Finanzgericht Köln Urteil, 24. Juni 2014 - 1 K 1227/12

ECLI:ECLI:DE:FGK:2014:0624.1K1227.12.00
bei uns veröffentlicht am24.06.2014

Tenor

Unter Änderung des Aufhebungsbescheides vom 03.05.2011 wird dem Kläger für seine Tochter A, geboren 01.12.1989 für die Zeiträume Dezember 2007 bis April 2008 sowie August 2008 bis Januar 2010 Kindergeld in der gesetzlichen Höhe gewährt und der Rückforderungsbescheid in entsprechender Höhe aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.


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Finanzgericht Köln Urteil, 24. Juni 2014 - 1 K 1227/12 zitiert 13 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Abgabenordnung - AO 1977 | § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregel

Einkommensteuergesetz - EStG | § 70 Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes


(1) 1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt. 2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kinder

Abgabenordnung - AO 1977 | § 355 Einspruchsfrist


(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den

Abgabenordnung - AO 1977 | § 356 Rechtsbehelfsbelehrung


(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in

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Bundesfinanzhof Urteil, 20. Nov. 2013 - X R 2/12

bei uns veröffentlicht am 20.11.2013

Tatbestand 1 I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) schätzte den gesondert festzustellenden Gewinn des Gewerbetriebs "P" des Klägers und Revisionsbek

Bundesfinanzhof Beschluss, 26. Mai 2010 - VIII B 228/09

bei uns veröffentlicht am 26.05.2010

Gründe 1 Die Beschwerde ist begründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Unrecht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehr

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(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, einzulegen.

(2) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 ist unbefristet.

(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei. § 110 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Unrecht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung enthält einen irreführenden Zusatz. Die Klagefrist begann deshalb nicht mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zu laufen und war bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen. Dies hat das FG verkannt. Der darin liegende Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 55 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO).

2

1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) und ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

3

a) Mit der Behauptung, die Rechtsbehelfsbelehrung sei irreführend und die Klagefrist sei deshalb bei Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen gewesen, haben die Kläger einen Verfahrensmangel geltend gemacht.

4

Weist das FG die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig ab, anstatt zur Sache zu entscheiden, liegt nach der Rechtsprechung ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor. Ein Verfahrensmangel liegt insbesondere vor, wenn das Gericht deshalb nicht zur Sache entscheidet, weil es zu Unrecht davon ausgeht, dass die Klagefrist versäumt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661; vom 8. April 2004 VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom 26. Juni 2006 II B 99/05, BFH/NV 2006, 1860; vgl. Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 234; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80, m.w.N.; evtl. a.A.: BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448).

5

Im Streitfall hat das FG die Klage wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Mit der Behauptung, die Klagefrist sei bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen und das FG habe § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO unrichtig angewandt, wird mithin ein Verfahrensfehler geltend gemacht.

6

b) Die Kläger haben den Verfahrensmangel auch ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 FGO). Die Rechtsbehelfsbelehrung enthält den Satz: "Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung". Nach hinreichend begründeter und in der Beschwerdebegründung mitgeteilter Auffassung der Kläger ist diese Aussage unrichtig und irreführend. Die Kläger meinen deshalb, dass die Klage gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe eingelegt werden konnte.

7

Unerheblich ist insbesondere, ob die unrichtige Belehrung für die Fristversäumnis ursächlich war (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 27, m.w.N.); dazu bedarf es deshalb auch keiner Darlegungen. Soweit Darlegungen auch zu der Frage erforderlich sind, ob die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann, genügt der Hinweis, dass das FG die Klage bei --nach Ansicht der Kläger-- zutreffender Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht als unzulässig abgewiesen hätte.

8

2. Die Beschwerde ist begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (Verstoß gegen § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO) liegt vor. Auf ihm kann das Urteil des FG auch beruhen.

