Bundessozialgericht Beschluss, 23. Mai 2012 - B 14 AS 10/12 B

bei uns veröffentlicht am23.05.2012

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-sozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.1.2010 bis zum 30.4.2010, weil in diesem Zeitraum zugeflossenes Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von der Bundesagentur für Arbeit nach Aufhebung des Bewilligungsbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgefordert worden ist. Die Klage ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 10.5.2011). Im hiergegen gerichteten Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) hat die Berichterstatterin mit Schreiben vom 7.10.2011 bei den Beteiligten angeregt, einer Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG zuzustimmen. Dieser Verfahrensweise haben die Beteiligten zugestimmt. Mit Entscheidung vom 14.12.2011 hat die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs 3, Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung die Berufung zurückgewiesen. Die Entscheidung ist mit "Beschluss" überschrieben.

2

Mit ihrer Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 14.12.2011 macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensfehler geltend.

3

II. Die Beschwerde ist hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers zulässig, aber unbegründet. Zwar ist es dem LSG - was die Klägerin gerügt hat - nach § 153 Abs 4 SGG verwehrt, eine Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn zuvor das SG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entschieden hat. Mit einer Verletzung des § 153 Abs 4 SGG ist regelmäßig, auch ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, zugleich die Besetzung des Berufungsgerichts nur mit Berufsrichtern und damit ein absoluter Revisionsgrund nach § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gerügt(BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13). Der gerügte Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor.

4

Vorliegend hat das LSG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, nicht durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die von ihm getroffene Entscheidung erfüllt alle in § 136 Abs 1 SGG genannten Formerfordernisse für ein Urteil. Die Bezeichnung als "Urteil" in der Entscheidung selbst gehört dabei nicht zu diesen Voraussetzungen. Aus der offensichtlich versehentlich erfolgten Bezeichnung als "Beschluss" kann damit nicht schon die Verletzung der vorliegend allein zulässigen Entscheidungsform (Urteil) geschlossen werden. Dies folgt auch nicht daraus, dass die Entscheidung nicht mit der Formel "Im Namen des Volkes" versehen ist. Bei § 132 Satz 1 SGG handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, auf deren Einhaltung § 136 Abs 1 SGG nicht als Voraussetzung für ein Urteil Bezug nimmt. In der vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung (§ 136 Abs 1 Nr 7 SGG) ist die Entscheidung vorliegend ausdrücklich als Urteil bezeichnet. In der dem Tenor vorangestellten Bezeichnung des Gerichts (§ 136 Abs 1 Nr 2 SGG), die die Prüfung der Besetzung ermöglichen soll, und zu Beginn der Entscheidungsgründe wird durch die Nennung des § 155 Abs 3 und 4 SGG auf die rechtliche Grundlage der Besetzung (sog "konsentierte Einzelrichterin") hingewiesen, entsprechende Hinweise auf eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG (einstimmiger Beschluss von drei Berufsrichtern) fehlen. Dem entspricht schließlich die in der Anhörung angekündigte Entscheidungsform und die übrige, aus den Akten ersichtliche Bearbeitung der Sache, insbesondere die Zustellung an die Beteiligten als "Urteil vom 14.12.2011".

5

Handelt es sich um ein Urteil, kann offen bleiben, ob bei Entscheidung durch Beschluss wegen der fehlerhaften Besetzung der Richterbank ein absoluter Revisionsgrund iS des § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO anzunehmen wäre. Anders als im Falle der Entscheidung im Wege des Beschlusses nach § 153 Abs 4 SGG (allein) durch sämtliche Berufsrichter, die für Urteile nicht vorgesehen ist(dazu BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG Beschluss vom 29.8.2006 - B 13 R 37/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - RdNr 17), ist in der vorliegenden Konstellation ein solcher Verstoß nicht ohne Weiteres ersichtlich. Die Besetzung, in der vorliegend entschieden worden ist, entspricht nämlich jedenfalls den Erfordernissen an den gesetzlichen Richter. Die formalen Voraussetzungen des § 155 Abs 3, 4 SGG lagen vor, weil sich die Beteiligten ausdrücklich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats einverstanden erklärt haben. Die Entscheidung der Berichterstatterin, auf Grundlage der Einverständniserklärungen tatsächlich allein zu entscheiden (dazu BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2), ist nicht zu beanstanden, weil der Rechtssache vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 43; dazu sogleich) keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Verletzung des gesetzlichen Richters ist von daher nicht erkennbar.

6

Die Beschwerde ist unzulässig, soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rügt. Hinsichtlich der von der Klägerin sinngemäß formulierten Rechtsfrage, ob eine Sozialleistung auch dann als Einkommen im Zuflussmonat zu berücksichtigen ist, wenn diese Leistung nach Aufhebung einer dem Leistungsbezug zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgefordert wird, lässt die Beschwerdebegründung eine Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung vermissen (BSG Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 43). Die Klägerin zeigt nicht auf, welche weitergehenden, in der Rechtsprechung bislang nicht ausreichend geklärten Rechtsfragen sich vor dem Hintergrund dieser Entscheidung im vorliegenden Fall stellen könnten.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 105


(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 155


(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen. (2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht, 1. über die Aussetzung und das Ruhe

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 132


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es wird grundsätzlich in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Ausnahmsweise kann das Urteil in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus anges

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Bundessozialgericht Urteil, 23. Aug. 2011 - B 14 AS 165/10 R

bei uns veröffentlicht am 23.08.2011

Tenor Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Beschluss, 20. Okt. 2010 - B 13 R 63/10 B

bei uns veröffentlicht am 20.10.2010

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 21. Januar 2010 in Gestalt des Urteils vom 27. April 2010 - L 2 R 238/10 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Beschluss, 23. Mai 2012 - B 14 AS 10/12 B.

