräftig geworden sei und insofern eine Änderung der Eintragung in der (Insolvenz-)Tabelle aufgrund der nachgereichten Umsatzsteuererklärung nicht mehr möglich sei.

9

Der Kläger hielt mit einem Schreiben vom 3. März 2008 an der begehrten erklärungsgemäßen Durchführung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 fest und vertrat die Auffassung, dass der streitbefangene Feststellungsbescheid nach §§ 130, 131 AO zu ändern sei.

10

Mit Bescheid vom 12. März 2008 lehnte das FA die Änderungsanträge des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2008 als unbegründet zurück. Der Erlass eines auf die nachgereichte Umsatzsteuererklärung für 2003 bezogenen Steuerbescheides verbiete sich angesichts der mit Bescheid vom 2. August 2006 bestandskräftig festgestellten und in die (Insolvenz-)Tabelle eingetragenen Umsatzsteuerforderung. Auch eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 2. August 2006 komme bereits grundsätzlich nicht in Betracht, da nach Eintritt der Bestandskraft eines derartigen Feststellungsbescheides wieder der Vorrang des Insolvenzrechts zum Tragen komme und hiernach aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gegenüber sämtlichen anderen Gläubigern eine anderweitige Feststellung von Steuerforderungen ausscheide. Selbst wenn aber eine Änderungsmöglichkeit auf der Grundlage der §§ 130, 131 AO für allgemeine Steuerverwaltungsakte oder aber der §§ 172 ff. AO für Steuerbescheide bestehen sollte, sei es nicht ermessensgerecht, dem Kläger für die Insolvenzschuldnerin eine abweichende Feststellung auf der Grundlage von § 130 Abs. 1 AO zuzubilligen. Denn der Insolvenzschuldnerin sei das Vorliegen des Jahresabschlusses für das Streitjahr stets bekannt gewesen; die verspätete Kenntnisnahme des Klägers hiervon ginge zu ihren Lasten, zumal er von Anfang an die Verpflichtung gehabt habe, alle in den Unterlagen der Insolvenzschuldnerin vorhandenen Jahresabschlüsse herauszusuchen und ggf. unverzüglich einzureichen. Unter diesen Umständen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Änderung des Feststellungsbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

11

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Es führte aus, dass einer Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2003 die bestandskräftige Feststellung in dem Bescheid vom 2. August 2006 entgegenstehe, mit dem das FA gegenüber dem Kläger die Umsatzsteuerforderung für das Jahr 2003 auf ... € nach § 251 Abs. 3 AO festgestellt und zur Insolvenztabelle angemeldet habe. Eine Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle sei das "insolvenzrechtliche Äquivalent" zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. August 2008 VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90).

12

Eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 2. August 2006 sei nicht möglich. Der Senat könne offenlassen, ob die Vorschriften der §§ 172 ff. AO oder der §§ 130 ff. AO einschlägig seien, oder ob eine Änderung nur unter den Voraussetzungen einer sog. Restitutionsklage gemäß §§ 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO), 580 Nr. 7 Buchst. b der Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgen könne. Denn im Streitfall seien für keine der genannten Möglichkeiten die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.

13

Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 20 veröffentlicht.

14

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG fehle es an einer Steuerfestsetzung zur Umsatzsteuer für 2003. Die beantragte Festsetzung der Umsatzsteuer sei trotz der Regelung in § 87 InsO grundsätzlich zulässig, da sie auf eine Umsatzsteuererstattung gerichtet sei (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11). Das FG habe verkannt, dass der streitbefangene Feststellungsbescheid geändert werden müsse, weil sich die darin festgestellte Forderung nachträglich als materiell unrichtig herausgestellt habe. Entgegen der Auffassung des FG sei es ihm unzumutbar gewesen, den Jahresabschluss für 2003 schon früher zu beschaffen. Das dem FA bei der Entscheidung über die Rücknahme des rechtswidrigen Feststellungsbescheides in § 130 AO eingeräumte Ermessen sei daher auf "Null" reduziert gewesen.

