Finanzgericht Hamburg Urteil, 20. Okt. 2016 - 4 K 20/15

bei uns veröffentlicht am20.10.2016

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Einreihung von SCARA-Industrierobotern.

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Mit Schreiben vom 28.04.2014 beantragte die Klägerin für zwei Modelle von Industrierobotern der Serie A SCARA ... (...) verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA). Es handelt sich bei diesen Waren- nachfolgend auch: SCARA-Roboter - um horizontale Gelenkarmroboter in SCARA-Bauweise, wobei SCARA für Selective Compliance Assembly Robot Arm steht. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem Montagesockel mit einem selbsttragenden, mit einem menschlichen Arm vergleichbaren Gelenkaufbau. Die Roboter sind über Kabel mit einer programmierbaren Steuereinheit verbunden. Zur Aufnahme von Werkzeugen oder Greifern sind sie mit einer Z-Achse ausgestattet, die sich unabhängig von ihrer senkrechten Bewegung drehen lässt. Die hier in Rede stehenden Robotertypen sind in verschiedenen Varianten lieferbar, die sich in der Armlänge und der Länge des Z-Hubs unterscheiden. Der Lieferumfang im Einfuhrzeitpunkt besteht aus einem Roboter mit Steuerung nebst Steuersoftware, Montagewinkel für die Robotersteuerung, Fett für die Z-Achse, mehreren Steckern und Kabel nebst mehreren Handbüchern.

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SCARA-Roboter seien wegen ihrer schnellen und wiederholgenauen Bewegungen speziell für Montage- und Fügeaufgaben sowie für sog. Pick & Place-Anwendungen, wie sie typisch für Handhabungs- und vorbereitende Montagearbeiten seien, entwickelt worden. Ihre Stärke liege im vertikalen Fügen mit hohen Fügekräften, ohne dass es zum seitlichen Ausweichen komme. SCARA-Roboter könnten allerdings nur auf einer Arbeitsebene hantieren, da ihnen für nicht planparallele Flächen die Freiheitsgrade fehlten. Kippbewegungen seien nicht möglich.

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Es handele sich nicht um universell einsetzbare Industrieroboter der Position 8479 KN, die durch einfaches Wechseln der Werkzeuge mannigfaltige Funktionen erfüllen könnten. Charakteristisch für die SCARA-Roboter sei vielmehr, dass sie Werkstücke aufnehmen und an anderer Stelle ab- oder einsetzten (Pick & Place-Funktionen). In dem Video "Deburring Ceramic Parts", das sich auf einer zur Akte gereichten CD-ROM befinde, werde gezeigt, dass das Werkzeug nicht am SCARA-Roboter befestigt sei, sondern der Roboter das Werkstück an das Werkzeug - in dem Video: eine Fräse - führe. Es handele sich bei den Robotern daher um eine andere Maschine zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern der Unterposition 8428 9090 KN.

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Mit vZTA Nr. DE XX-1 vom 26.05.2014 reihte der Beklagte die beiden SCARA-Roboter als Maschine mit eigener Funktion, im Kapitel 84 KN anderweitig weder genannt noch inbegriffen, in die Unterposition 8479 5000 KN ein.

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Zur Begründung des hiergegen mit Schreiben vom 20.06.2016 eingelegten Einspruchs führt die Klägerin aus: Der Beklagte habe mit der vZTA-Nr. DE XX-2 einen Knickarmroboter eines Konkurrenten in die Position 8428 9090 KN eingereiht. Dieser unterscheide sich von den hier in Rede stehendenden Robotern dadurch, dass er mit sechs Bewegungsachsen ausgestattet und damit technisch noch höherwertiger sei als die Produkte der Klägerin.

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Mit Schreiben vom 31.10.2014 nahm das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung München (BWZ) Stellung: Arbeitsroboter würden grundsätzlich nach der von ihnen ausgeübten Funktion eingereiht. Roboter zum Verpacken und Palettieren seien als "andere Maschinen zum Verpacken oder Umhüllen von Waren" in die Position 8422 KN einzureihen. Stelle der Roboter eine Maschine zum Be- oder Entladen dar, so gehöre er in die Position 8428 KN. Montage- und Bestückungsroboter seien dagegen in die Auffangposition 8479 KN einzureihen. Die hier in Rede stehenden Roboter könnten wegen ihres gerätetechnischen Aufbaus in gleicher Weise zu verschiedenen Tätigkeiten, nämlich dem Be- und Entladen, Verpacken und Palettieren sowie Montieren und Bestücken, eingesetzt werden. Sie seien somit in Anwendung der Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 und der Anmerkung 4 zu Abschnitt XVI KN der Position 8479 KN zuzuweisen. Diese Auffassung werde auch von den Erläuterungen zur Position 8479 HS gestützt. Danach gehörten hierzu "nur Industrieroboter, die durch die bloße Verwendung von verschiedenen Werkzeugen mannigfaltige Funktionen erfüllen" könnten.

