Finanzgericht München Gerichtsbescheid, 20. Okt. 2015 - 10 K 2393/14

20.10.2015
nachgehend
Bundesfinanzhof, VI R 55/15, 30.03.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tatbestand

I.

Streitig ist die Berücksichtigung von Kosten für die Beschäftigung von privaten Pflegekräften zur Versorgung einer in einem Seniorenheim untergebrachten Verwandten als außergewöhnliche Belastung.

Frau … (RZ), die am … geborene Mutter der Klägerin, verstarb am …. Sie litt in den Streitjahren unter Morbus Parkinson und wurde mit einer Sonde künstlich ernährt. Sie war in den Streitjahren im Seniorenheim … in A-Stadt vollstationär untergebracht und war zunächst in Pflegestufe I, ab August 2011 in Pflegestufe II eingestuft. Auf die jeweiligen Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom … und …, die bei der Pflegebedürftigkeit für RZ einen Gesamtzeitbedarf von 100 Minuten pro Tag in Pflegestufe I und von 267 Minuten pro Tag in Pflegestufe II ausweisen, wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen. Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem Tod war die Klägerin.

RZ machte in ihren Steuererklärungen u.a. außergewöhnliche Belastungen aus der krankheitsbedingten Unterbringung und dem Pflege- und Betreuungsaufwand in dem Pflegeheim sowie zusätzlich aus der Beschäftigung von privaten Pflegekräften (letztere in Höhe von 55.511 EUR für 2009, 57.958 EUR für 2010, 59.781 EUR für 2011 und 59.949 EUR für 2012), die RZ im Heim betreuten und pflegten, geltend.

Das beklagte Finanzamt (FA) berücksichtigte bei der Veranlagung für die Jahre 2009 bis 2012 die geltend gemachten Kosten für die Unterbringung und Pflege im Pflegeheim (jeweils abzüglich Erstattungen der Krankenkasse und Haushaltsersparnis) als außergewöhnliche Belastungen, berücksichtigte jedoch die geltend gemachten Kosten für die Beschäftigung privater Pflegekräfte lediglich im Rahmen der haushaltsnahen Dienstleistungen und setzte die Einkommensteuer 2009 mit Bescheid vom 3. Juni 2011 auf … EUR, die Einkommensteuer 2010 mit Bescheid vom 17. Februar 2012 auf … EUR, die Einkommensteuer 2011 mit Bescheid vom 22. Januar 2013 auf … EUR und die Einkommensteuer 2012 mit Bescheid vom 5. Mai 2014 auf … EUR fest. Die Bescheide waren adressiert an die Klägerin als Betreuerin der RZ, der Bescheid für 2012 war inhaltlich adressiert an die Klägerin zugleich als Rechtsnachfolgerin nach RZ (Bekanntgabeadressat war ein Empfangsbevollmächtigter der Klägerin).

Gegen die Bescheide legte die Klägerin Einsprüche ein und trug vor, die geltend gemachten Kosten seien als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Ausweislich des ärztlichen Attestes vom …, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, erfordere die besondere Art und Schwere der Erkrankung der RZ eine aufwendige und besondere Pflege, die vom Pflegepersonal des Heimes innerhalb der routinemäßigen Tätigkeit nicht geleistet werden könne.

Mit aus anderen Gründen zuletzt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 11. Juli 2014 (adressiert an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der RZ und bekanntgegeben ihrem Empfangsbevollmächtigten) wurde die Einkommensteuer 2010 auf … EUR und die Einkommensteuer 2011 auf … EUR festgesetzt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. August 2014 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Dabei ging das FA weiter davon aus, dass die Klägerin keine Bescheinigung der Heimleitung beigebracht habe, aus der sich die medizinische Erforderlichkeit der ergänzenden Betreuung im vorliegenden Umfang ergebe und dass davon ausgegangen werden müsse, dass die vollstationäre Pflege medizinisch ausreichend gewesen sei. Die zusätzlich entstandenen Kosten für das private Pflegepersonal stünden bei einem Vergleich mit Heimbewohnern mit gleichgelagertem Krankheitsbild in einem offensichtlichen Missverhältnis zum medizinisch indizierten Aufwand und außerhalb des Üblichen; damit fehle es an der erforderlichen Angemessenheit. Demgemäß waren vom FA (im Ergebnis lediglich) die folgenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zugelassen:

2009

2010

2011

2012

EUR

EUR

EUR

EUR

Außergewöhnliche Belastung

3.678

7.267

8.104

10.183

-zumutbare Belastung

-4.190

-5.168

-4.824

3.897

= Überbelastung

0

2.099

3.280

6.286

Zusätzlich hat das FA in jedem der Streitjahre eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen von 4.000 EUR gemäß § 35 a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Kosten des privaten Pflegepersonals berücksichtigt.

Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Der Aufenthalt von RZ im Pflegeheim sei durch ihre Krankheit und ständige Pflegebedürftigkeit bedingt gewesen. Die dadurch entstandenen Pflegekosten seien zwangsläufig. Wegen der Schwere der Erkrankung sei RZ neben der Standardpflege durch das Heim noch individuelle und intensive Pflege durch eigens dafür engagierte fachliche Pflegekräfte zuteil geworden.

Anders als das FA meine, sei nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG die Angemessenheit der Aufwendungen nicht erforderlich. Auch die Kommentarliteratur verweise darauf, dass der Bundesfinanzhof (BFH) bei den Krankheitskosten gerade keine Angemessenheitsprüfung vornehme (Heger in Blümich, EStG, § 33 Rz. 170, Stand November 2014) und dass Krankheitskosten, die nur deshalb in außergewöhnlicher Höhe entstünden, weil es die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen erlaubten, dennoch grundsätzlich angemessen und notwendig seien (Schmidt/Loschelder, EStG, 34. Auflage 2015, § 33 Rz. 30). Ausnahmen ergäben sich nur, wenn ein für jedermann offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen, medizinisch indizierten Aufwand und dem tatsächlichen Aufwand vorliege (Heger in Blümich, EStG, § 33 Rz. 170, Stand November 2014). Der behandelnde Arzt habe die Erforderlichkeit und Notwendigkeit der ergriffenen Maßnahmen durch ein ärztliches Attest bestätigt. Dem FA fehle dagegen die nötige Sachkunde für die Beurteilung solcher Fragen. Ebenso sei nicht ausschlaggebend, was eine "Heimleitung" dazu gegebenenfalls bescheinigen könne. Das FA habe zwar das einschlägige Urteil des BFH vom 14. November 2013 (VI R 20/12, BStBl II 2014, 456) zitiert, aber daraus nicht die sich zwangsläufig ergebenden Schlussfolgerungen gezogen.

Wäre entgegen herrschender Ansicht in Fachschrifttum und Rechtsprechung eine Angemessenheitsprüfung erforderlich, wäre der Abzug der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nur ausgeschlossen, soweit Unangemessenheit vorläge.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 3. Juni 2011 für 2009, vom 11. Juli 2014 für 2010, vom 11. Juli 2014 für 2011 und vom 5. Mai 2014 für 2012, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. August 2014, weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 55.511 EUR für 2009, 57.958 EUR für 2010, 59.781 EUR für 2011 und 59.949 EUR für 2012 zum Abzug zuzulassen, die Steuerermäßigung gemäß § 35a Abs. 2 EStG in Höhe von 4.000 EUR in jedem Streitjahr nicht mehr zu gewähren und die Einkommensteuer 2009, 2010, 2011 und 2012 entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456 m.w.N.).

In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden. Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456 m.w.N.).

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456 m.w.N.). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456 m.w.N.). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis. In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456 m.w.N.).

Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456 m.w.N.).

2. Im Streitfall fehlt es bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Beschäftigung von privaten Pflegekräften an der erforderlichen Angemessenheit.

a) Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Beschäftigung des Pflegepersonals um Maßnahmen einer Kranken- und Heilbehandlung handelt. Entsprechend ist in dem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attest von einer von speziell ausgebildeten Pflegerinnen erbrachten Pflege die Rede, die die Krankheit erträglicher macht. Solche Aufwendungen sind als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf.