15

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12. März 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2008 die Umsatzsteuer für 2003 auf ... € festzusetzen, sowie den Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuerforderung für das Streitjahr anstelle in Höhe von bisher ... € nunmehr in Höhe von 0 € als Insolvenzforderung festgestellt wird.

16

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

18

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger beantragte Festsetzung einer Umsatzsteuer für 2003 entsprechend der nachgereichten Umsatzsteuererklärung der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 entgegensteht. Das FG hat insoweit zutreffend angenommen, dass dieser Feststellungsbescheid einer Änderung nach § 130 Abs. 1 AO nicht mehr zugänglich ist, weil die nur eingeschränkt überprüfbare ablehnende Ermessensentscheidung des FA nicht zu beanstanden ist.

19

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass das FA im Streitfall nicht schon aufgrund von § 251 Abs. 2 AO i.V.m. § 87 InsO gehindert war, entsprechend der nachgereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung eine Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 vorzunehmen.

20

a) Nach § 87 InsO, der über die Verweisung in § 251 Abs. 2 AO ("Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung...") auch im Steuerrecht zu beachten ist, können die Insolvenzgläubiger zwar ihre Forderungen nur entsprechend den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246 noch zur Rechtslage nach der Konkursordnung; vom 10. Dezember 2008 I R 41/07, BFH/NV 2009, 719, m.w.N.). Ebenso dürfen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, welche die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97, BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428).

21

b) Der BFH hat aber entsprechend dem Vorbringen des Klägers gleichfalls geklärt, dass das FA durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht gehindert ist, eine negative Umsatzsteuer festzusetzen, weil einem solchen Bescheid die abstrakte Eignung fehlt, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn mit einem solchen Bescheid setzt das FA keine Insolvenzforderung fest, die nach § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag, der nicht zur Tabelle anzumelden wäre (vgl. hierzu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, unter II.2.). Deshalb scheidet hier auch eine Unterbrechung des Festsetzungsverfahrens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens analog § 240 Satz 1 ZPO aus.

22

Da der Kläger mit seiner nachgereichten Umsatzsteuererklärung für 2003 eine Erstattung begehrt, würde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung durch das FA dem Grunde nach nicht hindern.

23

2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der begehrten Umsatzsteuerfestsetzung der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 gemäß § 251 Abs. 3 AO, der wegen der zutreffenden Ermessensentscheidung des FA keiner Änderung nach § 130 Abs. 1 AO mehr zugänglich war, entgegensteht.

24

a) § 251 Abs. 3 AO sieht vor, dass bei Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung die Finanzbehörde erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt feststellt. Dieser Feststellungsbescheid ist mangels Festsetzung einer Steuer kein Steuerbescheid i.S. von § 155 AO. Er ist daher nach Eintritt der Bestandskraft nur nach §§ 130, 131 AO änderbar (BFH-Urteile vom 24. November 2011 V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, und V R 20/10, BFH/NV 2012, 711; vom 6. Dezember 2012 V R 1/12, BFH/NV 2013, 906; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 68, m.w.N.).

25

Ein gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassener Bescheid hat die Feststellung zum Inhalt, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S. von § 38 InsO begründet ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO Rz 68). Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S. von § 178 Abs. 3 InsO erfasst, so dass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können (vgl. Braun/Specovius, InsO, § 178 Rz 22; Jatzke in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --HHSp--, § 251 AO Rz 423, m.w.N.). Wird der Feststellungsbescheid unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (vgl. Jatzke in HHSp, § 251 AO Rz 423).

26

b) Im Streitfall ist der Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 --nach einem Bestreiten der vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Umsatzsteuerforderung ergangen und für 2003 mit einer Umsatzsteuerforderung von ... €-- bestandskräftig geworden.

27

Etwas Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger gegen den früheren Feststellungsbescheid vom 28. November 2005 Einspruch eingelegt hatte und der streitbefangene Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 nach § 365 Abs. 3 AO zunächst zum Gegenstand dieses Einspruchsverfahrens wurde. Denn das Einspruchsverfahren hatte sich jedenfalls dadurch erledigt, dass der Kläger am 18. September 2006 erklärt hat, den sich aus dem Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 ergebenden Gesamtbetrag von ... € anzuerkennen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 10. November 2010 IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649).

