Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 15. Dez. 2011 - 1 BvR 2490/10

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20111215.1bvr249010
bei uns veröffentlicht am15.12.2011

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. August 2010 - 11 UF 411/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. August 2010 - 11 UF 411/10 - wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen.

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. August 2010 - 11 UF 411/10 - und vom 7. September 2010 - 11 UF 411/10 - werden damit gegenstandslos.

2. ...

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin begehrt die rückwirkende Zahlung einer Rente im Rahmen des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs.

2

1. Die Beschwerdeführerin wurde 1989 geschieden. Im Scheidungsurteil wurde der Versorgungsausgleich auch hinsichtlich der Anwartschaften des Ehemannes auf eine betriebliche Altersversorgung durchgeführt. Der geschiedene Ehemann starb am 10. Juli 1999.

3

a) Mit Schreiben vom 28. August 1999 verlangte die Beschwerdeführerin einen Unterhaltsbeitrag vom ehemaligen Arbeitgeber des geschiedenen Ehemannes, der E. AG. Mit Schreiben vom 8. September 1999 begehrte die Beschwerdeführerin, über die Voraussetzungen eines Unterhaltsbeitrags aufgeklärt zu werden. Mit erneutem Schreiben vom 8. März 2000 erklärte die Beschwerdeführerin, sie wolle einer abschlägigen Mitteilung "nicht widersprechen", bitte aber noch einmal um "wohlwollende Prüfung".

4

Im Dezember 2002 beantragte die Beschwerdeführerin, den Versorgungsausgleich neu zu regeln und die E. AG zu verpflichten, im Rahmen des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß § 3a des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) die unterbliebene Versorgungsrente an sie zu zahlen. Mit Bescheid vom 3. Juli 2003 wurde der Beschwerdeführerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2000 bewilligt.

5

b) Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 18. Februar 2005 wurde die E. AG verpflichtet, mit Wirkung erst ab dem 1. Januar 2003 monatlich eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente an die Beschwerdeführerin zu zahlen.

6

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. November 2005 - 2 UF 75/05 - wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin im Wesentlichen zurückgewiesen. Aus dem Verweis in § 3a Abs. 6 VAHRG auf § 1585b Abs. 2 und 3 BGB ergebe sich, dass die verlängerte Ausgleichsrente trotz vorheriger Erfüllung der Voraussetzungen erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit beziehungsweise der Inverzugsetzung verlangt werden könne. Der Beschwerdeführerin stehe danach kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen vor dem 1. Januar 2003 zu. Die E. AG sei vor diesem Zeitpunkt nicht in Verzug geraten. Die Schreiben der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 1999 seien vor Fälligkeit des Anspruchs aus § 3a VAHRG, der den Renteneintritt der Beschwerdeführerin am 1. Januar 2000 voraussetze, eingegangen. Aber auch das Schreiben vom 8. März 2000 habe keine verzugsbegründende Wirkung, da das Schreiben kein Leistungsverlangen, sondern nur eine Bitte um Überprüfung unter Billigkeitsgesichtspunkten enthalten habe.

7

c) Ein weiteres Abänderungsverfahren, das aufgrund eines Wohnsitzwechsels der Beschwerdeführerin an das Amtsgericht Bingen am Rhein abgegeben wurde, blieb bis vor dem Oberlandesgericht Koblenz erfolglos.

8

d) Mit Bescheid vom 15. Juni 2009 erkannte die Deutsche Rentenversicherung Bund an, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente der Beschwerdeführerin wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 3. Februar 1999 erfüllt waren. Daraufhin begehrte die Beschwerdeführerin in einem erneuten Abänderungsantrag, ihr die Betriebsrente ab dem 1. September 1999 rückwirkend zu zahlen.

9

e) Mit Beschluss des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 10. Juni 2010 - 80 F 58/10 - wurde der Antrag zurückgewiesen, da der Betriebsrentenversicherungsträger vor dem 1. Januar 2003 nicht in Verzug geraten sei. Verzug sei nur bei Vertretenmüssen möglich. Im Hinblick auf die rechtskräftigen Vorentscheidungen hätte der Betriebsrententräger weitere Zahlungen gar nicht leisten dürfen. Die erneute Antragstellung aufgrund einer korrigierten Beurteilung der Deutschen Rentenversicherung könne den Verzug nicht rückwirkend wieder aufleben lassen.

10

f) Mit - angegriffenem - Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. August 2010 - 11 UF 411/10 - wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach § 3a VAHRG setze einen bereits eingetretenen Rentenbezug voraus. Trotz des neuen Rentenbescheids vom 15. Juni 2009 habe die Beschwerdeführerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit tatsächlich nicht vor dem 1. Januar 2003 bezogen. Außerdem fehle es an einer verzugsbegründenden Mahnung. Sie habe einen Rentenbezug ihrem verstorbenen Ehemann beziehungsweise der Witwe ihres geschiedenen Mannes, Frau S., mit ihren Schreiben nicht anzeigen können, weil ein solcher nicht stattgefunden habe. Frau S., nicht die E. AG, sei Gegnerin des Verfahrens.

