Finanzgericht Düsseldorf Urteil, 30. Aug. 2016 - 10 K 1897/16 U,F,AO

ECLI:ECLI:DE:FGD:2016:0830.10K1897.16U.F.AO.00
bei uns veröffentlicht am30.08.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


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Abgabenordnung - AO 1977 | § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhal

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 44


(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. (2) Ge

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 46


(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klag

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 45


(1) Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Hat von mehreren Berechtigten ein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 26 Zuständigkeitswechsel


Geht die örtliche Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände von einer Finanzbehörde auf eine andere Finanzbehörde über, so tritt der Wechsel der Zuständigkeit in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervo

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Bundesfinanzhof Beschluss, 30. Sept. 2015 - V B 135/14

bei uns veröffentlicht am 30.09.2015

Tenor Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. September 2014  6 K 346/14 (Kg) aufgehoben.

Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Juli 2015 - II B 150/14

bei uns veröffentlicht am 28.07.2015

Tenor Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. November 2014  3 K 3154/14 wird als unzulässig verworfen.

Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Dez. 2011 - X B 50/11

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

Gründe 1 Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Beschwerde zwar fristgerecht erhoben, aber nicht innerhalb der Begründungsfris

Bundesfinanzhof Beschluss, 27. Juli 2011 - IV B 131/10

bei uns veröffentlicht am 27.07.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob am 3. Dezember 2010 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts München,

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Geht die örtliche Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände von einer Finanzbehörde auf eine andere Finanzbehörde über, so tritt der Wechsel der Zuständigkeit in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervon erfährt. Die bisher zuständige Finanzbehörde kann ein Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Finanzbehörde zustimmt. Ein Zuständigkeitswechsel nach Satz 1 tritt so lange nicht ein, wie

1.
über einen Insolvenzantrag noch nicht entschieden wurde,
2.
ein eröffnetes Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben wurde oder
3.
sich eine Personengesellschaft oder eine juristische Person in Liquidation befindet.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Hat von mehreren Berechtigten einer einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt, ein anderer unmittelbar Klage erhoben, ist zunächst über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden.

(2) Das Gericht kann eine Klage, die nach Absatz 1 ohne Vorverfahren erhoben worden ist, innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Klagezustellung, durch Beschluss an die zuständige Behörde zur Durchführung des Vorverfahrens abgeben, wenn eine weitere Sachaufklärung notwendig ist, die nach Art oder Umfang erhebliche Ermittlungen erfordert, und die Abgabe auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(3) Stimmt die Behörde im Falle des Absatzes 1 nicht zu oder gibt das Gericht die Klage nach Absatz 2 ab, ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln.

(4) Die Klage ist außerdem ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines dinglichen Arrests geltend gemacht wird.*

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Hat von mehreren Berechtigten einer einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt, ein anderer unmittelbar Klage erhoben, ist zunächst über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden.

(2) Das Gericht kann eine Klage, die nach Absatz 1 ohne Vorverfahren erhoben worden ist, innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Klagezustellung, durch Beschluss an die zuständige Behörde zur Durchführung des Vorverfahrens abgeben, wenn eine weitere Sachaufklärung notwendig ist, die nach Art oder Umfang erhebliche Ermittlungen erfordert, und die Abgabe auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(3) Stimmt die Behörde im Falle des Absatzes 1 nicht zu oder gibt das Gericht die Klage nach Absatz 2 ab, ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln.

(4) Die Klage ist außerdem ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines dinglichen Arrests geltend gemacht wird.*

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. September 2014  6 K 346/14 (Kg) aufgehoben.

Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist polnische Staatsangehörige, die im Streitzeitraum (April bis August 2012) --ohne einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu haben-- eine Arbeitnehmertätigkeit im Inland ausübte. Für diesen Zeitraum beantragte sie die Festsetzung von Kindergeld für ihre vier in Polen lebenden Kinder.

2

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 16. November 2012 ab. Ein Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestehe nicht, weil weder eine Antragstellung noch eine Behandlung als fiktiv unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG feststellbar seien.

3

Nachdem die Familienkasse über den dagegen gerichteten Einspruch vom 6. Dezember 2012 nicht entschieden hat, erhob die Klägerin am 10. März 2014 Klage mit dem Ziel, die Familienkasse zur Festsetzung des beantragten Kindergelds für den Streitzeitraum zu verpflichten.

