Finanzgericht Hamburg Urteil, 09. Sept. 2015 - 4 K 141/14

bei uns veröffentlicht am09.09.2015

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll und Drittlandszoll für die Einfuhr von Aluminiumrädern.

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Am 26.07.2011 meldete die Klägerin beim Zollamt A des Beklagten (ZA) unter der Zollanmeldung Nr. AT/S/00/...-1 die sich im Container XX befindlichen 1.078 Kartons Aluminiumräder der Unterposition 8708 7050 10 0 KN zur Abfertigung für den zollrechtlich freien Verkehr an. Unter Vorlage eines Ursprungszeugnisses Form A beantragte sie die Gewährung der Allgemeinen Zollpräferenz für Waren malaysischen Ursprungs.

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Das ZA nahm die Anmeldung ungeprüft an und überließ die Ware unter Gewährung der beantragten Zollpräferenz. Da zu diesem Zeitpunkt Waren der genannten KN-Position aus Malaysia zollfrei eingeführt werden konnte, wurden mit Einfuhrabgabenbescheid AT/C/42/...-2 vom 26.07.2011 keine Einfuhrabgaben erhoben.

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Nachdem eine Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) zu dem Ergebnis gekommen war, dass Aluminiumräder, die aus der malaysischen "Free Commercial Zone Port Klang" (Freizone) in die EU eingeführt wurden, tatsächlich ihren Warenursprung in der Volksrepublik (VR) China hätten, erhob der Beklagte mit Bescheid Nr. AT/S/00/...-3 vom 24.06.2013, zugestellt am 02.07.2013, Drittlandszoll in Höhe von 1.740,49 € und Antidumpingzoll in Höhe von 8.625,08 €, insgesamt 10.365,57 €, nach. Zollamtliche Ermittlungen hätten ergeben, dass die eingeführte Ware ihren Ursprung tatsächlich in der VR China habe, und sie in der Freizone lediglich zwischengelagert worden sei. Ein Ursprungswechsel habe nicht stattgefunden.

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Mit einem als "Berufung" bezeichneten Schreiben vom 23.07.2013, eingegangen am 31.07.2013, legte die Klägerin gegen den Nacherhebungsbescheid vom 24.06.2013 Einspruch ein. Art. 220 ZK sei ungültig. Anzuwenden sei vielmehr der in der Verordnung (EU) Nr. 2008/450 niedergelegte Modernisierte Zollkodex, gegen dessen Art. 23 verstoßen worden sei. Dem Nacherhebungsbescheid fehlten eine ausreichende Begründung sowie die Angabe einer Rechtsgrundlage. Somit habe der Beklagte nicht bewiesen, dass die Ware nicht aus der VR China, sondern aus Malaysia stamme.

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Mit Schreiben vom 21.10.2013 bekräftigte die Klägerin ihren Einspruch. Die Richtigkeit der Ausstellung eines Ursprungszeugnisses sei am Tag der Zollabfertigung bestätigt worden. Dies könne nicht später für ungültig erklärt werden.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2014, zugestellt am 14.07.2014, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Zollkodex sei noch immer in Kraft. Art. 220 ZK sei auch eine eigenständige Rechtsgrundlage, weil der Zollkodex eine Verordnung i. S. v. Art. 288 AEUV sei. Bei der Überführung in den freien Verkehr sei die Ware nicht überprüft worden. Nach Art. 78 Abs. 1 ZK seien die Zollbehörden berechtigt, nach Überlassung der Ware von Amts wegen die Zollanmeldung zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nachdem amtliche Stellen der EU festgestellt hätten, dass die von der Klägerin eingeführten Aluminiumfelgen nicht in Malaysia, sondern in der VR China hergestellt und lediglich in der malaysischen Freizone ohne weitere Bearbeitung zwischengelagert worden seien, sei die Zollfreiheit entfallen, da die Voraussetzung für die Präferenzbehandlung nicht mehr gegeben gewesen seien. Die bloße Lagerung von Waren stelle keine ausreichende Be- oder Verarbeitung i. S. v. Art. 72, 76 und Anhang 13a ZK-DVO dar. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass die Ware in Malaysia bearbeitet worden sei. Für die Aluminiumfelgen der Unterposition 8708 7050 10 0 KN mit chinesischem Ursprung sei Drittlandszoll in Höhe von 4,5 % und ein Antidumpingzoll in Höhe von 22,3 % zu erheben gewesen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Der Nacherhebungszeitraum von drei Jahren sei noch nicht abgelaufen. Ein aktiver Irrtum der Zollbehörden habe nicht vorgelegen. Der Container, in dem sich die Aluminiumfelgen befunden hätten, sei ungeprüft abgefertigt worden.

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Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin am 01.08.2014 Klage erhoben. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Ware in der Freizone lediglich zwischengelagert worden sei. Ein knapper Verweis auf die zollamtlichen Ermittlungen sei nicht ausreichend. In der Steuerakte, die die Klägervertreterin eingesehen habe, habe sich lediglich ein Schreiben des ZKA B vom 10.06.2013 nebst einer Tabelle befunden. Hieraus ergebe sich nicht der Ursprung der Ware. Es sei auch kein chinesischer Lieferant identifiziert worden. Die Klägerin habe eine Handelsrechnung, ein Ursprungszeugnis und die Bill of Lading vorgelegt. Auch aus der vorgelegten Packliste ergebe sich der malaysische Ursprung der Ware.

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Die Klägerin bezieht sich auf eine Stellungnahme von C ... (Bl. 43 der Akte) Danach seien die Aluminiumfelgen in der Freizone nicht nur umgepackt worden. Es seien Zubehörteile wie Nabenringe (hub ring), Muttern (nuts) und Radkappen (wheel caps) beigefügt und Logos (emblems) angebracht worden. Außerdem sei eine Endbearbeitung (finishing job), z. B. Polieren und Bohren von Felgenlöchern (PCD [pitch circle diameter] hole) vorgenommen worden.

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Die Klägerin beantragt,
1. den Einfuhrabgabenbescheid Nr. AT/S/00/...-3 vom 24.06.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.06.2014 (RBL ...) aufzuheben;
2. die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Der Nachweis des chinesischen Ursprungs der Waren sei durch die OLAF-Ermittlungsergebnisse erbracht. Ausweislich dessen allgemeinen Berichtes über die Freizone würden dort alle aus Übersee ankommenden Waren im sog. ZB1-Register für Wareneingänge und alle von dort nach Übersee verschifften Waren im ZB2-Register erfasst. Bei den ausgehenden Waren müsse der Versender eine ZB2-Meldung einreichen, in der er die Nummer der entsprechenden ZB1-Meldung anzugeben habe. Mithin würden Waren, die erst im ZB1-Register und danach ins ZB2-Register aufgenommen würden, lediglich weiterverschifft. OLAF habe alle Aluminiumräder, für die sowohl eine ZB1- als auch eine ZB2-Meldung vorgelegen hätten, in sog. Masterlisten zusammengefasst und sie mit den entsprechenden Feststellungen an die EU-Mitgliedstaaten versandt. Auch die Zollanmeldung, mit der die Klägerin den Container XX 2011 in den freien Verkehr überführt habe, sei in dieser Liste enthalten.

