Bundessozialgericht Beschluss, 17. März 2016 - B 11 AL 6/16 B

bei uns veröffentlicht am17.03.2016

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. In der Sache stritten die Beteiligten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe in der Zeit vom 28.4.2011 bis 20.7.2011; zuletzt ist die Zulässigkeit der Einlegung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Cottbus streitig gewesen.

2

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG als unzulässig verworfen (Beschluss vom 10.11.2015). Die durch Computerfax mit eingescannter Unterschrift eingelegte Berufung entspreche nicht dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs 1 SGG. Diese Form solle gewährleisten, dass dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen werden könne, wer dessen Urheber sei, und dass das Dokument dem Gericht mit Wissen und Wollen des Urhebers zugeleitet worden sei. Hieran fehle es, weil eine zweifelsfreie Zuordnung des Dokuments wegen einer Vielzahl der vom Bevollmächtigten verwendeten Unterschriften nicht möglich sei. Auch sei zweifelhaft, ob der Bevollmächtigte die Absendung des Computerfaxes selbst veranlasst habe.

3

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne. Zu Unrecht habe das LSG die mit Computerfax und eingescannter Unterschrift eingelegte Berufung als unwirksam angesehen. In Wirklichkeit seien Zweifel an der Echtheit der Unterschrift nicht gegeben. Die Ausführung zur Arbeitsbelastung des Bevollmächtigten und die Behauptung, dieser verwende vier "erheblich divergierende" Unterschriften, werde bestritten. Das LSG habe insoweit auf die seine Zweifel begründenden Umstände nicht hingewiesen, er habe sich dazu nicht äußern können. Ein weiterer Verfahrensfehler liege darin, dass das LSG dem Antrag vom 30.10.2015 auf Verlegung des Termins am 10.11.2015 nicht nachgekommen sei, obwohl der Bevollmächtigte arbeitsunfähig und sein "avisierter" Vertreter durch einen anderen Termin verhindert gewesen sei.

4

II. Die Beschwerde ist zulässig. Die fristgerecht eingelegte Beschwerde genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG, denn sie bezeichnet substantiiert die Tatsachen(vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36), aus denen sich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 128 Abs 2 SGG) ergeben kann.

5

Die Beschwerde ist begründet, denn die gerügte Verletzung des § 128 Abs 2 SGG liegt vor. Das LSG hat sein Urteil auf Tatsachen und Ergebnisse gestützt, zu denen sich der Kläger nicht äußern konnte. Das Urteil kann auf diesem Mangel auch beruhen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

6

Die elektronische Übertragung einer Textdatei per Computerfax mit eingescannter Unterschrift ist grundsätzlich ein zulässiger Weg, die Berufung "schriftlich" iS des § 151 Abs 1 SGG einzulegen. Die Erfüllung des Formerfordernisses mittels eingescannter Unterschrift stellt dabei eine Ausnahme von dem im Übrigen weiterhin bestehenden Erfordernis dar, dass ein bestimmender Schriftsatz eigenhändig unterschrieben sein muss (dazu BVerfG Beschluss vom 18.4.2007 - 1 BvR 110/07 - NJW 2007, 3117; GmSOGB vom 5.4.2000, GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 164 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 151 RdNr 4, 5). Solche Formerfordernisse dienen der Rechtssicherheit und stellen eine verfassungsrechtlich zulässige Anforderung rechtsstaatlicher Verfahrensordnungen dar (BVerfG Beschluss vom 4.7.2002 - 2 BvR 2168/00 - NJW 2002, 3534). Deshalb wird im Falle der Einlegung einer Berufung durch Computerfax mit eingescannter Unterschrift (ergänzend) auch verlangt, dass sich aus dem Schriftstück selbst oder seinen Begleitumständen keine Zweifel an der Urheberschaft des Unterzeichners oder seinem Willen ergeben dürfen, das Schriftstück in den Verkehr zu bringen (stRspr; GmSOGB vom 5.4.2000, GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 162; BFH vom 22.6.2010 - VIII R 38/08 - BFHE 230, 115; BVerfG Beschluss vom 4.7.2002 - 2 BvR 2168/00 - NJW 2002, 3534, juris RdNr 23).

7

Von diesen Maßstäben ausgehend trifft die Rüge des Klägers, es entspräche der langjährigen Entwicklung der Rechtsprechung, "… die Übermittlung bestimmender Schriftsätze auch durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift … zuzulassen", in der Allgemeinheit nicht zu. Auch die Schlussfolgerung, eine Verpflichtung zur Wahrung der Schriftform bestehe nicht, lässt sich mit diesen Vorgaben nicht vereinbaren.

8

Vorliegend hat das LSG aber den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Um das rechtliche Gehör zu wahren, darf das Gericht seine Entscheidung nicht auf Tatsachen oder Beweisergebnisse stützen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG; dazu auch BVerfGE 86, 133, 144 f; BSG Beschluss vom 2.12.2015 - B 9 V 12/15 B). Bei den Umständen, die die Zweifel des LSG an der Urheberschaft des Bevollmächtigten oder seinem Willen, die Berufungsschrift in Verkehr zu bringen, begründen können, handelt es sich um (prozessuale) Tatsachen. Ob sie vorliegen, ist ggf im Wege des Freibeweises zu klären (BGH vom 24.7.2001 - VIII ZR 58/01 - juris RdNr 7). Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.

9

Zwar hatte das LSG den Kläger auf einen möglichen Formmangel der Berufungsschrift hingewiesen. Hierauf hat der Bevollmächtigte reagiert und mitgeteilt, die Einlegung der Berufung per Computerfax mit eingescannter Unterschrift sei nach der Rechtsprechung zulässig. Das LSG hat darauf nicht mehr reagiert und hatte den Kläger auch nicht zuvor schon auf die Tatsachen hingewiesen, auf die es seine "Zweifel" stützte. Das LSG hat angenommen, der Bevollmächtigte des Klägers sei zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung möglicherweise ortsabwesend gewesen, er verwende mehrere voneinander abweichende Unterschriften, der Schriftsatz sei möglicherweise durch seine Mitarbeiter und ohne sein Zutun versandt worden.