4

Mit Urteil vom 29. September 2014 wies das Finanzgericht (FG) die Klage als unzulässig ab, weil die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nicht vorlägen. Die Familienkasse habe über den Anspruch auf Kindergeld wegen weiterer Sachaufklärung sachlich noch nicht entscheiden können. Aus dem --erst im Klageverfahren an das FG und die Familienkasse übergebenen-- Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 9. April 2013 sei nicht erkennbar, ob die Klägerin beim zuständigen Finanzamt (FA) einen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG gestellt und es diesem entsprochen habe. Diesem Bescheid könnte auch eine Veranlagung --möglicherweise abweichend von einem eventuellen Antrag-- als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 EStG zu Grunde liegen. Nachdem die Klägerin hierzu keine weiteren Angaben gemacht habe, sei eine weitere Sachaufklärung durch die Familienkasse notwendig. Darüber hinaus handle es sich um einen --besondere Schwierigkeiten aufweisenden-- Sachverhalt mit Auslandsbezug, der "eine gewisse Einarbeitungszeit" rechtfertige.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision, mit der sie einen Verfahrensmangel rügt.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

7

Indem das FG die Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens ermessensfehlerhaft verneint hat, hat es die Grundordnung des Verfahrens verletzt.

8

1. Die Ermessenserwägungen des FG genügen nicht, um --anstelle das Klageverfahren auszusetzen-- über die vermeintlich verfrüht erhobene (Untätigkeits-)Klage durch Prozessurteil zu entscheiden. Hierin liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. März 2006 VI B 78/04, BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430, Rz 16).

9

a) Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine (Verpflichtungs-)Klage --abweichend von § 44 FGO-- ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (Untätigkeitsklage). Die Klage kann grundsätzlich nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist, die verlängert werden kann, ausgesetzt werden.

10

b) Die Aussetzung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kommt nicht nur bei einer zulässigen Untätigkeitsklage, die die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO erfüllt, sondern auch bei einer unzulässigen (z.B. verfrüht erhobenen) Untätigkeitsklage in Betracht. Denn auch diese kann --während der Aussetzung des Verfahrens-- in die Zulässigkeit hineinwachsen (BFH-Beschluss in BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430, unter 3. und 4., m.w.N.).

11

aa) Indes besteht keine Aussetzungspflicht. Vielmehr hat das FG im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob es das Verfahren mit (ggf. wiederholt verlängerbarer) Fristsetzung aussetzt oder eine --verfrüht erhobene-- Untätigkeitsklage abweist (BFH-Beschluss in BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430, unter 3. und 4., m.w.N.). Bei seinen Ermessensüberlegungen hat das FG aber zu beachten, dass ein Kläger grundsätzlich nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen kann, ob die erhobene Untätigkeitsklage (möglicherweise) verfrüht erhoben worden ist und zu welchem Zeitpunkt sie gegebenenfalls in die Zulässigkeit hineinwächst. Eine zulässige Klageerhebung wird insoweit durch die tatbestandliche Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (u.a. "in angemessener Frist", "zureichender Grund") beeinträchtigt. Unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) wird deshalb eine Aussetzung des Klageverfahrens als Korrektiv hierzu regelmäßig geboten sein. Abgesehen von prozessökonomischen Gründen wird dem Grundrecht auf wirkungsvollen, insbesondere zeitnahen Rechtsschutz überdies eher entsprochen, wenn eine Klage nicht als unzulässig abgewiesen und der Kläger auf eine erneute Klageerhebung verwiesen wird (BFH-Beschluss in BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430, unter 4., m.w.N.).

12

bb) Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die dargelegten Ermessenserwägungen des FG keine Entscheidung durch Prozessurteil gegenüber der Aussetzung des Verfahrens.

13

(1) Leitende Erwägung des FG das Verfahren nicht auszusetzen, sondern die Klage --kostenpflichtig-- durch Prozessurteil abzuweisen, sei der Verursachungsbeitrag der Klägerin für die Verzögerung des Verfahrens. Insbesondere sei sie ihren Mitwirkungspflichten --im Zusammenhang mit der Behauptung einer Antragstellung nach § 1 Abs. 3 EStG und mit einer möglichen Konkurrenzsituation mit polnischen Familienleistungen-- nicht nachgekommen. Insofern sei es sachgerecht, der Familienkasse --außerhalb eines Klageverfahrens-- Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Ermittlungen (Anfrage beim FA zur Antragstellung nach § 1 Abs. 3 EStG und bei der zuständigen polnischen Behörde wegen etwaiger kinderbezogener Leistungen) durchzuführen.