Bundessozialgericht Beschluss, 22. Nov. 2012 - B 3 P 10/12 B

bei uns veröffentlicht am 22.11.2012

Tenor Auf die Beschwerde der Klägerin werden die Beschlüsse des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. März und 4. Juni 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es wird grundsätzlich in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Ausnahmsweise kann das Urteil in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll, verkündet werden. Eine Ladung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

(2) Das Urteil wird durch Verlesen der Urteilsformel verkündet. Bei der Verkündung soll der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe mitgeteilt werden, wenn Beteiligte anwesend sind.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 21. Januar 2010 in Gestalt des Urteils vom 27. April 2010 - L 2 R 238/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger, dem die Beklagte aufgrund eines Herstellungsanspruchs freiwillige Beiträge erstattet hat, begehrt auch die Zahlung von Zinsen.

2

Dem Antrag des Klägers auf Erstattung freiwillig entrichteter Beiträge von Januar 1992 bis Dezember 2004 entsprach die Beklagte in voller Höhe "im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aufgrund eines Beratungsmangels" (Bescheid vom 25.1.2005). Der Widerspruch mit dem Begehren, den Erstattungsbetrag (9479,53 Euro) zu verzinsen (4479,14 Euro bis zum 31.3.2005), blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.5.2005).

3

Das SG Gotha hat die Klage auf Verurteilung zur Zahlung der Zinsen sowie die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung eines Anspruchs auf die gesetzlichen Verzugszinsen abgewiesen (Urteil vom 22.1.2007). Ein Amtshaftungsanspruch sei mit der Klage nicht zweifelsfrei geltend gemacht worden. Daher sei es nicht erforderlich gewesen, diesen Teil des Rechtsstreits abzutrennen und an das Zivilgericht zu verweisen.

4

Im Berufungsverfahren hat der Senatsvorsitzende dem Kläger mit Schreiben vom 13.1.2009 mitgeteilt, dass für in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallende Ansprüche beabsichtigt sei, durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG zu entscheiden. Soweit der Kläger Amtshaftungsansprüche verfolge, sei beabsichtigt, den Rechtsstreit abzutrennen und an das Landgericht (LG) Erfurt zu verweisen. Mit weiterem Schreiben vom 23.1.2009 hat der Senatsvorsitzende auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.1.2009 mitgeteilt, für die ausdrücklich erst im Berufungsverfahren geltend gemachten Amtshaftungsansprüche werde an der Absicht der Trennung und Verweisung des Rechtsstreits an das LG Erfurt festgehalten.

5

Mit Beschluss vom 21.1.2010 hat das Thüringer LSG die Berufung des Klägers unter Auferlegung einer Missbrauchsgebühr von 600 Euro zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen noch auf die hilfsweise begehrte Feststellung eines solchen Anspruchs. Der Kläger könne einen Zinsanspruch nicht aus einer direkten bzw analogen Anwendung von § 44 Abs 1 SGB I bzw von § 27 Abs 1 SGB IV oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten, weil die freiwilligen Beiträge zu Recht entrichtet worden seien. Da das SG die behaupteten Anspruchsgrundlagen als öffentlich-rechtlich qualifiziert habe, sei das LSG an die vom SG angenommene Zulässigkeit des Rechtswegs zur Sozialgerichtsbarkeit gebunden. Eine Verweisung des Rechtsstreits wegen des (auch) geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs dürfe nicht erfolgen. Über solche Ansprüche dürfe ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit nicht entscheiden, denn nach § 17 Abs 2 Satz 2 GVG bleibe Art 34 Satz 3 GG unberührt. Rechtfertigten die übrigen Anspruchsgrundlagen kein stattgebendes Urteil, so sei die Klage als unbegründet abzuweisen; eine Verweisung sei nicht zulässig (Hinweis ua auf Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 51 RdNr 41).

6

Der Antrag des Klägers auf Ergänzung des Beschlusses vom 21.1.2010 um die Verweisung des Rechtsstreits wegen des Schadensersatzanspruchs nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften an das LSG blieb erfolglos (Thüringer LSG, Urteil vom 27.4.2010 - L 2 R 238/10). Zur Begründung heißt es, der angefochtene Beschluss habe keinen vom Kläger erhobenen Anspruch iS von § 140 Abs 1 SGG übergangen, sondern "ausgeführt, dass die auch auf Amtshaftung gestützte Klage als unbegründet abgewiesen wird, wenn die sonstigen Anspruchsgrundlagen kein stattgebendes Urteil rechtfertigen und … darauf hingewiesen, dass eine Verweisung an das LG Erfurt nicht zulässig ist."

