Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:310317UB12R614R0
bei uns veröffentlicht am31.03.2017

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. April 2014 und des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2011 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der Nachforderung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge ua darüber, ob der beklagte Rentenversicherungsträger isolierte Feststellungen zum Beitragstatbestand treffen durfte, ohne zugleich über die Einbehaltung der Beiträge aus der Rente zu entscheiden.

2

Der 1954 geborene Kläger bezieht seit 1.11.1998 von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Von Juni 2005 bis März 2011 hatte er seinen Wohnsitz in der Türkei. Die beigeladene Krankenkasse führte ihn seit 1969 durchgehend als versicherungspflichtiges Mitglied. Seit 1.11.2006 hatte er als deutscher Rentenbezieher in der Türkei nach Abkommensrecht Anspruch auf Sachleistungen für den Fall der Krankheit.

3

Die Beigeladene meldete der Beklagten zunächst unzutreffend das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung des Klägers. Die Beklagte berechnete daraufhin die Rente des Klägers ab Dezember 2000 neu, behielt seitdem Krankenversicherungsbeiträge nicht mehr ein und zahlte in der Vergangenheit bereits einbehaltene Krankenversicherungsbeiträge an ihn zurück. Im Jahr 2009 fiel der Beigeladenen auf, dass ihre ursprüngliche Meldung fehlerhaft und der Kläger seit 1.1.2001 in der Krankenversicherung als Rentner pflichtversichert war. Hierüber informiert berechnete die Beklagte mit "Rentenbescheid" vom 28.1.2010 die Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses rückwirkend neu; sie setzte den monatlichen Rentenzahlbetrag des Klägers nach Abzug des von ihm zu tragenden Anteils am Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit ab 1.3.2010 in niedrigerer Höhe fest und stellte außerdem - unter Berücksichtigung bereits eingetretener Verjährung - für die Zeit vom 1.1.2006 bis 28.2.2010 eine Überzahlung in Höhe von 3546,48 Euro fest. In dem Bescheid heißt es ua:

        

"Die genannte Änderung führt dazu, dass die bisher von Ihnen nicht geleisteten Beiträge bzw Anteile an den Beiträgen für die Kranken-/Pflegeversicherung auch rückwirkend von der Rente einzubehalten sind.

Es ist vorgesehen, die Überzahlung aufgrund Ihrer rückständigen Beiträge bzw Beitragsanteile für die Kranken-/Pflegeversicherung aus der weiterhin an Sie zu zahlenden Rente einzubehalten."

4

Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 14.4.2010) Klage erhoben mit dem Antrag, Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten aufzuheben, "soweit eine Überzahlung in Höhe von 3.546,48 Euro festgestellt worden ist". Das SG hat der Anfechtungsklage antragsgemäß stattgegeben (Urteil vom 16.8.2011). Das LSG hat die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen und den Tenor des SG dahingehend neu gefasst, die angefochtenen Bescheide würden aufgehoben, "soweit darin festgestellt ist, dass der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.546,48 Euro schuldet". Wie die Auslegung der angefochtenen Bescheide ergebe, stritten die Beteiligten nicht um die Überzahlung einer unzutreffend zu hoch berechneten Rente, sondern um die Feststellung einer verbliebenen Beitragsschuld des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung; die Bescheide verfügten ausdrücklich (noch) keine rückwirkende Einbehaltung der Krankenversicherungsbeiträge. Zwar habe die von der Beklagten festgestellte Beitragsschuld jedenfalls ab 1.11.2006 - dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger in der Türkei Sachleistungen für den Krankheitsfall habe erhalten können - materiell-rechtlich bestanden. Insbesondere sei der Anspruch der Beigeladenen auf die rückständigen Krankenversicherungsbeiträge nicht - wie das SG meine - verwirkt. Die Bescheide der Beklagten seien jedoch (teil)rechtswidrig, weil ihr die Befugnis gefehlt habe, durch feststellenden Verwaltungsakt über die Beitragsschuld zur Krankenversicherung zu befinden. Weil eine solche Feststellung nur durch den Sozialversicherungsträger erfolgen dürfe, der Inhaber der Beitragsforderung sei, sei bei Abweichung hiervon eine ausdrückliche gesetzliche Regelung nötig. § 255 Abs 2 S 1 SGB V biete eine solche Rechtsgrundlage nicht(Urteil vom 10.4.2014).

5

Die Beigeladene und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt; sie rügen eine Verletzung von § 255 SGB V. Nach Ansicht der Beigeladenen ist von der in § 255 Abs 1 und 2 SGB V explizit geregelten Einbehaltungsbefugnis auch umfasst festzustellen, in welcher Höhe die Rente der Beitragspflicht unterliegt, und die Krankenversicherungsbeiträge zu berechnen(Hinweis auf BSG Urteil vom 23.5.1989 - 12 RK 23/88). Die Beklagte meint, bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass der Rentenversicherungsträger die Beitragsschuld zur gesetzlichen Krankenversicherung isoliert feststellen dürfe (Hinweis auf BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1). Auch ermächtige § 255 Abs 2 S 1 SGB V diesen gerade, zunächst (rückwirkend) nur über die Beitragsschuld zu entscheiden. Eine Feststellung zur Beitragspflicht und -höhe zusammen mit der Beitragseinbehaltung sei außerdem praktisch gar nicht möglich. Dem stünden Besonderheiten der nachträglichen Beitragseinbehaltung entgegen, insbesondere die Notwendigkeit, vor der Einbehaltung in eine Prüfung der (Sozial)Hilfebedürftigkeit des Rentners einzutreten.

6

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. April 2014 und des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg.

10

Die Urteile des LSG und des SG waren aufzuheben. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.1.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 14.4.2010 in eingeschränktem Umfang erhobene Anfechtungsklage musste abgewiesen werden. Die angefochtenen Bescheide waren insoweit rechtmäßig.

11

1. Der erkennende Senat ist für die Entscheidung über die Revisionen zuständig. Wird - wie im vorliegenden Rechtsstreit - eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über den Tatbestand aus der Rente zu bemessender Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung angegriffen, hat nach der Geschäftsverteilung des BSG der 12. Senat zu entscheiden. Der Prozess wird dadurch nicht zu einer Streitigkeit im Leistungsrecht der Rentenversicherung. Bei solchen oder ähnlichen Sachverhalten hat der Senat bereits in der Vergangenheit seine Zuständigkeit angenommen (BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1, RdNr 10; BSG SozR 3-2500 § 247 Nr 2 S 4; BSG SozR 2200 § 393a Nr 3).

12

2. Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen sind zulässig erhoben. Die Revisionsbegründungen entsprechen den Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG.

13

Der 5. Senat des BSG hat seine Auffassung zu den Anforderungen an eine hinreichende Revisionsbegründung mit Beschlüssen vom 6.10.2016 (B 5 SF 3/16 AR und B 5 SF 4/16 AR - Juris) und 23.2.2017 (B 5 SF 5/16 AR) klargestellt. Diese deckt sich mit derjenigen des erkennenden Senats, so dass eine Vorlage an den Großen Senat des BSG nach § 41 SGG entbehrlich war(vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 12 KR 16/14 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Den gemeinsamen Anforderungen werden die Revisionsbegründungen gerecht.

14

3. Gegenstand des Rechtsstreits sind der "Rentenbescheid" der Beklagten vom 28.1.2010 und ihr Widerspruchsbescheid vom 14.4.2010 nur insoweit, als darin für die Zeit vom 1.1.2006 bis 28.2.2010 eine Überzahlung aufgrund rückständiger Beitragsanteile des Klägers zur Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 3546,48 Euro festgestellt wird. Vom Kläger nicht angegriffen werden demgegenüber die in dem Bescheid vom 28.1.2010 ebenfalls enthaltene Neufestsetzung des Rentenzahlbetrags (nach Abzug seines Anteils am Krankenversicherungsbeitrag) ab 1.3.2010 und die Feststellung der Beklagten, dass er seit 1.1.2001 als Rentner nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V krankenversicherungspflichtig ist.

15

Nach zutreffender Auslegung der Bescheide durch das LSG enthalten diese insoweit noch nicht die Einbehaltung rückständiger Beiträge selbst, vielmehr stellen sie im Verwaltungsverfahren über die Einbehaltung rückständiger Beiträge bei versicherungspflichtigen Rentnern nach § 255 Abs 2 S 1 SGB V lediglich die Beitragspflicht der Rente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung, die Beitragshöhe und die Beitragstragung verbindlich fest.

16

4. Die Beklagte hat diese Feststellung zu Recht getroffen. Der Kläger war als versicherungspflichtiger Rentner (materiell-rechtlich) zur Entrichtung von Krankenversicherungsbeiträgen aus seiner Rente verpflichtet. Die Beitragsnachforderung war weder insgesamt verwirkt (dazu a) noch bestand der Beitragsanspruch erst ab 1.11.2006 (dazu b). Die Beklagte war im Verwaltungsverfahren nach § 255 Abs 2 S 1 SGB V(dazu c) auch berechtigt, in Vorbereitung einer späteren Einbehaltung rückständiger Beitragsanteile aus der Rente durch feststellenden Verwaltungsakt zunächst (nur) über den Beitragstatbestand zu entscheiden (dazu d).

17

a) Die der Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 3546,48 Euro für die Zeit vom 1.1.2006 bis 28.2.2010 zu Grunde liegenden Ansprüche auf Beiträge aus der beitragspflichtigen (§§ 228, 237 SGB V) Erwerbsunfähigkeitsrente waren fällig, nicht verjährt und zutreffend berechnet. Ihrer Geltendmachung stand auch nicht - wie das SG meint - das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegen.

18

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht anerkannt (vgl BSGE 7, 199, 200 f; 34, 211, 213 f; 41, 275, 278; 59, 87, 94 = SozR 2200 § 245 Nr 4 S 22 f; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f); es ist insbesondere bei der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten zu beachten (vgl BSGE 17, 173, 175 f; 21, 52, 53 ff = SozR Nr 5 zu § 1399 RVO Aa 7ff; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 30 f).

19

Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (BVerfGE 32, 305; BVerwGE 44, 339, 343; BFHE 129, 201, 202; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 94 f mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) sowie sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15 mwN; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f; zuletzt - zur Verwirkung prozessualer Befugnisse - BSGE 114, 69 = SozR 4-1500 § 66 Nr 4, RdNr 28).

20

Für die Annahme eines Verwirkungsverhaltens gelten grundsätzlich strenge Anforderungen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die "kurze", vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs 1 S 1 SGB IV hinreichend Rechnung getragen wird(BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2, RdNr 19; BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 24 mwN; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 33 mwN). Es muss ein konkretes Verhalten des Gläubigers vorliegen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht (mehr) geltend gemacht wird (vgl BSGE 47, 194, 197 f = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 33).

21

Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten als zur Einbehaltung der Krankenversicherungsbeiträge Verpflichteter und der Beigeladenen als Gläubigerin der Beiträge, das bei dem Kläger das berechtigte Vertrauen begründen konnte, es würden auch fortan keine Krankenversicherungsbeiträge erhoben, liegt hier nicht vor. Das bloße (rechtswidrige) Unterlassen der Einbehaltung durch die Beklagte erfüllt nach den aufgezeigten strengen Maßstäben die Anforderungen an ein Vertrauen begründendes Verwirkungsverhalten (noch) nicht. Wie das LSG zutreffend ausführt, durfte der Kläger das bloße "Nichtstun" der Beklagten auch in Ansehung seiner mehrmaligen Kontakte mit der Beklagten und der Beigeladenen (etwa aus Anlass der Ausstellung einer neuen Versichertenkarte im Juni 2004, der Übersendung des Meldevordrucks "R 810" im Juli 2004 usw) nicht als bewusst und planmäßig (vgl zu diesen Erfordernissen BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 34 f, unter Hinweis auf BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55 und BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17) erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht (mehr) zu Krankenversicherungsbeiträgen aus seiner Rente herangezogen zu werden.

22

b) Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung bestand die Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung von Krankenversicherungsbeiträgen auch (schon) in der Zeit vom 1.1. bis 30.10.2006.

23

Mit dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 4.6.1991 (BSGE 69, 20 = SozR 3-2200 § 381 Nr 2) hat der Senat für den Fall eines nach Spanien verzogenen Beziehers einer gesetzlichen Rente (im Ergebnis) entschieden, dass dieser bei rückwirkender Feststellung der "Mitgliedschaft in der KVdR" wegen der "Wechselbeziehung zwischen Beitragspflicht und Leistungsansprüchen" vor einer den Sachleistungsanspruch in Spanien auslösenden (sozialversicherungs)abkommensrechtlichen Einschreibung keinen Eigenanteil an den Krankenversicherungsbeiträgen aus der Rente zu entrichten habe und der Rentenversicherungsträger einen solchen auch nicht einbehalten dürfe. Die hier entwickelten Grundsätze sind auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. So hat der Senat die Bedeutung seiner Aussagen schon in dem Urteil (selbst) dahin eingeschränkt, dass sie nicht ohne Weiteres auf andere Sachverhalte anzuwenden seien, in denen das Bestehen einer Krankenversicherungspflicht zunächst unbekannt und unsicher gewesen sei (BSGE 69, 20, 24 f = SozR 3-2200 § 381 Nr 2 S 11). Darüber hinaus bestand - anders als in dem entschiedenen Fall - bei dem Kläger vor der abkommensrechtlichen Einschreibung zur Sachleistungsaushilfe in der Türkei am 1.11.2006 keine (von den Versicherungsträgern zu vertretende) Ungewissheit über das Bestehen der Krankenversicherungspflicht als Rentner und den hierdurch begründeten Versicherungsschutz. Denn der Kläger wurde von der Beigeladenen seit 1969 durchgehend als versicherungspflichtiges Mitglied geführt und verfügte dauernd über eine Versichertenkarte. Er hatte damit auch in der Zeit vom 1.1. bis 30.10.2006 - etwa bei (Rück)Verlegung seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts nach Deutschland - jederzeit die Möglichkeit, schon vor der Einschreibung beim türkischen Sozialversicherungsträger Leistungen zu Lasten der Beigeladenen in Anspruch zu nehmen.

24

c) Die Beklagte durfte im Verwaltungsverfahren nach § 255 Abs 2 S 1 SGB V vor einer Entscheidung über die Einbehaltung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge aus der Rente des Klägers auch (isolierte) Feststellungen über den Beitragstatbestand treffen.

25

Nach § 255 Abs 1 S 1 SGB V in der hier maßgebenden, im Wesentlichen unveränderten Fassung des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) sind Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, … von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen zu zahlen. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.12.1988 geltenden § 393a Abs 1 RVO. Sie regelt die Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge von Versicherungspflichtigen (nicht allein von versicherungspflichtigen Rentnern) aus der Rente der (inländischen) gesetzlichen Rentenversicherung und stellt hierfür aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung (keine Belastung der Krankenkassen mit dem Beitragseinzug; vgl Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand April 2013, K § 255 RdNr 23; ferner Fischinger in: Berchtold/Huster/Rehborn, Komm zum Gesundheitsrecht , 1. Aufl 2015, § 255 SGB V RdNr 3) ein eigenes Verwaltungsverfahren zur Verfügung. § 255 Abs 1 S 1 SGB V bestimmt - abweichend von § 252 S 1 iVm § 249a SGB V - als Grundsatz, dass (auch) der von den Rentnern zu tragende Beitragsanteil nicht von diesen, sondern von den (rentengewährenden) Rentenversicherungsträgern zu zahlen und zuvor von der Rente einzubehalten ist. Insoweit findet ein "Quellenabzug" statt (vgl hierzu Peters in: Kasseler Komm, SGB V, Stand Oktober 2014, § 255 RdNr 2, 8; auch Mecke in: Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 255 RdNr 1). Rechtstechnisch geschieht die Beitragszahlung danach in der Weise, dass der Träger der Rentenversicherung in einem ersten Schritt die Rente "gekürzt" um den von dem Versicherten zu tragenden Krankenversicherungsbeitrag auszahlt (Einbehaltung; vgl zu deren Rechtscharakter BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1: verkürzte Form der Verrechnung). Sodann zahlt er in einem zweiten Schritt den einbehaltenen Betrag - als eine Art Inkasso-Stelle für die Krankenkassen (vgl Mecke in: Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 255 RdNr 2) - an die Deutsche Rentenversicherung Bund (zum Ganzen vgl Fischinger in: Berchtold/Huster/Rehborn, Komm zum Gesundheitsrecht , 1. Aufl 2015, § 255 SGB V RdNr 3).

26

Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Krankenversicherungsbeiträgen nach § 255 Abs 1 S 1 SGB V unterblieben, verpflichtet (und berechtigt) § 255 Abs 2 S 1 1. Halbs SGB V in der oben genannten Fassung den Träger der Rentenversicherung, die rückständigen Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; der Rentenbezieher muss diesen Abzug dulden. Jedoch darf er dadurch nach Maßgabe des § 255 Abs 2 S 1 2. Halbs SGB V iVm § 51 Abs 2 SGB I nicht hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII werden. An einer Beitragseinbehaltung kann es fehlen, wenn erst verspätet die Zugehörigkeit eines Rentenbezieher zur gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt wird oder aus einem anderen Grund die ordnungsgemäße Einbehaltung der Krankenversicherungsbeiträge seitens des Rentenversicherungsträgers unterblieben ist (vgl die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 3.5.1988 zu § 264 Abs 2 SGB V, BT-Drucks 11/2237 S 227; zu weiteren Gründen siehe Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand April 2013, K § 255 RdNr 39 und Klose in: Jahn, SGB V, Stand September 2014, § 255 RdNr 14).

27

d) Der Beklagten als zur Beitragseinbehaltung und zur Zahlung Verpflichteter stand aufgrund des § 255 Abs 2 S 1 1. Halbs SGB V in Vorbereitung einer späteren Einbehaltung rückständiger Beitragsanteile aus der Rente die Befugnis zu, in der Handlungsform des feststellenden Verwaltungsakts (zunächst) nur über die Beitragspflicht der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zur Krankenversicherung, die Beitragshöhe und die Beitragstragung zu befinden (wie hier LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 22.11.2012 - L 22 R 1117/10 - Juris RdNr 42; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 7.9.2011 - L 16 R 121/11 - Juris RdNr 16 f; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.12.2010 - L 7 R 2804/10 - Urteilsabdruck S 7 f; aA Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 15.12.1998 - L 1 Kr 10/98 - EzS 50/367, 1922). Dem Rentenversicherungsträger ist es im Zusammenhang mit der Beitragseinbehaltung allgemein gestattet, darüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden (Verwaltungsaktsbefugnis; dazu aa). Dass außerdem eine Berechtigung des Rentenversicherungsträgers zu bloßer Feststellung des Beitragstatbestandes besteht, ergibt sich in Ansätzen schon aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (dazu bb). Sie folgt auch aus einer Auslegung der hier maßgebenden Bestimmung (dazu cc).

28

aa) Der Beklagten war es von Gesetzes wegen erlaubt, über die Einbehaltung der vom Kläger zu tragenden Anteile seines Krankenversicherungsbeitrags aus der Rente in der öffentlich-rechtlichen Handlungsform des Verwaltungsakts zu befinden. Zwar fehlt es insoweit an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung der Beklagten. Indessen wird eine solche in § 255 Abs 1 S 2 SGB V vorausgesetzt, der für den dort angesprochenen Sachverhalt die Erteilung eines besonderen "Bescheides" durch den Rentenversicherungsträger entbehrlich macht.

29

bb) Mit Urteilen vom 29.11.2006 (BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1; parallel: B 12 RJ 2/05 R, B 12 R 5/06 R und B 12 R 8/06 R) und 18.7.2007 (BSGE 99, 19 = SozR 4-2500 § 241a Nr 1)hat der Senat für Sachverhalte nach § 255 Abs 1 S 1 SGB V entschieden, dass der Rentenversicherungsträger bei einer Einbehaltung der Krankenversicherungsbeiträge aus der Rente gleichzeitig für die Entscheidung über Beitragspflicht, Beitragshöhe und Beitragstragung sachlich zuständig ist, sofern nicht aufgrund von Sonderregelungen diese Aufgabe einem anderen Versicherungsträger übertragen ist(vgl BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1, RdNr 12; BSGE 99, 19 = SozR 4-2500 § 241a Nr 1, RdNr 13). Für einen Fall der Einbehaltung rückständiger Beiträge aus der weiterhin zu zahlenden Rente nach § 255 Abs 2 S 1 SGB V führte der Senat in seinem Urteil vom 18.12.2001 (SozR 3-2500 § 247 Nr 2)aus, § 255 Abs 1 und § 255 Abs 2 S 1 SGB V setzten voraus, dass der Rentenversicherungsträger über den in der Krankenversicherung anzuwendenden Beitragssatz als Vorfrage entscheiden darf, solange eine förmliche Entscheidung der Krankenkasse hierüber nicht vorliegt(BSG SozR 3-2500 § 247 Nr 2 S 4). Dass für den Rentenversicherungsträger parallel zum Einbehaltungsrecht auch eigene Entscheidungsrechte über den Beitragstatbestand (zB das Recht zur Feststellung der Beitragspflicht, zur Berechnung, zur Festsetzung der Beitragshöhe usw) bestehen, ist auch im Schrifttum überwiegend anerkannt (vgl Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand April 2013, K § 255 RdNr 26 ff; Dalichau, SGB V, Stand Dezember 2014, § 255 Anm I.1.; Klose in: Jahn, SGB V, Stand September 2014, § 255 RdNr 6 f; Böttiger in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Februar 2006, § 255 SGB V RdNr 5; Wasem in: Orlowski/Rau/Schermer/Wasem/Zipperer, SGB V, Stand Juli 2005, § 255 SGB V RdNr 4; aA lediglich Peters in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 255 RdNr 36).

30

Für die von der Beklagten und der Beigeladenen vertretene Rechtsauffassung können schließlich die Urteile des Senats vom 23.5.1989 zu der - dem § 255 Abs 2 S 1 SGB V entsprechenden - aus § 393a Abs 1 RVO hergeleiteten, früheren Rechtslage beim Unterbleiben einer Einbehaltung von Beiträgen aus der Rente herangezogen werden(BSG SozR 2200 § 393a Nr 3; BSG Urteil vom 23.5.1989 - 12 RK 23/88 - Juris). In den diesen Urteilen zu Grunde liegenden Fallgestaltungen hatte der Rentenversicherungsträger die "Beitragsschuld" des Rentners - nach Ermittlung des Unterschieds(betrags) zwischen geschuldeten Krankenversicherungsbeiträgen und zustehenden Beitragszuschüssen - lediglich festgestellt und den Ausgleich des Beitragsdefizits dem Rentner überlassen ("Tilgung" durch Überweisung in Raten) bzw den "Rückzahlungsmodus" (die Höhe der Einbehaltungsraten und deren Beginn) offengelassen. Der Senat hat hier inzident die "Berechtigung" des Rentenversicherungsträgers "zur späteren Geltendmachung" der Krankenversicherungsbeiträge als Vorfrage für (isoliert) feststellungsfähig erachtet.

31

cc) Auch die Auslegung des § 255 Abs 2 S 1 SGB V ergibt, dass sich die Beklagte zunächst auf (bloße) Feststellungen über den Beitragstatbestand beschränken durfte und sie nicht - wie das LSG meint - in jedem Fall zugleich die Einbehaltung der Beiträge (durch Aufrechnung) verfügen musste. Die Vorschrift stellt in dieser Auslegung eine hinreichende Rechtsgrundlage dar, die dem Vorbehalt des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG) genügt. Letzterer verlangt als verfassungsrechtliches Prinzip gerade für feststellende Verwaltungsakte, die definitionsgemäß inhaltlich deklaratorisch sind, die bestehende Rechtslage also nur verbindlich feststellen, eine enge Anbindung an die gesetzliche Ermächtigung (vgl zu den für feststellende Verwaltungsakte insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 19).

32

Der Terminus "Einbehaltung von Beiträgen" iS eines "Beitragseinzuges" schließt nach seinem (allgemeinen) Bedeutungsgehalt der Einbehaltung vorgelagerte (feststellende) Entscheidungen des Rentenversicherungsträgers nicht aus, weil der systematische Zusammenhang des § 255 Abs 2 S 1 1. Halbs SGB V mit § 255 Abs 1 S 1 und § 255 Abs 2 S 1 2. Halbs SGB V sowie Sinn und Zweck der Bestimmung gebieten, diese dahin zu interpretieren, dass der Rentenversicherungsträger berechtigt ist, vor der Einbehaltung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge aus der Rente durch feststellenden Verwaltungsakt zunächst isoliert über den Beitragstatbestand zu entscheiden, um eine spätere Einbehaltung vorzubereiten.

