Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. Aug. 2018 - 4 K 162/16

bei uns veröffentlicht am17.08.2018

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Einreihung einer "Notfallzigarette".

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Die Ware besteht aus einem an beiden Enden verschweißten Glasröhrchen, in dem sich eine handelsübliche Filterzigarette befindet. Die am 14.12.2005 eingeführten Glasröhrchen enthielten zusätzlich ein Streichholz. Das Glas trägt die Aufschrift "IN EMERGENCY ... BREAK GLASS!!!"

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Auf Anfrage der Klägerin teilte das Hauptzollamt (HZA) A, Zentrale Steuerzeichenstelle B, mit Schreiben vom 04.10.2002 mit, dass es sich bei der Ware um einen Gegenstand handele, der an sich nicht wirklich zum Gebrauch bestimmt sei. Die Zigarette könne nur nach Zerschlagen des Glasröhrchens geraucht werden. Dadurch könne die Zigarette beschädigt werden und es sei ein Verletzungsrisiko nicht auszuschließen, weil Glassplitter in die Zigarette eindringen könnten. Somit sei die Zigarette nicht unmittelbar zum Rauchen geeignet. Unverbindlich werde mitgeteilt, dass keine Tabaksteuer auf die Ware zu erheben sei.

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Bei der Einfuhrabfertigung der Ware, die die Klägerin als Scherzartikel (Unterposition 9505 9000 KN) angemeldet hatte, entnahm das Zollamt C am 14.12.2005 zwei Warenproben und forderte ein Gutachten des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung (BWZ) Hamburg an. Mit Einfuhrabgabenbescheid XX-1 vom selben Tag wurden auf der Grundlage der angemeldeten Unterposition 123,09 € Zoll vorläufig festgesetzt.

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Während der Überprüfung des Falles durch das BWZ Hamburg nahm der Beklagte bei einer weiteren Einfuhr am 10.04.2006 erneut eine Beschaffenheitsbeschau vor. Im Beschaubefund heißt es:

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"1Röhrchen geknackt[.] Zigarette angezündet und glimmen lassen[. K]ein Knall festgestellt".

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Da das Untersuchungsergebnis des BWZ Hamburg noch nicht vorlag, wurde mit Einfuhrabgabenbescheid XX-2 vom selben Tag ebenfalls auf der Grundlage der Unterposition 9505 9000 KN vorläufig Zoll in Höhe von 145,28 € festgesetzt.

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Das Gutachten des BWZ Hamburg vom 19.09.2006 reihte die Ware dagegen als Zigarette der Unterposition 2402 2090 KN ein. Die Zigarette bestimme im Hinblick auf das Erscheinungsbild den Charakter der Ware. Das Gutachten stützt sich auf den Erlass des BMF vom 31.08.2006, der das Einreihungsergebnis allein damit begründet, dass die Zigarette für die Ware charakterbestimmend sei, da diese das Erscheinungsbild der Ware präge.

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Auf der Grundlage dieses Gutachtens erhob der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 14.06.2007 (XX-3) gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK für beide Einfuhren Zoll in Höhe von 3.737,35 € und Tabaksteuer in Höhe von 6.146,34 €, mithin insgesamt 9.883,69 €, nach.

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Mit Schreiben vom 21.08.2009 beantragte die Klägerin die Erstattung der mit diesem Bescheid nacherhobenen Abgaben. Zur Begründung verwies sie auf die Auskunft des HZA A vom 04.10.2002. Das BWZ Hamburg unterstelle fälschlicherweise, dass die Zigaretten den Charakter der Ware bestimmten. Der Aufdruck mache deutlich, dass das Glasröhrchen nicht die Verpackung der Zigarette sei. Vielmehr verweise er scherzhaft auf die Gestaltung eines Feuermelders oder Alarmknopfes. Der Charakter der Ware werde durch ihren Verwendungszweck bestimmt. Weder die Zigarette noch das Glasröhrchen oder das Streichholz sollten einzeln verwendet werden. Im Übrigen sei das Glasröhrchen und nicht die Zigarette charakterbestimmend. Nur durch die Aufschrift auf dem Glasröhrchen werde der Vergleich mit einem Feuermelder hergestellt. Die in dem Glasröhrchen befindliche Ware sei dagegen austauschbar. Da letztlich weder das Glasröhrchen noch die Zigarette allein den Sinn des Gegenstandes bestimmten, komme nach der AV 3 c) KN die zuletzt genannte KN-Position, also die Unterposition 9505 9000 KN, in Betracht. Im Übrigen sei der Bescheid nicht ordnungsgemäß ergangen, weil die Frist gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nicht gewahrt worden sei. Außerdem sei der Bescheid nicht der Klägerin zugestellt worden. Die D GmbH habe die Klägerin nur bei der Abgabe von Zollanmeldung vertreten. Sie sei jedoch nicht zur Entgegennahme von Abgabenbescheiden berechtigt.

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Mit Bescheid vom 08.01.2010 lehnte der Beklagte den Erstattungsantrag unter Verweis auf das Gutachten des BWZ ab. Die Stellungnahme des HZA A sei unverbindlich. Die Vollmacht zur Abgabe einer Zollanmeldung beinhalte auch die Zustellungsermächtigung für abschließende Steuerbescheide, so dass der Änderungsbescheid der Zollvertreterin der Klägerin mit Wirkung für die Klägerin habe zugestellt werden können.

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Zu dem gegen die Ablehnung mit Schreiben vom 12.02.2010 eingelegten Einspruch gewährte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 09.07.2010 rechtliches Gehör. Nach den Erläuterungen zur Position 9505 HS sei ein Scherzartikel dazu bestimmt, Heiterkeits- oder Überraschungseffekte auszulösen, ohne dass eine andere sinnvolle Zweckbestimmung erkennbar sei. Dies sei bei der "Notfallzigarette" anders. Auch wenn sie für keinen tatsächlichen Notfall gedacht sei und aus dieser absurden Verknüpfung der üblichen Assoziation einer Belustigung des Betrachters denkbar sei, so liege diese Wirkung nicht in der Beschaffenheit der Ware. Denkbar wäre eine Einreihung als Scherzartikel etwa, wenn die Ummantelung unzerbrechlich oder unzerstörbar sei, es sich bei der Zigarette um eine Attrappe oder eine Scherzzigarette handeln würde oder die Zigarette beim Zerbrechen der Umhüllung zersetzt oder vernichtet werden würde, der Scherz also z. B. darin liege, dass die Zigarette tatsächlich nicht ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zugeführt werden könne. Das allenfalls als "witzig" zu bewertende Erscheinungsbild der Einfuhrware, das sich letztlich aus der Aufmachung einer handelsüblichen Zigarette ergebe, stelle jedenfalls kein Scherzartikel der Position 9505 KN dar. Bei der Einreihung der Ware komme es nicht auf den Verwendungszweck an. Es sei also letztlich unerheblich, ob die Zigarette jemals geraucht werden solle. Entscheidend sei allein, dass es sich um eine handelsübliche Zigarette handele. Eine vollständige Zerstörung der Zigarette beim Zerbrechen der Glasröhre oder eine Verunreinigung, die den Gebrauch als Zigarette unmöglich mache, werde bestritten und sei sicherlich nicht die gewollte Folge bei tatsächlicher Zerstörung der Glasröhre. Die Überlegungen der Klägerin, nach denen die Glasröhre der charakterbestimmende Bestandteil der Ware sei, griffen nicht durch, weil sie auf der Betrachtung der Ware als Scherzartikel basierten.

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Eine Einreihung als Ware aus Glas oder Glasware zur Innenausstattung oder zu ähnlichen Zwecken sowie die Anwendung der AV 3 c) KN scheide ebenfalls aus.

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Hierzu nahm die Klägerin erst mit Schreiben vom 15.02.2016 Stellung. Weder nach Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware sei einer der Bestandteile charakterbestimmend. Da die Ware als Dekorations- oder Scherzartikel verwendet werde, könne lediglich dem Glasröhrchen eine charakterbildende Wirkung zugeschrieben werden.

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Die Einreihung als Zigarette scheide deshalb aus, weil hierunter nach den Erläuterungen zur KN nur zum Rauchen geeignete Tabakstränge zählten. Wie das HZA A festgestellt habe, könne die Zigarette nicht unbeschädigt aus dem Glasröhrchen entnommen werden. Wenn das Glasröhrchen charakterbestimmend wäre, müsste die zusammengesetzte Ware in die Position 7013 KN eingereiht werden.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2015 - gemeint ist: 2016 - wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte wiederholt sein Vorbringen aus dem Anhörungsschreiben vom 09.07.2010 und betont hierbei, dass beim Zerbrechen der Glasröhre die Zigarette nicht vollständig zerstört werde oder in einer Weise verunreinigt werde, die den Gebrauch als Zigarette unmöglich machten. Der angebliche Zustellungsmangel sei geheilt worden, als die Klägerin den Bescheid tatsächlich erhalten habe.

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Die Ware sei kein Unterhaltungsartikel der Position 9505 KN. Es sei kein typischer Scherzartikel. Scherzartikel seien dazu bestimmt, Heiterkeit oder Überraschungseffekte auszulösen. Außerdem dürfe keine andere sinnvolle Zweckbestimmung erkennbar sein. Zwar könne die Ware zu einer Belustigung des Betrachters führen. Diese Wirkung liege jedoch nicht in der objektiven Beschaffenheit der Ware.

