Finanzgericht Düsseldorf Urteil, 08. Nov. 2018 - 12 K 1250/18 E,F
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger wird beim Beklagten zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte als Kommanditist der KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Einkommensteuergesetz –EStG), die der Beklagte gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) einheitlich und gesondert feststellte. Die für eine begünstigte Besteuerung des nicht entnommenen Gewinns gem. § 34 a Abs. 1 bis 7 EStG erforderlichen Besteuerungsgrundlagen stellte der Beklagte gem. § 34 a Abs. 10 Satz 1 EStG gesondert fest. Beide Feststellungen waren gem. § 34 a Abs. 10 Satz 3 EStG miteinander verbunden.
4Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 2008 bis 2010 beantragte der Kläger jeweils, Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 34 a Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern. Der Beklagte folgte den Anträgen des Klägers in den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2008 bis 2010. Er stellte auf den 31.12.2008 bis 31.12.2010 den gem. § 34 a Abs. 3 Satz 2 EStG nachversteuerungspflichten Betrag gem. § 34 a Abs. 3 Satz 3 EStG gesondert fest. Der gesondert auf den 31.12.2010 festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag betrug xxx.xxx Euro. Im Veranlagungszeitraum 2011 überstiegen die Entnahmen des Klägers die Einlagen um xxx.xxx Euro. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 6.2.2014 erfolgte eine Nachversteuerung des in den Vorjahren nicht entnommenen Gewinns gem. § 34 a Abs. 4 Satz 1 EStG. Der auf den 31.12.2011 verbleibende nachversteuerungspflichtige Betrag wurde mit 0 Euro gesondert festgestellt.
5Die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2008 bis 2011 wurden durch Bescheide vom 16.3.2015 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert, weil geänderte Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der KG ergangen waren. Der Beklagte erließ zudem unter dem 13.3.2015 Bescheide über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach § 34 a EStG auf den 31.12.2008, den 31.12.2009, den 31.12.2010 und den 31.12.2011, die inhaltsgleich mit den vorhergehenden Feststellungen (zum 31.12.2008 vom 26.10.2012 über xx.xxx Euro, zum 31.12.2009 vom 15.10.2012 über xx.xxx Euro, zum 31.12.2010 vom 15.10.2012 über xxx.xxx Euro und zum 31.12.2011 vom 17.12.2013 über 0 Euro) waren.
6Mit Schreiben vom 30.3.2015 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er nehme die Anträge nach § 34 a EStG für die Jahre 2008 bis 2010 zurück. Die Rücknahmen seien möglich, da gem. § 34 a Abs. 1 Satz 4 EStG der Antrag bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides für den nachfolgenden Veranlagungszeitraum zurück genommen werden könne. Im Zeitpunkt der Antragsrücknahme für das Jahr 2008 sei der geänderte Steuerbescheid für das Jahr 2009 vom 16.3.2015 noch nicht unanfechtbar gewesen. Entscheidend sei die Anfechtbarkeit dem Grunde nach, auf deren Höhe komme es nicht an. Für die Bescheide der Jahre 2009 und 2010 gelte aufgrund der für die Folgejahre erlassenen Änderungsbescheide vom 16.3.2015 Entsprechendes. Für das Jahr 2011 ergebe sich kein nachversteuerungspflichtiger Betrag mehr. Die Veranlagung sei entsprechend zu ändern.
7Der Beklagte behandelte die Änderungsanträge zunächst als Einsprüche gegen die geänderten Steuerfestsetzungen vom 16.3.2015, die er mit Einspruchsentscheidung vom 14.3.2017 zurückwies. Im nachfolgenden Klageverfahren (12 K 1005/17) wies das Gericht darauf hin, dass der Kläger keine Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 16.3.2015 eingelegt habe. Er habe die Änderung der Steuerfestsetzungen der Jahre 2008 bis 2011 und der dazu gehörenden Bescheide über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrags mit der Begründung beantragt, die für die Jahre 2008 bis 2010 gestellten Anträge auf eine begünstigte Besteuerung nach § 34 a EStG seien nachträglich zurück genommen worden. Der Beklagte hob die Einspruchsentscheidung auf. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit für erledigt.
8Der Beklagte lehnte den Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzungen und der Bescheide über die gesonderte Feststellung eines nachversteuerungspflichtigen Betrages mit Entscheidung vom 6.5.2018 ab.