7

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz. Er beantragt die Aufhebung der ihm auferlegten Verschuldenskosten und trägt vor:

8

Das LSG habe den Rechtsstreit hinsichtlich des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs an das LG Erfurt verweisen oder den Rechtsstreit gemäß § 159 Abs 1 SGG an das SG zurückverweisen müssen. Durch die unterbliebene Verweisung seien § 17 Abs 2 Satz 2 GVG iVm Art 34 Satz 3 GG und das Grundrecht des Klägers auf den gesetzlichen Richter(Art 101 Abs 1 Satz 2 GG, § 16 GVG, Art 87 Abs 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen) verletzt worden. Das LSG habe zudem den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 GG) missachtet, weil es nicht ohne erneute Anhörung des Klägers gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG über die Berufung insgesamt hätte entscheiden dürfen. Im Fall einer erneuten Anhörung wäre nicht auszuschließen gewesen, dass die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Durch die vom LSG gewählte Verfahrensweise liege eine zur Rechtsprechung des BSG vom 16.3.2006 (B 4 RA 24/05 B) divergierende Entscheidung vor, die die Zulassung der Revision rechtfertige. Der Kläger hält ferner vier Fragen für grundsätzlich bedeutsam.

9

II. Auf die Beschwerde des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

10

1. Der Kläger hat formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und auch im Ergebnis zutreffend die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2, § 62 SGG) in Ausprägung der Regelung des § 153 Abs 4 Satz 2 SGG gerügt(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

11

Er beanstandet mit Recht, dass das LSG über seine Berufung entschieden hat, ohne ihn erneut gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vor der Beschlussfassung gemäß Satz 1 dieser Vorschrift angehört zu haben.

12

a) Gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die Beteiligten vorher zu hören. Die Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs(Art 103 Abs 1 GG), das bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens im Berufungsrechtszug nicht verkürzt werden darf (vgl Senatsbeschluss vom 29.8.2006 - SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 5; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 11 f mwN).

13

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine erneute Anhörung gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG erforderlich, wenn sich nach der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation entscheidungserheblich ändert(vgl zB Senatsbeschluss vom 15.7.2009 - B 13 RS 46/09 B - Juris RdNr 9; Senatsurteil vom 17.8.2000 - B 13 RJ 69/99 R - Juris RdNr 16 mwN; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 153 RdNr 20). Insoweit gilt Entsprechendes wie für den sog Verbrauch einer Einverständniserklärung nach § 124 Abs 2 SGG (BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 4 S 8).

14

Die Prozesssituation ändert sich auch dann entscheidungserheblich, wenn das LSG seine gegenüber den Beteiligten in einem entscheidungserheblichen Punkt geäußerte Rechtsauffassung ändert (vgl für das Verfahren nach § 124 Abs 2 SGG bereits BSG SozR 4-1500 § 124 Nr 1 RdNr 8). Die Beteiligten müssen dann vor der Beschlussfassung gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG erneut Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

15

b) Indem das LSG entgegen der mit Anhörungsschreiben vom 13.1. und 23.1.2009 gegenüber den Beteiligten angekündigten Verfahrensweise - den Amtshaftungsanspruch abzutrennen und an das Zivilgericht zu verweisen - die Berufung durch Beschluss gleichwohl insgesamt zurückgewiesen hat, ohne den Kläger über die geänderte Rechtsauffassung vor der Beschlussfassung zu informieren und ihn erneut anzuhören, hat es gegen § 153 Abs 4 Satz 2 SGG verstoßen. Dies war verfahrensfehlerhaft, ungeachtet der Frage, ob die vom LSG angekündigte Verfahrensweise rechtens gewesen wäre.

16

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des LSG war für den Kläger nicht vorhersehbar, dass das LSG entgegen eigener Ankündigung über die Berufung ohne teilweise Verweisung des Rechtsstreits an das Zivilgericht entscheiden werde. Mit einem solchen Prozessverlauf musste der Kläger nicht rechnen. Durch den zweimaligen, eine Verweisung ankündigenden Hinweis des Senatsvorsitzenden hatte sich dieser (vorläufig) rechtlich festgelegt. Diese verlautbarte Rechtsauffassung entsprach der des Klägers, so dass dieser insoweit auf einen Verfahrensausgang in seinem Sinne vertrauen durfte. Genau das Gegenteil hat das LSG entschieden.

17

c) Bei einer Verletzung des § 153 Abs 4 SGG sind keine näheren Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers erforderlich. Wenn das LSG nur nach einer - unterbliebenen - erneuten Anhörungsmitteilung im gewählten vereinfachten Beschlussverfahren hätte entscheiden dürfen, bedarf es keiner Prüfung, was der Kläger auf den gebotenen schriftlichen Hinweis zur geänderten Rechtsmeinung oder in einer mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte. Es handelt sich um einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO, denn die Verletzung des § 153 Abs 4 SGG führt zur nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des LSG ohne ehrenamtliche Richter(vgl Senatsbeschluss vom 29.8.2006 - SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 10; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 40; BSG vom 8.11.2001 - B 11 AL 37/01 R - Juris RdNr 15; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 10).

18

d) Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen hebt der Senat gemäß § 160a Abs 5 SGG den angefochtenen Beschluss auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

19

2. Der Senat kann daher offen lassen, ob weitere der gerügten Verfahrensmängel vorliegen; darauf kommt es hier nicht mehr entscheidend an. Gleichwohl weist er, ohne damit abschließend alle denkbaren Alternativen aufzeigen zu wollen, auf Folgendes hin:

20

a) Das SG hat im Urteil vom 22.1.2007 nicht über einen Anspruch nach § 839 BGB iVm Art 34 GG entschieden, weil es den Antrag des Klägers so ausgelegt hat, dass sich daraus "noch kein Anspruch (gemeint: keine Geltendmachung eines Anspruchs) aus Amtspflichtverletzung" ergab. Damit hat das SG die geltend gemachten Ansprüche aber nicht vollends erfasst.

