Bundessozialgericht Urteil, 11. Apr. 2013 - B 2 U 21/11 R

bei uns veröffentlicht am11.04.2013

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten war im Revisionsverfahren noch streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Einsicht in Aktenunterlagen der Beklagten zusteht, die diese über einen Versicherungsfall eines Mitarbeiters der Klägerin führt.

2

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie wandte sich gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 25.4.2008 für das Beitragsjahr 2007, mit dem ein Gesamtbeitrag von 56 604,49 € festgesetzt wurde und in dem anteilig ein Beitragszuschlag in Höhe von 12 631,91 € enthalten war. Der Beitragszuschlag lasse sich nicht nachvollziehen. Die Beklagte übermittelte daraufhin eine Aufstellung der für das Beitragsausgleichsverfahren herangezogenen Kosten. Darin war unter anderem ein Betrag in Höhe von 18 934,15 € für den bei der Klägerin beschäftigten Versicherten B. wegen eines Unfalls am 17.11.2006 enthalten. Die Klägerin begehrte nun eine Kostenaufstellung über die Behandlungskosten des Versicherten B. (Schreiben vom 19.6.2008 und 4.7.2008), denn die in Ansatz gebrachten Kosten dieses Versicherungsfalls seien nicht allein unfallursächlich.

3

Mit Schreiben vom 17.7.2008 und 29.7.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie könne die Unfallkosten nicht detailliert darlegen, weil die Übermittlung von Sozialdaten nur bei bestehender Übermittlungsbefugnis zulässig sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.8.2008).

4

Die Klägerin hat Klage zum SG erhoben und vorgetragen, es habe sich bei dem Unfall des Versicherten B. nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Weiterhin seien vermeidbare Kosten dadurch entstanden, dass der Versicherte im Krankenhaus nicht richtig behandelt worden sei. Sie legte die Einwilligung des Versicherten B. vom 22.7.2008 zur Einsichtnahme in seine Sozialdaten betreffend die Aufwendungen für den Unfall vom 17.11.2006 vor.

5

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.6.2010) und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe alle von ihr verauslagten Aufwendungen für den Arbeitsunfall des Versicherten B. berücksichtigen dürfen, denn es habe sich nicht um einen vom Beitragszuschlagverfahren ausgenommenen Unfall gehandelt. Der Versicherte B. habe bei seiner Tätigkeit als Zimmermann einen Arbeitsunfall erlitten. Ein unwirtschaftliches Verhalten des Versicherten B. berechtige nicht dazu, etwaige Aufwendungen der Beklagten unberücksichtigt zu lassen. Den Mitgliedsunternehmen sei innerhalb des Beitragsverfahrens nicht jede Rüge der Höhe entstandener Aufwendungen möglich. Ein Akteneinsichtsrecht in die den Versicherten B. betreffende Leistungsakte nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB X bestehe nicht. Die Klägerin sei nicht Beteiligte des Verwaltungsverfahrens über den Arbeitsunfall. Ein Anspruch auf Übermittlung der Daten folge auch nicht aus § 1 Abs 1 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG), über den das SG trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte kraft des sozialrechtlichen Zusammenhangs der vorliegenden Rechtsfrage zu entscheiden habe. Dem Anspruch stehe § 3 Nr 4 und 6 IFG (Schutz des Sozialgeheimnisses und eine Weitergabe von Abrechnungsdaten) entgegen.

6

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung seines Urteils vom 1.7.2011 ausgeführt, das Begehren auf Akteneinsicht sei als Verpflichtungsklage zulässig. Das Recht auf Akteneinsicht nach § 25 Abs 1 SGB X beinhalte den Anspruch, die Gesamtheit der Schriftstücke, die im Verfahren des um Akteneinsicht ersuchenden Betroffenen von der Behörde angefertigt oder beigezogen wurden, einzusehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat habe der Klägervertreter aber klargestellt, dass seinem Akteneinsichtsgesuch nicht damit Rechnung getragen sei, wenn mit Fotokopien nur über die Höhe der entstandenen Kosten der für den Versicherten B. erbrachten Aufwendungen Auskunft gegeben werde, ohne dass die zugrunde liegende Diagnose oder therapeutische Maßnahme der entsprechenden Leistungserbringer erkennbar werde. Gemäß § 25 Abs 3 SGB X habe die Beklagte die Einsichtnahme wegen berechtigter Interessen Dritter verweigern dürfen. Der Versicherte B. sei am Beitragsverfahren nicht beteiligt. Soweit er sich im vorliegenden Rechtsstreit mit der Einsichtnahme seines Arbeitgebers in die ihn betreffenden Arztunterlagen einverstanden erklärt habe, sei dies unbeachtlich, weil eine faktische Zwangssituation zu unterstellen sei, die eine freiwillige Einwilligung ausschließe.