14

(2) Diese durch das FG dargelegten Ermessenserwägungen sind im Streitfall nicht verhältnismäßig. Dies gilt ungeachtet dessen, dass das FG die Sache im Erörterungstermin vom 22. September 2014 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert hat und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte, zu keiner weiteren Mitwirkung verpflichtet zu sein.

15

Das FG hätte bei seiner Ermessensüberlegung nämlich den Umstand berücksichtigen müssen, dass die Familienkasse die Klägerin erstmals --während des Klageverfahrens-- mit Schreiben vom 8. Mai 2014 auf ihre --möglicherweise bestehenden-- Mitwirkungspflichten wegen des Antrags nach § 1 Abs. 3 EStG und der möglichen Konkurrenzsituation zu polnischen Familienleistungen konkret hingewiesen hatte. Nachdem die Familienkasse --mit Kenntnis des FG während des Klageverfahrens-- mit diesbezüglichen Ermittlungen bei den zuständigen Behörden begonnen hat, ist eine Entscheidung durch Prozessurteil --anstelle der Verfahrensaussetzung-- nicht (mehr) erforderlich. Zwar könnte eine (vermeintlich) fehlende Mitwirkung der Klägerin die --wie vom FG angenommen-- Verzögerung der Bearbeitung verursacht haben; nachdem die Familienkasse die Tatsachen --bei deren Aufklärung die Klägerin nicht mitgewirkt haben soll-- durch eigene Ermittlungen überlagert, ist aber nicht mehr nachvollziehbar, warum eine kostenpflichtige Entscheidung gegenüber der Aussetzung des Verfahrens sachgerechter sein soll. Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass eine gleichgerichtete Mitwirkung der Klägerin zu einem früheren Abschluss des (Einspruchs- oder Klage-)Verfahrens führen könnte, insbesondere sind solche Mitwirkungen nicht geeignet, das Verfahren zu beschleunigen. Soweit die fehlende Mitwirkung zu einer Verzögerung des Verfahrens beigetragen haben sollte, hatte diese aber im Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung keine Auswirkungen mehr, da die Familienkasse mit entsprechenden Ermittlungen bereits begonnen hatte.

16

Zudem stützt das FG seine Ermessenserwägung fehlerhaft auf die Behauptung, die Klägerin habe das Verfahren verzögert, ohne zu berücksichtigen, dass die Familienkasse erstmals im Klageverfahren --mit Schreiben vom 8. Mai 2014-- die Mitwirkung der Klägerin konkretisiert hat. Auch legt das FG nicht dar, warum es sachgerecht sein soll, etwaige Erkenntnisse aus den Anfragen bei den Behörden, unabhängig von einem bereits laufenden Klageverfahren zu prüfen. Die Überprüfungsmöglichkeit durch die Familienkasse wird ebenso erreicht, wenn das Verfahren ausgesetzt wird.

17

2. Der Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

18

a) Der Senat braucht indes nicht darüber zu entscheiden, ob ein Verfahrensmangel möglicherweise auch deshalb vorliegt, weil das FG über die Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. September 2014 VIII B 133/13, BFH/NV 2015, 45, Rz 7, m.w.N.).

19

b) Auch hat der Senat nicht darüber entschieden, ob die Klage verfrüht erhoben worden ist und die vom FG vorgenommene Güterabwägung eine Verlängerung der sechsmonatigen Regelbearbeitungsfrist rechtfertigen könnte (vgl. zur Güterabwägung, z.B. BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017, unter II.1.a und b, m.w.N.; vom 7. Oktober 2010 V R 43/08, BFH/NV 2011, 989, Rz 20, und vom 6. Oktober 2005 V B 140/05, BFH/NV 2006, 473, unter II.1.a, Rz 23). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die --erstmalige-- Aufforderung der Familienkasse vom 8. Mai 2014, eine Bescheinigung des FA einzureichen, "die die Entscheidung zur steuerlichen Behandlung [der Klägerin] nach § 1 Abs. 1 oder 3 EStG enthält und die eine Aussage zur Grundlage für diese Entscheidung beinhaltet" im Rahmen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO unbeachtlich ist. Die Mitteilung zureichender Gründe, warum in angemessener Frist sachlich nicht über den Einspruch entschieden werden kann, muss vor Klageerhebung erfolgen (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2017, II.1.b bb).