21

Denn zum einen hat sich der Kläger in der Klageschrift vom 28.5.2005 (erstinstanzlich hat er sich nicht weiter geäußert) durchaus auch auf einen "Schadensersatzanspruch nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen (§§ 812, 823 BGB)" bezogen und lediglich um Hinweis des Gerichts gebeten, falls nach dessen Ansicht "nicht die Beklagte, sondern die Bundesrepublik Deutschland nach den Grundsätzen der Amtshaftung (§ 839 BGB) zuständig sein" sollte.

22

Zum anderen hätte das SG selbst dann prüfen müssen, ob es über einen Amtshaftungsanspruch zu entscheiden hatte, wenn der Kläger diesen nicht ausdrücklich benannt hätte. Denn zwar oblag es nach der auch im sozialgerichtlichen Verfahren maßgebenden Dispositionsmaxime (s Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 60 RdNr 3) diesem, welche "Ansprüche" er nach § 123 SGG "erheben" wollte. Damit war jedoch nicht in sein Belieben gestellt, auf welche materiell-rechtlichen Vorschriften er sein Begehren stützen wollte, vielmehr ist hiermit nur gesagt, dass er den Streitgegenstand bestimmt, also den Lebenssachverhalt und dasjenige, was er auf dessen Grundlage als gerichtliche Entscheidung anstrebt ("prozessualer Anspruch"; vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 95 RdNr 5): Der Kläger hat die Fakten zu liefern, die rechtliche Subsumtion ist Sache des Gerichts ("da mihi factum, dabo tibi ius"; "iura novit curia"; vgl insoweit auch zB BSG vom 28.3.2000, BSGE 86, 78, 79 f = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 27).

23

Das LSG ist (unter Berufung auf Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 51 RdNr 41; dieser wiederum unter Hinweis auf Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl 2007, § 17 GVG RdNr 7) davon ausgegangen, ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit habe eine sowohl auf Amtshaftung wie auf sozialrechtliche Ansprüche gestützte Klage nicht - auch nicht teilweise - an das zuständige LG zu verweisen, sondern lediglich über die Anspruchsgrundlagen außerhalb der Amtshaftung zu entscheiden. Diese Verfahrensweise entspricht einer verbreiteten Rechtsansicht, die zur Begründung anführt, dass einerseits das GVG keine Teilverweisung kenne und andererseits einer Verweisung des gesamten Rechtsstreits (Streitgegenstands) der Grundsatz entgegenstehe, dass eine solche nicht erfolgen dürfe, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig sei (s insgesamt zB BVerwG vom 15.12.1992 - 5 B 144/91, NVwZ 1993, 358 mwN sowie vom 19.11.1997 - 2 B 178/96; vgl auch BSG vom 28.3.2000, BSGE 86, 78, 79 f = SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 26 f; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010, § 17 GVG - kommentiert bei § 41 VwGO - RdNr 54; Rennert in Eyermann/ Fröhler, VwGO, 13. Aufl 2010, § 41/§§ 17-17b GVG RdNr 20; Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2010, § 41/§ 17 GVG RdNr 39).

24

Die geschilderte Ansicht wäre mit der Regelung des § 17b Abs 1 Satz 2 GVG vereinbar. Dieser ist zu entnehmen, dass auch eine Klageerhebung beim unzuständigen Gericht die Rechtshängigkeit mit den dazugehörigen Wirkungen (zB Hemmung der Verjährung: § 204 Abs 1 Nr 1 BGB)eintreten lässt. Dies gilt jedoch auch für eine vor dem SG erhobene Amtshaftungsklage und ebenso dann, wenn die Klage daneben auf weitere materielle Ansprüche gestützt wird (§ 213 BGB). So dürfte zwar im Fall des Klägers an sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG die dreijährige Verjährungsfrist für den Amtshaftungsanspruch (§ 195 iVm § 199 Abs 1 BGB) abgelaufen gewesen sein; diese war jedoch durch die Erhebung der Klage vor dem SG gehemmt. Würde das sozialgerichtliche Verfahren rechtskräftig beendet, hätte der Kläger danach sechs Monate Zeit, um Amtshaftungsklage vor dem LG zu erheben, ohne dass die Hemmung der Verjährung enden würde (§ 204 Abs 2 Satz 1 BGB). Die Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren stände einer derartigen Klage nicht entgegen (Rennert in Eyermann/Fröhler, VwGO, 13. Aufl 2010, § 41/§§ 17-17b GVG RdNr 20). Unentschieden kann hier bleiben, ob es dem Kläger auf der Grundlage der geschilderten Rechtsansicht freistünde, bereits während des sozialgerichtlichen Verfahrens vor dem LG zu klagen (so Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 51 RdNr 41; Zimmermann in Münchener Komm zur ZPO, 3. Aufl 2008, § 17 GVG RdNr 11), oder er daran durch die anderweitige Rechtshängigkeit der Sache (§ 17 Abs 1 Satz 2 GVG) gehindert wäre.

25

Würde man diese Rechtsansicht zugrunde legen, hätte das LSG, wenn auch verfahrensfehlerhaft, im Ergebnis richtig entschieden.