33

Zwar wird in diesen Vorschriften weder die verfahrensrechtliche Befugnis des Rentenversicherungsträgers geregelt, über Vorfragen der Einbehaltungsentscheidung zu befinden, noch treffen sie explizit eine Aussage zu dessen materiell-rechtlicher Befugnis, welche Umstände er in Vorbereitung einer späteren Einbehaltung als feststellungsfähig erachten darf. Indessen ist aus dem Umstand, dass der Rentenversicherungsträger in jedem Fall zur Einbehaltung von Krankenversicherungsbeiträgen aus der Rente (immer) nur dann in der Lage ist, wenn er "im Vorfeld" die Beitragspflicht der Rente, die Beitragshöhe und die Tragung der Beiträge durch den Rentner geprüft und hierüber (mit)entschieden hat, der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber ihn sowohl im Verwaltungsverfahren nach § 255 Abs 1 S 1 SGB V als auch in jenem nach § 255 Abs 2 S 1 SGB V auch zu einer (feststellenden) Entscheidung über diese Vorfragen ermächtigen wollte. Die Beklagte führt hierzu mit Recht aus, dass die eine "Handlungsweise" des Rentenversicherungsträgers stets (zwingend) die andere "Handlungsweise" des Trägers voraussetze und kein Grund dafür ersichtlich sei, warum eine Eignung des § 255 Abs 1 S 1 SGB V und des - hinsichtlich seiner Struktur vergleichbaren - § 255 Abs 2 S 1 SGB V, in notwendiger Vorbereitung einer noch vorzunehmenden Beitragseinbehaltung Feststellungen über den Beitragstatbestand zu treffen, nur dann angenommen werden dürfe, wenn der Rentenversicherungsträger zeitgleich über Höhe und Dauer der Einbehaltung entscheide; denn auch bei einer späteren Beitragseinbehaltung bedarf es einer vorgelagerten (eigenständigen) beitragsrechtlichen Orientierung des Rentenversicherungsträgers. Dass dieser im Verwaltungsverfahren nach § 255 Abs 2 S 1 SGB V vor seiner Entscheidung über die Einbehaltung rückständiger Krankenversicherungsbeiträge aus der Rente (isolierte) Feststellungen über den Beitragstatbestand treffen können muss, wird auch daraus deutlich, dass solche Feststellungen das in dieser Vorschrift geregelte Verwaltungsverfahren - und damit die Erreichung eines seiner Zwecke, die Beitragseinbehaltung sozial verträglich zu gestalten - praktisch erst ermöglichen. Wie bereits erörtert, darf der Rentenbezieher nach § 255 Abs 2 S 1 2. Halbs SGB V iVm § 51 Abs 2 SGB I durch die Einbehaltung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII werden. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Rentenversicherungsträger verwaltungspraktisch grundsätzlich erst in einem zweiten Schritt über die Beitragseinbehaltung befinden könne, nachdem er in einem ersten Schritt die "Beitragsschuld" des Rentners (bindend) festgestellt, diesen im Rahmen des § 24 SGB X zur Frage möglicherweise eintretender Hilfebedürftigkeit angehört und dessen Äußerung abgewartet habe.

34

Nach alledem sind die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen begründet. Die Entscheidungen der Instanzgerichte mussten aufgehoben werden; die von dem Kläger erhobene Klage war abzuweisen.

35

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R zitiert 20 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 5 Versicherungspflicht


(1) Versicherungspflichtig sind1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,2.Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht be

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 24 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn 1. eine sof

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 164


(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das an

Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen


Gesundheits-Reformgesetz - GRG

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 25 Verjährung


(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 51 Aufrechnung


(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind. (2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht e

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 264 Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, s

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 228 Rente als beitragspflichtige Einnahmen


(1) Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gelten Renten der allgemeinen Rentenversicherung sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung einschließlich der Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung. Satz 1 gilt auch, wenn

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 41


(1) Bei dem Bundessozialgericht wird ein Großer Senat gebildet. (2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. (3) Eine Vorlage an den Großen Sen

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 237 Beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner


Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt1.der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,2.der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und3.das Arbeitseinkommen.Bei Versicherungspflich

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 255 Beitragszahlung aus der Rente


(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu t

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 252 Beitragszahlung


(1) Soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat. Abweichend von Satz 1 zahlen die Bundesagentur für Arbeit oder in den Fällen des § 6a des Zweiten Buches die zugelassenen kommu

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 249a Tragung der Beiträge bei Versicherungspflichtigen mit Rentenbezug


Versicherungspflichtige, die eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 beziehen, und die Träger der Rentenversicherung tragen die nach der Rente zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Bei Versicherungspflichtigen, die eine für sie nach § 237 Satz 2

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 KR 16/14 R

bei uns veröffentlicht am 31.03.2017

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 aufgehoben, soweit darin das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 ge

Bundessozialgericht Beschluss, 23. Feb. 2017 - B 5 SF 5/16 AR

bei uns veröffentlicht am 23.02.2017

Tenor Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist. G

Bundessozialgericht Beschluss, 06. Okt. 2016 - B 5 SF 4/16 AR

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

Tenor Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist. G

Bundessozialgericht Beschluss, 06. Okt. 2016 - B 5 SF 3/16 AR

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

Tenor Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist. G
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R.

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Jan. 2018 - L 3 R 270/17

bei uns veröffentlicht am 11.01.2018

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Der am ... 1948 geborene Kläger hat im Verlauf des Verfahrens verschiedene Begehr

Referenzen

(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.

(2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge mit einem ihr obliegenden Erstattungsbetrag gemäß § 28 Nummer 1 des Vierten Buches verrechnen. Wird nachträglich festgestellt, dass ein freiwilliges Mitglied, das eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 bezieht, versicherungspflichtig ist und ersucht der Träger der Rentenversicherung die Krankenkasse um Verrechnung des der Krankenkasse obliegenden Erstattungsbetrags der als freiwilliges Mitglied entrichteten Beiträge mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge oder mit einem Anspruch auf Erstattung eines nach § 106 des Sechsten Buches geleisteten Zuschusses zur Krankenversicherung, ist die Erstattung, sofern sie im Übrigen möglich ist, spätestens innerhalb von zwei Monaten zu erbringen, nachdem die Krankenkasse den Träger der Rentenversicherung informiert hat, dass das freiwillige Mitglied versicherungspflichtig war. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

(3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Rente gezahlt wird. Wird eine Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat vorausgeht, in dem sie fällig wird (§ 272a des Sechsten Buches), werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 abweichend von Satz 1 am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt wird, fällig. Am Achten eines Monats wird ein Betrag in Höhe von 300 Millionen Euro fällig; die im selben Monat fälligen Beträge nach den Sätzen 1 und 2 verringern sich um diesen Betrag. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 an den Gesundheitsfonds weiter und teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung bis zum 15. des Monats die voraussichtliche Höhe der am letzten Bankarbeitstag fälligen Beträge mit.

(3a) u. (4) (weggefallen)

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Tenor

Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist.

Gründe

1

I. Dem anfragenden 12. Senat des BSG liegt ein Rechtsstreit vor, in dem darüber zu befinden ist, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Synchronsprecher als Beschäftigter versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, und ob er insoweit als "unständig" Beschäftigter zu qualifizieren ist. Der 12. Senat beabsichtigt die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Er sieht sich hieran durch die vom 5. Senat in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung gehindert. Würde der 12. Senat dem 5. Senat folgen, wäre die Revision des Klägers nach Ansicht des 12. Senats als unzulässig zu verwerfen. Er hat daher beim 5. Senat mit Beschluss vom 27.4.2016 (B 12 KR 16/14 R - Juris) angefragt,

        

"ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält, dass die formgerechte Begründung einer Revision iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts

        

a) die ausdrückliche Angabe erfordert, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, und 'an welcher genauen Stelle' er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7),

        

b) es erfordert, das Bundessozialgericht in die Lage zu versetzen, 'ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind' (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7; vgl auch Beschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 8 f)."

2

II. Im Mittelpunkt der Anfrage des 12. Senats steht die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG und die sich hieraus ergebende Pflicht zur Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

3

1. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Nach Satz 3 muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

4

a) § 164 Abs 2 S 3 SGG ist dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO(idF der Bekanntmachung vom 5.6.1905, RGBl S 536, 537) nachgebildet (vgl BSG Urteil vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG und Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG); die für das Verfahren nach der ZPO gültigen Maßstäbe gelten daher auch für die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG(vgl BSG Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269 f).

5

aa) Anlass der Einfügung des § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF war die - trotz Vergrößerung des Personalbestandes - bestehende Arbeitsbelastung des Reichsgerichts (RG), die sich durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum 1.1.1900 weiter verschärft hatte (vgl RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 4). Der Gesetzesentwurf der Reichsregierung betreffend Änderungen der ZPO sah einen Grund hierfür auch in der Ausgestaltung der auf die Begründung der Revision bezogenen Bestimmung des § 554 ZPO(idF der Bekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl 514 f) als Sollvorschrift. Der Umstand, dass ohne Nachteil für den Erfolg des Rechtsmittels eine Begründung der Revision unterbleiben durfte, hatte nämlich zur Folge, dass eine solche häufig entweder gar nicht oder zu einem Zeitpunkt einging, in welchem sie zur Vorbereitung des Berichterstatters wie des Revisionsgegners nicht mehr dienen konnte, bzw Revisionen kurz vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurden, nachdem der Berichterstatter seine Bearbeitung bereits abgeschlossen hatte (RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 9 f). Gleichwohl sah der Regierungsentwurf den Weg zur Entlastung des RG nicht in der Einführung eines Revisionsbegründungszwangs, sondern in der Erhöhung der Revisionssumme, um auf diese Weise die Zahl der zu bearbeitenden Fälle zu vermindern (RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 10 ff). Auch von Mitgliedern der im Weiteren mit dem Gesetzesentwurf befassten XII. Kommission des Reichstages wurde die Auffassung vertreten, dass die fehlende Pflicht zur Revisionsbegründung in unnötiger Weise die Vorarbeit des Senatspräsidenten und des Berichterstatters erschwere, weil diese die gesamten Akten auch ihrerseits darauf zu prüfen hätten, ob eine Rechtsverletzung vorliege, gleichviel ob diese gerügt worden sei oder nicht (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 26). Anders als die Regierungsvorlage sprach sich die Kommission für die Einführung eines Begründungszwangs aus (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 81). Dieser würde mehr wie bisher davon abhalten, ohne genauere Prüfung eine Revision einzulegen, und dazu führen, dass aussichtslose Revisionen früher zurückgezogen würden. Dem Gericht werde dadurch unnötiges Aktenstudium erspart; die Vorbereitung des Berichterstatters würde erheblich erleichtert und könnte eine viel gründlichere sein, da das gesamte Vorbringen des Revisionsklägers in seinen wesentlichen Punkten rechtzeitig schriftlich vorliege (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 59 f). In den anschließenden Verhandlungen des Reichstags wurde die mit der Einführung des Begründungszwangs bezweckte Entlastung des RG nochmals hervorgehoben und auch auf die für die Anwälte einhergehende Mehrbelastung hingewiesen (vgl Stenographische Berichte über die Verhandlungen des RT 1903/1905, S 6031, 6043 und 6090).

6

bb) Die Rechtsprechung des RG hat in der Pflicht zur Begründung der Revision ein formales Erfordernis erblickt, deren notwendiger Inhalt nicht ohne Rücksicht auf den gesamten Zweck der Vorschriften zur Revisionsbegründung zu bestimmen sei (RG Urteile vom 11.1.1907 - II 357/06 - RGZ 65, 81, 84; vom 3.6.1907 - VI 418/06 - RGZ 66, 178, 180 und vom 3.5.1915 - VI 547/14 - RGZ 87, 5, 6). Die Revisionsbegründungspflicht sei eingeführt worden, um eine Entlastung des RG herbeizuführen (RG Urteile vom 12.12.1918 - VI 251/18 - RGZ 95, 70, 72 und vom 22.3.1926 - IV 362/25 - RGZ 113, 166, 168). Diesem Zweck entsprechend sei die Formvorschrift des § 554 ZPO streng auszulegen und anzuwenden(RG Urteile vom 26.11.1929 - VII 256/29 - RGZ 126, 245, 249 und vom 16.6.1921 - VI 84/21 - RGZ 102, 280, 281 f). Insoweit hat das RG in ständiger Rechtsprechung das Erfordernis aufgestellt, dass nicht nur für die verfahrensrechtlichen Rügen die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, in der Begründungsschrift im Einzelnen bestimmt bezeichnet werden müssen, sondern auch den sachlich-rechtlichen Revisionsangriffen eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keinen Zweifel lassende Begründung zuteilwerden muss, die erkennen lässt, dass der die Revisionsbegründung einreichende Rechtsanwalt sich einer Nachprüfung des angegriffenen Urteils unterzogen hat (RG Urteil vom 27.5.1927 - III 390/26 - RGZ 117, 168, 170 und Beschluss vom 6.11.1928 - VII 514/28 - RGZ 123, 38).

7

In den 1950er und 1960er Jahren hat das BSG im Anschluss an diese Rechtsprechung des RG die grundlegenden Maßstäbe für die Anwendung und Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG herausgearbeitet. § 164 Abs 2 S 3 SGG sei dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF nachgebildet, diene demselben rechtspolitischen Zweck, nämlich der Entlastung des Revisionsgerichts, und sei zu dessen Erreichung streng auszulegen(BSG Urteile vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 -SozR Nr 53 zu § 164 SGG und vom 28.2.1962 - 2 RU 271/58 - BSGE 16, 227 = SozR Nr 48 zu § 164 SGG; Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG). Die Revisionsbegründung soll die Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtern; außerdem soll erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt und dass er infolgedessen unter Umständen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO; Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269, 270). Eine die Zulässigkeitsschwelle überwindende Revisionsbegründung muss aus sich heraus erkennen lassen, dass der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil nachgeprüft hat (BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO und Beschlüsse vom 17.1.1958, aaO und 24.9.1957, aaO).

8

Hieran anknüpfend und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des RG vom 27.5.1927 (RGZ 117, 168) hat im Weiteren der anfragende Senat mit Beschluss vom 13.12.1976 (12 RK 46/76 - SozR 1500 § 164 Nr 5 S 5) die an eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen dahingehend konkretisiert, dass auch bei materiell-rechtlichen Revisionsangriffen die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei zu begründen sei. Wie im Rahmen von Verfahrensrügen seien auch bei materiell-rechtlichen Revisionsrügen die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Das Revisionsgericht müsse nämlich anhand der Revisionsbegründung erkennen können, dass der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel der Revision überprüft hat, um so dem gesetzgeberischen Zweck des § 164 Abs 2 S 3 SGG zu genügen, aussichtslose Revisionen nach Möglichkeit von vornherein zu verhindern. Als Ergebnis der eigenen Nachprüfung habe der Prozessbevollmächtigte dem Revisionsgericht die Gründe darzulegen, die das Urteil als unrichtig erscheinen lassen.

9

Eine weitere Präzisierung erfuhr diese Rechtsprechung schließlich durch den Beschluss des 11. Senats vom 2.1.1979 (11 RA 54/78 - SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17),der ausgeführt hat:

        

"die Revision ist deshalb - auch bei materiell-rechtlichen Rügen - sorgfältig zu begründen; sie muss jedenfalls die Gründe aufzeigen, die nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten das Urteil im oder in den verbleibenden Streitpunkten unrichtig erscheinen lassen; hierzu bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl BSG SozR Nr 27 zu § 164 SGG; SozR 1500 § 164 Nr 5 mwH; BVerwG, Buchholz 310. § 139 VwGO Nr 34, BFHE 88, 230; 101, 356, 357; 102, 217, 219). Bei alledem sind stets die Voraussetzungen im Auge zu behalten, unter denen das Gesetz dem Revisionsgericht überhaupt eine Korrektur von unrichtigen Urteilen erlaubt; die Revisionsbegründung muss daher grundsätzlich von tatsächlichem Vorbringen frei sein; sie muss bei materiell-rechtlichen Rügen darlegen, dass und warum eine revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (§ 550 ZPO), dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen zu dieser Vorschrift geschehen (vgl RGZ 117, 168, 171; BVerwG aaO)."

10

Der Entscheidung des 11. Senats vom 2.1.1979 (aaO) haben sich in der Folge alle Senate des BSG (der anfragende Senat mit Urteil vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R - Juris RdNr 11) ausdrücklich angeschlossen. Bereits mit Ende der 1970er Jahre war damit in der Rechtsprechung des BSG abschließend geklärt, welche Anforderungen an die Begründung einer Revision in Bezug auf materiell-rechtliche Rügen über Antrag und Bezeichnung der verletzten Norm hinaus zu stellen sind. Im Weiteren erfuhr die Ausgestaltung des Begründungerfordernisses lediglich neue sprachliche Aus- und Umformungen; eine inhaltliche Abkehr von früheren Entscheidungen - und insbesondere von BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 - verband sich hiermit nicht(vgl exemplarisch BSG Urteil vom 8.2.2000 - B 1 KR 18/99 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 11 S 19 unter Verweis auf BSG SozR 1500 § 164 Nr 12).

11

2. Diese die Vorschrift des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG mit Inhalt füllende Rechtsprechung bildet auch die Grundlage der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Senats.

12

Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

13

3. Will man diese in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen nicht als bloße Leerformeln begreifen, kann eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts diesen logisch und rechtlich nur dann genügen, wenn sie den vom Vordergericht festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände) vollständig darlegt.

14

a) Diese Notwendigkeit folgt aus dem Wesen deduktiver Rechtsanwendung als einem Zusammenfügen von Sätzen über Realitätsausschnitte und normativen Größen (aa) sowie der Bindung des BSG als Revisionsgericht an die vom Vordergericht festgestellten Tatsachen (bb), wird durch den Sinn und Zweck der zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhobenen Revisionsbegründung getragen (cc) und entspricht in vergleichbarer Weise den vom BVerfG an die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG gestellten Anforderungen (dd).

15

aa) Nach § 162 SGG kann die Revision allein darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Wann eine Rechtsverletzung vorliegt, ist in § 546 ZPO geregelt, der iVm § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet(Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 162 RdNr 2). Danach ist das Recht verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Gleichbleibender Rahmen bzw logisches Gerüst jeder Rechtsanwendung ist die Figur des "Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung"; der juristische Denkprozess beim Anwenden einer Norm auf die Beschreibung eines Lebenssachverhalts vollzieht sich nach seinen logischen Schlussregeln (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 271 f; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S 395; Schmidt, JuS 2003, 649). In ihm bildet ein vollständiger Rechtssatz den Obersatz, die Unterordnung eines festgestellten und verbal umschriebenen Sachverhalts unter den Tatbestand des Rechtssatzes den Untersatz. Die Schlussfolge wiederum besagt, dass für den beschriebenen Sachverhalt die im Rechtssatz genannte Rechtsfolge gilt. Mit der Verneinung der Zuordnung der Beschreibung eines Sachverhalts zum Tatbestand eines Rechtssatzes ist indes nicht stets die Verneinung der hieraus ableitbaren konkreten Rechtsfolge verbunden; denn diese lässt sich möglicherweise in Anwendung eines anderen Tatbestands begründen. Ebenso bedarf es der Prüfung, ob der beschriebene Sachverhalt nicht unter den Tatbestand einer einschränkenden Norm fällt, welche die einstweilen gewonnene Rechtsfolgenanordnung begrenzt oder ausschließt.

16

Innerhalb dieses logischen Schlussverfahrens können Fehler nicht nur im Obersatz, sondern auch im Untersatz und in der Schlussfolgerung selbst auftreten (Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 546 RdNr 7; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Juli 2016, § 118 FGO RdNr 32 f; für eine Unterteilung nur in Interpretations- und Subsumtionsfehler etwa BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - Juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 8 mwN; Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl 2015, § 118 FGO RdNr 6). Unrichtige Rechtsanwendung besteht danach zunächst darin, dass die abstrakten Tatbestandsmerkmale einer Norm unzutreffend ausgelegt wurden oder eine anzuwendende Norm übersehen wurde (Interpretationsfehler = Fehler im Obersatz). Fehler können aber auch beim Feststellen von Tatsachen unterlaufen (Feststellungsfehler = Fehler im Untersatz). Derartige Fehler sind, soweit sie die Feststellung selbst betreffen, als "ureigene tatrichterliche Aufgabe" (BSG vom 11.3.2016 - B 9 V 3/16 B - Juris RdNr 6) und Teil der Urteilsfindung allein des Berufungsgerichts einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zur Gänze entzogen. Beanstandungen des im Einzelfall gefundenen Ergebnisses und Versuche, es mit revisionsrechtlichen Angriffen durch ein eigenes abweichendes zu ersetzen, sind damit grundsätzlich unbeachtlich (BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 13/99 R - Die Beiträge Beilage 2002, 380 ff = Juris RdNr 14 und vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 20). Eine Überprüfung kommt insofern allein auf Rüge eines verfahrensfehlerhaften äußeren Zustandekommens einer Tatsachenfeststellung (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) in Betracht, wenn also im Einzelfall gegen das Gebot der Vollständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) bzw gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 21 RdNr 26; BSG SozR Nr 34 und 56 zu § 128 SGG). Schließlich kommt in Betracht, dass festgestellte Tatsachen fehlerhaft einer bestimmten Norm unterstellt oder zu Unrecht einem an sich verwirklichten Normtatbestand nicht unterstellt wurden (Subsumtionsfehler = Fehler im Schlusssatz).

17

Die zur Gewinnung eines Sachverhalts notwendige Abstrahierung von Unwesentlichem kann dabei immer nur in Bezug auf bestimmte Rechtsnormen vorgenommen werden. Umgekehrt können in Betracht zu ziehende Rechtsnormen nur bezüglich eines bestimmten Sachverhalts ausgewählt werden (Schlüter, Das obiter dictum, 1973, S 109). Ober- und Untersatz stehen demnach nicht beziehungslos nebeneinander, sondern greifen wechselwirksam ineinander oder anders gewendet: Für den Obersatz ist wesentlich, was auf den konkreten Fall Bezug hat, und für den konkreten Fall ist nur von Bedeutung, was auf den Obersatz Bezug hat (Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl 1963, S 14 f). Für die Prüfung der Frage, ob die getroffene Entscheidung (Konklusion) von ihren beiden Prämissen getragen wird, dem Gesetz als Obersatz (normative Prämisse) und dem festgestellten Sachverhalt als Untersatz (tatsächliche Prämisse), bedarf es demnach stets und denknotwendig des Wissens um den entscheidungserheblichen Sachverhalt.

18

bb) Der konkret-individuelle Sachverhalt, für den die Rechtsfolgen ermittelt werden sollen und der den Untersatz des Syllogismus bildet, muss anders als der Obersatz, der regelmäßig in formulierten Sätzen vorgegeben ist, erst in solchen beschrieben, also festgestellt werden (Bydlinski, aaO, S 43 f). Der für das Revisionsverfahren relevante Sachverhalt, die tatsächlichen Feststellungen iS von § 163 SGG, findet seinen Ausdruck in dem Untersatz, den die Tatsachengerichte auf der Grundlage ihrer Ermittlungen unter Heranziehung der Beteiligten(§§ 103, 128 Abs 2 SGG)als Ausdruck ihrer begründeten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 128 Abs 1 S 1, 2 SGG) im Urteil zum Ausdruck gebracht haben (§§ 128 Abs 1 S 2, 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Die identische Tatsachengrundlage des Berufungs- wie des Revisionsurteils ist damit rechtlich abschließend und unvertretbar der "Überzeugung" des Tatsachengerichts zugewiesen. Das BSG als Revisionsgericht ist demgegenüber grundsätzlich weder befugt noch verpflichtet, eigene Tatsachen zu ermitteln; es prüft nur, ob im angefochtenen Urteil das revisible Recht richtig angewandt worden ist oder nicht. Dieser Eigenart des Revisionsgerichts als Rechtskontrollinstanz trägt § 163 SGG Rechnung(vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 1 und 4)und berücksichtigt dabei zugleich, dass das individuelle geistige Internum der "Überzeugung" (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) externer Kontrolle schon faktisch weitgehend entzogen ist. Nach § 163 SGG ist das BSG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Diese gesetzlich vorgegebene Bindung legt für das BSG die tatsächliche Grundlage fest, auf der die Revisionsentscheidung allein getroffen werden darf. Es darf und kann seiner rechtlichen Beurteilung grundsätzlich nur den vom Vordergericht festgestellten Sachverhalt zugrunde legen (vgl Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 137 RdNr 142; zur ausnahmsweise möglichen Tatsachenfeststellung durch das BSG vgl Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand Juni 2015, § 163 RdNr 38 ff mit RsprNachw). Die revisionsrechtliche Prüfungsgrundlage muss demnach identisch mit dem Sachverhalt sein, der dem Urteil des Vordergerichts zugrunde liegt und von diesem festgestellt worden ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Revisionsgericht erkennen und darüber befinden, ob dem Tatsachengericht bei seiner Entscheidung Fehler in der Rechtsanwendung unterlaufen sind oder nicht.

19

cc) Die Pflicht zur Revisionsbegründung dient - wie dargelegt - dem Zweck, das Revisionsgericht zu entlasten, indem sie zum einen die Vorbereitung bzw Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtert; zum anderen soll erreicht werden, dass der Rechtsanwalt die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt, und dass er infolgedessen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (Senatsbeschluss vom 16.7.2014 - B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014, 71436 RdNr 9; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 RdNr 206 f; Bley, Festschrift 25 Jahre BSG, 1979, S 817, 846). Vor allem die zweite Zielrichtung des Revisionsbegründungszwangs wäre unvollkommen und weniger effektiv, wenn in der Revisionsbegründung nicht die im Hinblick auf die gerügte Rechtsverletzung gerade vom Vordergericht und im angegriffenen Urteil (exemplarisch BSG SozR 1500 § 164 Nr 28 S 44 ff; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 65 und vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16) festgestellten, entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend mitgeteilt werden müssten. Denn erst so wird zum einen sichergestellt, dass der Revisionsführer die Entscheidungserheblichkeit seiner Ausführungen im Blick behält (vgl BSG Urteil vom 24.2.2016 - Juris RdNr 17 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen), und zum anderen vermieden, dass er seine materiell-rechtlichen Beanstandungen nicht an dem vom Vordergericht festgestellten Sachverhalt darstellt, sondern einen konstruierten Sachverhalt zur Grundlage seines - so möglicherweise leichter "begründbaren" - Vorbringens macht; eine solche, auf einen "erfundenen" Sachverhalt gestützte - und damit keine sachliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zeigende - Revision wäre indes aussichtslos und als unzulässig zu verwerfen (vgl auch BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - 1 BvL 21/83 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz; aA BSG Urteil vom 24.2.2016, aaO, Juris RdNr 19 aE). Das Erfordernis, die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen, besagt daher nach der Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass der Revisionskläger den Streitstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durcharbeiten, sichten und gliedern muss (BVerwG vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 - Juris RdNr 3).