Im Streitfall fehlt es jedoch bei diesen von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen an der erforderlichen Angemessenheit. Der Senat erkennt im Streitfall ein offensichtliches Missverhältnis der aufgewendeten Personalkosten zu dem erforderlichen Aufwand, weil der Mutter der Klägerin die volle Versorgung im Seniorenheim entsprechend der jeweils festgestellten Pflegestufe zustand – mit der Folge der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung – und darüber hinaus weiteres privat beschäftigtes Personal zur Versorgung zur Verfügung gestellt wurde, mithin der Versorgungsgrad der Mutter gleichsam verdoppelt wurde (auch, wenn die reine Versorgung im Heim als eine Versorgung auf Mindestniveau betrachtet wird). Eine Abziehbarkeit von Pflegeleistungen als außergewöhnliche Belastung, die weit über das hinaus geht, was üblicherweise für die Versorgung von Pflegebedürftigen zur Verfügung gestellt werden kann (nämlich entweder Heimunterbringung oder Versorgung durch ambulante Kräfte im häuslichen Bereich) würde bedeuten, dass die Steuerzahler sich finanziell an einer Versorgung beteiligen müssen, die sie sich für sich selbst nicht leisten könnten (vgl. hierzu Bergkemper in FR 2014, 619 und Hettler in HFR 2014, 415).

b) Eine teilweise Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten unter dem Gesichtspunkt, dass lediglich ein (noch zu bestimmender) überschießender Teil der zusätzlichen Personalkosten als unangemessener Aufwand zu qualifizieren wäre, ist nach Auffassung des Senats nicht möglich. Hier im Schätzungswege einen Anteil herauszufiltern, der die bei der Versorgung in Heimen für unzureichend gehaltene Pflegeleistung angemessen ergänzt (vgl. hierzu Hettler in HFR 2014, 415), scheint zumindest der Höhe nach nicht mit Kriterien wie schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und plausibel (z.B. BFH-Urteil vom 24. Januar 2013 V R 34/11, BStBl II 2013, 460; vom 24. Juni 2014 VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501, Rz 23, m.w.N.) begründbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es erscheint sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a FGO).

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Abgabenordnung - AO 1977 | § 175 Änderung von Steuerbescheiden auf Grund von Grundlagenbescheiden und bei rückwirkenden Ereignissen


(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,1.soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,2.soweit ein Ereignis eintritt, das steu

Einkommensteuergesetz - EStG | § 35a Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen


(1) Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei denen es sich um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermä

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90a


(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. (2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgeri

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Tenor 1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2015 wird der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 15. Juli 2015 dahingehend abgeändert, dass Aufwendungen von weiteren 15.452,04 EUR als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werd

Referenzen

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin ist am 26. Februar 2005 verstorben. Er wurde von seinen Kindern zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 hatte die Klägerin eine Gehirnblutung erlitten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ihr wurden deshalb mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H zuerkannt. Zudem wurde sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten zunächst weiterhin gemeinsam in der Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen sie mit der X Seniorenstift GmbH (X GmbH) einen sog. Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments mit 74,54 qm Wohnfläche. Der Vertrag beinhaltet u.a. auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen bis zu 14 Tage im Jahr). Der Umzug in das Seniorenwohnstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 € und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 €), Verpflegung (400 €) sowie Betreuung (605,65 €) zusammen.

4

Zusätzlich schloss die Klägerin mit der X GmbH einen Pflegevertrag, in dem sich die X GmbH zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch --Soziale Pflegeversicherung-- und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Krankenversicherung-- verpflichtete. Die Entgelte wurden der Klägerin nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung gesondert in Rechnung gestellt.

5

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen beliefen sich für das Streitjahr 2004 insgesamt auf 41.272 € und für 2005 insgesamt auf 49.235,22 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte --vor Abzug der zumutbaren Belastung-- Aufwendungen in Höhe von 4.101 € für das Streitjahr 2004 und in Höhe von 18.828 € für das Streitjahr 2005 als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG an. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 änderte das FA die angefochtenen Bescheide u.a. dahingehend, dass es für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz in Höhe von 50 € berücksichtigte und von den so errechneten Aufwendungen eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € abzog. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge in Höhe von 13.747 € (2004) bzw. 17.634 € (2005).

6

Mit der Klage begehrte die Klägerin den vollen Abzug der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Seniorenwohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis. Sie vertrat die Auffassung, von den Entgelten seien lediglich die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen, soweit sie noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen im Stift gewohnt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1347 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 EStG.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Februar 2012  10 K 2504/10 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 34.821 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 38.708 € berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im Wohnstift sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG. Sie sind nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen des Üblichen liegen.

11

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

2. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (z.B. Senatsurteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794; vom 9. Dezember 2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011; vom 5. Oktober 2011 VI R 88/10, BFH/NV 2012, 35), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (Senatsurteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, BStBl II 2011, 1010; in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen hingegen nicht zwangsläufig (Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

13

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BFHE 181, 468, BStBl II 1997, 346). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis (Senatsurteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38). In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (Senatsurteil in BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783). Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

14

3. Die im Streitfall angefallenen Aufwendungen sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die Klägerin betreffen. Anlass und Grund für den Umzug der Klägerin in das Wohnstift war ihre durch Krankheit eingetretene Pflegebedürftigkeit; es lag somit eine krankheitsbedingte Unterbringung im Wohnstift vor. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offen bleiben, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim i.S. des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) untergebracht ist. Denn nach den Bestimmungen des Wohnstiftvertrags wird nicht lediglich Wohnraum überlassen; vielmehr wird auch Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt bzw. vorgehalten, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HeimG erfüllt sind. Aus diesem Grund sind neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Wohnung im Wohnstift als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

15

Abziehbar sind im Streitfall diejenigen Beträge, die bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Denn dies sind die aufgrund der Krankheit der Klägerin entstandenen Aufwendungen, in denen nicht nur ein Wohnkostenanteil, sondern wesentlich auch der Kostenbeitrag für eine krankheitsbedingte Grundversorgung enthalten ist.

16

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Eine zusätzliche Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Kosten für Dienstleistungen führen würde (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294).

17

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat. Denn außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701). Sollte das FG in seiner ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Streitfalls weiter zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Klägerin krankheitshalber getragenen Unterbringungskosten (beispielsweise aufgrund der Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, hat es die Aufwendungen der Klägerin entsprechend zu kürzen. Abziehbar sind die üblichen Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung. Wegen des Ansatzes einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten kommt im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. VI R 33/13 anhängige Verfahren eine vorläufige Steuerfestsetzung in Betracht (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).

(1) Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei denen es sich um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 510 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

(2)1Für andere als in Absatz 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 sind, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4 000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.2Die Steuerermäßigung kann auch in Anspruch genommen werden für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind.

(3)1Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1 200 Euro.2Dies gilt nicht für öffentlich geförderte Maßnahmen, für die zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse in Anspruch genommen werden.

(4)1Die Steuerermäßigung nach den Absätzen 1 bis 3 kann nur in Anspruch genommen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder – bei Pflege- und Betreuungsleistungen – der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird.2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ist Voraussetzung, dass das Heim oder der Ort der dauernden Pflege in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegt.

(5)1Die Steuerermäßigungen nach den Absätzen 1 bis 3 können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Aufwendungen nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen und soweit sie nicht als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind; für Aufwendungen, die dem Grunde nach unter § 10 Absatz 1 Nummer 5 fallen, ist eine Inanspruchnahme ebenfalls ausgeschlossen.2Der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nach den Absätzen 2 und 3 gilt nur für Arbeitskosten.3Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach Absatz 2 oder für Handwerkerleistungen nach Absatz 3 ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.4Leben zwei Alleinstehende in einem Haushalt zusammen, können sie die Höchstbeträge nach den Absätzen 1 bis 3 insgesamt jeweils nur einmal in Anspruch nehmen.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin ist am 26. Februar 2005 verstorben. Er wurde von seinen Kindern zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 hatte die Klägerin eine Gehirnblutung erlitten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ihr wurden deshalb mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H zuerkannt. Zudem wurde sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten zunächst weiterhin gemeinsam in der Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen sie mit der X Seniorenstift GmbH (X GmbH) einen sog. Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments mit 74,54 qm Wohnfläche. Der Vertrag beinhaltet u.a. auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen bis zu 14 Tage im Jahr). Der Umzug in das Seniorenwohnstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 € und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 €), Verpflegung (400 €) sowie Betreuung (605,65 €) zusammen.