26

b) Die unter a) aufgezeigte Lösungsmöglichkeit kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn das LSG nicht schon kraft eigener Kompetenz verpflichtet wäre, über den Amtshaftungsanspruch des Klägers materiell zu entscheiden. Gemäß § 202 SGG iVm § 17a Abs 5 GVG hat das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Griffe diese Bindungswirkung hier ein, so würde diese auch dann gelten, wenn das Klagebegehren auf Amtshaftung gerichtet ist. Unter diesen Umständen hätte das LSG über den Amtshaftungsanspruch ausnahmsweise im sozialgerichtlichen Verfahren zu entscheiden (vgl BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 1 RdNr 6; dieser Rechtsprechung folgend: Schleswig-Holsteinisches LSG vom 7.1.2005 - L 3 AL 72/04 - Juris RdNr 19; LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.3.2009 - L 7 AS 75/08 - Juris RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 2 RdNr 35). Für die Bindungswirkung nach § 17a Abs 5 GVG wäre allerdings von vornherein kein Raum, wenn das SG unter Missachtung von § 17a Abs 3 Satz 2 GVG trotz einer Rüge des fehlerhaften Rechtswegs zur Sache entschieden hätte(vgl dazu BGH vom 18.9.2008 - V ZB 40/08 - NJW 2008, 3572, 3573; BVerwG vom 28.1.1994 - 7 B 198/93 - DVBl 1994, 762 f mwN), wovon wohl hier nicht auszugehen sein dürfte.

27

Vorliegend ist problematisch, ob die Berufung des Klägers, über die das LSG zu befinden hat, sich in Bezug auf den auch mit der Klage geltend gemachten Amtshaftungsanspruch "gegen eine Entscheidung in der Hauptsache" richtet oder ob diese nur die sozialrechtlichen Anspruchsgrundlagen des Klagebegehrens erfasst. Denn das SG ist - wie bereits unter a) dargelegt - fehlerhaft davon ausgegangen, dass kein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht worden sei, und hat die Klage daher allein nach Prüfung sozialrechtlicher Anspruchsgrundlagen abgewiesen.

28

In der Rechtsprechung des BSG ist eine "Entscheidung in der Hauptsache" iS von § 17a Abs 5 GVG selbst dann angenommen worden, wenn das SG die auf Amtshaftung gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen hat, mithin nicht in der Hauptsache über den Amtshaftungsanspruch entschieden hat, weil es die Klage aus einem anderen Grund als dem des Rechtswegs (mangels Vorverfahrens) für unzulässig gehalten hat. Danach trifft die Vorinstanz nur dann keine Entscheidung in der Hauptsache iS von § 17a Abs 5 GVG, wenn sie die Unzulässigkeit der Klage mit der fehlenden Rechtswegzuständigkeit begründet(vgl BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 1 RdNr 5; ferner BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 2 RdNr 35).

29

Im Übrigen ist eine "Entscheidung in der Hauptsache" angenommen worden, wenn das erstinstanzliche Gericht den Rechtsweg ausdrücklich oder auch nur stillschweigend - durch Sachentscheidung - bejaht hat (stRspr, BGHZ 127, 297, 300; BGH vom 18.9.2008 - V ZB 40/08 - NJW 2008, 3572, 3573 mwN; BAGE 92, 1, 3; BVerwG vom 22.11.1997 - 2 B 104/97 - BayVBl 1998, 603 mwN; zustimmend Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl 2010, § 17 RdNr 47). Das Verbot der Prüfung des Rechtswegs durch das Rechtsmittelgericht soll selbst dann gelten, wenn sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch die Beteiligten die sich aus dem Sachverhalt im Hinblick auf die Zulässigkeit des Rechtswegs ergebenden Rechtsfragen übersehen bzw diese rechtsfehlerhaft beantwortet haben (BGH vom 18.9.2008 - V ZB 40/08 - NJW 2008, 3572, 3573; zustimmend Lückemann in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, § 17a GVG RdNr 18; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl 2010, § 17a GVG RdNr 24; kritisch dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl 2011, § 17a GVG RdNr 20; vgl auch Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl 2010 § 17a GVG - kommentiert bei § 41 VwGO - RdNr 44).

30

Das LSG wird daher zu prüfen haben, ob das SG im vorliegenden Fall eine "Entscheidung in der Hauptsache" iS von § 17a Abs 5 GVG getroffen hat. Sollte das LSG zu dieser Auffassung gelangen, hätte es kraft eigener Kompetenz über den Amtshaftungsanspruch zu entscheiden.

31

Eine Verletzung von § 17 Abs 2 Satz 2 GVG, wonach Art 34 Satz 3 GG unberührt bleibt, läge dann nicht vor. Letztere Vorschrift verbietet lediglich, den ordentlichen Rechtsweg von vornherein auszuschließen; das Verbot einer durch allgemeine Verfahrensvorschriften ausnahmsweise begründeten Zuständigkeit ist darin nicht enthalten (BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 1 RdNr 8; BAG vom 14.12.1998 - 5 AS 8/98 - AP Nr 38 zu § 17a GVG - Juris RdNr 18). Auch das Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) wäre dann nicht verletzt.

32

3. Da die Beschwerde bereits aus den unter 1. dargelegten Gründen erfolgreich ist, kann dahinstehen, ob - wie der Kläger zusätzlich geltend macht - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Divergenz vorliegt.

33

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Der Vorsitzende kann seine Aufgaben nach den §§ 104, 106 bis 108 und 120 einem Berufsrichter des Senats übertragen.

(2) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage oder der Berufung, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten.
In dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende auch über den Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007.

2

Der 1977 geborene Kläger zu 1 und die 1980 geborene Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen, am 2003 und am 2007 geborenen Kindern, den Klägern zu 3 und 4, in einer ca 72 qm großen 3-Zimmer-Wohnung in Duisburg, für die im Juli 2007 insgesamt 432,69 Euro zu zahlen waren.