20

dd) In vergleichbarer Weise fordert auch das BVerfG für die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG die Darlegung des für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalts(vgl BVerfG Beschlüsse vom 15.2.2016 - 1 BvL 8/12 - Juris RdNr 18 und vom 12.9.2012 - 1 BvL 11/12 - Juris RdNr 6). Nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Dadurch soll das vorlegende Gericht ua gezwungen werden, die mit dem Vorlagegegenstand verbundenen Rechtsfragen, insbesondere die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage und die Vereinbarkeit der vorzulegenden Rechtsnorm mit höherrangigem Recht, sorgfältig zu durchdenken. Unnötige Vorlagen sollen so vermieden, die Arbeit des BVerfG dementsprechend erleichtert und entlastet werden (Müller-Terpitz in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Februar 2016, § 80 RdNr 238 mit RsprNachw). Um dem Entlastungszweck gerecht werden zu können, muss nach der Rechtsprechung des BVerfG der Vorlagebeschluss aus sich heraus, dh ohne Beiziehung der Akten, verständlich sein (BVerfG Beschlüsse vom 6.9.2012 - 1 BvL 13/12 - NVwZ 2013, 61, 62 und vom 25.6.1974 - 1 BvL 13/69, 1 BvL 23/69, 1 BvL 25/69 - BVerfGE 37, 328, 333 und vom 3.11.1987 - 1 BvL 28/87 - BVerfGE 77, 259, 261; Dederer in Maunz/Dürig, GG, Stand Juli 2016, Art 100 RdNr 191 mit RsprNachw). Das vorlegende Gericht hat deshalb in den Gründen seines Beschlusses den Sachverhalt darzustellen, soweit er für die rechtliche Beurteilung wesentlich ist, und die rechtlichen Erwägungen darzulegen, nach denen es für die von ihm zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten gesetzlichen Vorschrift ankommt (BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65, 308, 314 f und Beschluss vom 2.12.2013 - 1 BvL 5/12 - Juris RdNr 6). Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht der Funktion eines Normenkontrollverfahrens entspricht und nicht seine Aufgabe sein kann, Rechtsfragen zu beantworten, die erkennbar für die Entscheidung der eigentlichen Streitfrage bedeutungslos sind (BVerfG Beschluss vom 22.11.1983 - 2 BvL 5 bis 22/81 - BVerfGE 65, 265, 277); daher darf dem Vorlagebeschluss auch kein konstruierter Sachverhalt zugrunde liegen (BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz). Ohne zutreffende Sachverhaltsdarstellung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das vorlegende Gericht die Rechtslage umfassend gewürdigt, insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen für die Vorlage zutreffend festgestellt hat (BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65, 308, 315). Genügt eine Vorlage diesen Anforderungen an die Sachdarstellung nicht, ist sie als unzulässig zu verwerfen (vgl BVerfG Beschluss vom 16.11.1992 - 1 BvL 31/88, 1 BvL 10/92 und 1 BvL 11/92 - BVerfGE 87, 341, 346 f).

21

b) Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung. Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener Qualität und sind naturgemäß am geringsten, wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich kundgetan hat, wovon es aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe des Revisionsführers wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung deutlich wird, von welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit (BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr 17 - Juris RdNr 15) - und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt als dessen geistigen Gehalt entnimmt.

22

aa) Zutreffend geht der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 20) daher davon aus, dass eine formgerechte Revisionsbegründung nicht stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffes und der angegriffenen Entscheidung als Ganzes erfordert. Auch bedarf sie nicht zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich relevanten Tatumstände. Entsprechendes wird bisweilen auch gar nicht möglich sein, da bindende Feststellungen in der Entscheidung des Tatsachengerichts nicht ausdrücklich getroffen sein müssen; sie können sich auch mittelbar aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen ergeben (BFH Urteil vom 22.1.2013 - IX R 18/12 - HFR 2013, 783, 785; vgl auch BSG Urteil vom 10.8.2000 - B 11 AL 83/99 R - Juris RdNr 21). Ebenso vertritt der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 20) die zutreffende Rechtsauffassung, dass das bloß punktuelle Ansprechen einzelner Sachverhaltselemente und Feststellungen des Vordergerichts ebenso wenig wie deren Behandlung mit eigenen tatsächlichen und rechtlichen Wertungen bzw deren Vermischung mit nicht berücksichtigungsfähigem neuen Tatsachenvorbringen ausreichend ist (vgl Senatsbeschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 9).

23

bb) Soweit der anfragende Senat unter Buchst a) seines Tenors indes ausführt, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sei für eine formgerechte Revisionsbegründung "die ausdrückliche Angabe erforderlich, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat und an welcher genauen Stelle er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte", geht er von unzutreffenden Annahmen aus.

24

Die Revisionsbegründung muss nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats allein erkennen lassen, dass der geschilderte Sachverhalt ganz oder teilweise mit demjenigen des angegriffenen Urteils identisch ist (Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/11 R - Juris RdNr 17), bzw keine Zweifel lassen, dass sie die Anwendung revisiblen Rechts allein und gerade hinsichtlich des entscheidungserheblichen, vom Tatsachengericht auf der Grundlage der diesem vorbehaltenen Überzeugung festgestellten Sachverhalts durch das Revisionsgericht überprüft wissen will (vgl Senatsbeschluss vom 16.3.2016 - B 5 RE 3/15 R - BeckRS 2016, 67705 RdNr 9). Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus der revisionsgerichtlichen Auslegung des Revisionsvorbringens im Einzelfall (Senatsbeschluss vom 16.3.2016, aaO); dabei ist die "Revisionsbegründung als Willenserklärung" der Auslegung grundsätzlich zugängig (so schon RG Urteil vom 7.4.1933 - I 303/33 - RGSt 67, 197, 198). Diese Rechtsauffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des anfragenden Senats. Nach dieser kann von einer notwendigen Durchdringung der Sach- und Rechtslage (erst dann) nicht mehr ausgegangen werden, wenn anhand der Revisionsbegründung nicht erkennbar wird, dass der Revisionsführer auch die - ohne zulässige Verfahrensrügen für das BSG bindenden (§ 163 SGG) - wesentlichen tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils erfasst, diese zutreffend mitgeteilt und seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde gelegt hat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 18, 26).

25

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats fordert hingegen nicht - was der anfragende Senat verkennt - die "ausdrückliche Angabe", dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, sondern erachtet hierauf bezogene Hinweise als ausreichend (vgl etwa Senatsbeschlüsse vom 22.7.2015 - BeckRS 2015, 70865 RdNr 9 und vom 13.2.2013 - B 5 R 28/12 R - BeckRS 2013, 66976 RdNr 9). Angaben, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil bestimmte Tatumstände zu entnehmen sind, bedarf es regelmäßig nur dann, wenn nicht ohne Weiteres erkennbar ist, welchen Lebenssachverhalt sich das Tatsachengericht als für seine Entscheidung maßgeblich vorgestellt hat und dieser erst ermittelt werden muss, weil die Urteilsgründe einer entsprechenden Interpretation bedürfen (vgl Berchtold, aaO, § 8 RdNr 92, 257). Der erkennende Senat hat die vom anfragenden Senat unter Buchst a) des Tenors zitierte Formulierung im Kontext von Fällen gebraucht, in denen der festgestellte Sachverhalt lediglich bruchstückhaft oder in Ansätzen wiedergegeben wurde (vgl Senatsbeschlüsse vom 13.2.2013, aaO, vom 16.4.2013 - B 5 R 98/11 R - BeckRS 2013, 68747 RdNr 11 aE, vom 24.9.2013 - B 5 R 66/11 R - BeckRS 2013, 73558 RdNr 8, vom 16.7.2014 - BeckRS 2014, 71436 RdNr 12, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 8, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9 und vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7). Es handelt sich hierbei um auf die Würdigung des Einzelfalles bezogene Aussagen, die nicht als unverzichtbares Element eines abstrakten Rechtssatzes, sondern nur als "Indizien" im Rahmen der Subsumtion unter diesen Verwendung finden. Eine Divergenz und damit eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen käme lediglich dann in Betracht, wenn den Entscheidungen des erkennenden Senats ein fallübergreifender Rechtssatz des vom anfragenden Senats zitierten Inhalts entnommen werden könnte (vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 65/11 R - SozR 4-1500 § 163 Nr 6 RdNr 30 f; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 41 RdNr 11). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.

26

c) Diese Rechtsprechung des erkennenden Senats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie macht die Revisionsbegründung nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig.

27

Zu Recht weist der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 25) darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG der Zugang zum jeweils vorgesehenen gerichtlichen Instanzenzug mit Rücksicht auf Art 19 Abs 4 S 1 GG nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf. Dies müssen die Gerichte auch bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Sie dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.7.2016 - 2 BvR 2040/15 - Juris RdNr 13). Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 19.11.2015 - 2 BvR 2577/14 - Juris RdNr 6). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 164 Abs 2 S 3 SGG, die nicht derart erschwert werden dürfen, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können.

28

Indes sind die vom erkennenden Senat aufgestellten Erfordernisse an eine materiell-rechtliche Revisionsrüge verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben (Senatsbeschluss vom 18.2.1980 - 5 RKn 1/78 - und nachgehend BVerfG Beschluss vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29 f). Nach Auffassung des BVerfG steht es in Übereinstimmung mit Verfassungsrecht, wenn das BSG im Einklang mit seiner eigenen ständigen Rechtsprechung und mit der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes die Begründung der Revision nur dann als formgerecht erachtet, wenn sie die Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffes durch den zugelassenen Prozessbevollmächtigten erkennen lässt. Diese an den Zwecken des Revisionsverfahrens ausgerichtete Auslegung der einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften verletze weder Art 3 Abs 1 GG noch Art 103 Abs 1 GG; letztere Bestimmung schließe es nicht aus, dass ein Gericht das sachliche Vorbringen eines Beteiligten aus prozessrechtlichen Gründen unberücksichtigt lässt. Auch im Hinblick auf die durch Art 19 Abs 4 S 1 GG gewährleistete Rechtsweggarantie bestehen nach Ansicht des BVerfG keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beschreitung des Rechtswegs könne in den Prozessordnungen von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden; durch die vom BSG für notwendig erachteten Anforderungen an die Begründung der Revision werde der Zugang zum Revisionsgericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise behindert.

29

Insbesondere kann das - in konkreter Umsetzung der ständigen Rechtsprechung des BSG - vom erkennenden Senat aufgestellte Erfordernis der Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts mit zumutbaren Aufwand nicht allein von einem spezialisierten Rechtsanwalt erfüllt werden. Im Gegenteil ist die Wiedergabe der rechtlich relevanten Tatumstände idealiter das mit dem geringsten Aufwand verbundene Element der Revisionsbegründung. Es bedarf im Wesentlichen nur der allgemeinen Erkenntnis, dass Rechtsanwendung in seiner grundlegendsten Form darin besteht, dass ein Lebenstatbestand unter die maßgebende Rechtsnorm subsumiert wird, so dass sich eine bestimmte Rechtsfolge ergibt (vgl Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 15. Aufl 1959, S 311), sowie des Wissens, dass ein Revisionsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts gebunden ist. Von einer Überforderung eines durchschnittlichen Rechtsanwalts kann bei den Darlegungsanforderungen des skizzierten Inhalts keine Rede sein.

30

d) Entgegen dem anfragenden Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 26 f) überträgt der erkennende Senat durch Anwendung des unter Buchst b) des Tenors zitierten Rechtssatzes nicht die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten strengen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bzw an den Inhalt einer Revisionsbegründung im Falle von Verfahrensrügen auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Revisionszulassungsgründe (§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 bis Nr 3 SGG) substantiiert und schlüssig dazulegen bzw zu bezeichnen (Senatsbeschlüsse vom 7.6.2016 - B 5 AL 1/16 B - BeckRS 2016, 71174 RdNr 8 f und vom 25.3.2014 - B 5 R 416/13 B - BeckRS 2014, 68316 RdNr 10, 13, 17; vgl auch Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 43). Durch die hohen Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde soll das Beschwerdegericht der Mühe enthoben sein, selbst die Akten auf mögliche Zulassungsgründe zu durchsuchen; die Beschwerdebegründung muss es in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (Senatsbeschluss vom 7.6.2016, aaO RdNr 11; vgl auch Karmanski, aaO, § 160a RdNr 44).

32

Soweit im Rahmen der Revision die tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts angefochten werden (vgl § 163 SGG), sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Bezug auf diese Feststellungen zulässige Revisionsgründe vorzubringen und vollständig und schlüssig zu begründen. Dies erfordert zur Bezeichnung der Tatsachen, die den (behaupteten) Mangel ergeben, alle relevanten Verfahrensvorgänge so genau und widerspruchsfrei zu bezeichnen, dass das BSG allein aufgrund der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber zu entscheiden, ob das Urteil des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann, dh das Vordergericht ohne den gerügten Verfahrensmangel ggf anders entschieden hätte (Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13). Diese gesteigerten Anforderungen folgen aus dem Wortlaut des § 164 Abs 2 S 3 SGG und dienen zusammen mit der sich aus § 202 SGG iVm § 557 Abs 3 S 2 ZPO ergebenden Rügepflicht dem Zweck der Entlastung des Revisionsgerichts, welches andernfalls gehalten wäre, das gesamte vorhergehende Verfahren auf das Vorhandensein von Mängeln zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - BSGE 1, 227, 231; Behn in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 164 RdNr 224).

33

bb) Werden materiell-rechtliche Rügen erhoben, stellt das Gesetz - worauf der anfragende Senat zu Recht hinweist (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 27) - keine so hohen Anforderungen an die Begründung der Revision (vgl Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 14). Das ergibt sich bereits daraus, dass insofern allein der Rückgriff auf die im Urteil ohnehin getroffenen Feststellungen möglich und zulässig ist (§ 163 SGG), während dies bei den tatsächlichen Grundlagen von Verfahrensmängeln, die erst zusammengetragen werden müssen, gerade nicht in Betracht kommt. Dennoch entspricht es der ständigen Rechtsprechung bereits des RG und des BSG, dass auch die Begründungserfordernisse bei materiell-rechtlichen Rügen ungeachtet der erst im Rahmen der Begründetheit zu klärenden Frage, ob die Revisionsbegründung den Revisionsangriff auch trägt (BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 - Juris RdNr 8), ua der Entlastung des Revisionsgerichts und seines Berichterstatters dienen (exemplarisch RGZ 87, 5, 6; BSG Urteil vom 20.1.2005 - B 3 KR 22/03 R - USK 2005-95 - Juris RdNr 16 und Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - Juris RdNr 8 mwN). Es bedarf daher als Teil einer sorgfältigen sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfreien Begründung zur Individualisierung des Lebenssachverhalts, aus dem sich die behauptete Rechtsverletzung herleitet (BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 11), in der Begründungsschrift selbst aus sich heraus erkennbar ua der Darlegung des im angegriffenen Urteil festgestellten Sachverhalts (BSG Beschluss vom 17.1.1958 - BSGE 6, 269, 270; BSG Urteil vom 30.6.1964 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG = Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 13.10.1983 - 11 RAz 3/82 - Juris RdNr 11; BSG Urteil vom 28.1.1981 - 9 RV 1/80 - Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 = Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 24.11.1983 - 3 RK 7/83 - Juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 164 Nr 25 = Juris RdNr 7; BSG SozR 1500 § 164 Nr 29 = Juris RdNr 9 f; BSG Beschluss vom 21.7.1988 - 3 RK 17/87 - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.6.1990 - 9a RVs 2/90 - Juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 10.4.1991 - 6 RKa 7/90 - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 = Juris RdNr 20; BSG Urteil vom 29.8.1996 - 4 RA 105/95 - Juris RdNr 12; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 = Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16, stRspr; ebenso BFH Urteil vom 28.4.1987 - IX R 9/83 - BFH/NV 1988, 151 = Juris RdNr 9; BFH Beschluss vom 11.12.1986 - V R 135/85 - BFH/NV 1988, 92 = Juris RdNr 21 f; BFH Urteil vom 5.10.1999 - VII R 25/98 - BFH/NV 2000, 235 = Juris RdNr 14; BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 6.12.1984 - 9 C 41/84 - NJW 1985, 1235 = Juris RdNr 3, stRspr; BAG Urteil vom 29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 = Juris RdNr 14, stRspr). Nur so kann der Revisionsführer dem Revisionsgericht "erklären", warum er nach Durcharbeitung des Prozessstoffs und der gebotenen Selbstüberprüfung seines Vorbringens in der Vorinstanz mit der angefochtenen Entscheidung nicht einverstanden ist (BFH Beschluss vom 17.7.1985 - II R 122/83 - BFH/NV 1986, 164 = Juris RdNr 9).

34

Wie ausgeführt hat dies mit der Begründetheitsprüfung noch nichts zu tun. Vielmehr entspricht es auch der Rechtsprechung des Senats, dass es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung in einem Revisionsverfahren nicht darauf ankommt, ob die materielle Rüge den Revisionsangriff im Ergebnis trägt bzw die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil aus der Sicht des Revisionsgerichts überzeugend oder gar schlüssig ist; dies ist allein eine Frage der Begründetheit der Revision (Senatsurteil vom 25.6.1975 - 5 RKn 41/74 - SozR 2600 § 54 Nr 1 = Juris RdNr 16; vgl auch BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 17.12.1990 - 5 CB 42/90 - Juris RdNr 2; BGH Urteil vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2016, § 164 RdNr 27d; Neumann in Sodan/Ziekow, aaO, § 139 RdNr 95, 102; Krüger in MüKo zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 551 RdNr 20 aE). Die Pflicht zur Begründung der Revision zielt nicht darauf ab, eine qualifizierte Erfolgsprognose über das Rechtsmittel in der Hauptsache zu einem Bestandteil der Sachurteilsvoraussetzungen desselben zu erheben und die Begründetheitsprüfung gleichsam in die Zulässigkeitsprüfung vorzuverlagern (BSG Urteile vom 24.2.2016 - Juris RdNr 13 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen und vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12).

35

Den Beschlüssen des Senats vom 16.7.2014 (BeckRS 2014, 71436 RdNr 12), vom 25.9.2014 (B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 8 und B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9), vom 5.11.2014 (BeckRS 2014, 74155 RdNr 8) und dem Urteil vom 23.7.2015 (B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7) kann nichts anderes entnommen werden. Der dortige Hinweis, dass die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts es ermöglichen muss, das BSG in die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind", vermittelt nur vordergründig und bei isolierter Orientierung am Wortlaut den unzutreffenden Eindruck einer vorgezogenen Begründetheitsprüfung. Es gehört zu den Grundsätzen der allgemeinen Hermeneutik, dass in sich geschlossene Ausführungen als Einheit zu begreifen sind; dh der Inhalt eines einzelnen Satzes kann nicht losgelöst vom Textganzen, sondern nur aus diesem heraus bestimmt werden (vgl Coing, Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Zivilrecht, Bd 1, 1982, S 208, 217). Der maßgebende und entscheidungstragende Rechtssatz, der die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG präzisiert, findet sich in den vorbezeichneten Entscheidungen jeweils vorangehend(Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 10, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - aaO RdNr 6, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - aaO RdNr 6 und vom 5.11.2014, aaO RdNr 7; Senatsurteil vom 23.7.2015, aaO RdNr 5). Er lautet:

        

"Um anhand der Revisionsbegründung nachvollziehen zu können, ob der Revisionskläger bzw sein Prozessvertreter das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und die Rechtslage genau durchdacht hat, muss die Revision daher sowohl bei prozessualen als auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig begründet werden".

36

Dieser öffnende Obersatz - zu dem alle weiteren Sätze in Beziehung zu setzen sind - macht deutlich, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die materiell-rechtliche Rüge im Revisionsverfahren nicht den gesteigerten Anforderungen einer Verfahrensrüge oder Nichtzulassungsbeschwerde genügen und die Revisionsentscheidung im Einzelnen auch nicht gleichsam vorwegnehmen muss; es ist ausreichend, dass die Begründung rechtliche Erwägungen anstellt, die das angegriffene Urteil als unrichtig, somit eine Rechtsnorm als verletzt erscheinen lassen können. Nach alldem mag allein eine zu kurz greifende, isolierte Betrachtung für die vom anfragenden Senat gezogene Schlussfolgerung sprechen; die gebotene Kontextualisierung des streitbefangenen Rechtssatzes trägt eine solche Interpretation indes nicht.

37

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dieser vom anfragenden Senat unter Buchst b) des Tenors zitierte Rechtssatz auch nicht der die bezeichneten Entscheidungen allein tragende rechtliche Gesichtspunkt war. Tragend sind diejenigen Rechtsauffassungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Stützt sich ein konkretes Ergebnis der Entscheidung auf mehrere selbständig tragfähige Begründungen und will der anfragende Senat nur von einer dieser Begründungen abweichen, liegt keine die Anrufung des Großen Senats des BSG begründende Divergenz vor (vgl BFH Beschluss vom 22.7.1977 - III B 34/74 - BFHE 123, 112, 116; Behn in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 41 RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 3.7.2012 - 2 PBvU 1/11 - BVerfGE 132, 1, 4 f). So liegen die Dinge hier. Der erkennende Senat hat die Notwendigkeit der Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in den vorbezeichneten Entscheidungen durchgehend vor allem damit begründet, dass eine Revision auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig zu begründen ist und ohne Angaben zum festgestellten Sachverhalt eine Überprüfung des vorgenommenen Subsumtionsschlusses von vornherein ausgeschlossen ist (Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014 - BeckRS 2014, 71436 RdNr 10 f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 6 f, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 6, 9 und vom 5.11.2014 - BeckRS 2014, 74155 RdNr 7 f, Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 5 f); zudem wurde in diesen Entscheidungen das Rechtsmittel auch deshalb als unzulässig verworfen, weil die jeweilige Revisionsbegründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils nicht in der gebotenen Weise eingegangen ist (Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 13 f, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R, aaO RdNr 9 ff, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R, aaO RdNr 10 ff und vom 5.11.2014, aaO RdNr 9 f, Senatsurteil vom 23.7.2015, aaO RdNr 8 f). Die vorerwähnten Entscheidungen des Senats wären mithin nicht anders ausgefallen, wenn die zweite vom anfragenden Senat aufgeworfene Rechtsfrage in den Gründen dieser Entscheidungen unerwähnt geblieben wäre. Ihre Niederlegung trägt diese nicht derart, dass sie jeweils ein unabdingbares Glied in der Gedankenkette des Senats darstellten (vgl BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 23/13 R - Juris RdNr 23).

38

Worin nach alldem der zusätzliche rechtliche Ertrag eines Anrufungsverfahrens bestehen könnte, vermag sich dem erkennenden Senat nicht zu erschließen.

Tenor

Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist.

Gründe

1

I. Dem anfragenden 12. Senat des BSG liegt ein Rechtsstreit vor, in dem darüber zu befinden ist, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Synchronsprecherin als Beschäftigte versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, und ob sie insoweit als "unständig" Beschäftigte zu qualifizieren ist. Der 12. Senat beabsichtigt die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Er sieht sich hieran durch die vom 5. Senat in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung gehindert. Würde der 12. Senat dem 5. Senat folgen, wäre die Revision der Beklagten nach Ansicht des 12. Senats als unzulässig zu verwerfen. Er hat daher beim 5. Senat mit Beschluss vom 27.4.2016 (B 12 KR 17/14 R - Juris) angefragt,

        

"ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält, dass die formgerechte Begründung einer Revision iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts

        

a) die ausdrückliche Angabe erfordert, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, und 'an welcher genauen Stelle' er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7),

        

b) es erfordert, das Bundessozialgericht in die Lage zu versetzen, 'ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind' (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7; vgl auch Beschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 8 f)."

2

II. Im Mittelpunkt der Anfrage des 12. Senats steht die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG und die sich hieraus ergebende Pflicht zur Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

3

1. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Nach Satz 3 muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

4

a) § 164 Abs 2 S 3 SGG ist dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO(idF der Bekanntmachung vom 5.6.1905, RGBl S 536, 537) nachgebildet (vgl BSG Urteil vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG und Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG); die für das Verfahren nach der ZPO gültigen Maßstäbe gelten daher auch für die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG(vgl BSG Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269 f).

5

aa) Anlass der Einfügung des § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF war die - trotz Vergrößerung des Personalbestandes - bestehende Arbeitsbelastung des Reichsgerichts (RG), die sich durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum 1.1.1900 weiter verschärft hatte (vgl RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 4). Der Gesetzesentwurf der Reichsregierung betreffend Änderungen der ZPO sah einen Grund hierfür auch in der Ausgestaltung der auf die Begründung der Revision bezogenen Bestimmung des § 554 ZPO(idF der Bekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl 514 f) als Sollvorschrift. Der Umstand, dass ohne Nachteil für den Erfolg des Rechtsmittels eine Begründung der Revision unterbleiben durfte, hatte nämlich zur Folge, dass eine solche häufig entweder gar nicht oder zu einem Zeitpunkt einging, in welchem sie zur Vorbereitung des Berichterstatters wie des Revisionsgegners nicht mehr dienen konnte, bzw Revisionen kurz vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurden, nachdem der Berichterstatter seine Bearbeitung bereits abgeschlossen hatte (RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 9 f). Gleichwohl sah der Regierungsentwurf den Weg zur Entlastung des RG nicht in der Einführung eines Revisionsbegründungszwangs, sondern in der Erhöhung der Revisionssumme, um auf diese Weise die Zahl der zu bearbeitenden Fälle zu vermindern (RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 10 ff). Auch von Mitgliedern der im Weiteren mit dem Gesetzesentwurf befassten XII. Kommission des Reichstages wurde die Auffassung vertreten, dass die fehlende Pflicht zur Revisionsbegründung in unnötiger Weise die Vorarbeit des Senatspräsidenten und des Berichterstatters erschwere, weil diese die gesamten Akten auch ihrerseits darauf zu prüfen hätten, ob eine Rechtsverletzung vorliege, gleichviel ob diese gerügt worden sei oder nicht (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 26). Anders als die Regierungsvorlage sprach sich die Kommission für die Einführung eines Begründungszwangs aus (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 81). Dieser würde mehr wie bisher davon abhalten, ohne genauere Prüfung eine Revision einzulegen, und dazu führen, dass aussichtslose Revisionen früher zurückgezogen würden. Dem Gericht werde dadurch unnötiges Aktenstudium erspart; die Vorbereitung des Berichterstatters würde erheblich erleichtert und könnte eine viel gründlichere sein, da das gesamte Vorbringen des Revisionsklägers in seinen wesentlichen Punkten rechtzeitig schriftlich vorliege (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 59 f). In den anschließenden Verhandlungen des Reichstags wurde die mit der Einführung des Begründungszwangs bezweckte Entlastung des RG nochmals hervorgehoben und auch auf die für die Anwälte einhergehende Mehrbelastung hingewiesen (vgl Stenographische Berichte über die Verhandlungen des RT 1903/1905, S 6031, 6043 und 6090).

