Bundessozialgericht Beschluss, 08. März 2016 - B 13 R 317/15 B

bei uns veröffentlicht am08.03.2016

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 24.7.2015 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt und das Vorliegen eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs durch das LSG gerügt, weil dieses trotz Beantragung einer weiteren Begutachtung, alternativ einer mündlichen Verhandlung zur Erörterung, ermessensfehlerhaft ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden und klägerischen Vortrag offensichtlich übergangen habe. Es habe sich mit den im umfangreichen Schriftsatz vom 6.7.2015 aufgezeigten Widersprüchen in bzw zwischen den vorliegenden Gutachten nicht auseinandergesetzt und einen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellten Gutachtenantrag übergangen, indem es bereits am 7.7.2015 erklärt habe, es verbleibe auch in Kenntnis dieses Schriftsatzes bei den im Schreiben vom 8.6.2015 gegebenen Hinweisen auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Beschluss. Das LSG habe auch gegen die Amtsermittlungspflicht verstoßen, weil es kein "Obergutachten" eingeholt habe, welches die Erkenntnisse über den klägerischen Gesundheitszustand auf den unterschiedlichen Fachgebieten zusammengeführt habe. Auf diesen Verfahrensfehlern beruhe die Entscheidung.

2

Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet worden.

3

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 27.10.2015 nicht.

4

1. Die Rüge des Klägers (unter 3. a), das LSG habe seinen Vortrag im Schriftsatz vom 6.7.2015 übergangen, mit welchem er "sowohl die weitere Begutachtung sowie alternativ die mündliche Verhandlung zur Erörterung" beantragt habe, und habe deshalb nicht durch Beschluss entscheiden dürfen, ist bereits nicht schlüssig vorgetragen. Denn er führt selbst aus (Seite 18 der Beschwerdebegründung), das LSG habe seinen weiteren Hinweis vom 7.7.2015, dass es bei einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss verbleibe, in Kenntnis dieses Schriftsatzes erteilt. Damit, dass der Kläger die - zügige - Arbeitsweise des LSG als "erstaunlich" bezeichnet und er offenbar eine Auseinandersetzung mit seinem Sachvortrag in der Anhörungsmitteilung vermisst, bezeichnet er keinen Verfahrensmangel des LSG. Denn mit einer zügigen Einschätzung, ob sich die Beurteilungslage geändert hat, handelt ein Gericht nicht verfahrensfehlerhaft, und eine Verpflichtung des Gerichts, sich in der Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG inhaltlich mit dem Vorbringen des Klägers auseinanderzusetzen, besteht nicht. Soweit der Kläger möglicherweise rügen möchte, dass das LSG seinem Vortrag im Schriftsatz vom 6.7.2015 nicht gefolgt sei, beachtet er nicht, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nur gewährleistet, dass der Kläger gehört, nicht jedoch "erhört" wird (vgl nur Senatsbeschlüsse vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - und vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris). Denn die Gerichte werden durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz) nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.10.2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497). Insbesondere besteht keine Verpflichtung des Gerichts, auf jedes Argument eines Beteiligten einzugehen und dieses in die Gründe seiner Entscheidung aufzunehmen. Dass das LSG seinen Vortrag überhaupt nicht zur Kenntnis genommen habe, behauptet der Kläger gerade nicht. Er verweist vielmehr selbst auf die Bestätigung der Kenntnisnahme im Gerichtsschreiben vom 7.7.2015.

5

Soweit der Kläger behauptet, die Entscheidung des LSG durch Beschluss beruhe auf "grober Fehleinschätzung" und sei daher ermessensfehlerhaft, fehlt es an der substantiierten Darlegung eines Verfahrensfehlers. Der Kläger beschränkt sich darauf, den rechtlichen Obersatz zur Bedeutung der mündlichen Verhandlung und zur Verletzung des Mündlichkeitsprinzips bei einer groben Fehleinschätzung des Gerichts in Bezug auf die prozessuale Möglichkeit, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, aus einem Beschluss des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.5.2012 (B 9 SB 14/11 B) herzuleiten. Ohne zu den hiernach relevanten Voraussetzungen für die Annahme einer groben Fehleinschätzung zu subsumieren, belässt es der Kläger bei der schlichten Behauptung, "unter Beachtung vorstehender Grundsätze" beruhe die Entscheidung des LSG auf einer solchen groben Fehleinschätzung. Eine nachvollziehbare Begründung liefert er nicht. Soweit er möglicherweise - verteilt über die 20 Seiten seiner Beschwerdebegründung - eine Vielzahl von Einzelaspekten für eine Fehleinschätzung des LSG aufführt, ohne sie hinreichend zu systematisieren und zu strukturieren, ist die Beschwerde schon aus diesem Grund unzulässig. Denn die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde müssen ein Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen (vgl BSG Beschlüsse vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - und vom 3.11.2014 - B 12 KR 48/14 B - Juris, jeweils mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 mwN). Allein das Ergebnis eigener Einschätzung an die Stelle der des Gerichts zu setzen, dem er überdies zubilligt, seine Entscheidung getroffen zu haben, nachdem eine "umfangreiche Beweisaufnahme" durchgeführt worden war, welche Entscheidungsgrundlage des Gerichts gewesen sei, reicht nicht aus.