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Waren, die aus dem Zollgebiet Malaysias in die Freizone eingeführt würden, würden nicht in einem ZB-Register, sondern im sog. K-Register (K1 für Einfuhren und K2 für Ausfuhren) erfasst. In der Freizone selbst dürften ausschließlich einfachste gewerbliche Tätigkeiten wie Umladen, Ver- oder Umpacken, Sortieren und Etikettieren sowie Reparaturen durchgeführt werden, die in keinem Fall ursprungsbegründend seien. In seinem Mission Report habe OLAF auch den Exporteur D als an den Umgehungseinfuhren beteiligtes Unternehmen benannt. Dieses Unternehmen habe nachweislich 140 Container aus der VR China in die Freizone verschifft. Diese Container seien in der Transshipment-Liste im Anhang 12 zum Mission Report OF/...-1 erfasst. Hierin befinde sich auch die hier in Rede stehende Sendung. Die vorgelegten Unterlagen entkräfteten diese Feststellung nicht. Der Seefrachtbrief dokumentiere den unstreitigen Transport der Waren von der Freizone nach E per Seeschiff. Das vorgelegte Ursprungszeugnis Form A sei zwar echt, enthalte aber falsche Angaben des angeblichen malaysischen Ausführers. Aus dem auszugsweise in deutscher Übersetzung vorgelegten OLAF-Abschlussbericht OF/...-2 ergebe sich das allgemeine Verfahren bei den Umgehungseinfuhren aus der Freizone. Im Mission Report OF/...-1 seien im Anhang 12 die Zwischenlieferungen von Aluminiumfelgen bezeichnet. Ein Absehen von der Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b) ZK scheide aus. Die in Malaysia für die Ausstellung der Ursprungszeugnisse zuständigen Behörden seien durch falsche Angaben der Ausführer über den tatsächlichen Warenursprung in betrügerischer Absicht getäuscht worden.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (Bl. 31, 42 der Akte).

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Bei der Entscheidung haben die Sachakten des Beklagten (1 Hefter Steuerakte sowie 1 Sachaktenhefter "Berichte des OLAF") vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

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Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 90 Abs. 2 FGO).

II.

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Einfuhrabgabenbescheid Nr. AT/S/00/...-3 vom 24.06.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

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Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung von Antidumpingzoll ist Art. 220 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK). Anders als die Klägerin meint, ist der Zollkodex noch anwendbar, da der in der Verordnung (EU) Nr. 2008/450 niedergelegte Modernisierte Zollkodex nie in Kraft getreten ist. Gemäß Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK hat die buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist. Bisher nicht buchmäßig erfasst wurde der Antidumpingzoll (dazu 1.) sowie der nichtpräferenzielle Drittlandszoll (dazu 2.). Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen (dazu 3.).

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1. Nicht erhoben wurde Antidumpingzoll in Höhe von 22,3 % gemäß Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 964/2010 des Rates vom 25.10.2010 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Fahrzeugräder aus Aluminium mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. EU L 282/1; im Folgenden: Verordnung Nr. 964/2010). Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von Rädern aus Aluminium für Kraftfahrzeuge, auch mit Zubehör, auch mit Reifen, mit Ursprung in der VR China, die derzeit unter den KN-Codes ex 8708 7010 und ex 8708 7050 eingereiht werden. Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung beträgt der endgültige Antidumpingzollsatz auf den Nettopreis frei Grenze unverzollt 22,3 %. Die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 964/2010 liegen vor.

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1.1 Die Verordnung Nr. 964/2010 ist zeitlich ab dem 29.10.2010 anwendbar (Art. 5 der Verordnung Nr. 964/2010). Die hier in Rede stehende Einfuhr fand am 27.06.2011 statt.

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1.2 Der Einzelrichter ist gemäß § 96 Abs. 1 S. 1 FGO davon überzeugt, dass die eingeführte Ware chinesischen Ursprungs ist. Der insoweit beweisbelastete Beklagte (BFH, Urt. v. 15.07.1986, VII R 145/85, juris, Rn. 15; FG Hamburg, Urt. v. 30.08.2005, IV 337/02, juris, Rn. 26; Urt. v. 02.03.2011, 4 K 25/10, S. 13 UA [n. v.]; Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 12 BA [n. v.]; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13, juris, Rn. 28) hat diesen Nachweis geführt. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem OLAF-Abschlussbericht OF/...-2, dem Mission Report OF/...-1 nebst Anlage 12 sowie dem Abschlussbericht (Final Report) OF/...-1. Im Einzelnen:

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Mithilfe der von den malaysischen Behörden zur Verfügung gestellten Daten konnte OLAF den Reiseweg von 904 Containern mit Aluminiumrädern - darunter der hier in Rede stehende Container - (insbesondere OF/...-1, S. 10) nachvollziehen. Wie sich aus den überzeugenden Erläuterungen im OLAF-Abschlussbericht OF/...-2, S. 6, ergibt, lässt sich der Wareneingang in die Freizone anhand einer ZB1-Nummer verfolgen. Auf dieser Grundlage ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass - wie es sich aus Anlage 12 ergibt - die hier in Rede stehende Ware ursprünglich mit dem Container YY unter der ZB1-Nr. ... aus der VR China in die Freizone eingeführt wurde. Exporteur war die Firma F. Weiter ergibt sich aus der ZB2-Meldung, bei der die entsprechende ZB1-Nummer angegeben werden musste, dass die Ware im Container XX am 21.06.2011 aus der Freizone exportiert wurde. Ernsthafte Zweifel an der Datenerhebung und Verknüpfung der Wareneingänge und -ausgänge hat der Einzelrichter nicht (siehe auch FG Hamburg, Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 14 BA [n. v.]).