6

bb) Die Rechtsprechung des RG hat in der Pflicht zur Begründung der Revision ein formales Erfordernis erblickt, deren notwendiger Inhalt nicht ohne Rücksicht auf den gesamten Zweck der Vorschriften zur Revisionsbegründung zu bestimmen sei (RG Urteile vom 11.1.1907 - II 357/06 - RGZ 65, 81, 84; vom 3.6.1907 - VI 418/06 - RGZ 66, 178, 180 und vom 3.5.1915 - VI 547/14 - RGZ 87, 5, 6). Die Revisionsbegründungspflicht sei eingeführt worden, um eine Entlastung des RG herbeizuführen (RG Urteile vom 12.12.1918 - VI 251/18 - RGZ 95, 70, 72 und vom 22.3.1926 - IV 362/25 - RGZ 113, 166, 168). Diesem Zweck entsprechend sei die Formvorschrift des § 554 ZPO streng auszulegen und anzuwenden(RG Urteile vom 26.11.1929 - VII 256/29 - RGZ 126, 245, 249 und vom 16.6.1921 - VI 84/21 - RGZ 102, 280, 281 f). Insoweit hat das RG in ständiger Rechtsprechung das Erfordernis aufgestellt, dass nicht nur für die verfahrensrechtlichen Rügen die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, in der Begründungsschrift im Einzelnen bestimmt bezeichnet werden müssen, sondern auch den sachlich-rechtlichen Revisionsangriffen eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keinen Zweifel lassende Begründung zuteilwerden muss, die erkennen lässt, dass der die Revisionsbegründung einreichende Rechtsanwalt sich einer Nachprüfung des angegriffenen Urteils unterzogen hat (RG Urteil vom 27.5.1927 - III 390/26 - RGZ 117, 168, 170 und Beschluss vom 6.11.1928 - VII 514/28 - RGZ 123, 38).

7

In den 1950er und 1960er Jahren hat das BSG im Anschluss an diese Rechtsprechung des RG die grundlegenden Maßstäbe für die Anwendung und Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG herausgearbeitet. § 164 Abs 2 S 3 SGG sei dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF nachgebildet, diene demselben rechtspolitischen Zweck, nämlich der Entlastung des Revisionsgerichts, und sei zu dessen Erreichung streng auszulegen(BSG Urteile vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG und vom 28.2.1962 - 2 RU 271/58 - BSGE 16, 227 = SozR Nr 48 zu § 164 SGG; Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG). Die Revisionsbegründung soll die Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtern; außerdem soll erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt und dass er infolgedessen unter Umständen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO; Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269, 270). Eine die Zulässigkeitsschwelle überwindende Revisionsbegründung muss aus sich heraus erkennen lassen, dass der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil nachgeprüft hat (BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO und Beschlüsse vom 17.1.1958, aaO und 24.9.1957, aaO).

8

Hieran anknüpfend und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des RG vom 27.5.1927 (RGZ 117, 168) hat im Weiteren der anfragende Senat mit Beschluss vom 13.12.1976 (12 RK 46/76 - SozR 1500 § 164 Nr 5 S 5) die an eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen dahingehend konkretisiert, dass auch bei materiell-rechtlichen Revisionsangriffen die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei zu begründen sei. Wie im Rahmen von Verfahrensrügen seien auch bei materiell-rechtlichen Revisionsrügen die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Das Revisionsgericht müsse nämlich anhand der Revisionsbegründung erkennen können, dass der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel der Revision überprüft hat, um so dem gesetzgeberischen Zweck des § 164 Abs 2 S 3 SGG zu genügen, aussichtslose Revisionen nach Möglichkeit von vornherein zu verhindern. Als Ergebnis der eigenen Nachprüfung habe der Prozessbevollmächtigte dem Revisionsgericht die Gründe darzulegen, die das Urteil als unrichtig erscheinen lassen.

9

Eine weitere Präzisierung erfuhr diese Rechtsprechung schließlich durch den Beschluss des 11. Senats vom 2.1.1979 (11 RA 54/78 - SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17),der ausgeführt hat:

        

"die Revision ist deshalb - auch bei materiell-rechtlichen Rügen - sorgfältig zu begründen; sie muss jedenfalls die Gründe aufzeigen, die nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten das Urteil im oder in den verbleibenden Streitpunkten unrichtig erscheinen lassen; hierzu bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl BSG SozR Nr 27 zu § 164 SGG; SozR 1500 § 164 Nr 5 mwH; BVerwG, Buchholz 310. § 139 VwGO Nr 34, BFHE 88, 230; 101, 356, 357; 102, 217, 219). Bei alledem sind stets die Voraussetzungen im Auge zu behalten, unter denen das Gesetz dem Revisionsgericht überhaupt eine Korrektur von unrichtigen Urteilen erlaubt; die Revisionsbegründung muss daher grundsätzlich von tatsächlichem Vorbringen frei sein; sie muss bei materiell-rechtlichen Rügen darlegen, dass und warum eine revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (§ 550 ZPO); dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen zu dieser Vorschrift geschehen (vgl RGZ 117, 168, 171; BVerwG aaO)."

10

Der Entscheidung des 11. Senats vom 2.1.1979 (aaO) haben sich in der Folge alle Senate des BSG (der anfragende Senat mit Urteil vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R - Juris RdNr 11) ausdrücklich angeschlossen. Bereits mit Ende der 1970er Jahre war damit in der Rechtsprechung des BSG abschließend geklärt, welche Anforderungen an die Begründung einer Revision in Bezug auf materiell-rechtliche Rügen über Antrag und Bezeichnung der verletzten Norm hinaus zu stellen sind. Im Weiteren erfuhr die Ausgestaltung des Begründungerfordernisses lediglich neue sprachliche Aus- und Umformungen; eine inhaltliche Abkehr von früheren Entscheidungen - und insbesondere von BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 - verband sich hiermit nicht(vgl exemplarisch BSG Urteil vom 8.2.2000 - B 1 KR 18/99 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 11 S 19 unter Verweis auf BSG SozR 1500 § 164 Nr 12).

11

2. Diese die Vorschrift des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG mit Inhalt füllende Rechtsprechung bildet auch die Grundlage der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Senats.

12

Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

13

3. Will man diese in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen nicht als bloße Leerformeln begreifen, kann eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts diesen logisch und rechtlich nur dann genügen, wenn sie den vom Vordergericht festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände) vollständig darlegt.

14

a) Diese Notwendigkeit folgt aus dem Wesen deduktiver Rechtsanwendung als einem Zusammenfügen von Sätzen über Realitätsausschnitte und normativen Größen (aa) sowie der Bindung des BSG als Revisionsgericht an die vom Vordergericht festgestellten Tatsachen (bb), wird durch den Sinn und Zweck der zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhobenen Revisionsbegründung getragen (cc) und entspricht in vergleichbarer Weise den vom BVerfG an die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG gestellten Anforderungen (dd).

15

aa) Nach § 162 SGG kann die Revision allein darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Wann eine Rechtsverletzung vorliegt, ist in § 546 ZPO geregelt, der iVm § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet(Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 162 RdNr 2). Danach ist das Recht verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Gleichbleibender Rahmen bzw logisches Gerüst jeder Rechtsanwendung ist die Figur des "Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung"; der juristische Denkprozess beim Anwenden einer Norm auf die Beschreibung eines Lebenssachverhalts vollzieht sich nach seinen logischen Schlussregeln (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 271 f; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S 395; Schmidt, JuS 2003, 649). In ihm bildet ein vollständiger Rechtssatz den Obersatz, die Unterordnung eines festgestellten und verbal umschriebenen Sachverhalts unter den Tatbestand des Rechtssatzes den Untersatz. Die Schlussfolge wiederum besagt, dass für den beschriebenen Sachverhalt die im Rechtssatz genannte Rechtsfolge gilt. Mit der Verneinung der Zuordnung der Beschreibung eines Sachverhalts zum Tatbestand eines Rechtssatzes ist indes nicht stets die Verneinung der hieraus ableitbaren konkreten Rechtsfolge verbunden; denn diese lässt sich möglicherweise in Anwendung eines anderen Tatbestands begründen. Ebenso bedarf es der Prüfung, ob der beschriebene Sachverhalt nicht unter den Tatbestand einer einschränkenden Norm fällt, welche die einstweilen gewonnene Rechtsfolgenanordnung begrenzt oder ausschließt.

16

Innerhalb dieses logischen Schlussverfahrens können Fehler nicht nur im Obersatz, sondern auch im Untersatz und in der Schlussfolgerung selbst auftreten (Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 546 RdNr 7; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Juli 2016, § 118 FGO RdNr 32 f; für eine Unterteilung nur in Interpretations- und Subsumtionsfehler etwa BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - Juris RdNr 14 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 8 mwN; Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl 2015, § 118 FGO RdNr 6). Unrichtige Rechtsanwendung besteht danach zunächst darin, dass die abstrakten Tatbestandsmerkmale einer Norm unzutreffend ausgelegt wurden oder eine anzuwendende Norm übersehen wurde (Interpretationsfehler = Fehler im Obersatz). Fehler können aber auch beim Feststellen von Tatsachen unterlaufen (Feststellungsfehler = Fehler im Untersatz). Derartige Fehler sind, soweit sie die Feststellung selbst betreffen, als "ureigene tatrichterliche Aufgabe" (BSG vom 11.3.2016 - B 9 V 3/16 B - Juris RdNr 6) und Teil der Urteilsfindung allein des Berufungsgerichts einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zur Gänze entzogen. Beanstandungen des im Einzelfall gefundenen Ergebnisses und Versuche, es mit revisionsrechtlichen Angriffen durch ein eigenes abweichendes zu ersetzen, sind damit grundsätzlich unbeachtlich (BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 13/99 R - Die Beiträge Beilage 2002, 380 ff = Juris RdNr 14 und vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 20). Eine Überprüfung kommt insofern allein auf Rüge eines verfahrensfehlerhaften äußeren Zustandekommens einer Tatsachenfeststellung (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) in Betracht, wenn also im Einzelfall gegen das Gebot der Vollständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) bzw gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 21 RdNr 26; BSG SozR Nr 34 und 56 zu § 128 SGG). Schließlich kommt in Betracht, dass festgestellte Tatsachen fehlerhaft einer bestimmten Norm unterstellt oder zu Unrecht einem an sich verwirklichten Normtatbestand nicht unterstellt wurden (Subsumtionsfehler = Fehler im Schlusssatz).

17

Die zur Gewinnung eines Sachverhalts notwendige Abstrahierung von Unwesentlichem kann dabei immer nur in Bezug auf bestimmte Rechtsnormen vorgenommen werden. Umgekehrt können in Betracht zu ziehende Rechtsnormen nur bezüglich eines bestimmten Sachverhalts ausgewählt werden (Schlüter, Das obiter dictum, 1973, S 109). Ober- und Untersatz stehen demnach nicht beziehungslos nebeneinander, sondern greifen wechselwirksam ineinander oder anders gewendet: Für den Obersatz ist wesentlich, was auf den konkreten Fall Bezug hat, und für den konkreten Fall ist nur von Bedeutung, was auf den Obersatz Bezug hat (Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl 1963, S 14 f). Für die Prüfung der Frage, ob die getroffene Entscheidung (Konklusion) von ihren beiden Prämissen getragen wird, dem Gesetz als Obersatz (normative Prämisse) und dem festgestellten Sachverhalt als Untersatz (tatsächliche Prämisse), bedarf es demnach stets und denknotwendig des Wissens um den entscheidungserheblichen Sachverhalt.

18

bb) Der konkret-individuelle Sachverhalt, für den die Rechtsfolgen ermittelt werden sollen und der den Untersatz des Syllogismus bildet, muss anders als der Obersatz, der regelmäßig in formulierten Sätzen vorgegeben ist, erst in solchen beschrieben, also festgestellt werden (Bydlinski, aaO, S 43 f). Der für das Revisionsverfahren relevante Sachverhalt, die tatsächlichen Feststellungen iS von § 163 SGG, findet seinen Ausdruck in dem Untersatz, den die Tatsachengerichte auf der Grundlage ihrer Ermittlungen unter Heranziehung der Beteiligten(§§ 103, 128 Abs 2 SGG)als Ausdruck ihrer begründeten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 128 Abs 1 S 1, 2 SGG) im Urteil zum Ausdruck gebracht haben (§§ 128 Abs 1 S 2, 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Die identische Tatsachengrundlage des Berufungs- wie des Revisionsurteils ist damit rechtlich abschließend und unvertretbar der "Überzeugung" des Tatsachengerichts zugewiesen. Das BSG als Revisionsgericht ist demgegenüber grundsätzlich weder befugt noch verpflichtet, eigene Tatsachen zu ermitteln; es prüft nur, ob im angefochtenen Urteil das revisible Recht richtig angewandt worden ist oder nicht. Dieser Eigenart des Revisionsgerichts als Rechtskontrollinstanz trägt § 163 SGG Rechnung(vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 1 und 4)und berücksichtigt dabei zugleich, dass das individuelle geistige Internum der "Überzeugung" (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) externer Kontrolle schon faktisch weitgehend entzogen ist. Nach § 163 SGG ist das BSG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Diese gesetzlich vorgegebene Bindung legt für das BSG die tatsächliche Grundlage fest, auf der die Revisionsentscheidung allein getroffen werden darf. Es darf und kann seiner rechtlichen Beurteilung grundsätzlich nur den vom Vordergericht festgestellten Sachverhalt zugrunde legen (vgl Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 137 RdNr 142; zur ausnahmsweise möglichen Tatsachenfeststellung durch das BSG vgl Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand Juni 2015, § 163 RdNr 38 ff mit RsprNachw). Die revisionsrechtliche Prüfungsgrundlage muss demnach identisch mit dem Sachverhalt sein, der dem Urteil des Vordergerichts zugrunde liegt und von diesem festgestellt worden ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Revisionsgericht erkennen und darüber befinden, ob dem Tatsachengericht bei seiner Entscheidung Fehler in der Rechtsanwendung unterlaufen sind oder nicht.

19

cc) Die Pflicht zur Revisionsbegründung dient - wie dargelegt - dem Zweck, das Revisionsgericht zu entlasten, indem sie zum einen die Vorbereitung bzw Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtert; zum anderen soll erreicht werden, dass der Rechtsanwalt die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt, und dass er infolgedessen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (Senatsbeschluss vom 16.7.2014 - B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014, 71436 RdNr 9; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 RdNr 206 f; Bley, Festschrift 25 Jahre BSG, 1979, S 817, 846). Vor allem die zweite Zielrichtung des Revisionsbegründungszwangs wäre unvollkommen und weniger effektiv, wenn in der Revisionsbegründung nicht die im Hinblick auf die gerügte Rechtsverletzung gerade vom Vordergericht und im angegriffenen Urteil (exemplarisch BSG SozR 1500 § 164 Nr 28 S 44 ff; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 65 und vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16) festgestellten, entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend mitgeteilt werden müssten. Denn erst so wird zum einen sichergestellt, dass der Revisionsführer die Entscheidungserheblichkeit seiner Ausführungen im Blick behält (vgl BSG Urteil vom 24.2.2016 - Juris RdNr 17 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen), und zum anderen vermieden, dass er seine materiell-rechtlichen Beanstandungen nicht an dem vom Vordergericht festgestellten Sachverhalt darstellt, sondern einen konstruierten Sachverhalt zur Grundlage seines - so möglicherweise leichter "begründbaren" - Vorbringens macht; eine solche, auf einen "erfundenen" Sachverhalt gestützte - und damit keine sachliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zeigende - Revision wäre indes aussichtslos und als unzulässig zu verwerfen (vgl auch BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - 1 BvL 21/83 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz; aA BSG Urteil vom 24.2.2016, aaO, Juris RdNr 19 aE). Das Erfordernis, die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen, besagt daher nach der Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass der Revisionskläger den Streitstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durcharbeiten, sichten und gliedern muss (BVerwG vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 - Juris RdNr 3).

20

dd) In vergleichbarer Weise fordert auch das BVerfG für die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG die Darlegung des für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalts(vgl BVerfG Beschlüsse vom 15.2.2016 - 1 BvL 8/12 - Juris RdNr 18 und vom 12.9.2012 - 1 BvL 11/12 - Juris RdNr 6). Nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Dadurch soll das vorlegende Gericht ua gezwungen werden, die mit dem Vorlagegegenstand verbundenen Rechtsfragen, insbesondere die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage und die Vereinbarkeit der vorzulegenden Rechtsnorm mit höherrangigem Recht, sorgfältig zu durchdenken. Unnötige Vorlagen sollen so vermieden, die Arbeit des BVerfG dementsprechend erleichtert und entlastet werden (Müller-Terpitz in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Februar 2016, § 80 RdNr 238 mit RsprNachw). Um dem Entlastungszweck gerecht werden zu können, muss nach der Rechtsprechung des BVerfG der Vorlagebeschluss aus sich heraus, dh ohne Beiziehung der Akten, verständlich sein (BVerfG Beschlüsse vom 6.9.2012 - 1 BvL 13/12 - NVwZ 2013, 61, 62 und vom 25.6.1974 - 1 BvL 13/69, 1 BvL 23/69, 1 BvL 25/69 - BVerfGE 37, 328, 333 und vom 3.11.1987 - 1 BvL 28/87 - BVerfGE 77, 259, 261; Dederer in Maunz/Dürig, GG, Stand Juli 2016, Art 100 RdNr 191 mit RsprNachw). Das vorlegende Gericht hat deshalb in den Gründen seines Beschlusses den Sachverhalt darzustellen, soweit er für die rechtliche Beurteilung wesentlich ist, und die rechtlichen Erwägungen darzulegen, nach denen es für die von ihm zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten gesetzlichen Vorschrift ankommt (BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65, 308, 314 f und Beschluss vom 2.12.2013 - 1 BvL 5/12 - Juris RdNr 6). Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht der Funktion eines Normenkontrollverfahrens entspricht und nicht seine Aufgabe sein kann, Rechtsfragen zu beantworten, die erkennbar für die Entscheidung der eigentlichen Streitfrage bedeutungslos sind (BVerfG Beschluss vom 22.11.1983 - 2 BvL 5 bis 22/81 - BVerfGE 65, 265, 277); daher darf dem Vorlagebeschluss auch kein konstruierter Sachverhalt zugrunde liegen (BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz). Ohne zutreffende Sachverhaltsdarstellung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das vorlegende Gericht die Rechtslage umfassend gewürdigt, insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen für die Vorlage zutreffend festgestellt hat (BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65, 308, 315). Genügt eine Vorlage diesen Anforderungen an die Sachdarstellung nicht, ist sie als unzulässig zu verwerfen (vgl BVerfG Beschluss vom 16.11.1992 - 1 BvL 31/88, 1 BvL 10/92 und 1 BvL 11/92 - BVerfGE 87, 341, 346 f).

21

b) Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung. Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener Qualität und sind naturgemäß am geringsten, wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich kundgetan hat, wovon es aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe des Revisionsführers wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung deutlich wird, von welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit (BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr 17 - Juris RdNr 15) - und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt als dessen geistigen Gehalt entnimmt.

22

aa) Zutreffend geht der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 16) daher davon aus, dass eine formgerechte Revisionsbegründung nicht stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffes und der angegriffenen Entscheidung als Ganzes erfordert. Auch bedarf sie nicht zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich relevanten Tatumstände. Entsprechendes wird bisweilen auch gar nicht möglich sein, da bindende Feststellungen in der Entscheidung des Tatsachengerichts nicht ausdrücklich getroffen sein müssen; sie können sich auch mittelbar aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen ergeben (BFH Urteil vom 22.1.2013 - IX R 18/12 - HFR 2013, 783, 785; vgl auch BSG Urteil vom 10.8.2000 - B 11 AL 83/99 R - Juris RdNr 21). Ebenso vertritt der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 16) die zutreffende Rechtsauffassung, dass das bloß punktuelle Ansprechen einzelner Sachverhaltselemente und Feststellungen des Vordergerichts ebenso wenig wie deren Behandlung mit eigenen tatsächlichen und rechtlichen Wertungen bzw deren Vermischung mit nicht berücksichtigungsfähigem neuen Tatsachenvorbringen ausreichend ist (vgl Senatsbeschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 9).

23

bb) Soweit der anfragende Senat unter Buchst a) seines Tenors indes ausführt, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sei für eine formgerechte Revisionsbegründung "die ausdrückliche Angabe erforderlich, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat und an welcher genauen Stelle er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte", geht er von unzutreffenden Annahmen aus.

24

Die Revisionsbegründung muss nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats allein erkennen lassen, dass der geschilderte Sachverhalt ganz oder teilweise mit demjenigen des angegriffenen Urteils identisch ist (Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/11 R - Juris RdNr 17), bzw keine Zweifel lassen, dass sie die Anwendung revisiblen Rechts allein und gerade hinsichtlich des entscheidungserheblichen, vom Tatsachengericht auf der Grundlage der diesem vorbehaltenen Überzeugung festgestellten Sachverhalts durch das Revisionsgericht überprüft wissen will (vgl Senatsbeschluss vom 16.3.2016 - B 5 RE 3/15 R - BeckRS 2016, 67705 RdNr 9). Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus der revisionsgerichtlichen Auslegung des Revisionsvorbringens im Einzelfall (Senatsbeschluss vom 16.3.2016, aaO); dabei ist die "Revisionsbegründung als Willenserklärung" der Auslegung grundsätzlich zugängig (so schon RG Urteil vom 7.4.1933 - I 303/33 - RGSt 67, 197, 198). Diese Rechtsauffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des anfragenden Senats. Nach dieser kann von einer notwendigen Durchdringung der Sach- und Rechtslage (erst dann) nicht mehr ausgegangen werden, wenn anhand der Revisionsbegründung nicht erkennbar wird, dass der Revisionsführer auch die - ohne zulässige Verfahrensrügen für das BSG bindenden (§ 163 SGG) - wesentlichen tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils erfasst, diese zutreffend mitgeteilt und seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde gelegt hat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 14, 23).

25

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats fordert hingegen nicht - was der anfragende Senat verkennt - die "ausdrückliche Angabe", dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, sondern erachtet hierauf bezogene Hinweise als ausreichend (vgl etwa Senatsbeschlüsse vom 22.7.2015 - BeckRS 2015, 70865 RdNr 9 und vom 13.2.2013 - B 5 R 28/12 R - BeckRS 2013, 66976 RdNr 9). Angaben, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil bestimmte Tatumstände zu entnehmen sind, bedarf es regelmäßig nur dann, wenn nicht ohne Weiteres erkennbar ist, welchen Lebenssachverhalt sich das Tatsachengericht als für seine Entscheidung maßgeblich vorgestellt hat und dieser erst ermittelt werden muss, weil die Urteilsgründe einer entsprechenden Interpretation bedürfen (vgl Berchtold, aaO, § 8 RdNr 92, 257). Der erkennende Senat hat die vom anfragenden Senat unter Buchst a) des Tenors zitierte Formulierung im Kontext von Fällen gebraucht, in denen der festgestellte Sachverhalt lediglich bruchstückhaft oder in Ansätzen wiedergegeben wurde (vgl Senatsbeschlüsse vom 13.2.2013, aaO, vom 16.4.2013 - B 5 R 98/11 R - BeckRS 2013, 68747 RdNr 11 aE, vom 24.9.2013 - B 5 R 66/11 R - BeckRS 2013, 73558 RdNr 8, vom 16.7.2014 - BeckRS 2014, 71436 RdNr 12, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 8, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9 und vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7). Es handelt sich hierbei um auf die Würdigung des Einzelfalles bezogene Aussagen, die nicht als unverzichtbares Element eines abstrakten Rechtssatzes, sondern nur als "Indizien" im Rahmen der Subsumtion unter diesen Verwendung finden. Eine Divergenz und damit eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen käme lediglich dann in Betracht, wenn den Entscheidungen des erkennenden Senats ein fallübergreifender Rechtssatz des vom anfragenden Senats zitierten Inhalts entnommen werden könnte (vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 65/11 R - SozR 4-1500 § 163 Nr 6 RdNr 30 f; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 41 RdNr 11). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.

26

c) Diese Rechtsprechung des erkennenden Senats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie macht die Revisionsbegründung nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig.

27

Zu Recht weist der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 22) darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG der Zugang zum jeweils vorgesehenen gerichtlichen Instanzenzug mit Rücksicht auf Art 19 Abs 4 S 1 GG nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf. Dies müssen die Gerichte auch bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Sie dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.7.2016 - 2 BvR 2040/15 - Juris RdNr 13). Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 19.11.2015 - 2 BvR 2577/14 - Juris RdNr 6). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 164 Abs 2 S 3 SGG, die nicht derart erschwert werden dürfen, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können.

28

Indes sind die vom erkennenden Senat aufgestellten Erfordernisse an eine materiell-rechtliche Revisionsrüge verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben (Senatsbeschluss vom 18.2.1980 - 5 RKn 1/78 - und nachgehend BVerfG Beschluss vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29 f). Nach Auffassung des BVerfG steht es in Übereinstimmung mit Verfassungsrecht, wenn das BSG im Einklang mit seiner eigenen ständigen Rechtsprechung und mit der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes die Begründung der Revision nur dann als formgerecht erachtet, wenn sie die Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffes durch den zugelassenen Prozessbevollmächtigten erkennen lässt. Diese an den Zwecken des Revisionsverfahrens ausgerichtete Auslegung der einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften verletze weder Art 3 Abs 1 GG noch Art 103 Abs 1 GG; letztere Bestimmung schließe es nicht aus, dass ein Gericht das sachliche Vorbringen eines Beteiligten aus prozessrechtlichen Gründen unberücksichtigt lässt. Auch im Hinblick auf die durch Art 19 Abs 4 S 1 GG gewährleistete Rechtsweggarantie bestehen nach Ansicht des BVerfG keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beschreitung des Rechtswegs könne in den Prozessordnungen von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden; durch die vom BSG für notwendig erachteten Anforderungen an die Begründung der Revision werde der Zugang zum Revisionsgericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise behindert.