3

Seit dem 7.4.2007 bezog der Kläger zu 1 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Höhe von 823,80 Euro monatlich (27,46 Euro täglich), zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 21.3.2007. Für die Kinder wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 154 Euro gezahlt. Die Kläger bezogen daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Unter anderem bewilligte der beklagte Träger der Grundsicherung mit Bescheid vom 1.6.2007 für den Bewilligungszeitraum vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und dabei für den Monat Juli 2007 (unter Berücksichtigung des Kindergeldes und des Alg) Leistungen in Höhe von insgesamt 340,89 Euro (Regelleistung an die Kläger zu 1 und 2 sowie Kosten der Unterkunft und Heizung an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft).

4

Am 27.6.2007 nahm der Kläger zu 1 eine Vollzeittätigkeit als Produktionshelfer auf und informierte die BA hierüber am 3.7.2007 und den Beklagten am 2.8.2007. Der Arbeitgeber zahlte Mitte Juli 2007 für die vier im Juni 2007 geleisteten Arbeitstage 261,26 Euro brutto (219,21 Euro netto). Am 31.7.2007 zahlte die BA an den Kläger zu 1 Alg in Höhe von 823,80 Euro.

5

Mit Bescheid vom 2.8.2007 hob die BA ihre Bewilligung von Alg ab dem 27.6.2007 auf und forderte mit Erstattungsbescheid vom 9.8.2007 Leistungen in Höhe von 933,64 Euro zurück. Diese Bescheide sind bestandskräftig. Der Kläger zu 1 zahlte den Rückforderungsbetrag seit dem 14.12.2007 in monatlichen Raten von zuletzt 30 Euro zurück.

6

Mit Änderungsbescheid vom 14.8.2007 bewilligte der Beklagte den Klägern Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 30.9.2007. Für den Monat Juli 2007 gewährte er Leistungen in Höhe von 423,27 Euro unter Berücksichtigung von Alg in Höhe von 741,42 Euro. Den Wegfall des Alg berücksichtigte er erst ab August 2007.

7

Wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen im Juli 2007 forderte der Beklagte von den Klägern mit Bescheiden vom 27.8.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.7.2007 bis 31.7.2007 in Höhe von insgesamt 55,59 Euro gegenüber den Klägern zu 2 bis 4, sowie in Höhe von 31,37 Euro gegenüber dem Kläger zu 1 zurück.

8

Gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 14.8.2007 und die Bescheide vom 27.8.2007 legten die Kläger am 3.9.2007 (mit zwei Schriftsätzen) Widerspruch ein. Gegen die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens wandten sie sich in der Folge nicht mehr (Schriftsatz vom 11.10.2007) und beglichen die sich aus den Bescheiden vom 27.8.2007 ergebende Rückforderung. Soweit sie geltend machten, das mittlerweile zurückgeforderte Alg sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen, blieb der Widerspruch ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008).

9

Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg hat das SG mit Urteil vom 9.9.2010 abgewiesen. Der Streitgegenstand sei vorliegend durch einen in einem Erörterungstermin geschlossenen Vergleich wirksam auf die Frage der Berücksichtigung des Alg auf den Bedarf der Kläger für den Monat Juli 2007 beschränkt worden. Gegenstand der zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage sei allein der Bescheid vom 14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2008. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27.8.2007 seien dagegen nach Auffassung der Kammer nicht Gegenstand des Widerspruchverfahrens und damit auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Zwar beträfen sowohl der angegriffene Bescheid vom 14.8.2007 als auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27.8.2007 die Grundsicherungsleistungen für Juli 2007, sie beinhalten aber unterschiedliche, nämlich gegenläufige Verfügungen (Bewilligung und Aufhebung) im Hinblick auf unterschiedliche Einnahmen (Alg und Erwerbseinkommen). In der Sache ergebe sich ein Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen im Juli 2007 nicht. Zutreffend sei der Beklagte von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1472,69 Euro ausgegangen (Regelleistungen und tatsächliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 432,69 Euro). Von dem Gesamtbedarf seien zunächst 308 Euro Kindergeld abzusetzen und sodann das zugeflossene Alg. Das Alg sei seiner Natur nach - anders als ein gewährtes Darlehen - zum endgültigen Verbrauch bestimmt gewesen und habe den Klägern bei wirtschaftlicher Betrachtung im streitigen Zeitraum auch zur Verfügung gestanden. Daran ändere nichts, dass die Zahlung nicht rechtmäßig erfolgt sei.

10

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Sprungrevisionen. Die zu Unrecht ausgezahlte Sozialleistung dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Beim Alg handele es sich um eine zweckbestimmte Leistung. Die Leistung habe im Juli 2007 nicht dem Zweck dienen können, den Lebensunterhalt bei Arbeitslosigkeit zu decken, weswegen sie nicht habe zweckbestimmt eingesetzt werden können. Rechtswidrig gezahlte Leistungen seien von vornherein nicht geeignet, den Bedarf zu decken, denn sie seien von vornherein damit belastet, dass sie zurückgezahlt werden müssten. Jedenfalls wenn einem Hilfebedürftigen eine Einnahme zufließe, die mit einer sofortigen Rückzahlungspflicht verbunden sei, und unstreitig sei, dass die Rückzahlungspflicht bestehe, könne ein solcher Zufluss nicht als Einkommen oder als Vermögen berücksichtigt werden.