10

Der Hinweis des LSG auf seine "Zweifel" an Urheberschaft oder Verbreitungswillen und die diese Zweifel begründenden Tatsachen ist auch nicht entbehrlich gewesen. Der Kläger musste als gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem Hinweis des LSG auf mangelnde Schriftform nicht damit rechnen, das LSG könne die fehlende Einhaltung der Schriftform mit Zweifeln an Urheberschaft oder Verbreitungswillen des Bevollmächtigten begründen. Da die Einlegung eines Rechtsmittels per Computerfax mit eingescannter Unterschrift wahrt, und soweit sich "keine Zweifel" an der Urheberschaft des Unterzeichners oder seinem Willen ergeben, muss das LSG - wenn es sich auf diese Rückausnahme stützt - einen Hinweis geben, damit der Kläger ggf sich zu diesen Tatsachen äußern kann. Das LSG hat den Kläger nicht nur nicht auf die Umstände hingewiesen, die die Zweifel an Urheberschaft oder Verbreitungswillen des Bevollmächtigten begründeten, es hat auch auf die Quellen seiner Erkenntnisse nicht hingewiesen und diese nicht in den Rechtsstreit eingeführt. Eine Verletzung des § 128 Abs 2 SGG liegt damit vor.

11

Das Urteil des LSG kann auch auf diesem Verfahrensmangel beruhen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), denn es ist nicht auszuschließen, dass der Kläger sich bei Wahrung des rechtlichen Gehörs geäußert und die Zweifel des LSG - ggf nach Ermittlungen - ausgeräumt hätte. Soweit der Kläger weitere Verfahrensmängel rügt, kann der Senat deren Vorliegen dahinstehen lassen.

12

Der Senat macht von dem ihm durch § 160a Abs 5 SGG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen wird.

13

Das LSG wird in der abschließenden Kostenentscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entschieden haben.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 1991 und 1992, mit denen insbesondere seine vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterworfen wurden. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 17. bzw. 18. Oktober 2006 als unbegründet zurück, nachdem es die angefochtenen Einkommensteuerbescheide zuvor unter Ansatz niedrigerer Einkünfte aus Kapitalvermögen geändert hatte.

2

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Klageschrift durch seinen früheren Berater erstellt, per Mail an einen Mitarbeiter des Beraters mit der eingescannten Unterschrift des Beraters übermittelt, von dem Mitarbeiter ausgedruckt und sodann per Fax --innerhalb der Klagefrist-- an das Gericht übersandt wurde.

3

Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil die per Fax übermittelte Klageschrift wegen der nur eingescannten Unterschrift des früheren Beraters nicht über die nach § 64 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Schriftform verfüge.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 64 FGO.

5

Zu Unrecht habe das FG die mit eingescannter Unterschrift erhobene Klage als nicht formgerecht angesehen, nachdem der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) mit seiner Entscheidung vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98 (Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 2000, 1089) entschieden habe, bestimmende Schriftsätze könnten formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden. Auch diese Form erfülle den Zweck des Schriftlichkeitsgebots, hinreichend sicher den Inhalt der Erklärung und die Person des Erklärenden auszuweisen. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronischen Schriftsatzes sei nämlich nicht --wie der GmS-OGB ausdrücklich ausgeführt habe-- eine etwa beim Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im PC des Absenders vorhandene Datei, sondern allein die auf seine Veranlassung am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde.

6

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

7

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Es trägt vor, dass die Entscheidung des GmS-OGB zur Übersendung bestimmender Schriftsätze per Computerfax ergangen sei und nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Oktober 2006 XI ZB 40/05 (MDR 2007, 481) auf die Übertragung solcher Schriftsätze durch "normales" Fax nicht übertragen werden könne. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die Verfassungsbeschwerde gegen die BGH-Entscheidung mit Beschluss vom 18. April 2007  1 BvR 110/07 (juris) nicht angenommen. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Beschluss vom 10. Juli 2002 VII B 6/02 (BFH/NV 2002, 1597) an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bei Klageerhebung durch Telefax festgehalten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

10

Zu Unrecht hat das FG die fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage mit der Begründung als unzulässig angesehen, sie weise eine nur eingescannte Unterschrift des früheren Klägervertreters auf.

11

1. Nach § 64 Abs. 1 FGO ist den formellen Anforderungen an eine finanzgerichtliche Klage genügt, wenn sie bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben wird.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung soll die Schriftform gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung und die erklärende Person hinreichend zuverlässig festgestellt werden können. Des Weiteren soll das aus dem Schriftformerfordernis abgeleitete Gebot einer Unterschrift des Erklärenden sicherstellen, dass das Schriftstück keinen Entwurf betrifft, sondern mit Wissen und Wollen des Erklärenden an das Gericht gesandt wurde (vgl. GmS-OGB, Beschluss vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1980, 172; BFH-Urteil vom 29. August 1969 III R 86/68, BFHE 97, 226, BStBl II 1970, 89; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. November 1973 GrS 2/72, BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242; BFH-Urteil vom 17. Dezember 1998 III R 101/96, BFH/NV 1999, 967; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1597).