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Mit der am 24.06.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beruft sich auf ihren vorgerichtlichen Vortrag. Ergänzend trägt sie in tabaksteuerrechtlicher Hinsicht vor, dass die Zigarette sich nicht unmittelbar zum Rauchen eigne (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 TabStG). Anders als der Beklagte im Erörterungstermin gemeint habe, sei diese Voraussetzung nicht bereits dann erfüllt, wenn die Ware mit einfachen manuellen Schritten unmittelbar zum Rauchen geeignet gemacht werden könne. Die Klägerin bestreite, dass die Zigarette - wie der Beklagte behaupte - unter Verwendung eines handelsüblichen Werkzeugs so geöffnet werden könne, dass die Zigarette zerstörungsfrei entnehmbar sei. Selbst wenn dies möglich wäre, ließe der erforderliche Einsatz eines (nicht mitgelieferten) Werkzeugs die Unmittelbarkeit der Eignung zum Rauchen entfallen. Anders als bei Steckzigaretten, die Gegenstand der EuGH-Rechtssache C-197/04 gewesen seien, erhalte der Verwender nicht alles, was er zur Herstellung rauchfähiger Zigaretten benötige. Die Rechtsauffassung der Klägerin ergebe sich auch aus der Systematik von § 1 Abs. 2 Nr. 2 TabStG. Die dort genannten übrigen Definitionen von Zigaretten wären nämlich überflüssig, wenn die unmittelbare Raucheignung auch durch den Verwender hergestellt werden könne.

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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 08.01.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.05.2016 (Rbl.-Nr. ...) zu verpflichten, der Klägerin Einfuhrabgaben in Höhe von 9.883,69 € (3.737,35 € Zoll und 6.146,34 € Tabaksteuer) zu erstatten.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag. Zur tabaksteuerrechtlichen Behandlung der Ware führt sie ergänzend aus, dass alle einfachen Handarbeiten, die einen Tabakstrang rauchbar machten, dazu führten, dass dieser eine Zigarette im Sinne des Tabaksteuergesetzes werde. Das Zerschlagen der Umhüllung sei ein solcher Vorgang. Genauso wie das handelsübliche Verpacken von Zigaretten die unmittelbare Rauchbarkeit der verpackten Zigaretten nicht entfallen lasse, gelte dies auch für die Glasumhüllung. Es sei aktenkundig, dass das Glasröhrchen so zerschlagen werden könne, dass die Zigarette als zum Rauchen geeignet entnommen werden könne. Hierzu sei nicht zwingend ein Werkzeug erforderlich.

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Bei der Entscheidung hat die Sachakte des Beklagten vorgelegen. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 11.07.2018 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Im Einverständnis der Beteiligten (...) ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

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Die zulässige Verpflichtungsklage (dazu I.) ist hinsichtlich der Tabaksteuer unbegründet (dazu II.) und hinsichtlich des Zolls überwiegend begründet (dazu III.).

I.

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Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 FGO) erhoben. Zwar ist nach dem Auslieferungsbeleg (...) die Einspruchsentscheidung bereits am 21.05.2016 zugestellt worden. Danach wäre die Klagefrist am Dienstag, den 21.06.2016, abgelaufen, so dass die am 24.06.2016 erhobene Klage verfristet wäre. Nach der Statusmeldung (...) war das Datum auf dem Auslieferungsbeleg jedoch nicht eindeutig lesbar, so dass das angezeigte Zustelldatum (21.05.2016) vom tatsächlichen Zustelldatum abweichen könne. Vor diesem Hintergrund ist das Datum, das auf dem Eingangsstempel des Klägervertreters vermerkt ist - der 24.05.2016 -, maßgeblich. Ausgehend von diesem Datum war bei Eingang der Klage am 24.06.2016 die Klagefrist noch nicht verstrichen.

II.

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Die Verpflichtungsklage ist im Hinblick auf die Erstattung der Tabaksteuer unbegründet. Die Ablehnung der Erstattung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 102 S. 1 FGO), weil sie keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung hat.

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Gemäß § 21 S. 1 TabStG in der bei Stellung des Erstattungsantrags am 21.08.2009 anwendbaren Fassung (Art. 1 Nr. 6 des Dritten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 09.12.2006, BGBl. I 2830) gelten für die Erstattung aus anderen als Billigkeitsgründen die Zollvorschriften sinngemäß. Folglich richtet sich die Erstattung nach Art. 236 ZK. In entsprechender Anwendung von Art. 236 Abs. 1 ZK wird die Tabaksteuer insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Vielmehr war im maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr der Ware die Tabaksteuer gesetzlich geschuldet. Der Bescheid vom 14.06.2007, mit dem die Einfuhrabgaben, deren Erstattung verlangt wird, nacherhoben wurden, ist wirksam (dazu 1.) und formell rechtmäßig (dazu 2.). Die Tabaksteuer ist entstanden (dazu 3.) und wurde der Höhe nach zutreffend festgesetzt (dazu 4.). Im Einzelnen:

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1. Der Nacherhebungsbescheid ist durch Bekanntgabe an die Klägerin wirksam geworden (§ 124 Abs. 1 S. 1 AO). Hierbei kann dahinstehen, ob die D GmbH, an den der Nacherhebungsbescheid ursprünglich versandt wurde, noch zum Empfang von Abgabenbescheiden bevollmächtigt oder empfangsberechtigt war. Letztlich hat die Klägerin den Nacherhebungsbescheid erhalten. Ansonsten hätte sie den Klägervertreter nicht beauftragen können, die Klage zu erheben.

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2. Der Nacherhebungsbescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist es unbeachtlich, dass die Nacherhebungsfrist gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nicht eingehalten wurde. Sie hat nämlich nur Bedeutung für die Abführung der Eigenmittel an die Kommission. Die Befugnis der Zollbehörden zur Nacherhebung bleibt hiervon unberührt (siehe die Nachweise bei Alexander in Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 220 Rn. 2).

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3. Die Tabaksteuer ist bei Einfuhr der Ware entstanden, weil es sich bei der Zigarette im Glasröhrchen um eine steuerbare Zigarette im Sinne von § 2 Abs. 2 TabStG in der bei Einfuhr (14.12.2005 und 10.04.2006) geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen und des EG-Amtshilfe-Gesetzes vom 12.07.1996, BGBl. I 962) handelt. Nach dieser Vorschrift sind Zigaretten
1. Tabakstränge, die sich unmittelbar zum Rauchen eignen und nicht Zigarren oder Zigarillos nach Absatz 1 sind;
2. Tabakstränge, die dazu bestimmt sind, durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben zu werden;
3. Tabakstränge, die dazu bestimmt sind, durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang mit einem Zigarettenpapierplättchen umhüllt zu werden.

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Die Zigarette in dem Glasröhrchen ist - was auch von den Beteiligten nicht bestritten wird - eine handelsübliche Filterzigarette. Für sich betrachtet handelt es sich daher bei ihr um eine Zigarette im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 TabStG, also um einen Tabakstrang, der sich unmittelbar zum Rauchen eignet. An dieser tabaksteuerrechtlichen Klassifikation ändert es nichts, dass sich die Zigarette in einem Glasröhrchen befindet. Dies liegt daran, dass - anders als im Zollrecht (siehe unten III. 1.4) - der Gegenstand der Tabaksteuererhebung nicht die Warenzusammenstellung (Zigarette und Glasröhrchen), sondern allein die Zigarette ist. Die Eigenschaften dieser Zigarette, insbesondere ihre unmittelbare Rauchbarkeit, werden durch die Umhüllung nicht beeinträchtigt. Das Merkmal der Unmittelbarkeit in § 2 Abs. 2 Nr. 1 TabStG bezieht sich nämlich - wie sich aus den beiden übrigen Varianten der Zigarettendefinition ergibt - auf den Tabakstrang an sich und nicht auf dessen Umhüllung. Die von den Beteiligten geführte Diskussion darüber, ob das Zerschlagen des Glasröhrchens mit einem "einfachen nichtindustriellen Vorgang" verglichen werden könne, ist daher unbeachtlich. Die Umschließung einer Zigarette im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 TabStG ist nur insoweit relevant, als sie die Eignung zum Rauchen der von ihr umschlossenen Zigarette aufhebt. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Zigarette in einem (Acryl-)Glasblock eingegossen wäre. Sie wäre dann untrennbar mit der Umschließung verbunden, so dass sie nicht mehr geraucht werden kann. Hier liegt der Fall jedoch anders. Die Raucheignung der Zigarette wird durch die Glasumhüllung nicht beeinträchtigt. Zwar ist der Aufwand, der betrieben werden muss, um an die Zigarette zu gelangen, höher als bei der Entnahme einer Zigarette aus einer Zigarettenpackung. Gleichwohl ist es technisch ohne größeren Aufwand möglich, die Zigarette von der Glasumhüllung zu befreien. Nach der Warenbeschau im Erörterungstermin hat der Einzelrichter keinen Zweifel, dass es möglich ist, dass die Glasröhre, die angesichts ihres Gewichts und des geringen Einkaufspreises der Ware (0,26 $/Stk., ...) aus gewöhnlichem Glas besteht, so zerbrochen werden kann, dass man die Zigarette entnehmen und Rauchen kann. Die Glasröhre kann mit einem einfachen Werkzeug, einem anderen festen Gegenstand (z. B. Essbesteck oder Schuhabsatz), der Hand oder dadurch zerbrochen werden, dass sie gegen eine Tischkante, eine Fensterbank oder einen harten Fußboden geschlagen wird. Der Beklagtenvertreter hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man es verhindern kann, dass der Filter mit Splittern in Berührung kommt, indem man die Glasröhre an dem Ende zerschlägt, an dem sich die Zigarettenspitze befindet. Gestützt wird die Einschätzung des Einzelrichters dadurch, dass es aktenkundig ist, dass bei der Beschaffenheitsbeschau am 10.04.2006 ein Röhrchen geknackt und eine Zigarette angezündet wurde. Außerdem hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass das BWZ zur Erstellung des Einreihungsgutachtens ein weiteres Röhrchen geknackt und die Zigarette unzerstört entnommen habe. Das einfache Bestreiten dieser Möglichkeit mit Schriftsatz vom 27.07.2018 ist vor diesem Hintergrund unbeachtlich.