6

2. Der Kläger behauptet (zu 3. b) in Bezug auf die - vermeintliche - Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG)nicht, dem LSG auf dessen Anhörung hinsichtlich der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss mittels prozessordnungsgerechter Beweisanträge iS von § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 402 ff Zivilprozessordnung (mit der Benennung eines zumindest dem Fachgebiet nach bestimmten Sachverständigen und der Bezeichnung eines konkreten Beweisthemas) im Sinne der Warnfunktion eines Beweisantrags vor Augen gehalten zu haben, dass er den Sachverhalt noch nicht für geklärt hält. Seine Ausführungen, dass nervenärztliche Feststellungen außer Acht gelassen worden seien und eine sozialmedizinische Gesamtbetrachtung bisher nicht stattgefunden habe, erfüllen die Voraussetzungen an einen prozessordnungsgerechten Beweisantrag nicht. Soweit der Kläger der Ansicht ist, vom LSG sei ein Beweisantrag nach § 109 SGG übergangen worden, kann dieser Vortrag der Beschwerde bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht zum Erfolg verhelfen.

7

Schließlich stellt der Kläger - ohne weitere Begründung - lediglich die Behauptung auf, dass die Entscheidung des LSG auf dem vermeintlichen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht und den Anspruch auf rechtliches Gehör beruhe. Er legt aber nicht dar, in welcher Hinsicht die Entscheidung des Gerichts anders ausgefallen wäre, wenn es den klägerischen Anregungen folgend weiter sachaufgeklärt hätte. Mit seiner Forderung nach einem "Obergutachten" verkennt er, dass es solcherart unterschiedliche Wertigkeiten von Gutachten nicht gibt, mit denen von vornherein ein Gutachten über ein anderes gestellt werden könnte. Vielmehr ist es gerade Aufgabe des Gerichts, jedes Gutachten in Bezug auf seine Überzeugungskraft bei der Beurteilung tatbestandlicher Voraussetzungen einer gesetzlichen Regelung selbst zu bewerten.

8

Dass der Kläger die Entscheidung des LSG in der Sache für verfehlt hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67).

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

10

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfu

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

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(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprech

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bei uns veröffentlicht am 03.11.2010

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2010 wird verworfen.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das Bayerische LSG hat im Urteil vom 19.1.2011 einen Anspruch des Klägers auf Vormerkung des Zeitraums von Dezember 1988 bis Januar 1992 als Beitragszeit verneint; in dieser Zeit hatte er eine Aspirantur an der Medizinischen Akademie Moskau absolviert.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil ausschließlich einen Verfahrensmangel geltend.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 11.4.2011 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

4

Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau benannt sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kapitel IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG)und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).

5

Der Kläger macht geltend, die Begründung, mit der das LSG seine Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen habe, sei falsch und verletze ihn in seinen Rechten. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Beweislastentscheidung getroffen. Die Annahme, eine "Aspirantur mit Unterbrechung der Produktion", bei der in der Sowjetunion keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, könne auch vorliegen, wenn die Aspirantur unwesentlich länger als die sonst übliche Höchstdauer von drei Jahren - hier über den 12.12.1991 hinaus bis 10.1.1992, dh knapp einen weiteren Monat - angedauert habe, habe das LSG seiner Entscheidung nicht ohne Einholung eines weiteren Gutachtens zugrunde legen dürfen. Das vom LSG verwertete Gutachten der Dr. X vom Institut für Ostrecht der Universität zu Köln vom 29.6.1999 gebe dies nicht her. Entsprechendes gelte für die Auffassung des LSG, die Eintragungen im Arbeitsbuch des Klägers sprächen gegen das Vorliegen einer "Aspirantur ohne Unterbrechung der Produktion"; dies sei in keiner Weise nachvollziehbar und hätte deshalb eines ergänzenden Gutachtens bedurft, zumal eine von ihm nunmehr veranlasste Übersetzung durch eine andere Dolmetscherin einen abweichenden Wortlaut jener Eintragungen ergeben habe. Auch die weiteren Ausführungen des LSG zur Beweiswürdigung träfen nicht zu bzw lägen "völlig neben der Sache". In Wirklichkeit sprächen alle objektiven Indizien für einen sozialversicherungspflichtigen Zeitraum und liege die Situation eines "non liquet" nicht vor. Wenn das LSG gleichwohl anders entschieden habe, habe es die allgemeinen Regeln der Beweislast verkannt und darüber hinaus aufgrund der "unterlassenen Beiziehung" des in der mündlichen Verhandlung beantragten Gutachtens ohne förmliche Entscheidung durch Beschluss gemäß § 358 ZPO sein - des Klägers - rechtliches Gehör verletzt.

6

Mit diesen Ausführungen hat der Kläger das Vorliegen eines Verfahrensmangels nicht hinreichend bezeichnet. Soweit er sich gegen die nach seiner Ansicht fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG wendet, lässt er außer Acht, dass nach ausdrücklicher Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden kann; die Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung ist mithin von vornherein unbeachtlich (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 10).

7

Soweit der Kläger sinngemäß beanstandet, das LSG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) dadurch verletzt, dass es einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG), wird sein Vorbringen den besonderen Darlegungserfordernissen an eine solche Sachaufklärungsrüge nicht gerecht. Insoweit muss die Beschwerdebegründung (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt zu Protokoll aufrechterhaltenen oder im Urteil wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) die Rechtsauffassung des LSG darstellen, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8).

8

Der Beschwerdebegründung des schon im Berufungsverfahren rechtskundig vertretenen Klägers lässt sich jedoch weder der genaue Wortlaut noch der konkrete Gegenstand seines gegenüber dem LSG vorgebrachten Beweisbegehrens entnehmen. Damit aber kann der Senat nicht überprüfen, welche Punkte, die in einem ordnungsgemäßen Beweisantrag als begutachtungsbedürftig zu bezeichnen sind (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO), noch beweisbedürftig waren. Zudem fehlen auch Ausführungen dazu, in welcher Form das LSG auf seine Forderung nach weiterer Beweiserhebung eingegangen ist, sodass nicht beurteilt werden kann, ob dem Berufungsgericht für seine Vorgehensweise eine hinreichende Begründung zur Seite stand.