4

Zusätzlich schloss die Klägerin mit der X GmbH einen Pflegevertrag, in dem sich die X GmbH zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch --Soziale Pflegeversicherung-- und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Krankenversicherung-- verpflichtete. Die Entgelte wurden der Klägerin nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung gesondert in Rechnung gestellt.

5

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen beliefen sich für das Streitjahr 2004 insgesamt auf 41.272 € und für 2005 insgesamt auf 49.235,22 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte --vor Abzug der zumutbaren Belastung-- Aufwendungen in Höhe von 4.101 € für das Streitjahr 2004 und in Höhe von 18.828 € für das Streitjahr 2005 als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG an. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 änderte das FA die angefochtenen Bescheide u.a. dahingehend, dass es für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz in Höhe von 50 € berücksichtigte und von den so errechneten Aufwendungen eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € abzog. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge in Höhe von 13.747 € (2004) bzw. 17.634 € (2005).

6

Mit der Klage begehrte die Klägerin den vollen Abzug der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Seniorenwohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis. Sie vertrat die Auffassung, von den Entgelten seien lediglich die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen, soweit sie noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen im Stift gewohnt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1347 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 EStG.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Februar 2012  10 K 2504/10 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 34.821 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 38.708 € berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im Wohnstift sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG. Sie sind nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen des Üblichen liegen.

11

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

2. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (z.B. Senatsurteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794; vom 9. Dezember 2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011; vom 5. Oktober 2011 VI R 88/10, BFH/NV 2012, 35), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (Senatsurteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, BStBl II 2011, 1010; in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen hingegen nicht zwangsläufig (Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

13

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BFHE 181, 468, BStBl II 1997, 346). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis (Senatsurteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38). In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (Senatsurteil in BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783). Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

14

3. Die im Streitfall angefallenen Aufwendungen sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die Klägerin betreffen. Anlass und Grund für den Umzug der Klägerin in das Wohnstift war ihre durch Krankheit eingetretene Pflegebedürftigkeit; es lag somit eine krankheitsbedingte Unterbringung im Wohnstift vor. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offen bleiben, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim i.S. des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) untergebracht ist. Denn nach den Bestimmungen des Wohnstiftvertrags wird nicht lediglich Wohnraum überlassen; vielmehr wird auch Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt bzw. vorgehalten, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HeimG erfüllt sind. Aus diesem Grund sind neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Wohnung im Wohnstift als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

15

Abziehbar sind im Streitfall diejenigen Beträge, die bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Denn dies sind die aufgrund der Krankheit der Klägerin entstandenen Aufwendungen, in denen nicht nur ein Wohnkostenanteil, sondern wesentlich auch der Kostenbeitrag für eine krankheitsbedingte Grundversorgung enthalten ist.

16

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Eine zusätzliche Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Kosten für Dienstleistungen führen würde (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294).

17

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat. Denn außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701). Sollte das FG in seiner ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Streitfalls weiter zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Klägerin krankheitshalber getragenen Unterbringungskosten (beispielsweise aufgrund der Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, hat es die Aufwendungen der Klägerin entsprechend zu kürzen. Abziehbar sind die üblichen Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung. Wegen des Ansatzes einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten kommt im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. VI R 33/13 anhängige Verfahren eine vorläufige Steuerfestsetzung in Betracht (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin ist am 26. Februar 2005 verstorben. Er wurde von seinen Kindern zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 hatte die Klägerin eine Gehirnblutung erlitten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ihr wurden deshalb mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H zuerkannt. Zudem wurde sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten zunächst weiterhin gemeinsam in der Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen sie mit der X Seniorenstift GmbH (X GmbH) einen sog. Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments mit 74,54 qm Wohnfläche. Der Vertrag beinhaltet u.a. auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen bis zu 14 Tage im Jahr). Der Umzug in das Seniorenwohnstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 € und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 €), Verpflegung (400 €) sowie Betreuung (605,65 €) zusammen.

4

Zusätzlich schloss die Klägerin mit der X GmbH einen Pflegevertrag, in dem sich die X GmbH zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch --Soziale Pflegeversicherung-- und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Krankenversicherung-- verpflichtete. Die Entgelte wurden der Klägerin nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung gesondert in Rechnung gestellt.

5

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen beliefen sich für das Streitjahr 2004 insgesamt auf 41.272 € und für 2005 insgesamt auf 49.235,22 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte --vor Abzug der zumutbaren Belastung-- Aufwendungen in Höhe von 4.101 € für das Streitjahr 2004 und in Höhe von 18.828 € für das Streitjahr 2005 als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG an. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 änderte das FA die angefochtenen Bescheide u.a. dahingehend, dass es für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz in Höhe von 50 € berücksichtigte und von den so errechneten Aufwendungen eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € abzog. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge in Höhe von 13.747 € (2004) bzw. 17.634 € (2005).

6

Mit der Klage begehrte die Klägerin den vollen Abzug der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Seniorenwohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis. Sie vertrat die Auffassung, von den Entgelten seien lediglich die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen, soweit sie noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen im Stift gewohnt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1347 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 EStG.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Februar 2012  10 K 2504/10 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 34.821 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 38.708 € berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im Wohnstift sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG. Sie sind nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen des Üblichen liegen.

11

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

2. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (z.B. Senatsurteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794; vom 9. Dezember 2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011; vom 5. Oktober 2011 VI R 88/10, BFH/NV 2012, 35), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (Senatsurteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, BStBl II 2011, 1010; in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen hingegen nicht zwangsläufig (Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

13

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BFHE 181, 468, BStBl II 1997, 346). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis (Senatsurteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38). In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (Senatsurteil in BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783). Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

14

3. Die im Streitfall angefallenen Aufwendungen sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die Klägerin betreffen. Anlass und Grund für den Umzug der Klägerin in das Wohnstift war ihre durch Krankheit eingetretene Pflegebedürftigkeit; es lag somit eine krankheitsbedingte Unterbringung im Wohnstift vor. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offen bleiben, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim i.S. des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) untergebracht ist. Denn nach den Bestimmungen des Wohnstiftvertrags wird nicht lediglich Wohnraum überlassen; vielmehr wird auch Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt bzw. vorgehalten, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HeimG erfüllt sind. Aus diesem Grund sind neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Wohnung im Wohnstift als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

15

Abziehbar sind im Streitfall diejenigen Beträge, die bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Denn dies sind die aufgrund der Krankheit der Klägerin entstandenen Aufwendungen, in denen nicht nur ein Wohnkostenanteil, sondern wesentlich auch der Kostenbeitrag für eine krankheitsbedingte Grundversorgung enthalten ist.

16

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Eine zusätzliche Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Kosten für Dienstleistungen führen würde (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294).

17

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat. Denn außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701). Sollte das FG in seiner ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Streitfalls weiter zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Klägerin krankheitshalber getragenen Unterbringungskosten (beispielsweise aufgrund der Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, hat es die Aufwendungen der Klägerin entsprechend zu kürzen. Abziehbar sind die üblichen Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung. Wegen des Ansatzes einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten kommt im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. VI R 33/13 anhängige Verfahren eine vorläufige Steuerfestsetzung in Betracht (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

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6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin ist am 26. Februar 2005 verstorben. Er wurde von seinen Kindern zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 hatte die Klägerin eine Gehirnblutung erlitten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ihr wurden deshalb mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H zuerkannt. Zudem wurde sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten zunächst weiterhin gemeinsam in der Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen sie mit der X Seniorenstift GmbH (X GmbH) einen sog. Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments mit 74,54 qm Wohnfläche. Der Vertrag beinhaltet u.a. auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen bis zu 14 Tage im Jahr). Der Umzug in das Seniorenwohnstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 € und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 €), Verpflegung (400 €) sowie Betreuung (605,65 €) zusammen.

