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I. Die Klage ist bei rechtsschutzgewährender Auslegung zulässig.
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Der Kläger hat zwar beantragt, die FK zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 95,56 EUR zu zahlen. Dies könnte bei isolierter Betrachtung dafür sprechen, die Klage als (unzulässige) Leistungsklage zu verstehen. An die Fassung des Antrags ist das Gericht jedoch nicht gebunden, sondern an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Insoweit ergibt sich aus dem gleichzeitigen Antrag, die Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2009 und den Bescheid über die Ablehnung der Kostenerstattung vom 14. September 2009 aufzuheben, dass der Kläger begehrt, die FK unter Aufhebung der genannten Verwaltungsakte zu verpflichten, im Rahmen der Kostenentscheidung die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 77 Abs. 3 Satz 2 EStG) und die dem Kläger im Vorverfahren bei der Erstreitung des Kindergeldes entstandenen Gebühren als erstattungsfähig festzusetzen (§ 77 Abs. 3 Satz 1 EStG). Die so verstandene Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig (vgl. zuletzt Urteil des FG Nürnberg vom 21. Oktober 2008 7 K 773/2008, juris).
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II. Die Klage ist allerdings nur zu einem geringen Teil begründet.
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„(1) Soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist, hat die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. …
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(2) Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig war.
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(3) Die Familienkasse setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes im Sinne des Absatzes 2 notwendig war.“
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a) Diese Vorschrift findet auch auf Einsprüche gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung Anwendung (BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25).
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b) Die Frage, ob die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, i.S. des § 77 Abs. 2 EStG notwendig war, ist aus der Sicht eines verständigen Bürgers vom Wissens- und Erkenntnisstand des Rechtsbehelfsführers zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 25). Bei der Entscheidung hierüber sind die zu § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO entwickelten Kriterien entsprechend heranzuziehen (vgl. Urteil des FG München vom 25. Juli 2007 4 K 29/04, EFG 2007, 1704). Regelmäßig sind dabei keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen (vgl. Urteil des Einzelrichters vom 10. Dezember 2007 3 K 181/07, juris, unter II.4.a, m.w.N.).
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c) Ein verständiger Bürger wird allerdings nicht einen Anwalt beauftragen, sondern die erforderlichen Nachweise selbst einreichen, wenn nicht ernstlich anzunehmen ist, dass der Wechsel im kindergeldrechtlichen Status des Kindes kindergeldschädlich gewesen sein könnte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 25, zum Wechsel der Ausbildung). Die Notwendigkeit einer Hinzuziehung ist zu verneinen, wenn alle erforderlichen Hinweise von der FK in allgemein verständlicher Form gegeben worden sind und wenn danach die kindergeldberechtigte Person die interessierenden bzw. abgefragten Daten und Unterlagen zumutbar selbst (oder mit Hilfe des erwachsenen Kindes) hätte einreichen können (vgl. Urteile des FG Hamburg vom 20. April 2004 III 465/03, EFG 2004, 1621; des FG München vom 28. September 2005 10 K 3486/05, juris; des Sächsischen FG vom 15. Juli 2009 5 K 569/08 (Kg), juris). Anders verhält es sich indessen, wenn die FK den Kindergeldberechtigten durch ihre Vorgehensweise in verfahrensrechtlicher Hinsicht mit erheblichen Unsicherheiten belastet und nicht klar erkennbar ist, ob die geforderte Hereingabe von Unterlagen die rechtlichen Belange des Kindergeldberechtigten in vollem Umfang zu wahren vermag (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. April 23009 4 K 5505/08, EFG 2009, 1337).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist die Klage nur zu einem geringen Teil begründet.
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a) Im Streitfall hat die FK dem Einspruch des Klägers mit dem Aktenzeichen E 808/09 abgeholfen, so dass sie nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG die Kosten des Einspruchsverfahrens E 808/09 zu tragen hat. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der Kosten des Einspruchsverfahrens. Dieser Anspruch ist nicht wegen eines Verschuldens des Klägers ausgeschlossen. Für die Versagung einer Kostenerstattung überhaupt (d.h. auch für die eigenen Aufwendungen des Klägers wie Porto etc., vgl. dazu Felix in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 77 Rz. B 15, B 21) ist danach kein Raum.
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b) Allerdings war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Einspruchsverfahren E 808/09 nicht notwendig. Die mit Kostenrechnung vom 2. September 2009 geltend gemachten Gebühren sind deshalb nicht erstattungsfähig.
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aa) Der Einzelrichter verleugnet zwar nicht sein Befremden über sowohl die Aktenführung der FK als auch den Ablauf des Kindergeld-Aufhebungs-, Festsetzungs-, Wiederaufhebungs- und Wiederfestsetzungsverfahrens. Die Erteilung des Bescheids vom 21. August 2009 ist vor dem Hintergrund des Schreibens der FK vom 6. August 2009 mit Frist 25. September 2009 --worauf der Klägervertreter insoweit völlig zu Recht hinweist-- vom Verfahrensablauf her unverständlich. Der Versuch der FK, dies mit angeblichen Erfordernissen der EDV-Technik zu entschuldigen bzw. rechtfertigen, gelingt nicht. Die EDV-Technik hat sich an den Erfordernissen eines geordneten Festsetzungsverfahrens zu orientieren und nicht umgekehrt. Nicht die Maschine, sondern der Mensch ist der Herr des Verfahrens. Die Möglichkeit, durch Sperrvermerke o.ä. die Erteilung von maschinellen Bescheiden zu verhindern, gehört --jedenfalls bei anderen Stellen der Finanzverwaltung-- durchaus zum EDV-technischen Standardrepertoire.
