Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 26. Jan. 2018 - 2 BvR 725/16

ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180126.2bvr072516
published on 26/01/2018 00:00
Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 26. Jan. 2018 - 2 BvR 725/16
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Gericht

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Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht genügt.

2

1. Das Bundesverfassungsgericht soll durch die Begründung in die Lage versetzt werden, den angegriffenen Hoheitsakt ohne weitere eigene Nachforschungen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Dies setzt bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde voraus, dass die durch den Beschwerdeführer angegriffene Entscheidung einschließlich sämtlicher zu deren Verständnis notwendiger Unterlagen vorgelegt oder zumindest ihrem Inhalt nach in einer Weise wiedergegeben wird, dass auf dieser Grundlage eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung möglich ist (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>; 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Liegt zu den mit der Beschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>).

3

2. a) Demgemäß ist die Verfassungsbeschwerde unzureichend begründet, soweit sie sich auf die Wiederholung von Einwendungen beschränkt, die bereits im vorangegangenen Verfassungsbeschwerdeverfahren (2 BvR 708/12) geltend gemacht wurden, das die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers aufgrund der Beschlüsse des Landgerichts Leipzig vom 21. Dezember 2011 (I StVK 916/11) und des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Februar 2012 (2 Ws 89/12) zum Gegenstand hatte. Dies gilt insbesondere für die grundsätzlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen eine Unterbringung gemäß § 63 StGB sowie die Behauptungen, § 63 StGB sei mit Art. 37 Buchstabe a des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (BGBl II 1992 S. 121) unvereinbar und verstoße wegen der unterschiedlichen Gewichtung des Besserungszwecks im Vergleich zu § 64 StGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 (BGBl II 2008, S. 1419). Insoweit rechtfertigt das Beschwerdevorbringen keine von den Feststellungen im Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juli 2013 (2 BvR 708/12, juris, Rn. 18 ff.) abweichenden Bewertungen.

4

b) Soweit der Beschwerdeführer über sein bisheriges Vorbringen hinausgehend mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde erstmals geltend macht, in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu sein, weil für ihn keinerlei konkrete Behandlungsaussichten mehr bestünden und daher faktisch eine bloße Sicherungsverwahrung vollstreckt werde, genügt die Verfassungsbeschwerde den Substantiierungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ebenfalls nicht, da der Beschwerdeführer es unterlassen hat, sämtliche Dokumente vorzulegen, die das Landgericht im angegriffenen Beschluss vom 6. Januar 2016 in Bezug genommen und seiner Bewertung weiterer Behandlungsaussichten zugrunde gelegt hat.

5

In seinem Beschluss verweist das Landgericht ausdrücklich auf die Sachverständigengutachten der Psychiater Dr. L. vom 30. Januar 2009 und 28. Januar 2015, Prof. Dr. K. vom 20. Dezember 2010 und Prof. Dr. L. vom 3. November 2011 sowie auf die Protokolle der Anhörungen, deren Ergebnisse in den Beschlüssen der Kammer vom 21. Dezember 2011 (I StVK 916/11), 14. Dezember 2012 (I StVK 782/12), 19. Dezember 2013 (I StVK 836/13) und 6. Februar 2015 (I StVK 520/14) wiedergegeben seien. Weiterhin legt das Gericht seinen Ausführungen die Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung vom 23. April, 29. Juni und 3. November 2015 sowie das Protokoll der mündlichen Anhörung vom 6. Januar 2016 zugrunde. Vor diesem Hintergrund stellt das Gericht fest, dass die Ablehnung einer Behandlung des Beschwerdeführers mit triebdämpfenden Mitteln durch die Unterbringungseinrichtung zumindest nachvollziehbar erscheine. Eine solche medikamentöse Behandlung werde lediglich für sinnvoll angesehen, wenn eine begleitende psychotherapeutische Behandlung erfolge, in der der Patient offen über seine Empfindungen und Erlebnisse berichte. Nach den Ausführungen der behandelnden Therapeuten fehle es seitens des Beschwerdeführers jedoch an einer solchen Offenheit. Das Gericht stimme daher mit der Auffassung überein, dass jedenfalls derzeit und perspektivisch auch in den nächsten Jahren keine - therapeutische oder medizinische - Behandlungsmöglichkeit bestehe und damit auch - jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände - von einer fehlenden Erfolgsaussicht der Behandlung auszugehen ist.

6

Einer verantwortbaren verfassungsgerichtlichen Überprüfung dieser - für die Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit einer Fortdauer der Unterbringung bedeutsamen - Annahmen steht entgegen, dass der Beschwerdeführer von den durch das Landgericht in seinem Beschluss in Bezug genommenen Gutachten, Protokollen und Stellungnahmen lediglich das Protokoll der mündlichen Anhörung vom 6. Januar 2016 und die Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung vom 3. November 2015 vorgelegt hat. Diese Unterlagen genügen aber nicht, um die Feststellung des Wegfalls jeglicher Behandlungsperspektive für den Beschwerdeführer nachvollziehen zu können. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob der Möglichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung des Beschwerdeführers lediglich dessen fehlende Bereitschaft entgegensteht, offen über seine Empfindungen und Erlebnisse zu berichten. Auch erschließt sich nicht, welche "weiteren Umstände" eintreten müssten, um aus der Sicht des Landgerichts die Möglichkeit einer erfolgversprechenden Behandlung zu eröffnen. Daher hätte es zumindest der Vorlage sämtlicher im angegriffenen Beschluss des Landgerichts in Bezug genommenen Gutachten, Stellungnahmen und Protokolle der mündlichen Anhörungen bedurft, um auf dieser Grundlage den Vortrag des Beschwerdeführers, infolge des Wegfalls sämtlicher Behandlungsmöglichkeiten stelle sich die Fortdauer der Unterbringung als eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzende faktische Sicherungsverwahrung dar, einer verantwortbaren verfassungsgerichtlichen Beurteilung zuführen zu können.

7

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb
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published on 05/07/2013 00:00

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts L. wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. §§ 11
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(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.