9

Die nach alledem unzureichenden Darlegungen in Bezug auf den Verfahrensmangel einer nicht ausreichenden Sachaufklärung durch das LSG haben zur Folge, dass auch die aufgrund desselben Sachverhalts und ohne weitergehende Begründung vom Kläger erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) unzulässig ist. Insoweit hat der Kläger auch nicht vorgetragen, das LSG habe den behaupteten Beweisantrag nicht zur Kenntnis genommen; er rügt vielmehr, dass es diesem Antrag nicht nachgekommen sei. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet jedoch nur, dass der Prozessbeteiligte "gehört", nicht jedoch, dass er auch "erhört" wird (vgl BFH/NV 2009, 214, 216; s auch BVerfG NZS 2010, 497 RdNr 17).

10

Auch mit seiner Behauptung, das LSG habe "die allgemeinen Regeln der Beweislast verkannt", hat der Kläger einen Verfahrensmangel nicht schlüssig bezeichnet. Er gründet diesen Vorwurf ausschließlich darauf, dass das Berufungsgericht die objektiven Indizien unzutreffend gewürdigt habe und aus diesem Grund fehlerhaft von einem "non liquet" ausgegangen sei. Somit geht sein Vorhalt im Kern dahin, das LSG habe aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung verkannt, dass die Voraussetzungen für eine Beweislastentscheidung überhaupt nicht gegeben waren; einen Rechtsverstoß in der Anwendung der Beweislastregeln bei (unterstelltem) Bestehen einer "non liquet"-Situation hat er hingegen nicht aufgezeigt. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung kann jedoch - wie bereits dargelegt - im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht geltend gemacht werden.

11

Schließlich hat der Kläger mit dem Vorhalt, das LSG habe verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung durch förmlichen Beschluss nach § 358 ZPO über das von ihm beantragte Gutachten unterlassen und gerade hierdurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, eine Gehörsrüge nicht ausreichend begründet. Zum einen erschließt sich aus dieser Darstellung schon nicht, weshalb das Gericht auch im Fall des Unterlassens einer weiteren Beweiserhebung nach dem Wortlaut von § 358 ZPO iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG ("Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist es durch Beweisbeschluss anzuordnen.") einen formellen "Beweisbeschluss" erlassen müsste. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist - ebenso wie im Finanzgerichtsprozess (vgl BFH/NV 1992, 603 - Juris RdNr 8), aber abweichend von der Rechtslage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 86 Abs 2 VwGO) - bei Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags kein gesonderter und zu begründender Gerichtsbeschluss erforderlich. Zum anderen hat der Kläger nicht aufgezeigt, inwiefern die Entscheidung des LSG auf einer ihm gegenüber unterbliebenen Gehörsgewährung zu der vom Gericht nicht beabsichtigten weiteren Beweiserhebung vor Verkündung seines Urteils beruhen kann.

12

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

13

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2011 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Nach dem Vortrag des Klägers hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 16.6.2011 den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ohne Anrechnung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1.11.1995 bis 29.5.1998 verneint.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 16.8.2011 und 15.9.2011 genügt der gesetzlich vorgeschriebenen Form nicht, denn er hat den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

Der Kläger rügt einen "Rechtsverstoß gegen § 202 SGG i. V. m. § 551 Nr. 7 ZPO a. F." und "gegen Art. 103 Abs. 1 GG". Die Entscheidung des LSG stelle einen Verstoß gegen das "aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Willkürverbot dar". Die Beurteilung sei "offensichtlich sachwidrig und somit objektiv willkürlich". Das LSG stütze sich auf widersprüchliche Aussagen seines ehemaligen Arbeitgebers vom 19.8.2010, "ohne diese Auskünfte zu begründen". Damit fehlten eigene Erwägungen des LSG dazu, "warum ab dem 12.08.1994 - 31.12.1994 die Anwartschaftszeit gem. § 104 AFG nicht erfüllt ist". Auch die Behauptung des Berufungsgerichts, er habe im Zeitraum vom 1.7.1994 bis 30.9.1995 lediglich an 316 Tagen (statt der erforderlichen 360) Kalendertagen in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung oder gleichwertigen Anwartschaftszeit gestanden, beruhe auf Willkür. Zudem sei das LSG in seinem Urteil nicht auf den von ihm "vorgetragenen eigenen Weg zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs eingegangen". Damit fehlten "Urteilsgründe i. S. v. § 551 Nr. 7 ZPO a. F." und sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt. Zudem mache er als "einen weiteren Verfahrensfehler" des LSG einen "Verstoß gegen § 104 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 168 Abs. 1 AFG" geltend. Wegen der Widersprüchlichkeit der Aussagen hätte das LSG seinen ehemaligen Arbeitgeber vom Amts wegen "zur mündlichen Verhandlung beiladen" müssen.

6

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht hinreichend dargelegt.