13

b) Dieses Unterschriftserfordernis ist gewahrt, wenn ein Rechtsbehelf oder ein anderer sog. bestimmender Schriftsatz nach Maßgabe des § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Rechtsbehelfsführer bzw. Verfasser oder seinem jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten (BFH-Urteil vom 18. Mai 1972 V R 149/71, BFHE 106, 7, BStBl II 1972, 771) eigenhändig --handschriftlich-- unterschrieben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 97, 226, BStBl II 1970, 89; vom 7. August 1974 II R 169/70, BFHE 113, 490, BStBl II 1975, 194; BFH-Beschlüsse vom 24. Januar 1994 V R 137/93, BFH/NV 1995, 312; vom 15. Januar 2002 X B 143/01, BFH/NV 2002, 669) und mit einer solchen Unterschrift vor Ablauf der Klagefrist bei Gericht vorgelegt wurde (vgl. §§ 47 Abs. 1, 116 Abs. 2, 120 Abs. 1, 129 Abs. 1 FGO; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1597).

14

c) Diese Anforderungen --auch hinsichtlich der eigenhändigen Unterschrift-- gelten grundsätzlich gleichermaßen für bestimmende Schriftsätze, die dem Gericht per Telefax übermittelt werden.

15

aa) Dem Unterschriftserfordernis genügt allerdings bei Schriftsätzen von Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts eine maschinenschriftliche Unterzeichnung mit handschriftlichem Beglaubigungsvermerk auch ohne Dienstsiegel (vgl. GmS-OGB, Beschluss in NJW 1980, 172).

16

bb) Darüber hinaus bedarf es nach ständiger Rechtsprechung keiner eigenhändigen Unterschrift, wenn der jeweilige bestimmende Schriftsatz durch Telegramm, Fernschreiber, Telebrief, Telekopie oder Bildschirmtextmitteilung übermittelt wird (vgl. § 130 Nr. 6 der Zivilprozessordnung --ZPO--; BFH-Beschlüsse vom 21. Juni 1968 III B 36/67, BFHE 92, 438, BStBl II 1968, 589; vom 22. März 1983 VIII B 117/80, BFHE 138, 403, BStBl II 1983, 579; BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131).

17

cc) Auch die Übermittlung der Klageschrift per Computerfax ist ohne Unterschrift wirksam, weil bei dieser Form auf der Seite des Absenders kein körperliches Schriftstück existiert. Infolgedessen genügt es für die Wirksamkeit einer derart erhobenen Klage, dass sich aus dem Schriftsatz selbst oder den Begleitumständen die Urheberschaft und der Wille, das Schriftstück in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben (BFH-Beschluss vom 11. November 1997 VII B 108/97, BFH/NV 1998, 604; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 5. März 2008  2 K 202/06, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 427; FG München, Urteil vom 26. November 2007  1 K 2342/07, juris).

18

Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, eine Klage durch ein elektronisches Dokument i.S. des § 52a FGO mit den dort spezialgesetzlich geregelten besonderen Anforderungen, nämlich unter Angabe des Namens des Klägers sowie einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes zu erheben (s. § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO; BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006 XI R 22/06, BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276; FG Münster, Urteil vom 23. März 2006  11 K 990/05 F, EFG 2006, 994; zur Notwendigkeit einer solchen qualifizierten Signatur als Wirksamkeitsvoraussetzung elektronischer bestimmender Schriftsätze nach --dem § 52a FGO entsprechenden-- § 130a ZPO s. BGH-Beschluss vom 14. Januar 2010 VII ZB 112/08, MDR 2010, 460).

19

dd) Wird die Klage --wie im Streitfall-- per Telefax erhoben, muss sie allerdings grundsätzlich eigenhändig unterschrieben sein (BFH-Urteile vom 28. November 1995 VII R 63/95, BFHE 179, 5, BStBl II 1996, 105; vom 16. Februar 2005 VI R 66/00, BFH/NV 2005, 1120; BFH-Beschlüsse vom 26. März 1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463; vom 12. April 1996 V S 6/96, BFH/NV 1996, 824; vom 19. Mai 2000 VIII B 13/00, BFH/NV 2000, 1358; in BFH/NV 2002, 1597; BGH-Beschluss vom 11. Oktober 1989 IVa ZB 7/89, Wertpapier-Mitteilungen 1989, 1820). Das Fehlen der Unterschrift ist indessen unschädlich, wenn das Telefaxformblatt unterschrieben ist, mit der Klageschrift eine Einheit bildet, die Person des Absenders vollständig bezeichnet und kein Zweifel daran besteht, dass die Kopiervorlage ordnungsgemäß eigenhändig unterzeichnet wurde (BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 87/99, BFH/NV 2000, 1224).

20

d) Ob das danach für bestimmende Schriftsätze grundsätzlich bestehende Gebot "eigenhändiger Unterschrift" auch durch eine eingescannte Unterschrift --wie im Streitfall-- gewahrt wird, wird nicht einheitlich beurteilt.

21

aa) Für die vergleichbare Form der Unterschrift durch Verwendung eines Faksimilestempels hat die ältere BFH-Rechtsprechung grundsätzlich die Wirksamkeit der Erklärungen verneint (BFH-Urteile in BFHE 97, 226, BStBl II 1970, 89; in BFHE 113, 490, BStBl II 1975, 194; ebenso Bundesarbeitsgericht --BAG--, Urteil vom 5. August 2009  10 AZR 692/08, NJW 2009, 3596; vgl. aber BFH-Urteil vom 19. September 1974 IV R 24/74, BFHE 113, 416, BStBl II 1975, 199 zur Wirksamkeit einer Klageschrift in Form eines Matrizenabzugs und damit nur auf der Matrize im Original enthaltenen Unterschrift).