7

Das LSG hat die Revision nur wegen des "geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Akteneinsicht" zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin betreffend den Beitragsbescheid bzw den Beitragszuschlag blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 29.9.2011 - B 2 U 221/11 B). Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13.9.2011 die Revision wie folgt begründet:

"Dies wird mit der Berufung angegriffen sowie die Beurteilung des Sozialgerichts, dass die festgestellte Gesamthöhe der Aufwendungen nicht zu beanstanden sei.

Soweit das Sozialgericht das Recht der Klägerin auf Akteneinsicht aus den auf Seite 9 des Urteils genannten Vorschriften abgelehnt hat, ist die Klägerin der Auffassung, dass ihr als Betroffener, die Zahlungen zu leisten hat, zumindest ein Akteneinsichtsanspruch sui generis zusteht.

Die Begründung, der Sozialdatenschutz stehe dem Recht auf Akteneinsicht entgegen, wird nicht akzeptiert: Grundsätzlich kann es demjenigen, der eine Leistung, nämlich eine Zahlung zu erbringen hat, die auch zwangsweise gegen ihn durchgesetzt werden kann, nicht verwehrt werden, eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit auszuüben.

Eine Zwangssituation, die die Freiwilligkeit der Zustimmung des Mitarbeiters zur Akteneinsicht ausschließen würde, liegt nicht vor.

Beweis : Zeugnis des bereits genannten Mitarbeiters der Klägerin".

8

Die Klägerin hält dies auf Hinweis des Senats für eine ausreichende Revisionsbegründung.

9

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juli 2011 und des Sozialgerichts Konstanz vom 22. Juni 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 2008 und 29. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2008 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, durch Überlassung von Fotokopien aus der den Arbeitsunfall des Versicherten B. vom 17. November 2006 betreffenden Unfallakte Auskunft über die unfallbedingten Leistungspositionen, die dem Beitragszuschlag zugrunde liegen, zu erteilen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Ihre Revisionsbegründung vom 13.9.2011 entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Das Rechtsmittel war daher als unzulässig zu verwerfen.

12

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens war nur noch das geltend gemachte Recht auf Akteneinsicht. Das LSG hat die Zulassung der Revision in zulässiger Weise auf diesen Streitgegenstand beschränkt. Eine Teilzulassung der Revision ist bei einem abtrennbaren, tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Gesamtstreitstoffs zulässig, auf den der jeweilige Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-4200 § 20 Nr 17 vorgesehen, RdNr 11; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160 RdNr 28a, jeweils mwN). Der Senat ist an diese Entscheidung des LSG gebunden (§ 160 Abs 3 SGG).

13

Nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Mit dieser Vorschrift soll zur Entlastung des Revisionsgerichts erreicht werden, dass der Revisionskläger die Erfolgsaussicht der Revision eingehend prüft und von aussichtslosen Revisionen rechtzeitig Abstand nimmt. Das setzt eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach den Kriterien voraus, an denen sich auch die revisionsgerichtliche Überprüfung zu orientieren hat (vgl zuletzt Beschluss des Senats vom 15.6.2012 - B 2 U 32/11 R; sowie BSG Beschluss vom 13.5.2011 - B 13 R 30/10 R; BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 23/10 R - Die Beiträge Beilage 2011, 254 jeweils mwN). Die Revisionsbegründung soll insbesondere sicherstellen, dass der Revisionsführer das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat (BSG Urteil vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R - USK 2005-27).