9

a) Das FG hat insbesondere ausgeführt, die Belehrung genüge den Anforderungen und sei insgesamt nicht zu beanstanden. Die Belehrung müsse nicht alle Angaben enthalten, die zur Berechnung der Klagefrist im Einzelfall erforderlich seien. Angaben, die darüber hinaus gingen, seien unschädlich, solange sie nicht irreführend seien. Die Aussage "Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung" stelle eine zulässige Erleichterung für die Fristberechnung bei regulärer Bekanntgabe dar. Nach dem Wegfall des Postmonopols könne dem Datum des Poststempels keine eindeutig verbindliche Aussagekraft mehr beigemessen werden, weil es keine für alle Post- und Zustelldienste einheitlich verbindlichen Regelungen für Postsendungen mehr gebe. Vor diesem Hintergrund erleichtere die Aussage die Fristberechnung, da es andere Anhaltspunkte für den Tag der Aufgabe zur Post nicht mehr gebe und der Tag der Aufgabe zur Post ansonsten nur durch Rückfrage beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) geklärt werden könne. Darin liege auch keine unzulässige Konkretisierung in Form einer Fixierung auf das Datum des Bescheids, weil in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Regelung zur Maßgeblichkeit der späteren Bekanntgabe hingewiesen werde.

10

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

aa) Über das Vorliegen eines ordnungsgemäß geltend gemachten Verfahrensmangels entscheidet der BFH --auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde-- grundsätzlich ohne sachliche Einschränkungen in der Sache selbst (vgl. Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 228; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 94). Dem entsprechend hat der BFH in der Vergangenheit auch über die Frage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig oder irreführend ist, selbst entschieden (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 26, m.w.N.). Daran hält der Senat fest.

12

bb) Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Einlegung der Anfechtungsklage --abweichend von § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO-- innerhalb eines Jahres (seit Bekanntgabe) zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, wenn sie die ihr nach dem Gesetz zugedachte Funktion verfehlt, über die Formerfordernisse des Rechtsmittels hinreichend genau und sachlich zutreffend aufzuklären (ausführlich zu den dabei zu berücksichtigenden Gesichtspunkten BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455).

13

Die Unrichtigkeit kann sich zum einen daraus ergeben, dass die Belehrung zu wenige Informationen enthält. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es insofern allerdings nicht erforderlich, dass die Belehrung alle zur Berechnung der Klagefrist im Einzelfall erforderlichen Informationen enthält. Sie muss insbesondere keinen Hinweis darauf enthalten, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1974 I R 37/73, BFHE 114, 5, BStBl II 1975, 155; in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455). Ausreichend ist vielmehr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet (BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 216/81, BFH/NV 1987, 12; vom 29. März 1990 V R 19/85, BFH/NV 1992, 783; BFH-Beschluss vom 30. August 1995 V B 72/95, BFH/NV 1996, 106, jeweils mit weiteren Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 18).

14

Die Unrichtigkeit kann sich aber zum andern auch daraus ergeben, dass die Belehrung Informationen enthält, die über den gesetzlich erforderlichen Mindestinhalt hinausgehen, sofern diese Informationen bei objektiver Betrachtung dazu geeignet sind, die Möglichkeit der Fristwahrung zu gefährden (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; vgl. auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 1981 6 B 16/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 181, Die öffentliche Verwaltung 1981, 635; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 25, m.w.N.).

15

cc) Nach diesen Maßstäben war die Rechtsbehelfsbelehrung i.S. von § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO unrichtig.

16

Die Aussage "Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung" ist sachlich unzutreffend und bei objektivem Verständnis geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. Aufgabe zur Post bedeutet Einwerfen in einen Postbriefkasten oder Einlieferung (Übergabe) bei der Post (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 1996 V B 30/96, BFH/NV 1997, 162). Das für die Anwendung von § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) maßgebliche Datum ist der Tag, an dem diese Handlungen vorgenommen worden sind. Demgegenüber erhält die Einspruchsentscheidung das Datum der abschließenden Zeichnung durch den dafür zuständigen Beamten. Das Datum der Einspruchsentscheidung und der Tag der Aufgabe zur Post können deshalb auseinander fallen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 114, 5, BStBl II 1975, 155; vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365; BFH-Beschlüsse vom 28. Mai 2002 XI B 176/01, BFH/NV 2002, 1280; in BFH/NV 2006, 1860). Die kategorische Behauptung, der Tag der Aufgabe zur Post sei mit dem Datum der Einspruchsentscheidung identisch, trifft deshalb nicht zu.

17

Die darin liegende Unrichtigkeit ist bei objektiver Betrachtung auch geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. Steuerpflichtige, die mit den internen Abläufen der Finanzverwaltung nicht vertraut sind, müssen aufgrund der Aussage, auf deren Richtigkeit sie sich verlassen dürfen, davon ausgehen, dass entweder Abweichungen zwischen beiden Daten aufgrund organisatorischer Vorkehrungen der Finanzämter tatsächlich nicht vorkommen können oder rechtlich irrelevant sind. Beides ist indes nicht der Fall.