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Dafür, dass die Aluminiumräder in China hergestellt wurden, sprechen auch die Informationen, die im Internet über den Ausführer, die Fa. F, erhältlich sind. Nach dem Firmenprofil auf der Internetseite http://... lautet die vollständige Firma des in der Stadt G, Provinz H, ansässigen Unternehmens "F ... Co., Ltd." Es handele sich um ein 2001 gegründetes Unternehmen mit ca. 500 Mitarbeitern. Hauptprodukte seien 12-26 Zoll Aluminiumräder in über 300 Ausführungen, die nach Nordamerika, Europa, den Mittleren Osten und Japan ausgeführt würden. Das Unternehmen stelle jährlich ca. 800.000 Räder her. Letztlich hat die Klägerin selbst durch Vorlage des Schreibens vom 02.06.2015 von C ... (C) - dem Importeur der aus der VR China stammenden Ware - eingeräumt, dass die Aluminiumräder nicht in Malaysia hergestellt worden sind, sondern dort angeblich (nur noch) durch Zubehör ergänzt, poliert und mit Löchern versehen worden seien. Auch wenn sich aus den OLAF-Berichten nicht nachvollziehen lässt, wie lange sich die Ware in der Freizone befand, ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass in dieser Zeit keine ursprungsbegründende Bearbeitung der Ware stattgefunden hat. Nach den Angaben der Verwaltung der Freizone ist jede Form der Warenverarbeitung verboten, so dass keine ursprungsbegründenden Tätigkeiten stattfinden dürfen. Nach den Feststellungen der OLAF-Berichte sind die Aluminiumräder aus der VR China in die Freizone transportiert worden, dort umgepackt und in die Union ausgeführt.

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Aus dem Schreiben von C ergibt sich ebenfalls kein malaysischer Ursprung der Ware. Das Schreiben legt schon nicht hinreichend substantiiert dar, auf welche Waren es sich konkret beziehen soll. Außerdem wird nicht deutlich, in welchem Verhältnis die C zum Verkäufer der Ware, der D, steht. Es wird ebenfalls nicht dargelegt, wie es angesichts des im OLAF-Bericht genannten Verbots der Warenbearbeitung insbesondere zum Bohren der Felgenlöcher kommen konnte. Selbst wenn die im Schreiben vom 02.06.2015 gemachten Angaben zuträfen, würde dies nicht zur Begründung des malaysischen Ursprungs der Ware führen. Da die Ware unter Inanspruchnahme des Allgemeinen Präferenzsystems eingeführt wurden, richtet sich der Ursprungserwerb nach Art. 27 ZK in Verbindung mit Art. 75 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253/1; im Folgenden: ZK-DVO). Danach können die von C beschriebenen Tätigkeiten den malaysischen Ursprung der Ware nicht begründen. Durch das angebliche Hinzufügen der Zubehörteile wurden die Aluminiumräder nicht zu einem malaysischen Produkt, weil die Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 1 i. V. m. Anhang 13a ZK-DVO nicht erfüllt sind. Nach Teil II von Anhang 13a ZK-DVO müssen Waren "ex Kapitel 87", soweit es - wie hier - nicht um die Herstellung in einem Least Developed Country (LDC) geht, im begünstigten Land hergestellt werden, wobei der Wert der verwendeten Materialien 50 % des Ab-Werk-Preises der hergestellten Ware nicht überschreiten darf. Dies wäre hier nicht der Fall, da die Muttern, Ringe und Radkappen nur einen Bruchteil des Wertes der Aluminiumräder selbst haben. Das angebliche Bohren von Felgenlöchern ist nicht ursprungsbegründend, da es sich nicht um ein "Herstellen", sondern um eine Bearbeitung handelt. Das angebliche Polieren der Räder hat ebenfalls keine ursprungsbegründende Wirkung, da diese Tätigkeit in Art. 78 Abs. 1 Buchst. e) ZK-DVO ausdrücklich als nicht ursprungsbegründend genannt ist. Gleiches gilt für das Aufbringen von Logos (Art. 78 Abs. 1 Buchst. l) ZK-DVO).

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Die im Schreiben von C vom 02.06.2015 genannten Vorgänge würden auch dann den malaysischen Ursprung nicht begründen können, wenn man die nichtpräferenziellen Ursprungsregeln zugrunde legte. Da es für Aluminiumräder der Unterposition 7808 70 KN keine spezifischen Vorschriften gibt, findet die Generalklausel des Art. 24 ZK Anwendung. Danach ist eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dies der Fall, wenn das aus der Bearbeitung hervorgegangene Erzeugnis besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die es vor dieser Be- oder Verarbeitung nicht hatte. Vorgänge, welche die Aufmachung eines Erzeugnisses im Hinblick auf seine Verwendung betreffen, nicht aber zu einer erheblichen qualitativen Änderung seiner Eigenschaften führen, können nicht den Ursprung dieses Erzeugnisses bestimmen (EuGH, Urt. v. 10.12.2009, Rs. C-260/08, Rn. 28 m. w. N.; siehe auch BFH, Urt. v. 30.03.2010, VII R 18/07, juris, Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar würde durch ein Bohren von Löchern in die Substanz der Felgen eingegriffen. Die Veränderung, die die Felge durch das Bohren erfährt, ist jedoch im Vergleich zu den vorher stattgefundenen Bearbeitungsschritten, die zu einer fast montagefertigen Felge geführt haben, von untergeordneter Bedeutung, so dass die Veränderung qualitativ nicht erheblich ist.

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Schließlich erschüttert auch das der Einfuhrzollanmeldung beigefügte Ursprungszeugnis des malaysischen Ministry of International Trade and Industry (MITI) nicht die Überzeugung des Einzelrichters vom chinesischen Ursprung der Aluminiumräder. Denn die darin ausgewiesene Ursprungseigenschaft hat aufgrund des nach den OLAF-Feststellungen anzunehmenden chinesischen Ursprungs der eingeführten Ware gerade keine Bestätigung gefunden, unabhängig von den näheren Umständen, namentlich etwaigen Betrugshandlungen, unter denen die Ursprungszeugnisse möglicherweise ausgestellt worden sind.

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1.3 Die eingeführte Ware ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - in die von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 964/2010 genannte TARIC-Warennummer 8708 7050 10 0 einzureihen. Der Zollsatz wurde der Höhe nach mit 22,3 % (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 964/2010) zutreffend berechnet.

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2. Der Beklagte hat auch zu Recht Drittlandszoll i. H. v. 4,5 % für die unter der Unterposition 8708 7050 KN eingeführte Ware nacherhoben.

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Auch hier sind die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK erfüllt, wonach der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht buchmäßig erfasst worden sein muss. Im vorliegenden Fall ist abweichend von den ursprünglichen Einfuhrabgabenbescheiden der nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. a) ZK i. V. m. der Kombinierten Nomenklatur vorgesehene Drittlandszollsatz anzuwenden. Denn die Klägerin kann sich für den von ihr behaupteten malaysischen Ursprung nicht mehr auf das von ihr vorgelegte präferenzielle Ursprungszeugnis nach Formblatt A stützen.

