Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige des Beklagten nach § 93 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).

2

Für die Beigeladene, die in einer Pflegeeinrichtung lebt und seit August 2008 Leistungen der Hilfe zur Pflege vom Beklagten erhält, war auf der Gemarkung S, Flur 33, Flurstücke 255, 507 und 256 (U straße , S), ein unentgeltliches ausschließliches Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung eingetragen. Nachdem die Beigeladene auf das für sie eingetragene Wohnrecht verzichtet hatte, wurde es am 21.7.2008 gelöscht. Eigentümerinnen des mit dem Wohnrecht belegen gewesenen Grundstücks sind seit 1985 die Klägerin und ihre Schwester. Der Beklagte ermittelte den Wert des Wohnrechts mit 28 000 Euro und leitete daraufhin sämtliche Ansprüche der Beigeladenen gegen die Klägerin und ihre Schwester auf sich über (Bescheid vom 12.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 9.3.2011).

3

Im anschließenden Klageverfahren machte die Klägerin geltend, der Beklagte habe den Wert des Grundstücks unzutreffend hoch angesetzt. Zwar sei die Beigeladene verpflichtet gewesen, die Hälfte der ortsüblichen Miete zu zahlen; dies sei aber aufgrund ihrer bescheidenen finanziellen Verhältnisse tatsächlich nicht geschehen. Infolgedessen sei ein erheblicher Instandsetzungsrückstau am gesamten Gebäude entstanden. Der Verzicht der Beigeladenen auf das Wohnrecht habe zu keiner Wertsteigerung des Grundstücks geführt, sondern nur zu einer Reduzierung der Verschuldung. Es fehle deshalb an einem überleitungsfähigen Anspruch. Die Klage ist erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 19.4.2012; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, nach den Kriterien der so genannten "Negativevidenz" sei im Rahmen des § 93 SGB XII nur zu prüfen, ob der betroffene Anspruch von vornherein, dh ohne nähere Prüfung, ausgeschlossen sei. Dies sei hier nicht der Fall. Die Einzelheiten des dem Anspruchsübergang zugrundeliegenden Anspruchs seien nicht im sozialgerichtlichen, sondern in einem ggf nachfolgenden zivilgerichtlichen Verfahren zu klären. Der Beklagte habe den Anspruch ermessensfehlerfrei übergeleitet. Es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die ein Absehen von der Überleitung rechtfertigen könnten. Insbesondere hätten die Klägerin und ihre Geschwister die Beigeladene nicht über das Maß der sie persönlich treffenden Verpflichtung hinaus gepflegt.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Rechtsstreit werfe folgende Frage auf,

"ob die Entscheidung darüber, ob der übergeleitete Anspruch bzw der streitige Wert eines Wohnrechts im Rahmen der Ermessenserwägungen des Sozialhilfeträgers dergestalt hinter dem Nachrang der Sozialhilfe ungeprüft zurückgestellt werden darf, als dass nach materiellem Recht ein entsprechender Anspruch von vornherein als gegeben angesehen werden kann."

5

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

6

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz).

7

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt eine hinreichend verständliche, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage formuliert hat, anhand derer die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung geprüft werden können. Denn auch bei sachdienlicher Auslegung sind die aufgeworfenen Fragen nicht grundsätzlich bedeutsam.

8

Die insoweit offenbar gestellte Frage, ob die Überleitung eines Anspruchs durch den Sozialhilfe-träger nur dann angezeigt werden kann, wenn sicher feststeht, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl: Senatsbeschluss vom 20.12.2012 - B 8 SO 75/12 B; zum Recht der Arbeitsförderung BSG SozR 4100 § 40 Nr 26 S 80) und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur sog Negativevidenz (stRspr seit BVerwGE 34, 219 ff zur Sozialhilfe; zum Recht der Ausbildungsförderung BVerwGE 49, 311 ff; 56, 300 ff; 87, 217 ff; zur Hilfe zur Pflege in der Sozialhilfe BVerwGE 91, 375 ff) geklärt.