9Zur Begründung der dagegen erhobenen Sprungklage trägt der Kläger vor:
10Der Sachverhalt sei in der Einspruchsentscheidung vom 14.3.2017 zutreffend dargestellt worden. Die dort vertretene Rechtsansicht sei allerdings falsch, denn § 351 Abs. 1 AO stehe einer Änderung nach § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht entgegen. Die dort zitierten Entscheidungen beträfen einen anderen Sachverhalt, nämlich den Antrag auf Änderung eines nach Unanfechtbarkeit geänderten Bescheides. Vorliegend ginge es aber nicht um die Änderung des geänderten Bescheides, sondern um die Frage, ob der Bescheid des Vorjahres wegen einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung des Folgejahres geändert werden könne. Im BMF- Schreiben vom 11.8.2008 heiße es in Tz. 10, “Darüber hinaus kann der Antrag jederzeit noch bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides für den folgenden Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise zurückgenommen (§ 34 Abs. 1 Satz 4 EStG) werden“. Entsprechend seien §§ 177, 351 AO bei der hier zu beurteilenden Antragsrücknahme und dem Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung nicht zu beachten. Ratschow in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz: Kommentar führe in Tz. 28 zu § 34 a EStG aus, dass eingeschränkte Anfechtbarkeit des Folgebescheides genügen dürfte. Ähnliche Ausführungen fänden sich bei Korn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, in Rz. 57 zu § 34 a EStG. Wacker in Schmidt , Kommentar zum Einkommensteuergesetz, sehe die Rechtslage, ebenso wie Schultes – Schnitzlein und Keese in Neue Wirtschaftsbriefe - NWB - Fach 3 S. 14683, in dieser Hinsicht als fraglich an. Höchstrichterliche Rechtsprechung sei zu dieser Frage ersichtlich nicht ergangen. Aufgrund der Rücknahme der Anträge für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 seien die gesonderten Feststellungen des nachversteuerungspflichtigen ersatzlos aufzuheben und die Steuerfestsetzung für das Jahr 2011 von Amts wegen zu ändern, indem keine Nachversteuerung mehr stattfinde.
11Der Kläger beantragt sinngemäß (Bl. 6 Gerichtsakte – GA-),
12den Beklagten zu verpflichten,
13die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2008 bis 2010 vom 16.3.2015 zu ändern, indem keine Besteuerung nach § 34 a Abs. 1 EStG mehr vorgenommen wird,
14die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages nach § 34 a Abs. 3 EStG auf den 31.12.2008, 31.12.2009 und den 31.12.2010 vom 13.3.2015 zu ändern, indem der nachversteuerungspflichtige Betrag jeweils mit 0 Euro festgestellt wird
15und den Bescheid über die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2011 vom 16.3.2015 zu ändern, indem keine Nachversteuerung gem. § 34 a Abs. 4 Satz 1 EStG mehr vorgenommen wird.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung trägt er vor:
19Die vom Beklagten begehrten Änderungen seien nur bis zur Bestandskraft der erstmaligen Steuerfestsetzung des Folgejahres möglich. Entsprechend seien die Anträge abzulehnen, da sie erst nach Bestandskraft der Steuerfestsetzungen gestellt worden seien.
20Der Beklagte hat der Sprungklage zugestimmt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die Beteiligten haben übereinstimmend gem. § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung verzichtet. Das Gericht hat die Gerichtsakte des Verfahrens 12 K 1005/17 zum Verfahren beigezogen.
21II.
22Die Klage ist unbegründet.
23Die Ablehnung des Erlasses der vom Kläger beantragten Änderungsbescheide ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO).
24Ein Gewinn, der die Voraussetzungen von § 34 a Abs. 1 EStG erfüllt, kann auf Antrag des Steuerpflichtigen dem ermäßigten Steuersatz von § 34 a Abs. 1 Satz 1 EStG unterworfen werden. Die ermäßigte Besteuerung ist nicht endgültig, sondern es erfolgt in späteren Jahren unter den in § 34 a Abs. 4 – 6 EStG genannten Voraussetzungen eine Nachversteuerung mit pauschal mit 25 %. Macht der Steuerpflichtige von seinem Antragsrecht Gebrauch, ist der Gewinn abzüglich der darauf gem. § 34 a Abs. 1 Satz 1 EStG zu zahlenden Einkommensteuer und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlages als nachversteuerungspflichtiger Betrag im Sinne von § 34 a Abs. 3 EStG zum Ende des Veranlagungszeitraumes gem. § 34 a Abs. 3 Satz 3, Abs. 11 Satz 1 EStG gesondert festzustellen.