29

Insbesondere kann das - in konkreter Umsetzung der ständigen Rechtsprechung des BSG - vom erkennenden Senat aufgestellte Erfordernis der Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts mit zumutbaren Aufwand nicht allein von einem spezialisierten Rechtsanwalt erfüllt werden. Im Gegenteil ist die Wiedergabe der rechtlich relevanten Tatumstände idealiter das mit dem geringsten Aufwand verbundene Element der Revisionsbegründung. Es bedarf im Wesentlichen nur der allgemeinen Erkenntnis, dass Rechtsanwendung in seiner grundlegendsten Form darin besteht, dass ein Lebenstatbestand unter die maßgebende Rechtsnorm subsumiert wird, so dass sich eine bestimmte Rechtsfolge ergibt (vgl Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 15. Aufl 1959, S 311), sowie des Wissens, dass ein Revisionsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts gebunden ist. Von einer Überforderung eines durchschnittlichen Rechtsanwalts kann bei den Darlegungsanforderungen des skizzierten Inhalts keine Rede sein.

30

d) Entgegen dem anfragenden Senat (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 23 f) überträgt der erkennende Senat durch Anwendung des unter Buchst b) des Tenors zitierten Rechtssatzes nicht die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten strengen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bzw an den Inhalt einer Revisionsbegründung im Falle von Verfahrensrügen auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

31

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Revisionszulassungsgründe (§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 bis Nr 3 SGG) substantiiert und schlüssig dazulegen bzw zu bezeichnen (Senatsbeschlüsse vom 7.6.2016 - B 5 AL 1/16 B - BeckRS 2016, 71174 RdNr 8 f und vom 25.3.2014 - B 5 R 416/13 B - BeckRS 2014, 68316 RdNr 10, 13, 17; vgl auch Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 43). Durch die hohen Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde soll das Beschwerdegericht der Mühe enthoben sein, selbst die Akten auf mögliche Zulassungsgründe zu durchsuchen; die Beschwerdebegründung muss es in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (Senatsbeschluss vom 7.6.2016, aaO RdNr 11; vgl auch Karmanski, aaO, § 160a RdNr 44).

32

Soweit im Rahmen der Revision die tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts angefochten werden (vgl § 163 SGG), sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Bezug auf diese Feststellungen zulässige Revisionsgründe vorzubringen und vollständig und schlüssig zu begründen. Dies erfordert zur Bezeichnung der Tatsachen, die den (behaupteten) Mangel ergeben, alle relevanten Verfahrensvorgänge so genau und widerspruchsfrei zu bezeichnen, dass das BSG allein aufgrund der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber zu entscheiden, ob das Urteil des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann, dh das Vordergericht ohne den gerügten Verfahrensmangel ggf anders entschieden hätte (Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13). Diese gesteigerten Anforderungen folgen aus dem Wortlaut des § 164 Abs 2 S 3 SGG und dienen zusammen mit der sich aus § 202 SGG iVm § 557 Abs 3 S 2 ZPO ergebenden Rügepflicht dem Zweck der Entlastung des Revisionsgerichts, welches andernfalls gehalten wäre, das gesamte vorhergehende Verfahren auf das Vorhandensein von Mängeln zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - BSGE 1, 227, 231; Behn in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 164 RdNr 224).

33

bb) Werden materiell-rechtliche Rügen erhoben, stellt das Gesetz - worauf der anfragende Senat zu Recht hinweist (Anfragebeschluss vom 27.4.2016 - Juris RdNr 24) - keine so hohen Anforderungen an die Begründung der Revision (vgl Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 14). Das ergibt sich bereits daraus, dass insofern allein der Rückgriff auf die im Urteil ohnehin getroffenen Feststellungen möglich und zulässig ist (§ 163 SGG), während dies bei den tatsächlichen Grundlagen von Verfahrensmängeln, die erst zusammengetragen werden müssen, gerade nicht in Betracht kommt. Dennoch entspricht es der ständigen Rechtsprechung bereits des RG und des BSG, dass auch die Begründungserfordernisse bei materiell-rechtlichen Rügen ungeachtet der erst im Rahmen der Begründetheit zu klärenden Frage, ob die Revisionsbegründung den Revisionsangriff auch trägt (BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 = Juris RdNr 8), ua der Entlastung des Revisionsgerichts und seines Berichterstatters dienen (exemplarisch RGZ 87, 5, 6; BSG Urteil vom 20.1.2005 - B 3 KR 22/03 R - USK 2005-95 = Juris RdNr 16 und Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - Juris RdNr 8 mwN). Es bedarf daher als Teil einer sorgfältigen sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfreien Begründung zur Individualisierung des Lebenssachverhalts, aus dem sich die behauptete Rechtsverletzung herleitet (BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 11), in der Begründungsschrift selbst aus sich heraus erkennbar ua der Darlegung des im angegriffenen Urteil festgestellten Sachverhalts (BSG Beschluss vom 17.1.1958 - BSGE 6, 269, 270; BSG Urteil vom 30.6.1964 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG = Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 13.10.1983 - 11 RAz 3/82 - Juris RdNr 11; BSG Urteil vom 28.1.1981 - 9 RV 1/80 - Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 = Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 24.11.1983 - 3 RK 7/83 - Juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 164 Nr 25 = Juris RdNr 7; BSG SozR 1500 § 164 Nr 29 = Juris RdNr 9 f; BSG Beschluss vom 21.7.1988 - 3 RK 17/87 - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.6.1990 - 9a RVs 2/90 - Juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 10.4.1991 - 6 RKa 7/90 - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 = Juris RdNr 20; BSG Urteil vom 29.8.1996 - 4 RA 105/95 - Juris RdNr 12; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 = Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16, stRspr; ebenso BFH Urteil vom 28.4.1987 - IX R 9/83 - BFH/NV 1988, 151 = Juris RdNr 9; BFH Beschluss vom 11.12.1986 - V R 135/85 - BFH/NV 1988, 92 = Juris RdNr 21 f; BFH Urteil vom 5.10.1999 - VII R 25/98 - BFH/NV 2000, 235 = Juris RdNr 14; BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 6.12.1984 - 9 C 41/84 - NJW 1985, 1235 = Juris RdNr 3, stRspr; BAG Urteil vom 29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 = Juris RdNr 14, stRspr). Nur so kann der Revisionsführer dem Revisionsgericht "erklären", warum er nach Durcharbeitung des Prozessstoffs und der gebotenen Selbstüberprüfung seines Vorbringens in der Vorinstanz mit der angefochtenen Entscheidung nicht einverstanden ist (BFH Beschluss vom 17.7.1985 - II R 122/83 - BFH/NV 1986, 164 = Juris RdNr 9).

34

Wie ausgeführt hat dies mit der Begründetheitsprüfung noch nichts zu tun. Vielmehr entspricht es auch der Rechtsprechung des Senats, dass es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung in einem Revisionsverfahren nicht darauf ankommt, ob die materielle Rüge den Revisionsangriff im Ergebnis trägt bzw die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil aus der Sicht des Revisionsgerichts überzeugend oder gar schlüssig ist; dies ist allein eine Frage der Begründetheit der Revision (Senatsurteil vom 25.6.1975 - 5 RKn 41/74 - SozR 2600 § 54 Nr 1 = Juris RdNr 16; vgl auch BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 17.12.1990 - 5 CB 42/90 - Juris RdNr 2; BGH Urteil vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2016, § 164 RdNr 27d; Neumann in Sodan/Ziekow, aaO, § 139 RdNr 95, 102; Krüger in MüKo zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 551 RdNr 20 aE). Die Pflicht zur Begründung der Revision zielt nicht darauf ab, eine qualifizierte Erfolgsprognose über das Rechtsmittel in der Hauptsache zu einem Bestandteil der Sachurteilsvoraussetzungen desselben zu erheben und die Begründetheitsprüfung gleichsam in die Zulässigkeitsprüfung vorzuverlagern (BSG Urteile vom 24.2.2016 - Juris RdNr 13 - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen und vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12).

35

Den Beschlüssen des Senats vom 16.7.2014 (BeckRS 2014, 71436 RdNr 12), vom 25.9.2014 (B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 8 und B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9), vom 5.11.2014 (BeckRS 2014, 74155 RdNr 8) und dem Urteil vom 23.7.2015 (B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7) kann nichts anderes entnommen werden. Der dortige Hinweis, dass die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts es ermöglichen muss, das BSG in die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind", vermittelt nur vordergründig und bei isolierter Orientierung am Wortlaut den unzutreffenden Eindruck einer vorgezogenen Begründetheitsprüfung. Es gehört zu den Grundsätzen der allgemeinen Hermeneutik, dass in sich geschlossene Ausführungen als Einheit zu begreifen sind; dh der Inhalt eines einzelnen Satzes kann nicht losgelöst vom Textganzen, sondern nur aus diesem heraus bestimmt werden (vgl Coing, Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Zivilrecht, Bd 1, 1982, S 208, 217). Der maßgebende und entscheidungstragende Rechtssatz, der die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG präzisiert, findet sich in den vorbezeichneten Entscheidungen jeweils vorangehend(Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 10, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - aaO RdNr 6, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - aaO RdNr 6 und vom 5.11.2014, aaO RdNr 7; Senatsurteil vom 23.7.2015, aaO RdNr 5). Er lautet:

        

"Um anhand der Revisionsbegründung nachvollziehen zu können, ob der Revisionskläger bzw sein Prozessvertreter das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und die Rechtslage genau durchdacht hat, muss die Revision daher sowohl bei prozessualen als auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig begründet werden".

36

Dieser öffnende Obersatz - zu dem alle weiteren Sätze in Beziehung zu setzen sind - macht deutlich, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die materiell-rechtliche Rüge im Revisionsverfahren nicht den gesteigerten Anforderungen einer Verfahrensrüge oder Nichtzulassungsbeschwerde genügen und die Revisionsentscheidung im Einzelnen auch nicht gleichsam vorwegnehmen muss; es ist ausreichend, dass die Begründung rechtliche Erwägungen anstellt, die das angegriffene Urteil als unrichtig, somit eine Rechtsnorm als verletzt erscheinen lassen können. Nach alldem mag allein eine zu kurz greifende, isolierte Betrachtung für die vom anfragenden Senat gezogene Schlussfolgerung sprechen; die gebotene Kontextualisierung des streitbefangenen Rechtssatzes trägt eine solche Interpretation indes nicht.

37

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dieser vom anfragenden Senat unter Buchst b) des Tenors zitierte Rechtssatz auch nicht der die bezeichneten Entscheidungen allein tragende rechtliche Gesichtspunkt war. Tragend sind diejenigen Rechtsauffassungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Stützt sich ein konkretes Ergebnis der Entscheidung auf mehrere selbständig tragfähige Begründungen und will der anfragende Senat nur von einer dieser Begründungen abweichen, liegt keine die Anrufung des Großen Senats des BSG begründende Divergenz vor (vgl BFH Beschluss vom 22.7.1977 - III B 34/74 - BFHE 123, 112, 116; Behn in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 41 RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 3.7.2012 - 2 PBvU 1/11 - BVerfGE 132, 1, 4 f). So liegen die Dinge hier. Der erkennende Senat hat die Notwendigkeit der Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in den vorbezeichneten Entscheidungen durchgehend vor allem damit begründet, dass eine Revision auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig zu begründen ist und ohne Angaben zum festgestellten Sachverhalt eine Überprüfung des vorgenommenen Subsumtionsschlusses von vornherein ausgeschlossen ist (Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014 - BeckRS 2014, 71436 RdNr 10 f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 6 f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 6, 9 und vom 5.11.2014 - BeckRS 2014, 74155 RdNr 7 f, Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 5 f); zudem wurde in diesen Entscheidungen das Rechtsmittel auch deshalb als unzulässig verworfen, weil die jeweilige Revisionsbegründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils nicht in der gebotenen Weise eingegangen ist (Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 13 f, vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R, aaO RdNr 9 ff, vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R, aaO RdNr 10 ff und vom 5.11.2014, aaO RdNr 9 f, Senatsurteil vom 23.7.2015, aaO RdNr 8 f). Die vorerwähnten Entscheidungen des Senats wären mithin nicht anders ausgefallen, wenn die zweite vom anfragenden Senat aufgeworfene Rechtsfrage in den Gründen dieser Entscheidungen unerwähnt geblieben wäre. Ihre Niederlegung trägt diese nicht derart, dass sie jeweils ein unabdingbares Glied in der Gedankenkette des Senats darstellten (vgl BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 23/13 R - Juris RdNr 23).

38

Worin nach alldem der zusätzliche rechtliche Ertrag eines Anrufungsverfahrens bestehen könnte, vermag sich dem erkennenden Senat nicht zu erschließen.

Tenor

Der 5. Senat hält an der Rechtsauffassung fest, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist.

Gründe

1

I. Dem anfragenden 12. Senat des BSG liegt ein Rechtsstreit vor, in dem zuletzt noch darüber zu befinden ist, ob der Kläger Beiträge zu seiner freiwilligen Krankenversicherung bei der Beklagten für die Monate Januar 2010 bis März 2010 zu entrichten hat oder ob hinsichtlich der streitigen Beitragsforderung bereits Erfüllung durch konkludente Genehmigung des Forderungseinzugs im Lastschriftverfahren eingetreten ist.

2

Der 12. Senat beabsichtigt die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Er sieht sich hieran durch die vom 5. Senat in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung gehindert. Würde der 12. Senat dem 5. Senat folgen, wäre die Revision des Klägers nach Ansicht des 12. Senats als unzulässig zu verwerfen. Er hat daher beim 5. Senat mit Beschluss vom 29.6.2016 (B 12 KR 2/15 R - Juris) angefragt,

        

"ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält, dass die formgerechte Begründung einer Revision iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG auch im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts

        

a)    

die ausdrückliche Angabe erfordert, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, und 'an welcher genauen Stelle' er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7),

        

b)    

es erfordert, das Bundessozialgericht in die Lage zu versetzen, 'ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind' (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7; vgl auch Beschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 8 f)."

3

II. Im Mittelpunkt der Anfrage des 12. Senats steht die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG und die sich hieraus ergebende Pflicht zur Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

4

1. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Nach Satz 3 muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

5

a) § 164 Abs 2 S 3 SGG ist dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO(idF der Bekanntmachung vom 5.6.1905, RGBl S 536, 537) nachgebildet (vgl BSG Urteil vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG und Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG); die für das Verfahren nach der ZPO gültigen Maßstäbe gelten daher auch für die Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG(vgl BSG Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269 f).

6

aa) Anlass der Einfügung des § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF war die - trotz Vergrößerung des Personalbestandes - bestehende Arbeitsbelastung des Reichsgerichts (RG), die sich durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches zum 1.1.1900 weiter verschärft hatte (vgl RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 4). Der Gesetzesentwurf der Reichsregierung betreffend Änderungen der ZPO sah einen Grund hierfür auch in der Ausgestaltung der auf die Begründung der Revision bezogenen Bestimmung des § 554 ZPO(idF der Bekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl 514 f) als Sollvorschrift. Der Umstand, dass ohne Nachteil für den Erfolg des Rechtsmittels eine Begründung der Revision unterbleiben durfte, hatte nämlich zur Folge, dass eine solche häufig entweder gar nicht oder zu einem Zeitpunkt einging, in welchem sie zur Vorbereitung des Berichterstatters wie des Revisionsgegners nicht mehr dienen konnte, bzw Revisionen kurz vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurden, nachdem der Berichterstatter seine Bearbeitung bereits abgeschlossen hatte (RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 9 f). Gleichwohl sah der Regierungsentwurf den Weg zur Entlastung des RG nicht in der Einführung eines Revisionsbegründungszwangs, sondern in der Erhöhung der Revisionssumme, um auf diese Weise die Zahl der zu bearbeitenden Fälle zu vermindern (RT-Drucks 1903/1904 Nr 415 S 10 ff). Auch von Mitgliedern der im Weiteren mit dem Gesetzesentwurf befassten XII. Kommission des Reichstages wurde die Auffassung vertreten, dass die fehlende Pflicht zur Revisionsbegründung in unnötiger Weise die Vorarbeit des Senatspräsidenten und des Berichterstatters erschwere, weil diese die gesamten Akten auch ihrerseits darauf zu prüfen hätten, ob eine Rechtsverletzung vorliege, gleichviel ob diese gerügt worden sei oder nicht (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 26). Anders als die Regierungsvorlage sprach sich die Kommission für die Einführung eines Begründungszwangs aus (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 81). Dieser würde mehr wie bisher davon abhalten, ohne genauere Prüfung eine Revision einzulegen, und dazu führen, dass aussichtslose Revisionen früher zurückgezogen würden. Dem Gericht werde dadurch unnötiges Aktenstudium erspart; die Vorbereitung des Berichterstatters würde erheblich erleichtert und könnte eine viel gründlichere sein, da das gesamte Vorbringen des Revisionsklägers in seinen wesentlichen Punkten rechtzeitig schriftlich vorliege (RT-Drucks 1903/1905 Nr 782 S 59 f). In den anschließenden Verhandlungen des Reichstags wurde die mit der Einführung des Begründungszwangs bezweckte Entlastung des RG nochmals hervorgehoben und auch auf die für die Anwälte einhergehende Mehrbelastung hingewiesen (vgl Stenographische Berichte über die Verhandlungen des RT 1903/1905, S 6031, 6043 und 6090).

7

bb) Die Rechtsprechung des RG hat in der Pflicht zur Begründung der Revision ein formales Erfordernis erblickt, deren notwendiger Inhalt nicht ohne Rücksicht auf den gesamten Zweck der Vorschriften zur Revisionsbegründung zu bestimmen sei (RG Urteile vom 11.1.1907 - II 357/06 - RGZ 65, 81, 84; vom 3.6.1907 - VI 418/06 - RGZ 66, 178, 180 und vom 3.5.1915 - VI 547/14 - RGZ 87, 5, 6). Die Revisionsbegründungspflicht sei eingeführt worden, um eine Entlastung des RG herbeizuführen (RG Urteile vom 12.12.1918 - VI 251/18 - RGZ 95, 70, 72 und vom 22.3.1926 - IV 362/25 - RGZ 113, 166, 168). Diesem Zweck entsprechend sei die Formvorschrift des § 554 ZPO streng auszulegen und anzuwenden(RG Urteile vom 26.11.1929 - VII 256/29 - RGZ 126, 245, 249 und vom 16.6.1921 - VI 84/21 - RGZ 102, 280, 281 f). Insoweit hat das RG in ständiger Rechtsprechung das Erfordernis aufgestellt, dass nicht nur für die verfahrensrechtlichen Rügen die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, in der Begründungsschrift im Einzelnen bestimmt bezeichnet werden müssen, sondern auch den sachlich-rechtlichen Revisionsangriffen eine sorgfältige, über ihren Umfang und Zweck keinen Zweifel lassende Begründung zuteilwerden muss, die erkennen lässt, dass der die Revisionsbegründung einreichende Rechtsanwalt sich einer Nachprüfung des angegriffenen Urteils unterzogen hat (RG Urteil vom 27.5.1927 - III 390/26 - RGZ 117, 168, 170 und Beschluss vom 6.11.1928 - VII 514/28 - RGZ 123, 38).

8

In den 1950er und 1960er Jahren hat das BSG im Anschluss an diese Rechtsprechung des RG die grundlegenden Maßstäbe für die Anwendung und Auslegung des § 164 Abs 2 S 3 SGG herausgearbeitet. § 164 Abs 2 S 3 SGG sei dem § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF nachgebildet, diene demselben rechtspolitischen Zweck, nämlich der Entlastung des Revisionsgerichts, und sei zu dessen Erreichung streng auszulegen(BSG Urteile vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG und vom 28.2.1962 - 2 RU 271/58 - BSGE 16, 227 = SozR Nr 48 zu § 164 SGG; Beschluss vom 24.9.1957 - 2 RU 70/54 - SozR Nr 27 zu § 164 SGG). Die Revisionsbegründung soll die Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtern; außerdem soll erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt und dass er infolgedessen unter Umständen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO; Beschlüsse vom 12.11.1962 - 9 RV 694/62 - SozR Nr 49 zu § 164 SGG und vom 17.1.1958 - 11/9 RV 1126/55 - BSGE 6, 269, 270). Eine die Zulässigkeitsschwelle überwindende Revisionsbegründung muss aus sich heraus erkennen lassen, dass der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil nachgeprüft hat (BSG Urteil vom 30.6.1964, aaO und Beschlüsse vom 17.1.1958, aaO und 24.9.1957, aaO).

9

Hieran anknüpfend und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des RG vom 27.5.1927 (RGZ 117, 168) hat im Weiteren der anfragende Senat mit Beschluss vom 13.12.1976 (12 RK 46/76 - SozR 1500 § 164 Nr 5 S 5) die an eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen dahingehend konkretisiert, dass auch bei materiell-rechtlichen Revisionsangriffen die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei zu begründen sei. Wie im Rahmen von Verfahrensrügen seien auch bei materiell-rechtlichen Revisionsrügen die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Das Revisionsgericht müsse nämlich anhand der Revisionsbegründung erkennen können, dass der Prozessbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel der Revision überprüft hat, um so dem gesetzgeberischen Zweck des § 164 Abs 2 S 3 SGG zu genügen, aussichtslose Revisionen nach Möglichkeit von vornherein zu verhindern. Als Ergebnis der eigenen Nachprüfung habe der Prozessbevollmächtigte dem Revisionsgericht die Gründe darzulegen, die das Urteil als unrichtig erscheinen lassen.

10

Eine weitere Präzisierung erfuhr diese Rechtsprechung schließlich durch den Beschluss des 11. Senats vom 2.1.1979 (11 RA 54/78 - SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17),der ausgeführt hat:

        

"die Revision ist deshalb - auch bei materiell-rechtlichen Rügen - sorgfältig zu begründen; sie muss jedenfalls die Gründe aufzeigen, die nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten das Urteil im oder in den verbleibenden Streitpunkten unrichtig erscheinen lassen; hierzu bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl BSG SozR Nr 27 zu § 164 SGG; SozR 1500 § 164 Nr 5 mwH; BVerwG, Buchholz 310. § 139 VwGO Nr 34, BFHE 88, 230; 101, 356, 357; 102, 217, 219). Bei alledem sind stets die Voraussetzungen im Auge zu behalten, unter denen das Gesetz dem Revisionsgericht überhaupt eine Korrektur von unrichtigen Urteilen erlaubt; die Revisionsbegründung muss daher grundsätzlich von tatsächlichem Vorbringen frei sein; sie muss bei materiellrechtlichen Rügen darlegen, dass und warum eine revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (§ 550 ZPO); dies kann nur mit rechtlichen Erwägungen zu dieser Vorschrift geschehen (vgl RGZ 117, 168, 171; BVerwG aaO)."

11

Der Entscheidung des 11. Senats vom 2.1.1979 (aaO) haben sich in der Folge alle Senate des BSG (der anfragende Senat mit Urteil vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R - Juris RdNr 11) ausdrücklich angeschlossen. Bereits mit Ende der 1970er Jahre war damit in der Rechtsprechung des BSG abschließend geklärt, welche Anforderungen an die Begründung einer Revision in Bezug auf materiell-rechtliche Rügen über Antrag und Bezeichnung der verletzten Norm hinaus zu stellen sind. Im Weiteren erfuhr die Ausgestaltung des Begründungserfordernisses lediglich neue sprachliche Aus- und Umformungen; eine inhaltliche Abkehr von früheren Entscheidungen - und insbesondere von BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 - verband sich hiermit nicht(vgl exemplarisch BSG Urteil vom 8.2.2000 - B 1 KR 18/99 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 11 S 19 unter Verweis auf BSG SozR 1500 § 164 Nr 12).

12

2. Diese die Vorschrift des § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG mit Inhalt füllende Rechtsprechung bildet auch die Grundlage der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Senats.

13

Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

14

3. Will man diese in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen nicht als bloße Leerformeln begreifen, kann eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts diesen logisch und rechtlich nur dann genügen, wenn sie den vom Vordergericht festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände) vollständig darlegt.

15

a) Diese Notwendigkeit folgt aus dem Wesen deduktiver Rechtsanwendung als einem Zusammenfügen von Sätzen über Realitätsausschnitte und normativen Größen (aa) sowie der Bindung des BSG als Revisionsgericht an die vom Vordergericht festgestellten Tatsachen (bb), wird durch den Sinn und Zweck der zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhobenen Revisionsbegründung getragen (cc) und entspricht in vergleichbarer Weise den vom BVerfG an die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG gestellten Anforderungen (dd).

16

aa) Nach § 162 SGG kann die Revision allein darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Wann eine Rechtsverletzung vorliegt, ist in § 546 ZPO geregelt, der iVm § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet(Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 162 RdNr 2). Danach ist das Recht verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Gleichbleibender Rahmen bzw logisches Gerüst jeder Rechtsanwendung ist die Figur des "Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung"; der juristische Denkprozess beim Anwenden einer Norm auf die Beschreibung eines Lebenssachverhalts vollzieht sich nach seinen logischen Schlussregeln (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 271 f; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 1982, S 395; Schmidt, JuS 2003, 649). In ihm bildet ein vollständiger Rechtssatz den Obersatz, die Unterordnung eines festgestellten und verbal umschriebenen Sachverhalts unter den Tatbestand des Rechtssatzes den Untersatz. Die Schlussfolge wiederum besagt, dass für den beschriebenen Sachverhalt die im Rechtssatz genannte Rechtsfolge gilt. Mit der Verneinung der Zuordnung der Beschreibung eines Sachverhalts zum Tatbestand eines Rechtssatzes ist indes nicht stets die Verneinung der hieraus ableitbaren konkreten Rechtsfolge verbunden; denn diese lässt sich möglicherweise in Anwendung eines anderen Tatbestands begründen. Ebenso bedarf es der Prüfung, ob der beschriebene Sachverhalt nicht unter den Tatbestand einer einschränkenden Norm fällt, welche die einstweilen gewonnene Rechtsfolgenanordnung begrenzt oder ausschließt.