18

Dem steht nicht entgegen, dass eine einheitliche Bedeutung des Poststempels bei allen Unternehmen, die Briefe befördern, nicht mehr besteht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, wonach der Poststempel im Regelfall Auskunft darüber gibt, an welchem Tag ein Brief zur Post gegeben worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1985 VIII R 224/84, BFH/NV 1986, 226), zumindest für die Beförderung durch die Deutsche Post AG fort gelten. Zumindest bei der Beförderung durch die Deutsche Post AG kann der Steuerpflichtige, wenn der Tag der Aufgabe zur Post nicht dem Datum der Einspruchsentscheidung entspricht, unter Vorlage des Poststempels die zutreffende Berechnung der Frist auch prozessual durchsetzen (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2002 X R 17/01, BFH/NV 2003, 586). Dabei wird nicht verkannt, dass der Steuerpflichtige das vom FA angegebene Datum der Aufgabe zur Post substantiiert bestreiten muss, um die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO zu entkräften und die Beweispflicht der Behörde auszulösen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 586). Eine Glaubhaftmachung durch Vorlage des Poststempels ist dafür jedoch nicht vorgeschrieben; Zweifel kann der Steuerpflichtige grundsätzlich auf jede erdenkliche Art wecken. Aber selbst wenn man mit dem FG davon ausginge, dass es dem Steuerpflichtigen im Regelfall zumindest dann nicht gelingen wird, das vom FA mitgeteilte Datum der Aufgabe zur Post in Zweifel zu ziehen, wenn der Stempel des Postdienstleisters --wie im Streitfall-- nicht den Tag der Einlieferung bei der "Post" dokumentiert, sondern einen anderen Tag, rechtfertigt dies nicht, die Anforderungen an die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zu vermindern. Die dann bestehende bloß faktische Unmöglichkeit, die dem Gesetz entsprechende Fristberechnung in der Praxis auch durchzusetzen, ist kein Grund, bei der Belehrung über die Berechnung der Frist unrichtige Angaben zu machen.

19

c) Auf dem Verfahrensfehler beruht das angefochtene Urteil (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Hätte das FG bei der Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung erkannt, so hätte es die Klage nicht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abweisen dürfen. Zwar ist im Einzelnen streitig, wann die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist. Sie ist jedoch --unstreitig-- keinesfalls vor dem 18. Februar 2008 bekannt gegeben worden. Mit der Klage vom 20. März 2008 ist die Frist gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO deshalb gewahrt.

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3. Der Senat hält es für angemessen, von der Möglichkeit des § 116 Abs. 6 FGO Gebrauch zu machen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) schätzte den gesondert festzustellenden Gewinn des Gewerbetriebs "P" des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für die Streitjahre 2006 und 2007. Diese Schätzungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nachdem der Kläger im Dezember 2010 seine Gewinnermittlungen für alle Streitjahre eingereicht hatte, hob das FA mit Bescheiden vom 30. März 2011 die Vorbehalte der Nachprüfung für die Streitjahre 2006 und 2007 auf. Am gleichen Tag erließ das FA einen Feststellungsbescheid für das Streitjahr 2008. Alle drei Bescheide waren mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, die hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wiederholten. Daneben enthielten diese Bescheide die E-Mail-Adresse des FA. Infolge der bereits am 14. Januar 2011 ergangenen Aufforderung, Nachweise hinsichtlich der Gewinnermittlungen zu übersenden, bat der Kläger am 20. Mai 2011, die Schätzungen zurückzunehmen. Er habe krankheitsbedingt erst verspätet antworten können. Auf einen Hinweis des FA auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand reagierte der Kläger nicht. Das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2011 wertete das FA als Einspruch gegen die Bescheide vom 30. März 2011, die es durch Entscheidung vom 26. Juli 2011 als unzulässig verwarf.

2

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hob mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 292 veröffentlichten Urteil die Einspruchsentscheidung auf. Der Einspruch sei fristgerecht eingegangen, da aufgrund des fehlenden Hinweises in den Rechtsbehelfsbelehrungen auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail die Jahresfrist aus § 356 Abs. 2 AO zum Tragen komme.