11

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 14. August 2007 und vom 27. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2008 zu ändern und den Klägern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

13

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007 besteht nicht. Dabei ist entgegen der Auffassung des SG der Streitgegenstand nicht dahin beschränkt, dass der geltend gemachte Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung des Alg als Einkommen zu prüfen wäre (dazu unter 1). Ein Anspruch der Kläger auf Änderung der angefochtenen Bescheide zu ihren Gunsten besteht nicht, wie das SG zutreffend entschieden hat. Für Juli 2007 war neben dem Erwerbseinkommen das zugeflossene Alg zu berücksichtigen (dazu unter 2). Weder die Kenntnis des Klägers zu 1 von der fehlenden Leistungsberechtigung nach dem SGB III noch die Aufhebung der der Zahlung zugrunde liegenden Bewilligung durch die BA im August 2007 führen dazu, dass das Alg im Zeitpunkt seines Zuflusses nicht als Einkommen zu berücksichtigen war (dazu unter 3).

15

1. Streitgegenstand sind vorliegend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Juli 2007. Die Kläger machen mit ihrem Vorbringen, es sei für Juli 2007 das zugeflossene Alg nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sowohl höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung an die minderjährigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft als auch (höhere) Regelleistungen an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf Regelleistungen einerseits und Kosten der Unterkunft und Heizung andererseits haben sie damit nicht vorgenommen, wovon auch das SG ausgegangen ist. Lediglich in zeitlicher Hinsicht haben sie den Streitgegenstand zulässigerweise beschränkt.

16

Demgegenüber war es nicht zulässig, den Streitgegenstand "durch Vergleich" weitergehend auf die Frage der Berücksichtigung des Alg als Einkommen zu beschränken. Bei den von den Beteiligten vorliegend im Erörterungstermin abgegebenen Erklärungen hat es sich schon nicht um ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines (Teil-)Vergleichs gehandelt (§ 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz), denn der Beklagte hat weder materiell noch prozessual nachgegeben. Auch davon unabhängig ist eine Beschränkung des Streitstoffs auf die Prüfung bestimmter Tatsachen durch eine einvernehmliche Regelung der Beteiligten nicht möglich (vgl zum Teilanerkenntnis BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12). Voraussetzung hierfür wäre, dass insoweit eine Regelung über einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes erfolgen würde. Hinsichtlich bestimmter Berechnungselemente der Leistung scheidet ein Vergleich also aus, soweit diese Leistung - wie hier - nach dem Willen der Kläger in allen Teilen, also hinsichtlich Regelleistungen und Kosten für Unterkunft und Heizung, zur Überprüfung gestellt werden soll. Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs ergibt sich aus diesem Grund auch nicht aus dem Vorbringen der Kläger, wonach sie die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen im streitigen Monat der Sache nach nicht beanstanden. Eine wirksame Beschränkung durch eine nur teilweise Anfechtung der Bescheide liegt darin nicht, schon weil sie ihren Klageantrag nicht beziffert haben.

17

Damit sind sowohl der Bescheid vom 14.8.2007 als auch die Bescheide vom 27.8.2007 Gegenstand eines einheitlichen Widerspruchsverfahrens iS des § 86 SGG. Alle diese Bescheide treffen aufeinander aufbauend eine Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Leistungen und ändern damit die ursprüngliche Bewilligung ab. Die Erklärungen der Kläger sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren sind zwar dahin zu verstehen, dass sie die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens in der Sache nicht beanstanden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bescheide vom 27.8.2007 bestandskräftig werden sollten, denn ihre Bestandskraft stünde einem Anspruch auf höhere Leistungen entgegen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008 hat der Beklagte schließlich über die geltend gemachten höheren Leistungen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten - und damit auch unter Berücksichtigung der Bescheide vom 27.8.2007 - entschieden. Das Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 SGG) ist damit durchgeführt.

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2. Als Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Bewilligung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt nur § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Betracht. Die Vorschrift setzt ua voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dabei sind für die Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der Ausgangsbescheid vom 1.6.2007 zugunsten der Kläger zu ändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Dabei ist auf die Rechtslage im damaligen Bewilligungszeitraum abzustellen.

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Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1 und 2 als erwerbsfähige Hilfebedürftige (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) und die Kläger zu 3 und 4, die als gemeinsame, nicht erwerbsfähige Kinder mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben (vgl § 7 Abs 2, 3 SGB II), dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl §§ 19, 28 SGB II) haben. Wegen der Höhe ihrer Ansprüche ist zunächst der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus dem Bedarf jeder einzelnen Person zu ermitteln und sodann das zu berücksichtigende Einkommen (vgl § 11 SGB II) im Verhältnis der Einzelbedarfe zum Gesamtbedarf zu verteilen (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II). Entgegen der Auffassung des SG beträgt der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft vorliegend allerdings lediglich 1164,69 Euro, zusammengesetzt aus einem Bedarf der Eltern in Höhe von jeweils 312 Euro und der Kinder in Höhe von jeweils 54 Euro sowie tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 432,69 Euro. Das zugeflossene Kindergeld ist nämlich nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II vorliegend ausschließlich zur Bedarfsdeckung der Kinder heranzuziehen und also vorab von ihren Bedarfen abzusetzen(vgl BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 24).