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Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 18.02.2015 ergänzend Stellung: Im Einfuhrzeitpunkt seien Roboter noch nicht mit bestimmen Werkzeugen ausgestattet. Die zolltarifliche Einreihung dürfe nicht von einer möglichen Verwendung nach der Zollabfertigung abhängig gemacht werden. Tatsächlich könnten die SCARA-Roboter im Kern lediglich eine Nutzlast frei im Raum in jeder horizontalen Orientierung positionieren und fügen. Die Position 8428 KN gehe gemäß der AV3a KN als speziellere Position der Position 8479 KN vor. Aus der englischen Fassung der Erläuterung zur Position 8428 HS (EZT-Nr. 35.0) werde deutlich, dass hierunter Industrieroboter fielen, die "specifically designed for lifting, handling, loading or unloading" seien. Genau dies treffe auf den SCARA-Roboter zu. Die anderen Verwendungszwecke seien rein theoretischer Natur. Noch am 28.01.2015 habe der Beklagte die vTZA Nr. DE XX-3 erteilt, mit der ein SCARA-Industrieroboter ebenfalls in die Position 8428 KN eingereiht worden sei.

9

Zu diesem Schreiben nahm das BWZ mit Schreiben vom 06.03.2015 Stellung: Im Prospekt der Roboter sei angegeben, dass die Roboter aufgrund ihrer Ausstattung zum Be- und Entladen von Maschinen, zum Montieren und Bestücken sowie zum Verpacken und Palettieren verwendbar seien. Daher sei eine Einreihung in die Position 8428 KN nicht möglich. Das Montieren und Verpacken stelle eine darüber hinausgehende Funktion dar, die nicht von dieser Position erfasst sei. Die von der Klägerin genannten vZTAe führten zu keinem anderen Ergebnis, da die damit eingereihten Waren aufgrund ihrer Ausstattung ausschließlich zum Heben/Absenken und dem Transport von Waren bestimmt seien. Knickarmroboter, die über die Funktionen Anheben, Heben/Absenken, Palettieren und Schrauben verfügten, seien der Position 8479 KN zugewiesen worden.

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Nachdem die Klägerin bereits am 03.02.2015 Untätigkeitsklage erhoben hatte, erließ der Beklagte die Einspruchsentscheidung vom 13.03.2015, mit dem der Einspruch unter Bezugnahme auf die Ausführungen des BWZ als unbegründet zurückgewiesen wurde.

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Die Klägerin bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag. Darüber hinaus führt sie aus, dass auch der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden habe, dass ein Erzeugnis mit zwei möglichen Verwendungen, von denen eine nur rein theoretischer Art sei, unbeachtlich sei. Ausreichend für die Einreihung sei die wesentliche Zweckbestimmung einer Ware. Außerdem sei zu berücksichtigen, was aus Sicht der Verbraucher die Haupt- und was die Zusatzfunktion sei.

12

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der vZTA Nr. DE XX-1 vom 26.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.03.2015 (...) zu verpflichten, ihr eine neue vZTA für die A Industrieroboter SCARA ... und ... zu erteilen, mit der diese in die Unterposition 8428 9090 KN eingereiht werden.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Er bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (...).

...

Entscheidungsgründe

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I. Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 90 Abs. 2 FGO) und durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, 4 FGO).

II.

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Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Ablehnung der beantragten vZTA ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO), weil sie keinen Anspruch auf antragsgemäße Erteilung der vZTA hat.

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1. Es kann dahinstehen, ob sich die Erteilung der vZTA noch nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK) richtet oder Art. 33 Abs. 1 der am 01.05.2016 vollständig in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2; Unionszollkodex - UZK) anzuwenden ist. Diese Vorschriften enthalten nur verfahrensrechtliche Vorgaben, die vorliegend nicht streitentscheidend sind.

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2. Ein Anspruch auf antragsgemäße Bescheidung besteht deshalb nicht, weil seine materiellrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

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Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der Kombinierten Nomenklatur (KN) festgelegt sind (EuGH, Urt. v. 20.11.2014, Rs. C-666/13, Rn. 24; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, Rn. 29 m. w. N.; BFH, Beschl. v. 28.04.2014, VII R 48/13, Rn. 29; Urt. v. 04.11.2003, VII R 58/02, Rn. 9; Urt. v. 30.07.2003, VII R 40/01, Rn. 12 - jeweils zitiert nach juris). Der Verwendungszweck der Ware kann ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften beurteilen lässt (EuGH, Urt. v. 22.09.2016, Rs. C-91/15, juris Rn. 56 m. w. N.).

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Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die beiden SCARA-Roboter nicht als andere "Maschinen, Apparate und Geräte zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern" in die Unterposition 8428 9090 KN einzureihen (dazu 2.1). Vielmehr handelt es sich um "Industrieroboter, anderweit weder genannt noch inbegriffen" im Sinne der Unterposition 8479 5000 KN (dazu 2.2).