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Ausreichend für die Raucheignung ist, dass typischerweise das Glasröhrchen so zerschlagen werden kann, dass die Zigarette die Eignung zum Rauchen nicht verliert. Hieran würde es nichts ändern, wenn die Zigarette im Einzelfall geknickt oder eingedrückt werden würde. Die Eignung zum Rauchen würde nur entfallen, wenn der Tabakstrang durch das Öffnen der Glasröhre immer in einer Weise zerstört werden würde, dass man ihn nicht mehr anzünden und zum Glimmen bringen könnte. Dies hält der Einzelrichter wie dargelegt für ausgeschlossen.

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Tabaksteuerrechtlich unbeachtlich ist es, dass die Zigarette durch das Zerschlagen des Glasröhrchens mit Glassplittern verunreinigt werden kann. Das Tabaksteuergesetz macht nämlich an keiner Stelle die Steuerbarkeit im Übrigen von weiteren Voraussetzungen abhängig, die über die Eignung zum Rauchen hinausgingen. So ist etwa die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit nicht als Voraussetzung für die Steuerbarkeit aufgeführt. Dass letztlich nicht die Qualität des Tabaks, sondern dessen (objektive) Rauchbarkeit bzw. Eignung zum Rauchen maßgeblich ist, zeigt auch, dass nach § 2 Abs. 3 TabStG auch Tabakabfälle Rauchtabak sind, wenn sie denn zum Rauchen geeignet und für den Einzelverkauf aufgemacht sind (FG Hamburg, Beschluss vom 18.07.2008, 4 V 123/08, juris Rn. 25; Urteil vom 07.10.2008, 4 K 124/08, juris Rn. 22). Der in der Stellungnahme des HZA A vom 04.10.2002 geäußerten (unverbindlichen) Rechtsauffassung kann sich der Einzelrichter daher nicht anschließen

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4. Der Höhe nach wurde die Tabaksteuer i. H. v. 6.146,34 € im Nacherhebungsbescheid vom 14.06.2007 zutreffend festgesetzt. Insoweit wird auf S. 3 des Bescheids in Verbindung mit den Durchschnittswerten für Zigaretten für Dezember 2005 und April 2006 (...) verwiesen.

III.

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Die Verpflichtungsklage ist im Hinblick auf die Erstattung des Zolls überwiegend begründet. Die Ablehnung der Erstattung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 102 S. 1 FGO), soweit die Klägerin die Erstattung von Zoll in Höhe von 3.707,53 € begehrt. Die Klägerin hat nämlich einen Anspruch auf Erstattung gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK in dieser Höhe. Nach Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Gesetzlich geschuldet war lediglich der über die ursprüngliche Abgabenfestsetzung hinausgehende Zoll, der sich aus einer Einreihung der Ware als andere Glasware im Sinne der Unterposition 7020 00 80 KN ergibt. In diese Position ist die Ware einzureihen (dazu 1.). Hieraus ergibt sich der zu erstattende Betrag (dazu 2.).

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1. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der Kombinierten Nomenklatur festgelegt sind (EuGH, Urteil vom 20.11.2014, Rohm Semiconductor, C-666/13, Rn. 24; Urteil vom 17.07.2014, Sysmex, C-480/13, Rn. 29 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 28.04.2014, VII R 48/13, juris Rn. 29). Darüber hinaus sind insbesondere die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur und die Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) ein maßgebendes, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (EuGH, Urteil vom 09.06.2016, MIS, C-288/15, Rn. 23; Beschluss vom 19.01.2005, SmithKline Beecham, C-206/03, Rn. 26; Urteil vom 20.11.2014, Rohm Semiconductor, C-666/13, Rn. 25; Urteil vom 17.07.2014, Sysmex, C-480/13, Rn. 30 m. w. N.; BFH, Urteil vom 04.11.2003, VII R 58/02, juris Rn. 9; Urteil vom 30.07.2003, VII R 40/01, juris Rn. 12). Da die Erläuterungen zum HS völkerrechtliches Soft law sind, das nicht ins Unionsrecht transformiert wurde, und Deutsch keine Vertragssprache des HS-Übereinkommens ist, sind sie lediglich in den Vertragssprachen Englisch und Französisch authentisch (hierzu Bender, ZfZ 2016, 30, 31).

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Nach der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3 a) S. 1 KN geht für den Fall, dass für die Einreihung von Waren mehrere Positionen in Betracht kommen, die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Nach der AV 3 b) KN werden insbesondere Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen, die nach der AV 3 a) KN nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann. Ist eine Einreihung nach den AV 3 a) und 3 b) KN nicht möglich, bestimmt die AV 3 c) KN, dass die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen zuletzt genannten Position zugewiesen wird.

38

Da die Einfuhr der Ware in den Jahren 2005 und 2006 erfolgte, ist die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif vom 23.07.1987 (ABl. EG L 256/1; Kombinierte Nomenklatur - KN) in den Fassungen der Verordnung (EG) Nr. 1810/2004 (ABl. L 327/1) und der Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 vom 27.10.2005 (ABl. L 286/1), die im hier relevanten Umfang gleich lauten, maßgeblich.

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Nach diesen Maßstäben ist zunächst festzuhalten, dass die Ware nicht in die Position 9505 KN eingereiht werden kann (dazu 1.1). Hiervon ausgehend kommen vom Wortlaut her mehrere andere Unterpositionen in Betracht (dazu 1.2). Da die AV 3 a) S. 1 KN nicht anwendbar ist (dazu 1.3), erfolgt die Einreihung nach der AV 3 b) KN. Danach ist die Ware als Glasware einzureihen (dazu 1.4). Selbst wenn es nicht möglich wäre, den wesentlichen Charakter der Ware zu bestimmen, wäre sie nach der AV 3 c) KN ebenfalls als Glasware einzureihen (dazu 1.5). Innerhalb der Unterpositionen für Glaswaren ist die Ware als "andere Ware aus Glas" (Unterposition 7020 0080 KN) zu tarifieren (dazu 1.6).

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1.1 Die Ware ist nicht als sonstiger Unterhaltungs- oder Scherzartikel in die Position 9505 KN einzureihen. Diese Position lautet:
Fest-, Karnevals-/Faschings- oder andere Unterhaltungsartikel, einschließlich Zauber- und Scherzartikel
Da es sich offensichtlich bei der Ware nicht um einen Fest-, Karnevals- oder Faschingsartikel handelt, und auch die Einreihung als Zauberartikel von vornherein ausscheidet, kommt lediglich eine Einreihung als "andere[r] Unterhaltungsartikel" oder als "Scherzartikel" in Betracht.

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Bei isolierter Betrachtung könnte man die Ware als Unterhaltungsartikel bezeichnen, weil sie den Drang nach Nikotinzufuhr ironisch dramatisiert, indem sie ihn mit einer Situation gleichsetzt, bei der ein Rettungswagen oder die Feuerwehr alarmiert werden muss. Der Begriff des "andere[n] Unterhaltungsartikel[s]" ist jedoch im Kontext des Positionswortlauts und der Erläuterungen zur Position 9505 HS auszulegen. Hieraus ergibt sich, dass es sich bei diesen Artikeln um solche handeln muss, die im Zusammenhang mit einer Feier verwendet werden können, ohne eindeutig einem bestimmten Festtag (z. B. Weihnachten oder Ostern) oder Karneval, Fasching oder Fastnacht zuzuordnen sind. Hierfür spricht, dass diese Waren in Buchstabe (A) der Erläuterungen zur Position 9505 HS in einem Atemzug als "festive, carnival or other entertainment articles" bzw. "les articles pour fêtes, carnaval ou autres divertissements" bezeichnet werden (Der in der nicht verbindlichen deutschen Fassung enthaltene "Kotillonartikel" - einem Gesellschaftsspiel in Tanzform [www.duden.de, Stichwort: "Kotillon"] - findet sich weder in der englischen noch in der französischen Fassung). Für das einschränkende Verständnis des Begriffs "Unterhaltungsartikel" spricht auch, dass er ausweislich von Buchstabe (A) der genannten Erläuterungen im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung im allgemeinen aus einfachem, nicht dauerhaft haltbarem Material hergestellt wird ("which in view of their intended use are generally made of non-durable material" / "compte tenue de leur utilisation, sont généralement de fabrication simple et peu robuste"; Das in der deutschen Übersetzung [EZT-Nr. 02.4 zu Position 9505 HS] verwendete Wort "kurzfristige" findet sich nicht in den authentischen Fassungen.). In Nr. 3 und Nr. 4 zu Buchstabe (A) der genannten Erläuterungen werden Beispiele für "Unterhaltungsartikel" aufgeführt. So werden in Nr. 3 (einfache) Verkleidungen angeführt und in Nr. 4 eine Reihe von "Partyartikeln" aufgelistet, die in der französischen Fassung als "les articles d'amusement et autres" bezeichnet werden (in der englischen Fassung fehlt diese Voranstellung).

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Im Lichte dieser Erläuterungen, die - wie oben dargestellt - ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel bei der Auslegung der KN sind, ist die Ware nicht als Unterhaltungsartikel zu bezeichnen. Sie ist nämlich weder so einfach konstruiert wie Konfetti oder Papptrompeten, noch wird sie typischerweise bei Festen oder Feiern eingesetzt. Es handelt sich vielmehr um einen typischen Geschenkartikel.

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Die Ware ist auch kein Scherzartikel. Dieser setzt - worauf die französische Bezeichnung "articles surprises" (Überraschungsartikel) hinweist - nämlich einen Überraschungseffekt voraus, wie er beispielsweise bei den in Buchstabe (B) der Erläuterungen zur Position 9505 HS genannten Produkten, einem sog. "Furzkissen" oder künstlichem Erbrochenem beim Betrachter oder Verwender ausgelöst wird. Ein Überraschungseffekt in diesem Sinne geht von der Ware nicht aus, sondern es geht um das ironische Spiel mit dem menschlichen Rauchbedürfnis.

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1.2 Abgesehen von der nicht einschlägigen Position 9505 KN kommen für die Einreihung der Ware zwei andere Unterpositionen in Betracht: Es könnte sich um eine Zigarette (Position 2402 KN) handeln, weil die sich in der Glasröhre befindliche Zigarette, würde sie alleine gestellt werden, unzweifelhaft als Tabak-Zigaretten, die keine Nelken enthalten, in die Unterposition 2402 2090 KN einzureihen wäre. Da die Umhüllung der Zigarette aus Glas besteht, kommt auch eine Einreihung als Glasware (Kapitel 70 KN) im Betracht.