4

Zusätzlich schloss die Klägerin mit der X GmbH einen Pflegevertrag, in dem sich die X GmbH zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch --Soziale Pflegeversicherung-- und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Krankenversicherung-- verpflichtete. Die Entgelte wurden der Klägerin nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung gesondert in Rechnung gestellt.

5

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen beliefen sich für das Streitjahr 2004 insgesamt auf 41.272 € und für 2005 insgesamt auf 49.235,22 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte --vor Abzug der zumutbaren Belastung-- Aufwendungen in Höhe von 4.101 € für das Streitjahr 2004 und in Höhe von 18.828 € für das Streitjahr 2005 als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG an. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 änderte das FA die angefochtenen Bescheide u.a. dahingehend, dass es für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz in Höhe von 50 € berücksichtigte und von den so errechneten Aufwendungen eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € abzog. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge in Höhe von 13.747 € (2004) bzw. 17.634 € (2005).

6

Mit der Klage begehrte die Klägerin den vollen Abzug der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Seniorenwohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis. Sie vertrat die Auffassung, von den Entgelten seien lediglich die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen, soweit sie noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen im Stift gewohnt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1347 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 EStG.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Februar 2012  10 K 2504/10 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 34.821 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 38.708 € berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im Wohnstift sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG. Sie sind nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen des Üblichen liegen.

11

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

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2. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (z.B. Senatsurteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794; vom 9. Dezember 2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011; vom 5. Oktober 2011 VI R 88/10, BFH/NV 2012, 35), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (Senatsurteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, BStBl II 2011, 1010; in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen hingegen nicht zwangsläufig (Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

13

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BFHE 181, 468, BStBl II 1997, 346). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis (Senatsurteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38). In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (Senatsurteil in BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783). Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

14

3. Die im Streitfall angefallenen Aufwendungen sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die Klägerin betreffen. Anlass und Grund für den Umzug der Klägerin in das Wohnstift war ihre durch Krankheit eingetretene Pflegebedürftigkeit; es lag somit eine krankheitsbedingte Unterbringung im Wohnstift vor. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offen bleiben, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim i.S. des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) untergebracht ist. Denn nach den Bestimmungen des Wohnstiftvertrags wird nicht lediglich Wohnraum überlassen; vielmehr wird auch Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt bzw. vorgehalten, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HeimG erfüllt sind. Aus diesem Grund sind neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Wohnung im Wohnstift als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

15

Abziehbar sind im Streitfall diejenigen Beträge, die bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Denn dies sind die aufgrund der Krankheit der Klägerin entstandenen Aufwendungen, in denen nicht nur ein Wohnkostenanteil, sondern wesentlich auch der Kostenbeitrag für eine krankheitsbedingte Grundversorgung enthalten ist.

16

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Eine zusätzliche Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Kosten für Dienstleistungen führen würde (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294).

17

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat. Denn außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701). Sollte das FG in seiner ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Streitfalls weiter zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Klägerin krankheitshalber getragenen Unterbringungskosten (beispielsweise aufgrund der Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, hat es die Aufwendungen der Klägerin entsprechend zu kürzen. Abziehbar sind die üblichen Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung. Wegen des Ansatzes einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten kommt im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. VI R 33/13 anhängige Verfahren eine vorläufige Steuerfestsetzung in Betracht (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin ist am 26. Februar 2005 verstorben. Er wurde von seinen Kindern zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 hatte die Klägerin eine Gehirnblutung erlitten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ihr wurden deshalb mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H zuerkannt. Zudem wurde sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten zunächst weiterhin gemeinsam in der Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen sie mit der X Seniorenstift GmbH (X GmbH) einen sog. Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments mit 74,54 qm Wohnfläche. Der Vertrag beinhaltet u.a. auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen bis zu 14 Tage im Jahr). Der Umzug in das Seniorenwohnstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 € und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 €), Verpflegung (400 €) sowie Betreuung (605,65 €) zusammen.

4

Zusätzlich schloss die Klägerin mit der X GmbH einen Pflegevertrag, in dem sich die X GmbH zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch --Soziale Pflegeversicherung-- und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Krankenversicherung-- verpflichtete. Die Entgelte wurden der Klägerin nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung gesondert in Rechnung gestellt.

5

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen beliefen sich für das Streitjahr 2004 insgesamt auf 41.272 € und für 2005 insgesamt auf 49.235,22 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte --vor Abzug der zumutbaren Belastung-- Aufwendungen in Höhe von 4.101 € für das Streitjahr 2004 und in Höhe von 18.828 € für das Streitjahr 2005 als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG an. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 änderte das FA die angefochtenen Bescheide u.a. dahingehend, dass es für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz in Höhe von 50 € berücksichtigte und von den so errechneten Aufwendungen eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € abzog. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge in Höhe von 13.747 € (2004) bzw. 17.634 € (2005).

6

Mit der Klage begehrte die Klägerin den vollen Abzug der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Seniorenwohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis. Sie vertrat die Auffassung, von den Entgelten seien lediglich die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen, soweit sie noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen im Stift gewohnt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1347 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 EStG.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Februar 2012  10 K 2504/10 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 34.821 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 38.708 € berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im Wohnstift sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG. Sie sind nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen des Üblichen liegen.

11

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

2. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (z.B. Senatsurteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794; vom 9. Dezember 2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011; vom 5. Oktober 2011 VI R 88/10, BFH/NV 2012, 35), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (Senatsurteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, BStBl II 2011, 1010; in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen hingegen nicht zwangsläufig (Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

13

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BFHE 181, 468, BStBl II 1997, 346). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis (Senatsurteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38). In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (Senatsurteil in BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783). Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

14

3. Die im Streitfall angefallenen Aufwendungen sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die Klägerin betreffen. Anlass und Grund für den Umzug der Klägerin in das Wohnstift war ihre durch Krankheit eingetretene Pflegebedürftigkeit; es lag somit eine krankheitsbedingte Unterbringung im Wohnstift vor. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offen bleiben, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim i.S. des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) untergebracht ist. Denn nach den Bestimmungen des Wohnstiftvertrags wird nicht lediglich Wohnraum überlassen; vielmehr wird auch Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt bzw. vorgehalten, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HeimG erfüllt sind. Aus diesem Grund sind neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Wohnung im Wohnstift als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

15

Abziehbar sind im Streitfall diejenigen Beträge, die bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Denn dies sind die aufgrund der Krankheit der Klägerin entstandenen Aufwendungen, in denen nicht nur ein Wohnkostenanteil, sondern wesentlich auch der Kostenbeitrag für eine krankheitsbedingte Grundversorgung enthalten ist.

16

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Eine zusätzliche Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Kosten für Dienstleistungen führen würde (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294).

17

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat. Denn außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701). Sollte das FG in seiner ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Streitfalls weiter zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Klägerin krankheitshalber getragenen Unterbringungskosten (beispielsweise aufgrund der Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, hat es die Aufwendungen der Klägerin entsprechend zu kürzen. Abziehbar sind die üblichen Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung. Wegen des Ansatzes einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten kommt im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. VI R 33/13 anhängige Verfahren eine vorläufige Steuerfestsetzung in Betracht (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. Er betrieb in den Streitjahren 2003 bis 2005 auf ca. 19 ha gepachteten Flächen einen Mastbetrieb (Schweine und Rinder), ohne dass die Anzahl der Vieheinheiten (VE) nachhaltig die in § 51 Abs. 1a des Bewertungsgesetzes bezeichnete Grenze überschritt.

2

In den Streitjahren holte er mit einem Spezialfahrzeug von Großküchen und Restaurants gegen Bezahlung organische Abfälle (Speiseabfälle) ab. Diese erhitzte der Kläger und verfütterte sie anschließend ausschließlich an seine eigenen Schweine.

3

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass die Entsorgung der Speiseabfälle eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung des Klägers darstelle, und setzte mit Bescheiden vom 29. Oktober 2008 erstmalig Umsatzsteuer für die Jahre 2003, 2004 und 2005 fest. Dabei berücksichtigte das FA die streitbefangenen Umsätze (Speiseresteabholung), in deren Bemessungsgrundlage es neben den Geldzahlungen der Restaurants und Großküchen zusätzlich den Wert der Speiseabfälle einbezog, und die damit zusammenhängenden Vorsteuern.