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2.1 Die SCARA-Roboter sind keine Maschinen zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern" im Sinne der Position 8428 KN. Diese Position erfasst neben Aufzügen, Steigförderern und Rolltreppen in der Auffangunterposition 8428 90 KN auch "andere Maschinen, Apparate und Geräte". Da weder die Anmerkungen noch die Erläuterungen zur KN Hinweise auf die Einordnung von Industrierobotern enthalten, ist auf die Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) zurückzugreifen, die ein maßgebendes, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (st. Rspr., siehe nur: EuGH, Urt. v. 09.06.2016, Rs. C-288/15, Rn. 23; Urt. v. 20.11.2014 Rs. C-666/13, Rn. 25; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, Rn. 30 m. w. N.; BFH, Urt. v. 4.11.2003, VII R 58/02, Rn. 9; Urt. v. 30.07.2003, VII R 40/01, Rn. 12 - jeweils zitiert nach juris). Da die Erläuterungen zum HS völkerrechtliches Soft law sind, das nicht ins Unionsrecht transformiert wurde, und Deutsch keine Vertragssprache des HS-Übereinkommens ist, sind sie lediglich in den Vertragssprachen Englisch und Französisch authentisch (hierzu Bender, ZfZ 2016, 30, 31). Die Erläuterungen zur Position 8428 HS und zur Position 8479 HS befassen sich mit Industrierobotern (industrial robots / robots industriels).

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Nach der englischen Fassung der Erläuterung III. (E) zur Position 8428 HS (EZT-Nr. 35.0) unterfallen dieser Position "Industrial robots specifically designed for lifting, handling, loading or unloading" (Hervorhebung im Original). Es muss sich mithin um Industrieroboter handeln, die ausschließlich (exclusivement bzw. specific im Sinne von "restricted to a particular individual situation, relation, or effect" [www.m-w.com, Stichwort: "specific"]) zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern bestimmt sind (Das in der Übersetzung der deutschen Zollverwaltung enthaltene "ihrer Beschaffenheit nach" ist weder der englischen [specifically designed] noch der französischen [exclusivement conçus pour] Fassung zu entnehmen.). Diese Erläuterung ist im Kontext der Erläuterung I. (7) a. E. zur Position 8479 HS (EZT-Nr. 31.1) zu verstehen. Sie lautet in der englischen Fassung (Hervorhebung im Original):

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The heading covers only industrial robots capable of performing a variety of functions simply by using different tools. However, the heading excludes those industrial robots specifically designed to perform a specific function.

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Danach unterfallen der Position 8479 HS nur solche Industrieroboter, die durch die bloße Verwendung verschiedener Werkzeuge unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Roboter, die speziell dazu bestimmt sind, eine bestimmte Funktion auszuführen, sind dagegen von dieser Position ausgeschlossen und nach ihrer jeweiligen Funktion einzureihen. Aus der Zusammenschau dieser Erläuterungen, an deren Rechtmäßigkeit keine Zweifel bestehen, weil sie den Wortlaut der KN-Unterpositionen 8428 90 und 8479 5000 nicht unzulässig einschränken, ergibt sich, dass nur solche Roboter von der Position 8428 KN erfasst sind, die unabhängig von den verwendeten Werkzeugen speziell für eine der vier dort genannten Tätigkeiten (Funktionen) bestimmt sind.

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Dies ist bei den beiden hier in Rede stehenden SCARA-Robotern nicht der Fall. Zwar mag das Anheben eines Objekts mittels eines an den SCARA-Roboter montierten Werkzeugs (Sauger oder Greifer) und das Absetzen dieses Objekts an einem anderen Ort (Pick & Place-Anwendung) einen typischen Anwendungsbereich der SCARA-Roboter darstellen. Das Gericht hat auch Zweifel, ob dies nur deshalb kein "Heben" im Sinne der Position 8428 KN darstellt, weil es in einen Montagevorgang eingebunden ist. Der Anwendungsbereich der SCARA-Roboter ist jedoch nicht auf das bloße Anheben und (ggf. an einem anderen Ort) Absetzen eines Objekts beschränkt. Nach dem Handbuch für die hier in Rede stehenden Roboter können sie "palettieren, sägen, fräsen, bohren, schleifen, montieren, bewegen und [zusammen] bauen" (...). Zwar kann etwa das Fräsen, Bohren oder Sägen eines Werkstücks dergestalt erfolgen, dass ein Roboter das Werkstück an eine Fräse, Bohrer oder Säge hält. Es ist jedoch genauso möglich, derartige (oder auch andere) Werkzeuge an die Z-Achse des Roboters zu montieren. So kann man beispielsweise in der Videodatei "... A Scara Robots", die im Erörterungstermin abgespielt wurde, sehen, dass ein an die Z-Achse angeflanschter Schrauber eine Schraube anhebt, in ein Uhrengehäuse absetzt und dort einschraubt. Bereits hieraus wird deutlich, dass - anders als die Klägerin vorträgt - andere Funktionen als das Heben keineswegs nur eine rein theoretische Verwendungsmöglichkeit der Roboter sind. Außerdem ergibt sich schon aus dem Akronym SCARA, dass diese Roboter nicht nur zum Heben, Beladen, Entladen oder Fördern im Sinne der Position 8428 KN entwickelt wurden. Es steht nämlich für "Selective Compliance Assembly Robot Arm". Wie das Wort "Assembly" zeigt, wurden die Roboter für die Montage oder den Zusammenbau von Waren entwickelt. Ein solcher Vorgang ist nicht auf das Anheben und Absetzen von Bausteinen beschränkt, sondern erfordert darüber hinaus das Zusammenfügen der Bauteile. Wie in der angesprochenen Videodatei über die Armbanduhr-Montage zu sehen ist, wird das Zusammenfügen einzelner Bauteile auch von einem mit einem Schrauber bestückten SCARA-Roboter durchgeführt.