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1.3 Die AV 3 a) S. 1 KN ist nicht anwendbar, da die soeben genannten Positionen sich jeweils auf einen Bestandteil der Ware ziehen. In diesem Fall werden gemäß AV 3 a) S. 2 KN die genannten Positionen (Unterposition 2402 2090 KN und eine Unterposition des Kapitels 70 KN) als gleich genau betrachtet.

46

1.4 Unter Anwendung der AV 3 b) KN ist die Ware als Glasware einzureihen. Nach dieser Vorschrift werden Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff ermittelt werden kann. Nach der Erläuterung Nr. VIII zur Allgemeinen Vorschrift 3 b) HS kann sich das Merkmal, das den Charakter der Ware bestimmt, je nach Art der Ware z. B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben (EuGH, Urteil vom 15.11.2012, Kurkums Metal, C-558/11, Rn. 38; Urteil vom 07.02.2002, Turbon International, C-276/00, Rn. 22, und Urteil vom 18.06.2009, Kloosterboer, C-173/08, Rn. 32; Urteil vom 20.06.1996, Vobis, C-121/95, Rn. 21; BFH, Beschluss vom 28.02.2008, VII B 121/07, juris Rn. 6; BFH, Urteil vom 19.12.2006, VII R 8/06, juris Rn. 23). Welches dieser nicht abschließend aufzählbaren Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (BFH, Beschluss vom 28.02.2008, VII B 121/07, juris Rn. 6; Urteil vom 02.06.1992, VII K 2/91, juris Rn. 8; Urteil vom 23.07.1998, VII R 36/97, juris Rn. 16). Auf dieser Grundlage ist eine Gesamtwürdigung und Gewichtung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile vorzunehmen (BFH, Urteil vom 19.12.2006, VII R 8/06, juris Rn. 23; Beschluss vom 23.09.2014, VII B 202/13, juris Rn. 5). Hierbei kann es vorkommen, dass einzelne Produktmerkmale unberücksichtigt bleiben (EuGH, Schlussanträge vom 12.03.1996, C-121/95, Vobis, Rn. 14; BFH, Urteil vom 02.06.1992, VII K 2/91, juris Rn. 10). Um festzustellen, welcher von den Stoffen, aus denen die Ware besteht, für sie charakterbestimmend ist, ist zu prüfen, ob diese Ware auch ohne den einen oder den anderen ihrer Bestandteile ihre charakteristischen Eigenschaften behalten würde (EuGH, Urteil vom 15.11.2012, Kurkums Metal, C-558/11, Rn. 37; Urteil vom 18.06.2009, Kloosterboer, C-173/08, Rn. 31; Urteil vom 07.02.2002, Turbon International, C-276/00, Rn. 26; Urteil vom 10.05.2001, VauDe Sport, C-288/99, Rn. 25; Urteil vom 21.06.1988, Sportex, Rs. 253/87, Rn. 8).

47

Unter Anwendung dieser Maßstäbe verleiht die Glasröhre der Ware ihren wesentlichen Charakter; sie ist damit in das Kapitel 70 KN einzureihen. Die Zigarette ist damit - anders als bei der tabaksteuerrechtlichen Würdigung (oben II.3.) - tarifrechtlich unerheblich. Dies ergibt sich aus Folgendem: Kontextunabhängig betrachtet, handelt es sich bei der Ware um eine Zigarette in einer Glasumhüllung. Die Glasumhüllung kann - worauf die Aufschrift auf der Glasumhüllung hinweist - im "Notfall" zerstört werden, um an die Zigarette zu gelangen und sie zu rauchen. So gesehen, verleiht die Zigarette der Ware ihren wesentlichen Charakter, weil nur sie geraucht werden kann. Betrachtet man jedoch den sozialen Kontext, ergibt sich ein anderes Bild: Durch die Aufschrift "IN EMERGENCY ... BREAK GLASS!!!" auf der Glasumhüllung wird eine Assoziation mit einem durch eine Scheibe gesicherten Notrufknopf hergestellt, der typischerweise eine ähnliche Aufschrift (in deutscher Sprache) trägt und dazu dient, Feuerwehr, Polizei oder Rettungswagen zu alarmieren. Da jedem verständigen Betrachter klar ist, dass es sich bei der Ware tatsächlich nicht um einen Rettungsknopf handelt und auch das nicht befriedigte Bedürfnis nach einer Zigarette nicht dieselben gravierenden Auswirkungen hat wie ein Notfall, bei dem Sanitäter oder Feuerwehr benötigt werden, handelt es sich um eine ironische Dramatisierung des Rauchbedürfnisses. Dies soll den Empfänger der Ware anregen, über sich selbst zu lachen und/oder sein Suchtverhalten zu reflektieren. Auch wenn die Zigarette rauchbar ist (siehe oben II.3), wird die kommunikative Botschaft, die mit der Ware übertragen werden soll, folglich durch die beschriftete Glasumhüllung vermittelt. Die einzelne Zigarette, die sich in der Umhüllung befindet, symbolisiert dagegen nur das menschliche Bedürfnis, um das es geht.

48

Auch wenn man - wie die Rechtsprechung es verlangt - den einen oder den anderen Bestandteil hinwegdenkt, ergibt sich die charakterbestimmende Bedeutung der Glasumhüllung. Wie dargelegt, wird die in der Ware verkörperte Botschaft durch diese Umhüllung transportiert. Nur durch sie wird die Parallele zu einem realen Alarmknopf hergestellt. Würde man sie hinwegdenken, verblieben lediglich eine einzelne handelsübliche Zigarette, deren einziger Zweck es ist, (völlig ironiefrei) geraucht zu werden. Ohne die Zigarette behält die Ware daher ihre charakteristischen Eigenschaften, der darin besteht, den Umgang mit einem Bedürfnis oder einer Sucht zu reflektieren. Die Zigarette ist nur ein Beispiel, könnte jedoch auch etwa durch Kaffeebohnen, Tee oder ein Kondom - als Symbol für den menschlichen Sexualtrieb - ersetzt werden. Der soziale Kontext der Ware darf berücksichtigt werden, weil er sich unmittelbar aus der Beschaffenheit der Ware, insbesondere der Aufschrift auf der Glasumhüllung, ergibt. Nur durch diese Beschaffenheit der Ware wird für jeden verständigen Erwachsenen ersichtlich, dass es nicht um das Rauchen einer einzelnen Zigarette geht, sondern die menschliche Nikotinsucht ironisch dramatisiert werden soll.

49

Die übrigen in der Rechtsprechung und den Erläuterungen zum HS genannten Topoi zur Ermittlung des charakterbestimmenden Merkmals sind im vorliegenden Fall unerheblich, weil die Ware nicht verwendet oder stofflich verwertet wird, sondern ein Symbol für menschliches Bedürfnis darstellt. In diesem spezifischen Kontext kommt es einzig darauf an, durch welchen Warenbestandteil die soziale Sinngebung konstruiert wird.

50

Rechtlich unerheblich ist, dass sich bei den am 14.12.2005 eingeführten Waren neben der Zigarette auch ein Streichholz in der Glasumhüllung befand. Das Streichholz kann nämlich nach dem Dargelegten nach keiner denkbaren Betrachtung charakterbestimmend sein.

51

1.5 Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass sich der charakterbestimmende Bestandteil nicht ermitteln ließe, wäre die Ware nach der AV 3 c) KN ebenfalls in das Kapitel 70 KN einzureihen. Diese Allgemeine Vorschrift bestimmt, dass für den Fall, dass eine Einreihung nach der AV 3 a) und 3 b) nicht möglich ist, die Ware in die zuletzt genannte der in Betracht kommenden Positionen einzureihen ist. Dies wäre hier eine Unterposition des Kapitels 70 KN, weil dieses Kapitel nach dem Kapitel 24 KN, in das Zigaretten eingereiht werden, steht.

52

1.6 Innerhalb des Kapitels 70 KN ist die Ware als "andere Waren aus Glas" (Position 7020 00 KN) in die Unterposition 7020 00 80 KN einzureihen, weil es sich weder um eine Reagenzröhre noch um eine andere Ware mit den in den Unterpositionen 7020 00 10/30 KN genannten Eigenschaften handelt.

53

In die Position 7020 00 KN ist die Ware einzureihen, weil eine Einreihung in eine speziellere Position des Kapitels 70 KN nicht in Betracht kommt. Eine Einreihung in die Position 7010 KN als "andere[s] Behältni[s] aus Glas zu Transport- oder Verpackungszwecken" scheidet aus, weil die Glasumhüllung keine Verpackung ist, sondern - wie dargestellt - einen Alarmknopf symbolisiert. Anders wäre es möglicherweise nur, wenn sie eine Sollbruchstelle hätte oder mit einem Verschluss versehen wäre.

54

Es handelt sich bei der Ware auch nicht um eine Ware der Position 7013 KN. Die aus dieser Position einzig denkbare "Glasware [...] zur Innenausstattung oder zu ähnlichen Zwecken" liegt nicht vor. Zu diesem Warenkreis gehören nach der deutschen Fassung der Erläuterungen zur Position 7313 HS Glaswaren für die Innendekoration und andere Glaswaren (einschließlich solcher für Kirchen usw.), wie Vasen, Zierschalen für Obst, Statuen, Fantasiegegenstände, Tischauflagen, Aquarien, Räucherschalen sowie Reiseandenken mit Ansichten (EZT-Nr. 05.1). Aus diesen Beispielen ergibt sich, dass eine Glasware zur Innenausstattung einen dekorativen Zweck haben muss. Ein solcher liegt bei der Ware nicht vor. Die äußere Form der Ware ist vielmehr die Verkörperung einer Idee. Die Ware verfügt auch nicht über Träger, die es - etwa wie bei einem Buddelschiff - ermöglichten, die Glasröhre so auf einer Oberfläche so positionieren, dass sie nicht wegrollen kann. Auch fehlt eine (Aufhänge-)Vorrichtung, die es ermöglichte, die Ware - genau wie bei einem echten Alarmknopf - an der Wand aufzuhängen.