7

Sofern der Kläger einen Verstoß gegen "§ 551 Nr. 7 ZPO a. F." geltend macht, rügt er sinngemäß eine Verletzung des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG. Eine Entscheidung ist jedoch nicht schon dann im gerügten Sinne nicht mit Gründen iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz fasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, behandelt hat(BSGE 76, 233, 234 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1 S 3 mwN). Die Begründungspflicht ist selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen oder zum tatsächlichen Geschehen, wovon der Kläger offensichtlich ausgeht, falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (Senatsbeschluss vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - BeckRS 2008, 51032 RdNr 7). Aus dem Urteil des LSG war nach dem Vorbringen des Klägers ersichtlich, dass und warum das LSG die Auskünfte des Arbeitgebers verwertet hat. Sofern er meint, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht und "sachwidrig" bzw "willkürlich" auf die seiner Ansicht nach widersprüchlichen Aussagen seines ehemaligen Arbeitgebers gestützt und ihnen in der Beurteilung einen falschen Aussagegehalt beigemessen, liegt hierin keine Gehörsrüge, sondern im Kern die Rüge mangelhafter Beweiswürdigung. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden und der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen. Ebenso wenig rechtfertigt die Zulassung der Revision, dass der Kläger die Entscheidung des LSG für falsch hält (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

8

Dass das LSG seiner Rechtsansicht und dem von ihm "vorgetragenen eigenen Weg zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs" nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass der Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (Senatsbeschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - BeckRS 2011, 73125 RdNr 9). Art 103 Abs 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht dazu, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG NZS 2010, 497 RdNr 17).

9

Soweit der Kläger einen Verstoß des LSG gegen "§ 104 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 168 Abs. 1 AFG" rügt, macht er keinen Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, und damit keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend. Vielmehr wendet er sich mit seinem Verbringen abermals gegen den sachlichen Inhalt des Urteils. Die Rüge der inhaltlichen Richtigkeit einer Entscheidung ist jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde.

10

Auch die zumindest sinngemäß geltend gemachte unzureichende Sachaufklärung (Verstoß gegen § 103 SGG) des LSG hat der Kläger nicht ansatzweise dargelegt. Eine entsprechende Rüge ist nach der Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Teils SGG nur dann beachtlich, wenn sie "sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist". Eine Ausnahme hiervon sieht weder das Gesetz noch die Rechtsprechung des BSG vor. Dass der Kläger einen derartigen Beweisantrag gestellt hat, behauptet er nicht.

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 sowie über die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen G, aG, B und RF.

2

Beim Kläger ist ab 1.1.1996 vor allem wegen eines psychischen Leidens ein GdB von 80 festgestellt (Bescheid vom 4.4.2001). Seit dem 25.2.2003 ist er im Rahmen des Maßregelvollzugs in einer Klinik für Forensische Psychiatrie untergebracht. Seinen Antrag vom 22.8.2008 auf Feststellung eines GdB von 100 sowie der Voraussetzungen der Merkzeichen G, aG, B und RF lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 15.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.8.2009). Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7.9.2010; Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.2.2011).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 17.2.2011 hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), nämlich einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG),begründet.

4

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss ist unter Verstoß des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG)ergangen. Das LSG hat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles verfahrensfehlerhaft nach § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden. Es hätte den Kläger vor der Beschlussfassung zumindest nochmals anhören müssen.

5

1. Der Kläger hat den geltend gemachten Verfahrensmangel eines Gehörsverstoßes hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Er hat vorgetragen: Sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG)sei dadurch verletzt worden, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem SG sei ihm von der Leitung der Klinik nicht ermöglicht worden. Das LSG habe ermessensfehlerhaft durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs 4 SGG entschieden. Es liege eine grobe Fehleinschätzung vor, denn bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände sei die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung nicht zu rechtfertigen. Nachdem ihm die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem SG faktisch nicht ermöglicht worden sei, hätte es die sich aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens ergebende Fürsorgepflicht des LSG geboten, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da dies nicht geschehen sei, habe er keine Möglichkeit gehabt, sein Anliegen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vorzutragen.

6

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger die den Verfahrensmangel (Gehörsverstoß) vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Nähere Darlegungen zur Kausalität des Gehörsverstoßes sind entbehrlich, wenn - wie hier - der Beteiligte nach seiner Behauptung gehindert worden ist, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen (vgl BSGE 53, 83, 85 f = SozR 1500 § 124 Nr 7 S 15 f; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 56; BSG SozR 4-1750 § 227 Nr 1 RdNr 7).

7

2. Der geltend gemachte Gehörsverstoß liegt auch vor. Das LSG hat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles von der sich aus § 153 Abs 4 S 1 SGG ergebenden Befugnis, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, verfahrensfehlerhaft Gebrauch gemacht.

8

Nach § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid(§ 105 Abs 2 S 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach § 153 Abs 4 S 2 SGG sind die Beteiligten vorher zu hören. Diesen gesetzlichen Bestimmungen wird das Vorgehen des LSG nicht gerecht.

9

a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen (und nach ordnungsgemäßer Anhörung) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss die Berufung zurückzuweisen, steht in dessen pflichtgemäßen Ermessen ("kann"). Sie wird daher im Revisionsverfahren bzw im Beschwerdeverfahren nur darauf geprüft, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, etwa wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 27). Ob die Entscheidung auf einer groben Fehleinschätzung beruht, ist anhand der gesamten Umstände des Falles zu beurteilen. Dabei muss das Berufungsgericht vor allem auch die Funktion und Bedeutung der mündlichen Verhandlung als "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens berücksichtigen.

10

Demgemäß sind für diese Ermessensentscheidung - auch im Hinblick auf das in Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention jedermann gewährleistete Recht auf gerichtliches Gehör - die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung der Tatsachenfragen relevant. Zu beachten ist ferner der Anspruch der Beteiligten auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG), nach dem die Gestaltung des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel stehen muss (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38 f). Schließlich kann es die sich aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren ergebende prozessuale Fürsorge- und Hinweispflicht des Gerichts gebieten, aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden (vgl BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 7). Die Möglichkeit, nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, weil eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten wird, ist eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden(vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 1 RdNr 6).