22

bb) Nach der zu einer Klageerhebung durch Computerfax ergangenen Entscheidung des GmS-OGB erfüllt eine eingescannte Unterschrift dagegen das Schriftformerfordernis (vgl. GmS-OGB, Beschluss in MDR 2000, 1089). Sie erfüllt nämlich gleichermaßen den schon in der früheren Rechtsprechung des GmS-OGB bezeichneten ausschließlichen Zweck des Schriftlichkeitsgebots, zuverlässig den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person und ihren unbedingten Willen zur Absendung feststellen zu können (GmS-OGB, Beschluss in NJW 1980, 172; vgl. hierzu auch die Entscheidungen des BFH in BFHE 138, 403, BStBl II 1983, 579, und vom 13. Dezember 1984 IV R 274/83, BFHE 143, 198, BStBl II 1985, 367).

23

cc) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des GmS-OGB, deren Grundlage durch die Regelungen in den §§ 52a FGO, 130a ZPO nicht berührt wird, weil die damit geschaffenen Sondervorschriften für den elektronischen Rechtsverkehr unabhängig neben die Vorschriften zur Schriftform getreten sind (vgl. BAG-Urteil in NJW 2009, 3596; BGH-Beschluss vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649), hat die Rechtsprechung

- die Einlegung eines Rechtsbehelfs per E-Mail mit eingescannter Unterschrift (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 13. September 2007 L 9 SO 24/06, juris; vom 26. April 2007 L 9 SO 25/06, juris; Beschluss vom 26. Oktober 2009 L 19 B 301/09 AS ER, juris) oder

- den Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs in derselben Form (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. August 2005  5 Sa 363/04, juris) sowie

- die Einlegung eines Rechtsbehelfs (BGH-Beschluss in NJW 2008, 2649; Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 10. August 2004  1 Sa 165/03, juris; Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2005 I-9 U 30/05, juris)

für formwirksam erachtet.

24

2. Im Einklang mit dieser Rechtsprechung ist entgegen der Vorinstanz auch für den Streitfall von einer formwirksamen Klageerhebung innerhalb der Klagefrist auszugehen.

25

Die Auffassung der Vorinstanz, das Schriftformerfordernis nach § 64 FGO sei im Streitfall durch den per Telefax übersandten Schriftsatz mit eingescannter Unterschrift nicht gewahrt, teilt der Senat nicht.

26

Geht man nämlich von der Richtigkeit des unter Beweis gestellten und vom FG nicht in Zweifel gezogenen Klagevortrags aus, dass der frühere Berater des Klägers den Klageschriftsatz mit der eingescannten Unterschrift gefertigt und einem seiner Mitarbeiter zur (tatsächlich erfolgten) Übersendung an das Gericht übermittelt hat, erfüllt die innerhalb der Klagefrist bei Gericht per Fax eingegangene Klageschrift mit der eingescannten Unterschrift des früheren Klägervertreters das Schriftformerfordernis nach § 64 FGO.

27

a) Es muss nämlich nach dem ausschließlichen Zweck des Schriftlichkeitsgebots, zuverlässig den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person und ihren unbedingten Willen zur Absendung feststellen zu können (Beschluss des GmS-OGB in NJW 1980, 172), schon dann als die Schriftform wahrend angesehen werden, wenn der abgegebenen Prozesserklärung --wie hier-- nach den Gesamtumständen aus der maßgeblichen Sicht des Gerichts deren Inhalt sowie der Erklärende und dessen unbedingter Erklärungswille zu entnehmen sind. Ein darüber hinausgehender Zweck kommt dem Schriftformerfordernis ebenso wie anderen Verfahrensvorschriften nämlich nicht zu. Insbesondere soll es ebenso wie andere Verfahrensvorschriften nur die einwandfreie Durchführung des Rechtsstreits unter Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen und nicht behindern (Beschluss des GmS-OGB in MDR 2000, 1089).

28

b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die erforderliche Feststellung, ob und wann eine Klage mit welchem Inhalt und von wem --unbedingt-- eingelegt worden ist, ist ebenso wie für andere Sachurteilsvoraussetzungen der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, im Streitfall mithin der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BFH-Urteile vom 23. April 1985 VII R 109/80, BFH/NV 1987, 304: "... in jeder Lage des Verfahrens --auch vom Revisionsgericht-- zu überprüfen"; vom 14. Mai 1987 X R 51/82, BFH/NV 1988, 96; vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242). In diesem Zeitpunkt ist ggf. zur Feststellung der Sachurteilsvoraussetzungen --auch hinsichtlich der "Schriftlichkeit einer Klageerhebung"-- im Zweifelsfall durch das erkennende Gericht Beweis zu erheben (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 26/92, BFHE 171, 1, BStBl II 1993, 720).

29

c) Auf dieser Grundlage ist dann, wenn die Klageschrift entsprechend dem unter Beweis gestellten, aber vom Gericht ersichtlich nicht für beweisbedürftig gehaltenen Vortrag des Klägers tatsächlich

- durch den früheren Berater erstellt,

- von dessen Mitarbeiter ausgedruckt und sodann

- weisungsgemäß per Fax --innerhalb der Klagefrist-- an das Gericht übersandt wurde,

die Rechtsauffassung der Vorinstanz, nur wegen der eingescannten Unterschrift sei die Klage nicht formgerecht eingelegt worden, mit der BFH-Rechtsprechung zu § 64 FGO unvereinbar.