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3. Die Klägerin kann auch keinen Vertrauensschutz beanspruchen.

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Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 2 ZK gilt bei der Ermittlung des Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer Behörde eines Drittlands die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 3 ZK stellt die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung jedoch keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht, außer insbesondere dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten.

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Soweit es um die Nacherhebung des Antidumpingzolls geht, ist vorliegend ein Vertrauensschutz bereits deshalb nicht gegeben, weil es sich nicht um einen sogenannten aktiven Irrtum, wie es Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK voraussetzt, handelt. Aktiver Irrtum bedeutet, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterliegen darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschl. v. 28.11.2005, VII B 116/05, juris, Rn. 7). Ein in diesem Sinne beachtlicher Irrtum der beteiligten Behörden liegt nicht vor. Denn nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten wurde die Warensendung nicht beschaut und der Ursprung weder bei Ausgang aus Malaysia noch beim ZA überprüft. Soweit es um die Nacherhebung des Drittlandzolls wegen des Wegfalls der gewährten Zollpräferenz für Malaysia geht - nur insoweit kommt vorliegend überhaupt ein erweiterter Vertrauensschutz nach Maßgabe des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 2, 3 ZK in Betracht -, gilt zwar die Ausstellung des mit der Einfuhranmeldung vorgelegten Ursprungszeugnisses, in dem das MITI den malaysischen Ursprung der Räder bescheinigt hat, zunächst als Irrtum, da die Bescheinigung sich wegen des durch OLAF ermittelten chinesischen Ursprungs der Warensendungen als unrichtig erwiesen hat. Dabei entfalten diese Zeugnisse vorliegend wegen der durch autonomen Rechtsakt der Union gewährten Zollpräferenzregelung im Übrigen auch keine zwingende Bindungswirkung für die Zollbehörden des Einfuhrstaats (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 08.11.2012, Rs. C-438/11, Rn. 35 f.). Da jedoch aufgrund der Erkenntnisse aus dem Mission Report die im Ergebnis unrichtige Bescheinigung darauf beruht, dass der Ausführer - hier die D - unrichtige Angaben gemacht hat (vgl. zu der untrennbaren Verknüpfung der Richtigkeit der Bescheinigung und der Richtigkeit der Darstellung der Fakten durch den Ausführer auch BFH, Urt. v. 24.04.2012, VII R 31/09, juris, Rn. 36), stellt die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung nur dann einen Irrtum dar, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten. Für die Annahme dieser Tatsache, die die Klägerin beweisen muss (FG Hamburg, Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 10 f. BA [n. v.]; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, juris, Rn. 98 m. w. N.), gibt es keine Anhaltspunkte.

33

Das MITI, das die Ursprungszeugnisse ausstellt, ist eine unabhängig von der Freizonenverwaltung arbeitende Behörde. Erst durch die Verknüpfung der ZB1/ZB2-Registerdaten wurde das MITI auf die unrichtige Ursprungsbescheinigung aufmerksam gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass das MITI auch nur die Möglichkeit zu einem Abgleich mit den bei der Verwaltung der Freizone geführten ZB1-und ZB2-Registerdaten gehabt hätte, liegen nicht vor. Allein der Text in der vordruckmäßig erfolgten Bestätigung des Warenursprungs ("on the basis of control carried out") ist insofern nicht ausreichend, da damit keine Aussage darüber getroffen wird, ob es sich dabei um eine reine Dokumentenkontrolle oder um eine weitergehende Überprüfung gehandelt hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die an der Umladung der aus China stammenden Aluminiumräder beteiligten Unternehmen gegenüber der Freizonen-Verwaltung, dem malaysischen Zoll und dem MITI jeweils unterschiedliche Versender benannt (C bzw. D) und die Container tauschten (Einfuhr aus China in YY; Ausfuhr nach Europa: XX), um zu verhindern, dass die malaysischen Behörden die Betrugsmethode entdeckten. Auch dies spricht dagegen, dass das MITI Veranlassung gehabt hätte, an der Richtigkeit der Angaben zum Ursprung gerade der streitgegenständlichen Warensendung zu zweifeln.

34

Auf die Frage, ob die Antragstellerin gutgläubig gehandelt hat, ob der Irrtum für sie vernünftigerweise erkennbar war und ob sie alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat, kommt es nach alledem nicht mehr an.

III.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

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Bundesfinanzhof Urteil, 24. Apr. 2012 - VII R 31/09

bei uns veröffentlicht am 24.04.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) gehört zu einer Firmengruppe mit Hauptsitz in Hongkong, die auf Jamaika Unternehmen gegründet hat, in denen

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) gehört zu einer Firmengruppe mit Hauptsitz in Hongkong, die auf Jamaika Unternehmen gegründet hat, in denen aus Vormaterialien mit Ursprung in der Volksrepublik China (China) Textilien hergestellt und in die Europäische Union ausgeführt werden. Von der zu diesen Unternehmen gehörenden Fa. X bezog die Klägerin im Jahr 2002 mehrere Sendungen Textilien, welche sie unter Angabe des Ursprungslands Jamaika und Vorlage entsprechender Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 zum Zollsatz "frei" gemäß dem Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (AKP-EG-Partnerschaftsabkommen), unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 317/3), in den freien Verkehr der Union überführen ließ.

2

Im Rahmen einer durch den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten veranlassten Missionsreise der Kommission (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung --OLAF--) nach Jamaika im März 2005 wurden alle im Zeitraum 2002 bis 2004 ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die jamaikanischen Ausführer (darunter die Fa. X) gegen die Bestimmungen des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens verstoßen hätten, weil die ausgeführten Erzeugnisse nicht ausschließlich aus Garn chinesischen Ursprungs, sondern die meisten oder alle in die Union ausgeführten Waren entweder aus fertigen Wirk-/ Strickteilen aus China hergestellt worden oder Reexporte von aus China stammenden fertigen Textilien gewesen seien. In Anbetracht geringer Garnlieferungen aus China hätten zwar einige der in die Union ausgeführten Waren aus diesen Garnen hergestellt worden sein können; die genaue Menge der so gefertigten Erzeugnisse habe aber von den Ausführern nicht nachgewiesen werden können. Die jamaikanischen Ausführer hätten mit ihren Anträgen auf Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 falsche Erklärungen über den Ursprung der in die Union exportierten Waren abgegeben, was wegen der professionellen Weise der Verschleierung des Warenursprungs für die jamaikanischen Behörden nur schwer aufzudecken gewesen sei. Die jamaikanische Zollverwaltung habe daraus geschlossen, dass die ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen zwar echt, aber hinsichtlich des bescheinigten Warenursprungs nicht korrekt und deshalb ungültig seien. Ihr habe aber seitens des Untersuchungsteams bestätigt werden können, dass sie in gutem Glauben und mit gebührender Sorgfalt gehandelt habe.