4

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 187 veröffentlichten Urteil nur insoweit statt, als das FA die Bemessungsgrundlage für die streitbefangene Leistung des Klägers (Speiseresteabholung) um den Wert der Speisereste erhöht hatte. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

5

Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die Abholung und Entsorgung der Speiseabfälle sei eine sonstige Leistung, die nicht der Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 der in den Streitjahren gültigen Fassung des Umsatzsteuergesetzes 1999 bzw. 2005 (UStG) unterliege. Die Entsorgungsleistungen trügen nicht "normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung" i.S. von Art. 295 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) bei, da sie der gewerblichen Betätigung der Restaurants und Großküchen dienten. Die Leistungen des Klägers fielen auch nicht unter Anhang VIII Nr. 2 MwStSystRL, denn die dort genannten Betätigungen müssten sich auf "landwirtschaftliche Erzeugnisse" beziehen. Die Speiseabfälle seien aber keine "landwirtschaftlichen", sondern gewerbliche (Abfall-) Produkte.

6

Die Speiseresteabholung unterfalle zudem weder als sog. landwirtschaftlicher Hilfsumsatz noch als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb der Besteuerung nach § 24 UStG. Bei restriktiver richtlinienkonformer Auslegung seien landwirtschaftliche Hilfsleistungen nicht von § 24 UStG erfasst. Ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb --dessen Vereinbarkeit mit Art. 295 i.V.m. Anhang VIII MwStSystRL unterstellt-- liege nicht vor, da die Umsätze aus der Speiseresteverwertung in erheblichem Umfang die Umsätze aus Landwirtschaft überstiegen hätten, so dass die Speiseresteabholung nicht als Betätigung von untergeordneter Bedeutung beurteilt werden könne. Für die Frage der "Bedeutung" der Leistungen komme es nicht auf die aufgewendete Arbeitszeit, sondern auf die gegenüber Dritten erbrachten Leistungen an, deren Umfang sich nach dem Entgelt richte.

7

Die Regelbesteuerung der Speiseresteabholung verstoße weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte. Es gelte das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Eine Verwaltungsanweisung, auf die der Kläger hätte vertrauen dürfen, habe nicht existiert. Die steuerliche Behandlung der Erzeugung und des Verkaufs von Biogas sei mangels Vergleichbarkeit für den Streitfall unerheblich. Die vom Kläger herangezogenen Vorschriften über die Speiseabfallentsorgung hätten lediglich ordnungspolitische Zwecke und könnten die europaweit harmonisierte Umsatzbesteuerung nicht beeinflussen.

8

Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte das FG die in den Jahresabschlüssen zum 30. Juni des dem jeweiligen Streitjahr folgenden Kalenderjahres ausgewiesenen Erlöse abzüglich der Umsatzsteuer. Eine auf das Kalenderjahr bezogene Berechnung sei nicht möglich. Durch die Verschiebung würden sich allenfalls geringe Abweichungen ergeben.

9

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision, die er auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass die streitbefangenen Umsätze der Regelbesteuerung unterlägen.

10

Das FG lege Art. 295 ff. MwStSystRL zu eng aus. Eine landwirtschaftliche Dienstleistung müsse nicht zwingend gegenüber einem Land- und Forstwirt erbracht werden. Es müsse berücksichtigt werden, dass Speisereste nicht als gewerblicher Abfall entsorgt werden dürften, sondern im Ergebnis landwirtschaftlich verarbeitet werden müssten. Nach der Speiseabfallverordnung erhalte eine Genehmigung zur Entsorgung nur, wer Schweine mäste oder zur Schlachtung führe. Die Beurteilung aus Sicht des Leistungsempfängers sei ursprünglich als Vereinfachungsregelung entwickelt worden und diene landwirtschaftlicher Nachbarschaftshilfe. Sie dürfe nicht zum Dogma erhöht werden.

11

Da die streitigen Umsätze der Futterbeschaffung dienten, handele es sich um Vorbereitungshandlungen zur landwirtschaftlichen Urproduktion (Schweinemast) und nicht um Hilfsumsätze. Der Vorgang sei vergleichbar mit der Beschaffung von Fertigfutter, die der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Zudem handele es sich um einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb.

12

Die rückwirkende Änderung der Verwaltungsauffassung verstoße gegen Art. 20 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Zudem sei Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, soweit die Speiseresteverwertung im Rahmen der Schweinemast anders beurteilt werde als im Rahmen der Verwertung in einer Biogasanlage.

13

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die Umsatzsteuerbescheide für 2003, 2004 und 2005 vom 29. Oktober 2008 dahingehend zu ändern, dass die erfassten Leistungen der Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG unterworfen werden.

14

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Es schließt sich der Auffassung des FG an. Ergänzend weist es darauf hin, dass der Kläger für die Ausführung der streitigen Umsätze spezielle Gerätschaften in Form eines Fahrzeuges und eines Dampfsterilisators benötigt und damit die "normale Ausrüstung" seines landwirtschaftlichen Betriebs nicht ausgereicht habe.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG geht zutreffend davon aus, dass der Kläger nicht berechtigt ist, für seine sonstigen Leistungen, die in der Entsorgung der Speiseabfälle bestehen, gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG die Durchschnittssatzbesteuerung anzuwenden.

17

1. Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze wird die Steuer für Dienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9 UStG gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils neun Prozent der Bemessungsgrundlage festgesetzt.

18

a) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG

19

"1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;

20

2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören".

21

Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

22

b) § 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) richtlinienkonform entsprechend dem geltenden Unionsrecht, in den Streitjahren Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 65/09, BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465, m.w.N.).

23

Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, wie z.B. "Hüten, Zucht und Mästen von Vieh" (vierter Gedankenstrich).

24

2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung (EuGH-Urteile vom 15. Juli 2004 C-321/02, Harbs, Slg. 2004, I-7101 Rdnrn. 31 und 36, sowie vom 26. Mai 2005 C-43/04, Stadt Sundern, Slg. 2005, I-4491 Rdnr. 21). Weiter sind die von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen (EuGH-Urteil Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491 Rdnr. 24). Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist (EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101 Rdnr. 27, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491 Rdnr. 27; vom 8. März 2012 C-524/10, Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 685 Rdnr. 49). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen (EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101 Rdnr. 29, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491 Rdnr. 28). Keine "landwirtschaftlichen Dienstleistungen" sind daher Leistungen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen (EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101 Rdnr. 31, und Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491 Rdnr. 29).

25

Dieser Auslegung folgt die Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465, m.w.N.). Die ertragsteuerrechtliche Beurteilung ist daher ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 13. August 2008 XI R 8/08, BFHE 221, 569, BStBl II 2009, 216, unter II.3.).

26

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei den streitbefangenen Leistungen nicht um landwirtschaftliche Dienstleistungen, die der Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegen.

27

a) Eine Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 24 UStG auf die von Landwirten durchgeführte Entsorgung von in Restaurants und Großküchen anfallenden Speiseabfällen ist mit Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nicht vereinbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Entsorgung von Speiseresten in der Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen gemäß Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Bei der gebotenen engen Auslegung (vgl. EuGH-Urteile Harbs in Slg. 2004, I-7101 Rdnr. 27; Stadt Sundern in Slg. 2005, I-4491 Rdnr. 27; BFH-Urteil in BFHE 233, 72, BStBl II 2011, 465) handelt es sich nicht um das Mästen von Vieh im Sinne von Anhang B vierter Gedankenstrich i.V.m. Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG.

28

b) Entgegen der Auffassung des Klägers kann es dahinstehen, ob die Speiseresteentsorgung innerhalb eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs erfolgt ist. Die Zuordnung zu einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb ändert nichts daran, dass nur landwirtschaftliche Dienstleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen. Eine solche liegt hier nicht vor.

29

4. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine abweichende Beurteilung auch nicht aufgrund schutzwürdigen Vertrauens.