30

aa) Danach kann dem Zweck des § 64 Abs. 1 FGO auch auf andere Weise entsprochen werden als durch eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftstückes durch den Verfasser (s. hierzu auch die BFH-Urteile vom 18. Mai 1972 V R 1/71, BFHE 106, 4, und vom 27. Juli 1977 I R 207/75, BFHE 123, 286, BStBl II 1978, 11). So kann sich selbst aus einem nicht unterschriebenen bestimmenden Schriftsatz in Verbindung mit weiteren Unterlagen oder Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Urteile vom 17. Oktober 1968 II C 112.65, BVerwGE 30, 274; vom 7. November 1973 VI C 124.73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1974, 174, und vom 20. April 1977 VI C 26.75, Verwaltungsrechtsprechung 29, 764; zusammenfassend Beschluss vom 26. Juni 1980  7 B 160.79, juris). Dementsprechend hat auch der BFH eine nur maschinenschriftlich unterschriebene Klageschrift wegen der auf den Streitfall bezogenen Klagebegründung und beigefügter Vorkorrespondenz in Verbindung mit dem Briefkopf des Einsenders nach den Gesamtumständen als formwirksam i.S. des § 64 Abs. 1 FGO angesehen (BFH-Urteil in BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131). Danach kann gleichermaßen in finanzgerichtlichen Verfahren dem Zweck des § 64 Abs. 1 FGO in anderer Weise als mit der eigenhändigen Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch den Verfasser entsprochen werden, wenn feststeht, dass das Schriftstück keinen Entwurf betrifft, sondern dem Gericht mit Wissen und Wollen des Berechtigten zugeleitet worden ist (BFH-Beschluss vom 17. August 2009 VI B 40/09, BFH/NV 2009, 2000 unter Bezugnahme auf BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 87/99, BFH/NV 2000, 1224, m.w.N.).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall die Wirksamkeit der Klageerhebung nicht verneint werden, weil sie zum einen den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person ausweist und zum anderen ihre Absendung aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erklärten Umstände ersichtlich auf dem unbedingten Willen des früheren Klägervertreters beruhte (zu diesen Anforderungen s. Beschluss des GmS-OGB in NJW 1980, 172). Denn die hier gegebene unstreitige Übersendung des Klageschriftsatzes durch einen Dritten (Übersendung über den Fax-Anschluss des X Büros durch einen Mitarbeiter des früheren Bevollmächtigten des Klägers) auf Weisung des Klägers lässt ebenso wie die persönlich veranlasste Übersendung einer maschinenschriftlich unterschriebenen Klage (wie in der BFH-Entscheidung in BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131) oder wie der Eingang eines mit eingescannter Unterschrift versehenen Computerfaxes (Entscheidung des GmS-OGB in MDR 2000, 1089) ersichtlich keine Zweifel daran, dass die Klage mit Wissen und Wollen des (vertretenen) Klägers erhoben worden ist.

32

cc) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die Grundsätze der Entscheidung des GmS-OGB (in MDR 2000, 1089) zur Formwirksamkeit bestimmender Schriftsätze mit eingescannter Unterschrift unabhängig von dem jeweils gewählten Übersendungsweg (Briefpost, Telefax etc.) oder aber nur für sog. Computerfaxe gelten.

33

(1) Aus der Sicht des Senats kann eine solche Beschränkung auf Computerfaxe nicht allein aus dem Umstand gefolgert werden, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem GmS-OGB ein solches Computerfax war. Vielmehr spricht die Begründung des GmS-OGB eher für die Anwendung der Entscheidungsgrundsätze auf alle Formen der Übersendung bestimmender Schriftsätze. So betrifft der in der Entscheidung als maßgeblich angesehene Gesichtspunkt, dass es für die Schriftformerfordernisse und insbesondere die Entbehrlichkeit eigenhändiger Unterschrift nur auf den bei Gericht als Empfänger sichtbar werdenden Schriftsatz ankommt, gleichermaßen Schriftsätze, die wie im Streitfall per Telefax übermittelt wurden.

34

Des Weiteren hat der GmS-OGB seinen Beschluss ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine frühere --nicht zu einem Computerfax-- ergangene Entscheidung in NJW 1980, 172 begründet. Der damit verbundene Hinweis auf den ausschließlichen Zweck des Schriftformerfordernisses, Inhalt, Urheber und Erklärungswille sicher feststellen zu können und auf die hinreichende Erfüllung dieses Zwecks durch eine nur eingescannte Unterschrift rechtfertigen ersichtlich keine Differenzierung zwischen den Wegen, auf denen das jeweilige Dokument mit der eingescannten Unterschrift übermittelt wird (so auch BGH-Beschluss in NJW 2008, 2649; zur wechselseitigen Unabhängigkeit der Schriftformerfordernisse für Klagen in elektronischer Form nach § 52a FGO einerseits sowie in schriftlicher Form nach § 64 FGO andererseits s. oben unter II.1.d cc).

35

(2) Gleichwohl muss der Senat diese Frage hier offenlassen, weil sie im Streitfall aus den unter II.2.c bb dargestellten Gründen nicht entscheidungserheblich ist und im Übrigen die gegenteilige Auffassung des BGH im Beschluss vom 10. Oktober 2006 XI ZB 40/05 --NJW 2006, 3784-- (verfassungsrechtlich vom BVerfG durch Nichtannahmebeschluss vom 18. April 2007  1 BvR 110/07, NJW 2007, 3117 unbeanstandet) eine erneute Anrufung des GmS-OGB erforderlich machen könnte. Im Streitfall bedeutet die Entscheidung des erkennenden Senats jedenfalls deshalb keine Abweichung vom Beschluss des BGH in NJW 2006, 3784, weil Gegenstand des BGH-Verfahrens eine Klageschrift war, bei der die per Fax übersandte Fassung eine Unterschrift aufwies, die nicht nur eingescannt worden war, sondern zudem einen anderen Namen als die später im Original übersandte Rechtsbehelfsschrift aufwies und schon deshalb erhebliche Zweifel an einer Übersendung "mit Wissen und Wollen" des Verfassers begründen musste.

36

3. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb --entsprechend dem Antrag des Klägers-- zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

37

Das FG hat bisher aufgrund seiner abweichenden Auffassung zur Unzulässigkeit der Klage die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht geprüft. Dies hat es nunmehr nachzuholen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist die Tochter und Rechtsnachfolgerin des 1901 geborenen und 1987 verstorbenen S. L. (im Folgenden: Beschädigter). Sie begehrt weitere Geldleistungen aus der Beschädigtenversorgung ihres verstorbenen Vaters in Höhe von mindestens 237 000 Euro für die Zeit vom 1.1.1973 bis 31.12.1981. Das seit 1988 andauernde Gerichtsverfahren wird von Beginn an maßgeblich von ihrem Sohn, Herrn E., als Prozessbevollmächtigten betrieben, dem die Klägerin vorübergehend auch ihre Ansprüche abgetreten hatte.

