Bundessozialgericht Beschluss, 26. Apr. 2018 - B 8 SO 69/17 B


Gericht
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. April 2016 - L 4 SO 86/14 ZVW - wird als unzulässig verworfen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit sind Ansprüche des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der prozessunfähige Kläger bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII (Grundsicherungsleistungen). Er begehrt von dem Beklagten ua höhere Leistungen nach Absetzung eines Beitrags für die Mitgliedschaft und eine Rechtsschutzversicherung in einem Automobilclub von seinem Einkommen. Seine Anträge und die Klagen wegen der Zeiten vom 22.8.2008 bis 2.7.2009, vom 1.11.2008 bis 31.10.2009 und vom 1.11.2009 bis 31.10.2010, die das Sozialgericht (SG) Gießen verbunden hat, sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 25.6.2012). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil der Kläger partiell prozessunfähig sei (Beschluss vom 25.2.2013). Diese Entscheidung (verbunden mit weiteren 13 Verfahren) hat der Senat aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, weil das LSG verfahrensfehlerhaft von der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen hatte(Beschluss vom 8.4.2014 - B 8 SO 47/13 B). Im Berufungsverfahren hat das LSG die Verfahren wieder getrennt, Justizinspektor S zum besonderen Vertreter bestellt und die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteige (Beschluss vom 29.4.2016).
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Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss und macht geltend, das LSG habe gegen seine Hinweispflicht (§ 106 SGG) verstoßen. Das SG habe die Berufung als statthaftes Rechtsmittel bezeichnet. Zwar habe er den Streitgegenstand vor dem SG auf die bezeichneten Monate beschränkt, sodass die Berufung einer ausdrücklichen Zulassung bedurft hätte. Das LSG habe es aber versäumt, ihn auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde hinzuweisen. Er hätte sodann sein Begehren klarstellen können. Da er in der ersten Instanz nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei, wäre die Zulassung der Berufung wegen dieses Verfahrensfehlers unumgänglich gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass sich nach umfassender Prüfung im Berufungsverfahren ein Anspruch auf höhere Leistungen ergebe.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.
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Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
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Den Verfahrensfehler, das LSG hätte darauf hinwirken müssen, dass der Kläger eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung einlegt (§ 106 Abs 1 SGG; vgl dazu Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 585 ff), hat der Kläger nicht ausreichend bezeichnet. Er räumt selbst ein, die vorliegende Berufung, über die das LSG allein zu entscheiden hatte, sei unzulässig gewesen, weil der Wert der Beschwerdegegenstands 750 Euro nicht erreiche. Damit kann selbst nach seinem eigenen Vortrag ein Hinweis des LSG auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde der stattdessen eingelegten Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Der Kläger hätte es bei einem entsprechenden Hinweis zwar in der Hand gehabt, den Antrag entsprechend "umzustellen", also die Berufung zurückzunehmen und eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Dies hätte allerdings nicht zur Folge gehabt, dass eine andere Entscheidung über die Berufung möglich gewesen wäre. Das Berufungsgericht ist außerhalb des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht befugt, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 1 S 5), wovon auch der Kläger ausgeht. Ein etwaiger Verstoß gegen die prozessuale Fürsorgepflicht hätte damit (nur) zur Folge, dass bei Fristversäumnis bezogen auf das richtige Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde ggf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dies ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

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(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.
(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere
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um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen, - 2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen, - 3.
Auskünfte jeder Art einholen, - 4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen, - 5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen, - 6.
andere beiladen, - 7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.
(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.
Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.
(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.
Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.
(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere
- 1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen, - 2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen, - 3.
Auskünfte jeder Art einholen, - 4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen, - 5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen, - 6.
andere beiladen, - 7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.
(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.