20

c) Zusätzlich weist der Senat --ohne Bindungswirkung-- darauf hin, dass das FG zu Recht davon ausgeht, dass eine Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG --anders als die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 EStG-- von der bindenden einkommensteuerrechtlichen Behandlung abhängig ist (BFH-Urteil vom 24. Mai 2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897, Leitsatz, Rz 13). Lässt sich dem Einkommensteuerbescheid indes nicht entnehmen, ob die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig aufgrund eines Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts (§ 1 Abs. 1 EStG) oder aufgrund eines Antrags (§ 1 Abs. 3 EStG) erfolgt, ist dessen Inhalt durch Auslegung zu ermitteln, wobei außerhalb des Bescheids liegende Umstände zu berücksichtigen sind. Bei Auslegungszweifeln ist Rückgriff auf die --der Einkommensteuerveranlagung-- begleitenden Unterlagen zu nehmen, ggf. sind die Einkommensteuerakten beizuziehen (BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 59/11, BFHE 242, 228, BStBl II 2014, 843, Rz 48 f.).

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

22

4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhaltes sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob am 3. Dezember 2010 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts München, das ihm am 4. November 2010 zugestellt worden war. Am 16. Dezember 2010 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um einen Monat vom 4. Januar 2011 bis zum 4. Februar 2011 zu verlängern. Diesem Antrag entsprach der Vorsitzende des erkennenden Senats, wie die Geschäftsstelle den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 mitteilte. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 18. Februar 2011 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

2

Gleichzeitig mit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragten die Prozessbevollmächtigten am 18. Februar 2011, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Begründungsfrist zu gewähren.

3

Sie tragen vor, der Ablauf der Begründungsfrist am 4. Februar 2011 sei ordnungsgemäß in den elektronischen Fristenkalender eingetragen worden. Dieser werde seit Januar 2004 über ein zertifiziertes Datev-Programm geführt, das von X geprüft worden sei und den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Fristenüberwachung entspreche; es habe bisher ordnungsgemäß funktioniert. Die elektronische Fristenüberwachung sei so eingestellt, dass das Programm sowohl unmittelbar nach dem Starten des Rechners als auch anschließend alle vier Stunden über den aktuellen Fristenstand informiere. An Tagen, an denen keine Fristen abliefen, erfolge keine Meldung durch das Programm.

4

Das Sekretariat der Prozessbevollmächtigten lege sämtliche Schreiben, die eine Frist beinhalteten, dem Partner in der Sozietät Herrn Steuerberater A vor. Dieser sei seit Gründung der Kanzlei sowohl für die Kontrolle der Eintragung der Fristen als auch für die Einrichtung von Rechnern und die Installation von Software zuständig.

5

Am 3. Februar 2011 abends nach Arbeitsende sei von A und dem Mitarbeiter der Kanzlei B auf den Rechnern der Kanzlei ein neues Betriebssystem (Windows 7) installiert worden. Die Installation des Betriebssystems habe auch die Neuinstallation der Datev-Software erfordert. Da A am nächsten Tag einen Auswärtstermin gehabt habe, habe er noch am Abend des 3. Februar 2011 B beauftragt, die individuellen Datev-Einrichtungen, zu denen auch die Aktivierung der elektronischen Fristenüberwachung gehöre, gleich am Morgen des 4. Februar 2011 zu Arbeitsbeginn wieder herzustellen. Denn diese Einrichtungen seien nur unter dem Datev-Login des jeweiligen Users möglich, dessen Anwesenheit somit erforderlich sei.

6

Die Streitsache des Klägers werde von dem Partner in der Sozietät der Prozessbevollmächtigten Herrn Steuerberater C bearbeitet. Dieser habe keine Kenntnis von Ablauf und Auswirkungen der Installationsarbeiten gehabt. Als er seinen Rechner am 4. Februar 2011 morgens eingeschaltet habe, habe sich gezeigt, dass Windows 7 installiert worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass damit die Installation abgeschlossen gewesen sei. An diesem Tag habe er keine Fristenmitteilungen über den Rechner erhalten. Dies sei jedoch nicht ungewöhnlich, da er an Tagen, an denen keine Fristen abliefen, ohnehin keine Mitteilungen erhalte. Erst als C am 7. Februar 2011, am zweiten Tag in Folge, wieder keine Fristenmitteilung erhalten habe, habe er sich gewundert und A gefragt, ob es gegebenenfalls Probleme mit der Fristenbenachrichtigung geben könne. Daraufhin habe der hinzugerufene B mitgeteilt, dass er es versäumt habe, die individuellen Datev-Einrichtungen am Rechner des C vorzunehmen. Das sei umgehend nachgeholt worden, wobei auch die am 4. Februar 2011 abgelaufene Begründungsfrist angezeigt worden sei.