55

2. Ausgehend von der Einreihung der Ware als andere Glasware der Unterposition 7020 0080 KN ist Zoll in Höhe von 3.707,53 € zu erstatten. Dies ergibt sich aus Folgendem: Ursprünglich wurde Zoll für die beiden Einfuhren vom 14.12.2005 und 10.04.2006 auf der Grundlage der Einreihung als Scherzartikel (2,7 % Zoll) vorläufig festgesetzt (123,09 € + 145,28 € = 268,37 €). Mit Bescheid vom 14.06.2007 wurde die Differenz zwischen dem vorläufig festgesetzten Zoll und dem Zoll, der sich bei einer Einreihung der Ware als Zigarette ergibt, nacherhoben. Da die Ware jedoch - wie dargelegt - eine Glasware der Unterposition 7020 00 80 KN und keine Zigarette ist, darf nur die Differenz zwischen dem Zoll für Scherzartikel (2,7 %) und dem Zoll, der auf Waren der Unterposition 7020 0080 KN entfällt (3,0 %), nacherhoben werden. Hieraus ergeben sich auf der Grundlage des im Nacherhebungsbescheid vom 14.06.2007 genannten Zollwerts beider Einfuhren in Höhe von insgesamt 9.939,75 € (...) die folgenden Beträge:

       

                 
        

Zollsatz 3,0 %:

 298,19 €    

        

Bereits erhoben (2,7 % Zoll):

 268,37 €

        

Nacherhebungsbetrag:

   29,82 €

56

Da tatsächlich mit dem Bescheid vom 14.06.2007 Zoll in Höhe von 3.737,35 € (1.714,12 € + 2.023,23 €) nacherhoben wurde, wurden 3.707,53 € (3.737,35 € - 29,82 €) zu viel erhoben. Dieser Betrag ist gemäß Art. 236 ZK zu erstatten.

IV.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis der begehrten Erstattung (9.883,69 €) zur tatsächlich gewährten Erstattung (3.707,53 €). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 115 Abs. 2 FGO).

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die Steuer entsteht vorbehaltlich des Satzes 2 zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr oder durch den unrechtmäßigen Eingang. Die Steuer entsteht nicht, wenn1.die Tabakwaren unmittelbar

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 1 Steuergebiet, Steuergegenstand


(1) Tabakwaren, erhitzter Tabak, Wasserpfeifentabak und Substitute für Tabakwaren unterliegen im Steuergebiet der Tabaksteuer. Steuergebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland. Die T

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 2 Steuertarif


(1) Die Steuer beträgt:1.für Zigarettena)vorbehaltlich der Buchstaben b bis e 12,28 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch den Betrag, der sich aus Absatz 2 ergibt;b)für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31.

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Bundesfinanzhof Beschluss, 23. Sept. 2014 - VII B 202/13

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Gründe 1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 11

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in den Jahren 2010 und 2011  96 Sendungen Warensortimente mit Ursprung in den USA in den zollrechtlich

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(1) Tabakwaren, erhitzter Tabak, Wasserpfeifentabak und Substitute für Tabakwaren unterliegen im Steuergebiet der Tabaksteuer. Steuergebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland. Die Tabaksteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung.

(2) Tabakwaren sind

1.
Zigarren oder Zigarillos: als solche zum Rauchen geeignete und auf Grund ihrer Eigenschaften und der normalen Verbrauchererwartungen ausschließlich dafür bestimmte, mit einem Deckblatt oder mit einem Deckblatt und einem Umblatt umhüllte Tabakstränge
a)
ganz aus natürlichem Tabak,
b)
mit einem äußeren Deckblatt aus natürlichem Tabak,
c)
gefüllt mit gerissenem Mischtabak, mit einem äußeren Deckblatt von normaler Zigarrenfarbe aus rekonstituiertem Tabak, das das Erzeugnis vollständig umhüllt, gegebenenfalls auch den Filter, nicht aber das Mundstück, wenn ihr Stückgewicht mindestens 2,3 Gramm und höchstens 10 Gramm und ihr Umfang auf mindestens einem Drittel ihrer Länge 34 Millimeter oder mehr beträgt;
2.
Zigaretten:
a)
Tabakstränge, die sich unmittelbar zum Rauchen eignen und nicht Zigarren oder Zigarillos nach Nummer 1 sind,
b)
Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben werden, oder
c)
Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang mit einem Zigarettenpapierblättchen umhüllt werden;
3.
Rauchtabak (Feinschnitt und Pfeifentabak): geschnittener oder anders zerkleinerter oder gesponnener oder in Platten gepresster Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet.

(2a) Erhitzter Tabak im Sinne dieses Gesetzes ist stückweise und einzeln portionierter Rauchtabak, der dazu geeignet ist, durch Inhalation eines in einer Vorrichtung erzeugten Aerosols oder Rauches konsumiert zu werden.

(2b) Wasserpfeifentabak im Sinne dieses Gesetzes sind Waren der Unterposition 2403 11 der Kombinierten Nomenklatur sowie Erzeugnisse für Wasserpfeifen, die keinen Tabak enthalten; Kombinierte Nomenklatur im Sinne dieses Gesetzes ist die Warennomenklatur nach Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256 vom 7.9.1987, S. 1), der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1602 (ABl. L 273 vom 31.10.2018, S. 1) geändert worden ist, in der am 1. Januar 2019 geltenden Fassung und der bis zu diesem Zeitpunkt zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 erlassenen Rechtsvorschriften.

(2c) Substitute für Tabakwaren im Sinne dieses Gesetzes sind andere Erzeugnisse als nach den Absätzen 2b und 8, die zum Konsum eines mittels eines Geräts erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet sind. Ausgenommen sind Erzeugnisse, die ausschließlich medizinischen Zwecken dienen und Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes sind.

(3) Stückgewicht nach Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c ist das Durchschnittsgewicht von 1 000 Stück ohne Filter und Mundstück im Zeitpunkt der Steuerentstehung.

(4) Tabakabfälle sind Rauchtabak, wenn sie zum Rauchen geeignet und für den Einzelverkauf aufgemacht sind sowie nicht Zigarren oder Zigarillos nach Absatz 2 Nummer 1 oder Zigaretten nach Absatz 2 Nummer 2 sind. Als Tabakabfälle im Sinn dieses Absatzes gelten Überreste von Tabakblättern sowie Nebenerzeugnisse, die bei der Verarbeitung von Tabak oder bei der Herstellung, Be- oder Verarbeitung von Tabakwaren anfallen.

(5) Rauchtabak ist Feinschnitt, wenn mehr als 25 Prozent des Gewichts der Tabakteile weniger als 1,5 Millimeter lang oder breit sind.

(6) Pfeifentabak gilt als Feinschnitt, wenn er dazu bestimmt ist, zur Selbstfertigung von Zigaretten verwendet zu werden.

(7) Als Zigarren oder Zigarillos gelten Erzeugnisse, die statt aus Tabak teilweise aus anderen Stoffen bestehen und die die sonstigen Voraussetzungen nach Absatz 2 Nummer 1 erfüllen.

(8) Als Zigaretten oder Rauchtabak gelten Erzeugnisse, die statt aus Tabak ganz oder teilweise aus anderen Stoffen bestehen und die sonstigen Voraussetzungen nach Absatz 2 Nummer 2 oder Nummer 3 erfüllen. Ausgenommen sind Erzeugnisse ganz aus anderen Stoffen als Tabak, die ausschließlich medizinischen Zwecken dienen und Arzneimittel im Sinn des Arzneimittelgesetzes in der jeweils geltenden Fassung sind.

(9) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Verfahrensvereinfachung sowie zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten zur Feststellung des Stückgewichts nach Absatz 3 festzulegen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Die Steuer entsteht vorbehaltlich des Satzes 2 zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr oder durch den unrechtmäßigen Eingang. Die Steuer entsteht nicht, wenn

1.
die Tabakwaren unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt werden,
2.
sich eine Steuerbefreiung anschließt oder
3.
die Einfuhrzollschuld nach Artikel 124 Absatz 1 Buchstabe e, f, g oder Buchstabe k des Unionszollkodex erlischt.

(2) Steuerschuldner ist

1.
jede Person nach Artikel 77 Absatz 3 des Unionszollkodex,
2.
jede andere Person, die an einem unrechtmäßigen Eingang beteiligt ist.
§ 15 Absatz 7 gilt entsprechend.

(3) Für das Erlöschen, in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 3, das Steuerverfahren und, wenn die Steuer nicht durch Verwendung von Steuerzeichen entrichtet wird, für die Fälligkeit, den Zahlungsaufschub sowie die Nacherhebung, den Erlass und die Erstattung, in anderen Fällen als nach den Artikeln 119 und 120 des Unionszollkodex gelten die Zollvorschriften sinngemäß. Abweichend von Satz 1 bleiben die §§ 163 und 227 der Abgabenordnung unberührt.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 finden für Tabakwaren in der Truppenverwendung, die zweckwidrig verwendet werden, die Vorschriften des Truppenzollgesetzes Anwendung.

(5) Für den Eingang von Tabakwaren aus einem der in Artikel 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie aufgeführten Gebiete in das Steuergebiet sind die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union vorgesehenen Formalitäten für den Eingang von Waren in das Zollgebiet der Union entsprechend anzuwenden.

(6) Für den unrechtmäßigen Eingang gilt Artikel 87 des Unionszollkodex sinngemäß.

