Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 19. Nov. 2013 - 5 K 957/08

ECLI:ECLI:DE:FGST:2013:1119.5K957.08.0A
bei uns veröffentlicht am19.11.2013

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger (aus der Insolvenzmasse) zu tragen.

Der Streitwert für das Verfahren beträgt 5.712,30 Euro.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit einer Aufrechnung in Höhe von 5.712,30 Euro.

2

Mit Beschluss vom 02. November 2004 [Aktenzeichen: ( . . . )] eröffnete das Amtsgericht K. das Insolvenzverfahren über das Vermögen des B. C. [im Folgenden: Insolvenzschuldner].

3

Der Insolvenzschuldner betrieb in den Jahren 2005 und 2006 ein Unternehmen, das mit dem Handel von Wohnraumtextilien bzw. -materialien befasst war. Er reichte im Februar 2008 Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 ein, nach denen sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 1.158,20 Euro in 2005 und in Höhe von 4.354,50 Euro in 2006 errechnete, insgesamt mithin 5.512,70 Euro. Das Finanzamt D. setzte mit zwei an den Insolvenzschuldner adressierten Bescheiden über Umsatzsteuer vom 13. März 2008 die zu erstattenden Vorsteuerbeträge bzgl. der Umsatzsteuer 2005 auf 1.288,70 Euro und bzgl. der Umsatzsteuer 2006 auf 4.354,60 Euro – insgesamt 5.643,30 Euro – fest.

4

Der Kläger (Insolvenzverwalter) erklärte zu den genannten Umsatzsteuer-Erklärungen mit an das Finanzamt D. gerichtetem Schreiben vom 20. Februar 2008, dass der Insolvenzschuldner nicht berechtigt gewesen sei, im Auftrag oder Namen der Insolvenzmasse tätig zu werden, denn er habe seine unternehmerische Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens ausgeübt. Zuvor hatte der Kläger dem Insolvenzschuldner bereits mit Schreiben vom 11. Februar 2008 mitgeteilt, dass er von der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erfahren habe und ihn – den Insolvenzschuldner – dazu darauf hinweise, dass die ausgeführte selbstständige Tätigkeit nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens bzw. zu Lasten der Masse in Betracht komme. Sollte er – der Insolvenzschuldner – die Betriebsstätte fortführen, geschehe dies ausschließlich auf eigene Rechnung und Verantwortung. Außerdem enthält das Schreiben vom 11. Februar 2008 folgende Erklärung:

5

Sofern Sie eine Betriebstätigkeit fortführen oder aufnehmen, hat dies ausschließlich auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung zu erfolgen. Insbesondere haben Sie in eigener Verantwortung für die Erfüllung sämtlicher buchhalterischer, steuerlicher sowie sozialversicherungsrechtlicher Belange zu sorgen.
Vermögen aus einer etwaigen selbstständigen Tätigkeit gehört als solches aufgrund dieser Freigabe nicht zur Insolvenzmasse. Verbindlichkeiten aus einer solchen Tätigkeit können nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden.

6

Das Finanzamt D. übermittelte dem Kläger später unter dem 03. April 2008 eine Umbuchungsmitteilung. Hierzu erklärte der Kläger mit Schreiben vom 10. April 2008, dass er mit der Verrechnung der Umsatzsteuerguthaben aus den Jahren 2005 und 2006 auf Steuerschulden, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, nicht einverstanden sei. Eine Verrechnung von Steuerguthaben nach Eröffnung mit Steuerschulden vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nicht zulässig. Dies betreffe folgende Beträge:

7

Umsatzsteuer 2006

83,29 Euro

Umsatzsteuer 2006

3.403,87 Euro

Umsatzsteuer 2006

122,01 Euro

Umsatzsteuer 2006

745,43 Euro

                 

Umsatzsteuer 2005

3,68 Euro

Umsatzsteuer 2005

72,08 Euro

Umsatzsteuer 2005

797,90 Euro

Umsatzsteuer 2005

171,26 Euro

Umsatzsteuer 2005

51,86 Euro

Umsatzsteuer 2005

108,63 Euro

Umsatzsteuer 2005

69,00 Euro

Umsatzsteuer 2005

83,29 Euro

        