7

B sei seit 2001 Steuerfachangestellter und arbeite in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten seit März 2003. Neben seiner steuerrechtlichen Tätigkeit richte B von Beginn an zusammen mit A Rechner ein und installiere Software. Er arbeite stets zuverlässig und habe sich seit Beginn seiner Tätigkeit für die Prozessbevollmächtigten keine Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Unregelmäßigkeiten seien nicht bekannt. Deshalb habe A davon ausgehen dürfen, dass B seinem Auftrag vom 3. Februar 2011 nachkomme, die Datev-Einrichtungen am Rechner des C und damit auch die Aktivierung der elektronischen Fristenkontrolle vorzunehmen.

8

Die Revision sei --wie weiter ausgeführt wird-- wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des BFH sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

9

Der Kläger beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren und die Revision zuzulassen.

10

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

11

Es macht u.a. geltend, der Computer sei im vorliegenden Fall nicht spontan "abgestürzt", vielmehr sei vorhersehbar gewesen, dass ein neues Betriebssystem installiert werden würde. Als Vorsichtsmaßnahme hätten folglich die in diesem Zeitraum abgelaufenen Fristen mithilfe eines Ausdrucks kontrolliert werden müssen. Der BFH habe entschieden, dass es ein anwaltliches Organisationsverschulden darstelle, wenn bei einem Rechtsanwalt, der einen elektronischen Fristenkalender führe, die Eingaben in den EDV-Kalender nicht jeweils mithilfe eines Ausdrucks kontrolliert würden (BFH-Beschluss vom 6. August 2001 II R 77/99, BFH/NV 2002, 44).

Entscheidungsgründe

12

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet wurde.

13

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist kann nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

14

2. Vorliegend ist die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde verspätet beim BFH eingegangen, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Das angefochtene Urteil wurde am 4. November 2010 zugestellt. Die vom Vorsitzenden verlängerte Begründungsfrist ist am 4. Februar 2011 abgelaufen. Die Begründung ist jedoch erst am 18. Februar 2011 eingegangen.

15

3. Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Begründungsfrist war nicht zu gewähren.

16

a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zu seiner Begründung sind glaubhaft zu machen und die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 56 Abs. 2 FGO). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen.

17

b) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (u.a. BFH-Beschluss vom 21. Januar 2003 X B 118/02, BFH/NV 2003, 645). Wird das Verfahren der Fristenkontrolle geändert und/oder zeitweise außer Kraft gesetzt, muss deshalb durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Fristen eingehalten werden. Dem entsprechend hat der BFH entschieden, dass ein Wechsel in der Person des mit der Fristenkontrolle betrauten Büropersonals eine besondere Sorgfalt und Kontrolle der im Zeitpunkt des Wechsels laufenden Fristen durch den Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe selbst erfordert (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 645, und vom 13. Juli 1989 VIII R 55/88, BFH/NV 1990, 248).

18

c) Bei einer elektronischen Fristenkontrolle können keine geringeren Anforderungen gelten (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 12. Oktober 1998 II ZB 11/98, Deutsches Steuerrecht 1999, 251). Wird die elektronische Fristenkontrolle --wie z.B. im Streitfall im Zuge einer Neuinstallation des Rechners-- außer Funktion gesetzt, muss sich der Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe entweder selbst rechtzeitig vergewissern, dass die Fristenkontrolle wieder funktioniert, oder die Einhaltung der laufenden Fristen in anderer Form sicherstellen (zu den Sorgfaltspflichten bei elektronischer Fristenkontrolle s.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 44; BGH-Beschluss vom 12. Dezember 2005 II ZB 33/04, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2006, 500).