3

Das FA begründet seine Revision damit, dass die Einlegung eines Einspruchs per E-Mail ein Unterfall der schriftlichen Einspruchseinlegung sei und eine Erweiterung der Rechtsbehelfsbelehrung zur Unübersichtlichkeit führe. Die Nichterwähnung der E-Mail führe nicht zu einer Erschwerung oder gar Gefährdung der Rechtsverfolgung und Fristwahrung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise.

4

Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

7

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide vom 30. März 2011 unvollständig seien, da ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail fehle. Das zutreffend als Einspruch zu wertende Schreiben des Klägers (unten 1.) hat die einmonatige Einspruchsfrist nicht gewahrt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren (unten 2.). Die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO ist nicht anwendbar, da die Rechtsbehelfsbelehrungen richtig und vollständig sind (unten 3.).

8

1. Zutreffend haben FA und FG das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2011 als Einspruch gewertet. Auch außerprozessuale Verfahrenserklärungen --wie dieses Schreiben-- sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359). Im vorliegenden Fall liegt in der Bitte des Klägers, die Schätzungen zurückzunehmen, ein Begehren i.S. des § 350 AO, das als Einspruch anzusehen ist.

9

Der Einspruch ist schriftlich und damit jedenfalls formgerecht i.S. des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt worden.

10

2. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Einspruch nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt wurde. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO war --auch von Amts wegen-- nicht zu gewähren, da der Kläger Tatsachen zur Begründung eines solchen Antrags trotz eines Hinweises des FA nicht dargelegt hat. Die bloße Erwähnung einer Krankheit im Einspruchsschreiben zwingt das FA nicht zu einer Prüfung der Wiedereinsetzung von Amts wegen. Da Krankheit nur ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen kann (vgl. statt vieler: Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 AO Rz 147; Klein/ Rätke, AO, 11. Aufl., § 110 Rz 9, jeweils m.w.N.), hätte der Kläger weitere Tatsachen darlegen und --spätestens im Klageverfahren (vgl. Klein/Rätke, a.a.O., § 110 Rz 46; Pahlke/ Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 110 Rz 89, jeweils m.w.N.)-- gemäß § 110 Abs. 2 Satz 2 AO auch glaubhaft machen müssen. Für Amtsermittlungen ist in einem solchen Verfahren grundsätzlich kein Raum (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2008 I B 101/07, BFH/NV 2008, 1290).

11

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO wäre auch dann nicht zu gewähren, wenn man den Vortrag der Klägerseite so verstünde, dass dem Kläger die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail nicht bekannt gewesen sei und er sich deshalb im Rechtsirrtum befunden habe. Es fehlt insoweit bereits an der Darlegung entsprechender Tatsachen innerhalb der in § 110 Abs. 2 Satz 1 AO festgesetzten Monatsfrist. Ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf dieser Antragsfrist ist unzulässig (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2004 VI B 101/01, nicht veröffentlicht).

12

3. Die Einspruchsfrist ist nicht gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf ein Jahr seit Bekanntgabe der Bescheide verlängert worden, da die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide vom 30. März 2011 vollständig und richtig erteilt worden sind. Hinsichtlich der Anforderungen an die Form der Einspruchseinlegung reicht es insoweit aus, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergeben.

13

a) Die Rechtsbehelfsbelehrung muss dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--; Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung tragen, soll aber auch so einfach und klar wie möglich sein (Senatsurteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455).

14

Unrichtig ist eine Belehrung daher erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch --bei objektiver Betrachtung-- die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (Senatsurteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; auch BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448, jeweils m.w.N.).

15

b) Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch dann noch vollständig und richtig ist, wenn sie hinsichtlich der Form der Einlegung des Rechtsbehelfs nur den Wortlaut des Gesetzes --im Fall der Einlegung des Einspruchs also den des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO-- wiederholt, und zwar auch in Bezug auf die Einlegung des Rechtsbehelfs per E-Mail. So stellte der III. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2010 III B 20/09 (BFH/NV 2010, 830) klar, dass die Rechtsbehelfsbelehrung richtig und vollständig sei, wenn sie den Wortlaut des § 357 Abs. 1 AO wiedergebe. Auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form brauche die Behörde auch dann nicht hinzuweisen, wenn in der Erwähnung der Internetseite in der Fußzeile des Bescheides die konkludente Eröffnung eines "Zugangs" i.S. von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO zu sehen sein sollte. Diese Rechtsprechung hat der III. Senat in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2012 III B 66/12 (BFH/NV 2013, 177) bestätigt.

