| |
| Die Beteiligten streiten nach Abänderung des streitigen Zeitraums darum, ob dem Kläger für den Zeitraum von Oktober 2005 bis Mai 2008 sowie für den Zeitraum August 2009 bis Dezember 2009 ein Anspruch auf Kindergeld für seine in Polen lebende Tochter T zusteht. |
|
| Der Kläger und seine Ehefrau sind polnische Staatsangehörige. Sie haben in Polen unter der Anschrift Y eine gemeinsame Wohnung inne und sind Eltern der zwei gemeinsamen Töchter T, geboren am 20. Januar 2005, und G, geboren am 8. November 2008. |
|
| Der Kläger ist selbstständiger Handwerker im Bereich des Trockenbaus und war bis Mai 2008 Gesellschafter der Bauunternehmung B, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR - mit Hauptniederlassung in X/Deutschland. In dieser GbR haben sich neben dem Kläger noch acht weitere Handwerker polnischer Staatsangehörigkeit zu dem Zweck zusammengeschlossen, auf wechselnden Baustellen in Deutschland gemeinsam Bauleistungen im Bereich von Akustik- und Trockenbauarbeiten erbringen zu können. Der Kläger unterlag im Streitzeitraum nicht der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung und hat keine Beiträge geleistet. Von Juni 2008 bis zumindest Juli 2009 war der Kläger nicht Gesellschafter der B GbR. |
|
| Nachdem der Kläger von 6. September 2004 bis 31. März 2005 mit Hauptwohnung in der Z/Deutschland gemeldet war, ist er seit 25. März 2005 in X/Deutschland mit alleiniger Wohnung gemeldet. Der Kläger legte einen Mietvertrag vom 15. Januar 2005 vor, wonach die B GbR die Wohnung in X/Deutschland ab dem 15. Januar 2005 angemietet hat. |
|
| Nach seinen Angaben arbeitete der Kläger von Oktober 2005 bis Mai 2008 sowie von August 2009 bis Dezember 2009 gemeinsam mit seinen Mitgesellschaftern durchgehend auf verschiedenen Baustellen im Raum X/Deutschland. Von Juni 2008 bis Juli 2009 hat der Kläger nicht in Deutschland gearbeitet. Der Kläger besuchte seine Familie in unregelmäßigen Abständen, mindestens jedoch alle vier Wochen. |
|
| Am 3. November 2005, eingegangen am 4. November 2005, beantragte der Kläger bei der beklagten Familienkasse die Zahlung von Kindergeld für seine bei seiner Ehefrau in Polen lebende Tochter T. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2008, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit der Begründung ab, zur Feststellung des Kindergeldanspruchs sei zuletzt mit Schreiben vom 30. August 2007 darum gebeten worden, Kopien der Steuerbescheide 2005 und 2006 hier einzureichen. Die für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch notwendigen Unterlagen seien bisher nicht eingereicht worden. Es könne deshalb nicht festgestellt werden, ob ein Anspruch auf Kindergeld bestehe. |
|
| Mit seinem hiergegen per E-Mail durch den Klägervertreter eingelegten Einspruch vom 24. Oktober 2008 machte der Kläger geltend, er sei in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Zwar könne ein Steuerbescheid für die Jahre 2005 und 2006 nicht vorgelegt werden, doch liege dies nicht in seinem Machtbereich. Beim Finanzamt X/Deutschland sei der Steuerbescheid für das Jahr 2005 schon mehrmals angefordert worden. Dies sei bis zum heutigen Tag erfolglos geblieben. Mit dem Erlass des Bescheides sei in den nächsten Wochen zu rechnen. Er sei polnischer Staatsangehöriger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt sowie seinen Wohnsitz im Inland habe und hier eine selbstständige Tätigkeit ausübe. Die Voraussetzungen von § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - lägen vor. Er habe somit einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld. |
|
| Mit Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 7. Dezember 2009, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Nach § 62 Abs. 1 EStG habe Anspruch auf steuerrechtliches Kindergeld, wer 1. im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe, oder 2. - ohne diese Voraussetzungen zu erfüllen - a) nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei oder b) nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde. Einen Wohnsitz habe jemand nach § 8 der Abgabenordnung - AO - dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen ließen, dass er diese beibehalten und benutzen werde. Mit Wohnung seien objektiv zum Wohnen geeignete Räume gemeint. Der Steuerpflichtige müsse die Wohnung innehaben, d.h. er müsse tatsächlich über sie verfügen können und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend nutzen. Die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begründen oder aufrechterhalten zu wollen bzw. die Anmeldung bei der Einwohnermeldestelle entfalte unmittelbar keine steuerliche Wirkung. Wer eine Wohnung in der Absicht nehme, sie nur vorübergehend (weniger als 6 Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründe dort keinen Wohnsitz. Auch