5.712,30 Euro

8

Das Finanzamt D. erteilte dem Kläger hierauf unter dem 17. April 2008 einen Abrechnungsbescheid, in dem festgestellt wurde, dass ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse nicht bestehe, der Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners durch Aufrechnung mit Insolvenzforderungen – nämlich Umsatzsteuer 2000 [171,26 Euro], Umsatzsteuer 2001 [3.765,14 Euro], Umsatzsteuer 2002 [869,98 Euro], Umsatzsteuer 2003 [905,92 Euro] – erloschen sei. Zwar sei nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 4 der Insolvenzordnung eine Aufrechnung unzulässig, wenn der Steuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse gehöre. Ein Steuererstattungsanspruch gehöre jedoch nicht zur Insolvenzmasse, wenn er aus einer Tätigkeit resultiere, die ausschließlich mit unpfändbaren oder aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen Gegenständen ausgeführt werde.

9

Zur Begründung seines dagegen gerichteten Einspruchs führte der Kläger aus, dass Umsatzsteuererstattungsansprüche seiner Auffassung zufolge grundsätzlich pfändbar seien und dem Insolvenzbeschlag unterlägen. Zudem habe der Insolvenzschuldner keine insolvenzfreie Tätigkeit ausgeübt, denn er – der Kläger – habe die selbstständige Betätigung des Insolvenzschuldners weder freigegeben noch die Aufnahme einer solchen Tätigkeit gestattet. Die Tätigkeit sei vielmehr ohne Kenntnis oder Billigung des Klägers aufgenommen und durchgeführt worden.

10

Das Finanzamt D. wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 12. Juni 2008 als unbegründet zurück. Ergänzend zu den bereits in dem Abrechnungsbescheid aufgeführten Gesichtspunkten führte das Finanzamt D. aus, dass der Kläger die selbstständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag ausdrücklich freigegeben habe, so dass insolvenzrechtliche Bestimmungen eine Aufrechnung nicht hindern könnten.

11

Der Kläger hat am 04. Juli 2008 Klage erhoben.

12

Er hält daran fest, dass die erfolgte Verrechnung gegen § 96 der Insolvenzordnung verstoße. Er weist darauf hin, dass der Gewerbebetrieb des Insolvenzschuldners, durch den die streitigen Erstattungsansprüche begründet worden seien, „unstreitig“ nicht freigegeben worden sei. Selbst wenn man das Schreiben vom 11. Februar 2008 im Sinne einer Freigabe auslegen wolle, sei zu beachten, dass eine Freigabe stets nur Wirkungen für die Zukunft entfalte.

13

Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid des Finanzamtes D. vom 17. April 2008 in der Gestalt des dazu erteilten Einspruchsbescheides vom 12. Juni 2008 dahingehend abzuändern, dass zu Gunsten der Insolvenzmasse ein Erstattungsanspruch aus der Umsatzsteuer 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt 5.712,30 Euro ausgewiesen wird.

14

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Er weist darauf hin, dass der Kläger sich selbst hinsichtlich des Gewerbebetriebes des Insolvenzschuldners seiner buchhalterischen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen als Insolvenzverwalter entzogen habe und deshalb hinsichtlich der erwirtschaften Erträge nichts anderes gelten könne. Das Schreiben vom 11. Februar 2008 müsse als rückwirkende Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag gewertet werden. Außerdem habe der Kläger mitgeteilt, dass der Insolvenzschuldner seine unternehmerische Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens ausgeübt habe.

16

Dem Senat haben bei der Entscheidung zwei Bände Verwaltungsakten einschließlich der Einspruchsheftung vorgelegen.

( . . . )

Entscheidungsgründe

17

I.   ( . . . )

18

II.   Die zulässige Klage ist unbegründet.

19

Der angefochtene Abrechnungsbescheid des Finanzamtes D. vom 17. April 2008 und der dazu ergangene Einspruchsbescheid vom 12. Juni 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten [§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)].

20

Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Abrechnungsbescheides ist § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Danach entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 218 Abs. 1 AO) betreffen, durch Verwaltungsakt.

21

Zwischen den Beteiligten besteht Übereinstimmung darin, dass die in § 226 AO bezeichneten Voraussetzungen für eine Aufrechnung erfüllt sind. Dies erscheint auch dem Senat nicht zweifelhaft. Zwischen den Beteiligten steht allein im Streit, ob eine Aufrechnung von Forderungen, über deren Höhe Einigkeit besteht, nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) unzulässig ist. Der Tatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist im Streitfall jedoch nicht gegeben.