16

In seinem Beschluss vom 12. Dezember 2012 I B 127/12 (BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272) hat sich der I. Senat des BFH dieser Rechtsprechung angeschlossen. Nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont sei bei Wiederholung des Wortlautes des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO kein unrichtiger bzw. missverständlicher Hinweis zu den Formerfordernissen erteilt worden. Das FA sei weder gehalten, einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten Schriftform) zu geben, ebenso wie es umgekehrt nicht gehalten sei, angesichts der ergänzenden Regelung des § 87a AO einen Hinweis, der sich auf § 357 Abs. 1 Satz 1 AO beschränke, zu unterlassen. Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO sei nicht geeignet, bei einem "objektiven" Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht. Der Hinweis auf die "Schriftlichkeit" entsprechend § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wirke weder irreführend noch rechtsschutzbeeinträchtigend. Der Betroffene werde in die Lage versetzt, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das herkömmliche Verständnis dessen, was unter "schriftlich" aufzufassen sei, angesichts der technischen Weiterentwicklungen zu modifizieren sei.

17

c) Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des I. und III. Senats an und knüpft hierbei an seine Entscheidung in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 an, die es ausreichen lässt, dass die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Berechnung der Einspruchsfrist den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen wiedergibt.

18

aa) Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst ist hiernach nicht (zwingend) zu belehren.

19

Allerdings muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2007 III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064, unter II.2.a, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Maßstäben, die der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 aufgestellt hat (s.o. unter 3.a).

20

bb) Der Senat hat gerade mit Rücksicht auf die im Interesse des Steuerpflichtigen liegende Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung in dieser Entscheidung zu einem Fall, in dem die Frage des Fristbeginns in Rede stand, ausgeführt (unter II.2.c d), es sei ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergebe und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichte. Letzteres setze nach allgemeiner Meinung nicht voraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen wäre. Vielmehr genüge eine abstrakte Belehrung anhand des Gesetzestextes über die vorgeschriebene Anfechtungsfrist. Die konkrete Berechnung sei den Beteiligten überlassen. Auf sämtliche Modalitäten könne kaum hingewiesen werden.

21

cc) Es besteht keine Veranlassung, bei Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO sind, höhere Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung sind.

22

Die Frist ist eine solche Pflichtangabe. Wenn es aber selbst zu der --im Einzelfall sehr komplizierten-- Berechnung der Frist ausreicht, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, so muss dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung sind.

23

Das bedeutet für die Form der Einspruchseinlegung, dass es genügt, den Wortlaut der insoweit maßgeblichen Vorschrift, nämlich des § 357 Abs. 1 AO, wiederzugeben. Dies ist in den Bescheiden vom 30. März 2011 unstreitig geschehen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage zu Unrecht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung enthält einen irreführenden Zusatz. Die Klagefrist begann deshalb nicht mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zu laufen und war bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen. Dies hat das FG verkannt. Der darin liegende Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 55 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO).

2

1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) und ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

3

a) Mit der Behauptung, die Rechtsbehelfsbelehrung sei irreführend und die Klagefrist sei deshalb bei Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen gewesen, haben die Kläger einen Verfahrensmangel geltend gemacht.

4

Weist das FG die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig ab, anstatt zur Sache zu entscheiden, liegt nach der Rechtsprechung ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor. Ein Verfahrensmangel liegt insbesondere vor, wenn das Gericht deshalb nicht zur Sache entscheidet, weil es zu Unrecht davon ausgeht, dass die Klagefrist versäumt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661; vom 8. April 2004 VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom 26. Juni 2006 II B 99/05, BFH/NV 2006, 1860; vgl. Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 234; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80, m.w.N.; evtl. a.A.: BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448).

5

Im Streitfall hat das FG die Klage wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Mit der Behauptung, die Klagefrist sei bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen und das FG habe § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO unrichtig angewandt, wird mithin ein Verfahrensfehler geltend gemacht.

6

b) Die Kläger haben den Verfahrensmangel auch ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 FGO). Die Rechtsbehelfsbelehrung enthält den Satz: "Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung". Nach hinreichend begründeter und in der Beschwerdebegründung mitgeteilter Auffassung der Kläger ist diese Aussage unrichtig und irreführend. Die Kläger meinen deshalb, dass die Klage gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe eingelegt werden konnte.