28

c) Eine grundsätzlich mögliche Änderung des Feststellungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO scheidet aus, weil das FG zutreffend entschieden hat, dass das FA das ihm insoweit zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

29

aa) Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Im Streitfall kommt wegen der nunmehr eingereichten Steuererklärung für 2003 mit einem sich daraus ergebenden Erstattungsbetrag eine nachträgliche materielle Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides i.S. von § 130 Abs. 1 AO in Betracht.

30

bb) Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist nach dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 AO ("kann") eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob die Ablehnung der Rücknahme rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (vgl. BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; in BFH/NV 2012, 711, und in BFH/NV 2013, 906). Stellt das Gericht einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf "Null" ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. hierzu statt vieler BFH-Urteil vom 19. Juni 2013 XI R 41/10, BFHE 242, 258, BFH/NV 2013, 2041). Maßgeblicher Zeitpunkt für die durch das FG vorzunehmende Rechtskontrolle sind grundsätzlich die Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung, sofern das FA nicht seine Ermessenserwägungen danach im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 102 Satz 2 FGO in zulässiger Weise ergänzt hat (vgl. dazu im Einzelnen Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 62, 65 ff.).

31

cc) Bei der Entscheidung, ob einem Begehren auf Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entsprechen ist, hat die Verwaltung im konkreten Fall abzuwägen, ob dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gerechtigkeit im Einzelfall oder dem Interesse der Allgemeinheit am Eintritt von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist. Dabei kommt es auf die Schwere und Offensichtlichkeit des Rechtsverstoßes sowie darauf an, weshalb die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist vom Steuerpflichtigen geltend gemacht wird (BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; in BFH/NV 2012, 711; in BFH/NV 2013, 906, jeweils m.w.N.).

32

Das Ermessen ist in der Regel ermessensfehlerfrei ausgeübt, wenn der Adressat die Gründe, die seiner Auffassung nach eine Rücknahme rechtfertigen, mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bescheid hätte vorbringen können und keine besonderen Umstände vorliegen, nach denen vom Adressaten die Rechtsverfolgung im Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände nicht erwartet werden konnte (BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298; in BFH/NV 2013, 906).

33

dd) Im Streitfall hat das FG im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung nach § 102 FGO zutreffend angenommen, dass das FA die Rücknahme des streitbefangenen Feststellungsbescheides ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

34

(1) Das FA hatte im Ablehnungsbescheid vom 12. März 2008 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger die entsprechende Umsatzsteuerforderung ausdrücklich nachträglich anerkannt hat. In seiner Einspruchsentscheidung hat das FA im Zusammenhang mit einer möglichen Änderung des Feststellungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO ferner ausgeführt, dass die eingereichte Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2003 innerhalb der Einspruchsfrist hätte eingehen müssen. Denn der bei der Insolvenzschuldnerin befindliche Jahresabschluss für 2003 sei nicht vom Kläger erstellt, sondern nur "entdeckt" worden. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, sämtliche steuerlichen Pflichten der Insolvenzschuldnerin zu erfüllen und dazu alle erforderlichen Unterlagen einzusehen, nur unzureichend nachgekommen. Seine über ein Jahr verspätete Kenntnisnahme des Jahresabschlusses für das Streitjahr gehe daher zu Lasten der Insolvenzschuldnerin.

35

(2) Im Rahmen des Klageverfahrens hat das FA nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ergänzend ausgeführt, dass nicht feststehe, wann und unter welchen Umständen der fragliche Jahresabschluss für die Insolvenzschuldnerin zum 31. Dezember 2003 "aufgetaucht" sei. Sollte er tatsächlich den bei der Insolvenzschuldnerin durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Geschäftsunterlagen beigelegen haben, hätte es dem Kläger oblegen, alsbald die Einsichtnahme in diese Unterlagen zu beantragen. Eine solche Recherche wäre zwar arbeitszeit- und kostenintensiver gewesen, hätte dem Kläger aber möglicherweise die Chance eröffnet, die richtigen Besteuerungsgrundlagen frühzeitig zu ermitteln.