14

Der Revisionsführer darf sich nicht darauf beschränken, die angeblich verletzte Rechtsnorm zu benennen, auf ein ihm günstiges Urteil Bezug zu nehmen oder auf die Unvereinbarkeit der von der Vorinstanz vertretenen Rechtsauffassung mit der eigenen hinzuweisen. Erforderlich sind Rechtsausführungen, die aus seiner Sicht geeignet sind, zumindest einen der das angefochtene Urteil tragenden Gründe in Frage zu stellen (vgl BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22 mwN). Notwendig ist also, dass der Revisionsführer die Gründe dafür darlegt, das LSG habe sein Urteil auf eine Verletzung von Bundesrecht (vgl § 162 SGG) gestützt.

15

Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revisionsbegründung vom 13.9.2011 nicht gerecht. Die Klägerin hat noch nicht einmal hinreichend konkret die angeblich verletzte Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG bezeichnet. Sie verweist insofern lediglich auf die vom SG auf Seite 9 dessen Urteils angegebenen Rechtsvorschriften, ohne diese im Einzelnen zu benennen. Dieser Verweis auf die vom SG geprüften Normen zeigt, dass sich die Klägerin mit dem hier angefochtenen Urteil des LSG gerade nicht inhaltlich auseinandergesetzt hat. Die Klägerin wiederholt mit ihrer Revisionsschrift vom 13.9.2011 lediglich weitgehend wörtlich ihren Berufungsschriftsatz vom 23.7.2010, mit dem sie sich in der Berufungsinstanz gegen das Urteil des SG gewandt hatte. Dies zeigt, dass sie sich mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des LSG und den besonderen Voraussetzungen des Revisionsverfahrens in keiner Weise auseinandergesetzt hat (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 30.3.2011, aaO, RdNr 13), weshalb sie in ihrem die Berufungsschrift wiederholenden Schriftsatz vom 13.9.2011 dem BSG als Revisionsgericht auch Beweise anbietet. Soweit die Klägerin in der Begründung weiterhin auf Ausführungen aus dem Urteil des LSG (dort Seite 9) Bezug nimmt und zur Bedeutung der Einwilligung des Arbeitnehmers vorträgt, dass das LSG nicht ohne Beweiserhebung hätte feststellen dürfen, die Einwilligung des Arbeitnehmers sei unbeachtlich, setzt sie sich ebenfalls nicht hinreichend mit den Gründen des Urteils des LSG auseinander. Insbesondere fehlen Ausführungen zu der Norm des Bundesrechts - § 25 Abs 3 SGB X -, die das LSG angewandt hat und zur Frage, welche "berechtigten Interessen" iS dieser Norm einer Akteneinsicht entgegenstehen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a Abs 1 Satz 1, 183 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

17

Der Streitwert war gemäß § 47 Abs 1 iVm § 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5000 Euro festzusetzen, weil im Revisionsverfahren lediglich noch das Recht auf Akteneinsicht streitig war, für dessen Bezifferung es an Anhaltspunkten - anders als hinsichtlich des noch in den Instanzen geltend gemachten Beitragszuschlags - fehlt.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 162


Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezir

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 164


(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das an

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 3 Schutz von besonderen öffentlichen Belangen


Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, 1. wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf a) internationale Beziehungen,b) militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr,c) Belange

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 25 Akteneinsicht durch Beteiligte


(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungs

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(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,

1.
wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf
a)
internationale Beziehungen,
b)
militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr,
c)
Belange der inneren oder äußeren Sicherheit,
d)
Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden,
e)
Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle,
f)
Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr,
g)
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen,
2.
wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann,
3.
wenn und solange
a)
die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen oder
b)
die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,
4.
wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt,
5.
hinsichtlich vorübergehend beigezogener Information einer anderen öffentlichen Stelle, die nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden soll,
6.
wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen,
7.
bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht,
8.
gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Zwischen den Beteiligten steht ein Anspruch auf Verzinsung einer Rentennachzahlung im Streit.

2

Der im Jahr 1937 in der Ukraine geborene Kläger lebt seit 1988 in der Bundesrepublik Deutschland. Auf seinen Antrag von Januar 2000 bewilligte ihm die Beklagte Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.4.2000 (Rentenbescheid vom 28.1.2000). Der Widerspruch blieb trotz anderweitiger Teilabhilfe (durch Bescheid vom 17.5.2000) erfolglos, soweit der Kläger die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 nach Ablauf 10-jähriger Berufserfahrung als Zimmermann begehrte (Widerspruchsbescheid vom 17.1.2002). Im Klageverfahren vor dem SG Ulm (S 6 RJ 470/02) schlossen die Beteiligten am 24.7.2002 einen Vergleich. Demnach änderte die Beklagte die Bescheide vom 28.1.2000 und 17.5.2000 "in Gestalt des Teil-Widerspruchs vom 17.1.2000" (gemeint wohl: des Bescheides vom 17.1.2002 über den Teilwiderspruch) ab und stufte den Kläger ab 1.2.1979 in die Qualifikationsgruppe 4 ein. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Mit Ausführungsbescheid vom 12.9.2002 berechnete die Beklagte die Altersrente des Klägers neu.