19

d) Im Streitfall war zwar der Prozessbevollmächtigte A über die im Zuge der Installation des neuen Betriebssystems unvermeidliche Neuinstallation (auch) des elektronischen Fristenkontrollprogramms informiert. Er hat diese jedoch weder selbst überwacht noch sichergestellt, dass der mit der Bearbeitung des Streitfalls befasste Prozessbevollmächtigte C die erforderliche Kontrolle vornahm oder zumindest (rechtzeitig) in anderer Form über den Fristablauf informiert wurde. Dass die erforderliche erneute Aktivierung der elektronischen Fristenüberwachung auf dem Rechner des Prozessbevollmächtigten C einem vertrauenswürdigen und ansonsten zuverlässigen Mitarbeiter übertragen worden war, genügt nicht. Das Verschulden des A ist dem Kläger zuzurechnen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht zu gewähren.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Beschwerde zwar fristgerecht erhoben, aber nicht innerhalb der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO kann nicht gewährt werden.

2

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils des Finanzgerichts (FG) zu begründen. Diese Voraussetzung haben die Kläger nicht erfüllt.

3

a) Das Urteil des FG wurde den Klägern nach dem von der Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 21. März 2011 zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde lief mit Ablauf des 23. Mai 2011 --einem Montag-- ab (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

4

b) Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 22. Juni 2011 (beim Bundesfinanzhof --BFH-- eingegangen am selben Tag) die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nachgereicht. Diese war verspätet, da eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht beantragt war (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO).

5

2. Die mit selbigem Schriftsatz beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden. Die Voraussetzungen sind nicht glaubhaft gemacht worden.

6

a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Die Kläger müssen sich ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

7

Wenn --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt wird, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2002 VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795; vom 24. Juni 2002 IX R 38/01, BFH/NV 2002, 1467, und vom 14. Mai 2007 VIII B 47/07, BFH/NV 2007, 1684). Der Prozessbevollmächtigte, der zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, er habe die Notierung und Kontrolle der maßgeblichen Frist für die Einlegung bzw. Begründung eines Rechtsmittels einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen, muss hiernach vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 795; in BFH/NV 2007, 1684, und vom 8. Februar 2008 X B 95/07, BFH/NV 2008, 969, m.w.N.). Dazu gehört auch der Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 795; in BFH/NV 2007, 1684, und in BFH/NV 2008, 969). Unerlässliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist dabei ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung, in der der Ablauf sämtlicher Fristen vermerkt und eine Frist erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen wird (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1992 III R 57/91, BFH/NV 1992, 615; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 56 Rz 20, Stichwort "Fristenkontrolle", m.w.N.).

8

Es genügt nicht, wenn ein Prozessbevollmächtigter lediglich Wiedervorlagefristen für die Bearbeitung einer Sache in einen dafür bestimmten Fristenkalender einträgt. Bei einer solchen Verfahrensweise ist eine korrekte Kontrolle, wann die Frist abläuft und ob die Beschwerdebegründungsschrift rechtzeitig abgesandt wurde, nämlich nicht möglich (BFH-Entscheidungen vom 11. November 1972 VIII R 8/67, BFHE 107, 486, BStBl II 1973, 169; in BFH/NV 1992, 615, und vom 31. Juli 2002 VI B 17/02, BFH/NV 2002, 1490; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 20, Stichwort "Fristenkontrolle").

9

b) Diesen Maßstäben genügt der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht.

10

aa) Nach ihrem eigenen Vortrag wurde die Versendung der Nichtzulassungsbeschwerde im Fristenkontrollbuch eingetragen, wobei neben dem Kürzel Nichtzulassungsbeschwerde, dem Datum und dem Namenszeichen lediglich vermerkt wurde, dass die Begründung nachzureichen sei, und als Wiedervorlage der 15. Mai 2011 notiert werden sollte. Bei Austrag aus dem Fristenkontrollbuch sei der Vermerk betreffend die Wiedervorlage unbeachtet geblieben. Daraus ist zu schließen, dass lediglich eine Wiedervorlagefrist eingetragen werden sollte, nicht dagegen der Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist selbst. Auf diese Weise wäre --selbst bei Beachtung des Vermerks, die Wiedervorlagefrist zu notieren-- aus dem Fristenkontrollsystem nicht ersichtlich gewesen, wann die Begründungsfrist ablief und ob die Beschwerdebegründung rechtzeitig abgesandt wurde. Wie oben dargestellt, ist dies organisatorisch unzureichend.