36

(3) Die Entscheidung des FG, dass diese Ermessenserwägungen des FA den aufgezeigten Rechtsgrundsätzen zu § 102 FGO genügen, ist zutreffend. Das FA hat sein Interesse als Insolvenzgläubiger am festgestellten Bestand der Insolvenzforderungen erkennbar gegen die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte abgewogen. Insbesondere hat sich das FA ergänzend und hinreichend mit der vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren zusätzlich aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob es ihm möglich und auch zumutbar gewesen wäre, die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2003 zu einem früheren Zeitpunkt einzureichen.

37

ee) Die hiergegen erhobenen --weiteren-- Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.

38

Soweit der Kläger ausführt, dass er nicht von der Existenz des Jahresabschlusses für 2003 überzeugt gewesen sei und es ihm nicht zumutbar gewesen sei, "ins Blaue hinein" etwa 100 Kartons mit 500 Ordnern durchsuchen zu lassen, vertritt er hinsichtlich der Zumutbarkeit insoweit lediglich eine andere Auffassung als das FA. Die Entscheidung des FA ist im Ergebnis auch deshalb nicht zu beanstanden, weil der Kläger seinerzeit trotz --insoweit unbestrittener-- Kenntnis des möglichen Vorhandenseins eines Jahresabschlusses für 2003 die entsprechende mit bestandskräftigem Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 festgestellte Insolvenzforderung am 18. September 2006 anerkannt hatte und gleichwohl erst mehr als ein Jahr danach --nämlich am 1. November 2007-- die Umsatzsteuererklärung für 2003 eingereicht hat. Auf dieses widersprüchliche Verhalten hatte das FA den Kläger bereits mit seinem angefochtenen Ablehnungsbescheid hingewiesen, ohne dass der Kläger dies --wie es geboten gewesen wäre-- zu gegebener Zeit ausreichend erläutert hätte.

39

Soweit der Kläger nun geltend macht, das FA habe in seiner ursprünglichen Berechnungsmitteilung vom 16. November 2004 darauf hingewiesen, dass die "Festsetzung" unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe und er daher darauf vertraut habe, dass jederzeit eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen könne, ist dieser Einwand schon deshalb unbeachtlich, weil die Berechnungsmitteilung des FA vom 16. November 2004 durch den Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 ersetzt worden ist.

40

3. Dass der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 2. August 2006 auch nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO oder nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 7 ZPO geändert werden kann, hat das FG zutreffend im Einzelnen dargelegt. Darüber besteht kein Streit.

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2003 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer der ... Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und Kapitaleinkünfte. Als Arbeitslohn erhielt er neben einem festen Gehalt eine Erfolgsbeteiligung.

2

Die GmbH räumte ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit ein, unverbriefte Genussrechte in der Form A und B an ihrem Unternehmen zu erwerben. Diese unterschieden sich dadurch, dass das Genussrecht der Form A aus Leistungen des Mitarbeiters und einer steuerfreien Verbilligung nach § 19a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und das Genussrecht der Form B aus einer Mitarbeitererfolgsbeteiligung und/oder Eigenmitteln des Arbeitnehmers finanziert wurde. Zum Bezug der Genussrechte berechtigt waren grundsätzlich alle Mitarbeiter. Nach den Genussrechtsbedingungen sollte das Genussrechtskapital angemessen verzinst werden. Die Höhe der Verzinsung bestimmte ein Partnerschaftsausschuss, der sich aus einem der Arbeitnehmer, der Genussrechte besaß, einem Altgesellschafter und einem Vertreter der Geschäftsführung zusammensetzte. Die Genussrechte waren entsprechend ihrem Verhältnis zum Gesellschafterkapital auch am Verlust der Gesellschaft beteiligt, wobei sich die Verlustbeteiligung auf die Einlage beschränkte. Im Fall der Liquidation erfolgte die Rückzahlung des Genussrechtskapitals zum Nennwert, abzüglich einer etwaigen Verlustbeteiligung nach Befriedigung der übrigen Gläubiger. Eine Beleihung, Verpfändung und der Verkauf des Genussrechts waren für die gesamte Laufzeit ausgeschlossen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führte bei den Genussrechten der Form B automatisch zur Kündigung der Genussrechtsbeteiligung.