22

Nach der genannten Bestimmung ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.

23

Das Finanzamt D. ist Insolvenzgläubiger, da nach dem insofern übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten eine Verrechnung der streitigen Vorsteuerbeträge mit Verbindlichkeiten zur Umsatzsteuer 2000 [171,26 Euro], Umsatzsteuer 2001 [3.765,14 Euro], Umsatzsteuer 2002 [869,98 Euro], Umsatzsteuer 2003 [905,92 Euro] erfolgt ist. Es handelt sich durchgängig um Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02. November 2004 entstanden waren und von dem Kläger offenkundig auch nicht bestritten wurden.

24

Es fehlt indes an der zweiten Voraussetzung für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das beklagte Finanzamt ist nicht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden.

25

Nach § 35 InsO – seit dem 01. Juli 2007: § 35 Abs. 1 InsO – erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, dass dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Dem Vermögen sind auch ggf. bestehende Steuererstattungsansprüche zuzurechnen, denn Ansprüche auf die Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und Steuervergütungen können gemäß § 46 Abs. 1 AO abgetreten, gepfändet und verpfändet werden. Damit kann an sich auch ein Anspruch auf Erstattung von Vorsteuerbeträgen in die Insolvenzmasse fallen.

26

1)   Ungeachtet der zwischen den Beteiligten geführten Diskussion, ob der Kläger die selbständige Betätigung des Insolvenzschuldners freigegeben hat, kommt im Streitfall bei der Prüfung dieses Gesichtspunktes nicht die Anwendung des gemäß Art. 1 Nr. 12 desGesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 [BGBl. I 2007, S. 509 (510)] zum 01. Juli 2007 in das Gesetz eingefügten § 35 Abs. 2 InsO in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat der Insolvenzverwalter gegenüber einem Insolvenzschuldner, der eine selbstständige Tätigkeit ausübt, zu erklären, ob Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Angesichts des Wortlautes des Schreibens des Klägers vom 11. Februar 2008 hat dieser zwar augenscheinlich eine solche Erklärung abgeben wollen. Dies ist aber insofern unerheblich, als durch Art. 3 Nr. 2 desGesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 [BGBl. I 2007, S. 509 (511)] der Art. 103c desEinführungsgesetzes zur Insolvenzordnung geschaffen wurde. Nach Art. 103c Abs. 1 desEinführungsgesetzes zur Insolvenzordnung sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 eröffnet wurden, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Dies bedeutet, § 35 Abs. 2 InsO ist im Streitfall unbeachtlich, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners bereits am 02. November 2004 eröffnet wurde.

27

2)   Obgleich § 35 Abs. 2 InsO nicht anwendbar ist, steht damit noch nicht fest, dass ein Anwendungsfall des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben ist. Entscheidend ist insoweit, dass es auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 allgemein anerkannt war, dass der Insolvenzverwalter im Wege einer sog. Freigabeerklärung, die im Übrigen keiner besonderen Form bedarf, Gegenstände und Vermögenswerte aus dem Insolvenzbeschlag freigeben kann [vgl. zur alten Rechtslage nur: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, München 2003, § 35 InsO RdNr. 23 ff. m.w.N.].

28

Da die Freigabeerklärung nicht der Zustimmung des Insolvenzschuldners bedarf, ist nur zu prüfen, ob eine solche Freigabeerklärung vorliegt und die streitigen Vorsteuererstattungsbeträge erfasst.

29

Auszugehen ist zunächst davon, dass der Kläger (Insolvenzverwalter) ursprünglich keine Freigabe erklärt hat, denn aus den Verwaltungsakten des Beklagten und dem insofern übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten ergibt sich, dass der Insolvenzschuldner seiner selbstständige Tätigkeit in den Jahren 2005 und 2006 nachgegangenen ist, ohne dass der Kläger hierüber informiert gewesen wäre. Infolge dieser Unkenntnis konnte auch keine Freigabe erfolgen. Mithin ist der die Vorsteuerbeträge für 2005 und 2006 betreffende Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners, der aus dieser selbstständigen Tätigkeit resultiert, dem Grund nach entstanden ist, ohne dass eine Freigabe vorgelegen hätte.