25Dieser Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO unter anderem für den Einkommensteuerbescheid des Folgejahres im Hinblick auf den Höchstbetrag der Nachversteuerung, § 34 a Abs. 4 Satz 1 EStG, und den Feststellungsbescheid über den nachversteuerungspflichtigen Betrag des Folgejahres, § 34 a Abs. 9 Satz 2 EStG (Weitemeyer/Schumacher in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, - K/S/M- § 34 a EStG, Rz. J 4 mit weiteren Nachweisen).
26Der Antrag auf Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns kann nach allgemeinen Grundsätzen (dazu z. B. Urteil des Bundesfinanzhof – BFH – vom 27. Oktober 2015 X R 44/13, Bundessteuerblatt – BStBl. II – 2016, 278; vom 9. Dezember 2015 X R 56/13, BStBl. II 2016, 967) zur Ausübung steuerlicher Wahlrechte geändert oder zurückgenommen werden. Zusätzlich eröffnet § 34 a Abs. 1 Satz 4 EStG die Möglichkeit, trotz Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Jahres der Inanspruchnahme der begünstigten Besteuerung den Antrag bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Folgejahres ganz oder teilweise zurückzunehmen. Für diesen Fall enthält § 34 a Abs. 1 Satz 4. 2. Hs. EStG eine spezielle Änderungsmöglichkeit, um den Einkommensteuerbescheid der geänderten Wahlrechtsausübung anzupassen (Weitemeyer/Schumacher in K/S/M, § 34 a EStG, Rz. B 93; Bericht des Finanzausschusses vom 27. November 2008 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Jahressteuergesetz 2009, Bundestagsdrucksache 16/11108, Seite 17). Der Einkommensteuerbescheid ist allerdings in Bezug auf die darin ausgewiesene Inanspruchnahme der Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns nach § 34 a EStG kein Grundlagenbescheid im Sinne von § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO für die gesonderte Feststellung des Begünstigungsbetrages. Der Gesetzgeber hat in § 34 a Abs. 11 EStG eine spezialgesetzliche Regelung geschaffen, um wegen erstmaliger oder geänderter Wahlrechtsausübung erforderlich gewordene Anpassungen des Bescheides über die gesonderten Feststellung des Begünstigungsbetrages vornehmen zu können (Weitemeyer/Schumacher in K/S/M § 34 a EStG, Rz.J 17 mit weiteren Nachweisen; Bodden, Finanz – Rundschau 2011, 829ff, 830 mit weiteren Nachweisen; Bericht des Finanzausschusses vom 27. November 2008 zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Jahressteuergesetz 2009, Bundestagsdrucksache 16/11108, Seite 17).
27Unter Beachtung dieser Grundsätze wäre, wirksame Antragsrücknahmen unterstellt, der Beklagte verpflichtet, die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2008 bis 2010 gem. § 34 a Abs. 1 Satz 4 2. Hs. EStG zu ändern und darin keine begünstigte Besteuerung nach § 34 a Abs.1 EStG mehr vorzunehmen. Desweiteren wäre der Beklagte verpflichtet, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages auf den 31.12.2008 gem. § 34 a Abs. 11 Satz 1 EStG zu ändern und darin einen nachversteuerungspflichtigen Betrag von 0 Euro festzustellen. Da dieser Bescheid Grundlagenbescheid für die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages für das Folgejahr ist, wäre dieser gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, indem dort statt des bisher auf den 31.12.2008 ausgewiesenen Begünstigungsbetrages von xx.xxx Euro der Betrag von Null angesetzt wird. Die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages auf den 31.12.2009 wäre außerdem gem. § 34 a Abs. 11 Satz 1 EStG zu ändern, indem statt des bisher als Zugang des Jahres 2009 erfassten Begünstigungsbetrages von xx.xxx Euro wegen der Rücknahme des Antrages ein Begünstigungsbetrag von Null Euro zu erfassen wäre. Auf den 31.12.2009 wäre der nachversteuerungspflichtige Betrag daher mit Null Euro gesondert festzustellen. Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß für die gesonderte Feststellung des nachversteuerungspflichtigen Betrages auf den 31.12.2010, den der Beklagte ebenfalls mit Null Euro gesondert festzustellen verpflichtet wäre. Da der auf den 31.12.2010 zu erlassende Bescheid über die gesonderte Feststellung des Begünstigungsbetrages Grundlagenbescheid für eine etwa vorzunehmende Nachversteuerung des Folgejahres ist (siehe oben), wäre der Beklagte auch verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2011 gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO zu ändern und die darin vorgenommen Nachversteuerung rückgängig zu machen, weil der auf den 31.12.2010 festgestellte nachversteuerungspflichtige Betrag Null Euro beträgt.