3

Über die Feststellungen der Mission und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen wurde unter dem 23. März 2005 ein Protokoll verfasst, das von den Missionsteilnehmern sowie für die jamaikanische Regierung vom ständigen Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel unterzeichnet wurde.

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 3. Mai 2005 erhob der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) den auf die Einfuhrsendungen entfallenden Zoll nach. Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den Abgabenbescheid auf. Das FG urteilte, die für die Einfuhrsendungen vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen seien nicht wirksam für ungültig erklärt worden. Die getroffenen Feststellungen, die zur Nacherhebung geführt hätten, beruhten nicht, wie es das zum AKP-EG-Partnerschaftsabkommen gehörende Protokoll Nr. 1 (Protokoll Nr. 1) über die Bestimmung des Begriffs "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (ABlEG 2000 Nr. L 317/94) vorsehe, auf einem an die jamaikanische Zollverwaltung gerichteten Nachprüfungsersuchen und auf ihren Ermittlungen, sondern auf Ermittlungen der Gemeinschaftsmission. Dementsprechend gebe es keine Mitteilung der jamaikanischen Zollbehörden über das Ergebnis der Überprüfung der Ursprungsnachweise. Im Übrigen handele es sich nur um Schlussfolgerungen aufgrund bestimmter Informationen, nicht aber um eindeutige Feststellungen, ob die ausgeführten Textilien als jamaikanische Ursprungserzeugnisse angesehen werden könnten. Die Ermittlungsergebnisse ließen einen zuverlässigen Schluss, dass die Einfuhrwaren der Klägerin nicht jamaikanischen Ursprungs gewesen seien, nicht zu. Es sei zumindest möglich, dass diese Waren in Jamaika aus chinesischem Garn hergestellt worden seien. Die Klägerin könne sich jedenfalls auf Vertrauensschutz berufen, da sich den Ermittlungsergebnissen der Mission nicht entnehmen lasse, dass die unzutreffenden Warenverkehrsbescheinigungen auf falschen Angaben seitens der Ausführer beruhten. Es sei daher von einem für die Klägerin nicht erkennbaren Irrtum der Zollbehörden auszugehen.

5

Mit seiner Revision hat das HZA geltend gemacht, bereits der Umstand, dass sich im Rahmen der Untersuchungen der Missionsreise der jamaikanische Warenursprung nicht habe bestätigen lassen, führe zur Ungültigkeit der ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen. Vertrauensschutz sei nicht zu gewähren. In Anbetracht der wirtschaftlichen und personellen Verflechtung des Ausführers, der Fa. X, mit der Klägerin müsse davon ausgegangen werden, dass diese von dem fehlenden Präferenzursprung der von ihr eingeführten Textilien gewusst habe.

6

Das HZA hat beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (BFH/NV 2010, 2145), auf den verwiesen wird, ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die im Streitfall maßgebenden, die nachträgliche Überprüfung von Präferenznachweisen sowie den Vertrauensschutz betreffenden Fragen vorgelegt, die der EuGH mit Urteil vom 15. Dezember 2011 C-409/10 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2012, 79) wie folgt beantwortet hat:

9

"1. Art. 32 des Protokolls Nr. 1 in Anhang V des am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichneten Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, im Namen der Union genehmigt mit Beschluss 2003/159/EG des Rates vom 19. Dezember 2002, ist dahin auszulegen, dass die Ergebnisse einer nachträglichen Prüfung, die sich auf die Richtigkeit des in von einem AKP-Staat ausgestellten EUR.1-Bescheinigungen angegebenen Warenursprungs bezieht und die im Wesentlichen in einer von der Kommission, genauer vom OLAF, in diesem Staat und auf dessen Einladung durchgeführten Untersuchung besteht, die Behörden des Mitgliedstaats binden, in den die Waren eingeführt wurden, sofern diese Behörden ein Dokument erhalten haben, in dem unmissverständlich anerkannt wird, dass der betreffende AKP-Staat sich diese Ergebnisse zu eigen macht, was zu beurteilen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

10

2. Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sich der Einführer in dem Fall, dass die zur Einfuhr von Waren in die Union ausgestellten EUR.1-Bescheinigungen für ungültig erklärt wurden, weil es bei ihrer Ausstellung zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist und der in ihnen angegebene Präferenzursprung bei einer nachträglichen Prüfung nicht bestätigt werden konnte, der Nacherhebung von Einfuhrabgaben nicht damit widersetzen kann, dass nicht auszuschließen sei, dass einige dieser Waren in Wirklichkeit den genannten Präferenzursprung hätten."

11

Der Senat hat daraufhin das ausgesetzte Revisionsverfahren wieder aufgenommen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu der Vorabentscheidung des EuGH zu äußern. Sie halten an ihren bisherigen Anträgen fest.

12

Das HZA sieht seinen Standpunkt durch das EuGH-Urteil bestätigt.

13

Die Klägerin meint unter Berufung auf von ihr eingeholte und vorgelegte Rechtsgutachten einer jamaikanischen Rechtsanwältin, der Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel sei nicht befugt gewesen, das Protokoll vom 23. März 2005 für die jamaikanische Regierung zu unterzeichnen und die ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen für ungültig zu erklären.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

15

1. Die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex (ZK), dem zufolge gesetzlich geschuldete, jedoch nicht buchmäßig erfasste Einfuhrabgaben nachzuerheben sind, liegen im Streitfall vor, weil die bei der Einfuhrabfertigung seinerzeit vorgelegten, den jamaikanischen Warenursprung bestätigenden Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 von den jamaikanischen Behörden für ungültig erklärt worden sind. Die Einfuhrwaren sind somit zu Unrecht zum Präferenzzollsatz "frei" abgefertigt worden. Die gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben sind nachzuerheben.

16

2. Die vom FG geäußerten Bedenken, ob die Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 in Übereinstimmung mit Vorschriften des Protokolls Nr. 1 für ungültig erklärt worden seien, erweisen sich nach der Antwort des EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats als unbegründet.