11

bb) Ferner fehlt jeglicher Vortrag zur Belehrung und Überprüfung des Personals bei der Einhaltung der Fristen. Die Prozessbevollmächtigte hat zu diesem Punkt lediglich ausgeführt, die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin, Frau X, sei seit 1992 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten angestellt und führe seit vielen Jahren das Fristenkontrollbuch ohne Beanstandungen. Aus dem Vortrag ergibt sich nicht, auf welche Weise und in welchen Zeitabständen die Belehrung und insbesondere die Überprüfung im Einzelnen durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist ein Organisationsverschulden als Ursache der Fristversäumnis nicht auszuschließen.

12

c) Zudem sind die behaupteten Tatsachen nicht glaubhaft gemacht. Es fehlen präsente Beweismittel i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 2 ZPO, etwa eine Ablichtung der entsprechenden Seite des Fristenkontrollbuchs oder eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau X zur Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung (Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 969).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. November 2014  3 K 3154/14 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) wies die einen Grundsteuermessbescheid und einen Einheitswertbescheid betreffende Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) durch Urteil vom 19. November 2014 ab und ließ die Revision nicht zu. Das Urteil wurde dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am 29. November 2014 zugestellt.

2

Der Kläger legte am 29. Dezember 2014 Nichtzulassungsbeschwerde ein, ohne diese zunächst zu begründen.

3

Der Senatsvorsitzende wies den Kläger mit Schreiben vom 9. Februar 2015 darauf hin, dass die Begründung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision dem Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht vorliege. Daraufhin begründete der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten, eines Rechtsanwalts (P), vom 26. Februar 2015 und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führte er aus, P habe die Beschwerdebegründung am 29. Januar 2015 unterzeichnet. Die mit der Übermittlung der Beschwerdebegründung an den BFH per Telefax und mit der Post beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte (R) habe die Beschwerdebegründung weisungswidrig nicht an den BFH übersandt, sondern zur Akte genommen, ohne dass dies durch einen konkreten Umstand erklärt werden könne. Die Beschwerdebegründung sei dort erst nach dem Hinweis des BFH vom 9. Februar 2015 vorgefunden worden. Möglicherweise sei R momentan durch andere Umstände abgelenkt gewesen. R habe das Versäumnis auch nicht bei der abendlichen Kontrolle des Terminkalenders bemerkt. In der Kanzlei des P bestehe eine ausdrückliche Anweisung gegenüber den Rechtsanwaltsfachangestellten, täglich anhand des vorliegenden Fristenkalenders zu kontrollieren, ob alle dort eingetragenen Fristen abgearbeitet sind, und die abgearbeiteten Fristsachen am selben Tag per Post und ggf. vorab per Fax zu übermitteln. Dieser ausdrücklichen Arbeitsanweisung sei R im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. R sei eine ausgesprochen zuverlässige Mitarbeiterin, deren Tätigkeit von P regelmäßig stichprobenartig kontrolliert werde und in der Vergangenheit zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben habe.

4

Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens legte der Kläger Versicherungen an Eides statt des P und der R vor. R führte darin u.a. aus, sie sei davon ausgegangen, dass sie die ihr aufgetragene Übermittlung des Schriftsatzes an den BFH vorgenommen habe, und habe daraufhin die Frist im Kalender gestrichen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig und war daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat die in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bestimmte Frist von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils des FG versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

6

1. Die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde begann mit der Zustellung der Vorentscheidung am 29. November 2014 und lief gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alternative 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 29. Januar 2015 ab. Die Beschwerdebegründung ging erst am 27. Februar 2015 beim BFH ein.

7

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist kann nicht gewährt werden.

8

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei schließt jedes Verschulden, also auch einfache Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2014 X R 14/13, BFH/NV 2014, 567, Rz 11; vom 26. Februar 2014 IX R 41/13, BFH/NV 2014, 881, Rz 10, und vom 16. September 2014 II B 46/14, BFH/NV 2015, 49, Rz 4). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

9

b) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung müssen innerhalb der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. September 2012 XI R 13/12, BFH/NV 2013, 60, Rz 13, 19; in BFH/NV 2014, 881, Rz 10; vom 28. März 2014 IX B 115/13, BFH/NV 2014, 896, Rz 4; in BFH/NV 2015, 49, Rz 6, und vom 2. Dezember 2014 III B 36/14, BFH/NV 2015, 505, Rz 13), soweit sie für das Gericht nicht offenkundig oder amtsbekannt sind (BFH-Urteil vom 18. März 2014 VIII R 33/12, BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, Rz 17). Sie müssen ferner bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).