gelegentliches Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelände, in einem Büro und Ähnliches (so genannte Schlafstelle) könne dort keinen Wohnsitz begründen. Wer sich - auch in regelmäßigen Abständen - in der Wohnung eines Angehörigen oder Bekannten aufhalte, habe dort ebenfalls keinen Wohnsitz. Demgegenüber habe ein Ehegatte seinen Wohnsitz in der Regel dort, wo sich seine Familie befinde. Einen gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand nach § 9 AO dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Als gewöhnlicher Aufenthalt sei stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als 6 Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen blieben unberücksichtigt. Ein Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken führe jedoch nicht zu einem gewöhnlichen Aufenthalt. |
|
| Der gewöhnliche Aufenthalt könne nicht gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Bei fortdauerndem Schwerpunktaufenthalt im Ausland begründeten kurzfristige Aufenthalte in Deutschland, z.B. Geschäfts-, Dienstreisen, Schulungen, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland sei aufgegeben, wenn der persönliche und geschäftliche Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt werde. Der Kläger habe keinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Ebenso wenig sei er nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, noch werde er vom Finanzamt auf eigenen Antrag hin gemäß § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt. Nachweise über einen eigenen dauerhaften Wohnsitz in Deutschland seien nicht vorgelegt worden. Ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG für die unbeschränkte Steuerpflicht vorlägen, entscheide das Finanzamt. Nach § 1 Abs. 2 EStG seien unbeschränkt steuerpflichtig im Ausland wohnhafte deutsche Staatsangehörige, die dort für einen deutschen öffentlichen Arbeitgeber tätig seien und im ausländischen Staat nur beschränkt zur Einkommensteuer herangezogen werden. Betroffen seien insbesondere deutsche Staatsangehörige, die Mitglied einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung seien, einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Angehörigen. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG sei der Familienkasse in der Regel durch die vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt nach § 39c Abs. 3 EStG für Zwecke des Lohnsteuerabzugs erstellte Bescheinigung nachzuweisen. Auf Antrag würden Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, soweit sie über Einkünfte aus inländischen Quellen verfügten. Weitere Voraussetzung sei, dass ihre gesamten Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 v.H. der deutschen Einkommensteuer unterlägen. Werde dieser v.H.-Satz unterschritten, könnten diese Personen als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, wenn die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte 6.136,00 EUR im Kalenderjahr nicht überstiegen. Antragsberechtigt seien insbesondere Grenzgänger mit ausländischem Wohn-, aber inländischem Arbeitsort. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG sei der Familienkasse in der Regel ebenfalls durch die vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt nach § 39c Abs. 4 EStG für Zwecke des Lohnsteuerabzugs erstellte Bescheinigung nachzuweisen. Würden keine Einkünfte aus einer Arbeitnehmertätigkeit erzielt, sei ein Steuerbescheid vorzulegen, mit dem das Finanzamt über das Bestehen der unbeschränkten Steuerpflicht im Sinne von § 1 Abs. 3 EStG entschieden habe. Eine Bestätigung des zuständigen Finanzamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG oder des § 1 Abs. 3 EStG sei jedoch nicht vorgelegt worden. |
|
| Mit seiner gegen die Verwaltungsentscheidungen des Beklagten erhobenen Klage vom 7. Januar 2010, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter, für seine in Polen lebende Tochter T Kindergeld nach deutschen Rechtsvorschriften zu erlangen. Der Kläger beantragte ferner die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Der Kindergeldanspruch gründe sich darauf, dass der Kläger ab 25. März 2005 bis 2009 seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Der Kläger habe eine 120 qm große Wohnung mit den Mitgesellschaftern der B GbR in X/Deutschland angemietet und bewohnt. Diese Wohnung mit drei Zimmern, Küche und Bad werde von sechs Personen bewohnt. Eine abhängige oder selbstständige Beschäftigung des Klägers während des Streitzeitraums habe in Polen nicht vorgelegen. Der Kläger sei als Zahlender von Beiträgen nicht von der polnischen Sozialversicherungsanstalt identifiziert worden und sei in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis auf Weiteres als arbeitslos ohne Leistungsanspruch registriert. Der Kläger sei in Deutschland einkommensteuerpflichtig. Er beziehe in Polen kein Einkommen, weshalb er auch dort keinen Anspruch auf Familienleistung habe. Auch seiner Frau stehe in Polen kein Anspruch auf Familienleistungen zu. In Polen liege die Einkommensgrenze zum Bezug von Kindergeld bei einem monatlichen Verdienst in Höhe von 504 PLN pro Familie. Der Kläger überschreite diesen Betrag durch Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit bei weitem. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG lägen vor. Als Anlage K 9 werde eine Bestätigung der polnischen Behörden übersendet, aus welcher sich ergebe, dass Kindergeldzahlungen vom Kläger zurückgefordert worden seien, da der Kläger im streitigen Zeitraum die Einkommensgrenze in Polen überschritten habe. Das Formular E 411 sei zwischenzeitlich von der polnischen Behörde direkt an die Familienkasse übersandt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf alle Schriftsätze des Klägers verwiesen. |
|
|
|
|
1. den Bescheid der Familienkasse X/Deutschland vom 19. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger von Oktober 2005 bis Mai 2008 sowie für den Zeitraum August 2009 bis Dezember 2009 Kindergeld für die Tochter T zu gewähren. |
|
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. |
|
|
| Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen. |
|
| Die Beklagte ist der Auffassung, ein Wohnsitz gemäß § 8 der Abgabenordnung - AO - liege nicht vor. Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltes gemäß § 9 AO dürfe wohl für die mit Stundenaufschrieben nachgewiesenen Zeiträume von Oktober 2005 bis Mai 2008 sowie von August 2009 bis Dezember 2009 ein Anspruch dem Grunde nach gegeben sein. Eine Festsetzung des Kindergeldes nach dem EStG könne jedoch nicht ohne vorherige Entscheidung der zuständigen polnischen Behörde erfolgen. Es sei die Mitteilung der zuständigen polnischen Behörde betreffend des mit Schreiben vom 22. April 2010 übersandten Vordrucks E 411 abzuwarten. Der seitens des Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. Juli 2010 benannte Vordruck E 411 sei nicht der Vordruck, den der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 22. April 2010 übersandt habe. Dem Beklagten liege bislang kein vollständig ausgefüllter Vordruck E 411 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf alle Schriftsätze des Beklagten Bezug genommen. |
|
| Auf die gerichtlichen Aufklärungsschreiben vom 9. Februar 2010, vom 16. März 2010, vom 30. April 2010, vom 8. Juni 2010 sowie vom 2. September 2010 wird Bezug genommen. Der Berichterstatter hat zweimal, mit Schreiben vom 30. April 2010 und vom 8. Juni 2010, darauf hingewiesen, dass die Dokumente in deutscher Übersetzung vorzulegen sind. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010 wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf den Beschluss und insbesondere die Gründe wird vollumfänglich Bezug genommen. Ursprünglich beantragte der Kläger, den Bescheid der Familienkasse X/Deutschland vom 19. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab Oktober 2005 bis Januar 2010 Kindergeld für die Tochter T zu gewähren. Die Änderung des Klageantrags mit dem oben dargestellten Antrag erfolgte mit Schriftsatz vom 23. Juli 2010. Der Beklagte ließ sich mit Schriftsatz vom 10. August 2010 darauf ein. |
|
| In der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2011 teilte der Kläger unter anderem mit, dass Kindergeld für die T sei von den polnischen Behörden ausgezahlt worden. Es sei allerdings zurückgefordert worden. Im Dezember 2009 sei es von seiner Ehefrau zurückgezahlt worden. Der Rückzahlungsbetrag seien circa 9600 PLN gewesen. Darüber hinaus seien circa 3000 PLN Zinsen angefallen, die in drei Raten zurückgezahlt worden seien. Nachweise über die Rückzahlung oder eine deutsche Übersetzung der Anlage K 9 sind nicht vorgelegt worden. Die Wohnung in X/Deutschland habe der Kläger auch im Jahr 2009 innegehabt. Der Kläger habe in Polen im Jahr 2009 stundenweise Aushilfstätigkeiten ausgeführt. Diese seien neben der Meldung als Arbeitsloser vorgenommen worden. Arbeitslosengeld habe er nicht erhalten. Die B GbR habe das gesamte Jahr 2009 bestanden. Der Kläger sei ab August 2009 wieder in die GbR eingetreten. Für den Zeitraum August 2009 bis Dezember 2009 habe der Kläger nur Stundenaufschriebe über seine Tätigkeit für sich, nicht aber für die B GbR. |
|
| Auf Vorhalt von Anlage K 9 (Band I, Blatt 168 bis 173 der Gerichtakte) erklärte der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung, „3. LUT 2010“ bedeute 3. Februar 2010. |
|
| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird vollständig auf die Kindergeldakte, die Gerichtsakte, die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, alle Bescheide des Beklagten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2011 verwiesen. |
|