7

Unerheblich ist insbesondere, ob die unrichtige Belehrung für die Fristversäumnis ursächlich war (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 27, m.w.N.); dazu bedarf es deshalb auch keiner Darlegungen. Soweit Darlegungen auch zu der Frage erforderlich sind, ob die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen kann, genügt der Hinweis, dass das FG die Klage bei --nach Ansicht der Kläger-- zutreffender Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht als unzulässig abgewiesen hätte.

8

2. Die Beschwerde ist begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (Verstoß gegen § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO) liegt vor. Auf ihm kann das Urteil des FG auch beruhen.

9

a) Das FG hat insbesondere ausgeführt, die Belehrung genüge den Anforderungen und sei insgesamt nicht zu beanstanden. Die Belehrung müsse nicht alle Angaben enthalten, die zur Berechnung der Klagefrist im Einzelfall erforderlich seien. Angaben, die darüber hinaus gingen, seien unschädlich, solange sie nicht irreführend seien. Die Aussage "Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung" stelle eine zulässige Erleichterung für die Fristberechnung bei regulärer Bekanntgabe dar. Nach dem Wegfall des Postmonopols könne dem Datum des Poststempels keine eindeutig verbindliche Aussagekraft mehr beigemessen werden, weil es keine für alle Post- und Zustelldienste einheitlich verbindlichen Regelungen für Postsendungen mehr gebe. Vor diesem Hintergrund erleichtere die Aussage die Fristberechnung, da es andere Anhaltspunkte für den Tag der Aufgabe zur Post nicht mehr gebe und der Tag der Aufgabe zur Post ansonsten nur durch Rückfrage beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) geklärt werden könne. Darin liege auch keine unzulässige Konkretisierung in Form einer Fixierung auf das Datum des Bescheids, weil in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Regelung zur Maßgeblichkeit der späteren Bekanntgabe hingewiesen werde.

10

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

aa) Über das Vorliegen eines ordnungsgemäß geltend gemachten Verfahrensmangels entscheidet der BFH --auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde-- grundsätzlich ohne sachliche Einschränkungen in der Sache selbst (vgl. Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 228; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 94). Dem entsprechend hat der BFH in der Vergangenheit auch über die Frage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig oder irreführend ist, selbst entschieden (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 26, m.w.N.). Daran hält der Senat fest.

12

bb) Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Einlegung der Anfechtungsklage --abweichend von § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO-- innerhalb eines Jahres (seit Bekanntgabe) zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Unrichtig ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, wenn sie die ihr nach dem Gesetz zugedachte Funktion verfehlt, über die Formerfordernisse des Rechtsmittels hinreichend genau und sachlich zutreffend aufzuklären (ausführlich zu den dabei zu berücksichtigenden Gesichtspunkten BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455).

13

Die Unrichtigkeit kann sich zum einen daraus ergeben, dass die Belehrung zu wenige Informationen enthält. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es insofern allerdings nicht erforderlich, dass die Belehrung alle zur Berechnung der Klagefrist im Einzelfall erforderlichen Informationen enthält. Sie muss insbesondere keinen Hinweis darauf enthalten, wann der Bescheid zur Post gegeben worden ist (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1974 I R 37/73, BFHE 114, 5, BStBl II 1975, 155; in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455). Ausreichend ist vielmehr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet (BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 216/81, BFH/NV 1987, 12; vom 29. März 1990 V R 19/85, BFH/NV 1992, 783; BFH-Beschluss vom 30. August 1995 V B 72/95, BFH/NV 1996, 106, jeweils mit weiteren Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 18).

14

Die Unrichtigkeit kann sich aber zum andern auch daraus ergeben, dass die Belehrung Informationen enthält, die über den gesetzlich erforderlichen Mindestinhalt hinausgehen, sofern diese Informationen bei objektiver Betrachtung dazu geeignet sind, die Möglichkeit der Fristwahrung zu gefährden (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; vgl. auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 1981 6 B 16/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 181, Die öffentliche Verwaltung 1981, 635; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 55 Rz 25, m.w.N.).

15

cc) Nach diesen Maßstäben war die Rechtsbehelfsbelehrung i.S. von § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO unrichtig.