3

Im Dezember 2005 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Leistungsanwartschaften; er sei bereits nach Ablauf einer 6-jährigen Berufserfahrung (1.2.1975) als Facharbeiter in die Qualifikationsgruppe 4 einzuordnen. Die Beklagte entsprach diesem Begehren und stellte die Altersrente des Klägers neu fest. Für den Zeitraum vom 1.1.2001 bis 28.2.2006 errechnete sie eine Nachzahlung in Höhe von 606,44 Euro, deren Verzinsung sie jedoch ablehnte, da Zinsbeginn der 1.7.2006 gewesen wäre. Sowohl die Nachzahlung als auch die laufende Zahlung seien jedoch vor diesem Datum ausbezahlt worden (S 4 Rentenbescheid vom 20.1.2006). Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.9.2006).

4

Der Kläger hat das auf die Verzinsung der Rentennachzahlung von 606,44 Euro ab Februar 2001 gerichtete Klagebegehren damit begründet, dass entgegen der Rechtsansicht der Beklagten der Zinsanspruch nicht verschuldensabhängig sei. Vielmehr stelle § 44 SGB I ausschließlich auf die Fälligkeit und Vollständigkeit des Leistungsantrags ab. Der ursprüngliche Leistungsantrag von Januar 2000 sei aber vollständig. Die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids beruhe auf einer Neuinterpretation bestehender Gesetze durch das BSG. Die Beklagte hat darauf erwidert, dass die Verzinsung erst ab dem Neufeststellungsantrag zu prüfen gewesen sei, weil die geänderte Rechtsauffassung des BSG der Änderung einer Gesetzesvorschrift gleich komme. Das SG Ulm hat die Klage mit Urteil vom 15.5.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, vor dem Überprüfungsantrag des Klägers vom 7.12.2005 habe für die Beklagte kein Anlass bestanden, die Altersrente des Klägers neu zu berechnen, die bis dahin der anerkannten Rechtsprechung zum Fremdrentenrecht entsprochen habe. Erst der Antrag im Zugunstenverfahren habe die Nachzahlung der Altersrente ausgelöst. Da diese vor Ablauf der in § 44 Abs 1 SGB I genannten Frist ausbezahlt worden sei, sei kein Zinsanspruch entstanden.

5

Mit der vom SG zugelassenen Berufung hat der Kläger an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten und bekräftigt, dass der ursprüngliche Leistungsantrag alle erforderlichen Tatsachen enthalten habe, die zur Bearbeitung des Rentenantrags und auch des Überprüfungsantrags von Dezember 2005 erforderlich gewesen seien. Der Nachzahlungsbetrag sei entsprechend zu verzinsen. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 22.7.2010 zurückgewiesen. Leistungsantrag im Sinne des § 44 Abs 1 Halbs 1 SGB I könne nur der Überprüfungsantrag(§ 44 SGB X) des Klägers vom 7.12.2005 gewesen sein. Zutreffend habe die Beklagte den Beginn der Verzinsung frühestens mit dem 1.7.2006 - sechs Kalendermonate nach Antragseingang - angenommen, mithin ein Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt und nicht mehr zu verzinsen gewesen sei. Der Rentenantrag von Januar 2000 habe sich durch den am 24.7.2002 geschlossenen gerichtlichen Vergleich auch im Hinblick auf das Zinsverlangen in seinen Wirkungen erschöpft (Hinweis auf BSG SozR 3-1200 § 44 Nr 3). Durch die im Rahmen des Vergleichs abgegebenen Erledigungserklärungen seien die Bescheide der Beklagten vom 28.1.2000 und vom 17.5.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.1.2002, die sie durch den abgeschlossenen Vergleich erhalten hätten, bestandskräftig geworden. Es habe keine Verpflichtung der Beklagten von Amts wegen bestanden, die inhaltliche Richtigkeit des getroffenen Vergleichs zu überprüfen. Die im Rahmen des Zugunstenverfahrens gemäß § 44 SGB X erfolgte Durchbrechung der Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidungen und der vergleichsweisen Regelung führten nicht zu einem Zinsanspruch des Klägers. Denn bis dahin sei die (fehlerhafte) Entscheidung der Beklagten aufgrund ihrer Bestandskraft wirksam gewesen. Erst mit dem Neufeststellungsbescheid vom 20.1.2006 sei der Anspruch auf Rentennachzahlung fällig geworden. Der begehrten Verzinsung stehe bereits § 44 Abs 1 SGB I entgegen, wonach Ansprüche auf Geldleistungen erst nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit zu verzinsen seien. Zu Beginn des Monats März 2006 sei der Betrag der Nachzahlung bereits an den Kläger ausgezahlt gewesen. Diese Rechtslage bestehe ungeachtet der Regelung in § 44 Abs 2 SGB I, wonach die Verzinsung nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger beginne.