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bb) Gleichwohl hat die FK im Rahmen ihres Aufhebungsbescheids vom 21. August 2009 (Bl. 15 GA) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger das Andauern des Studiums (z.B. durch eine Immatrikulationsbescheinigung) nachweisen kann, und ihn um Nachweis der fortdauernden Kindergeldberechtigung gebeten. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass der Kindergeldanspruch auch über das 25. Lebensjahr hinaus bestehen kann. Insoweit war für jeden Leser des Bescheids erkennbar, dass bei Einreichung von Nachweisen dazu, dass sich A 1 noch nach dem Monat September 2009 in Ausbildung befindet, ein Anspruch auf Kindergeld bis zum Ablauf der über das 25. Lebensjahr hinaus verlängerten Frist besteht. Dieser Bescheid ist klar, eindeutig und benennt das für eine Weitergewährung von Kindergeld erforderliche Tun des Kindergeldberechtigten verständlich und zweifelsfrei.
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Bei dieser Sachlage hätte ein verständiger Bürger --jedenfalls zunächst-- ohne vorherige Einschaltung eines Bevollmächtigten selbst Einspruch eingelegt und die im Bescheid vom 21. August 2009 geforderten Nachweise selbst eingereicht oder selbst mitgeteilt, dass diese noch nicht vorgelegt werden können, nachdem die FK bereits zuvor mitgeteilt hatte, dass sie bei Vorlage der Nachweise wieder Kindergeld gewähren wird.
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Die vom Klägervertreter geltend gemachten Unzulänglichkeiten im Verfahrensablauf der FK ändern an dieser Beurteilung nichts. Der Anspruch nach § 77 Abs. 2 EStG hat nämlich weder Strafcharakter noch ist er eine Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld, sondern ein Aufwendungsersatzanspruch.
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Im Übrigen trifft es in tatsächlicher Hinsicht nicht zu, dass der FK bereits vor Erlass des Bescheids vom 21. August 2009 bekannt gewesen sei, dass das Studium von A 1 bis Frühjahr 2011 andauern werde. Das Antwortschreiben des Klägers ist nämlich erst am 3. September 2009 (zeitgleich mit dem Einspruch) bei der FK eingegangen.
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cc) Der Kläger als Rechtsanwalt wird auch nicht --wie er meint-- benachteiligt, sondern der Umstand, dass er Rechtsanwalt ist, gereicht ihm insoweit „nur“ nicht zum Vorteil. Der Kläger wird im Streitfall behandelt wie jeder andere Bürger auch, der seinen eigenen (Zeit-)Aufwand im Rahmen eines erfolgreichen Einspruchsverfahrens gegenüber der FK ebenfalls nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnen kann. Einmal abgesehen davon, dass der Kläger im Schreiben vom 2. September 2009 nicht angezeigt hat, dass er sich selbst vertritt, sondern in eigenem Namen --wenn auch unter dem Kanzleibriefkopf-- Einspruch eingelegt hat, so dass man sich schon mit Fug und Recht fragen könnte, ob er überhaupt als Beistand für sich selbst tätig geworden ist, sind ihm für seinen „Beistand“ auch keine Kosten in Höhe von 95,56 EUR entstanden.
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c) Das Gericht muss angesichts dieser Lage die nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG erstattungsfähigen Kosten, die von der FK nach § 77 Abs. 3 Satz 1 FGO festzusetzen sind, schätzen. Da kein Erstattungsanspruch nach § 77 Abs. 2 i.V.m. § 77 Abs. 3 Satz 2 EStG besteht, können insoweit nicht auf die in der Kostenrechnung enthaltenen, vom Kläger angesetzten Gebührenwerte für die Auslagen angesetzt werden.
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Ausweislich der Akte sind beim Kläger für den Einspruch Portokosten für einen Brief mit 3 Blatt (Schriftsatz + 1 Kopie) sowie die tatsächlichen Kosten für die Kopie der Wehrdienstbescheinigung anzuerkennen. Der Übersendung des Kindergeldbescheids vom 6. Juli 2009 in Kopie hätte es nicht bedurft, weil dieser von der FK selbst stammt. Die hierfür angefallenen Kosten waren deshalb nicht notwendig. Das Gericht hält danach notwendige Portokosten in Höhe von 55 Cent für wahrscheinlich. Für die eine notwendige Kopie schätzt das Gericht Kosten in Höhe von 10 Cent. Die Sachkosten für den notwendigen Brief (Papier, Tinte/Toner, Umschlag usw.) schätzt das Gericht mit 35 Cent. Daraus errechnet sich ein Gesamt-Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1 EUR.
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Für das Antwortschreiben mit Datum „8. Juni 2009“, das zeitgleich mit dem Einspruch bei der FK einging, setzt das Gericht keine erstattungsfähigen Kosten an, weil es sich bei den Kosten dieses Schreibens (geschätzt 55 Cent Porto und 10 Cent Umschlag) noch nicht um Kosten des Einspruchsverfahrens handelt (vgl. zu dieser Voraussetzung BFH-Beschluss vom 25. August 2009 III B 245/08, BFH/NV 2009, 1989). Der Kläger trägt nämlich dazu selbst vor, er habe das Schreiben vor dem Einspruch versandt.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er sowohl prozentual (1,05%) wie absolut (1 EUR) nur zu einem geringen Teil obsiegt hat.
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IV. Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter (§ 6 FGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 94a FGO). Auf die Norm des § 94a FGO und die Absicht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wurde hingewiesen.
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