Bundesverwaltungsgericht Urteil, 21. Jan. 2015 - 10 CN 1/14

ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2015:210115U10CN1.14.0
published on 21.01.2015 00:00
Bundesverwaltungsgericht Urteil, 21. Jan. 2015 - 10 CN 1/14
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Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die für Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung geltende Altersgrenze von 70 Jahren, mit deren Erreichen die Anerkennung als Prüfsachverständiger erlischt.

2

Der am 24. Oktober 1943 geborene Antragsteller wurde von der Ingenieurkammer Hessen mit Bescheiden vom 19. Oktober 2011 als Prüfsachverständiger für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden in den drei Fachrichtungen Rauch- und Wärmeabzugsanlagen sowie maschinelle Anlagen zur Rauchfreihaltung von Rettungswegen, Lüftungsanlagen und CO-Warnanlagen anerkannt.

3

Die Hessische Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung (HPPVO) sah in ihrer ursprünglichen Fassung vom 18. Dezember 2006 in § 7 Abs. 1 Nr. 2 vor, dass die Anerkennung als Prüfsachverständiger erlischt, wenn die prüfsachverständige Person das 68. Lebensjahr vollendet hat. Durch Art. 3 Nr. 6 Buchst. a Doppelbuchst. aa der Verordnung zur Änderung bauordnungsrechtlicher Rechtsvorschriften vom 24. November 2010 wurde diese Altersgrenze auf 70 Jahre heraufgesetzt. Die Geltungsdauer der Verordnung war ursprünglich bis zum 31. Dezember 2012 befristet (§ 45 Satz 2 HPPVO); sie wurde durch Art. 6 Nr. 9 der am 27. November 2012 bekannt gemachten Verordnung zur Entfristung, Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 13. November 2012 bis zum 31. Dezember 2015 verlängert.

4

Der Antragsteller hat am 2. April 2013 beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag gegen die für Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung geltende Altersgrenze von 70 Jahren eingereicht und beantragt, § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO für unwirksam zu erklären. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Altersgrenze stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters dar. Sie sei unverhältnismäßig, da mit regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit sowie Prüfungen der Sach- und Fachkunde ein ebenso geeignetes, aber milderes Mittel zur Verfügung stehe, um den mit der Altersgrenze verfolgten Zweck zu erreichen.

5

Der Antragsgegner ist dem Normenkontrollantrag entgegengetreten und hat vorgetragen, der Antragsteller habe den Antrag nicht fristgerecht eingereicht. Die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung habe die Antragsfrist nicht erneut in Lauf gesetzt. Der Normenkontrollantrag sei zudem unbegründet.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag mit Urteil vom 7. August 2013 abgelehnt. Der Antrag sei zwar zulässig, insbesondere sei die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt. Er sei jedoch unbegründet. Die Altersgrenze von 70 Jahren für Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung verstoße weder gegen nationales Recht noch gegen Unionsrecht. Sie stelle zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar. Die Benachteiligung sei jedoch durch den allgemeinen Sicherheitsvorbehalt des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Die Altersgrenze gewährleiste die Sicherheit von Bauten, der am Bau Beteiligten, der Gebäudenutzer sowie der Allgemeinheit und verfolge damit Sicherheitszwecke als legitimen Belang. Sie sei auch verhältnismäßig. Die Altersgrenze sei geeignet, zur Bausicherheit beizutragen; sie schließe wirksam Risiken aus, die darauf beruhten, dass altersbedingt nicht mehr die volle Leistungsfähigkeit bestehe und deshalb Fehler bei der Prüftätigkeit unterliefen. Der Gesetzgeber habe eine starre Altersgrenze auch als erforderlich ansehen dürfen und generalisierend davon ausgehen können, dass mit zunehmendem Alter die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zunehme. Eine Prüfung der individuellen Leistungsfähigkeit in bestimmten zeitlichen Abständen (flexible Altersgrenze) sei hingegen kein gleich geeignetes Mittel.