9

Danach genügt es für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist. In der Sozialhilfe dient die Überleitung eines Anspruchs - neben den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens - dazu, den Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 SGB XII)zu realisieren. Wie beim Einsatz des Einkommens müssen die Vorschriften über die Überleitung von Ansprüchen folglich bedarfsorientiert gesehen werden. Entscheidend ist also nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind (BVerwGE 34, 219, 221). Nur wenn offensichtlich ist, dass dieses Ziel nicht verwirklicht werden kann, ist der Erlass einer Überleitungsverfügung sinnlos und trotz Vorliegens aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig aufzuheben (BVerwGE 49, 311, 316). Eine solch erkennbar sinnlose Überleitungsverfügung liegt gerade nicht vor. Das LSG hat es zu Recht unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin für denkbar gehalten, dass der von der Beigeladenen ausgesprochene Verzicht auf das Wohnrecht wegen der damit verbundenen Wertsteigerung des Grundstücks eine Schenkung darstellt und deshalb ein Schenkungsrückforderungsanspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen sei.

10

Ein Klärungsbedarf besteht auch nicht im Hinblick auf das möglicherweise in der Frage enthaltene Vorbringen der Klägerin zu einer erforderlichen Ermessensausübung im Rahmen der Anspruchsüberleitung. Es ist bereits geklärt, dass der Erlass einer Überleitungsanzeige im Ermessen der Behörde liegt (vgl insbesondere: BVerwGE 34, 219, 225; 92, 281, 287; darüber hinaus Senatsurteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 17/08 R - juris RdNr 13), dass also die Behörde nicht von der Notwendigkeit enthoben ist, ihr Entschließungs- und Auswahlermessen (Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 93 RdNr 33, Stand August 2009) auszuüben.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung; die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 40, 47 Abs 3, § 52 Abs 2, § 63 Abs 2 Gerichtskostengesetz.

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(1) Hat eine leistungsberechtigte Person oder haben bei Gewährung von Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel auch ihre Eltern, ihr nicht getrennt lebender Ehegatte oder ihr Lebenspartner für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Er kann den Übergang dieses Anspruchs auch wegen seiner Aufwendungen für diejenigen Leistungen des Dritten und Vierten Kapitels bewirken, die er gleichzeitig mit den Leistungen für die in Satz 1 genannte leistungsberechtigte Person, deren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und deren minderjährigen unverheirateten Kindern erbringt. Der Übergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die Leistung nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten wäre. Der Übergang ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(2) Die schriftliche Anzeige bewirkt den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person die Leistung ohne Unterbrechung erbracht wird. Als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten.

(3) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, der den Übergang des Anspruchs bewirkt, haben keine aufschiebende Wirkung.

(4) Die §§ 115 und 116 des Zehnten Buches gehen der Regelung des Absatzes 1 vor.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

Tatbestand

1

Im Streit ist, ob der Beklagte Ansprüche des Klägers gegen das Finanzamt B auf Rückerstattung von Steuern auf sich überleiten durfte.

2

Der Kläger und seine Ehefrau bezogen vom 15.6.2000 bis 31.12.2004 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Beide gaben bei Antragstellung an, dass Geldforderungen - ua gegen das Finanzamt B in Höhe von 1.236.707,50 DM - Gegenstand anhängiger Gerichtsverfahren seien. Die Aufwendungen des Sozialamts A für den Kläger und seine Ehefrau betrugen im Bezugszeitraum insgesamt 29.490,99 Euro. In Höhe diesen Betrags leitete das Sozialamt A Erstattungsforderungen auf sich über (schriftliche Anzeige vom 8.11.2004 gegenüber dem Finanzamt B und Bescheid vom 9.11.2004 gegenüber dem Kläger) . Das Finanzamt B zahlte daraufhin 29.485,92 Euro in zwei Teilbeträgen an das Sozialamt.