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An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass - wie die Klägerin im Erörterungstermin betont hat - die SCARA-Roboter im Einfuhrzeitpunkt nicht mit Werkzeugen bestückt seien und sie durch ihre Bauweise, die dem menschlichen Arm nachempfunden sei, immer auf ein Anheben eines Werkstückes gerichtet seien. Andere Funktionen - wie etwa das Schrauben -, die einer Einreihung in die Position 8428 KN entgegenstünden, würden von den - nicht mit den Robotern gemeinsam eingeführten - Werkzeugen ausgeführt, die an die Z-Achse der Roboter angeflanscht würden. Selbst wenn man unterstellt, dass die Einreihungsentscheidung ohne Berücksichtigung der zu montierenden Werkzeuge zu treffen wäre, könnten die Roboter nicht in die Position 8428 KN eingereiht werden. Ein Roboter ohne Werkzeug könnte nämlich erst recht keine Funktionen im Sinne der Position 8428 KN ausführen, sondern lediglich seinen Arm flächenparallel schwenken und die Z-Achse auf- und abbewegen. Zu einem Heben im Sinne der Position 8428 KN wird dieser Bewegungsablauf erst mit einem montierten Greifer.

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Es steht diesem Ergebnis auch nicht entgegen, dass auf dieser Grundlage sämtliche SCARA-Roboter mit universell aufnahmefähiger Z-Achse aus der Position 8428 KN ausgewiesen würden. Die von der Klägerin genannten VZTAe, mit denen Roboter, die mit den hier in Rede stehenden Robotern vergleichbar sind, gleichwohl in die Position 8479 KN eingereiht wurden, basieren nicht auf einer abweichenden Rechtsauffassung. Die darin getroffene Einreihungsentscheidung geht vielmehr auf die von den Berechtigten genannten Wareneigenschaften zurück, die der Beklagte bereits teilweise überprüft hat.

28

Nicht streitentscheidend wäre auch, wenn - wie die Klägerin im Erörterungstermin vorgetragen hat - die niederländischen Zollbehörden die Auffassung verträten, dass sämtliche SCARA-Roboter in die Position 8428 KN eingereiht werden. Hierfür bietet nämlich - wie dargelegt - weder der Wortlaut der Position 8428 KN und ihrer Unterpositionen einen Anhalt, noch können die Erläuterungen zum HS in diesem Sinne verstanden werden.

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Schließlich ist die vom Kläger ins Feld geführte allgemeine Vorschrift 3 a) KN hier nicht anwendbar. Zwar geht die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Dies setzt jedoch voraus, dass eine Ware dem Wortlaut einer Position mit einer genaueren Warenbezeichnung überhaupt unterfällt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil die Voraussetzungen der Unterposition 8428 9090 KN - wie dargelegt - nicht erfüllt sind.

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2.2 Die SCARA-Roboter sind als "Industrieroboter, anderweit weder genannt noch inbegriffen" in die Unterposition 8479 5000 KN einzureihen. Es handelt sich unzweifelhaft um Industrieroboter, die - wie dargelegt - nicht in die einzig ansonsten in Betracht kommende Position 8428 KN einzureihen sind. Dies steht im Einklang mit der Erläuterung I. (7) a. E. zur Position 8479 HS, weil die Roboter universell einsetzbar sind und die konkrete Funktion allein davon abhängig ist, welches Werkzeug an die Z-Achse des Roboters montiert ist.

III.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 101


Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spr

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 79a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht, 1. über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2. bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;3. bei Erledigung des Rechtsstr

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Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Apr. 2014 - VII R 48/13

bei uns veröffentlicht am 28.04.2014

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in den Jahren 2010 und 2011  96 Sendungen Warensortimente mit Ursprung in den USA in den zollrechtlich

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Der Vorsitzende kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a) entscheiden. Dagegen ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides gegeben.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in den Jahren 2010 und 2011  96 Sendungen Warensortimente mit Ursprung in den USA in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Zugleich beantragte sie die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 des Zollkodex (ZK) und meldete die Waren unter der Unterpos. 6109 10 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) für T-Shirts an. Die Zollstelle nahm die Anträge an und fertigte die Waren antragsgemäß ab. Bei stichprobenhaften Beschaffenheitsbeschauen, die u.a. auch die hier zu beurteilenden Sendungen erfassten, hatte das Zollamt keine anderen Waren als T-Shirts festgestellt.