11

b) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so beruht die Entscheidung des LSG, nach § 153 Abs 4 S 1 SGG von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles auf einer groben Fehleinschätzung. Bei einer entsprechenden Abwägung ist die Wahl des vereinfachten Beschlussverfahrens jedenfalls ohne erneute Anhörung des Klägers nicht zu rechtfertigen.

12

Bei der im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmenden Abwägung fällt im vorliegenden Fall erheblich ins Gewicht, dass es dem Kläger aus tatsächlichen, von ihm nicht zu beeinflussenden Gründen nicht möglich war, zu der vom SG am 7.9.2010 anberaumten mündlichen Verhandlung zu erscheinen. Er ist seit dem 25.2.2003 im Rahmen des Maßregelvollzugs in einer Klinik für Forensische Psychiatrie untergebracht. Er bedurfte deshalb, um an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können, einer Erlaubnis der Klinikleitung. Diese ist ihm nicht erteilt worden, nachdem er nach Erhalt der Ladung darum gebeten hatte, ihm das Erscheinen vor Gericht zu ermöglichen. Diesen Sachverhalt hat der Kläger dem SG mit Schreiben vom 19.8.2010 (Bl 63 der SG-Akten) mitgeteilt, allerdings ohne ausdrücklich oder sinngemäß einen Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des Termins zu stellen.

13

Da der Kläger mithin tatsächlich keine Möglichkeit hatte, sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem SG zum Sach- und Streitstand zu äußern (vgl § 112 Abs 2 SGG),war der Ermessensspielraum des LSG, das vereinfachte Verfahren nach § 153 Abs 4 S 1 SGG zu wählen, erheblich reduziert. Es hätte diesen Weg nur dann ohne Weiteres beschreiten dürfen, wenn der im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertretene Kläger auf die Anhörungsmitteilung des LSG hin entweder ausdrücklich sein Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt oder nur unerhebliche, unsubstantiierte Ausführungen gemacht hätte. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger in seiner beim LSG am 26.1.2011 eingegangenen Stellungnahme vom 22./23.1.2011 ausdrücklich noch Aufklärungsbedarf geltend gemacht und die Beiziehung von Akten der AOK Dortmund beantragt.

14

Aufgrund dieses Vorbringens bestand für das LSG aufgrund der sich aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren ergebenden Fürsorge- und Hinweispflicht, die insbesondere gegenüber psychisch kranken, nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten wie dem Kläger besteht (vgl dazu auch Art 13 Abs 1 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl II 2008, 1419), dringende Veranlassung, sowohl die Erforderlichkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung als auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sorgfältig zu prüfen. Zumindest wäre es im vorliegenden Fall geboten gewesen, den Kläger erneut anzuhören (zur Notwendigkeit einer erneuten Anhörung: BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 1 RdNr 6 f; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 13). Das bedeutet, dass das LSG vor seiner Entscheidung durch Beschluss auf die Stellungnahme des Klägers vom 22./23.1.2011 hätte reagieren und ihn jedenfalls informieren müssen, dass und weshalb es dessen Beweisantrag für unerheblich und eine mündliche Verhandlung nach wie vor für entbehrlich halte. Das hat es unterlassen. Indem es am 17.2.2011 die Berufung des Klägers im Beschlusswege nach § 153 Abs 4 S 1 SGG zurückgewiesen hat, hat es unter den gegebenen Umständen den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren und damit auch dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

15

Da das LSG mithin nur nach einer - hier unterbliebenen - erneuten Anhörungsmitteilung im gewählten vereinfachten Beschlussverfahren hätte entscheiden dürfen, bedarf es keiner Prüfung, was der Kläger auf den gebotenen Hinweis vorgetragen hätte. Es handelt sich um einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 202 SGG iVm 547 Nr 1 ZPO, denn die Verletzung des § 153 Abs 4 SGG führt zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ohne ehrenamtliche Richter(vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 40; BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17 mwN).

16

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Das gilt entsprechend für einen Beschluss des LSG nach § 153 Abs 4 SGG(vgl § 153 Abs 4 S 3 iVm § 158 S 3 SGG; so auch BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 2 RdNr 6). Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit Gebrauch.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2010 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4347 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln im Jahr 2003.

2

Der Kläger war damals als Facharzt für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötung nach Fehlbehandlung von Herzinsuffizienz durch Fehldiagnose und Festhalten an der verfehlten Behandlung mit insbesondere oralen Nitraten verurteilten ihn das AG M. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und das Berufsgericht für Heilberufe zu einer Geldbuße von 2000 Euro (Urteile vom 27.3.2001 und vom 26.2.2003). Das Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit widerrief mit dem Vorwurf, ihm fielen noch weitere offenkundige Fehlbehandlungen zur Last, seine Approbation (Bescheid vom 20.8.2003 mit Anordnung der sofortigen Vollziehung, - Zurückweisung der Rechtsmittel im vorläufigen Rechtsschutz- und im Hauptsacheverfahren; - später, 2008, Wiederaufnahmeantrag, über einen Erfolg ist aber nichts bekannt). Mit Bescheid vom 29.10.2003 entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 24.2.2004 mit Anordnung der sofortigen Vollziehung). Im Klageverfahren hat das SG nach dem Widerruf der Approbation das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 27.9.2004); eine Aufnahme des Verfahrens ist ausweislich der hier vorliegenden Aktenlage bisher nicht erfolgt.