7

Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG könne nicht mit dem Sicherheitsvorbehalt nach Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden. Der Sicherheitsvorbehalt sei eng auszulegen. Eine Benachteiligung wegen des Alters lasse sich danach nur rechtfertigen, wenn sie notwendig sei. Daran fehle es, weil die individuelle Untersuchung der Leistungsfähigkeit ein ebenso geeignetes, aber milderes Mittel darstelle. Der damit verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand stehe einer flexiblen Altersgrenze nicht entgegen. Die angegriffene Regelung verstoße zudem gegen das Kohärenzgebot. Sie sei inkohärent, weil weder die Tätigkeit von Prüfsachverständigen aus anderen Ländern noch aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Hessen an eine Altersgrenze geknüpft sei.

8

Der Antragsteller beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. August 2013 zu ändern und festzustellen, dass § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Hessischen Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 745) in der Fassung von Art. 3 der Hessischen Verordnung zur Änderung bauordnungsrechtlicher Vorschriften vom 24. November 2010 (GVBl. I S. 484) unwirksam ist, soweit Prüfsachverständige für Anlagen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Hessischen Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 745, 759) betroffen sind.

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Der Antragsgegner beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Er hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil er nicht fristgerecht gestellt worden sei. Im Übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Die Tätigkeit des Prüfsachverständigen sei an die Stelle der früheren bauaufsichtlichen Prüfung getreten. Die Aufgaben des Prüfsachverständigen für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden erstrecke sich vornehmlich auf die Beurteilung sicherheitstechnisch bedeutsamer Anlagen und Einrichtungen in Sonderbauten, wie Hochhäuser, Verkaufsstätten, Krankenhäuser und Schulen. Dort hielten sich typischerweise besonders schutzbedürftige Personen auf. Die Festlegung der Altersgrenze diene der Gebäudesicherheit, dem Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und der Allgemeinheit und betreffe damit wichtige Gemeinwohlbelange.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zutreffend als zulässig (1.), aber unbegründet (2.) angesehen.

12

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag zu Recht für zulässig gehalten. Die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Danach ist ein Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Der Lauf der Antragsfrist beginnt zwar regelmäßig mit der erstmaligen Bekanntmachung der zur Prüfung gestellten Rechtsnorm. Wird das Regelwerk geändert, löst das den Fristenlauf für seine nicht geänderten Teile nicht erneut aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2004 - 8 CN 1.02 - BVerwGE 120, 82 <84>). Anderes gilt indes, wenn die unverändert gebliebene Rechtsnorm eine neue zusätzliche Beschwer enthält. Das kommt auch dann in Betracht, wenn die Belastungswirkung einer Vorschrift durch Verlängerung ihrer Geltungsdauer ausgeweitet wird. So liegt es hier.

13

Die zur Kontrolle gestellte Altersgrenze von 70 Jahren in § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Hessischen Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung (Hessische Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung - HPPVO) vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 745) i.d.F. des Art. 3 der Hessischen Verordnung zur Änderung bauordnungsrechtlicher Vorschriften vom 24. November 2010 (GVBl. I S. 484) wurde zwar bereits am 10. Dezember 2010 bekannt gemacht. Ihre Geltungsdauer war jedoch gemäß § 45 Satz 2 HPPVO bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Durch die Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2015 durch Art. 6 Nr. 9 der Verordnung zur Entfristung, Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 13. November 2012 (GVBl. I S. 423) wurde die Belastungswirkung der Altersgrenze des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO auf einen Personenkreis erstreckt, der bis zu dieser Verlängerung noch nicht von der Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige betroffen war. Sie erfasst nunmehr auch diejenigen Prüfsachverständigen, die in den Jahren 2013 bis 2015 das 70. Lebensjahr vollenden. Der Antragsteller, der im Oktober 2013 das 70. Lebensjahr vollendet hat, zählt zu diesem Personenkreis. Infolgedessen begann der Lauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erst mit der Bekanntmachung der Verordnung vom 13. November 2012, die am 27. November 2012 erfolgte. Der am 2. April 2013 eingereichte Normenkontrollantrag war mithin fristgerecht.