2

Eine Zollprüfung des Prüfungsdienstes des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) im Jahr 2012 bei der Klägerin ergab, dass die Sendungen als "Nylon Tricot Legging", "Nylon Tricot High-Waist Legging", "Printet Nylon Legging", "Shiny Legging" und "Shiny High-Waist Legging" bezeichnete Waren enthielten.

3

Bei diesen Waren handelte es sich um Bekleidungsstücke, die zu 100 % aus synthetischen Chemiefasern gewirkt waren. Die in Größen für Erwachsene konfektionierten Bekleidungsstücke waren hosenähnlich und wiesen knöchellange Beine ohne Fußteile auf. Sie hatten einen die Taille abschließenden elastischen Bund in unterschiedlicher Breite (2,5 bis 12,7 cm). An den Kleidungsstücken waren vorn weder eine Öffnung noch ein Verschluss, aber Nähte an den Innenseiten der Beine vorhanden. Merkmale, die auf einen bestimmten Trägerkreis hinwiesen, waren nicht feststellbar. Die Bekleidungsstücke konnten ohne Weiteres als eine lange, den Unterkörper bedeckende Hose getragen werden.

4

Der Prüfungsdienst reihte diese Waren in die Unterpos. 6104 63 00 KN ein und stellte fest, dass sich daraus neben dem Zollsatz von 12 % ein Zusatzzoll von weiteren 15 % ergebe. Das HZA folgte den Feststellungen und erhob von der Klägerin Einfuhrabgaben nach, in welchen --neben hier unstreitigen, auf fehlerhaften Zollwerten beruhenden, zu- und abgerechneten Zollbeträgen-- ein Zusatzzoll enthalten war.

5

Einspruch und Klage, mit welchen die Klägerin die Einreihung der Leggings in die Unterpos. 6406 90 90 KN, hilfsweise in die Unterpos. 6115 21 KN beanspruchte und geltend machte, der auf der Verordnung (EG) Nr. 673/2005 (VO Nr. 673/2005) des Rates vom 25. April 2005 zur Einführung zusätzlicher Zölle auf die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 110/1) beruhende Zusatzzoll sei auf die zutreffende Tarifposition nicht anwendbar, im Übrigen sei bei einer Einreihung auf Antrag nach Art. 81 ZK nur die Anwendung des in der KN vorgesehenen höchsten Zollsatzes gestattet, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der für die Nacherhebung der Zollschuld nach Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK maßgebliche Zollsatz ergebe sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif, im Streitfall aus der VO Nr. 673/2005 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 317/2009 (VO Nr. 317/2009) der Kommission vom 17. April 2009 (ABlEU Nr. L 100/6), einer sonstigen Gemeinschaftsregelung i.S. des Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK, die für Waren der Unterpos. 6104 63 00 KN einen Zusatzzoll von 15 % des Wertes der eingeführten Waren vorsehe. Bei den streitgegenständlichen Leggings handele es sich um lange Hosen, aus Gewirken und Gestricken, für Frauen und Mädchen, die in die Pos. 6104 KN und innerhalb dieser Position aufgrund der synthetischen Spinnstoffe, aus denen sie bestehen, in die Unterpos. 6104 63 00 KN einzureihen seien.

6

Sie seien nicht als Waren der Pos. 6406 KN oder der Pos. 6115 KN einzureihen. Unter die Pos. 6406 KN fielen --u.a.-- Gamaschen und ähnliche Waren, aber keine hosenähnlichen Waren. Das ergebe sich auch aus den für die Auslegung maßgeblichen französischen und englischen Fassungen. Nach den Warenbezeichnungen in französischer Sprache handelt es sich bei "guêtres" um Gamaschen und Halbgamaschen, und bei "jambières" um Beinschienen, Beinschützer, Beinschutz, Gamaschen, sog. Legwarmer und Stulpen. In der englischen Fassung fänden sich neben "gaiters", das sind Stulpen oder Gamaschen, zwar "leggings and similar articles". Auch diese Bezeichnungen ließen aber nicht erkennen, dass die darunter fallenden Waren hosenähnlich sein dürften, nämlich ein zwei miteinander verbundenes, beide Beine und den Unterkörper bedeckendes Kleidungsstück sein könnten. Der Begriff "leggings" habe im Englischen zwei Bedeutungen: Zum einen bezeichne er gamaschenähnliche Kleidungsstücke, zum anderen sehr eng geschnittene Hosen für Frauen und Kinder. Letztere würden aber nicht von der Pos. 6406 KN erfasst. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den übrigen, von der Position erfassten Waren. Auch die Entwicklung der Pos. 6406 KN bestätige diese Auslegung. Vor dem Beitritt Großbritanniens sei die heutige Pos. 6406 in den Tarifnummern 64.05 für Schuhteile und 64.06 für Gamaschen, Schienbeinschützer und ähnliche Waren sowie Teile davon (Verordnung (EWG) Nr. 950/68 --VO Nr. 950/68-- des Rates vom 28. Juni 1968 über den gemeinsamen Zolltarif, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 172/1) erfasst gewesen; auf Französisch "Guêtres, jambières, molletières, protège-tibias et articles similaires et leurs parties". Die inhaltlich unveränderten Tarifnummern seien dann in der englischen Fassung des Gemeinsamen Zolltarifs (VO (EWG) Nr. 1/73 des Rates vom 19. Dezember 1972, ABlEG Nr. L 1/1) als "Gaiters, spats, leggings, puttees, cricet pads, shin-guards and similar articles, and parts thereof" übersetzt worden. Eine inhaltliche Änderung der Tarifnummer mit dem Ziel der Einbeziehung von Damenhosen sei damit nicht verbunden gewesen, unter Leggings seien nur Kleidungsstücke zu verstehen, die ein Bein ganz oder teilweise bedeckten, aber nicht miteinander verbunden seien.