30

Diese auch noch im Jahre 2007 bestehende Situation hat sich jedoch Anfang 2008 durch die Erklärung des Klägers, die dieser mit dem Schriftsatz vom 11. Februar 2008 abgegeben hat, grundlegend geändert. Mit dieser Erklärung hat der Kläger unter anderem die Freigabe der Umsatzsteuer-Erstattungsbeträge für 2005 und 2006 aus dem Insolvenzbeschlag bewirkt, die Gegenstand der streitigen Aufrechnung sind.

31

Der Kläger hat in dem genannten Schreiben gegenüber dem Insolvenzschuldner erklärt, dass dieser seine selbstständige Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens ausübe, diese also keine Verpflichtungen (Verbindlichkeiten) der Insolvenzmasse begründen könne. Gleichzeitig erklärte er wörtlich: „Vermögen aus einer etwaigen selbstständigen Tätigkeit gehört als solches aufgrund dieser Freigabe nicht zur Insolvenzmasse.“ Da der umsatzsteuerliche Erstattungsanspruch ein Vermögenswert ist, hat er mithin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass (auch) die Erstattungsansprüche wegen der Umsatzsteuer 2005 und 2006 nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegen.

32

Der Bevollmächtigte des Klägers hat hierzu zwar in der mündlichen Verhandlung sinngemäß argumentiert, dass die steuerlichen Ansprüche nicht von dem zivilrechtlichen Vermögensbegriff erfasst würden und deshalb gerade nicht von der unter dem 11. Februar 2008 abgegebenen Erklärung berührt würden, so dass es mit der Geltung bzw. Anwendung des § 35 InsO sein bewenden habe. Der Senat vermag dieser Rechtsansicht bzw. Auslegung des Schreibens vom 11. Februar 2008 jedoch nicht zu folgen. Eine Abgrenzung oder Trennung der steuerlichen Ansprüche vom Vermögen(sbegriff) lässt sich weder der Insolvenzordnung entnehmen noch kann die Freigabeerklärung in diesem Sinne – wie von dem Kläger angestrebt – ausgelegt werden.

33

Der Begriff des Vermögens umfasst die Gesamtheit der Rechte, Forderungen und Rechtsverhältnisse, die entweder auf Geld gehen oder einen geldwerten, d.h. in Geld schätzbaren Inhalt haben [Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Auflage, München 2011, Stichwort „Vermögen“]. Dieses Verständnis liegt – soweit es den streitgegenständlichen Zusammenhang betrifft – auch dem § 35 InsO zugrunde, denn nach dieser Vorschrift fallen auch Forderungsrechte des Schuldners in die Insolvenzmasse, soweit sie pfändbar sind [Eickmann, in: Kreft (Hrsg.), InsO, 5. Auflage, Heidelberg 2008, § 35 InsO RdNr. 13; Graf-Schlicker/Kexel, in: Graf-Schlicker (Hrsg.), InsO, 3. Auflage, Köln 2012, § 35 InsO RdNr. 7; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 2. Auflage, München 2011, § 35 InsO RdNr. 7]. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als dass der Umsatzsteuererstattungsanspruch des Insolvenzschuldners, den dieser während des Insolvenzverfahrens erwirbt, Teil des Vermögens – auch im insolvenzrechtlichen Sinne – ist und daher grundsätzlich dem Insolvenzbeschlag unterliegen kann (und wird). Weitere Folge ist indes, dass auch der von einem Insolvenzverwalter im Rahmen einer Freigabeerklärung verwendete Vermögensbegriff nicht anders ausgelegt werden kann, solange nicht der Inhalt der Freigabeerklärung entsprechende Einschränkungen oder Ausgrenzungen enthält. Der Empfänger der Freigabeerklärung kann (und muss) vielmehr davon ausgehen, dass der Vermögensbegriff von dem Insolvenzverwalter nicht anders verstanden und verwendet wird, als er im § 35 InsO verwendet wird.

34

Im Streitfall hat der Kläger gerade keine Ausnahmen oder Ausgrenzungen vorgenommen, sondern ohne jede Einschränkung erklärt, dass das gesamte „Vermögen“ aus einer etwaigen selbständigen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehören soll, sondern (aus der Insolvenzmasse) freigegeben sei. Damit sind auch die streitgegenständlichen Umsatzsteuererstattungsansprüche „frei geworden,“ also nicht Teil der Insolvenzmasse.