30

a) Soweit der Vortrag des Klägers dahin zu verstehen ist, dass er aufgrund Abschn. 264 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 bzw. 2005 i.V.m. R 135 Abs. 3 und 4 bzw. R 15.5 der in den Streitjahren gültigen Fassung der Einkommensteuer-Richtlinien darauf vertraut habe, dass auch die Entsorgungsleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen, ist dieses Vertrauen im Streitfall nicht nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) geschützt. Die Vorschrift ist bei Erstbescheiden nicht anwendbar (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juni 2007 IV B 88/06, BFH/NV 2007, 2088; BFH-Urteil vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, m.w.N.). Da der Kläger weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Jahressteuererklärungen für die Streitjahre eingereicht hat, die gemäß § 168 Satz 1 AO als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gelten könnten, handelt es sich bei den angegriffenen Bescheiden um Erstbescheide.

31

Ob eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO diesen Aspekt ggf. berücksichtigen könnte, kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219).

32

b) Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der streitige Sachverhalt durch das FA bei vorangegangenen Betriebsprüfungen nicht beanstandet wurde, begründet dies nach ständiger Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz. Eine Bindung des FA an eine früher erfolgte rechtliche Beurteilung kann sich nur aufgrund einer verbindlichen Zusage gemäß § 204 AO oder einer nach Treu und Glauben verbindlichen Auskunft ergeben (z.B. BFH-Urteile vom 31. Mai 2007 V R 5/05, BFHE 217, 290, BStBl II 2011, 289, m.w.N.; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144). Dafür ist nichts ersichtlich.

33

c) In einer dem UStG und der Richtlinie 77/388/EWG entsprechenden, d.h. gesetzmäßigen Besteuerung vermag der Senat weder eine Verletzung der in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechte, noch einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zu sehen. Unbillige Härten, die aufgrund eines schutzwürdigen Vertrauens in eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung entstehen, sind im Wege des § 163 AO geltend zu machen. Dieses Verfahren bietet den Betroffenen ausreichenden Rechtsschutz (vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 176 Rz 3, m.w.N.).

34

5. Einen vom Kläger behaupteten Verstoß des FG-Urteils gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Speiseresteabholung zur Verwertung in einer Biogasanlage vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Speiseresteentsorgung gegen Entgelt stellt unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer eine Biogasanlage oder eine Schweinemast betreibt, keine landwirtschaftliche Dienstleistung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG dar.

35

Eine möglicherweise unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten ist im Wege der Konkurrentenklage geltend zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2012 VII R 4/11, BFHE 236, 481, BStBl II 2012, 541), in deren Rahmen zu klären ist, ob dem Kläger insoweit ein subjektives Recht auf Schutz gegenüber der Konkurrenz zusteht. Der Gleichheitssatz vermittelt jedenfalls keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und damit auf "Gleichheit im Unrecht" (BFH-Beschluss vom 1. Juli 2010 V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136, m.w.N.).

36

Auch der Hinweis des Klägers auf eine vermeintliche "Ungleichbehandlung" zu einem Betrieb, der Fertigfutter erwirbt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es fehlt bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt, da der Erwerb von Fertigfutter keine Ausgangsleistung ist, die mit den streitigen Leistungen des Klägers verglichen werden könnte.

37

6. Die Schätzung des FG zur Höhe des für die Entsorgungsleistungen gezahlten Entgelts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

38

a) Die Schätzung gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO. Der BFH kann sie nur darauf überprüfen, ob sie zulässig war, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist, und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat, d.h. ob das Ergebnis der Schätzung schlüssig und plausibel ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171).

39

Die Schätzungsbefugnis ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO, da der Kläger keine ausreichende Aufklärung über die im jeweiligen Kalenderjahr ausgeführten Umsätze zu geben vermag. Bei der Schätzung der Höhe nach orientiert sich das FG an den in den Jahresabschlüssen der abweichenden Wirtschaftsjahre ausgewiesenen Erlösen. Dies lässt weder Verfahrensfehler erkennen noch ist dies unschlüssig oder unplausibel. Im Übrigen besteht hierüber zwischen den Parteien auch kein Streit.

40

b) Ob darüber hinaus der Wert der Speiseabfälle gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG Bestandteil der Bemessungsgrundlage ist, braucht der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden, da die Revision bereits aus den oben ausgeführten Gründen keinen Erfolg hat.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Treuhänder über das Vermögen des M. M war seit 1997 Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH (M-GmbH), die in den Streitjahren 1999 bis 2003 mehrere Gaststätten in A betrieb.

2

Eine ab September 2005 bei der M-GmbH durchgeführte Außenprüfung für die Streitjahre stellte fest, dass die Kassenführung und die Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Es lägen Kassenfehlbeträge vor. Inventuren zur Ermittlung des Warenbestandes seien nicht vorgelegt worden. Sie schätzte daher Umsatzerlöse und Betriebsausgaben hinzu. Die Hinzuschätzungsbeträge ermittelte die Außenprüfung durch eine für das Jahr 2002 durchgeführte Ausbeutekalkulation für drei der Gaststätten. Danach erhöhten sich die Einnahmen in der Summe wie folgt:

3

Jahr 1999:

157.850 DM,

Jahr 2000:

326.537 DM,

Jahr 2001:

232.328 DM,

Jahr 2002:

130.049 €,

Jahr 2003:

121.096 €.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) änderte am 11. Dezember 2006 die Einkommensteuerbescheide des M für die Jahre 1999, 2000 sowie 2002 entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung. Für das nicht veranlagte Jahr 2001 setzte das FA erstmals Einkommensteuer durch Bescheid vom 14. Dezember 2006 fest. Nachdem das FA M erfolglos aufgefordert hatte, eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 abzugeben, erließ es am 26. März 2007 einen Einkommensteuerbescheid für 2003, in dem das FA die von der Außenprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen als Einnahmen des M aus verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) erfasste.

5

Die Einsprüche blieben --mit Ausnahme der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf die vGA für die Jahre 2001 bis 2003-- erfolglos.

6

Das für die M-GmbH zuständige Finanzamt (F) hatte aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung die Körperschaftsteuerbescheide der M-GmbH für die Jahre 1999 bis 2003 geändert. Da auch diese Einsprüche erfolglos blieben, erhob die M-GmbH im Januar 2007 vor dem Finanzgericht (FG) Klage. Nachdem das Klageverfahren zunächst nach § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) wegen Insolvenzeröffnung über das Vermögen der M-GmbH unterbrochen wurde, nahm F das Verfahren nach § 180 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) wieder auf. Der Berichterstatter äußerte sich nach summarischer Prüfung zu den Erfolgsaussichten der Klage dahingehend, dass eine Schätzungsbefugnis des F wohl bestanden habe, aber die Beträge ihm um ca. ein Drittel zu hoch erschienen. Der Insolvenzverwalter und das F einigten sich schließlich, dass die Hinzuschätzungen um ein Drittel verringert werden und der verbleibende Betrag nur zur Hälfte als vGA angesetzt werde. Das F begründete diese Einigung mit der Vermeidung eines langwierigen und zeitaufwendigen Verfahrens und mit der Insolvenz der M-GmbH. Es berichtigte entsprechend die zur Insolvenztabelle angemeldeten Körperschaftsteuerbeträge. Der Rechtsstreit wurde von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.

7

M erhob am 20. November 2007 Klage beim FG gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003. Am … Januar 2009 eröffnete das Amtsgericht über das Vermögen des M das Verbraucherinsolvenzverfahren. Der zum Treuhänder bestellte Kläger bestritt die zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerbeträge und nahm den Rechtsstreit auf. Das FG wies die Klage ab und beseitigte den Widerspruch des Klägers gegen die zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1999 bis 2003. Es führte im Wesentlichen aus, das FA sei nach § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) berechtigt gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen und diese Schätzung auf der Ebene des M bei dessen Einkommensteuerveranlagungen zu verwenden.

8

Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003 seien auch nicht aufgrund der im Klageverfahren der M-GmbH gegen die Körperschaftsteuerbescheide erzielten Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der M-GmbH und dem F rechtswidrig. Das FA sei nicht nach § 32a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zur Änderung der Einkommensteuerbescheide verpflichtet.