17

a) Wie der EuGH mit dem Urteil in ZfZ 2012, 79 entschieden hat, steht es mit Art. 32 Protokoll Nr. 1 im Einklang, wenn der AKP-Ausfuhrstaat --wie im Streitfall-- die nachträgliche Prüfung von Ursprungsnachweisen von den Teilnehmern der zu diesem Zweck eingereisten Mission der Kommission (hier: OLAF) durchführen lässt. Für die Frage, ob das Ergebnis einer solchen nachträglichen Prüfung durch die Kommission der genannten Vorschrift des Protokolls Nr. 1 entspricht und die Behörden des Einfuhrstaats bindet, ist entscheidend, ob der AKP-Ausfuhrstaat in Erfüllung seiner Funktion als für die nachträgliche Prüfung verantwortliche Stelle sich das Prüfungsergebnis zu eigen macht und es unmissverständlich schriftlich anerkennt (EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 33, 34).

18

Dies ist im Streitfall geschehen. Das Protokoll vom 23. März 2005 über die Missionsreise des OLAF, dem zufolge die jamaikanische Zollverwaltung aufgrund der anlässlich dieser Missionsreise gewonnenen Erkenntnisse in Konsultationen mit dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel, dem Trade Board Ltd. sowie der jamaikanischen Promotion Corporation zu dem Schluss gelangt ist, die bis dahin seit dem 1. Januar 2002 ausgestellten EUR.1 seien bezüglich des bescheinigten Warenursprungs unzutreffend und deshalb ungültig, ist für die jamaikanische Regierung vom ständigen Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel unterzeichnet worden. Entgegen der vom FG vertretenen Ansicht, ist dabei der Umstand, dass das Protokoll vom 23. März 2005 unter dem Briefkopf des OLAF erstellt wurde, ohne Belang (vgl. EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 35).

19

b) Anders als die Klägerin meint, bestehen auch keine begründeten Zweifel, ob der Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel zur Abgabe der Erklärung im Namen des Ausfuhrlands Jamaika befugt war.

20

Der EuGH hat nicht nur in seinem Urteil in ZfZ 2012, 79 (Rz 28), sondern auch bereits früher bezüglich ähnlicher Präferenzabkommen darauf hingewiesen, dass das in den Präferenzabkommen vorgesehene System der Zusammenarbeit der Verwaltungen auf einer Verteilung der Aufgaben sowie auf einem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Behörden der Einfuhr- und der Ausfuhrstaaten beruhe und daher die dem Ausfuhrland obliegende Beurteilung der Gültigkeit ausgestellter Ursprungsnachweise von den Behörden des Einfuhrlands anzuerkennen sei (vgl. EuGH-Urteil vom 9. Februar 2006 C-23 bis 25/04 --Sfakianakis--, Slg. 2006, I-1265, Rz 21 ff.). Gibt daher im Fall der nachträglichen Überprüfung von Ursprungsnachweisen das Ausfuhrland eine Erklärung zu deren Gültigkeit ab, so widerspräche es diesem auf gegenseitigem Vertrauen beruhenden System der Zusammenarbeit, wenn die Behörden des Einfuhrlands systematisch die Befugnis desjenigen prüfen müssten, der diese Erklärung im Namen des Ausfuhrlands abgegeben hat (EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 37). Eine solche Prüfungspflicht der Behörden des Einfuhrlands ist daher nur anzunehmen, falls an der Befugnis des Erklärenden Zweifel bestehen (EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 38).

21

Im Streitfall bestand allerdings für das HZA kein Anlass zu prüfen, ob der Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel ermächtigt war, sich im Namen Jamaikas die Ergebnisse der nachträglichen Überprüfung der Ursprungsnachweise durch OLAF zu eigen zu machen.

22

Soweit das FG Zweifel an der Ermächtigung des Sekretärs geäußert hat, hat es diese nicht nachvollziehbar begründet, weshalb der erkennende Senat an die zugrunde liegende tatrichterliche Würdigung nicht gebunden ist (vgl. dazu: Senatsurteil vom 17. Mai 2005 VII R 76/04, BFHE 210, 70, ZfZ 2005, 341). Dass es sich --wie das FG meint-- bei der Zollverwaltung "typischerweise nicht um eine auswärtige Angelegenheit, sondern um eine Angelegenheit der Finanzverwaltung handelt", besagt hinsichtlich der Befugnis des Sekretärs, Erklärungen zu Ursprungsnachweisen abzugeben, zunächst einmal wenig. Im Übrigen lässt die Behauptung des FG unberücksichtigt, dass die Bezeichnung des Ministeriums, dem der Sekretär angehörte, auch den "auswärtigen Handel" erfasst. Es erscheint aber keineswegs fernliegend, den gesamten Bereich des aufgrund internationaler Abkommen geregelten Exports von Waren aus Jamaika in die Union zu Präferenzbedingungen als eine Angelegenheit des "auswärtigen Handels" anzusehen, der in die Zuständigkeit des entsprechenden jamaikanischen Ministeriums fällt, zumal dieses Ministerium --wie sich aus dem Protokoll vom 23. März 2005 ergibt-- auch Jamaikas Einfuhrstatistiken verwaltet. Dass die Ausstellung von Ursprungsnachweisen typischerweise eine Aufgabe der Finanzverwaltung ist, lässt sich ebenfalls nicht begründen.

23

Dem steht auch nicht entgegen, dass Art. 32 Protokoll Nr. 1 von einer Prüfung erteilter Ursprungsnachweise durch die "Zollbehörden" des Ausfuhrlands spricht. Damit ist nicht gemeint, dass zur nachträglichen Prüfung nur diejenige Behörde befugt sein soll, die in dem betreffenden Ausfuhrland als Zollbehörde bezeichnet wird oder der die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs obliegt. Es spricht auch nichts dafür, dass das Protokoll Nr. 1 Behördenzuständigkeiten in den am Präferenzabkommen beteiligten Ein- bzw. Ausfuhrländern regeln wollte. Entsprechend dem Sinn und Zweck einer ordnungsgemäßen nachträglichen Prüfung, ob Ursprungsnachweise gemäß den Ursprungsregeln erteilt wurden, haben vielmehr diejenigen Behörden zweifelhafte Ursprungsnachweise zu prüfen, die am besten in der Lage sind, die Tatsachen von denen der Ursprung des betreffenden Erzeugnisses abhängt, unmittelbar festzustellen (EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-1265, Rz 23). Zu diesen Behörden wird in erster Linie diejenige gehören, welche die fraglichen Ursprungsnachweise ausgestellt hat (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-1265, Rz 22). Nach den in jedem Ausfuhrland unterschiedlichen Behördenzuständigkeiten ist diejenige Behörde, der die Zuständigkeit für die Ausstellung von Warenverkehrsbescheinigungen obliegt, aber nicht in jedem Fall --auch nicht im Streitfall-- die Zollbehörde dieses Landes.