3

Der Kläger erwarb Genussrechte der Form A im Nennwert von 7.492,56 € und der Form B im Nennwert von 7.669,35 €. Das Genussrechtskapital wurde im Jahr 2002 in Höhe von 2.036,05 € verzinst und die Vergütung im Streitjahr 2003 an den Kläger ausgezahlt. Im Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 29. November 2004 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diese Einnahmen erklärungsgemäß als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH erließ das FA am 17. Dezember 2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2003, in dem es die Einnahmen des Klägers aus der Verzinsung der Genussrechte als Arbeitslohn der Besteuerung zugrunde legte, so dass sich der Sparerfreibetrag nicht mehr in voller Höhe steuermindernd auswirkte. Als Rechtsgrundlage für den Änderungsbescheid gab es § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht (FG) die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 234 veröffentlichten Urteil vom 21. September 2011  12 K 2152/09 abgewiesen.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Erträge aus den Genussrechten seien nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu besteuern. Die Genussrechtsausschüttung sei Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Genussrechtskapitals sowie für das Verlust- und Haftungsrisiko der Genussrechtsinhaber und kein Anreizlohn. Aufgrund der jahrelangen Praxis sei eine Vorausberechnung der Zinskomponente möglich und die Festlegung einer Mindestverzinsung entbehrlich gewesen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 21. September 2011  12 K 2152/09 und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 17. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2009 aufzuheben.

6

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

Das FG hat zutreffend entschieden, dass es sich bei den Erträgen aus den Genussrechten um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt.

9

1. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Kein Arbeitslohn liegt allerdings vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. November 2008 VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382, m.w.N).

10

2. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer sich an dem Kapital seines Arbeitgebers durch den Erwerb von Genussrechten beteiligt. Auch hier kann das Genussrecht eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass damit in Zusammenhang stehende Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten Erträge sind dann keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen. Erforderlich ist jedoch, dass auch bei einer solchen Form der Mitarbeiterbeteiligung ein Sonderrechtsverhältnis begründet wird, das unabhängig vom Arbeitsverhältnis besteht und den gesamten Leistungsaustausch der Vertragspartner abbildet, ohne dass daneben noch dem Arbeitsverhältnis zuzuordnende, lohnsteuerrechtlich erhebliche Leistungen vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2009 VI R 69/06, BFHE 226, 47, BStBl II 2010, 69).

11

Dabei schließt allein der Umstand, dass Genussrechte nur Mitarbeitern des Unternehmens angeboten werden, es nicht aus, dass die Erträge ihre Ursache allein im Erwerb der Genussrechte haben und damit als ein nicht aus dem Arbeitsverhältnis resultierender Vorteil zu qualifizieren sind. Denn jede Form der Mitarbeiterbeteiligung ist naturgemäß auf den Arbeitnehmer bezogen, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber nur einen Teil seiner Arbeitnehmer an seinem Unternehmen beteiligen möchte. Auch eine Verfallklausel ist neben anderen Gesichtspunkten lediglich als Indiz für die enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem Dienstverhältnis und den Erträgen aus den Genussrechten heranzuziehen (Senatsurteil vom 5. November 2013 VIII R 20/11, BFHE 243, 481, BStBl II 2014, 275, m.w.N.).

12

3. Die Beantwortung der Frage, ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden, so dass die in den Entscheidungen des BFH genannten Umstände nur Beweisanzeichen für die im Einzelfall maßgebliche Veranlassung sein können (BFH-Urteil in BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382, m.w.N.).