35

3)   Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, dass er die selbständige Tätigkeit nie genehmigt habe und eine Freigabeerklärung ausschließlich Wirkungen für die Zukunft entfalte, ist dem uneingeschränkt zuzustimmen. Auch der Senat geht davon aus. Die umsatzsteuerlichen Erstattungsansprüche weisen jedoch die Besonderheit auf, dass zunächst allenfalls das die Erstattung begründende steuerliche Schuldverhältnis dem Insolvenzbeschlag unterlag, denn ein Umsatzsteuerbescheid, in dem der Erstattungsanspruch der Höhe nach festgesetzt worden wäre, lag (zunächst noch) nicht vor. Nur hinsichtlich des Anspruchs dem Grunde nach war insofern eine der Aufrechnung entgegenstehende Situation im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben.

36

Die Festsetzung der Umsatzsteuererstattung durch Verwaltungsakt erfolgte erst nach der erörterten Freigabe, nämlich im März 2008. Erst nach diesem Zeitpunkt konnte das Finanzamt D. etwas zur Insolvenzmasse schuldig werden im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Ebenso konnte erst nach diesem Zeitpunkt im März 2008 eine Aufrechnungslage eintreten. Da aber zu diesem Zeitpunkt bereits die Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag wirksam geworden war, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Anwendung des § 96 InsO, dass der Insolvenzgläubiger etwas zur Masse schuldig geworden ist.

37

Ist hiernach im Ergebnis kein Anwendungsfall des § 96 InsO gegeben, steht der streitigen Aufrechnung nichts im Wege.

38

Aber selbst wenn man der Argumentation des Klägers folgen wollte, dass die streitgegenständliche Erstattungsforderung allein schon deshalb dem Insolvenzbeschlag unterworfen sei, weil dass umsatzsteuerliche Schuldverhältnis schon erhebliche Zeit vor der unter dem 11. Februar 2008 erklärten Freigabe begründet worden sei, bestünde kein Aufrechnungsverbot.

39

Der Kläger lässt insoweit unbeachtet, dass er – als Insolvenzverwalter – die Rechtsmacht besitzt, auch solche Gegenstände bzw. Vermögenswerte freizugeben, die bereits dem Insolvenzbeschlag unterliegen und der Insolvenzmasse angehören. In diesem Fall, dass ein Gegenstand aus der Insolvenzmasse entlassen wird, der ihr zuvor bereits angehörte, handelt es sich um eine sog. „echte Freigabe,“ die konstitutive Wirkung hat [Bornemann, in: Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Auflage, Köln 2013, § 35 InsO RdNr. 31].

40

Wollte man mithin annehmen, dass die streitigen Umsatzsteuererstattungsansprüche zur Insolvenzmasse gehören, weil sie vor dem Schreiben vom 11. Februar 2008 entstanden sind, hat der Kläger sie jedenfalls durch seine mit dem Schreiben vom 11. Februar 2008 abgegebene Erklärung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Es handelt sich mithin auch unter diesem Gesichtspunkt um insolvenzfreies Vermögen.

41

4)   Soweit der Bevollmächtigte des Klägers im Übrigen in der mündlichen Verhandlung zur Stützung seines Begehrens ergänzend auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes hingewiesen hat, nach der die Einkommensteuer auf Einkommen, das während des Insolvenzverfahrens durch eine nichtselbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners erzielt wird, nicht der Insolvenzmasse zur Last fällt [BFH, Urteil vom 24. Februar 2011 – VI R 21/10 – BFHE 232, S. 318 = BStBl. II 2011, S. 520], ist diese Rechtsprechung schon wegen der im Streitfall vorliegenden Freigabe nicht auf den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt übertragbar.

42

Eine Parallelität der Interessenlage mag zwar insofern bestehen, als die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners ebenso wenig zur Insolvenzmasse gehört wie das im Streitfall freigegebene Unternehmen des Insolvenzschuldners. Weiterhin betrifft die genannte Entscheidung des Bundesfinanzhofes dieselben Streitjahre, nämlich ebenfalls die Jahre 2005 und 2006. Eine weitere Übereinstimmung besteht insofern, als das von dem Insolvenzschuldner unter Einsatz seiner Arbeitskraft erzielte Einkommen ebenso wie ein Steuererstattungsanspruch gemäß § 35 InsO – seit dem 01. Juli 2007: § 35 Abs. 1 InsO – dem Insolvenzbeschlag unterliegt und Teil der Insolvenzmasse wird.