2

Der Beschädigte wurde nach englischer Kriegsgefangenschaft 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht interniert, später in den sogenannten Waldheimprozessen zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt, und erst am 28.4.1956 aus der Strafvollzugsanstalt B. entlassen. Das beklagte Land Berlin hat beim Beschädigten deshalb gemäß §§ 1, 4 Häftlingshilfegesetz (HHG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) als Folge von Kriegsgefangenschaft und Internierung als Schädigungsfolge einen "Nährstoffmangelschaden nach langjähriger Inhaftierung" anerkannt und Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 % gewährt(Bescheid vom 8.1.1957). Mit Bescheid vom 14.4.1959 wurde die Schädigungsfolge als "Herzmuskelschaden" bezeichnet und die MdE auf 30 % herabgesetzt. Die beginnende Verhärtung der Hauptkörperschlagader sei konstitutionell bedingt und stehe mit der Inhaftierung in keinem Zusammenhang. Ein nach einem Herzinfarkt gestellter Rentenerhöhungsantrag des Beschädigten wurde durch Bescheid vom 24.3.1961 mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Schädigungsfolge "Herzmuskelschaden nach Dystrophie" neu gefasst wurde. Im Januar 1973 erlitt der Beschädigte einen Schlaganfall mit Halbseitenlähmung, der unter anderem zu einer Sprachstörung führte.

3

Am 20.10.1986 stellte die Klägerin für den Beschädigten einen Formularantrag nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) unter Hinweis auf seit Feststellung des Herzmuskelschadens nach dem HHG eingetretene Herzinfarkte. Der Antrag führte ua zur Feststellung eines Grads der Behinderung von 100 sowie der Merkzeichen "B", "aG", "H" und "RF" (Bescheid vom 24.11.1986); zugleich war er als auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und damit auf höhere Versorgungsleistungen gerichtet auszulegen (BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 4).

4

Nach dem Tode des Beschädigten am 1.12.1987 beantragte seine Witwe am 7.12.1987 formlos "Leistungen irgendwelcher Art aufgrund der … Rente des Verstorbenen". Die daraufhin gestellten Formularanträge auf Leistungen an Hinterbliebene hatten nur teilweise Erfolg. Die Witwe hat hiergegen am 4.9.1988 Klage aus eigenem Recht erhoben. Während des anschließenden Klageverfahrens (S 48 VH 114/88) machte sie mit Schreiben vom 4.10.1990 an das beklagte Land geltend, schon der Erstbescheid vom 8.1.1957 und die daran anschließenden Folgebescheide seien fehlerhaft, weil sie die damals festgestellte Arteriosklerose nicht als Schädigungsfolge anerkannt hätten. Am 3.8.1993 erhob sie deshalb auch Klage auf höhere Leistungen der Beschädigtenversorgung nach ihrem Ehemann unter Aufhebung des Bescheides vom 24.3.1961 (S 45 VH 180/93). Dieses Verfahren wurde mit dem bereits anhängigen verbunden. Unter dem 5.8.1993 trat die Witwe des Beschädigten ihre Versorgungsansprüche an ihren Enkel und Prozessbevollmächtigten ab. Im Oktober 1993 rügte sie im Rahmen ihrer Klage auch die Nichtbescheidung ihres Überprüfungsantrages betreffend die Bescheide vom 8.1.1957, 14.4.1959 und 24.3.1961. Nachdem das SG Berlin die Klagen insgesamt abgewiesen hatte (Urteil vom 26.11.1993) und die Klägerin nach dem Tode ihrer Mutter (15.5.1994) als deren Alleinerbin in das Verfahren eingetreten war, lud das LSG Berlin den Enkel des Beschädigten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5.5.1998 bei und wies die Berufung durch Urteil vom selben Tage zurück.

5

Das dagegen von der Klägerin und dem damaligen Beigeladenen angerufene BSG verwies den Rechtsstreit 2000 zum ersten Mal an das LSG zurück, weil dieses dem Vertagungsantrag des Beigeladenen nach der Beiladung erst im Verhandlungstermin zu Unrecht nicht stattgegeben und damit sein rechtliches Gehör verletzt habe (Urteil vom 12.4.2000 - B 9 VH 1/99 R - Juris).

6

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren lehnte das LSG die geltend gemachten Ansprüche auf Witwenrente, hilfsweise Witwenbeihilfe, sowie - im Wege des Überprüfungsverfahrens - auf höhere Beschädigtenversorgung erneut ab (Urteil vom 15.4.2003 - L 13 VH 7/94 W 00-11). Auf Nichtzulassungsbeschwerde des damaligen Beigeladenen wurde dieses Urteil wegen Verletzung rechtlichen Gehörs und des Amtsermittlungsgrundsatzes zum zweiten Mal aufgehoben und zurückverwiesen (BSG Beschluss vom 25.3.2004 - B 9 VH 1/03 B).

7

Das LSG verurteilte das beklagte Land hierauf, Hinterbliebenenrente für die Zeit vom 1.12.1987 bis zum 31.5.1994 (Todesmonat der Ehefrau des Beschädigten) zu gewähren und die Ausgangsbescheide von 1957 und 1961 über die Feststellung von Schädigungsfolgen zu ändern (Teilurteil vom 29.8.2006 - L 13 VH 7/94 W 04-11). Wie die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten ergeben hätten, seien die beim Beschädigten diagnostizierten arteriosklerotischen Gefäßveränderungen Schädigungsfolgen im Sinne des HHG. Auch der durch die Arteriosklerose bedingte Hirninfarkt sei als Schädigungsfolge zu berücksichtigen.