24

Nach den Angaben im Protokoll vom 23. März 2005 sind die im Streitfall als zweifelhaft angesehenen Warenverkehrsbescheinigungen sogar unter Beteiligung von Regierungsvertretern mehrerer jamaikanischer Behörden bzw. Stellen, nämlich der jamaikanischen Zollabteilung, dem Trade Board Ltd. und der Jamaica Promotion Corporation (die die Ursprungsnachweise ausgestellt hatten) sowie dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel geprüft worden, wobei das letztgenannte zudem dasjenige Ministerium war, welches die OLAF-Mission nach Jamaika eingeladen hatte. Wenn aber unter diesen Umständen --wie es im Protokoll vom 23. März 2005 heißt-- die Schlussfolgerungen aus den Prüfungen in Konsultationen mit sämtlichen Regierungsvertretern getroffen wurden und die beteiligten jamaikanischen Behörden es für ausreichend erachteten, dass das schriftlich festgehaltene Prüfungsergebnis nur vom Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel (des einladenden Ministeriums) unterzeichnet wurde, der in seiner weiteren Eigenschaft als Botschafter ohnehin zur Vertretung seines Landes gegenüber anderen Staaten berechtigt war, gibt es keine begründeten Zweifel an der Wirksamkeit der im Namen Jamaikas abgegebenen Erklärung, denen das HZA hätte nachgehen müssen.

25

Weitere Anhaltspunkte, welche die Befugnis des Sekretärs des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel, das Protokoll für Jamaika zu unterzeichnen, zweifelhaft erscheinen lassen könnten, hat das FG nicht festgestellt.

26

Ob sich solche Zweifel --wie die Klägerin meint-- aus den von ihr im Revisionsverfahren vorgelegten Gutachten einer jamaikanischen Rechtsanwältin und ihren Ausführungen zum jamaikanischen Staatsrecht ergeben, kann offenbleiben, weil es sich insoweit um im Revisionsverfahren nicht zulässiges neues Tatsachenvorbringen handelt. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin die Zuständigkeit und Befugnis des Sekretärs lediglich pauschal infrage gestellt, ohne insoweit Tatsachen zu benennen, welche dem HZA bzw. dem FG Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hätten.

27

c) Auch dem weiteren Argument des FG, die Warenverkehrsbescheinigungen seien nicht wirksam für ungültig erklärt worden, weil kein dem Protokoll Nr. 1 entsprechendes Nachprüfungsersuchen an die jamaikanischen Zollbehörden gerichtet worden sei, ist nicht zu folgen. Nach Art. 32 Abs. 2 und 3 Protokoll Nr. 1 werden die Warenverkehrsbescheinigungen auf Ersuchen der Zollbehörden des Einfuhrlands von den Zollbehörden des Ausfuhrlands überprüft. Allerdings kann ein solches Ersuchen zum einen auch von der Kommission (OLAF) ausgehen (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Mai 1996 C-153/94 und C-204/94 --Faroe Seafood u.a.--, Slg. 1996, I-2465). Zum anderen kann das Ausfuhrland entsprechende Untersuchungen, ob die Bestimmungen des Protokolls Nr. 1 eingehalten worden sind, auch von sich aus oder auf Ersuchen der Union durchführen (Art. 32 Abs. 7 Protokoll Nr. 1). Auf diese Vorschriften hat der EuGH in seiner im Streitfall eingeholten Vorabentscheidung hingewiesen (EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 29 bis 33).

28

3. Nach dem für Jamaika mit unterzeichneten Protokoll vom 23. März 2005 über die Missionsreise des OLAF sind die an der nachträglichen Untersuchung beteiligten und konsultierten jamaikanischen Behörden aufgrund der anlässlich dieser Missionsreise gewonnenen Erkenntnisse zu dem Schluss gelangt, die bis dahin seit dem 1. Januar 2002 ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 seien bezüglich des bescheinigten Warenursprungs unzutreffend und deshalb ungültig. In Anbetracht des Wortlauts dieses Protokolls erweist sich die Würdigung des FG, es handele sich "eindeutig um Schlussfolgerungen der Kommission und nicht um solche der jamaikanischen Regierung", als nicht haltbar. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass mit dem seitens der jamaikanischen Regierung unterzeichneten Protokoll vom 23. März 2005 von jamaikanischen Behörden für Wirk- und Strickwaren ausgegebene Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 eines bestimmten Zeitraums wirksam für ungültig erklärt worden sind. Hierin liegt --anders als das FG meint-- die Mitteilung des Prüfungsergebnisses i.S. des Art. 32 Abs. 5 Satz 1 Protokoll Nr. 1.

29

4. Der vom FG vertretenen Ansicht, das Protokoll vom 23. März 2005 entspreche auch inhaltlich nicht den Anforderungen des Art. 32 Abs. 5 Protokoll Nr. 1, ist ebenfalls nicht zu folgen. Wenn das FG insoweit --wie den Urteilsgründen entnommen werden kann-- meint, das Ergebnis der Prüfung müsse sich auf jede konkrete Warenverkehrsbescheinigung beziehen und feststellen, die von dieser jeweils betroffenen Waren seien nicht jamaikanischen Ursprungs gewesen, während aber eine gewisse, wenn auch geringe Menge Garn chinesischen Ursprungs in Jamaika verarbeitet worden und es also zumindest möglich sei, dass die im Streitfall von der Klägerin eingeführten Waren jamaikanischen Ursprungs gewesen seien, so verkennt es, dass eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bereits dann eine unrichtige Bescheinigung ist, wenn der in der Bescheinigung angegebene Warenursprung aufgrund einer nachträglichen Prüfung nicht bestätigt werden kann, da in einem solchen Fall die Ware unbekannten Ursprungs ist (vgl. EuGH-Urteile vom 9. März 2006 C-293/04 --Beemsterboer--, Slg. 2006, I-2263, Rz 34, 35, m.w.N., und in ZfZ 2012, 79, Rz 44, 45).

30

Da im Streitfall die nachträgliche Überprüfung die Richtigkeit der in einem bestimmten Zeitraum für Wirk- und Strickwaren ausgestellten Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 nicht bestätigen konnte, sind somit sämtliche Warenverkehrsbescheinigungen dieses Zeitraums zu Recht für ungültig erklärt worden (vgl. zur Nacherhebung aufgrund eines Widerrufs sämtlicher Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 eines Zeitraums: EuGH-Beschluss vom 1. Oktober 2009 C-552/08 P --Agrar-Invest-Tatschl--, Slg. 2009, I-9265). Daran vermag auch das Vorbringen der Klägerin nichts zu ändern, die den Warenursprung betreffenden Unterlagen der Fa. X seien in Jamaika durch einen Hurrikan zerstört worden. Selbst wenn dies zuträfe und als ein Fall höherer Gewalt anzusehen wäre --wofür es allerdings an entsprechenden Feststellungen des FG fehlt--, bliebe es bei dem Ergebnis eines in der Warenverkehrsbescheinigung angegebenen, jedoch aufgrund nachträglicher Prüfung nicht bestätigten jamaikanischen Warenursprungs. Die Ursprungsregeln erlauben es nicht, den angegebenen Warenursprung als zutreffend anzusehen, falls er sich aus Gründen höherer Gewalt nicht nachträglich bestätigen lässt.