7

Auch in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 6406 KN Rz 14.0 würden die in der Klammer als Leggings bezeichneten Waren als Beinlinge, also nicht als Hosen oder hosenähnliche Kleidungsstücke beschrieben.

8

Bei den als Leggings bezeichneten Waren handele es sich auch nicht um Strumpfhosen der Pos. 6115 KN. Eine Strumpfhose sei eine aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte Unterleibsbekleidung. Dazu gehörten die streitgegenständlichen Waren jedoch nicht.

9

Das HZA sei auch berechtigt gewesen, in dem der Klägerin auf ihren Antrag bewilligten Verfahren nach Art. 81 ZK die Zollbelastung für alle Sendungen nach der höchsten Einfuhrabgabenbelastung, also mit dem Zusatzzoll nach der VO Nr. 673/2005 zu ermitteln. Die Klägerin hätte die in ihrem eigenen Warenwirtschaftssystem zutreffend unter der Unterpos. 6104 63 00 KN erfassten Leggings gesondert anmelden können.

10

Von der Nacherhebung könne auch nicht nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK abgesehen werden. Es habe keine Warenbeschau gegeben, auf Grund derer die Klägerin davon habe ausgehen können, für die Leggings falle kein Zusatzzoll an.

11

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor: Die Leggings seien als "ähnliche Waren" wie Gamaschen in die Unterpos. 6406 90 90 KN, hilfsweise als "Strumpfhosen" in die Unterpos. 6115 21 KN einzureihen.

12

Für die Einreihung in die Pos. 6406 KN spreche die Verwendung des Begriffs "legging" in der englischen Sprachfassung und auch für das französische Wort "jambières" werde in Wörterbüchern als Synonym der Begriff "leggings" angegeben. Angesichts dieser eindeutigen Wortlaute habe das FG seine Auslegung nicht auf einen systematischen Vergleich der Ware mit den übrigen von der Position erfassten Waren stützen dürfen. Auf die Entwicklung des Gemeinsamen Zolltarifs der EWG dürfe zur Auslegung der KN nicht zurückgegriffen werden, da die KN nicht auf der VO Nr. 950/68, sondern auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren beruhe und sich im Übrigen --wie der gegenüber der Tarifnummer 64.06 ("gaiters, spats, leggings, puttees, cricet pads, shin-guards and similar articles, and parts thereof") verkürzte Wortlaut der Pos. 6406 KN ("gaiters, leggings and similar articles, and parts thereof") zeige-- die zolltarifliche Rechtslage gegenüber dem Gemeinsamen Zolltarif geändert habe.

13

Den Klammerzusatz "leggings" zum Begriff Beinlinge in den ErlHS zu Pos. 6406 Rz 14.0 interpretiere das FG falsch, er sei als Ausweitung des Begriffs "Beinlinge" auf hosenähnliche Beinkleider zu verstehen.

14

Hilfsweise seien die Leggings als Strumpfhosen in die Unterpos. 6115 21 KN einzureihen.

15

Die Klägerin hält im Übrigen die Anwendung des Zusatzzolls der VO Nr. 673/2005 gemäß Art. 81 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK auf sämtliche Waren der jeweiligen Sendung nicht für gerechtfertigt. Das FG verkenne, dass sich die VO Nr. 673/2005 und Art. 81 ZK widersprächen. Gemäß Art. 2 VO Nr. 673/2005 finde der Zusatzzoll ausschließlich auf die in Anhang I genannten Waren Anwendung. Nur so sei gewährleistet, dass die zusätzlichen Zölle 72 % der jährlichen Auszahlungen der USA aus vereinnahmten Antidumping- und Ausgleichszöllen an die geschädigten US-amerikanischen Unternehmen nicht übersteigen, was nach der Entscheidung des Schiedsgerichts der World Trade Organisation (WTO) vom 31. August 2004 (WT/DS217/ARB/EEC) Bedingung für die Erhebung der zusätzlichen Zölle sei. Die bei Anwendung des Art. 81 ZK sich ergebende Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der VO Nr. 673/2005 gelistete Waren, führe zu einer Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags. Bei der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung von Unionsrecht müsse der Zusatzzoll bei der Ermittlung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung der Waren einer Sendung nach Art. 81 ZK außer Betracht bleiben.