14

2. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Normenkontrollantrag sei unbegründet, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Urteil der Vorinstanz verletzt weder Bundesrecht noch das Recht der Europäischen Union. Die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO festgelegte Altersgrenze stellt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610), dar. Sie ist jedoch durch den Sicherheitsvorbehalt des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Europäischen Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16) - im Folgenden RL 2000/78/EG - gerechtfertigt.

15

a) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auf Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden nach der Hessischen Bauordnung anwendbar. Die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO festgelegte Altersgrenze stellt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG eine Bedingung für den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dar. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das der Umsetzung der RL 2000/78/EG dient, ist im Lichte dieser unionsrechtlichen Regelung auszulegen. Danach wird der Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit bereits dann beschränkt, wenn die Altersgrenze geeignet ist, die Nachfrage nach der vom Antragsteller angebotenen Dienstleistung tatsächlich zu beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 12; EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 33). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

16

Die Tätigkeit des Prüfsachverständigen für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden stellt eine selbstständige Erwerbstätigkeit dar. Prüfsachverständige sind im Rahmen der ihnen obliegenden Pflichten unabhängig und an Weisungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers nicht gebunden (§ 2 Abs. 2 Satz 2 HPPVO); sie sind eigenverantwortlich und unabhängig tätig (§ 4 Satz 1 Nr. 3 HPPVO). Ihre Aufgabe ist es, nach selbst durchgeführter Prüfung die Übereinstimmung der zu prüfenden technischen Anlagen und Einrichtungen mit den bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu bescheinigen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 HPPVO). Die Altersgrenze stellt eine Bedingung für den Zugang zu dieser Tätigkeit dar. Das Erlöschen der Anerkennung als Prüfsachverständiger mit Vollendung des 70. Lebensjahres beendet die Möglichkeit des Antragstellers, die in der Hessischen Bauordnung für Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden vorgesehenen Aufgaben wahrzunehmen.

17

b) In der Altersgrenze des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Diese Benachteiligung ist nach § 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG grundsätzlich unzulässig. Sie wird nicht durch § 8 Abs. 1 AGG legitimiert, weil an die Tätigkeit des Prüfsachverständigen keine Anforderungen gestellt sind, die für diese Tätigkeit nach ihrer Art wesentlich und entscheidend sind und die im Zusammenhang mit dem Lebensalter stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 19). Ebenso wenig vermag § 10 Satz 1 AGG die Benachteiligung wegen des Alters zu rechtfertigen. Denn die angegriffene Regelung dient keinem sozialpolitischen Ziel, das die Ungleichbehandlung legitimieren könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 16).

18

c) Der Verwaltungsgerichtshof ist aber zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die in Rede stehende generelle Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden in den vom Antragsteller ausgeübten Fachrichtungen durch den Sicherheitsvorbehalt des Art. 2 Abs. 5 RL 2000/78/EG gerechtfertigt ist. Hiernach berührt diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Mit diesem Sicherheitsvorbehalt wollte der Unionsgesetzgeber auf dem Gebiet von Beschäftigung und Beruf dem Entstehen eines Spannungsfeldes zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung zum einen und der notwendigen Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, der Verhütung von Rechtsverstößen sowie dem Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten, die für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind, zum anderen vorbeugen und vermittelnd eingreifen (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - Rs. C-447/09, Prigge - Slg. 2011, I-8003 Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 23). Der Sicherheitsvorbehalt ist eng auszulegen, weil er eine Abweichung vom Grundsatz des Diskriminierungsverbots begründet (EuGH, Urteile vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 60 und vom 13. September 2011 - Rs. C-447/09, Prigge - Slg. 2011, I-8003 Rn. 56; BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 23). Der Bundesgesetzgeber hat den Sicherheitsvorbehalt zwar nicht ausdrücklich in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen, auf ihn aber auch nicht bewusst verzichtet, so dass das Schweigen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anderweitigen Regelungen des innerstaatlichen Rechts außerhalb dieses Gesetzes nicht entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 24 f.).