13

a) Danach ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden:

Das FG ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Bedingungen, zu denen der Erwerb und die Verzinsung der Genussrechte der Form A und B erfolgten, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einnahmen des Klägers aus den Erträgen der Genussrechte durch das Arbeitsverhältnis veranlasst waren, da eine untrennbare Beziehung zwischen dem Arbeitsverhältnis und den Genussrechten bestand. Es hat dies nicht nur daraus geschlossen, dass die Genussrechte nur von Arbeitnehmern der GmbH erworben werden konnten und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den Genussrechten der Form B automatisch zur Kündigung der Genussrechtsbeteiligung führte, sondern auch daraus, dass die Verzinsung der Genussrechte nicht zu marktüblichen Konditionen erfolgte, da sich ein fremder Kapitalgeber auf eine nur als "angemessen" bezeichnete und damit völlig unbestimmte Verzinsung nicht eingelassen hätte.

14

b) Diese Würdigung ist möglich und in sich schlüssig, sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze oder gesetzliche Auslegungsregeln. Der BFH ist daher an die zu den tatsächlichen Feststellungen gehörende Gesamtwürdigung des FG gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

15

4. Rechtsfehlerfrei hat das FG entschieden, dass das FA nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt war, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zu Lasten des Klägers zu ändern, da dem FA die Bedingungen, zu denen die Genussrechte verzinst wurden, erst nach dem Erlass des Bescheids bekannt geworden sind. Die falsche Bezeichnung der Änderungsvorschrift im Änderungsbescheid führt nicht zur Rechtswidrigkeit des geänderten Bescheids (BFH-Beschluss vom 12. August 2013 X B 196/12, BFH/NV 2013, 1761).

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) für die Streitjahre 2000, 2001 und 2004 gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Am 5. Juni 2008 ergingen für eine Beteiligung an der X GbR, an welcher der Kläger beteiligt war, geänderte Bescheide über die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen für diese Jahre. Das FA erhielt entsprechende Mitteilungen und erließ daraufhin am 1. Juni 2010 geänderte Einkommensteuerbescheide. Zu diesem Zeitpunkt war die reguläre Festsetzungsfrist für alle Jahre bereits abgelaufen. Als Änderungsvorschrift führte das FA § 164 Abs. 2 AO an. In den Erläuterungen wies es darauf hin, die Änderung ergebe sich aus dem jeweiligen Feststellungsbescheid vom 5. Juni 2008.

2

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der Kläger hatte insoweit geltend gemacht, am 1. Juni 2010 sei eine Änderung gemäß § 164 Abs. 2 AO wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr möglich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätte zwar eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erfolgen können, hierauf habe das FA die Änderungsbescheide aber nicht gestützt. Eine Nachholung (ein Austausch der Änderungsnormen) sei inzwischen wegen Ablaufs der Zwei-Jahres-Frist gemäß § 171 Abs. 10 AO ausgeschlossen.

3

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

5

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

6

Die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfrage, ob ein Folgebescheid, der aufgrund einer unbestritten festsetzungsverjährten Änderungsvorschrift erlassen wurde, nachträglich auf eine Änderungsvorschrift (hier: § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) gestützt werden kann, obwohl diese im Zeitpunkt des Wechsels der Änderungsvorschrift ebenfalls festsetzungsverjährt war, ist nicht klärungsbedürftig.

7

a) An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 X B 34/06, BFH/NV 2007, 1703).

8

b) Dies ist entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend der Fall. Es entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein Änderungsbescheid selbst bei Angabe einer fehlerhaften Änderungsgrundlage rechtmäßig ist, falls er durch den Tatbestand einer anderen Änderungsvorschrift gedeckt ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. August 1965 III 43/63 S, BFHE 83, 349, BStBl III 1965, 626; vom 12. Januar 1966 I 269/63, BFHE 85, 51, BStBl III 1966, 230; vom 25. November 1980 VIII R 32/77, BFHE 132, 425, BStBl II 1981, 419; vom 24. März 1981 VIII R 85/80, BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778; BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 1992 V B 60/91, BFH/NV 1992, 579; vom 16. August 1995 VIII B 156/94, BFH/NV 1996, 125). Nach dieser Rechtsprechung hat der Hinweis der Behörde auf die Änderungsvorschrift keine rechtliche Bedeutung (BFH-Urteile in BFHE 85, 51, BStBl III 1966, 230, und in BFHE 132, 425, BStBl II 1981, 419). Die falsche Bezeichnung sei unschädlich, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt materiell die Voraussetzungen für eine Änderung überhaupt vorgelegen hätten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778). Die Vorschrift, auf die das FA die Änderung stütze, sei nichts anderes als die rechtliche Begründung der vorgenommenen Änderung, die jederzeit durch eine andere rechtliche Begründung ausgewechselt werden könne (vgl. BFH-Urteile in BFHE 83, 349, BStBl III 1965, 626, unter II.; in BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778).