16

Außerdem sei die Zulassung der vereinfachten Einreihung nach Art. 81 ZK rechtswidrig gewesen, weil Aufwand und Kosten der Einzelanmeldungen angesichts der hohen Zollsätze für Textilien nicht außer Verhältnis zur Höhe der Einfuhrabgaben stünden. Auch deshalb sei die Anwendung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung rechtswidrig.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2013 aufzuheben.

18

Das HZA schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

20

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

21

Für die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten in 96 Sendungen zusammengefassten Warensortimente ist, da die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 ZK antragsgemäß bewilligt war, eine Zollschuld entstanden, die wegen der in den Sendungen enthaltenen Leggings zu einem Zollsatz von 12 % und gemäß Art. 2 VO Nr. 673/2005 i.V.m. Unterpos. 6104 63 00 KN zu einem Zusatzzoll von 15 % führt. Da der entsprechende Abgabenbetrag für die streitigen Einfuhren seinerzeit nicht buchmäßig erfasst wurde, ist er gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.

22

1. Die Voraussetzungen einer vereinfachten Einfuhrabgabenerhebung gemäß Art. 81 ZK liegen vor. Die Klägerin hat die in den Einfuhrsendungen enthaltenen Waren einheitlich als solche angemeldet, auf die der jeweils höchste Abgabensatz entfällt, und diese Zollanmeldungen sind angenommen worden. Daran muss sie sich festhalten lassen. Die Voraussetzungen für eine Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gemäß Art. 66 Abs. 2 ZK i.V.m. Art. 251 der Zollkodex-Durchführungsverordnung sind schon hinsichtlich der dort vorgesehenen Antragsfristen nicht erfüllt.

23

2. Bei der Ermittlung der auf die Waren des jeweiligen Sortiments entfallenden höchsten Einfuhrabgabenbelastung war auch der Zusatzzoll aus der VO Nr. 673/2005 zu berücksichtigen, sofern eine der Waren von einer im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Tarifbezeichnungen erfasst war. Die Vereinfachungsvorschrift des Art. 81 ZK betrifft (nur) die Einfuhrabgaben i.S. des Art. 4 Nr. 10 ZK (vgl. Weymüller in Dorsch, Zollrecht, Art. 81 ZK Rz 38), also nach dem hier maßgeblichen Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK "Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren". Darunter fällt auch der Zusatzzoll gemäß der VO Nr. 673/2005. Denn der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK die sonstigen zolltariflichen Maßnahmen der Union, also auch die sog. Retorsionszölle, die im Fall von Handelsstreitigkeiten festgelegt werden, wie es mit der VO Nr. 673/2005 geschehen ist (so auch Lux in Dorsch, Zollrecht, Art. 20 ZK Rz 33).

24

Mit ihrem Einwand, die Anwendung der unter Einbeziehung des Zusatzzolls ermittelten höchsten Abgabenbelastung auf alle Waren einer Sendung führe zu einer Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der VO Nr. 673/2005 gelistete Waren und damit zu einer von der Genehmigung der Zusatzzölle durch das Schiedsgericht der WTO nicht mehr gedeckten Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags, macht die Klägerin keine Verletzung eines eigenen subjektiv-öffentlichen Rechts geltend, auf welches allein sie die Anfechtung der Nacherhebung stützen kann. Da Art. 81 ZK den Begriff Einfuhrabgabenbelastung verwendet und damit nach den Definitionen der Art. 4 Nr. 10 und Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK sonstige zolltarifliche Maßnahmen der Gemeinschaft bzw. Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle einbezieht, sind Zusatzzölle wie solche des Streitfalls bei der Ermittlung der "höchsten Einfuhrabgabenbelastung" i.S. des Art. 81 ZK nicht ausgenommen. Anderenfalls ließen sich mithilfe dieses für Sammelsendungen unterschiedlicher Waren vorgesehenen vereinfachten Einreihungsverfahrens Zusatzzölle für bestimmte in solchen Sendungen enthaltene Einfuhren umgehen.

25

Trotz der seitens der Kommission mit Schreiben vom 27. September 2013, auf das sich die Revision beruft, geäußerten Rechtsmeinung hält der Senat in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Art. 81 ZK sowie des Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK die Auslegung jener Vorschrift auch im Hinblick auf die mit der VO Nr. 673/2005 verfolgten Ziele für zweifelsfrei und sieht keinen Grund, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einzuholen.

26

Ist das vereinfachte Einreihungsverfahren gemäß Art. 81 ZK beantragt und bewilligt, tritt die gesetzliche Folge ein, dass der für bestimmte in der Sendung enthaltene Waren vorgesehene höchste Einfuhrabgabensatz --und damit ebenso der für solche Waren zu erhebende Strafzoll-- auch auf Waren anzuwenden ist, für die eigentlich kein Strafzoll, sondern ein geringerer Abgabensatz gilt. Hätte der Unionsgesetzgeber diese Rechtsfolge für von der VO Nr. 673/2005 nicht erfasste Waren vermeiden wollen, hätte es nahe gelegen, in dieser Verordnung die Anwendung des Art. 81 ZK auszuschließen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat der Unionsgesetzgeber mit Art. 3 VO Nr. 673/2005 eine andere Regelung zur Einhaltung des vorgesehenen Kompensationsbetrags vorgesehen. Es kommt daher nicht in Betracht, für von der VO Nr. 673/2005 nicht erfasste Waren die Rechtsfolge des Art. 81 ZK trotz Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht eintreten zu lassen mit der Folge, dass die Erhebung des Zusatzzolls auch für in der Einfuhrsendung enthaltene Waren der VO Nr. 673/2005 unterbleibt.