28Die Klage ist hingegen abzuweisen, wenn die Antragsrücknahme nur bis zur Bestandskraft der Erstveranlagung des Folgejahres möglich wäre, denn die hier maßgeblichen Steuerfestsetzungen sind sämtlich vor dem 30.3.2015 unanfechtbar geworden.
29Ob eine wirksame Antragsrücknahme nur bis zur Unanfechtbarkeit der erstmaligen Festsetzung des Folgejahres möglich ist, oder ob auch die durch eine nachträgliche Änderung des unanfechtbaren Bescheides entstandene, nach § 351 AO eingeschränkte Anfechtbarkeit das Recht zur ganzen oder teilweisen Rücknahme des Antrages nach § 34 a Abs. 1 EStG für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eröffnet, ist streitig.
30Nach Weitemeyer/Schumacher in K/S/M § 34 a EStG, Rz. B 92; Ratschow in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz: Kommentar, § 34 a EStG Rz. 28 und Ley/Bodden in Korn, Einkommensteuergesetz: Kommentar, § 34 a Rz. 57 soll die eingeschränkte Anfechtbarkeit des Bescheids für das Folgejahr nach Korrekturen genügen, um den Antrag nach § 34 a Abs. 1 EStG für das Vorjahr ganz oder teilweise zurücknehmen zu können. Nach der Auffassung von Niehus/Wilke in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz: Kommentar, - H/H/R - § 34 a EStG Rz. 48 kommt hingegen eine Antragsrücknahme nur bis zur Unanfechtbarkeit des Erstbescheides über die Veranlagung der Einkommensteuer für den nachfolgenden Veranlagungszeitraum in Betracht. Die Verwaltung hat diese Frage im Anwendungsschreiben vom 11. August 2008 (Bundesministerium der Finanzen – BMF-, IV C 6 – S 2290 – a /07/10001, BStBl I 2008, 838, Tz. 10) ebenso wie weitere Stimmen in der Literatur (z.B. Schultes – Schnitzlein und Christian Keese, NWB - Fach 33, unter V.; Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz: Kommentar 36. Auflage 2017, § 34 a Rz. 41; Bäumer, Deutsches Steuerrecht – DStR - 2007, 2090, 2093) offen gelassen. Rechtsprechung zu dieser Frage ist, soweit ersichtlich, bisher nicht ergangen.
31Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung von Niehus/Wilke an.
32Sie entspricht dem Gesetzeswortlaut: Nach § 34 a Abs. 1 Satz 4 EStG entfällt das Recht zur Antragsrücknahme mit Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides des Folgejahres, die mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintritt. Nachfolgende Änderungsbescheide beseitigen nicht die Unanfechtbarkeit der Erstveranlagung, vielmehr folgt aus § 351 Abs. 1 Satz 1 AO, dass nur die Änderung angefochten werden kann, es im Übrigen aber bei der (einmal eingetretenen) Unanfechtbarkeit bleibt.