3

Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005; Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.11.2005; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.2007) . Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, § 90 BSHG als Rechtsgrundlage für die Überleitung diene der Durchsetzung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs 1 BSHG. Das Sozialamt habe Sozialhilfe zur Abwendung einer Notlage geleistet; der Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt B sei auch fällig gewesen. Der Überleitung stehe nicht entgegen, dass die Steuererstattungsansprüche (teilweise) auf Zeiträume zurückzuführen seien, in denen die Kläger noch nicht Sozialhilfeempfänger gewesen seien. Ausreichend sei, dass der Hilfeempfänger im Zeitpunkt der Hilfegewährung berechtigt sei, den Anspruch gegen den Dritten geltend zu machen. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei Steuererstattungen nicht um (gegebenenfalls geschütztes) Vermögen, sondern um Einnahmen in Form einmaliger Einnahmen. Ermessensfehler seien nicht unterlaufen. Zwar enthalte der Ausgangsbescheid keine Ermessenserwägungen; diese seien jedoch im Widerspruchsbescheid in ausreichendem Maße nachgeholt worden.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs sowie die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, § 11 BSHG) . Zur Begründung führt er aus, das LSG habe seine Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen, dass die Steuererstattung als (Rück-)Zufluss eigenen Vermögens anzusehen sei, weil durch sie nur der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt worden sei. Außerdem sei die mündliche Verhandlung vor genügender Erörterung der Sach- und Rechtslage geschlossen worden. Der angefochtene Überleitungsbescheid vom 9.11.2004 habe nicht alle wesentlichen Tatsachen enthalten, auf die die Verwaltung ihre Entscheidung gestützt habe; insbesondere habe er keinerlei Hinweise auf seine (des Klägers) Interessen einerseits und die der Öffentlichkeit andererseits enthalten, die bei der Ermessensbetätigung zu berücksichtigen seien. Dieser Anhörungsmangel sei im Widerspruchsverfahren nicht geheilt worden. § 11 BSHG sei verletzt, weil der in der Steuerrückerstattung liegende Vermögenszufluss nur entweder - bei Bewertung als Einkommen gemäß §§ 76 ff BSHG - ab dem Monat des Zuflusses für einen gewissen Zeitraum - etwa bis zu einem Jahr - bzw bei Bewertung als Vermögen gemäß §§ 88 f BSHG unter Berücksichtigung der Schongrenzen ab dem Monat des Zuflusses hätte berücksichtigt werden dürfen, sodass die Steuererstattung nicht bzw nicht in voller Höhe hätte übergeleitet werden dürfen.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und das Urteil des SG abzuändern sowie den Bescheid vom 9.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 2.5.2005 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist iS der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) begründet. Das Verfahren leidet an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel; eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt.

9

Ob dem LSG die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls hätte das LSG das Land Baden-Württemberg - möglicherweise auch die Ehefrau des Klägers - gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig zum Verfahren beiladen müssen. Der Verfahrensmangel der unterbliebenen notwendigen Beiladung ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl nur: BSGE 61, 197, 199 mwN = SozR 7323 § 9 Nr 1; BSGE 93, 283 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1; Senatsurteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R) .

10

Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung liegen vor. Nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Dritter iS dieser Regelung ist (jedenfalls) das Land Baden-Württemberg als Träger der Finanzverwaltung, weil der Beklagte durch die Überleitung der Steuererstattungsansprüche des Klägers (und seiner Ehefrau) unmittelbar in das Rechtsverhältnis des Klägers zur Finanzverwaltung eingegriffen hat; denn auf Grund der Überleitungsanzeige stand der Finanzverwaltung nunmehr ein neuer Gläubiger gegenüber, soweit der übergeleitete Anspruch bestand. Ob nach dieser Vorschrift auch die Ehefrau des Klägers dem Rechtsstreit beizuladen ist, hängt davon ab, ob sie hinsichtlich der Steuererstattungsansprüche zusammen mit dem Kläger Gesamtgläubigerin ist, weil dann auch ihr gegenüber eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überleitung nur einheitlich ergehen könnte.

11

Von einer Nachholung der Beiladung im Revisionsverfahren gemäß § 168 Satz 2 SGG mit Zustimmung des Landes Baden-Württemberg hat der Senat abgesehen, weil die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Verfügung im bisherigen Verfahren ohne Berücksichtigung der Rechtsposition des Beizuladenden erfolgt ist.

12

Rechtsgrundlage für die Überleitungsanzeige ist § 90 Abs 1 BSHG. Nach dessen Satz 1 kann der Träger der Sozialhilfe für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen einen anderen, der kein Leistungsträger iS von § 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.

13

Der Beklagte hat die Überleitung des Anspruchs am 8.11.2004 schriftlich angezeigt, ohne die von der Überleitung Betroffenen zuvor anzuhören. Nach erfolgter Beiladung wird das LSG zu beurteilen haben, ob der Anhörungsmangel später geheilt worden ist und ob der dem Kläger erteilte inhaltsgleiche Bescheid vom 9.11.2004 den Anforderungen der Zustellung der Überleitungsanzeige an den Drittbetroffenen genügt. Es wird ferner prüfen müssen, ob die Überleitungsanzeige hinreichend bestimmt gewesen ist (§ 33 Abs 1 SGB X), insbesondere ob aus ihr die übergeleiteten Ansprüche des Klägers gegen das Finanzamt hervorgehen, und ob der Beklagte das ihm durch § 90 Abs 1 Satz 1 BSHG eingeräumte Ermessen ausgeübt hat.

14

Ggf wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.