43

Der – ganz wesentliche – Unterschied zu der von dem Bundesfinanzhof beurteilten Fallgestaltung liegt im Streitfall in der bereits erörterten Freigabeerklärung vom 11. Februar 2008. Diese wurde hinsichtlich des unter Einsatz der Arbeitskraft erzielten (Arbeits-) Einkommens nicht erklärt, weshalb für die Entscheidung des Bundesfinanzhofes allein die gesetzliche Folge des § 35 InsO maßgebend war. Im Streitfall wurde hingegen das „Vermögen“ aus der selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners freigegeben. Der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch konnte deshalb – nach dem 11. Februar 2008 – nur noch dann dem Insolvenzbeschlag unterworfen sein, wenn man annehmen wollte, dass der von dem Kläger im Rahmen der Freigabeerklärung verwendete Begriff des „Vermögens“ sich nicht auf steuerliche Ansprüche erstreckt. Davon kann jedoch aus den bereits dargelegten Gründen nicht ausgegangen werden.

44

III.   Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

45

IV.   Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Senat orientiert sich dabei an der Überlegung, dass bei Abrechnungsbescheiden der Streitwert regelmäßig nach der Höhe des streitigen Betrages zu bemessen ist [vgl. Ratschow, in: Gräber, FGO, 7. Auflage, München 2010, Vor § 135 FGO RdNr. 110, Stichwort „Abrechnungsbescheid“ (S. 1394) m.w.N.].


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Bundesfinanzhof Urteil, 24. Feb. 2011 - VI R 21/10

bei uns veröffentlicht am 24.02.2011

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuerschuld für Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus nichtselbständiger Arbeit in einem Zeitraum nac

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(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen können abgetreten, verpfändet und gepfändet werden.

(2) Die Abtretung wird jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt.

(3) Die Abtretung ist der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben.

(4) Der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung ist nicht zulässig. Dies gilt nicht für die Fälle der Sicherungsabtretung. Zum geschäftsmäßigen Erwerb und zur geschäftsmäßigen Einziehung der zur Sicherung abgetretenen Ansprüche sind nur Unternehmen befugt, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist.

(5) Wird der Finanzbehörde die Abtretung angezeigt, so müssen Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam oder wegen Verstoßes gegen Absatz 4 nichtig ist.

(6) Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung dürfen nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist. Ein entgegen diesem Verbot erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder erwirkte Pfändungs- und Einziehungsverfügung sind nichtig. Die Vorschriften der Absätze 2 bis 5 sind auf die Verpfändung sinngemäß anzuwenden.

(7) Bei Pfändung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs gilt die Finanzbehörde, die über den Anspruch entschieden oder zu entscheiden hat, als Drittschuldner im Sinne der §§ 829, 845 der Zivilprozessordnung.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuerschuld für Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus nichtselbständiger Arbeit in einem Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 der Insolvenzordnung (InsO) ist.

2

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ist am 20. April 2005 und über das Vermögen des Ehegatten am 6. April 2005 das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet worden. Treuhänder in beiden Verfahren ist der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger).

3

Die Insolvenzschuldnerin wurde in den Jahren 2005 und 2006 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer erklärungsgemäß veranlagt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erteilte dem Kläger als Treuhänder für die Zeiträume bis zur Insolvenzeröffnung eine Steuerberechnung für das Jahr 2005. Für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung des Jahres 2005 sowie für das Jahr 2006 erließ das FA jeweils Einkommensteuerbescheide an den Kläger. Auf die Insolvenzschuldnerin entfiel dabei nach beantragter Aufteilung der Steuerschuld ein Nachzahlungsbetrag für 2005 in Höhe von insgesamt 845,74 € und für 2006 in Höhe von 582,88 €. Beide Einkommensteuerbescheide enthielten den Hinweis, dass die Steuerfestsetzung die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit betreffe. Die vom Kläger eingelegten Einsprüche richteten sich gegen die Einordnung der Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit.

4

Die vom Kläger nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 883 veröffentlichten Gründen statt.