6

Hiergegen richtet sich die vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des Klägers. Er führt aus, dass die Zuordnung der Facharbeitereigenschaft nach sechsjähriger Berufserfahrung in die Qualifikationsgruppe 4 sowohl § 256b SGB VI iVm Anlage 13 zum SGB VI als auch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG(Hinweis auf BSG vom 14.5.2003 - SozR 4-2600 § 256b Nr 1 - und vom 10.7.1985 - SozR 5050 § 22 Nr 17) entspreche. Diesem Vorbringen habe die Beklagte durch Bescheid vom 20.1.2006 ohne Weiteres entsprochen. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe es sich insofern nicht um eine Änderung der Rechtsprechung gehandelt, vielmehr sei nur eine schon im Zeitpunkt des ursprünglichen Rentenbescheids bestehende fehlinterpretierte Rechtsauffassung klargestellt worden. Die Vorinstanzen hätten das Wesen und den Charakter der Rechtsprechung verkannt. Nach der Entscheidung des BSG vom 30.1.1991 (9a/9 RV 29/89 - SozR 3-1200 § 44 Nr 3) werde der Beginn der Verzinsung von der nach § 44 Abs 1 SGB I maßgebenden Fälligkeit abhängig gemacht. Nur in dem Fall, dass sich die Verhältnisse nachträglich änderten und der beantragte Anspruch erst entstehe, wirke ein darauf gerichteter und für den Anspruch maßgebender Antrag nach § 44 Abs 2 erster Tatbestand SGB I. Hier könne aber nicht von einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse ausgegangen werden. Die Neuberechnung der Beklagten sei erfolgt, weil von Anfang an eine zu niedrige Einstufung aufgrund unzutreffender Rechtsansicht erfolgt sei.

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Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Sozialgerichts Ulm vom 15.5.2008 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.7.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.1.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.9.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung aus dem Bescheid vom 20.1.2006 ab dem Zinsmonat Februar 2001 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu verzinsen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

10

II. Die Revision ist unzulässig (§ 169 SGG). Der Kläger hat sein Rechtsmittel nicht ausreichend begründet (§ 164 Abs 2 SGG).

11

Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 SGG ist die Revision fristgerecht zu begründen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift muss die Begründung "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlichen Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert (vgl BSG vom 18.6.2002 - SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG vom 16.10.2007 - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f, jeweils mwN; zustimmend bereits BVerfG vom 7.7.1980 - SozR 1500 § 164 Nr 17).

12

Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung nicht oder nicht richtig angewendet wird. Der Revisionsführer muss sich - zumindest kurz - mit den Gründen der Vorinstanz rechtlich auseinandersetzen sowie erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17 und Nr 20 S 33 f mwN; BSG vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 14; BSG vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 10). Dafür bedarf es der Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird (vgl BSG vom 11.11.1993 - 7 RAr 94/92 - Juris RdNr 15 mwN; BSGE 70, 186, 187 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 S 17; BSG SozR 1500 § 164 Nr 5, 12, 22 und 28).