17

Innerhalb dieses logischen Schlussverfahrens können Fehler nicht nur im Obersatz, sondern auch im Untersatz und in der Schlussfolgerung selbst auftreten (Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 546 RdNr 7; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Juli 2016, § 118 FGO RdNr 32 f; für eine Unterteilung nur in Interpretations- und Subsumtionsfehler etwa BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - Juris RdNr 14 zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 8 mwN; Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl 2015, § 118 FGO RdNr 6). Unrichtige Rechtsanwendung besteht danach zunächst darin, dass die abstrakten Tatbestandsmerkmale einer Norm unzutreffend ausgelegt wurden oder eine anzuwendende Norm übersehen wurde (Interpretationsfehler = Fehler im Obersatz). Fehler können aber auch beim Feststellen von Tatsachen unterlaufen (Feststellungsfehler = Fehler im Untersatz). Derartige Fehler sind, soweit sie die Feststellung selbst betreffen, als "ureigene tatrichterliche Aufgabe" (BSG vom 11.3.2016 - B 9 V 3/16 B - Juris RdNr 6) und Teil der Urteilsfindung allein des Berufungsgerichts einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zur Gänze entzogen. Beanstandungen des im Einzelfall gefundenen Ergebnisses und Versuche, es mit revisionsrechtlichen Angriffen durch ein eigenes abweichendes zu ersetzen, sind damit grundsätzlich unbeachtlich (BSG vom 8.2.2000 - B 1 KR 13/99 R - Die Beiträge Beilage 2002, 380 ff = Juris RdNr 14 und vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 20). Eine Überprüfung kommt insofern allein auf Rüge eines verfahrensfehlerhaften äußeren Zustandekommens einer Tatsachenfeststellung (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) in Betracht, wenn also im Einzelfall gegen das Gebot der Vollständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) bzw gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 21 RdNr 26; BSG SozR Nr 34 und 56 zu § 128 SGG; BGH Urteil vom 17.5.2000 - VIII ZR 216/99 - NJW 2000, 3007). Schließlich kommt in Betracht, dass festgestellte Tatsachen fehlerhaft einer bestimmten Norm unterstellt oder zu Unrecht einem an sich verwirklichten Normtatbestand nicht unterstellt wurden (Subsumtionsfehler = Fehler im Schlusssatz).

18

Die zur Gewinnung eines Sachverhalts notwendige Abstrahierung von Unwesentlichem kann dabei immer nur in Bezug auf bestimmte Rechtsnormen vorgenommen werden. Umgekehrt können in Betracht zu ziehende Rechtsnormen nur bezüglich eines bestimmten Sachverhalts ausgewählt werden (Schlüter, Das obiter dictum, 1973, S 109). Ober- und Untersatz stehen demnach nicht beziehungslos nebeneinander, sondern greifen wechselwirksam ineinander oder anders gewendet: Für den Obersatz ist wesentlich, was auf den konkreten Fall Bezug hat, und für den konkreten Fall ist nur von Bedeutung, was auf den Obersatz Bezug hat (Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl 1963, S 14 f). Für die Prüfung der Frage, ob die getroffene Entscheidung (Konklusion) von ihren beiden Prämissen getragen wird, dem Gesetz als Obersatz (normative Prämisse) und dem festgestellten Sachverhalt als Untersatz (tatsächliche Prämisse), bedarf es demnach stets und denknotwendig des Wissens um den entscheidungserheblichen Sachverhalt.

19

bb) Der konkret-individuelle Sachverhalt, für den die Rechtsfolgen ermittelt werden sollen und der den Untersatz des Syllogismus bildet, muss anders als der Obersatz, der regelmäßig in formulierten Sätzen vorgegeben ist, erst in solchen beschrieben, also festgestellt werden (Bydlinski, aaO, S 43 f). Der für das Revisionsverfahren relevante Sachverhalt, die tatsächlichen Feststellungen iS von § 163 SGG, findet seinen Ausdruck in dem Untersatz, den die Tatsachengerichte auf der Grundlage ihrer Ermittlungen unter Heranziehung der Beteiligten(§§ 103, 128 Abs 2 SGG)als Ausdruck ihrer begründeten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 128 Abs 1 S 1, 2 SGG) im Urteil zum Ausdruck gebracht haben (§§ 128 Abs 1 S 2, 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Die identische Tatsachengrundlage des Berufungs- wie des Revisionsurteils ist damit rechtlich abschließend und unvertretbar der "Überzeugung" des Tatsachengerichts zugewiesen. Das BSG als Revisionsgericht ist demgegenüber grundsätzlich weder befugt noch verpflichtet, eigene Tatsachen zu ermitteln; es prüft nur, ob im angefochtenen Urteil das revisible Recht richtig angewandt worden ist oder nicht. Dieser Eigenart des Revisionsgerichts als Rechtskontrollinstanz trägt § 163 SGG Rechnung(vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 1 und 4)und berücksichtigt dabei zugleich, dass das individuelle geistige Internum der "Überzeugung" (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) externer Kontrolle schon faktisch weitgehend entzogen ist. Nach § 163 SGG ist das BSG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Diese gesetzlich vorgegebene Bindung legt für das BSG die tatsächliche Grundlage fest, auf der die Revisionsentscheidung allein getroffen werden darf. Es darf und kann seiner rechtlichen Beurteilung grundsätzlich nur den vom Vordergericht festgestellten Sachverhalt zugrunde legen (vgl Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 137 RdNr 142; zur ausnahmsweise möglichen Tatsachenfeststellung durch das BSG vgl Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand Juni 2015, § 163 RdNr 38 ff mit RsprNachw). Die revisionsrechtliche Prüfungsgrundlage muss demnach identisch mit dem Sachverhalt sein, der dem Urteil des Vordergerichts zugrunde liegt und von diesem festgestellt worden ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Revisionsgericht erkennen und darüber befinden, ob dem Tatsachengericht bei seiner Entscheidung Fehler in der Rechtsanwendung unterlaufen sind oder nicht.

20

cc) Die Pflicht zur Revisionsbegründung dient - wie dargelegt - dem Zweck, das Revisionsgericht zu entlasten, indem sie zum einen die Vorbereitung bzw Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtert; zum anderen soll erreicht werden, dass der Rechtsanwalt die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt, und dass er infolgedessen von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (Senatsbeschluss vom 16.7.2014 - B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014, 71436 RdNr 9; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 RdNr 206 f; Bley, Festschrift 25 Jahre BSG, 1979, S 817, 846). Vor allem die zweite Zielrichtung des Revisionsbegründungszwangs wäre unvollkommen und weniger effektiv, wenn in der Revisionsbegründung nicht die im Hinblick auf die gerügte Rechtsverletzung gerade vom Vordergericht und im angegriffenen Urteil (exemplarisch BSG SozR 1500 § 164 Nr 28 S 44 f, BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 65 und vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16) festgestellten, entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend mitgeteilt werden müssten. Denn erst so wird zum einen sichergestellt, dass der Revisionsführer die Entscheidungserheblichkeit seiner Ausführungen im Blick behält (vgl BSG Urteil vom 24.2.2016, aaO, Juris RdNr 17 zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen), und zum anderen vermieden, dass er seine materiell-rechtlichen Beanstandungen nicht an dem vom Vordergericht festgestellten Sachverhalt darstellt, sondern einen konstruierten Sachverhalt zur Grundlage seines - so möglicherweise leichter "begründbaren" - Vorbringens macht; eine solche, auf einen "erfundenen" Sachverhalt gestützte - und damit keine sachliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zeigende - Revision wäre indes aussichtslos und als unzulässig zu verwerfen (vgl auch BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - 1 BvL 21/83 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz; aA BSG Urteil vom 24.2.2016, aaO, Juris RdNr 19 aE). Das Erfordernis, die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen, besagt daher nach der Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass der Revisionskläger den Streitstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durcharbeiten, sichten und gliedern muss (BVerwG vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 - Juris RdNr 3).

21

dd) In vergleichbarer Weise fordert auch das BVerfG für die Zulässigkeit einer Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG die Darlegung des für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalts (vgl BVerfG Beschlüsse vom 15.2.2016 - 1 BvL 8/12 - Juris RdNr 18 und vom 12.9.2012 - 1 BvL 11/12 - Juris RdNr 6). Nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Dadurch soll das vorlegende Gericht ua gezwungen werden, die mit dem Vorlagegegenstand verbundenen Rechtsfragen, insbesondere die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage und die Vereinbarkeit der vorzulegenden Rechtsnorm mit höherrangigem Recht, sorgfältig zu durchdenken. Unnötige Vorlagen sollen so vermieden, die Arbeit des BVerfG dementsprechend erleichtert und entlastet werden (Müller-Terpitz in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Februar 2016, § 80 RdNr 238 mit RsprNachw). Um dem Entlastungszweck gerecht werden zu können, muss nach der Rechtsprechung des BVerfG der Vorlagebeschluss aus sich heraus, dh ohne Beiziehung der Akten, verständlich sein (BVerfG Beschlüsse vom 6.9.2012 - 1 BvL 13/12 - NVwZ 2013, 61, 62 und vom 25.6.1974 - 1 BvL 13/69, 1 BvL 23/69, 1 BvL 25/69 - BVerfGE 37, 328, 333 und vom 3.11.1987 - 1 BvL 28/87 - BVerfGE 77, 259, 261; Dederer in Maunz/Dürig, GG, Stand Juli 2016, Art 100 RdNr 191 mit RsprNachw). Das vorlegende Gericht hat deshalb in den Gründen seines Beschlusses den Sachverhalt darzustellen, soweit er für die rechtliche Beurteilung wesentlich ist, und die rechtlichen Erwägungen darzulegen, nach denen es für die von ihm zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten gesetzlichen Vorschrift ankommt (BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65, 308, 314 f und Beschluss vom 2.12.2013 - 1 BvL 5/12 - Juris RdNr 6). Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht der Funktion eines Normenkontrollverfahrens entspricht und nicht seine Aufgabe sein kann, Rechtsfragen zu beantworten, die erkennbar für die Entscheidung der eigentlichen Streitfrage bedeutungslos sind (BVerfG Beschluss vom 22.11.1983 - 2 BvL 5/81 - BVerfGE 65, 265, 277); daher darf dem Vorlagebeschluss auch kein konstruierter Sachverhalt zugrunde liegen (BVerfG Beschluss vom 22.2.1984 - BVerfGE 66, 226 Leitsatz). Ohne zutreffende Sachverhaltsdarstellung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das vorlegende Gericht die Rechtslage umfassend gewürdigt, insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen für die Vorlage zutreffend festgestellt hat (BVerfG Beschluss vom 29.11.1983 - 2 BvL 18/82 - BVerfGE 65, 308, 315). Genügt eine Vorlage diesen Anforderungen an die Sachdarstellung nicht, ist sie als unzulässig zu verwerfen (vgl BVerfG Beschluss vom 16.11.1992 - 1 BvL 31/88, 1 BvL 10/92 und 1 BvL 11/92 - BVerfGE 87, 341, 346 f).

22

b) Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung. Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener Qualität und sind naturgemäß am geringsten, wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich kundgetan hat, wovon es aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe des Revisionsführers wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung deutlich wird, von welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit (BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr 17 - Juris RdNr 15) - und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt als dessen geistigen Gehalt entnimmt.

23

aa) Zutreffend geht der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 29.6.2016 - Juris RdNr 17) daher davon aus, dass eine formgerechte Revisionsbegründung nicht stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffes und der angegriffenen Entscheidung als Ganzes erfordert. Auch bedarf sie nicht zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich relevanten Tatumstände. Entsprechendes wird bisweilen auch gar nicht möglich sein, da bindende Feststellungen in der Entscheidung des Tatsachengerichts nicht ausdrücklich getroffen sein müssen; sie können sich auch mittelbar aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen ergeben (BFH Urteil vom 22.1.2013 - IX R 18/12 - HFR 2013, 783, 785; vgl auch BSG Urteil vom 10.8.2000 - B 11 AL 83/99 R - Juris RdNr 21). Ebenso vertritt der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 29.6.2016 - Juris RdNr 17) die zutreffende Rechtsauffassung, dass das bloß punktuelle Ansprechen einzelner Sachverhaltselemente und Feststellungen des Vordergerichts ebenso wenig wie deren Behandlung mit eigenen tatsächlichen und rechtlichen Wertungen bzw deren Vermischung mit nicht berücksichtigungsfähigem neuen Tatsachenvorbringen ausreichend ist (vgl Senatsbeschluss vom 22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 9).

24

bb) Soweit der anfragende Senat unter Buchst a) seines Tenors indes ausführt, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sei für eine formgerechte Revisionsbegründung "die ausdrückliche Angabe erforderlich, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat und an welcher genauen Stelle er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte", geht er von unzutreffenden Annahmen aus.

25

Die Revisionsbegründung muss nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats allein erkennen lassen, dass der geschilderte Sachverhalt ganz oder teilweise mit demjenigen des angegriffenen Urteils identisch ist (Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/11 R - Juris RdNr 17), bzw keine Zweifel lassen, dass sie die Anwendung revisiblen Rechts allein und gerade hinsichtlich des entscheidungserheblichen, vom Tatsachengericht auf der Grundlage der diesem vorbehaltenen Überzeugung festgestellten Sachverhalts durch das Revisionsgericht überprüft wissen will (vgl Senatsbeschluss vom 16.3.2016 - B 5 RE 3/15 R - BeckRS 2016, 67705 RdNr 9). Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus der revisionsgerichtlichen Auslegung des Revisionsvorbringens im Einzelfall (Senatsbeschluss vom 16.3.2016, aaO); dabei ist die "Revisionsbegründung als Willenserklärung" der Auslegung grundsätzlich zugängig (so schon RG Urteil vom 7.4.1933 - I 303/33 - RGSt 67, 197, 198). Diese Rechtsauffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des anfragenden Senats. Nach dieser kann von einer notwendigen Durchdringung der Sach- und Rechtslage (erst dann) nicht mehr ausgegangen werden, wenn anhand der Revisionsbegründung nicht erkennbar wird, dass der Revisionsführer auch die - ohne zulässige Verfahrensrügen für das BSG bindenden (§ 163 SGG) - wesentlichen tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils erfasst, diese zutreffend mitgeteilt und seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde gelegt hat (Anfragebeschluss vom 29.6.2016 - Juris RdNr 15).

26

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats fordert hingegen nicht - was der anfragende Senat verkennt - die "ausdrückliche Angabe", dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, sondern erachtet hierauf bezogene Hinweise als ausreichend (vgl etwa Senatsbeschlüsse vom 22.7.2015 - BeckRS 2015, 70865 RdNr 9 und vom 13.2.2013 - B 5 R 28/12 R - BeckRS 2013, 66976 RdNr 9). Angaben, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil bestimmte Tatumstände zu entnehmen sind, bedarf es regelmäßig nur dann, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, welchen Lebenssachverhalt sich das Tatsachengericht als für seine Entscheidung maßgeblich vorgestellt hat und dieser erst ermittelt werden muss, weil die Urteilsgründe einer entsprechenden Interpretation bedürfen (vgl Berchtold, aaO, § 8 RdNr 92, 257). Der erkennende Senat hat die vom anfragenden Senat unter Buchst a) des Tenors zitierte Formulierung im Kontext von Fällen gebraucht, in denen der festgestellte Sachverhalt lediglich bruchstückhaft oder in Ansätzen wiedergegeben wurde (vgl Senatsbeschlüsse vom 13.2.2013, aaO; vom 16.4.2013 - B 5 R 98/11 R - BeckRS 2013, 68747 RdNr 11 aE; vom 24.9.2013 - B 5 R 66/11 R - BeckRS 2013, 73558 RdNr 8; vom 16.7.2014 - B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014, 71436 RdNr 12; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 8; vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9 und vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7). Es handelt sich hierbei um auf die Würdigung des Einzelfalles bezogene Aussagen, die nicht als unverzichtbares Element eines abstrakten Rechtssatzes, sondern nur als "Indizien" im Rahmen der Subsumtion unter diesen Verwendung finden. Eine Divergenz und damit eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen käme lediglich dann in Betracht, wenn den Entscheidungen des erkennenden Senats ein fallübergreifender Rechtssatz des vom anfragenden Senats zitierten Inhalts entnommen werden könnte (vgl BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 13 R 65/11 R - SozR 4-1500 § 163 Nr 6 RdNr 30 f; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 41 RdNr 11). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.

27

c) Diese Rechtsprechung des erkennenden Senats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie macht die Revisionsbegründung nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig.

28

Zu Recht weist der anfragende Senat (Anfragebeschluss vom 29.6.2016 - Juris RdNr 23) darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG der Zugang zum jeweils vorgesehenen gerichtlichen Instanzenzug mit Rücksicht auf Art 19 Abs 4 S 1 GG nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf. Dies müssen die Gerichte auch bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Sie dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 27.7.2016 - 2 BvR 2040/15 - Juris RdNr 13). Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 19.11.2015 - 2 BvR 2577/14 - Juris RdNr 6). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 164 Abs 2 S 3 SGG, die nicht derart erschwert werden dürfen, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können.

29

Indes sind die vom erkennenden Senat aufgestellten Erfordernisse an eine materiell-rechtliche Revisionsrüge verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben (Senatsbeschluss vom 18.2.1980 - 5 RKn 1/78 - und nachgehend BVerfG Beschluss vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29 f). Nach Auffassung des BVerfG steht es in Übereinstimmung mit Verfassungsrecht, wenn das BSG im Einklang mit seiner eigenen ständigen Rechtsprechung und mit der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes die Begründung der Revision nur dann als formgerecht erachtet, wenn sie die Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffes durch den zugelassenen Prozessbevollmächtigten erkennen lässt. Diese an den Zwecken des Revisionsverfahrens ausgerichtete Auslegung der einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften verletze weder Art 3 Abs 1 GG noch Art 103 Abs 1 GG; letztere Bestimmung schließe es nicht aus, dass ein Gericht das sachliche Vorbringen eines Beteiligten aus prozessrechtlichen Gründen unberücksichtigt lässt. Auch im Hinblick auf die durch Art 19 Abs 4 S 1 GG gewährleistete Rechtsweggarantie bestehen nach Ansicht des BVerfG keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beschreitung des Rechtswegs könne in den Prozessordnungen von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden; durch die vom BSG für notwendig erachteten Anforderungen an die Begründung der Revision werde der Zugang zum Revisionsgericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise behindert. Soweit der Rechtsprechung des Senats entgegengehalten wird, sie überspanne die Anforderungen an eine formgerechte Revisionsbegründung, ist auf die ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die Bindung der Revisionsgerichte an das Prozessrecht streng ist und nicht durch Erwägungen der Prozessökonomie außer Kraft gesetzt werden kann (BVerfG Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 2.10.2006 - 2 BvR 2480/04 - Juris RdNr 18). Revisionsgerichtliche Sachentscheidungen kommen daher grundsätzlich nur nach Maßgabe des § 170 Abs 2 S 1 SGG in Betracht.

30

Insbesondere kann das - in konkreter Umsetzung der ständigen Rechtsprechung des BSG - vom erkennenden Senat aufgestellte Erfordernis der Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts mit zumutbarem Aufwand nicht allein von einem spezialisierten Rechtsanwalt erfüllt werden. Im Gegenteil ist die Wiedergabe der rechtlich relevanten Tatumstände idealiter das mit dem geringsten Aufwand verbundene Element der Revisionsbegründung. Es bedarf im Wesentlichen nur der allgemeinen Erkenntnis, dass Rechtsanwendung in seiner grundlegendsten Form darin besteht, dass ein Lebenstatbestand unter die maßgebende Rechtsnorm subsumiert wird, so dass sich eine bestimmte Rechtsfolge ergibt (vgl Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 15. Aufl 1959, S 311), sowie des Wissens, dass ein Revisionsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts gebunden ist. Von einer Überforderung eines durchschnittlichen Rechtsanwalts kann bei den Darlegungsanforderungen des skizzierten Inhalts keine Rede sein.

31

d) Entgegen dem anfragenden Senat (Anfragebeschluss vom 29.6.2016 - Juris RdNr 24 f) überträgt der erkennende Senat durch Anwendung des unter Buchst b) des Tenors zitierten Rechtssatzes nicht die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten strengen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bzw an den Inhalt einer Revisionsbegründung im Falle von Verfahrensrügen auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

32

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Revisionszulassungsgründe (§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 bis Nr 3 SGG) substantiiert und schlüssig darzulegen bzw zu bezeichnen (Senatsbeschlüsse vom 7.6.2016 - B 5 AL 1/16 B - BeckRS 2016, 71174 RdNr 8 f und vom 25.3.2014 - B 5 R 416/13 B - BeckRS 2014, 68316 RdNr 10, 13, 17; vgl auch Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 43). Durch die hohen Anforderungen an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde soll das Beschwerdegericht der Mühe enthoben sein, selbst die Akten auf mögliche Zulassungsgründe zu durchsuchen; die Beschwerdebegründung muss es in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (Senatsbeschluss vom 7.6.2016, aaO RdNr 11; vgl auch Karmanski, aaO, § 160a RdNr 44).

33

Soweit im Rahmen der Revision die tatsächlichen Feststellungen des Vordergerichts angefochten werden (vgl § 163 SGG), sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Bezug auf diese Feststellungen zulässige Revisionsgründe vorzubringen und vollständig und schlüssig zu begründen. Dies erfordert zur Bezeichnung der Tatsachen, die den (behaupteten) Mangel ergeben, alle relevanten Verfahrensvorgänge so genau und widerspruchsfrei zu bezeichnen, dass das BSG allein aufgrund der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber zu entscheiden, ob das Urteil des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann, dh das Vordergericht ohne den gerügten Verfahrensmangel ggf anders entschieden hätte (Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13). Diese gesteigerten Anforderungen folgen aus dem Wortlaut des § 164 Abs 2 S 3 SGG und dienen zusammen mit der sich aus § 202 SGG iVm § 557 Abs 3 S 2 ZPO ergebenden Rügepflicht dem Zweck der Entlastung des Revisionsgerichts, welches andernfalls gehalten wäre, das gesamte vorhergehende Verfahren auf das Vorhandensein von Mängeln zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - BSGE 1, 227, 231; Behn in Peters/Sautter/Wolff, § 164 RdNr 224).

34

bb) Werden materiell-rechtliche Rügen erhoben, stellt das Gesetz - worauf der anfragende Senat zu Recht hinweist (Anfragebeschluss vom 29.6.2016 - Juris RdNr 26) - keine so hohen Anforderungen an die Begründung der Revision (vgl Senatsurteil vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 14). Das ergibt sich bereits daraus, dass insofern allein der Rückgriff auf die im Urteil ohnehin getroffenen Feststellungen möglich und zulässig ist (§ 163 SGG), während dies bei den tatsächlichen Grundlagen von Verfahrensmängeln, die erst zusammengetragen werden müssen, gerade nicht in Betracht kommt. Dennoch entspricht es der ständigen Rechtsprechung bereits des RG und des BSG, dass auch die Begründungserfordernisse bei materiell-rechtlichen Rügen ungeachtet der erst im Rahmen der Begründetheit zu klärenden Frage, ob die Revisionsbegründung den Revisionsangriff auch trägt (BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 - Juris RdNr 8), ua der Entlastung des Revisionsgerichts und seines Berichterstatters dienen (exemplarisch RGZ 87, 5, 6; BSG Urteil vom 20.1.2005 - B 3 KR 22/03 R - USK 2005-95 - Juris RdNr 16 und Beschluss vom 28.1.2014 - B 13 R 31/13 R - Juris RdNr 8 mwN). Es bedarf daher als Teil einer sorgfältigen sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfreien Begründung zur Individualisierung des Lebenssachverhalts, aus dem sich die behauptete Rechtsverletzung herleitet (BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 11), in der Begründungsschrift selbst aus sich heraus erkennbar ua der Darlegung des im angegriffenen Urteil festgestellten Sachverhalts (BSG Beschluss vom 17.1.1958 - BSGE 6, 269, 270; Urteil vom 30.6.1964 - 3 RK 38/60 - SozR Nr 53 zu § 164 SGG = Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 13.10.1983 - 11 RAz 3/82 - Juris RdNr 11; BSG Urteil vom 28.1.1981 - 9 RV 1/80 - Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 9.6.1982 - 6 RKa 16/80 - USK 82242 = Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 24.11.1983 - 3 RK 7/83 - Juris RdNr 8; BSG SozR 1500 § 164 Nr 25 = Juris RdNr 7; BSG SozR 1500 § 164 Nr 29 = Juris RdNr 9 f; BSG Beschluss vom 21.7.1988 - 3 RK 17/87 - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.6.1990 - 9a RVs 2/90 - Juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 10.4.1991 - 6 RKa 7/90 - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 = Juris RdNr 20; BSG Urteil vom 29.8.1996 - 4 RA 105/95 - Juris RdNr 12; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 = Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16, stRspr; ebenso BFH Urteil vom 28.4.1987 - IX R 9/83 - BFH/NV 1988, 151 = Juris RdNr 9; BFH Beschluss vom 11.12.1986 - V R 135/85 - BFH/NV 1988, 92 = Juris RdNr 21 f; BFH Urteil vom 5.10.1999 - VII R 25/98 - BFH/NV 2000, 235 = Juris RdNr 14; BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 6.12.1984 - 9 C 41/84 - NJW 1985, 1235 = Juris RdNr 3, stRspr; BAG Urteil vom 29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 ff = Juris RdNr 14, stRspr). Nur so kann der Revisionsführer dem Revisionsgericht "erklären", warum er nach Durcharbeitung des Prozessstoffs und der gebotenen Selbstüberprüfung seines Vorbringens in der Vorinstanz mit der angefochtenen Entscheidung nicht einverstanden ist (BFH Beschluss vom 17.7.1985 - II R 122/83 - BFH/NV 1986, 164 = Juris RdNr 9).