3

Auf Antrag der zu 1. beigeladenen AOK (Anträge vom 10.12. und 11.12.2003, 13.5. und 24.8. 2004) setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger unter anderem wegen Verordnungen übermäßig hoher Dosen von Nitraten in den Quartalen I bis IV/2003 einen Regress von 5570,94 Euro fest (Bescheid vom 10.2.2005). Auf den Widerspruch des Klägers hin reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss den Regressbetrag auf 5347,86 Euro, wiederholte aber im Übrigen, dass dem Kläger die Verordnung übermäßig hoher Dosen von Nitraten, weiterhin Verordnungen entgegen der Arzneimittel-Richtlinie bzw ohne die in der AMR vorausgesetzte vorherige nicht-medikamentöse Therapie und außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs vorzuhalten seien (Bescheid vom 1.6.2006).

4

Das vom Kläger angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.7.2008). Im Berufungsverfahren hat der Beklagte den Regress teilweise - in Höhe von 1000,99 Euro - fallenlassen, ihn aber im Übrigen - in Höhe von 4346,87 Euro - aufrechterhalten. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 4.5.2010): Der Regress sei berechtigt. Die vom Beklagten auf der Grundlage des § 106 SGB V vorgenommene Einzelfallprüfung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe bei der Verordnung von Nitraten die Dosierungsempfehlungen sowohl der Roten Liste als auch der Fachinformation um mehr als das Doppelte überschritten. Das von ihm zur Rechtfertigung angeführte, von ihm selbst entwickelte Konzept einer "bisher unbekannte(n) Möglichkeit der Behandlung von Myokardinsuffizienz und kardialen Erregungsleitungsstörungen" sei weder wissenschaftlich anerkannt, noch habe er dafür Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien anführen können. Allein seine eigenen Erfahrungen aus seinem beruflichen Alltag sowie aus Tierversuchen reichten nicht aus. Auch soweit der Beklagte die Verordnungen anderer Arzneimittel als Nitrate beanstandet habe, sei dies berechtigt. Andante und Tensobon habe der Kläger in Kombination mit den hoch dosierten Nitraten in ebenfalls überhöhter Dosierung verordnet. Bei Venostasin habe er die in der AMR vorausgesetzte vorherige nicht-medikamentöse Therapie nicht durchgeführt. Dasselbe gelte für Hepar SL.

5

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG. Er hat erklärt, sein Rechtsmittel auf den Regress wegen der Verordnungen der Nitrate (ISDN Stada, Isoket retard, Monostenase long und Isomet) zu beschränken.

6

II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen.

7

1. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich schon nicht mit völliger Klarheit, auf welchen der drei Zulassungsgründe (§ 160 Abs 2 Nr 1, 2 oder 3 SGG) ihre Ausführungen ausgerichtet sind. Diese müssen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit aufweisen(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 = NZS 2000, 266 mwN; vgl ebenso BVerfG vom 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 - Juris RdNr 13). Hierfür ist entweder darzulegen, dass die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), oder es ist eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung (Nr 2 aaO) oder ein Verfahrensmangel aufzuzeigen (Nr 3 aaO). Eine dementsprechende Grundsatz-, Divergenz- oder Verfahrensrüge kann der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden. Dafür reicht das Vorbringen nicht aus, die Sache habe allgemeine Bedeutung, das LSG habe ein Fehlurteil gesprochen, und es sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen, indem es sich auf Urteile des BSG gestützt habe, die auf den vorliegend zu beurteilenden Fall nicht passen.

8

Aber selbst wenn man die Beschwerdebegründung wohlwollend dahin versteht, dass die Rüge des Vorliegens grundsätzlicher Bedeutung erhoben werden soll (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), sind die Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht erfüllt. Die zu entscheidenden Rechtsfragen werden weder konkret formuliert, noch wird die dazu vorliegende Rechtsprechung genügend aufgearbeitet (siehe nachfolgend 2.).

9

2. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss gemäß den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Es bedarf der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung (vgl BVerfG , SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; Nr 23 S 42; besonders deutlich auch BVerfG vom 14.4.2010 -1 BvR 2856/07 - Juris RdNr 6). Es muss auch dargelegt werden, dass die Bedeutung der Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgeht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; Nr 30 S 57 f mwN). Lediglich allgemeine oder nur kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG , DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen an die Darlegungspflicht sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die zitierte BVerfG-Rechtsprechung).

10

Diesen Erfordernissen entsprechen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung in mehrfacher Hinsicht nicht.

11

a) Die Beschwerdebegründung wird teilweise schon nicht dem Erfordernis gerecht, eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen. Weder mit der Wendung "Es stellt sich die Frage, ob eine Einzelfallprüfung zulässig ist und welche Kriterien für diese Einzelfallprüfung maßgeblich sind" noch mit dem Passus "Die Frage ist, welche Voraussetzungen an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind" wird - wie erforderlich - eine Frage formuliert, die mit Ja oder Nein beantwortet werden kann (vgl hierzu zB BAGE 121, 52, 53 = Juris RdNr 6; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - RdNr 7, vom 16.7.2009 - B 6 KA 64/08 B - RdNr 11 und vom 14.1.2010 - B 13 R 539/09 B - RdNr 5). Überdies sind diese Formulierungen zu allgemein. Erforderlich wäre die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, dh einer Rechtsfrage, die konkreten Bezug zu der im Sachverhalt anstehenden Problematik hat, zB dahingehend, ob im Wege der Einzelfallprüfung die Verordnungsweise eines Arztes, die sich auf eine von ihm selbst entwickelte Therapiemethode gründet, beanstandet werden darf.