(7) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, in Bezug auf Absatz 3 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen und die Besteuerung abweichend von Absatz 3 zu regeln, soweit dies zur Sicherung des Steueraufkommens oder zur Anpassung an die Behandlung im Steuergebiet hergestellter Tabakwaren oder wegen der besonderen Verhältnisse bei der Einfuhr erforderlich ist.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Die Steuer beträgt:

1.
für Zigaretten
a)
vorbehaltlich der Buchstaben b bis e 12,28 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch den Betrag, der sich aus Absatz 2 ergibt;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 10,88 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 22,276 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
c)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2024 11,15 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 22,888 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
d)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025 11,71 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 24,163 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
e)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis zum 14. Februar 2027 12,28 Cent je Stück und 19,84 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 25,106 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette;
2.
für Zigarren und Zigarillos
a)
vorbehaltlich Buchstabe b 1,4 Cent je Stück und 1,47 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 7,504 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarre oder des zu versteuernden Zigarillos;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 1,4 Cent je Stück und 1,47 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 6,632 Cent je Stück abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarre oder des zu versteuernden Zigarillos;
3.
für Feinschnitt
a)
vorbehaltlich der Buchstaben b bis e 61,58 Euro je Kilogramm und 17,40 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch den Betrag, der sich aus Absatz 3 ergibt;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 49,65 Euro je Kilogramm und 16,00 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 102,65 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
c)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2024 54,39 Euro je Kilogramm und 17,00 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 111,78 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
d)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2025 57,85 Euro je Kilogramm und 17,20 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 121,51 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
e)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2026 bis zum 14. Februar 2027 61,58 Euro je Kilogramm und 17,40 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 128,83 Euro je Kilogramm abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts;
4.
für Pfeifentabak
a)
vorbehaltlich Buchstabe b 15,66 Euro je Kilogramm und 13,13 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 26,00 Euro je Kilogramm;
b)
für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 15,66 Euro je Kilogramm und 13,13 Prozent des Kleinverkaufspreises, mindestens jedoch 24,00 Euro je Kilogramm;
5.
für erhitzten Tabak die Steuer nach Nummer 4 zuzüglich einer Zusatzsteuer, die sich bemisst aus 80 Prozent des Steuerbetrags nach Nummer 1 abzüglich des Steuerbetrags nach Nummer 4. Für die Berechnung nach Nummer 1 entspricht hierbei der jeweils stückweise und einzeln portionierte Rauchtabak einer Zigarette;
6.
für Wasserpfeifentabak die Steuer nach Nummer 4 zuzüglich folgender Zusatzsteuer
a)
für den Zeitraum 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022 15,00 Euro je Kilogramm;
b)
für den Zeitraum 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2024 19,00 Euro je Kilogramm;
c)
für den Zeitraum 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2025 21,00 Euro je Kilogramm;
d)
ab 1. Januar 2026 23,00 Euro je Kilogramm;
7.
für Substitute für Tabakwaren
a)
für den Zeitraum 1. Juli 2022 bis 31. Dezember 2023 0,16 Euro je Milliliter;
b)
für den Zeitraum 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024 0,20 Euro je Milliliter;
c)
für den Zeitraum 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2025 0,26 Euro je Milliliter;
d)
ab 1. Januar 2026 0,32 Euro je Milliliter.

(2) Die Steuer für Zigaretten entspricht mindestens dem Betrag (Mindeststeuersatz), der sich errechnet aus 100 Prozent der Gesamtsteuerbelastung durch die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Zigaretten abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises der zu versteuernden Zigarette, mindestens jedoch der Betrag, der sich aus Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe e ergibt. Zur Ermittlung der Steuerbelastung ist der am 1. Januar eines Jahres geltende Steuersatz maßgebend.

(3) Die Steuer für Feinschnitt entspricht mindestens dem Betrag (Mindeststeuersatz), der sich errechnet aus 100 Prozent der Gesamtsteuerbelastung durch die Tabaksteuer und die Umsatzsteuer auf den gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis für Feinschnitt abzüglich der Umsatzsteuer des Kleinverkaufspreises des zu versteuernden Feinschnitts, mindestens jedoch der Betrag, der sich aus Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe e ergibt. Zur Ermittlung der Steuerbelastung ist der am 1. Januar eines Jahres geltende Steuersatz maßgebend.

(3a) Für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 gilt für die Zwecke der Berechnung des Mindeststeuersatzes nach den Absätzen 1 bis 3 weiterhin der zum 1. Januar 2020 gültige Umsatzsteuersatz nach § 12 des Umsatzsteuergesetzes.

(4) Das Bundesministerium der Finanzen macht im Bundesanzeiger jeweils im Monat Januar eines Jahres mit Wirkung vom 15. Februar des gleichen Jahres die aus der Geschäftsstatistik (§ 34) für das Vorjahr ermittelten gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreise für Zigaretten und Feinschnitt für Zwecke der Berechnung der Mindeststeuer auf Zigaretten und Feinschnitt bekannt. Berechnungen zum Mindeststeuersatz für Zigaretten, Zigarren und Zigarillos sowie für Feinschnitt erfolgen jeweils auf drei Stellen nach dem Komma. Die Mindeststeuer für Zigaretten, Zigarren und Zigarillos sowie für Feinschnitt wird auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. L 176 vom 5.7.2011, S. 24) in der jeweils geltenden Fassung die Tabaksteuer auf Zigaretten sowie auf Feinschnitt durch Änderung des Absatzes 1 Nummer 1 und 3 zu erhöhen, wenn die in den Artikeln 10 und 14 dieser Richtlinie genannten Bestimmungen für die globale Verbrauchsteuer nicht mehr eingehalten werden. Dabei ist die erhöhte Tabaksteuer auf Zigaretten so festzusetzen, dass der Betrag des Stücksteueranteils gleich dem Betrag aus dem wertabhängigen Tabaksteueranteil und der Umsatzsteuer ist. Die so errechneten Steueranteile werden anschließend auf zwei Stellen nach dem Komma gerundet.

(6) Vorbehaltlich der Bestimmungen für die globale Verbrauchsteuer nach Absatz 5 Satz 1 wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung einer allein umsatzsteuerbedingten Tabaksteuermehrbelastung im Fall der Erhöhung der Umsatzsteuer den wertabhängigen Tabaksteueranteil der Steuersätze in Absatz 1 durch Multiplikation mit dem Quotienten

100 + Prozentpunkte alte Umsatzsteuer
100 + Prozentpunkte neue Umsatzsteuer


zu ändern. Dabei kann das Bundesministerium der Finanzen den Quotienten auf fünf Dezimalstellen runden und den neuen Tabaksteueranteil auf zwei Dezimalstellen aufrunden.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in den Jahren 2010 und 2011  96 Sendungen Warensortimente mit Ursprung in den USA in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Zugleich beantragte sie die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 des Zollkodex (ZK) und meldete die Waren unter der Unterpos. 6109 10 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) für T-Shirts an. Die Zollstelle nahm die Anträge an und fertigte die Waren antragsgemäß ab. Bei stichprobenhaften Beschaffenheitsbeschauen, die u.a. auch die hier zu beurteilenden Sendungen erfassten, hatte das Zollamt keine anderen Waren als T-Shirts festgestellt.

2

Eine Zollprüfung des Prüfungsdienstes des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) im Jahr 2012 bei der Klägerin ergab, dass die Sendungen als "Nylon Tricot Legging", "Nylon Tricot High-Waist Legging", "Printet Nylon Legging", "Shiny Legging" und "Shiny High-Waist Legging" bezeichnete Waren enthielten.

3

Bei diesen Waren handelte es sich um Bekleidungsstücke, die zu 100 % aus synthetischen Chemiefasern gewirkt waren. Die in Größen für Erwachsene konfektionierten Bekleidungsstücke waren hosenähnlich und wiesen knöchellange Beine ohne Fußteile auf. Sie hatten einen die Taille abschließenden elastischen Bund in unterschiedlicher Breite (2,5 bis 12,7 cm). An den Kleidungsstücken waren vorn weder eine Öffnung noch ein Verschluss, aber Nähte an den Innenseiten der Beine vorhanden. Merkmale, die auf einen bestimmten Trägerkreis hinwiesen, waren nicht feststellbar. Die Bekleidungsstücke konnten ohne Weiteres als eine lange, den Unterkörper bedeckende Hose getragen werden.

4

Der Prüfungsdienst reihte diese Waren in die Unterpos. 6104 63 00 KN ein und stellte fest, dass sich daraus neben dem Zollsatz von 12 % ein Zusatzzoll von weiteren 15 % ergebe. Das HZA folgte den Feststellungen und erhob von der Klägerin Einfuhrabgaben nach, in welchen --neben hier unstreitigen, auf fehlerhaften Zollwerten beruhenden, zu- und abgerechneten Zollbeträgen-- ein Zusatzzoll enthalten war.

5

Einspruch und Klage, mit welchen die Klägerin die Einreihung der Leggings in die Unterpos. 6406 90 90 KN, hilfsweise in die Unterpos. 6115 21 KN beanspruchte und geltend machte, der auf der Verordnung (EG) Nr. 673/2005 (VO Nr. 673/2005) des Rates vom 25. April 2005 zur Einführung zusätzlicher Zölle auf die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 110/1) beruhende Zusatzzoll sei auf die zutreffende Tarifposition nicht anwendbar, im Übrigen sei bei einer Einreihung auf Antrag nach Art. 81 ZK nur die Anwendung des in der KN vorgesehenen höchsten Zollsatzes gestattet, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der für die Nacherhebung der Zollschuld nach Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK maßgebliche Zollsatz ergebe sich nach Art. 20 Abs. 1 ZK aus dem Zolltarif, im Streitfall aus der VO Nr. 673/2005 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 317/2009 (VO Nr. 317/2009) der Kommission vom 17. April 2009 (ABlEU Nr. L 100/6), einer sonstigen Gemeinschaftsregelung i.S. des Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK, die für Waren der Unterpos. 6104 63 00 KN einen Zusatzzoll von 15 % des Wertes der eingeführten Waren vorsehe. Bei den streitgegenständlichen Leggings handele es sich um lange Hosen, aus Gewirken und Gestricken, für Frauen und Mädchen, die in die Pos. 6104 KN und innerhalb dieser Position aufgrund der synthetischen Spinnstoffe, aus denen sie bestehen, in die Unterpos. 6104 63 00 KN einzureihen seien.