5

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 35, 55 InsO.

6

Es beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 24. Februar 2010  2 K 90/08 aufzuheben.

7

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Einkommensteuerschuld der Insolvenzschuldnerin keine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 InsO ist.

9

Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Vorliegend ist die Einkommensteuerverbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin nicht in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, als einzig in Betracht kommende Tatbestandsalternative, begründet worden.

10

Die Entstehung der Schuld muss auf eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Juli 2009 VII R 49/08, BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13). Ein Unterlassen des Insolvenzverwalters genügt als "verwalten" nur, wenn eine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt wurde (BFH-Urteil vom 18. Mai 2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114). Vorliegend führte die Verwaltung der Masse durch den Kläger nicht zu der streitigen Einkommensteuernachzahlung.

11

a) Keine Verwaltungsmaßnahme des Klägers ist die Arbeitstätigkeit der Insolvenzschuldnerin als solche. Ein Bezug zur Masse ist schon deswegen ausgeschlossen, weil die Arbeitskraft des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. Dezember 2008 IX ZB 249/07, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZInsO-- 2009, 299). Der Kläger hatte auch keine Pflicht zum Tätigwerden, da er als Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder keine Möglichkeit hat, die Tätigkeit zu unterbinden oder zu beeinflussen (BFH-Urteil in BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13).

12

b) Entgegen der Auffassung des FA liegt eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters nicht allein deshalb vor, weil das Arbeitseinkommen der Insolvenzschuldnerin als Neuerwerb (teilweise) zur Masse gelangt ist und diese damit vermehrt wurde. Zwar ist eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters ausgeschlossen, wenn tatsächlich keine Erträge zur Masse gezogen worden sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 2114). Der Umkehrschluss ist jedoch nicht ohne weiteres möglich (BFH-Urteil in BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13).

13

aa) Im Streitfall ist nach den Feststellungen des FG ein Teil des Arbeitseinkommens der Insolvenzschuldnerin als Neuerwerb tatsächlich in die Insolvenzmasse gelangt. Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Anders als unter Geltung der Konkursordnung gehört damit der sogenannte Neuerwerb ebenfalls zur Masse, soweit er der Zwangsvollstreckung unterliegt (§ 36 Abs. 1 InsO). Damit sind sämtliche Forderungen des Insolvenzschuldners Teil der Masse, ohne dass ein Abzug der berufsbedingten Aufwendungen erfolgt (BGH-Versäumnisurteil vom 1. Februar 2007 IX ZR 178/05, ZInsO 2007, 545).

14

Anders ist dies jedoch bei den Ansprüchen des Insolvenzschuldners auf Arbeitslohn. Bei diesen wird der Fiskus als Gläubiger der Lohnsteuer in zweifacher Weise gegenüber anderen Neugläubigern privilegiert. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO verweist auf die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850i der Zivilprozessordnung (ZPO). Die entsprechende Anwendung dieser Normen hat zur Folge, dass nur der allgemein pfändbare Teil des Arbeitslohnes zur Masse gelangt. Die Lohnsteuer, die vom Arbeitgeber direkt an das Finanzamt zu entrichten ist, wird vom Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners abgezogen, um den allgemein pfändbaren Betrag zu ermitteln. Damit wird dem Steuergläubiger nicht nur ein direktes Zugriffsrecht auf die Erwerbsquelle eingeräumt, sondern der Lohnsteuerabzug erfolgt zudem unabhängig vom Pfändungsschutz. Zu den steuerrechtlichen gesetzlichen Verpflichtungen i.S. des § 850e ZPO gehört jedoch nur die laufende Lohnsteuer, nicht aber eine auf das Gesamteinkommen zu leistende Abschlusszahlung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 1979  4 AZR 805/77, Der Betrieb 1980, 835; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850e Rz 5) oder Lohnsteuerhaftungsbeträge (BFH-Urteil in BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13). Für diese Steuerschulden gelten die allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätze über Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners im Zusammenhang mit einer neuen Erwerbstätigkeit.