12

Aber auch wenn die zitierten Formulierungen im Wege der Einbeziehung des Gesamtbildes der Beschwerdebegründung als hinreichend konkret formulierte Rechtsfragen unterstellt würden, ist die Beschwerde nicht zulässig, weil den übrigen Darlegungsanforderungen nicht genügt wird.

13

b) Aus den Darlegungen in der Beschwerdebegründung müsste ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die aufgeworfenen Fragen nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung seinerseits aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Eine ausreichende Darlegung erfordert vor allem die Auseinandersetzung mit dem Urteil des LSG und auch sonstiger einschlägiger Rechtsprechung insbesondere des BSG (zu diesen Anforderungen siehe die BSG und BVerfG-Rechtsprechung, wie oben 2. angegeben).

14

Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG ist der Beschwerdebegründung indessen nicht zu entnehmen. Einschlägig für die Beurteilung eines Verordnungsregresses sind zB die Senatsurteile vom 20.10.2004 (SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 27 ff), vom 27.6.2007 (SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 11 ff) und vom 3.2.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 24 ff). Aus diesen Urteilen ergibt sich der rechtliche Rahmen für die Zulässigkeit und für die Voraussetzungen von Einzelfallprüfungen. Auszugehen ist davon, dass die Einzelfallprüfung im Gegensatz zur sog Durchschnittsprüfung steht. Einzelfallprüfungen sind alle Überprüfungen der Behandlungs- und Verordnungsweise, die nicht an dem allgemeinen Vergleich mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe ansetzen, sondern einen direkten Bezug zu dem tatsächlichen (konkreten) Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des geprüften Arztes haben. Aus dieser Charakterisierung wird deutlich, dass Einzelfallprüfungen sich zwar auf "bestimmte einzelne Behandlungsfälle" beziehen (so die Formulierung in SozR aaO Nr 26 RdNr 17), aber weder aus den Rechtsvorschriften noch aus der Rechtsprechung ist abzuleiten, dass die Fälle auch einzeln benannt werden müssten, wie der Kläger offenbar meint (Beschwerdebegründung S 6 oben). Es reicht vielmehr aus, dass sich aus dem Zusammenhang ergibt, welche Einzelfälle betroffen sind. So betraf die vom Kläger beanstandete Prüfung alle Fälle, in denen er Nitrate verordnete. Dies ist vergleichbar mit der Fallgestaltung im Urteil des BSG vom 20.10.2004, in dem die Ausführungen alle Verordnungsfälle betrafen, in denen der damalige Kläger Generika verordnet hatte, ohne dass diese Fälle im Einzelnen aufgezählt wurden (SozR aaO Nr 6 RdNr 27 ff). Diese Rechtsprechung zeigt, dass aus dem Fehlen der Aufführung einzelner Fälle nicht abgeleitet werden kann, es sei "letztlich nur eine abstrakte Überprüfung" erfolgt (so aber die Beschwerdebegründung S 6 oben).

15

Der Kläger befasst sich indessen in seiner Beschwerdebegründung mit keinem der genannten BSG-Urteile. Er erwähnt nicht einmal dasjenige vom 27.6.2007, obgleich dieses vom LSG ausdrücklich angeführt wird, und zwar dort, wo das LSG mit der Würdigung der vom Beklagten durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung beginnt (LSG-Urteil S 11).

16

c) Auch soweit der Kläger sich sinngemäß dagegen wendet, dass ihm übermäßige Verordnungen von Nitraten angelastet werden, setzt er sich nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG auseinander. Weder das vom LSG ausdrücklich genannte Urteil des BSG vom 27.6.2007 (SozR 4-2500 § 106 Nr 17)noch andere einschlägige Rechtsprechung werden in der Beschwerdebegründung überhaupt erwähnt:

17

Aus dem Urteil des Senats vom 27.6.2007 (SozR 4-2500 § 106 Nr 17) ergibt sich, dass eine Dosierung, die über die Therapieempfehlungen der Roten Liste und der Fachinformation weit hinaus geht, grundsätzlich rechtswidrig ist (aaO RdNr 17 ff). Eine Ausnahme wird für den Fall erwogen, dass es für die Abweichung eine medizinische Rechtfertigung gibt, was etwa "aufgrund von Besonderheiten im zugrunde liegenden Behandlungsfall" denkbar sein kann (aaO RdNr 18 aE). Eine solche Besonderheit will der Kläger mit den von ihm angeblich in jedem der Behandlungsfälle erzielten Behandlungserfolgen begründen (Beschwerdebegründung S 6). Indessen verkennt er, dass - vor allem - eine neue Behandlungsmethode vor ihrer Anwendung zunächst anerkannt sein muss. Dies geschieht entweder im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V durch eine entsprechende Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses oder im Arzneimittelzulassungsverfahren gemäß dem Arzneimittelgesetz (AMG)(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 26 f, 31 bis 33). Zu der Zulassung nach dem AMG gehört auch die Vorgabe der Dosierung (§ 22 Abs 1 Nr 10, § 29 Abs 1 iVm Abs 2a Nr 1 AMG, vgl die Erwähnung der Pflicht zur Anzeige von Veränderungen der Dosierung in BSGE 89, 184, 187 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 31 f). Der Einsatz eines Arzneimittels abweichend von dem Inhalt der Zulassung stellt einen Off-Label-Use dar. Welche Kriterien für einen ausnahmsweise rechtmäßigen Off-Label-Use gelten, hat das BSG in seiner Rechtsprechung wiederholt dargelegt. Danach müssen - neben weiteren Voraussetzungen - Eignung und Unbedenklichkeit im Sinne einer Aussicht auf einen Behandlungserfolg fundiert belegt sein (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 21 mwN). Solche Belege liegen nach den Feststellungen des LSG für den Einsatz von Nitraten nicht vor. Das LSG hat ausgeführt, dass sich dafür keine Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien anführen lassen, sondern nur die Erfahrungen des Klägers aus seinem beruflichen Alltag und aus Tierversuchen (LSG-Urteil S 12). Es hat weiter ausgeführt, dass dies nicht ausreicht, jedenfalls nicht, um einen Verordnungsumfang zu rechtfertigen, der um mehr als das Doppelte die Dosierungsempfehlungen übersteigt (LSG-Urteil S 13 oben).