9

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

11

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

13

1. Die Revision ist zulässig. Das durch die Klage des M anhängig gewordene Klageverfahren ist aufgrund der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2003 IX ZR 333/00, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2004, 48) über das Vermögen des M unterbrochen worden (§ 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO). Der Kläger ist vom Insolvenzgericht zum Treuhänder (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO) über das Vermögen des M bestellt worden und hat das Klageverfahren aufgenommen. Er hat gegen die vom FA zur Eintragung in die Insolvenztabelle angemeldeten Ansprüche auf Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag Widerspruch erhoben (§ 174, § 175 Abs. 1 Satz 1, § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dem gesetzlichen Übergang vom bisherigen Anfechtungs- zum Insolvenzfeststellungsverfahren und dem damit verbundenen Wechsel des Streitgegenstands entspricht die Umstellung des Klageantrags (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. November 2011 I R 96/10, BFH/NV 2012, 991, m.w.N.). Der Antrag ist nicht mehr auf eine geänderte Steuerfestsetzung, sondern darauf gerichtet, den Widerspruch gegen die vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen insoweit für begründet zu erklären, als diese Steuern auf Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 157.850 DM für das Jahr 1999, 326.537 DM für das Jahr 2000, 116.164 DM für das Jahr 2001, 65.024 € für das Jahr 2002 und 60.548 € für das Jahr 2003 beruhen.

14

2. Die Revision ist auch begründet. Zwar hat das FG dem Grunde nach zu Recht die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei der M-GmbH bejaht (a). Es hat aber rechtsfehlerhaft die Schätzung des FA der Höhe nach als in sich schlüssig und deshalb rechtmäßig angesehen (b). Die Feststellungen des FG reichen zudem für die Annahme einer dem M zurechenbaren vGA nicht aus (c).

15

a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (z.B. BFH-Urteile vom 24. Juli 1990 VIII R 304/84, BFH/NV 1991, 90; vom 13. September 2000 I R 10/00, BFH/NV 2001, 584; vom 22. September 2004 III R 9/03, BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160; BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379).

16

Ergeben sich aufgrund einer Nachkalkulation Differenzen bei der Kapitalgesellschaft und schätzt das FA deshalb --wie im Streitfall-- dem Gewinn Beträge hinzu, sind die Zuschätzungen nicht zwingend als Zuwendungen an den verantwortlichen Gesellschafter-Geschäftsführer oder an die Gesellschafter zu beurteilen. Die Annahme einer vGA setzt zum einen voraus, dass die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der Kapitalgesellschaft beruhen und zum anderen, dass die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet worden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zugeflossen sind (BFH-Urteil in BFHE 207, 549, 555, BStBl II 2005, 160, 163).

17

Zu Recht hat das FG --entgegen der Auffassung des Klägers-- die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen bei der M-GmbH dem Grunde nach bejaht. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag, und nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dann, wenn die Buchführung nach § 158 AO der Besteuerung nicht zugrunde gelegt wird. Gemäß § 158 AO ist die Buchführung, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entspricht, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

18

Die Buchführung der M-GmbH entsprach nicht der Vorschrift des § 146 Abs. 1 AO und hatte sonach nicht die Vermutung sachlicher Richtigkeit für sich. Buchungen und sonst erforderliche Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, 402, BStBl II 1975, 96, 97; vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, 15, BStBl II 1982, 430, 432; vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109). Die Einnahmeermittlung --z.B. bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons-- muss nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein. Die Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; BFH-Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, juris).

19

Diesen Maßstäben genügte die Kassenbuchführung der M-GmbH nicht. Nach den Feststellungen des FG hat die M-GmbH ihre gesamten Umsätze in einer Summe erfasst, ohne das Zustandekommen der Summe durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachzuweisen. Auch die von M zur Ermittlung der Tageseinnahmen gefertigten Inventurblätter sind nicht vorgelegt worden. In den Registrierkassen sind nur die Waren gebucht worden, die nicht durch Zählwerke erfasst worden sind. Eine solche Kassenbuchführung ist mangelbehaftet, wenn --wie im Streitfall-- weitere Zählwerke neben einer Registrierkasse geführt und die Einzelergebnisse nicht nachvollziehbar und richtig zusammengeführt werden; denn hier ist es offensichtlich, dass in der Registrierkasse nur ein Teil der Einnahmen erfasst wird und die sich aus der Verwendung der Registrierkasse ergebenden Aufzeichnungen nicht vollständig sein können. Die Nichtordnungsmäßigkeit der Kassenführung ergreift bei der Struktur des Betriebs der M-GmbH (sie tätigte Bargeschäfte) ihre gesamte Buchführung. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlage Betriebseinnahmen (Umsatzerlöse) war daher geboten.

20

Da nicht ordnungsmäßige Kassenaufzeichnungen nach den Umständen des Einzelfalls den Schluss zulassen können, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind (BFH-Urteile vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, 165, BStBl II 1982, 409, 412; in BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109), ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG das FA für berechtigt gehalten hat, Betriebseinnahmen bei der M-GmbH dem Grunde nach hinzuzuschätzen. Der Kläger hat nach den Darlegungen des FG für die Fehler in der Kassenführung keine substantiierte und nachprüfbare Erklärung angeboten.

21

Die Vorentscheidung hat ferner zu Recht die Einwendungen des Klägers als unsubstantiiert zurückgewiesen, soweit das F --nach einer Bestätigung durch den Kläger-- im Rahmen der Schätzung angenommen hat, dass die betrieblichen Verhältnisse des Jahres 2002 denen der anderen Streitjahre entsprechen. Das FG hat auch rechtsfehlerfrei keine Bedenken gegen die Annahme des FA geäußert, dass die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der M-GmbH beruhen. Für die unsubstantiierten Einwendungen des Klägers, dass sich eventuell die Bierfahrer durch die Zurückbehaltung abgerechneter Bierfässer und die Mitarbeiter durch die Unterschlagung von Betriebseinnahmen bereichert hätten, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

22

b) Der Höhe nach hat das FG aber zu Unrecht die Schätzung des FA als in sich schlüssig und deshalb rechtmäßig beurteilt.

23

Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 45/03, BFH/NV 2004, 1618; BFH-Beschluss vom 28. März 2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217, m.w.N.).

24

aa) Zwar ist die Vorentscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit es die Ermittlung der Umsatzerlöse und Betriebseinnahmen durch die Außenprüfung mittels für das Jahr 2002 durchgeführten Ausbeutekalkulationen für die einzelnen Gaststätten auf der Grundlage der auf der jeweiligen Speise- und Getränkekarte ausgewiesenen Preise und die Aufgliederung des Wareneinsatzes in Getränke und Küchenwaren als rechtmäßig angesehen hat. Zu Recht hat es das FG auch nicht beanstandet, dass die Außenprüfung den Wareneinsatz in den Jahren 1999 und 2000 auf die Gaststätten prozentual nach den Umsätzen verteilt und der Kalkulation zugrunde gelegt hat. Da der Wareneinsatz in diesen Jahren nicht getrennt verbucht worden war, bestand für die Außenprüfung keine andere Möglichkeit, die Aufteilung vorzunehmen.

25

bb) Die Auffassung des FG, die im Streitfall zu beurteilende Schätzung des FA sei der Höhe nach in sich schlüssig und begegne keinen Bedenken, ist indes durch tatsächliche Feststellungen nicht gedeckt. Es ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage das FG zu diesem Ergebnis kommen konnte, denn es hat keine ausreichenden Feststellungen zu den einzelnen Schätzungsgrundlagen getroffen. Das FG verweist zwar wegen der Einzelheiten der Kalkulationen auf den Bericht der Außenprüfung vom 25. September 2006 und den Ergänzungsbericht vom 8. November 2006 sowie wegen der Berechnung der Kalkulation auf Blatt "446 f der Bp-Arbeitsakte". Diese Feststellungen sind aber unzureichend. Denn für die Berechnung der Kalkulationsdifferenzen und die Ermittlung des Wareneinsatzes und damit zu den einzelnen Schätzungsgrundlagen wird in den Berichten auf diverse Anlagen Bezug genommen, die den Berichten nicht beigefügt sind.