15

bb) Aus der Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse folgt danach nicht, dass die mit dieser Forderung zusammenhängenden Verbindlichkeiten stets Masseverbindlichkeiten sind. Einer derart weiten Auslegung des § 55 InsO, der allein regelt, was Masseverbindlichkeiten sind, steht neben dem Wortlaut der Norm auch entgegen, dass nach § 35 InsO der Neuerwerb zur Masse gezogen werden sollte, aber den Neugläubigern nur das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners verbleiben sollte (vgl. Henckel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 35 Rz 122; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl., S. 78; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 35 Rz 38). Die Benachteiligung der Neugläubiger wird damit gerechtfertigt, dass nach der Konkursordnung das Arbeitseinkommen in der Regel auch vom Altgläubiger gepfändet gewesen sei, so dass den Neugläubigern tatsächlich auch kein Vermögen aus dem Neuerwerb zur Verfügung stand (BRDrucks 1/92, S. 122 zu § 42 InsO-Entwurf; vgl. BTDrucks 16/3227, S. 17 zum geänderten § 35 Abs. 2 InsO). Auch der Zusammenhang des § 55 InsO mit den §§ 80, 81 InsO spricht gegen eine Aufnahme der Neuverbindlichkeiten als Masseschulden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat nur noch der Insolvenzverwalter die Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse. Wenn die mit einem Neuerwerb zusammenhängenden Verbindlichkeiten ohne Zutun des Insolvenzverwalters zu Masseverbindlichkeiten werden könnten, hätte es der Schuldner in der Hand, die Masse durch Eingehen von Verbindlichkeiten zu schmälern. Dies soll jedoch nicht gegen den Willen des Insolvenzverwalters möglich sein.

16

cc) Für die Einkommensteuer, die auf einen Neuerwerb anfällt, ist keine abweichende Betrachtung geboten. Diese Einkommensteuer führt ebenso wie die Aufwendung von Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu einer mit einem Neuerwerb in Verbindung stehenden Verbindlichkeit und ist somit grundsätzlich aus dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zu begleichen (Maus, ZInsO 2001, 493; Frotscher, a.a.O.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 60 Rz 5).

17

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn --wie vorliegend-- die vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer nicht ausreicht, um die endgültige Jahreseinkommensteuer abzudecken. Dabei ist unerheblich, dass der Arbeitnehmer durch die Wahl der Steuerklasse die Höhe der Lohnsteuer beeinflussen kann. Maßgeblich für die Berechnung der vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer i.S. des § 850e ZPO ist die vom Insolvenzschuldner vorgelegte Lohnsteuerkarte mit den eingetragenen Merkmalen zur Steuerklasse oder Freibeträgen. Die Folge, dass der Insolvenzschuldner mit der Wahl der Steuerklasse entweder der Masse oder sich selbst --im Bereich des unpfändbaren Arbeitseinkommens-- auf Kosten des Steuergläubigers mehr Vermögen zuwenden kann, ist im System angelegt.

18

Auch der Aspekt, dass der Steuergläubiger --anders als Vertragspartner des Insolvenzschuldners-- nicht freiwillig zum Gläubiger geworden ist, rechtfertigt nicht eine weitere Besserstellung gegenüber anderen Neugläubigern. Zu diesen gehören auch Gläubiger gesetzlicher Schuldverhältnisse mit Ansprüchen aus fahrlässig begangener unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung, ungerechtfertigter Bereicherung sowie Geschäftsführung ohne Auftrag. Viele dieser Gläubiger haben sich ebenso wie der Steuergläubiger nicht willentlich in die Position des Anspruchsinhabers gebracht. Auch ihnen verbleibt nur der Zugriff auf das in der Praxis meist nicht vorhandene insolvenzfreie Vermögen. Lediglich Gläubiger von vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sind nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO i.V.m. § 850f Abs. 2 ZPO privilegiert. Sie dürfen ebenso wie Unterhaltsgläubiger trotz Insolvenzverfahren in einen Teil des unpfändbaren (zukünftigen) Arbeitseinkommens des Insolvenzschuldners, das wegen § 36 InsO nicht zum Neuerwerb gehört, hineinpfänden. Gerade daran wird deutlich, dass der Gesetzgeber durchaus Neugläubiger mit Privilegien ausgestattet hat. Die allgemeine Wertung des Gesetzgebers, dass der Steuergläubiger --ebenso wie andere unfreiwillige Neugläubiger-- nicht bevorzugt werden soll, ist zu akzeptieren und nicht durch eine weite Auslegung des § 55 InsO zu umgehen.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.