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Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind - wie bereits in den Monaten zuvor - das am 31.7.2007 zugeflossene Alg (dazu im Einzelnen unter 3) sowie (zusätzlich) das Erwerbseinkommen in Höhe von 86,96 Euro (Nettoeinkommen in Höhe von 219,21 Euro abzüglich der Freibeträge aus § 11 Abs 2 Satz 2<100 Euro>, § 30 SGB II<32,25 Euro>) zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des SG und dem ausdrücklichen Vorbringen der Kläger ergibt sich kein Hinweis, dass bezüglich des Gesamteinkommens im Monat Juli 2007 über den beim Erwerbseinkommen abgesetzten Betrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II hinaus weitere Absetzungen vorzunehmen wären. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte das Alg im Juli 2007 versehentlich nur in Höhe von 741,42 Euro statt der tatsächlich gezahlten 823,80 Euro zugrunde gelegt hat. Es wirkt sich wegen dieses Fehlers auf die Ansprüche der Kläger auch nicht aus, dass bei Verteilung des Gesamteinkommens unter Zugrundelegung der soeben dargestellten Einzelbedarfe im Verhältnis zum Gesamtbedarf sich richtigerweise geringfügig andere Individualansprüche ergeben hätten. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist damit im Juli 2007 (wegen des Zuflusses von Erwerbseinkommen) lediglich zu ihren Lasten, nicht aber zugunsten der Kläger eingetreten.

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3. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(vgl nur BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18). Damit handelt es sich bei der Zahlung von Alg nach §§ 117 ff SGB III auf Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 21.3.2007 im Grundsatz um laufendes Einkommen (vgl insoweit § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.

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a) Ohne Bedeutung für die Berücksichtigung als Einkommen ist dabei, dass es sich um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung nach vorangegangener versicherungspflichtiger Beschäftigung handelt. Der Zweck des Alg als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit führt nicht dazu, im Alg eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II zu sehen(vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 19 für Krankengeld nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 13 für das Insolvenzgeld). Mit der Gewährung der Leistung wird den Leistungsempfängern ein bestimmter "Verwendungszweck" nicht auferlegt. Daraus folgt zugleich, dass mit der materiell rechtswidrigen Zahlung von Alg nach Wegfall der Arbeitslosigkeit - anders als die Kläger meinen - ein nach dem SGB II beachtlicher Zweck dieser Leistung nicht verfehlt wird.

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b) Der Berücksichtigung des Alg steht die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, wonach nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt(BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 16). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl § 2 Abs 2 Alg II-V in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen.

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Damit ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass das im Juli ausgezahlte Alg auch für diesen Monat zu berücksichtigen ist. Zwar ist die Arbeitslosigkeit des Klägers zu 1 als Leistungsvoraussetzung nach § 118 SGB III und damit das Stammrecht auf Alg vom Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme (am 27.6.2007) an entfallen. Dies allein führt jedoch nicht dazu, dass die Zahlung des Alg rechtswidrig geworden und bereits bei Auszahlung mit einem Rückzahlungsanspruch belastet war (zur Unterscheidung von Stammrecht und Leistungsanspruch etwa BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr 5 mwN). So wie die BA an die Zuerkennung des Leistungsanspruchs gebunden ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat, steht auch dem Kläger zu 1 in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Ein auf einer bindenden Bewilligung begründeter Leistungsbezug von Alg ist rechtmäßig, solange der Bewilligungsbescheid besteht (vgl nur BSGE 61, 286, 287 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht kann dem Kläger zu 1 gegenüber also nicht vor der Aufhebung des Bescheides geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte. Spiegelbildlich dazu können er und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung nach den Regelungen der §§ 45, 48 SGB X aufgehoben worden ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben Ausgeführten dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht) den für § 11 Abs 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt. Die so getroffene Abgrenzung ist schließlich sachgerecht auch deshalb, weil der Träger der Grundsicherung damit von einer Prüfung, ob bei materieller Rechtswidrigkeit die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit vorliegen, entbunden ist und es allein auf die Aufhebung der Bewilligung durch die BA ankommt.

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c) Zwar ist die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit - und also auch für den hier streitigen Zuflussmonat - aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein. Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im August 2007 hat deshalb im Verhältnis zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass die Hilfebedürftigen (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der BA) belastet sind. Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 28; Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 13; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18). Soweit das SG die Möglichkeit der Gewährung eines Sonderbedarfs (vgl § 23 Abs 1 SGB II) zur Deckung der Schulden erwogen hat, widerspräche eine solche Bewilligung dieser Rechtsprechung. Freiwillige Zahlungen an die BA, wie sie der Kläger zu 1 offensichtlich geleistet hat, sind - auch wenn sie einem Versicherungsträger zugute kommen - unbeachtlich (ausdrücklich BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25 am Ende).

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Soweit die Kläger - sinngemäß - eine Härte darin erkennen, dass (ihr Vorbringen als zutreffend unterstellt) die Überzahlung vorliegend allein durch eine fehlerhafte Arbeitsweise der BA eingetreten ist und dieses fehlerhafte Verwaltungshandeln zu dem Zufluss von Einkommen im Juli 2007 geführt hat, weist der Senat darauf hin, dass solche Sachverhalte im Verhältnis zum Leistungsempfänger ausschließlich bei einer Entscheidung über den Erlass der aus dem Bescheid der BA vom 9.8.2007 begründeten Erstattungsforderung (vgl § 76 Abs 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch) Berücksichtigung finden (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 13 S 94). Ob Erstattungsansprüche der Träger untereinander bestanden hätten, kann vorliegend deshalb offen bleiben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.