27

3. Dem Einwand der Klägerin, es sei unverhältnismäßig, die gesamte Warenmenge mit dem Zusatzzoll zu belegen, ist nicht zu folgen (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1989 VII R 10/87, BFHE 158, 200, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1990, 48, zu § 79 Abs. 2 des Zollgesetzes 1961). Der Anmelder kann Einfuhrwaren mit besonders hoher Abgabenbelastung ausschließen, indem er diese Waren getrennt anmeldet, oder er kann für eine Warengruppe angeben, dass bestimmte Waren in dieser nicht enthalten sind (vgl. Weymüller in Dorsch, a.a.O., Art. 81 ZK Rz 37).

28

4. Auf die streitgegenständlichen Waren ("Leggings") entfällt der Zusatzzoll nach Art. 2 VO Nr. 673/2005 (für die Einfuhren des Jahres 2009 i.d.F. der VO Nr. 317/2009) i.V.m. deren Anhang I auf Waren der Unterpos. 6104 63 00 KN.

29

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-558/11, ZfZ 2013, 41, Rz 29, m.w.N.) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (s. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN 1 und 6).

30

a) Von der Unterpos. 6104 63 00 KN werden u.a. lange Hosen aus Gewirken und Gestricken aus synthetischen Chemiefasern für Frauen oder Mädchen erfasst.

31

aa) Nach den Feststellungen des FG handelte es sich bei den in Warensendungen enthaltenen Leggings um Kleidungsstücke aus zwei miteinander verbundenen Beinteilen, die beide Beine und den Unterkörper bedecken, mit Nähten an den Innenseiten der Beinteile, einem breiten Bund und ohne Fußteile, und die ohne Weiteres als lange, den Unterkörper bedeckende Hosen getragen werden können. Diese tatrichterliche Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sie erscheint vielmehr durchaus nachvollziehbar. Die Klägerin setzt ihr auch lediglich ihre eigene --abweichende-- Wertung entgegen, die Leggings seien als Oberbekleidung nicht geeignet.

32

bb) Die Leggings fallen auch nicht unter die Anmerkung 1 Buchst. n zu Abschn. XI, wonach Gamaschen und ähnliche Waren des Kapitels 64 aus diesem Abschnitt ausgewiesen sind.

33

Von der Pos. 6406 KN sind in der deutschen Sprachfassung erfasst "Schuhteile ...; Einlegesohlen, Fersenstücke und ähnliche herausnehmbare Waren; Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon". Leggings sind nicht genannt. Zwar taucht dieser Begriff in den ErlHS zu Pos. 6406 unter "II) Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon" in Rz 14.0 als Synonym für Beinlinge ("Leggings") auf, die den sog. Beinschützern ähnlichen Waren --wie Wadengamaschen (einschließlich Wickelgamaschen), Stutzen, Trachtenstrümpfe usw., ohne Fußteil und mit oder ohne Steg-- zugeordnet werden. Es ist allerdings offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung, dass die von der Klägerin eingeführten Leggings keine diesen Kleidungsstücken ähnliche Waren sind. Aus der englischen Sprachfassung der Pos. 6406 KN folgt nichts anderes.

34

b) Bei den als Leggings bezeichneten Waren handelt es sich auch nicht um Strumpfhosen der Pos. 6115 KN.

35

Weder aus dem Wortlaut der Positionen der KN noch aus den Anmerkungen ergeben sich Definitionen oder klare Abgrenzungskriterien für Strumpfhosen und lange Hosen.

36

Gleichwohl tragen diese Waren ihre Definition in sich. Sie ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.

37

Strumpfhosen sind eng an Fuß, Bein und Unterleib anliegende, gewirkte oder gestrickte Hosen (besonders für Frauen und Kinder), die wie ein Strumpf angezogen werden. Dementsprechend hat das FG zutreffend herausgearbeitet, dass Strumpfhosen aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte, typischerweise --wie Strümpfe-- rundgewebte Unterleibsbekleidungen sind. Strumpfhosen weisen eine besondere, machartbedingte Passform auf, sie passen sich eng anliegend der Körperform an.

38

Dieser Definition entsprechen die streitigen Kleidungsstücke schon nicht, weil sie keinen Strumpf, d.h. keinen den Fuß umhüllenden Teil aufweisen. Auf die übrigen vom FG zur Unterscheidung von Hosen und Strumpfhosen herangezogenen Merkmale --wie Längsnähte an den Innenseiten oder fehlende Angaben zur Feinheit der verwendeten Garne-- braucht daher nicht eingegangen zu werden.

39

5. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK sind nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen im FG-Urteil Bezug genommen.

40

6. Ist das Urteil nach alledem revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, so ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.