35

Wie ausgeführt hat dies mit der Begründetheitsprüfung noch nichts zu tun. Vielmehr entspricht es auch der Rechtsprechung des Senats, dass es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung in einem Revisionsverfahren nicht darauf ankommt, ob die materielle Rüge den Revisionsangriff im Ergebnis trägt bzw die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil aus der Sicht des Revisionsgerichts überzeugend oder gar schlüssig ist; dies ist allein eine Frage der Begründetheit der Revision (Senatsurteil vom 25.6.1975 - 5 RKn 41/74 - SozR 2600 § 54 Nr 1 = Juris RdNr 16; vgl auch BSG Beschluss vom 30.1.1991 - 6 RKa 17/89 - Juris RdNr 7; BVerwG Beschluss vom 17.12.1990 - 5 CB 42/90 - Juris RdNr 2; BGH Urteil vom 24.11.1980 - VIII ZR 208/79 - NJW 1981, 1453; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2016, § 164 RdNr 27d; Neumann in Sodan/Ziekow, aaO, § 139 RdNr 95, 102; Krüger in MüKo zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 551 RdNr 20 aE). Die Pflicht zur Begründung der Revision zielt nicht darauf ab, eine qualifizierte Erfolgsprognose über das Rechtsmittel in der Hauptsache zu einem Bestandteil der Sachurteilsvoraussetzungen desselben zu erheben und die Begründetheitsprüfung gleichsam in die Zulässigkeitsprüfung vorzuverlagern (BSG Urteile vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - Juris RdNr 13 zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen und vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12).

36

Den Beschlüssen des Senats vom 16.7.2014 (B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014, 71436 RdNr 12), vom 25.9.2014 (B 5 RE 14/14 R, aaO RdNr 8 und B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 9), vom 5.11.2014 (B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8) und dem Urteil vom 23.7.2015 (B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7) kann nichts anderes entnommen werden. Der dortige Hinweis, dass die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts es ermöglichen muss, das BSG in die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind", vermittelt nur vordergründig und bei isolierter Orientierung am Wortlaut den unzutreffenden Eindruck einer vorgezogenen Begründetheitsprüfung. Es gehört zu den Grundsätzen der allgemeinen Hermeneutik, dass in sich geschlossene Ausführungen als Einheit zu begreifen sind; dh der Inhalt eines einzelnen Satzes kann nicht losgelöst vom Textganzen, sondern nur aus diesem heraus bestimmt werden (vgl Coing, Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Zivilrecht, Bd 1, 1982, S 208, 217). Der maßgebende und entscheidungstragende Rechtssatz, der die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG präzisiert, findet sich in den vorbezeichneten Entscheidungen jeweils vorangehend(Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 10; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - aaO RdNr 6; vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - aaO RdNr 6 und vom 5.11.2014, aaO RdNr 7; Senatsurteil vom 23.7.2015, aaO RdNr 5). Er lautet:

        

"Um anhand der Revisionsbegründung nachvollziehen zu können, ob der Revisionskläger bzw sein Prozessvertreter das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und die Rechtslage genau durchdacht hat, muss die Revision daher sowohl bei prozessualen als auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig begründet werden".

37

Dieser öffnende Obersatz - zu dem alle weiteren Sätze in Beziehung zu setzen sind - macht deutlich, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die materiell-rechtliche Rüge im Revisionsverfahren nicht den gesteigerten Anforderungen einer Verfahrensrüge oder Nichtzulassungsbeschwerde genügen und die Revisionsentscheidung im Einzelnen auch nicht gleichsam vorwegnehmen muss; es ist ausreichend, dass die Begründung rechtliche Erwägungen anstellt, die das angegriffene Urteil als unrichtig, somit eine Rechtsnorm als verletzt erscheinen lassen können. Nach alldem mag allein eine zu kurz greifende, isolierte Betrachtung für die vom anfragenden Senat gezogene Schlussfolgerung sprechen; die gebotene Kontextualisierung des streitbefangenen Rechtssatzes trägt eine solche Interpretation indes nicht.

38

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dieser vom anfragenden Senat unter Buchst b) des Tenors zitierte Rechtssatz auch nicht der die bezeichneten Entscheidungen allein tragende rechtliche Gesichtspunkt war. Tragend sind diejenigen Rechtsauffassungen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Stützt sich ein konkretes Ergebnis der Entscheidung auf mehrere selbstständig tragfähige Begründungen und will der anfragende Senat nur von einer dieser Begründungen abweichen, liegt keine die Anrufung des Großen Senats des BSG begründende Divergenz vor (vgl BFH Beschluss vom 22.7.1977 - III B 34/74 - BFHE 123, 112, 116; Behn in Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 41 RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 3.7.2012 - 2 PBvU 1/11 - BVerfGE 132, 1, 4 f). So liegen die Dinge hier. Der erkennende Senat hat die Notwendigkeit der Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in den vorbezeichneten Entscheidungen durchgehend vor allem damit begründet, dass eine Revision auch bei materiell-rechtlichen Rügen sorgfältig zu begründen ist und ohne Angaben zum festgestellten Sachverhalt eine Überprüfung des vorgenommenen Subsumtionsschlusses von vornherein ausgeschlossen ist (Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014 - B 5 RS 5/13 R - BeckRS 2014, 71436 RdNr 10 f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R - BeckRS 2014, 73306 RdNr 6 f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R - BeckRS 2014, 73307 RdNr 6, 9 und vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 7 f; Senatsurteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 5 f); zudem wurde in diesen Entscheidungen das Rechtsmittel auch deshalb als unzulässig verworfen, weil die jeweilige Revisionsbegründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils nicht in der gebotenen Weise eingegangen ist (Senatsbeschlüsse vom 16.7.2014, aaO RdNr 13 f; vom 25.9.2014 - B 5 RE 14/14 R, aaO RdNr 9 ff; vom 25.9.2014 - B 5 RE 15/14 R, aaO RdNr 10 ff und vom 5.11.2014, aaO RdNr 9 f; Senatsurteil vom 23.7.2015, aaO RdNr 8 f). Die vorerwähnten Entscheidungen des Senats wären mithin nicht anders ausgefallen, wenn die zweite vom anfragenden Senat aufgeworfene Rechtsfrage in den Gründen dieser Entscheidungen unerwähnt geblieben wäre. Ihre Niederlegung trägt diese nicht derart, dass sie jeweils ein unabdingbares Glied in der Gedankenkette des Senats darstellten (vgl BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 23/13 R - Juris RdNr 23).

39

Der vorliegende Rechtsstreit zeigt nach Auffassung des 5. Senats exemplarisch, dass sich aus seiner Rechtsprechung keine unerfüllbaren Anforderungen an die Revisionsbegründung ergeben und der Zugang zur Revisionsinstanz hierdurch nicht etwa in unzumutbarer Weise erschwert wird. Der Kläger des beim 12. Senat anhängigen Revisionsverfahrens erfüllt diese Anforderungen mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 30.4.2015 nach einstimmiger Auffassung der Mitglieder des 5. Senats in vollem Umfang. Käme der 12. Senat zu einem übereinstimmenden Ergebnis, beruhte dies entgegen der im Anfragebeschluss vertretenen Auffassung nicht auf einer Abweichung von Rechtssätzen, die der 5. Senat seiner bisherigen Rechtsprechung in Übereinstimmung mit derjenigen aller obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG tragend zugrunde gelegt hat.

40

Der Revisionskläger trägt der Entlastungsfunktion der Revisionsbegründung für das Revisionsgericht ausreichend Rechnung, indem er insbesondere die seiner Ansicht nach durch das angegriffene Urteil verletzten revisiblen Normen des Bundesrechts angibt, als maßgeblichen Sachverhalt gerade den vom Berufungsgericht festgestellten ausdrücklich benennt und auf dieser Grundlage die Rechtsanwendung des LSG kritisch nachvollzieht. Soweit er sich zur näheren Kennzeichnung des festgestellten Sachverhalts im Übrigen auf den "Tatbestand" des angefochtenen Urteils als Fundstelle beschränkt bzw vereinzelt Elemente des festgestellten Sachverhalts in einem spezifischen rechtlichen Kontext erwähnt, begegnet dies vorliegend keinen Bedenken. Entsprechend dem "schulmäßigen" Vorgehen des Berufungsgerichts, das seine tatsächlichen Feststellungen hinreichend klar als solche gekennzeichnet hat und begünstigt durch die einfache Struktur des zur Entscheidung stehenden Lebenssachverhalts konnte der Revisionsführer auf eine ins Einzelne gehende Ermittlung im Urteilstext verborgener oder diesem nur mittelbar zu entnehmender Feststellungen verzichten. In derartigen Fällen bedarf es auch nach der dargestellten Rechtsprechung des 5. Senats keiner näheren Bezeichnung von Fundstellen im angegriffenen Urteil.

(1) Bei dem Bundessozialgericht wird ein Großer Senat gebildet.

(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, nunmehr zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten, je einem Berufsrichter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt, je zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Versicherten und dem Kreis der Arbeitgeber sowie je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten und der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Legt der Senat für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und dem Kreis der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten an. Legt der Senat für Angelegenheiten des § 51 Abs. 1 Nr. 6a vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, gehören dem Großen Senat außerdem zwei ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände Vorgeschlagenen an. Sind Senate personengleich besetzt, wird aus ihnen nur ein Berufsrichter bestellt; er hat nur eine Stimme. Bei einer Verhinderung des Präsidenten tritt ein Berufsrichter des Senats, dem er angehört, an seine Stelle.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Den Vorsitz im Großen Senat führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(7) Der Große Senat entscheidet nur über die Rechtsfrage. Er kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Seine Entscheidung ist in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat bindend.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 aufgehoben, soweit darin das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 geändert worden ist.

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. werden auch insoweit zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Synchronsprecher wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) versicherungspflichtig war, sowie darüber, ob er beitragsrechtlich als "unständig Beschäftigter" anzusehen ist.

2

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse und war ua zwischen dem 5.12.2006 und dem 16.11.2007 an 53 nicht zusammenhängenden Einzeltagen bei den Beigeladenen zu 4., 5. und 7. bis 9. sowie einem weiteren (inzwischen insolventen, durch den Beigeladenen zu 6. vertretenen) Synchronisationsunternehmen als Synchronsprecher tätig. Teilweise wurden auf seine Einkünfte aus diesen Tätigkeiten von den Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, teilweise wurden die Einkünfte von diesen als solche aus selbstständiger Tätigkeit abgerechnet. Den Antrag des Klägers, seine "Versicherungspflicht als unständig Beschäftigter festzustellen", lehnte die Beklagte als Einzugsstelle ab, weil er selbstständig tätig gewesen sei, und wies seinen Widerspruch - nach Anerkennung der Versicherungspflicht als Beschäftigter für wenige einzelne Tage - im Wesentlichen zurück (Bescheid vom 16.7.2008; Widerspruchsbescheid vom 22.6.2009).

3

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger an den noch streitigen Tagen als Synchronsprecher wegen Ausübung unständiger Beschäftigung der Versicherungspflicht ua in der GRV unterlegen habe (Urteil vom 24.10.2012). Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. (Deutsche Rentenversicherung Bund) hat das LSG - nach vorheriger Abtrennung der die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung betreffenden Verfahrensteile - das vorinstanzliche Urteil teilweise - in Bezug auf dessen Feststellung "unständiger Beschäftigung" in der GRV - aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen; im Übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen: Für die Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung komme es jeweils auf die einzelnen Einsatztage an. Der Kläger sei in den Betrieb der Synchronisationsunternehmen eingegliedert gewesen, weil er in deren Räumen und mit deren Betriebs- und Produktionsmitteln gearbeitet habe, zeitlich in deren Arbeitsabläufe eingebunden und organisatorisch auf die Zusammenarbeit mit Regisseur, Cutter und Tonmeister angewiesen gewesen sei. Während der Einsätze habe er insoweit Weisungen und inhaltlicher Kontrolle unterlegen. Ein Unternehmerrisiko habe der Kläger im Hinblick auf die Vergütungsmodalitäten nicht getragen. Er sei in seinen Beschäftigungen nicht versicherungsfrei gewesen. Eine Beitragsberechnung nach der in der GRV bestehenden Regelung für "unständig Beschäftigte" könne der Kläger nicht verlangen, weil diese eine "berufsmäßige" Ausübung der Beschäftigung erfordere. Daran fehle es hier, da der zeitliche und wirtschaftliche Schwerpunkt seiner Erwerbstätigkeit im Bereich der Selbstständigkeit gelegen habe (Urteil vom 14.5.2014).

4

Hiergegen richten sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten. Der Kläger rügt (sinngemäß) die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG und von § 163 Abs 1 SGB VI. Als nicht "berufsmäßig" tätig kämen nur Personengruppen in Betracht, die nach ihrer Lebensstellung in der Regel keine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben pflegten. Die Einkünfte aus "unständiger Beschäftigung" seien hingegen wesentlicher Teil seiner Gesamteinkünfte. Die Beklagte rügt die Verletzung von § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bereits keine Versicherungspflicht des Klägers als Beschäftigter wegen der streitigen Tätigkeiten annehmen dürfen. Nach den Grundsätzen, die die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in ihrer Verlautbarung vom 30.9.2005 aufgestellt hätten, sei der Kläger als Synchronsprecher Selbstständiger gewesen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 aufzuheben, soweit darin das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 geändert worden ist, und die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. gegen dieses Urteil insgesamt zurückzuweisen,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

6

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 insgesamt aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.

8

Der Senat hat durch Beschluss vom 27.4.2016 beim 5. Senat des BSG angefragt, ob dieser an seiner Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine formgerechte Begründung einer Revision iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG, soweit es die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts betrifft, festhält. Der 5. Senat hat durch Beschluss vom 6.10.2016 (B 5 SF 3/16 AR) entschieden, dass er an der Rechtsauffassung festhält, wie sie in den von der Anfrage des 12. Senats des BSG in Bezug genommenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Berufungsurteil ist insoweit aufzuheben, als das LSG dort die Anwendung des für "unständig Beschäftigte" geltenden § 163 Abs 1 SGB VI auf die Synchronsprechertätigkeiten des Klägers verneint hat.

10

Die Revision der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.

11

1. Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind zulässig, denn ihre Begründungen genügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG in seiner Konkretisierung durch die ständige Rechtsprechung des BSG.

12

a) Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision fristgerecht zu begründen. Nach S 3 dieser Vorschrift muss die Begründung "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlichen Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert (vgl dazu BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 11 ff mwN). Danach muss, wenn mit der Revision die Verletzung einer Rechtsnorm gerügt wird, in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift im materiellen Sinne von der Vorinstanz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (vgl § 546 ZPO). Das Revisionsvorbringen muss eine Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffs durch den Prozessbevollmächtigten erkennen lassen (vgl BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 5/15 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 5 RdNr 13; BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 3 RdNr 11 mwN). Mit diesem Erfordernis soll zur Entlastung des Revisionsgerichts erreicht werden, dass der Revisionskläger bzw sein Prozessbevollmächtigter die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels eingehend prüft und von aussichtslosen Revisionen rechtzeitig Abstand nimmt.

13

b) Der notwendige Inhalt einer Revisionsbegründung ist im Einzelfall nach Maßgabe des mit dem Begründungserfordernis verfolgten Zwecks sowie unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben näher zu bestimmen. Denn aufgrund der Rechtsschutzgarantie in Art 19 Abs 4 S 1 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG vom 30.4.1997 - 2 BvR 817/90 ua - BVerfGE 96, 27, 39; BVerfG vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 - NJW 2016, 44). Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährleistung des Rechtsschutzes abhängt (BVerfG vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118, 126 f). Das gilt auch für Darlegungsanforderungen, die nicht derart streng gehandhabt werden dürfen, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (BVerfG vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104, 137; BVerfG vom 21.10.2015, aaO; vgl auch BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12).

14

c) Die Verletzung einer Norm iS des § 164 Abs 2 S 3 SGG(inhaltsgleich § 139 Abs 3 S 4 VwGO, § 554 Abs 3 Nr 3 Buchst a ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung und § 120 Abs 2 Finanzgerichtsordnung aF) ist das Ergebnis der fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes (vgl § 546 ZPO), also eines Subsumtionsschlusses, bei dem ein nach abstrakten Merkmalen bestimmter rechtlicher Obersatz mit einem individuellen Lebenssachverhalt in Übereinstimmung gebracht wird. Der Fehler kann sowohl in einer unzutreffenden Inhaltsbestimmung der abstrakten Tatbestandsmerkmale der Rechtsnorm (Interpretationsfehler) als auch in der fehlerhaften Annahme von Deckungsgleichheit zwischen einem zutreffend ausgelegten Obersatz und dem maßgebenden Sachverhalt (Subsumtionsfehler) liegen. Für die Beurteilung einer Rechtsverletzung in der Revisionsinstanz unbeachtlich ist lediglich ein Fehler des Berufungsgerichts bei der Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen, sofern nicht im Einzelfall zulässig und begründet ein Verfahrensmangel gerügt wird (§ 163 SGG).

15

d) Auf dieser Grundlage erfordert die Darlegung, weshalb die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts von der Vorinstanz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, eine kurze Wiedergabe des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Die Rüge, dass ein im angefochtenen Urteil vorgenommener Subsumtionsschluss die Verletzung einer Rechtsnorm in dem genannten Sinne bewirkt haben soll, macht nicht nur Ausführungen zum rechtlichen Obersatz, sondern auch zu den tatsächlichen Umständen (= Sachverhalt), auf die dieser Obersatz angewendet wurde, erforderlich (vgl BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 5/15 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 5 RdNr 11 mwN). Rechtsausführungen in dem angefochtenen Urteil mögen für sich genommen zutreffend oder unzutreffend sein; eine mit der Revision angreifbare Rechtsverletzung bewirken solche Interpretationen einer Norm jedoch nur, wenn sie bei Anwendung auf den maßgebenden Sachverhalt auch entscheidungsrelevant sind (vgl BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 16 mwN; BSG vom 27.4.2016 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 18; BSG vom 27.4.2016 - B 12 KR 17/14 R - Juris RdNr 14). Das Erfordernis der Wiedergabe des für die geltend gemachte Rechtsverletzung wesentlichen Sachverhalts ist dabei kein Selbstzweck. Es dient dazu, dass der Revisionsführer die Entscheidungserheblichkeit seiner Rechtsausführungen im Blick behält und von der Durchführung von Verfahren, in denen es auf einen Streit über die zutreffende Auslegung einer Norm letztlich überhaupt nicht ankommt, Abstand nimmt. Hierfür genügt es, wenn der Revisionsführer in der Revisionsbegründung den entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt.

16

e) Der erkennende 12. Senat muss die vorliegende Sache nicht dem Großen Senat des BSG zur Klärung der Anforderungen an eine Revisionsbegründung vorlegen.

17

aa) Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 27.4.2016 (B 12 KR 16/14 R - Juris) beim 5. Senat des BSG angefragt, ob es für die formgerechte Begründung einer Revision erforderlich sei, "an welcher genauen Stelle" der Revisionsführer dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte, ob es erforderlich sei, das BSG mit der Revisionsbegründung in die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind".

18

bb) Der 5. Senat des BSG hat mit Beschluss vom 6.10.2016 (B 5 SF 3/16 AR - Juris) an seiner Rechtsauffassung festgehalten, zur Begründung jedoch darauf hingewiesen, dass die Ausführungen in den bisherigen Entscheidungen des 5. Senats zur formgerechten Revisionsbegründung vom erkennenden Senat nicht zutreffend bewertet worden seien.

19

cc) Nach Klarstellung des 5. Senats im Beschluss vom 6.10.2016 zu den Anforderungen an eine hinreichende Revisionsbegründung, die sich mit denen des erkennenden Senats decken und daher eine Vorlage an den Großen Senat des BSG nach § 41 SGG entbehrlich machen, geht auch der erkennende Senat von den nachfolgend genannten Anforderungen an die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts aus:

20

(1) Wird mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts gerügt, ist in der Revisionsbegründung auf den Gedankengang des Vordergerichts und damit zumindest kurz auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung einzugehen und der vom Vordergericht festgestellte entscheidungserhebliche Lebenssachverhalt darzulegen.

21

(2) Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener Qualität und sind am geringsten, wenn in den Gründen der angegriffenen Entscheidung die ihr zugrunde liegenden Tatsachen ausdrücklich mitgeteilt werden.

22

(3) Weicht das Vordergericht von dieser Idealform tatrichterlicher Feststellungen ab und trifft es Feststellungen lediglich auf den Gesamttext seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise, dass allenfalls aus seiner Rechtsanwendung deutlich wird, von welchem Sachverhalt es ausgegangen ist, muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit - und nicht von "copy and paste" - darlegen, welchen Umständen sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt entnimmt.

23

(4) Eine formgerechte Revisionsbegründung erfordert weder stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffes und der angegriffenen Entscheidung als Ganzes noch bedarf sie zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich relevanten Tatumstände.

24

(5) Angaben, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil bestimmte Tatumstände zu entnehmen sind, bedarf es in Ausnahmefällen nur dann, wenn nicht ohne Weiteres erkennbar ist, welchen Lebenssachverhalt sich das Tatsachengericht als für seine Entscheidung maßgebend vorgestellt hat und dieser erst ermittelt werden muss, weil die Urteilsgründe einer entsprechenden Interpretation bedürfen.

25

f) Den oben erläuterten Anforderungen werden die Revisionsbegründungen des Klägers und der Beklagten gerecht. Insbesondere haben sie den für eine revisionsgerichtliche Prüfung notwendigen Sachverhalt in der gebotenen Weise dargestellt.

26

2. Der Kläger unterlag in seinen für die beigeladenen Produktionsunternehmen ausgeübten Synchronsprechertätigkeiten wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GRV, die hier allein (noch) zu beurteilen ist (dazu a). Er war in diesen Tätigkeiten nicht ausnahmsweise wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei (dazu b). Bei der Bemessung der Rentenversicherungsbeiträge sind die im Beitragsrecht der GRV für "unständig Beschäftigte" bestehenden Regelungen anzuwenden (dazu c).

27

a) Zutreffend hat das LSG - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - angenommen, dass der Kläger in den Synchronsprechertätigkeiten wegen Beschäftigung rentenversicherungspflichtig war, und die Entscheidung der beklagten Einzugsstelle insoweit als rechtsfehlerhaft angesehen.

28

aa) In den Jahren 2006 und 2007 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Rentenversicherungspflicht (§ 1 S 1 Nr 1 SGB VI). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 S 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert fortgeltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 S 1 und 2 SGB IV). Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des Senats zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; auch schon BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; aus jüngerer Zeit: Senatsurteile vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 17 und vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 16) und hat diese in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise umgesetzt.

29

bb) Bei Gestaltungen der vorliegenden Art ist für die Prüfung der Versicherungspflicht nicht auf den gesamten Tätigkeitszeitraum, sondern - mit dem LSG - stets auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Einsatzangebots, dh hier jeweils an dem Tag, an dem bei einem der beigeladenen Produktionsunternehmen synchronisiert wurde, bestehen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 19 mwN, vor allem unter Hinweis auf BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24). Nach den für den Senat bindenden - weil insoweit von den Beteiligten nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen - Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) fehlen Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Kläger und den Synchronisationsunternehmen eine Dauerrechtsbeziehung bestand, aufgrund derer den Kläger vor Annahme eines der hier streitigen Einsätze eine - ggf auch nur latente - Verpflichtung traf, Tätigkeiten für diese auszuüben, oder dass umgekehrt eine Verpflichtung der Unternehmen bestand, dem Kläger Arbeit anzubieten oder Entgelt zu gewähren (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 19).

30

Ausgehend von den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts ist dessen Würdigung, dass unter Gesamtabwägung aller Indizien und Umstände bei den hier maßgebenden einzelnen Einsätzen Beschäftigungen vorgelegen haben, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht war der Kläger in den Betrieb des jeweiligen Synchronisationsunternehmens eingegliedert und unterlag unter Vorgabe von Terminen und zeitlicher Abfolge für die Aufnahmen, von Räumlichkeiten sowie Dialog- und Synchronbüchern im Einzelnen den Weisungen der von den Produktionsunternehmen gestellten Regisseure, Cutter und Tonmeister. Gesichtspunkte der Kunstfreiheit gebieten dabei keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen für die Beurteilung des Klägers als Beschäftigter; weder die künstlerische Freiheit der Sprecher bei der Gestaltung der Synchronisation noch ein möglicher Schutz auf die Synchronisation von Filmen gerichteter Tätigkeit nach Art 5 Abs 1 S 2 sowie Abs 3 GG (Film- und Kunstfreiheit) stehen demnach entgegen.

31

An den jeweiligen Synchronisationstagen war der Kläger verpflichtet, einen "Take" so oft zu wiederholen, wie dies durch den Regisseur in Wahrnehmung eines diesbezüglichen Weisungsrechts des Synchronisationsunternehmens angeordnet wurde. Schon aus diesem Grunde unterlag er nicht etwa nur künstlerisch-fachlichen Weisungen bezüglich der künstlerischen Gestaltung der Synchronisation, die für sich genommen einer Einordnung als selbstständige Tätigkeit noch nicht entgegenstehen. Auch gab das Produktionsunternehmen nach den bindenden Feststellungen des LSG ua die Reihenfolge für die Abarbeitung der einzelnen "Takes" sowie Beginn, Ende und Pausen der Aufnahmen und der verschiedenen Synchronsprecher einseitig vor.