16

Die Aussage "Der Tag der Aufgabe zur Post ist das Datum der Einspruchsentscheidung" ist sachlich unzutreffend und bei objektivem Verständnis geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. Aufgabe zur Post bedeutet Einwerfen in einen Postbriefkasten oder Einlieferung (Übergabe) bei der Post (vgl. BFH-Beschluss vom 22. August 1996 V B 30/96, BFH/NV 1997, 162). Das für die Anwendung von § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) maßgebliche Datum ist der Tag, an dem diese Handlungen vorgenommen worden sind. Demgegenüber erhält die Einspruchsentscheidung das Datum der abschließenden Zeichnung durch den dafür zuständigen Beamten. Das Datum der Einspruchsentscheidung und der Tag der Aufgabe zur Post können deshalb auseinander fallen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 114, 5, BStBl II 1975, 155; vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365; BFH-Beschlüsse vom 28. Mai 2002 XI B 176/01, BFH/NV 2002, 1280; in BFH/NV 2006, 1860). Die kategorische Behauptung, der Tag der Aufgabe zur Post sei mit dem Datum der Einspruchsentscheidung identisch, trifft deshalb nicht zu.

17

Die darin liegende Unrichtigkeit ist bei objektiver Betrachtung auch geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. Steuerpflichtige, die mit den internen Abläufen der Finanzverwaltung nicht vertraut sind, müssen aufgrund der Aussage, auf deren Richtigkeit sie sich verlassen dürfen, davon ausgehen, dass entweder Abweichungen zwischen beiden Daten aufgrund organisatorischer Vorkehrungen der Finanzämter tatsächlich nicht vorkommen können oder rechtlich irrelevant sind. Beides ist indes nicht der Fall.

18

Dem steht nicht entgegen, dass eine einheitliche Bedeutung des Poststempels bei allen Unternehmen, die Briefe befördern, nicht mehr besteht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, wonach der Poststempel im Regelfall Auskunft darüber gibt, an welchem Tag ein Brief zur Post gegeben worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Oktober 1985 VIII R 224/84, BFH/NV 1986, 226), zumindest für die Beförderung durch die Deutsche Post AG fort gelten. Zumindest bei der Beförderung durch die Deutsche Post AG kann der Steuerpflichtige, wenn der Tag der Aufgabe zur Post nicht dem Datum der Einspruchsentscheidung entspricht, unter Vorlage des Poststempels die zutreffende Berechnung der Frist auch prozessual durchsetzen (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2002 X R 17/01, BFH/NV 2003, 586). Dabei wird nicht verkannt, dass der Steuerpflichtige das vom FA angegebene Datum der Aufgabe zur Post substantiiert bestreiten muss, um die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO zu entkräften und die Beweispflicht der Behörde auszulösen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 586). Eine Glaubhaftmachung durch Vorlage des Poststempels ist dafür jedoch nicht vorgeschrieben; Zweifel kann der Steuerpflichtige grundsätzlich auf jede erdenkliche Art wecken. Aber selbst wenn man mit dem FG davon ausginge, dass es dem Steuerpflichtigen im Regelfall zumindest dann nicht gelingen wird, das vom FA mitgeteilte Datum der Aufgabe zur Post in Zweifel zu ziehen, wenn der Stempel des Postdienstleisters --wie im Streitfall-- nicht den Tag der Einlieferung bei der "Post" dokumentiert, sondern einen anderen Tag, rechtfertigt dies nicht, die Anforderungen an die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zu vermindern. Die dann bestehende bloß faktische Unmöglichkeit, die dem Gesetz entsprechende Fristberechnung in der Praxis auch durchzusetzen, ist kein Grund, bei der Belehrung über die Berechnung der Frist unrichtige Angaben zu machen.

19

c) Auf dem Verfahrensfehler beruht das angefochtene Urteil (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Hätte das FG bei der Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung erkannt, so hätte es die Klage nicht wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abweisen dürfen. Zwar ist im Einzelnen streitig, wann die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben worden ist. Sie ist jedoch --unstreitig-- keinesfalls vor dem 18. Februar 2008 bekannt gegeben worden. Mit der Klage vom 20. März 2008 ist die Frist gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO deshalb gewahrt.

20

3. Der Senat hält es für angemessen, von der Möglichkeit des § 116 Abs. 6 FGO Gebrauch zu machen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei. § 110 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.