26

Die Schätzungsgrundlagen (z.B. Wareneinsatz) sind damit weder nachprüfbar noch schlüssig begründet. Die Rechtmäßigkeit der Schätzung konnte das FG anhand dieser unvollständigen Berichte der Außenprüfung nicht überprüfen. Das FA hätte vielmehr Angaben machen müssen, die es dem Gericht ermöglicht hätten, die Angemessenheit der betreffenden Kalkulationen festzustellen. Dass das FG seine Beurteilung, die Schätzung des FA sei der Höhe nach unbedenklich, auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt hat, stellt einen Rechtsfehler dar, der schon für sich allein zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.

27

c) Unbeschadet dessen sind zudem weitere Feststellungen des FG für die Annahme einer dem M zurechenbaren vGA notwendig.

28

aa) Die objektive Feststellungslast dafür, ob die Voraussetzungen einer vGA vorliegen, obliegt grundsätzlich dem FA (vgl. BFH-Urteile vom 16. Februar 1977 I R 94/75, BFHE 122, 48, BStBl II 1977, 568; vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569; vom 13. Juli 1994 I R 43/94, BFH/NV 1995, 548; vom 9. August 2000 I R 82/99, GmbH-Rundschau 2001, 208). Das betrifft sowohl das Vorliegen einer Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) als auch die Frage nach der Veranlassung dieser Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis. Zudem setzt die Erfassung einer vGA als Einnahme i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ihren Zufluss beim Empfänger voraus (§ 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EStG). Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es allerdings Sache des Gesellschafters sein, den dadurch gesetzten Anschein zu widerlegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beweisrisikoverteilung (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171; BFH-Beschluss vom 4. April 2002 I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160).

29

bb) Wie das FG rechtsfehlerfrei angenommen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiter der M-GmbH durch eine Manipulation der Bierzählerstände oder Dritte sich einen Teil der vereinnahmten Entgelte zugeeignet hätten. Das FG hat aber die Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis und den deswegen widerlegbar zu vermutenden Zufluss noch nicht hinreichend aufgeklärt. Auch ist aus diesem Grund die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat z.B. keine Feststellungen zu dem im Ergänzungsbericht der Außenprüfung vom 8. November 2006 (Seite 2) enthaltenen Hinweis getroffen, dass die z.T. unregelmäßige Auszahlung des Geschäftsführergehalts bzw. die Buchung des Gehalts nur über ein Verrechnungskonto ein Indiz für die fehlende Trennung des Bereichs der GmbH zur privaten Vermögenssphäre des Geschäftsführers ist. Sofern sich --beispielsweise-- eine solch fehlende Trennung des Bereichs der M-GmbH zur privaten Vermögenssphäre des Alleingesellschafters M im zweiten Rechtsgang als zutreffend herausstellen sollte, wäre es nach den Umständen des Streitfalls Sache des Klägers, den dadurch gesetzten Anschein für die Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis und den entsprechenden Zufluss bei M zu widerlegen.

30

3. Die Sache ist nicht spruchreif, sondern muss an das FG zur Nachholung der unterbliebenen Feststellungen zurückverwiesen werden.

31

a) Das FG wird zunächst erneut nach den oben (unter II.2.b) niedergelegten Maßstäben die Hinzuschätzungen auf der Ebene der M-GmbH zu prüfen haben. Soweit es an einem schlüssigen Schätzungsverfahren des FA fehlen sollte, muss das FG von seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO) Gebrauch machen.

32

b) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang Hinzuschätzungen bei der M-GmbH dem Grunde und der Höhe nach --durch tatsächliche Feststellungen unterlegt-- für rechtmäßig erachten, hat es die notwendigen Feststellungen für die Annahme einer dem M zurechenbaren vGA nachzuholen (vgl. oben II.2.c).

33

c) Sollte sich danach eine bei M als Einnahme zu erfassende vGA ergeben, so wäre, wovon das FG im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist, das FA nicht aufgrund der Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem F nach § 32a KStG zur Änderung der in der Insolvenztabelle angemeldeten Ansprüche auf Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2003 verpflichtet.

34

Nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG kann ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, aufgehoben oder geändert werden, soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 32a KStG ist eröffnet, da die aufgrund der Einigung geänderten Körperschaftsteuerberechnungen für die M-GmbH, die zu einer Verminderung der angemeldeten Körperschaftsteuerforderungen geführt haben, nach dem 18. Dezember 2006 erfolgten (vgl. zum zeitlichen Geltungsbereich der Norm statt aller Blümich/Rengers, § 32a KStG Rz 9).

35

Zwar ist § 32a Abs. 1 KStG nach einer im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung nach Auffassung des Senats (BFH-Beschluss vom 20. März 2009 VIII B 170/08, BFHE 224, 439) sachlich auch dann sinngemäß anwendbar, wenn sich die Beteiligten in dem Insolvenz-Feststellungsverfahren darauf geeinigt haben, dass die bei der M-GmbH angesetzte vGA reduziert wird und das für die M-GmbH zuständige F seine Anmeldung zur Insolvenztabelle entsprechend herabgesetzt hat. Im Streitfall kann die Frage einer sinngemäßen Anwendbarkeit der Vorschrift (streitig; bejahend Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG und EStG, § 32a KStG Rz 14b; kritisch Blümich/Rengers, § 32a KStG Rz 23; verneinend Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG, Freiburg 2011, § 32a KStG Rz 20, 23) indes offenbleiben. Wenn § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG sinngemäß anwendbar wäre, hätte das FA die äußeren Grenzen des eingeräumten Ermessens nicht überschritten.

36

Die in § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG gebrauchte Formulierung "kann" legt zwar eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nahe (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 224, 439; Kohlhepp, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1502), die in den Anwendungsbereich des § 102 FGO fällt (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2011 VIII R 8/09, BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 12, m.w.N.). Dabei prüft das Gericht, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395; Gräber/von Groll, a.a.O., § 102 Rz 2, m.w.N.). Das der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessen wird in den Fällen des § 32a KStG allerdings regelmäßig auf Null reduziert, wenn die Steuerfestsetzung für den Gesellschafter ohne die Änderung sachlich unrichtig wäre und daher jede andere Entscheidung als die der Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung als ermessenswidrig beurteilt werden müsste (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 224, 439, m.w.N.).

37

Das FG hat im Streitfall zutreffend die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null nicht als erfüllt angesehen. Denn die Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem F war wegen der Insolvenz der M-GmbH allein von dem Gedanken einer ökonomischen Verfahrensbeendigung geprägt und stellt keine sachgerechte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der M-GmbH dar. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt auch aus der Stellungnahme des Berichterstatters am FG vom 29. August 2007 im damaligen Klageverfahren kein anderes Ergebnis. Zwar hat sich dieser dahingehend geäußert, dass nach "summarischer Prüfung" die Reduzierung der vGA um 1/3 als möglich erscheine. Es ist jedoch --mangels Begründung durch den Berichterstatter-- nicht nachvollziehbar, wie er zu diesem Ergebnis gelangt ist, insbesondere hat er seinen Vorschlag nicht anhand von konkreten Zahlen oder durch die Benennung eines konkreten Fehlers bei der Schätzung belegt. Ebenso wenig ist bei der letztlich erzielten Einigung --Reduzierung der Hinzuschätzungsbeträge bei der M-GmbH um ein Drittel und Ansatz lediglich eines Drittels als vGA-- eine sachliche Grundlage in dem festgestellten Sachverhalt ersichtlich. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG annimmt, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen der M-GmbH und das F mit der Einigung angesichts der geringen wirtschaftlichen Bedeutung das Klageverfahren ohne sachgerechte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der M-GmbH ohne Weiteres zum Abschluss bringen wollten.

38

d) Auf die Verfahrensrüge, mit der der Kläger geltend macht, die Vorentscheidung verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 FGO), da die angenommenen Kassenfehlbeträge widerlegt worden seien, kam es wegen der Zurückverweisung an das FG nicht mehr an.

39

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht kann in geeigneten Fällen ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Hat das Finanzgericht in dem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen, können sie auch Revision einlegen. Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.