6

Sie seien nicht als Waren der Pos. 6406 KN oder der Pos. 6115 KN einzureihen. Unter die Pos. 6406 KN fielen --u.a.-- Gamaschen und ähnliche Waren, aber keine hosenähnlichen Waren. Das ergebe sich auch aus den für die Auslegung maßgeblichen französischen und englischen Fassungen. Nach den Warenbezeichnungen in französischer Sprache handelt es sich bei "guêtres" um Gamaschen und Halbgamaschen, und bei "jambières" um Beinschienen, Beinschützer, Beinschutz, Gamaschen, sog. Legwarmer und Stulpen. In der englischen Fassung fänden sich neben "gaiters", das sind Stulpen oder Gamaschen, zwar "leggings and similar articles". Auch diese Bezeichnungen ließen aber nicht erkennen, dass die darunter fallenden Waren hosenähnlich sein dürften, nämlich ein zwei miteinander verbundenes, beide Beine und den Unterkörper bedeckendes Kleidungsstück sein könnten. Der Begriff "leggings" habe im Englischen zwei Bedeutungen: Zum einen bezeichne er gamaschenähnliche Kleidungsstücke, zum anderen sehr eng geschnittene Hosen für Frauen und Kinder. Letztere würden aber nicht von der Pos. 6406 KN erfasst. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den übrigen, von der Position erfassten Waren. Auch die Entwicklung der Pos. 6406 KN bestätige diese Auslegung. Vor dem Beitritt Großbritanniens sei die heutige Pos. 6406 in den Tarifnummern 64.05 für Schuhteile und 64.06 für Gamaschen, Schienbeinschützer und ähnliche Waren sowie Teile davon (Verordnung (EWG) Nr. 950/68 --VO Nr. 950/68-- des Rates vom 28. Juni 1968 über den gemeinsamen Zolltarif, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 172/1) erfasst gewesen; auf Französisch "Guêtres, jambières, molletières, protège-tibias et articles similaires et leurs parties". Die inhaltlich unveränderten Tarifnummern seien dann in der englischen Fassung des Gemeinsamen Zolltarifs (VO (EWG) Nr. 1/73 des Rates vom 19. Dezember 1972, ABlEG Nr. L 1/1) als "Gaiters, spats, leggings, puttees, cricet pads, shin-guards and similar articles, and parts thereof" übersetzt worden. Eine inhaltliche Änderung der Tarifnummer mit dem Ziel der Einbeziehung von Damenhosen sei damit nicht verbunden gewesen, unter Leggings seien nur Kleidungsstücke zu verstehen, die ein Bein ganz oder teilweise bedeckten, aber nicht miteinander verbunden seien.

7

Auch in den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 6406 KN Rz 14.0 würden die in der Klammer als Leggings bezeichneten Waren als Beinlinge, also nicht als Hosen oder hosenähnliche Kleidungsstücke beschrieben.

8

Bei den als Leggings bezeichneten Waren handele es sich auch nicht um Strumpfhosen der Pos. 6115 KN. Eine Strumpfhose sei eine aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte Unterleibsbekleidung. Dazu gehörten die streitgegenständlichen Waren jedoch nicht.

9

Das HZA sei auch berechtigt gewesen, in dem der Klägerin auf ihren Antrag bewilligten Verfahren nach Art. 81 ZK die Zollbelastung für alle Sendungen nach der höchsten Einfuhrabgabenbelastung, also mit dem Zusatzzoll nach der VO Nr. 673/2005 zu ermitteln. Die Klägerin hätte die in ihrem eigenen Warenwirtschaftssystem zutreffend unter der Unterpos. 6104 63 00 KN erfassten Leggings gesondert anmelden können.

10

Von der Nacherhebung könne auch nicht nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK abgesehen werden. Es habe keine Warenbeschau gegeben, auf Grund derer die Klägerin davon habe ausgehen können, für die Leggings falle kein Zusatzzoll an.

11

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor: Die Leggings seien als "ähnliche Waren" wie Gamaschen in die Unterpos. 6406 90 90 KN, hilfsweise als "Strumpfhosen" in die Unterpos. 6115 21 KN einzureihen.

12

Für die Einreihung in die Pos. 6406 KN spreche die Verwendung des Begriffs "legging" in der englischen Sprachfassung und auch für das französische Wort "jambières" werde in Wörterbüchern als Synonym der Begriff "leggings" angegeben. Angesichts dieser eindeutigen Wortlaute habe das FG seine Auslegung nicht auf einen systematischen Vergleich der Ware mit den übrigen von der Position erfassten Waren stützen dürfen. Auf die Entwicklung des Gemeinsamen Zolltarifs der EWG dürfe zur Auslegung der KN nicht zurückgegriffen werden, da die KN nicht auf der VO Nr. 950/68, sondern auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren beruhe und sich im Übrigen --wie der gegenüber der Tarifnummer 64.06 ("gaiters, spats, leggings, puttees, cricet pads, shin-guards and similar articles, and parts thereof") verkürzte Wortlaut der Pos. 6406 KN ("gaiters, leggings and similar articles, and parts thereof") zeige-- die zolltarifliche Rechtslage gegenüber dem Gemeinsamen Zolltarif geändert habe.

13

Den Klammerzusatz "leggings" zum Begriff Beinlinge in den ErlHS zu Pos. 6406 Rz 14.0 interpretiere das FG falsch, er sei als Ausweitung des Begriffs "Beinlinge" auf hosenähnliche Beinkleider zu verstehen.

14

Hilfsweise seien die Leggings als Strumpfhosen in die Unterpos. 6115 21 KN einzureihen.

15

Die Klägerin hält im Übrigen die Anwendung des Zusatzzolls der VO Nr. 673/2005 gemäß Art. 81 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK auf sämtliche Waren der jeweiligen Sendung nicht für gerechtfertigt. Das FG verkenne, dass sich die VO Nr. 673/2005 und Art. 81 ZK widersprächen. Gemäß Art. 2 VO Nr. 673/2005 finde der Zusatzzoll ausschließlich auf die in Anhang I genannten Waren Anwendung. Nur so sei gewährleistet, dass die zusätzlichen Zölle 72 % der jährlichen Auszahlungen der USA aus vereinnahmten Antidumping- und Ausgleichszöllen an die geschädigten US-amerikanischen Unternehmen nicht übersteigen, was nach der Entscheidung des Schiedsgerichts der World Trade Organisation (WTO) vom 31. August 2004 (WT/DS217/ARB/EEC) Bedingung für die Erhebung der zusätzlichen Zölle sei. Die bei Anwendung des Art. 81 ZK sich ergebende Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der VO Nr. 673/2005 gelistete Waren, führe zu einer Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags. Bei der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung von Unionsrecht müsse der Zusatzzoll bei der Ermittlung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung der Waren einer Sendung nach Art. 81 ZK außer Betracht bleiben.

16

Außerdem sei die Zulassung der vereinfachten Einreihung nach Art. 81 ZK rechtswidrig gewesen, weil Aufwand und Kosten der Einzelanmeldungen angesichts der hohen Zollsätze für Textilien nicht außer Verhältnis zur Höhe der Einfuhrabgaben stünden. Auch deshalb sei die Anwendung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung rechtswidrig.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2013 aufzuheben.

18

Das HZA schließt sich der Rechtsauffassung des FG an und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

20

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

21

Für die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten in 96 Sendungen zusammengefassten Warensortimente ist, da die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 ZK antragsgemäß bewilligt war, eine Zollschuld entstanden, die wegen der in den Sendungen enthaltenen Leggings zu einem Zollsatz von 12 % und gemäß Art. 2 VO Nr. 673/2005 i.V.m. Unterpos. 6104 63 00 KN zu einem Zusatzzoll von 15 % führt. Da der entsprechende Abgabenbetrag für die streitigen Einfuhren seinerzeit nicht buchmäßig erfasst wurde, ist er gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.

22

1. Die Voraussetzungen einer vereinfachten Einfuhrabgabenerhebung gemäß Art. 81 ZK liegen vor. Die Klägerin hat die in den Einfuhrsendungen enthaltenen Waren einheitlich als solche angemeldet, auf die der jeweils höchste Abgabensatz entfällt, und diese Zollanmeldungen sind angenommen worden. Daran muss sie sich festhalten lassen. Die Voraussetzungen für eine Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gemäß Art. 66 Abs. 2 ZK i.V.m. Art. 251 der Zollkodex-Durchführungsverordnung sind schon hinsichtlich der dort vorgesehenen Antragsfristen nicht erfüllt.

23

2. Bei der Ermittlung der auf die Waren des jeweiligen Sortiments entfallenden höchsten Einfuhrabgabenbelastung war auch der Zusatzzoll aus der VO Nr. 673/2005 zu berücksichtigen, sofern eine der Waren von einer im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Tarifbezeichnungen erfasst war. Die Vereinfachungsvorschrift des Art. 81 ZK betrifft (nur) die Einfuhrabgaben i.S. des Art. 4 Nr. 10 ZK (vgl. Weymüller in Dorsch, Zollrecht, Art. 81 ZK Rz 38), also nach dem hier maßgeblichen Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK "Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren". Darunter fällt auch der Zusatzzoll gemäß der VO Nr. 673/2005. Denn der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK die sonstigen zolltariflichen Maßnahmen der Union, also auch die sog. Retorsionszölle, die im Fall von Handelsstreitigkeiten festgelegt werden, wie es mit der VO Nr. 673/2005 geschehen ist (so auch Lux in Dorsch, Zollrecht, Art. 20 ZK Rz 33).