32

cc) Soweit die Beklagte mit ihrer Revision geltend macht, der Kläger habe ein relevantes unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt, weil ihm beim Entfall des Synchroneinsatzes kein Entgelt zugestanden habe, verhilft ihr dieser Vortrag - mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen des LSG und ohne diesbezügliche Tatsachenrügen in der Revisionsinstanz (vgl § 163 SGG) - nicht zum Erfolg. So hat das Berufungsgericht jedenfalls festgestellt, dass als Teil des Gagensystems Mindesthonorare für Synchronsprecher vereinbart waren, deren Höhe von dem zunächst disponierten Zeitraum sowie dem Aufnahmeort abhing. Hieraus hat es zutreffend den Schluss gezogen, dass ein für Selbstständige typisches Risiko, die eigene Arbeitskraft mit der Ungewissheit einer Vergütung eingesetzt zu haben, (gerade) nicht bestanden hat.

33

Ein unternehmerisches Risiko des Klägers ist - mit dem LSG - auch nicht aus anderen Gründen anzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist der Umstand, dass eigenes Kapital oder eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist, nur dann ein Hinweis auf das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (zuletzt ausführlich BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 36 mwN). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können ("Auftragsrisiko"), folgt noch kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG Urteil vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f).

34

dd) Die Tätigkeit des Klägers als Synchronsprecher erfolgte auch nicht aufgrund von Werkverträgen (zur Abgrenzung von Werkvertrag und Dienstvertrag vgl BGH Urteil vom 16.7.2002 - X ZR 27/01 - BGHZ 151, 330 zu II. 1. der Gründe; BAG Urteil vom 25.9.2013 - 10 AZR 282/12 - AP Nr 126 zu § 611 BGB Abhängigkeit - Juris RdNr 15 ff). Nach den vom BAG (aaO) zur Abgrenzung von Werk- und Arbeitsvertrag entwickelten Grundsätzen, denen sich der Senat für die Prüfung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung anschließt, kommt es entscheidend darauf an, ob sich Weisungsrechte des Werkbestellers/Dienstherrn ausschließlich auf die Ausführung des vereinbarten Werks beziehen (Werkvertrag), oder ob auch Weisungsrechte bezüglich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung bestehen; wird die Tätigkeit durch den "Besteller" geplant und organisiert und ist der "Werkunternehmer" in den arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten "Werks" faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsvertrag nahe (BAG, aaO, Juris RdNr 17 mwN). Dass hier (gerade) Letzteres der Fall war, steht nach den vom LSG insoweit festgestellten Tatsachen zu Inhalt und Umfang der während der Ausübung der Tätigkeiten des Klägers als Synchronsprecher erteilten Weisungen außer Frage.

35

Die von der Beklagten für ihren Rechtsstandpunkt herangezogene Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Synchronsprechern vom 30.9.2005 ist schon vor dem Hintergrund der Senatsrechtsprechung zur (ausschließlichen) Bedeutung der Verhältnisse nach Annahme des einzelnen Einsatzangebots ohne Relevanz. Entgegen den in dem Rundschreiben enthaltenen Ausführungen kann für das Vorliegen von Beschäftigung insbesondere nicht verlangt werden, dass eine Rahmenvereinbarung besteht. Ebenso wenig sprechen nur kurzzeitige Einsätze zwingend für selbstständige Tätigkeit. Aus der bloßen Kurzzeitigkeit von Tätigkeiten kann - anders als der BFH dies für das Steuerrecht annimmt (BFH Urteil vom 1.3.1973 - IV R 231/69 - BFHE 109, 39; Urteil vom 3.8.1978 - VI R 212/75 - BFHE 126, 271; Urteil vom 12.10.1978 - IV R 1/77 - BFHE 133, 357) - schon deshalb nichts hergeleitet werden, weil das Sozialversicherungsrecht mit den Regelungen der Zeitgeringfügigkeit (vgl § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV) und für "unständig Beschäftigte" (anders als das Einkommensteuerrecht) Sondernormen für Personen mit sehr kurzfristigen Beschäftigungen enthält.

36

b) Der Kläger war als bei den beigeladenen Produktionsunternehmen beschäftigter Synchronsprecher an den einzelnen Einsatztagen nicht in der GRV wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei.

37

Nach § 5 Abs 2 S 1 Halbs 1 Nr 1 SGB VI in der seinerzeit geltenden Fassung(des Gesetzes vom 23.12.2002, BGBl I 4621) sind Personen, die eine geringfügige Beschäftigung (§ 8 Abs 1, § 8a SGB IV) ausüben, in dieser Beschäftigung in der GRV versicherungsfrei. Nach § 8 Abs 1 SGB IV in dessen in den Jahren 2006 und 2007 maßgebender Fassung(der Bekanntmachung vom 23.1.2006, BGBl I 86) ist eine Beschäftigung geringfügig, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt (Nr 1), die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro im Monat übersteigt (Nr 2).

38

Einer Annahme von Geringfügigkeit im Sinne (zeit)geringfügiger Beschäftigungen nach § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV, die hier allein in Betracht kommen könnten, steht bereits entgegen, dass nicht erkennbar ist, dass die streitigen Synchronsprechertätigkeiten ihrer Eigenart nach auf die in § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV genannten Zeiträume begrenzt zu sein pflegten oder im Voraus vertraglich begrenzt waren.

39

c) Soweit es um die beitragsrechtliche Behandlung des Klägers als beschäftigter Synchronsprecher geht, also darum, ob von den beigeladenen Produktionsunternehmen als Arbeitgebern zu dessen Gunsten weitere Rentenversicherungsbeiträge zu erheben sind, gelangen die im Beitragsrecht der GRV für "unständig Beschäftigte" bestehenden Regelungen des § 163 Abs 1 SGB VI zur Anwendung. Bei der Bestimmung des Umfangs beitragspflichtiger Einnahmen "unständig Beschäftigter" in der GRV ist eine "Berufsmäßigkeit" der Beschäftigung als hinzutretendes, einschränkendes Tatbestandsmerkmal nicht zu fordern.

40

aa) Nach § 163 Abs 1 S 1 SGB VI(idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) ist für unständig Beschäftigte als beitragspflichtige Einnahmen ohne Rücksicht auf die Beschäftigungsdauer das innerhalb eines Kalendermonats erzielte Arbeitsentgelt bis zur Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Unständig ist nach § 163 Abs 1 S 2 SGB VI die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache befristet zu sein pflegt oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag befristet ist.

41

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die streitigen Tätigkeiten des Klägers als Synchronsprecher sind ausgehend von den Feststellungen des LSG als wiederholte, iS des § 163 Abs 1 S 2 SGB VI kurzzeitige Beschäftigungen und nicht - zB wegen in der Zwischenzeit auch bestehender Dienstbereitschaft - als (dauernde) durchgehende Beschäftigung zu bewerten(vgl zu einer abweichenden Konstellation BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 R 13/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 19 - als "Gäste" beschäftigte Bühnenkünstler). Ob sich die Befristung aus der Natur der Sache (Synchronisierung einer bestimmten Rolle) oder aus einer vertraglichen Abrede ergab, muss insoweit nicht entschieden werden. Auch das wiederholte Tätigwerden für stets bestimmte Synchronisationsunternehmen steht dieser Beurteilung nicht entgegen; denn eine bloße Aneinanderreihung unständiger Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber begründet noch kein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis (vgl BSG Urteil vom 13.2.1962 - 3 RK 2/58 - BSGE 16, 158, 163 = SozR Nr 1 zu § 441 RVO S Aa 2 f mwN; BSG Urteil vom 16.2.1983 - 12 RK 23/81 - SozR 2200 § 441 Nr 2). Wie bereits erörtert, erfordert Letzteres eine - hier nicht vorliegende - ununterbrochen anhaltende Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Betroffenen (vgl BSG Urteil vom 4.6.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 39 f; BSG Urteil vom 31.1.1973 - 12/3 RK 16/70 - USK 7311 S 50; BSG Urteil vom 22.11.1973 - 12 RK 17/72 - BSGE 36, 262, 264 f = SozR Nr 8 zu § 441 RVO S Aa 11 RS).

42

bb) Die Bestimmung des Umfangs beitragspflichtiger Einnahmen "unständig Beschäftigter" nach § 163 Abs 1 SGB VI setzt nicht zusätzlich voraus, dass diese ihre Beschäftigung "berufsmäßig" ausüben. Insoweit sind alle Voraussetzungen für die beitragsrechtliche Behandlung des Klägers in der GRV als "unständig Beschäftigter" gegeben. Dieses Ergebnis folgt aus einer Auslegung des § 163 Abs 1 SGB VI nach seinem Wortlaut und dem Gesetzeszusammenhang, in den die Norm gestellt ist(dazu (1)). Eine Auslegung nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die sich an dessen historischen Normvorstellungen (als Erkenntnisquelle) orientieren muss, liefert demgegenüber keinen klaren Befund bzw lässt mehrere Deutungsmöglichkeiten zu (dazu (2)).

43

(1) Weil § 163 Abs 1 S 2 SGB VI das Merkmal der "Berufsmäßigkeit" als hinzutretende Tatbestandsvoraussetzung mit den Personenkreis "unständig Beschäftigter" eingrenzender Wirkung nicht enthält, spricht schon der Gesetzeswortlaut dafür, dieses Merkmal hier - im Beitragsrecht der GRV - (gerade) nicht als für die Abgrenzung der genannten Personengruppe konstitutiv zu betrachten.

44

Ausschlaggebend ist darüber hinaus eine systematische Betrachtung der Gesetzesbestimmungen, die in den einzelnen Versicherungszweigen eine Anknüpfung an den Tatbestand "unständige Beschäftigung" enthalten (außerhalb des SGB VI: § 27 Abs 3 Nr 1 SGB III, § 232 Abs 3, § 186 Abs 2 S 1, § 190 Abs 4 SGB V). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber das Merkmal der "Berufsmäßigkeit" - vom jeweiligen rechtlichen Kontext abhängig (Versicherungspflicht-, Beitrags-, Mitgliedschaftsrecht) - als die Personengruppe "unständig Beschäftigter" eingrenzende Tatbestandsvoraussetzung systematisch mal hinzugenommen (so in § 27 Abs 3 Nr 1 SGB III: "… in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben …") und mal von einer Hinzunahme abgesehen hat (so in § 163 Abs 1 S 2 SGB VI).

45

(2) Ist eine Auslegung des § 163 Abs 1 SGB VI aus den obigen Gründen in dem genannten Sinne geboten, so lassen sich über eine Interpretation, die die Regelungsabsicht des Gesetzgebers berücksichtigt, keine dem gefundenen (Auslegungs)Ergebnis widersprechenden Anhaltspunkte gewinnen. Solche abweichenden Normvorstellungen lassen sich zwingend weder der Gesetzeshistorie noch der älteren Rechtsprechung des BSG entnehmen.

46

So wird in der Begründung des Entwurfs eines Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) zu § 158 Abs 1 - dem späteren § 163 Abs 1 SGB VI - zwar ausgeführt, Absatz 1 entspreche dem geltenden Recht(vgl den Entwurf eines RRG 1992 der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 7.3.1989, BT-Drucks 11/4124 S 184). § 1400 Abs 2 RVO(iVm §§ 232, 233 SGB V), auf den in einem Klammerzusatz verwiesen wird, gibt jedoch weder nach seinem Wortlaut noch sonst - etwa unter Berücksichtigung dort vorgenommener Verweisungen (auf den für die Beitragsberechnung in der gesetzlichen Krankenversicherung maßgebenden Grundlohn, auf den Betrag nach § 1385 Abs 3a RVO) - Aufschluss darüber, welche Merkmale sich der Gesetzgeber des SGB VI im vorliegenden Zusammenhang des Beitragsrechts der GRV für den Anknüpfungstatbestand "unständige Beschäftigung" vorgestellt hat.

47

Andere - von den Verfassern des Entwurfs eines RRG 1992 - nicht in Bezug genommene Vorschriften der RVO (§ 442 iVm § 441 RVO, später wortgleich in den bis zum 31.12.1995 geltenden § 179 Abs 1 SGB V übernommen) oder des Angestelltenversicherungsgesetzes ( § 118 Abs 2, § 127 Abs 1 und 4 AVG, jeweils in der bis 31.12.1988 geltenden Fassung) legen die "Berufsmäßigkeit" - insoweit wie im geltenden Recht - je nach dem besonderen Kontext dieser Bestimmungen bereichsspezifisch als eine hinzutretende konstitutive Tatbestandsvoraussetzung fest (so in § 442 RVO - einer Zuständigkeits- bzw Mitgliedschaftsvorschrift aus der gesetzlichen Krankenversicherung; zu den hierfür aufgebotenen sozialpolitischen Motiven vgl schon die Begründung zum Reformbedarf der Krankenversicherung unständig Beschäftigter in dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung vom 22.8.1979, BT-Drucks 8/3126 S 10 f) oder sehen von einem solchen Hinzutreten ab.

48

Für eine Auslegung nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers einschlägige Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus älterer Rechtsprechung des Senats zu den früheren Vorschriften der §§ 441, 442 RVO:

49

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 4.6.1998 (B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 40) ausgeführt hat, eine Beschäftigung sei nach den §§ 441, 442 RVO "unständig", wenn sie auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflege oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt sei und der Arbeitnehmer solchen "unständigen Beschäftigungen" berufsmäßig nachgehe, kann hieraus für die Auslegung des § 163 Abs 1 SGB VI nichts hergeleitet werden. Die §§ 441 und 442 RVO sind weder Vorgängervorschriften des § 163 Abs 1 SGB VI(missverständlich insoweit der dortige Klammerzusatz mit seiner Verweisung auf § 163 Abs 1 S 2 SGB VI) noch wurde die Formulierung des § 442 RVO - "Personen, die berufsmäßig unständigen Beschäftigungen nachgehen, in denen sie versicherungspflichtig sind (unständig Beschäftigte), gehören der für ihren Wohnort zuständigen Ortskrankenkasse an - in § 163 Abs 1 SGB VI aufgegriffen.

50

Aus der Entscheidung des Senats vom 22.11.1973 (12 RK 17/72 - BSGE 36, 262, 265 = SozR Nr 8 zu § 441 RVO S Aa 12) kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass "unständig" iS des § 163 Abs 1 SGB VI nur eine Beschäftigung sei, die auch "berufsmäßig" ausgeübt werde. In der genannten Entscheidung ging es nicht um Fragen der Beitragsbemessung, sondern um die Frage des Vorliegens von Versicherungsfreiheit nach § 4 Abs 1 AVG in einer Nebenbeschäftigung und damit um einen anderen gesetzlichen Kontext.

51

3. Einer Prüfung der (sinngemäß) auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützten Verfahrensrüge des Klägers bedarf es nicht mehr.

52

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.

(2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge mit einem ihr obliegenden Erstattungsbetrag gemäß § 28 Nummer 1 des Vierten Buches verrechnen. Wird nachträglich festgestellt, dass ein freiwilliges Mitglied, das eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 bezieht, versicherungspflichtig ist und ersucht der Träger der Rentenversicherung die Krankenkasse um Verrechnung des der Krankenkasse obliegenden Erstattungsbetrags der als freiwilliges Mitglied entrichteten Beiträge mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge oder mit einem Anspruch auf Erstattung eines nach § 106 des Sechsten Buches geleisteten Zuschusses zur Krankenversicherung, ist die Erstattung, sofern sie im Übrigen möglich ist, spätestens innerhalb von zwei Monaten zu erbringen, nachdem die Krankenkasse den Träger der Rentenversicherung informiert hat, dass das freiwillige Mitglied versicherungspflichtig war. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

(3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Rente gezahlt wird. Wird eine Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat vorausgeht, in dem sie fällig wird (§ 272a des Sechsten Buches), werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 abweichend von Satz 1 am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt wird, fällig. Am Achten eines Monats wird ein Betrag in Höhe von 300 Millionen Euro fällig; die im selben Monat fälligen Beträge nach den Sätzen 1 und 2 verringern sich um diesen Betrag. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 an den Gesundheitsfonds weiter und teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung bis zum 15. des Monats die voraussichtliche Höhe der am letzten Bankarbeitstag fälligen Beträge mit.

(3a) u. (4) (weggefallen)

(1) Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gelten Renten der allgemeinen Rentenversicherung sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung einschließlich der Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung. Satz 1 gilt auch, wenn vergleichbare Renten aus dem Ausland bezogen werden. Tritt an die Stelle der Rente eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Hundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Rente, längstens jedoch für 120 Monate.

(2) Bei der Beitragsbemessung sind auch Nachzahlungen einer Rente nach Absatz 1 zu berücksichtigen, soweit sie auf einen Zeitraum entfallen, in dem der Rentner Anspruch auf Leistungen nach diesem Buch hatte. Die Beiträge aus der Nachzahlung gelten als Beiträge für die Monate, für die die Rente nachgezahlt wird. Ein Beitragsbescheid ist abweichend von § 48 Absatz 1 Satz 2 des Zehnten Buches mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, soweit Nachzahlungen nach den Sätzen 1 und 2 bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sind.

Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt

1.
der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
2.
der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und
3.
das Arbeitseinkommen.
Bei Versicherungspflichtigen nach § 5 Absatz 1 Nummer 11b sind die dort genannten Leistungen bis zum Erreichen der Altersgrenzen des § 10 Absatz 2 beitragsfrei. Dies gilt entsprechend für die Leistungen der Hinterbliebenenversorgung nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und für die Waisenrente nach § 15 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte. § 226 Abs. 2 und die §§ 228, 229 und 231 gelten entsprechend.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der Verjährung bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag. Die Sätze 2 bis 5 gelten für Prüfungen der Beitragszahlung bei sonstigen Versicherten, in Fällen der Nachversicherung und bei versicherungspflichtigen Selbständigen entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für Prüfungen nach § 28q Absatz 1 und 1a sowie nach § 251 Absatz 5 und § 252 Absatz 5 des Fünften Buches.

(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.

(2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge mit einem ihr obliegenden Erstattungsbetrag gemäß § 28 Nummer 1 des Vierten Buches verrechnen. Wird nachträglich festgestellt, dass ein freiwilliges Mitglied, das eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 bezieht, versicherungspflichtig ist und ersucht der Träger der Rentenversicherung die Krankenkasse um Verrechnung des der Krankenkasse obliegenden Erstattungsbetrags der als freiwilliges Mitglied entrichteten Beiträge mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge oder mit einem Anspruch auf Erstattung eines nach § 106 des Sechsten Buches geleisteten Zuschusses zur Krankenversicherung, ist die Erstattung, sofern sie im Übrigen möglich ist, spätestens innerhalb von zwei Monaten zu erbringen, nachdem die Krankenkasse den Träger der Rentenversicherung informiert hat, dass das freiwillige Mitglied versicherungspflichtig war. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

(3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Rente gezahlt wird. Wird eine Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat vorausgeht, in dem sie fällig wird (§ 272a des Sechsten Buches), werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 abweichend von Satz 1 am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt wird, fällig. Am Achten eines Monats wird ein Betrag in Höhe von 300 Millionen Euro fällig; die im selben Monat fälligen Beträge nach den Sätzen 1 und 2 verringern sich um diesen Betrag. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 an den Gesundheitsfonds weiter und teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung bis zum 15. des Monats die voraussichtliche Höhe der am letzten Bankarbeitstag fälligen Beträge mit.

(3a) u. (4) (weggefallen)

(1) Soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat. Abweichend von Satz 1 zahlen die Bundesagentur für Arbeit oder in den Fällen des § 6a des Zweiten Buches die zugelassenen kommunalen Träger die Beiträge für die Bezieher von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches.

(2) Die Beitragszahlung erfolgt in den Fällen des § 251 Abs. 3, 4 und 4a an den Gesundheitsfonds. Ansonsten erfolgt die Beitragszahlung an die nach § 28i des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle. Die Einzugsstellen leiten die nach Satz 2 gezahlten Beiträge einschließlich der Zinsen auf Beiträge und Säumniszuschläge arbeitstäglich an den Gesundheitsfonds weiter. Das Weitere zum Verfahren der Beitragszahlungen nach Satz 1 und Beitragsweiterleitungen nach Satz 3 wird durch Rechtsverordnung nach den §§ 28c und 28n des Vierten Buches geregelt.

(2a) Die Pflegekassen zahlen für Bezieher von Pflegeunterstützungsgeld die Beiträge nach § 249c Satz 1 Nummer 1 und 3. Die privaten Versicherungsunternehmen, die Festsetzungsstellen für die Beihilfe oder die Dienstherren zahlen die Beiträge nach § 249c Satz 1 Nummer 2 und 3; der Verband der privaten Krankenversicherung e. V., die Festsetzungsstellen für die Beihilfe und die Dienstherren vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Bundesamt für Soziale Sicherung Näheres über die Zahlung und Abrechnung der Beiträge. Für den Beitragsabzug gilt § 28g Satz 1 und 2 des Vierten Buches entsprechend.

(2b) (weggefallen)

(3) Schuldet ein Mitglied Auslagen, Gebühren, insbesondere Mahn- und Vollstreckungsgebühren sowie wie Gebühren zu behandelnde Entgelte für Rücklastschriften, Beiträge, den Zusatzbeitrag nach § 242 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung, Prämien nach § 53, Säumniszuschläge, Zinsen, Bußgelder oder Zwangsgelder, kann es bei Zahlung bestimmen, welche Schuld getilgt werden soll. Trifft das Mitglied keine Bestimmung, werden die Schulden in der genannten Reihenfolge getilgt. Innerhalb der gleichen Schuldenart werden die einzelnen Schulden nach ihrer Fälligkeit, bei gleichzeitiger Fälligkeit anteilmäßig getilgt.

(4) Für die Haftung der Einzugsstellen wegen schuldhafter Pflichtverletzung beim Einzug von Beiträgen nach Absatz 2 Satz 2 gilt § 28r Abs. 1 und 2 des Vierten Buches entsprechend.

(5) Das Bundesministerium für Gesundheit regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Prüfung der von den Krankenkassen mitzuteilenden Daten durch die mit der Prüfung nach § 274 befassten Stellen einschließlich der Folgen fehlerhafter Datenlieferungen oder nicht prüfbarer Daten sowie das Verfahren der Prüfung und der Prüfkriterien für die Bereiche der Beitragsfestsetzung, des Beitragseinzugs und der Weiterleitung von Beiträgen nach Absatz 2 Satz 2 durch die Krankenkassen, auch abweichend von § 274.

(6) Stellt die Aufsichtsbehörde fest, dass eine Krankenkasse die Monatsabrechnungen über die Sonstigen Beiträge gegenüber dem Bundesamt für Soziale Sicherung als Verwalter des Gesundheitsfonds entgegen der Rechtsverordnung auf Grundlage der §§ 28n und 28p des Vierten Buches nicht, nicht vollständig, nicht richtig oder nicht fristgerecht abgibt, kann sie die Aufforderung zur Behebung der festgestellten Rechtsverletzung und zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen mit der Androhung eines Zwangsgeldes bis zu 50 000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung verbinden.

Versicherungspflichtige, die eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 beziehen, und die Träger der Rentenversicherung tragen die nach der Rente zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Bei Versicherungspflichtigen, die eine für sie nach § 237 Satz 2 beitragsfreie Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches beziehen, trägt der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der nach dieser Rente zu bemessenden Beiträge, wie er sie ohne die Beitragsfreiheit zu tragen hätte. Die Beiträge aus ausländischen Renten nach § 228 Absatz 1 Satz 2 tragen die Rentner allein.

(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.

(2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge mit einem ihr obliegenden Erstattungsbetrag gemäß § 28 Nummer 1 des Vierten Buches verrechnen. Wird nachträglich festgestellt, dass ein freiwilliges Mitglied, das eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 bezieht, versicherungspflichtig ist und ersucht der Träger der Rentenversicherung die Krankenkasse um Verrechnung des der Krankenkasse obliegenden Erstattungsbetrags der als freiwilliges Mitglied entrichteten Beiträge mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge oder mit einem Anspruch auf Erstattung eines nach § 106 des Sechsten Buches geleisteten Zuschusses zur Krankenversicherung, ist die Erstattung, sofern sie im Übrigen möglich ist, spätestens innerhalb von zwei Monaten zu erbringen, nachdem die Krankenkasse den Träger der Rentenversicherung informiert hat, dass das freiwillige Mitglied versicherungspflichtig war. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

(3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Rente gezahlt wird. Wird eine Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat vorausgeht, in dem sie fällig wird (§ 272a des Sechsten Buches), werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 abweichend von Satz 1 am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt wird, fällig. Am Achten eines Monats wird ein Betrag in Höhe von 300 Millionen Euro fällig; die im selben Monat fälligen Beträge nach den Sätzen 1 und 2 verringern sich um diesen Betrag. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 an den Gesundheitsfonds weiter und teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung bis zum 15. des Monats die voraussichtliche Höhe der am letzten Bankarbeitstag fälligen Beträge mit.

(3a) u. (4) (weggefallen)

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.

(2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge mit einem ihr obliegenden Erstattungsbetrag gemäß § 28 Nummer 1 des Vierten Buches verrechnen. Wird nachträglich festgestellt, dass ein freiwilliges Mitglied, das eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 bezieht, versicherungspflichtig ist und ersucht der Träger der Rentenversicherung die Krankenkasse um Verrechnung des der Krankenkasse obliegenden Erstattungsbetrags der als freiwilliges Mitglied entrichteten Beiträge mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge oder mit einem Anspruch auf Erstattung eines nach § 106 des Sechsten Buches geleisteten Zuschusses zur Krankenversicherung, ist die Erstattung, sofern sie im Übrigen möglich ist, spätestens innerhalb von zwei Monaten zu erbringen, nachdem die Krankenkasse den Träger der Rentenversicherung informiert hat, dass das freiwillige Mitglied versicherungspflichtig war. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

(3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Rente gezahlt wird. Wird eine Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat vorausgeht, in dem sie fällig wird (§ 272a des Sechsten Buches), werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 abweichend von Satz 1 am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt wird, fällig. Am Achten eines Monats wird ein Betrag in Höhe von 300 Millionen Euro fällig; die im selben Monat fälligen Beträge nach den Sätzen 1 und 2 verringern sich um diesen Betrag. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 an den Gesundheitsfonds weiter und teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung bis zum 15. des Monats die voraussichtliche Höhe der am letzten Bankarbeitstag fälligen Beträge mit.

(3a) u. (4) (weggefallen)

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.