13

Dieses Formerfordernis soll im Interesse der Entlastung des Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer bzw sein Prozessbevollmächtigter das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat (vgl BSG vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R; BSG vom 3.7.2002 - B 5 RJ 30/01 R - HVBG-INFO 2002, 2641 ff = juris RdNr 10 mwN), bevor er durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für die Revision übernimmt, und so ggf von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (BSG vom 20.1.2005 - B 3 KR 22/03 R - USK 2005-95 = juris RdNr 16 mwN).

14

Die vorliegende Revisionsbegründung genügt den gestellten Anforderungen nicht. Zwar benennt sie die Vorschrift von § 44 Abs 1 und Abs 2 SGB I, sodass sinngemäß davon auszugehen ist, dass die Verletzung dieser Vorschrift des materiellen Rechts gerügt wird. Dennoch bleibt völlig offen, weshalb die genannte Norm in der angefochtenen Entscheidung des LSG nicht oder nicht richtig angewendet worden sein soll. Hierzu enthält die Revisionsbegründung keine Ausführungen. Der Kläger erwähnt weder die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts noch gibt er deren Inhalt wieder. Daher fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit den Gründen der Vorinstanz. Es reicht nicht aus, pauschal zu behaupten, das LSG habe rechtsirrtümlich Wesen und Charakter der Rechtsprechung verkannt.

15

Eine - zumindest kurze - Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung hätte darauf eingehen müssen, dass das LSG sein Urteil auf eine im Vergleich zur Vorinstanz neue Begründung gestellt hat. Maßgebliches Argument dafür, dass dem Kläger kein Zinsanspruch gemäß § 44 Abs 1 Halbs 1 SGB I zustehe, war nach Ansicht des LSG der Umstand, dass der Rentenantrag von Januar 2000 aufgrund des am 24.7.2002 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs und der beiderseitigen Erledigungserklärungen wirkungslos geworden sei. Dadurch seien die Bescheide der Beklagten vom 28.1.2000, 17.5.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.1.2002, in der Gestalt des gerichtlichen Vergleichs bestandskräftig geworden. Eine Durchbrechung der Bestandskraft sei erst durch den Neufeststellungsbescheid vom 20.1.2006 erfolgt, wodurch der Nachzahlungsanspruch entstanden sei. Da dieser fristgerecht ausgezahlt worden sei, habe ein Zinsanspruch gemäß § 44 Abs 1 SGB I nicht entstehen können. Diese Rechtslage bestehe unabhängig von der Regelung des § 44 Abs 2 SGB I.

16

Ungeachtet dessen argumentiert die Revisionsbegründung damit, dass weder von einer "von der Beklagten bemühte(n) Änderung der Rechtsprechung", noch von einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse "die Rede sein" könne. Beides zieht das LSG jedoch nicht heran. Es findet sich kein Hinweis, aus dem mit hinreichender Sicherheit abgeleitet werden kann, dass der Verfasser der Revisionsbegründung die Argumentation des LSG-Urteils überhaupt zur Kenntnis genommen hat.

17

Soweit die Revision sich auf Gesichtspunkte stützt, die auch das LSG anspricht (die Vorschrift des § 44 Abs 1 - nicht Abs 2 - SGB I und das BSG-Urteil vom 30.1.1991 - 9a/9 RV 29/89 - SozR 3-1200 § 44 Nr 3), geht sie nicht darauf ein, dass das LSG hiermit gerade sein - dem Kläger nachteiliges - Urteil begründet. Der einer Revisionsbegründung obliegende Versuch einer Widerlegung der angefochtenen Entscheidung liegt hierin nicht.

18

Die nicht hinreichend begründete Revision ist als unzulässig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 169 Satz 2 und 3 SGG).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung.

(2) Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann die Behörde statt dessen den Inhalt der Akten dem Beteiligten durch einen Arzt vermitteln lassen. Sie soll den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen, soweit zu befürchten ist, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an der Gesundheit, zufügen würde. Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Inhalt der Akten auch durch einen Bediensteten der Behörde vermittelt werden kann, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist. Das Recht nach Absatz 1 wird nicht beschränkt.

(3) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

(4) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(5) Soweit die Akteneinsicht zu gestatten ist, können die Beteiligten Auszüge oder Abschriften selbst fertigen oder sich Ablichtungen durch die Behörde erteilen lassen. Soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, kann die Behörde Akteneinsicht gewähren, indem sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet. Die Behörde kann Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.