33Dass die Antragsrücknahme nur bis zur Bestandskraft der Erstveranlagung des Folgejahres möglich ist, entspricht auch dem vom Gesetz verfolgten Zweck. Die erweiterte Rücknahmemöglichkeit soll unbillige Härten ausgleichen, die entstehen können, wenn im Folgejahr entweder unvorhergesehene Verluste entstehen (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 27. März 2007, Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, Bundestagsdrucksache 16/4841, Seite 63) und diese aufgrund der Verlustrücktragsbeschränkung in § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG nicht mit den nach § 34 a EStG begünstigten Gewinnen ausgeglichen werden könnten, oder im Folgejahr Entnahmen in unvorhergesehener, eine Nachversteuerung nach § 34 a Abs. 4 EStG auslösender Höhe getätigt werden müssen (Weitemeyer/Schumacher in K/S/M § 34 a Rz. B 92; Reiß in Kirchhof, EStG Kommentar, 17. Auflage 2018, § 34 a Rz. 28; beide mit weiteren Nachweisen auf die Gesetzesmaterialien) und sich deshalb, nach Bestandskraft der Veranlagung des Jahres der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung, herausstellt, dass es günstiger gewesen wäre, hätte man das Wahlrecht nicht oder nur in geringerem Umfang in Anspruch genommen. Die vorgeschilderten Unwägbarkeiten dürften allerdings regelmäßig bereits bei Abgabe der Steuererklärung des Folgejahres, jedenfalls aber bis zur Bestandskraft der Erstveranlagung des Folgejahres ausgeräumt sein, denn sowohl der Gewinn wie auch die Höhe der Entnahmen des Folgejahres sind zur Abgabe der Steuererklärung des Folgejahres zu ermitteln. Einer über diesen Zeitraum hinausgehenden Billigkeitsregelung bedarf es deshalb nicht. Die Möglichkeit, den Antrag bei jeder Änderung der Veranlagung des Folgejahres bis zum Eintritt endgültiger materieller Bestandskraft zurück nehmen zu können, und zwar selbst dann, wenn die Änderung weder mit unvorhergesehenen Verlusten noch mit unvorhergesehen Entnahmen in Zusammenhang steht, würde weit über das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel hinausschießen. Sofern ausnahmsweise bei Erlass des Bescheides des Folgejahres tatsächlich noch Zweifel über die Höhe des Gewinns/Verlustes oder der Entnahmen bestehen, kann der Steuerpflichtige die Anfechtbarkeit des Steuerbescheides durch Einlegung von Rechtmitteln erhalten.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
35Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird, - 2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.
(1) Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, können nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
(2) Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden.
(1)1Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen.2Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.3Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.4Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1, wenn der Steuerpflichtige auf diese Einkünfte ganz oder teilweise § 6b oder § 6c anwendet.
(2) Als außerordentliche Einkünfte kommen nur in Betracht:
- 1.
Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 14a Absatz 1, der §§ 16 und 18 Absatz 3 mit Ausnahme des steuerpflichtigen Teils der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nummer 40 Buchstabe b in Verbindung mit § 3c Absatz 2 teilweise steuerbefreit sind; - 2.
Entschädigungen im Sinne des § 24 Nummer 1; - 3.
Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nummer 3, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden; - 4.
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten; mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
(3)1Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 enthalten, so kann auf Antrag abweichend von Absatz 1 die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist.2Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 Prozent.3Auf das um die in Satz 1 genannten Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) sind vorbehaltlich des Absatzes 1 die allgemeinen Tarifvorschriften anzuwenden.4Die Ermäßigung nach den Sätzen 1 bis 3 kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen.5Erzielt der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum mehr als einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn im Sinne des Satzes 1, kann er die Ermäßigung nach den Sätzen 1 bis 3 nur für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn beantragen.6Absatz 1 Satz 4 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind, soweit die Änderung reicht, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.
(2) Liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen vor, so sind, soweit die Änderung reicht, zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.
(3) Materielle Fehler im Sinne der Absätze 1 und 2 sind alle Fehler einschließlich offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne des § 129, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der Kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht.
(4) § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2 und § 176 bleiben unberührt.
(1) Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, können nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
(2) Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden.
(1) Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Hat von mehreren Berechtigten einer einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt, ein anderer unmittelbar Klage erhoben, ist zunächst über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden.
(2) Das Gericht kann eine Klage, die nach Absatz 1 ohne Vorverfahren erhoben worden ist, innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Klagezustellung, durch Beschluss an die zuständige Behörde zur Durchführung des Vorverfahrens abgeben, wenn eine weitere Sachaufklärung notwendig ist, die nach Art oder Umfang erhebliche Ermittlungen erfordert, und die Abgabe auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Der Beschluss ist unanfechtbar.
(3) Stimmt die Behörde im Falle des Absatzes 1 nicht zu oder gibt das Gericht die Klage nach Absatz 2 ab, ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln.
(4) Die Klage ist außerdem ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines dinglichen Arrests geltend gemacht wird.*
Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird, - 2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.
(1) Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, können nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
(2) Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10) können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.