8

Das beklagte Land erkannte daraufhin im Wege des Zugunstenbescheids für die Zeit vom 1.1.1986 bis zum 31.12.1987 beim Beschädigten weitere Schädigungsfolgen - darunter Aphasie mit Schreib- und Leseunfähigkeit nach Hirninfarkt - an und stellte eine MdE von 100 % fest (Bescheid vom 14.2.2007). Das von der Klägerin dagegen angerufene LSG verurteilte das beklagte Land zu weiteren Versorgungsleistungen (darunter Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III) schon ab 1.1.1982. Es wies die Klage aber ab, soweit die Klägerin damit eine noch höhere Schwerstbeschädigtenzulage seit 1980 sowie vor allem weitere Entschädigungsleistungen seit 1973 begehrte. § 48 Abs 4 SGB X iVm § 44 Abs 4 SGB X begrenze die rückwirkende Leistungsgewährung auf vier Jahre(Endurteil vom 26.6.2007 - L 13 VH 7/94 W 04-11).

9

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin führte 2008 zur dritten (teilweisen) Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG (BSG Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 4). Das BSG gab dem LSG zum einen auf, zur Frage der Gewährung einer höheren Schwerstbeschädigtenzulage (Stufe V statt III) ab 1.1.1982 weiter zu ermitteln, zum anderen wegen der beanspruchten höheren Versorgungsbezüge aufgrund einer Verschlimmerung der 1957 anerkannten Schädigungsfolgen für die Zeit vor 1982. Anders als im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X werde im Verfahren nach § 48 SGB X die zeitliche Begrenzung des § 44 Abs 4 SGB X durch § 60 BVG verdrängt. Allerdings dürfe insoweit nur eine Verschlimmerung der bereits 1957 anerkannten Gesundheitsstörungen (Herzmuskelschaden) und ein Auftreten dadurch bedingter weiterer Gesundheitsstörungen geprüft werden. Der Berücksichtigung der erst nachträglich im Zugunstenwege anerkannten Schädigungsfolgen (arteriosklerotische Gefäßveränderungen) stehe die Sperrwirkung des § 44 Abs 4 SGB X entgegen. Hinsichtlich der für die Zeit vor dem 1.1.1982 nach § 48 SGB X geltend gemachten Ansprüche reichten die Tatsachenfeststellungen des LSG nicht aus, um eine unverschuldete Verhinderung an einer früheren Antragstellung iS des § 60 Abs 2 S 1 Halbs 2 BVG zu bejahen. Da sich der Beschädigte das Verschulden seiner Vertreter zurechnen lassen müsse, wäre es geboten gewesen, auch das Vorliegen einer stillschweigenden Vollmacht bzw einer funktionalen Vertretung zu prüfen. Gegenwärtig bestehe kein Anlass zur Prüfung, ob ein Neufeststellungsanspruch verjährt sei, weil der Beklagte soweit ersichtlich keine Verjährungseinrede erhoben habe.

10

Das LSG verurteilte den Beklagten daraufhin zur Gewährung höherer Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V ab 1.6.1987 und wies die Klage im Übrigen, dh hinsichtlich einer höheren Schwerstbeschädigtenzulage sowie vor allem wegen aller Ansprüche für die Zeit vor 1982, ab (Urteil vom 11.3.2010). Der Beschädigte sei nicht an einem rechtzeitigen Leistungsantrag gehindert gewesen, weil ihn seit 1984 stillschweigend seine Ehefrau und funktional seine Tochter (die Klägerin) vertreten hätten.

11

Auch dieses Urteil ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin vom BSG wegen Verfahrensmängeln (Gehörsverstoß und unzureichende Sachaufklärung) aufgehoben und die Sache 2010 erneut - zum vierten Mal - an das LSG zurückverwiesen worden (Beschluss vom 2.12.2010 - B 9 VH 2/10 B - Juris). In Bezug auf die zwischen den Beteiligten noch umstrittene Höhe der seit 1.1.1982 zu zahlenden Schwerstbeschädigtenzulage sei das LSG einem Beweisantrag der Klägerin auf Zeugenvernehmung der seinerzeit behandelnden Ärztin des Beschädigten ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Leistungsgewährung für die Zeit vor dem 1.1.1982 wegen Verschlimmerung anerkannter Schädigungsfolgen stelle die Annahme einer funktionalen Vertretung des Beschädigten durch seine Tochter ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin eine Überraschungsentscheidung dar.

12

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das LSG die behandelnde Ärztin vernommen und sodann ein schriftliches internistisch-kardiologisches Gutachten des Sachverständigen Dr. B. eingeholt. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 21.1.2015 hat das LSG den Sachverständigen persönlich zu seinem Gutachten angehört. Zudem hat das Gericht mit dem Sohn und Prozessbevollmächtigten der Klägerin erörtert, ob der Beschädigte noch Dritte hätte beauftragen können, einen Versorgungsantrag für ihn zu stellen. Am Ende der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten Sachanträge gestellt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat hilfsweise ua beantragt, der Klägerin eine Frist von einem Monat für die schriftliche Stellungnahme zu den Aussagen des Sachverständigen zu gewähren.