31

Die Behörden des Einfuhrlands (im Streitfall das HZA) haben dieses Ergebnis der gemäß Art. 32 Protokoll Nr. 1 im Ausfuhrland durchgeführten Prüfungen der Ursprungsnachweise anzuerkennen und ihren weiteren zollrechtlichen Maßnahmen zugrunde zu legen, was grundsätzlich die Nacherhebung der bei der Einfuhr nicht gezahlten Zölle durch das Einfuhrland bedeutet (EuGH-Urteile vom 7. Dezember 1993 C-12/92 --Huygen u.a.--, Slg. 1993, I-6381, und in ZfZ 2012, 79, Rz 46).

32

5. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Die nachträgliche buchmäßige Erfassung der gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben hat nicht gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK zu unterbleiben.

33

a) Nach Unterabs. 1 dieser Vorschrift erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 ZK, der mit den folgenden Unterabs. 3 bis 5 durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 311/17) eingefügt worden ist, gilt im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer drittländischen Behörde die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.

34

b) Gemäß Unterabs. 3 dieser Vorschrift stellt allerdings die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG im Streitfall zu Unrecht verneint.

35

Das FG hat auch insoweit gemeint, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die konkreten Warenverkehrsbescheinigungen des Streitfalls den Warenursprung korrekt ausgewiesen hätten und somit nicht feststehe, ob der Ausführer in diesem jeweils konkreten Fall falsche Angaben gemacht habe. Dieser Ausgangspunkt ist jedoch --wie bereits ausgeführt-- unzutreffend. Da durch die Nachprüfung der jamaikanische Warenursprung aller Ausfuhrwaren des betreffenden Zeitraums nicht bestätigt werden konnte, sind vielmehr alle in diesem Zeitraum ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1, also auch die die Waren des Streitfalls betreffenden Warenverkehrsbescheinigungen, als unrichtige Bescheinigungen i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK anzusehen. Dementsprechend hat der EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats entschieden, der Einführer könne der Nacherhebung der Einfuhrabgaben nicht unter Berufung darauf entgehen, dass der Warenursprung unbekannt sei und daher nicht ausgeschlossen werden könne, dass die für ungültig erklärte Warenverkehrsbescheinigung den Präferenzursprung zutreffend ausgewiesen habe (EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 45).

36

Nach dem im Protokoll vom 23. März 2005 festgehaltenen und von der jamaikanischen Regierung bestätigten Nachprüfungsergebnis ist der Umstand, dass die Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 seinerzeit ausgestellt wurden, obwohl sich der dort angegebene Präferenzursprung --wie die späteren Ermittlungen zeigten-- in Wahrheit nicht bestätigen ließ, auf unrichtige Angaben der Ausführer über die angebliche Herstellung der Waren in Jamaika aus importiertem Garn zurückzuführen. Demgegenüber kann die Klägerin nicht unter Berufung auf das EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-2263 geltend machen, das HZA müsse für jeden einzelnen konkreten Ausfuhrfall des Streitfalls beweisen, dass der Ausführer den jamaikanischen Behörden unrichtige Angaben zum Warenursprung gemacht habe. Denn wären die Angaben des Ausführers über die Herstellung der Strickwaren in Jamaika aus importiertem Garn zutreffend gewesen, wäre auch die ihm erteilte Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 richtig. Die Frage der Richtigkeit der Warenverkehrsbescheinigung und die Frage der richtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer sind somit untrennbar miteinander verknüpft und lassen sich daher nicht unterschiedlich beantworten.

37

Dass ein Irrtum der die Warenverkehrsbescheinigungen ausstellenden jamaikanischen Behörden deshalb anzunehmen ist, weil der Ausführer, die Fa. X, die Herstellung der Ausfuhrwaren aus aus China importierten Fertigteilen seinerzeit offenbarte, die jamaikanischen Behörden jedoch die Warenverkehrsbescheinigungen gleichwohl ausstellten, behauptet selbst die Klägerin nicht.

38

Darüber hinaus hat der EuGH mit seiner Antwort auf das Vorabentscheidungsersuchen des Streitfalls darauf hingewiesen, die Klägerin könne sich hinsichtlich der Frage der Beweislast nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei dem Ausführer wegen des Hurrikans, also aufgrund höherer Gewalt, unmöglich gewesen, seine Pflicht zur Aufbewahrung der Unterlagen (Art. 28 Abs. 1 Protokoll Nr. 1) zu erfüllen. Dass die Erklärungen zum Warenursprung der Fa. X gegenüber den jamaikanischen Behörden falsch gewesen sein mussten, habe sich nämlich schon anhand der Frachtpapiere sowie der im Besitz der jamaikanischen Behörden befindlichen und der von den chinesischen Zollbehörden übermittelten Unterlagen ergeben (EuGH-Urteil in ZfZ 2012, 79, Rz 52, 53).

39

c) Anhaltspunkte für die Annahme, es sei offensichtlich gewesen oder die jamaikanischen Behörden hätten gewusst oder wissen müssen, dass die Ausfuhrwaren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten (Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 letzter Halbsatz ZK), bestehen nicht. Weder das Protokoll vom 23. März 2005 noch andere Feststellungen erlauben den Schluss, die jamaikanischen Behörden hätten Warenverkehrsbescheinigungen ausgestellt, obwohl sie darüber informiert waren, dass sich die ursprungsbegründende Herstellung der Wirk- und Strickwaren aus importiertem Garn in Wahrheit nicht nachweisen ließ. Vielmehr wird in dem Protokoll vom 23. März 2005 als Untersuchungsergebnis festgehalten, dass der durch falsche Angaben gegenüber den Behörden begangene Betrug wegen der professionellen Art der Verschleierung des Warenursprungs der in die Freizone verbrachten Waren für die jamaikanischen Behörden nur schwer aufzudecken gewesen sei.

40

Nach alledem stellt die Ausstellung unrichtiger Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 durch die jamaikanischen Behörden nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 ZK keinen die Nacherhebung der Einfuhrabgaben ausschließenden Irrtum dar.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.