11

g) Mit - angegriffenem - Beschluss vom 30. August 2010 wurden die Gegenvorstellung und Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Ihr Vorbringen sei umfassend gewürdigt worden. Eine weitere Anhörungsrüge und Gegenvorstellung wurde mit - angegriffenem - Beschluss vom 7. September 2010 zurückgewiesen.

12

2. In ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Koblenz ließen außer Acht, dass gemäß § 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB eine Erwerbsunfähigkeit und nicht allein der tatsächliche Rentenbeginn den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erlaube. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts seien insofern willkürlich und verletzten ihr Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

13

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat davon jedoch nicht Gebrauch gemacht.

II.

14

Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin geboten ist. Die Kammer ist für diese Entscheidung zuständig, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

15

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen allerdings nicht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör.

16

Art. 103 Abs.1 GG verpflichtet das erkennende Gericht, den Vortrag der Beteiligten zu berücksichtigen, das heißt zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 65, 293 <295 f.>; 87, 363 <392 f.>; 96, 205 <216 f.>). Vorliegend hat sich das Oberlandesgericht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen nicht auf einer Gehörsverletzung. Dass das Gericht zu einer anderen rechtlichen Bewertung gelangt als die Beschwerdeführerin, begründet keine Gehörsverletzung.

17

2. Jedoch verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. August 2010 Art. 3 Abs. 1 GG.

18

a) Zwar begründet eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts allein noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl. BVerfGE 67, 90 <94 ff.>). Ist eine Entscheidung jedoch sachlich schlechthin unhaltbar, so ist sie objektiv willkürlich. Ohne dass es auf subjektive Umstände oder ein Verschulden des Gerichts ankäme, stellt eine derartige willkürliche Entscheidung einen Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Verbot dar, offensichtlich unsachliche Erwägungen zur Grundlage einer staatlichen Entscheidung zu machen (vgl. BVerfGE 58, 163 <167 f.>; 62, 189 <192>; 71, 122 <136>; 71, 202 <205>).

19

b) Von einer derart fehlerhaften Entscheidung ist hier auszugehen.

20

Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 VAHRG in Verbindung mit § 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf Seiten des Berechtigten nicht allein auf den Rentenbezug, sondern alternativ auf das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit abzustellen, die angesichts des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Rentenbescheids bereits seit Februar 1999 bestand. Die zweite Alternative in § 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB hat das Oberlandesgericht nicht berücksichtigt. Diese nicht mehr verständliche Entscheidung begründet einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

21

Überdies ist gemäß § 3a Abs. 1 VAHRG Anspruchsgegner der Träger der auszugleichenden Versorgung, nicht - wie vom Oberlandesgericht angenommen - der Rechtsnachfolger des inzwischen verstorbenen Ehegatten. Es ist unverständlich, warum eine andere Person als der Schuldner der Ausgleichsrente Empfänger einer verzugsbegründenden Mahnung für den Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsrente in der Vergangenheit gemäß § 3a Abs. 6 VAHRG in Verbindung mit § 1585b Abs. 2, § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB sein sollte.

22

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.

23

3. Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. August 2010 beruht auf § 93c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG. Die ebenfalls angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Koblenz über die Anhörungsrüge und Gegenvorstellung vom 30. August und 7. September 2010 werden damit gegenstandslos.

24

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

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Referenzen - Gesetze

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1613 Unterhalt für die Vergangenheit


(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1585b Unterhalt für die Vergangenheit


(1) Wegen eines Sonderbedarfs (§ 1613 Abs. 2) kann der Berechtigte Unterhalt für die Vergangenheit verlangen. (2) Im Übrigen kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur entsprechend § 1613 Abs

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(1) Wegen eines Sonderbedarfs (§ 1613 Abs. 2) kann der Berechtigte Unterhalt für die Vergangenheit verlangen.

(2) Im Übrigen kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur entsprechend § 1613 Abs. 1 fordern.

(3) Für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Wegen eines Sonderbedarfs (§ 1613 Abs. 2) kann der Berechtigte Unterhalt für die Vergangenheit verlangen.

(2) Im Übrigen kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur entsprechend § 1613 Abs. 1 fordern.

(3) Für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat.

(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in den die bezeichneten Ereignisse fallen, geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat.

(2) Der Berechtigte kann für die Vergangenheit ohne die Einschränkung des Absatzes 1 Erfüllung verlangen

1.
wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf); nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung kann dieser Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist;
2.
für den Zeitraum, in dem er
a)
aus rechtlichen Gründen oder
b)
aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen,
an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 kann Erfüllung nicht, nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden, soweit die volle oder die sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Dies gilt auch, soweit ein Dritter vom Verpflichteten Ersatz verlangt, weil er anstelle des Verpflichteten Unterhalt gewährt hat.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.