19

aa) Die zur Kontrolle gestellte Höchstaltersgrenze dient Sicherheitsbelangen im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG. Zwar lässt sich weder dem Text der angegriffenen Regelung noch ihrer Begründung das mit der Höchstaltersgrenze verfolgte Ziel hinreichend deutlich entnehmen. Der allgemeine Kontext der Regelung sowie das Vorbringen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren ermöglichen jedoch die Feststellung des mit der Maßnahme verfolgten Zieles; darauf kann bei der Anwendung der Richtlinie zurückgegriffen werden (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 40, vom 21. Juli 2011 - Rs. C-159/10 und C-160/10, Fuchs und Köhler - Slg. 2011; I-6919 Rn. 39). Nach dem Vorbringen des Antragsgegners sowie dem bauordnungsrechtlichen Kontext der Regelung dient die generelle Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige für technische Anlagen und Einrichtungen in Gebäuden der Gebäudesicherheit, dem Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und der Allgemeinheit (Bausicherheit). Mit der Einführung von Prüfsachverständigen in das hessische Bauordnungsrecht tritt deren privatrechtliche Tätigkeit in den ihnen zugewiesenen Bereichen an die Stelle der herkömmlichen Aufgabenerfüllung durch die Bauaufsichtsbehörde. Die Bausicherheit als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit ist ein legitimes Ziel im Sinne des Sicherheitsvorbehalts des Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG.

20

bb) Die Altersgrenze für Prüfsachverständige ist zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 2 Abs. 5 RL 2000/78/EG notwendig. Der vom Antragsteller angeregten Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zu der Frage, ob eine starre Altersgrenze als notwendige Maßnahme im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG gelten könne, bedurfte es nicht. Die Vorlagepflicht eines letztinstanzlich entscheidenden nationalen Gerichts nach Art. 267 Abs. 3 AEUV greift nicht ein, wenn eine Auslegungsfrage des Unionsrechts nicht entscheidungserheblich ist, bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, I-3415 Rn. 21). Danach ist eine Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV hier nicht geboten. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass ein Mitgliedstaat unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Wertungsspielraums im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG die Festlegung einer Altersgrenze für erforderlich halten darf (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 52). Abgesehen davon betrifft die hier zu beurteilende Frage, ob die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO für Prüfsachverständige festgelegte Altersgrenze eine notwendige Maßnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG darstellt, nicht die Auslegung des Unionsrechts, sondern seine Anwendung im konkreten Einzelfall.

21

Eine Maßnahme ist im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG notwendig, wenn sie zur Verfolgung eines legitimen Zieles geeignet, erforderlich und angemessen ist und mit dem Kohärenzgebot in Einklang steht. Das ist hier der Fall. Die Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige ist geeignet, zur Bausicherheit beizutragen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgeführt hat, werden durch eine Altersgrenze wirksam Risiken ausgeschlossen, die darauf beruhen, dass einem bestimmten Personenkreis altersbedingt nicht mehr voll leistungsfähiger Prüfsachverständiger Fehler bei der Ausübung der Prüftätigkeit unterlaufen. Die Höchstaltersgrenze ist zur Förderung der Bausicherheit auch erforderlich. Die vom Antragsteller angeführte individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Prüfsachverständigen wäre zwar ein milderes Mittel, das dem individuellen Leistungsvermögen des Betroffenen Rechnung tragen könnte. Der Antragsteller weist auch zu Recht darauf hin, dass der mit einer Einzelfallprüfung verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nicht rechtfertigen könnte (BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2012 - 8 C 24.11 - BVerwGE 141, 385 Rn. 22). Die individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit wäre allerdings nicht gleichermaßen wie eine Höchstaltersgrenze geeignet, zur Bausicherheit beizutragen, weil sie zu spät käme. Eine altersbedingt nicht mehr ausreichende Leistungsfähigkeit würde erst festgestellt werden, wenn sie bereits eingeschränkt ist. Die Anerkennung als Prüfsachverständiger bestünde fort, bis bei der nächsten Überprüfung etwaige Mängel offenbar würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 8 C 46.09 - BVerwGE 139, 1 Rn. 37). Die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren ist zur Verfolgung des Zieles der Bausicherheit schließlich auch nicht unangemessen. Die Bausicherheit dient dem Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Normgeber diesem Schutzziel Vorrang vor dem Interesse an einer weiteren Tätigkeit von Prüfsachverständigen jenseits der Altersgrenze eingeräumt hat. Die Altersgrenze von 70 Jahren ist ohnehin höher als die meisten für andere berufliche Tätigkeiten sonst geltenden Altersgrenzen. Sie liegt sogar höher als die Altersgrenze für Prüfsachverständige in anderen Ländern sowie für Personen, die vergleichbare Aufgaben etwa in staatlichen Prüfbehörden wahrnehmen.