18

Mit dieser dem LSG-Urteil zugrunde liegenden Rechtsprechung des BSG setzt der Kläger sich in seiner Beschwerdebegründung nicht auseinander. Insbesondere befasst er sich nicht mit dem zentralen Rechtsprechungserfordernis, dass hinreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Behandlungskonzepts vorliegen müssen, geschweige denn, dass er darauf bezogen eine konkrete Rechtsfrage formuliert. Um den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG angesichts der schon vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu genügen, reicht es nicht aus, dass der Kläger geltend macht, entscheidend sei der Behandlungserfolg, das Behandlungskonzept habe sich bewährt und seine Patienten seien auch im Universitätsklinikum dementsprechend weiterbehandelt worden.

19

d) Ferner verhilft es der Beschwerde auch nicht zur Zulässigkeit, dass der Kläger sich in seiner Beschwerdebegründung immerhin mit einer Entscheidung des BSG befasst, nämlich mit dem Urteil des BSG vom 9.4.2008 (SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Er hält dem LSG vor, es habe sich nicht auf dieses Urteil stützen dürfen, weil dieses in einem Fall der Honorarkürzung ergangen sei, während vorliegend ein Verordnungsregress betroffen sei (Beschwerdebegründung S 5). Hieraus lässt sich indessen kein Revisionszulassungsgrund ableiten.

20

Die Bezugnahme des LSG auf das BSG-Urteil betrifft, wie sich aus dem Kontext im LSG-Urteil (S 10 unten) deutlich ergibt, nur die Frage, welche Fassung der Prüfvereinbarung die Prüfgremien anzuwenden haben, wenn sie die Wirtschaftlichkeit des Jahres 2003 erst in einem späteren Jahr überprüfen. Es liegt nahe, dass die vom BSG gegebene Antwort - dass die frühere Prüfvereinbarung anzuwenden ist - gleichermaßen für die Überprüfung der Behandlungs- wie auch der Verordnungsweise gilt. Ein Grund, sie nicht auch im Verordnungsbereich anzuwenden, ist weder aus den normativen Regelungen noch aus den Ausführungen des BSG aaO ersichtlich. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen, im Rahmen seiner Beschwerdebegründung den Versuch zu machen, Zweifel an der Anwendbarkeit im Verordnungsbereich herauszuarbeiten. Ausführungen in dieser Richtung sind der Beschwerdebegründung indessen nicht zu entnehmen. Mithin fehlen insoweit ausreichende Darlegungen entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

21

           

e) Vor dem Hintergrund der Ausführungen oben unter 2.c) kommt eine Revisionszulassung auch nicht wegen der Frage in Betracht,

ob eine Verordnung über Dosierungsempfehlungen hinaus einen Regress begründet, wenn bei höherer Dosierung ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen zu erwarten war und auch eingetreten ist, andererseits mit nachteiligen Nebenwirkungen nicht zu rechnen und diese auch nicht eingetreten sind (Beschwerdebegründung S 6 unten).

Mit dieser Frage unterstellt der Kläger, dass es allein auf den (voraussichtlichen) Erfolg im Sinne des Eintritts eines Nutzens und des Nichteintritts von Nebenwirkungen ankomme. Dies ist nach der unter 2.c) dargestellten Rechtsprechung aber nicht der Fall, vielmehr muss auch gerade die Behandlungs- und Verordnungsweise als solche rechtmäßig sein, dh bei Einsatz einer neuen Therapiemethode müssen Eignung und Unbedenklichkeit belegt sein. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob solche Belege vorliegen bzw ob sie den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG genügen, findet sich in der Beschwerdebegründung nicht, sodass den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht entsprochen ist.

22

3. Schließlich hat der Kläger auch keinen Erfolg mit seinem Vorbringen, sein Behandlungskonzept habe sich zwischenzeitlich durchgesetzt und dies hätte das LSG feststellen müssen; dem LSG falle insoweit ein Verfahrensmangel zur Last (Beschwerdebegründung S 6). Vor dem Hintergrund, dass vorliegend auf das Jahr 2003 abzustellen ist und es nicht darauf ankommen kann, ob sich etwa zwischenzeitlich, nach 2003, sein Behandlungskonzept durchgesetzt hat (zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16 RdNr 21 mwN), ist nicht erkennbar, welcher Gesichtspunkt dem LSG hätte Anlass geben können, solche Ermittlungen anzustellen. In der Beschwerdebegründung wird ein solcher Anlass auch nicht aufgezeigt. Mithin fehlt es an Darlegungen, inwiefern das Urteil des LSG auf dem vom Kläger geltend gemachten Unterlassen im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "beruhen kann". Im übrigen ist die Verfahrensrüge auch deshalb unzulässig, weil die Beschwerdebegründung den besonderen Anforderungen an eine Rüge der Verletzung des § 103 SGG nicht Rechnung trägt: Bei solchen Rügen muss gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei(zu diesem Erfordernis vgl näher zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5).

23

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG, ausgehend von dem Regressbetrag, über den das LSG inhaltlich entschieden hat.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.