10

c) Hinsichtlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zwischen Organisationsmängeln, die als solche einem Rechtsanwalt oder Steuerberater und den von ihm Vertretenen als Verschulden zuzurechnen sind, einerseits und nicht zurechenbarem Büroversehen andererseits unterschieden. Wird --wie im Streitfall-- ein dem Prozessbevollmächtigten und dem von ihm Vertretenen nicht zuzurechnendes reines Büroversehen geltend gemacht, gehört zum erforderlichen schlüssigen Vortrag des "Kerns" der Wiedereinsetzungsgründe die Darlegung, warum ein Organisationsverschulden auszuschließen ist. Es müssen also die Organisationsmaßnahmen vorgetragen werden, die den konkreten Fehler als Büroversehen erkennen lassen (BFH-Urteil in BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, Rz 18). Dazu muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440; vom 30. April 2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117, Rz 19, und in BFH/NV 2014, 567, Rz 12). Kann aufgrund des Vortrags nicht ausgeschlossen werden, dass an der Fristversäumnis ursächlich auch ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten mitgewirkt hat, kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (BFH-Beschluss vom 13. September 2012 XI R 48/10, BFH/NV 2013, 212, Rz 13, m.w.N.).

11

d) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4. November 2014 VIII ZB 38/14, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2015, 253, Rz 9, m.w.N.). Dabei ist die für die Kontrolle zuständige Bürokraft anzuweisen, dass Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen sind, nachdem sie sich anhand der Akte selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH-Beschluss vom 26. Februar 2015 III ZB 55/14, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 2015, 782, Rz 8).

12

Die ordnungsgemäße, zur Vermeidung von Fristversäumnissen geeignete Büroorganisation setzt u.a. voraus, dass der Ausgang eines Schriftstücks, das eine gesetzliche Frist wahren soll, nicht dokumentiert wird, solange die zur Absendung erforderlichen Arbeitsschritte nicht vollständig getan sind, und eine Frist nicht vorher gelöscht wird. Bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks per Telefax darf demgemäß die betreffende Frist erst gelöscht werden, wenn ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis (Sendebericht) vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt. Werden diese Anforderungen nicht beachtet, weist dies auf einen Organisationsmangel hin (BFH-Urteil in BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, Rz 20, m.w.N.).

13

Zu einer wirksamen Fristenkontrolle gehört auch eine Anordnung, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird (BGH-Beschlüsse in NJW 2015, 253, Rz 8 f., und in WM 2015, 782, Rz 8, je m.w.N.). Diese Kontrolle muss gewährleisten, dass am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH-Beschluss in NJW 2015, 253, Rz 9, m.w.N.).

14

Die Erforderlichkeit einer derartigen abschließenden Kontrolle ergibt sich schon daraus, dass selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (BGH-Beschlüsse in NJW 2015, 253, Rz 8, und in WM 2015, 782, Rz 18, m.w.N.). Die allabendliche Kontrolle dient nicht allein dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben. Sie soll vielmehr auch feststellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Frist die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH-Beschluss in WM 2015, 782, Rz 18, m.w.N.).

15

e) Diese Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist sind im Streitfall nicht erfüllt. Nach dem Vorbringen des Klägers kann nicht ausgeschlossen werden, dass an der Fristversäumnis ursächlich ein Organisationsverschulden des P mitgewirkt hat. Der Kläger hat nicht substantiiert und in sich schlüssig dargelegt, dass die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen in der Kanzlei des P so organisiert war, dass sie den erforderlichen gestuften Schutz gegen Fristversäumnisse bot. Er hat nicht vorgetragen, dass in der Kanzlei angeordnet gewesen sei, dass eine Frist erst gelöscht wird, wenn die zur Absendung des Schriftstücks erforderlichen Arbeitsschritte vollständig getan sind und bei Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks per Telefax ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis (Sendebericht) vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung belegt. Er hat auch nicht ausgeführt, dass die für die Fristenkontrolle zuständige Bürokraft angewiesen gewesen sei, Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist, und dass hinsichtlich fristgebundener Sachen eine allabendliche Kontrolle mit einer nochmaligen, selbständigen Prüfung angeordnet war. Individuelle Bearbeitungsfehler, wie sie selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen auftreten können, konnten, wie auch der Streitfall zeigt, aufgrund der unzureichenden Büroorganisation allenfalls zufällig entdeckt werden. Dies genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

16

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.