22

Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstößt § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO nicht gegen das Kohärenzgebot. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Regelung nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu verwirklichen (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 53, vom 21. Juli 2011 - Rs. C-159/10 und C-160/10, Fuchs und Köhler - Slg. 2011, I-6919 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 8 C 46.09 - BVerwGE 139, 1 Rn. 35). Die angegriffene Regelung genügt diesen Anforderungen. Das mit der Höchstaltersgrenze verfolgte Ziel der Bausicherheit wird durch die in § 9 Abs. 2 und 3 HPPVO getroffene Regelung nicht beeinträchtigt. Danach können Personen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei Gleichwertigkeit ihrer Berechtigung unter näher bezeichneten Voraussetzungen auch in Hessen als Prüfsachverständige tätig sein, ohne dass die Hessische Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung eine ausdrückliche Altersgrenze für diesen Personenkreis vorsieht. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass § 7 Abs. 1 Nr. 2 HPPVO auch diesem Personenkreis eine Tätigkeit als Prüfsachverständiger nach Vollendung des 70. Lebensjahres verwehrt (VGH Kassel, Beschluss vom 26. Februar 2013 - 7 A 1644/12.Z - GewArch 2013, 251 Rn. 42). Ebenso wenig läuft § 9 Abs. 1 Satz 2 HPPVO dem mit der Höchstaltersgrenze verfolgten Ziel der Bausicherheit zuwider. Danach gelten Anerkennungen von natürlichen Personen in anderen Ländern auch in Hessen. Der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in keinem der anderen Länder, die bauaufsichtliche Aufgaben auf Prüfsachverständige übertragen haben, eine höhere Altersgrenze als das 70. Lebensjahr vorgesehen ist; vielmehr erlischt die Anerkennung als Prüfsachverständiger in allen anderen Ländern bereits mit der Vollendung des 68. Lebensjahres. Das gilt seit dem 1. Dezember 2014 auch im Land Sachsen-Anhalt, das die früher dort geltende Höchstaltersgrenze von 70 Jahren ebenfalls auf 68 Jahre herabgesetzt hat (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über Prüfingenieure und Prüfsachverständige vom 25. November 2014, GVBl. LSA S. 476).

23

d) Die Höchstaltersgrenze stellt keine unzulässige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage in § 80 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 Nr. 8 der Hessischen Bauordnung i.d.F. vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274), geändert durch Gesetz vom 28. September 2005 (GVBl. I S. 662). Der in der Altersgrenze liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist aus denselben Erwägungen gerechtfertigt, die die Ungleichbehandlung wegen des Alters im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG legitimieren.

24

Die Höchstaltersgrenze für Prüfsachverständige verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung wegen des Alters ist aus den dargelegten Gründen sachlich gerechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass der Normgeber in zulässiger Weise das Ausmaß des jeweiligen Gefahrenpotenzials von älteren Prüfsachverständigen gegenüber Prüfsachverständigen, die die Altersgrenze noch nicht erreicht haben, generalisierend unterschiedlich bewerten durfte.

25

Das in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verankerte Verbot der Altersdiskriminierung ist ebenfalls nicht verletzt. Es wird durch die RL 2000/78/EG konkretisiert (EuGH, Urteil vom 26. September 2013 - Rs. C-476/11, EuZW 2013, 951 Rn. 31). Die Legitimierung der Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß Art. 21 Abs. 1 GRC stellt deshalb keine anderen Anforderungen als diejenigen, die auch im Rahmen von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG zu berücksichtigen sind.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

Annotations

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.