9

Dieser Rechtsprechung folgt auch der beschließende Senat (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai 2010 X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225, unter II.2.d), ohne dass die Notwendigkeit gesehen wird, sie --wie vom Kläger vorgeschlagen wurde-- teleologisch zu reduzieren. Hieran vermögen seine Einwände --wie aus den folgenden Ausführungen ersichtlich-- nichts zu ändern.

10

c) Nach der Rechtsprechung kommt es allein darauf an, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids die vorgenommene Änderung durch eine Änderungsmöglichkeit, nicht zwingend also durch die im Bescheid genannte Vorschrift, gedeckt war. Dies war vorliegend im Hinblick auf die noch laufende Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO für die Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ersichtlich der Fall, was der Kläger auch nicht bestreitet.

11

d) Nicht erforderlich ist es dagegen, dass auch --wie der Kläger meint-- die genannte Änderungsvorschrift zu diesem Zeitpunkt "rein theoretisch anwendbar" war, mithin eine "entweder/oder Situation" vorlag. Im Übrigen erschließt sich dem Senat nicht, warum ein solches Nebeneinander von zwei "theoretisch anwendbaren" Änderungsvorschriften im Streitfall nicht zu bejahen sein soll. So waren die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre unstreitig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO). Damit konnten sie, solange der Vorbehalt wirksam war, aufgehoben oder geändert werden (§ 164 Abs. 2 AO). "Theoretisch" war die Anwendung der Vorschrift somit durchaus denkbar. Dass das FA offenbar erst aufgrund des Einspruchs des Klägers erkannte, dass eine Änderung am Entfallen des Vorbehalts mit Ablauf der normalen vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) scheiterte, weil § 171 Abs. 10 AO insoweit nicht anwendbar ist (§ 164 Abs. 4 Satz 2 AO), steht dem nicht entgegen. Die Wirksamkeit des Vorbehalts im Zeitpunkt der Änderung ist ebenso ein "normales" Tatbestandsmerkmal, über das die Behörde irren kann, wie bspw. das Vorliegen einer neuen Tatsache i.S. des § 173 AO in dem Verfahren in BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778.

12

e) Unerheblich ist weiter, dass im Zeitpunkt der "Auswechslung" der Änderungsnorm die nach § 171 Abs. 10 AO verlängerte Festsetzungsfrist mittlerweile ebenfalls abgelaufen war. Wie ausgeführt kommt es allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids an. Am 1. Juni 2010 lief die Frist zur Umsetzung der geänderten Grundlagenbescheide noch. Stellt sich die Nichtanwendbarkeit der zugrunde gelegten Änderungsnorm im Nachhinein heraus, wird die Änderung aber von einer anderen Norm erfasst, ist es unschädlich, wenn das FA die zutreffende Norm nicht bereits "im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes" geprüft hat. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die zunächst nicht geprüfte Norm "für den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes" als anwendbar erweist. Ist dies der Fall, kann die Behörde die unzutreffende Begründung der Änderungsbefugnis jederzeit durch Angabe der zutreffenden Änderungsnorm ersetzen.

13

2. Aus den gleichen Gründen ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, da es sich bei dem Erfordernis einer Revisionsentscheidung zur Rechtsfortbildung um einen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 2011 III B 192/10, BFH/NV 2011, 2043).

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.