24

Mit ihrem Einwand, die Anwendung der unter Einbeziehung des Zusatzzolls ermittelten höchsten Abgabenbelastung auf alle Waren einer Sendung führe zu einer Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der VO Nr. 673/2005 gelistete Waren und damit zu einer von der Genehmigung der Zusatzzölle durch das Schiedsgericht der WTO nicht mehr gedeckten Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags, macht die Klägerin keine Verletzung eines eigenen subjektiv-öffentlichen Rechts geltend, auf welches allein sie die Anfechtung der Nacherhebung stützen kann. Da Art. 81 ZK den Begriff Einfuhrabgabenbelastung verwendet und damit nach den Definitionen der Art. 4 Nr. 10 und Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK sonstige zolltarifliche Maßnahmen der Gemeinschaft bzw. Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle einbezieht, sind Zusatzzölle wie solche des Streitfalls bei der Ermittlung der "höchsten Einfuhrabgabenbelastung" i.S. des Art. 81 ZK nicht ausgenommen. Anderenfalls ließen sich mithilfe dieses für Sammelsendungen unterschiedlicher Waren vorgesehenen vereinfachten Einreihungsverfahrens Zusatzzölle für bestimmte in solchen Sendungen enthaltene Einfuhren umgehen.

25

Trotz der seitens der Kommission mit Schreiben vom 27. September 2013, auf das sich die Revision beruft, geäußerten Rechtsmeinung hält der Senat in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Art. 81 ZK sowie des Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK die Auslegung jener Vorschrift auch im Hinblick auf die mit der VO Nr. 673/2005 verfolgten Ziele für zweifelsfrei und sieht keinen Grund, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einzuholen.

26

Ist das vereinfachte Einreihungsverfahren gemäß Art. 81 ZK beantragt und bewilligt, tritt die gesetzliche Folge ein, dass der für bestimmte in der Sendung enthaltene Waren vorgesehene höchste Einfuhrabgabensatz --und damit ebenso der für solche Waren zu erhebende Strafzoll-- auch auf Waren anzuwenden ist, für die eigentlich kein Strafzoll, sondern ein geringerer Abgabensatz gilt. Hätte der Unionsgesetzgeber diese Rechtsfolge für von der VO Nr. 673/2005 nicht erfasste Waren vermeiden wollen, hätte es nahe gelegen, in dieser Verordnung die Anwendung des Art. 81 ZK auszuschließen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat der Unionsgesetzgeber mit Art. 3 VO Nr. 673/2005 eine andere Regelung zur Einhaltung des vorgesehenen Kompensationsbetrags vorgesehen. Es kommt daher nicht in Betracht, für von der VO Nr. 673/2005 nicht erfasste Waren die Rechtsfolge des Art. 81 ZK trotz Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht eintreten zu lassen mit der Folge, dass die Erhebung des Zusatzzolls auch für in der Einfuhrsendung enthaltene Waren der VO Nr. 673/2005 unterbleibt.

27

3. Dem Einwand der Klägerin, es sei unverhältnismäßig, die gesamte Warenmenge mit dem Zusatzzoll zu belegen, ist nicht zu folgen (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1989 VII R 10/87, BFHE 158, 200, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1990, 48, zu § 79 Abs. 2 des Zollgesetzes 1961). Der Anmelder kann Einfuhrwaren mit besonders hoher Abgabenbelastung ausschließen, indem er diese Waren getrennt anmeldet, oder er kann für eine Warengruppe angeben, dass bestimmte Waren in dieser nicht enthalten sind (vgl. Weymüller in Dorsch, a.a.O., Art. 81 ZK Rz 37).

28

4. Auf die streitgegenständlichen Waren ("Leggings") entfällt der Zusatzzoll nach Art. 2 VO Nr. 673/2005 (für die Einfuhren des Jahres 2009 i.d.F. der VO Nr. 317/2009) i.V.m. deren Anhang I auf Waren der Unterpos. 6104 63 00 KN.

29

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-558/11, ZfZ 2013, 41, Rz 29, m.w.N.) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (s. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN 1 und 6).

30

a) Von der Unterpos. 6104 63 00 KN werden u.a. lange Hosen aus Gewirken und Gestricken aus synthetischen Chemiefasern für Frauen oder Mädchen erfasst.

31

aa) Nach den Feststellungen des FG handelte es sich bei den in Warensendungen enthaltenen Leggings um Kleidungsstücke aus zwei miteinander verbundenen Beinteilen, die beide Beine und den Unterkörper bedecken, mit Nähten an den Innenseiten der Beinteile, einem breiten Bund und ohne Fußteile, und die ohne Weiteres als lange, den Unterkörper bedeckende Hosen getragen werden können. Diese tatrichterliche Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sie erscheint vielmehr durchaus nachvollziehbar. Die Klägerin setzt ihr auch lediglich ihre eigene --abweichende-- Wertung entgegen, die Leggings seien als Oberbekleidung nicht geeignet.

32

bb) Die Leggings fallen auch nicht unter die Anmerkung 1 Buchst. n zu Abschn. XI, wonach Gamaschen und ähnliche Waren des Kapitels 64 aus diesem Abschnitt ausgewiesen sind.

33

Von der Pos. 6406 KN sind in der deutschen Sprachfassung erfasst "Schuhteile ...; Einlegesohlen, Fersenstücke und ähnliche herausnehmbare Waren; Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon". Leggings sind nicht genannt. Zwar taucht dieser Begriff in den ErlHS zu Pos. 6406 unter "II) Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon" in Rz 14.0 als Synonym für Beinlinge ("Leggings") auf, die den sog. Beinschützern ähnlichen Waren --wie Wadengamaschen (einschließlich Wickelgamaschen), Stutzen, Trachtenstrümpfe usw., ohne Fußteil und mit oder ohne Steg-- zugeordnet werden. Es ist allerdings offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung, dass die von der Klägerin eingeführten Leggings keine diesen Kleidungsstücken ähnliche Waren sind. Aus der englischen Sprachfassung der Pos. 6406 KN folgt nichts anderes.

34

b) Bei den als Leggings bezeichneten Waren handelt es sich auch nicht um Strumpfhosen der Pos. 6115 KN.

35

Weder aus dem Wortlaut der Positionen der KN noch aus den Anmerkungen ergeben sich Definitionen oder klare Abgrenzungskriterien für Strumpfhosen und lange Hosen.

36

Gleichwohl tragen diese Waren ihre Definition in sich. Sie ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.

37

Strumpfhosen sind eng an Fuß, Bein und Unterleib anliegende, gewirkte oder gestrickte Hosen (besonders für Frauen und Kinder), die wie ein Strumpf angezogen werden. Dementsprechend hat das FG zutreffend herausgearbeitet, dass Strumpfhosen aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte, typischerweise --wie Strümpfe-- rundgewebte Unterleibsbekleidungen sind. Strumpfhosen weisen eine besondere, machartbedingte Passform auf, sie passen sich eng anliegend der Körperform an.

38

Dieser Definition entsprechen die streitigen Kleidungsstücke schon nicht, weil sie keinen Strumpf, d.h. keinen den Fuß umhüllenden Teil aufweisen. Auf die übrigen vom FG zur Unterscheidung von Hosen und Strumpfhosen herangezogenen Merkmale --wie Längsnähte an den Innenseiten oder fehlende Angaben zur Feinheit der verwendeten Garne-- braucht daher nicht eingegangen zu werden.

39

5. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK sind nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen im FG-Urteil Bezug genommen.

40

6. Ist das Urteil nach alledem revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, so ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

2

Die Klägerin hat die Rechtsfrage formuliert:
"Sind in einer Tintenpatrone enthaltene mechanische Bauteile (Bongo-Pumpe, Feder, Ventil) und/oder ein elektronischer Chip als wesentliche Bauteile im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C-250/05 ('Turbon II', Urteil vom 26. Oktober 2006, Slg. 2006, I-10531) sowie der einschlägigen Erläuterungen zu Position 3215 und 8443 dahin zu verstehen, dass eine Tintenpatrone ohne integrierten Druckkopf, die solche Bestandteile enthält, als Teil eines Druckers in Pos. 8443 einzureihen sind?"

3

Diese Rechtsfrage gibt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie eine Fortbildung des Rechts durch den Bundesfinanzhof (BFH), da sie weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig ist. Denn nach dem vom Finanzgericht (FG) festgestellten und von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Sachverhalt handelt es sich bei diesen Bestandteilen nur um solche, die Hilfsfunktionen bei der Bereitstellung der Tinte für den jeweiligen Druckvorgang erfüllen, während die Tinte der streitgegenständlichen Kartusche deren wesentlichen Charakter ausmacht. Nach dieser Würdigung des FG haben die Bestandteile keine für die Funktion des Druckers maßgebliche Bedeutung.

4

Im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Slg. 2006, I-10531, nach der die Einreihung einer Tintenpatrone unter Anwendung der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3 b für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur vorzunehmen ist, stellt auch die Klägerin nicht infrage, dass die Einreihungsentscheidung davon abhängt, ob die Kartusche Bestandteile aufweist, die dazu dienen, den Drucker, in den sie eingesetzt werden, als solchen in Funktion zu setzen. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist insoweit nicht ersichtlich; die sich im Zusammenhang mit der AV 3 b und dem charakterbestimmenden Bestandteil einer Ware ergebenden Rechtsfragen sind geklärt (BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 VII B 121/07, BFH/NV 2008, 1015).

5

Die Entscheidung, ob die von der Klägerin hervorgehobenen Bestandteile der Kartusche ihr den Charakter eines Teils oder Zubehörs für Drucker verleihen, ist letztlich der Gesamtwürdigung und Gewichtung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile durch das FG vorbehalten, die auf tatsächlichem Gebiet liegen und daher keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwerfen.

6

Mit den Argumenten, die die Klägerin gegen die Entscheidung des FG vorbringt, setzt sie letztlich ihre Auffassung, dass die von ihr für maßgeblich gehaltenen Bestandteile Funktionen ausüben, die über das Bereitstellen von Tinte hinausgehen, der gegenteiligen Auffassung des FG entgegen. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils einschließlich der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls wird kein Grund für die Zulassung der Revision dargelegt. Denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 VII B 57/11, BFH/NV 2012, 1623).

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.