13

Mit Urteil vom selben Tag - das Gegenstand der hier vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde ist - hat das LSG den Beklagten - insoweit antragsgemäß - verurteilt, der Klägerin nach dem Beschädigten für die Zeit vom 1.1.1982 bis zum 31.5.1987 Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V zu zahlen und die Klage im Übrigen, dh bezogen auf den davor liegenden Anspruchszeitraum, vollumfänglich abgewiesen (Urteil vom 21.1.2015 - L 13 VH 5/13). Der Antrag 1986 auf Gewährung von Beschädigtenversorgung sei zu spät gestellt worden, um auch Leistungen für die Zeit vor dem 1.1.1982 zu erlangen. Der Beschädigte sei nicht ohne sein Verschulden iS von § 60 Abs 2 S 1 BVG an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen. Zwar sei er weder stillschweigend noch funktional vertreten oder selber zur Antragstellung in der Lage gewesen. Er hätte jedoch trotz seiner schweren gesundheitlichen Einschränkungen noch eine andere Person zur Antragstellung beauftragen können. Dies belegten die beiden notariellen Urkunden aus dem Jahr 1986 über die Erteilung einer Generalvollmacht bzw über eine Verfügung von Todes wegen sowie ein Krankenhausentlassungsbericht aus dem Jahr 1980. Unabhängig davon sei ein etwaiger Anspruch auf Gewährung höherer Versorgungsleistungen verjährt, weil der Beklagte inzwischen ermessensfehlerfrei die Verjährungseinrede erhoben habe.

14

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 21.1.2015 rügt die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz sowie Verfahrensfehler. Das LSG habe insbesondere eine Gehörsverletzung begangen, weil es ihr nicht die beantragte Stellungnahmefrist zu den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe. Das LSG habe außerdem mit seiner Annahme, der Beschädigte habe noch andere Personen mit der Antragstellung beauftragen können, überraschend entschieden. Die rechtlichen Ausführungen des LSG zur Verjährung widersprächen der Rechtsprechung des BSG. Das LSG habe auch den Verschuldensbegriff falsch ausgelegt und dabei zudem das Mitverschulden des beklagten Landes übergangen.

15

Der Senat hat mit den Beteiligten am 18.11.2015 einen mehr als dreistündigen Erörterungstermin im vorliegenden Beschwerdeverfahren sowie in den Revisions- und Beschwerdeverfahren B 10 ÜG 11/15 B und B 10 ÜG 2/15 R durchgeführt, bei denen es um Entschädigungsansprüche der Klägerin wegen überlanger Verfahrensdauer des Versorgungsrechtsstreits ging. Die Beteiligten haben die genannten Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer hinsichtlich der bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Entschädigungsansprüche nach dem ÜGG vergleichsweise gegen Zahlung von 25 000 Euro erledigt. Einen vom Senat vorgeschlagenen Vergleich, auch den Versorgungsrechtsstreit B 9 V 12/15 B, der den Entschädigungsverfahren nach dem ÜGG zugrunde liegt, gegen Zahlung von 35 000 Euro vergleichsweise zu beenden, hat der Sohn der Klägerin für diese abgelehnt.

16

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet, soweit sie Verfahrensmängel rügt (1. und 2.). Im Übrigen ist sie unzulässig (3.).

17

1. Die von der Klägerin ordnungsgemäß gerügte Gehörsverletzung, § 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG bzw Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention liegt nicht vor.

18

a) Die Klägerin wirft dem LSG eine Überraschungsentscheidung vor, weil es den klageabweisenden Teil seines Urteils tragend auf die Feststellung gestützt hat, der Beschädigte sei zu Lebzeiten noch in der Lage gewesen, seine Ehefrau oder seine Tochter zu beauftragen, für ihn einen Versorgungsantrag zu stellen.

19

Die behauptete Gehörsverletzung liegt nicht vor. Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht grundsätzlich nicht, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 10.2.2001 - 2 BvR 1384/99 - Juris RdNr 7 unter Hinweis auf BVerfGE 66, 116 <147>; 74, 1 <5>; 86, 133 <145>; BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 mwN). Selbst wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte und Tatsachenwertungen von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 15.8.1996 - 2 BvR 2600/95 - Juris RdNr 22 unter Hinweis auf BVerfGE 31, 364 <370>; 66, 116 <147>; 74, 1 <5>). Insbesondere ein Kollegialgericht ist nicht verpflichtet, seine (vorläufige) Rechtsauffassung aufzudecken (vgl BVerfG aaO; Sommer in Zeihe, SGG, Stand: April 2015, § 62 RdNr 4b bb>) und erst recht nicht, bei einer Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits seine endgültige Beweiswürdigung darzulegen. Sonst drohte das Ergebnis der Willensbildung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, vorweggenommen und die Beratung ihrer prozessualen erkenntnisleitenden Funktion beraubt zu werden.

20

Andererseits setzt eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährleistung rechtlichen Gehörs voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 15.8.1996 - 2 BvR 2600/95 - Juris RdNr 22 unter Hinweis auf BVerfGE 31, 364 <370>; 66, 116 <147>; 74, 1 <5>). Um den Anspruch auf rechtliches Gehör und damit zugleich das Gebot fairen Verfahrens (vgl BSG Beschluss vom 7.8.2014 - B 13 R 441/13 B - Juris) zu wahren, darf das Gericht deshalb seine Entscheidung nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 86, 133, 144 f; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8a, 8b mwN). Das Schutzbedürfnis des Einzelnen bestimmen dabei maßgeblich seine eigene Erkenntnisfähigkeit und die seines Prozessbevollmächtigten (Sommer in Zeihe, SGG, Stand: April 2015, § 62 RdNr 1k mwN).

21

Zwar mag das Urteil des LSG die Klägerin und ihren Bevollmächtigten faktisch - subjektiv - überrascht haben, wie der Bevollmächtigte eindringlich versichert. Normativ jedoch ist eine Überraschungsentscheidung aufgrund der Beschwerdebegründung nicht anzunehmen. Dem steht nicht entgegen, dass das LSG im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten lange über Zusammenhangsfragen verhandelt hat, die es dann in seiner Entscheidung nicht mehr als entscheidungserheblich beurteilt hat. Denn auch die vom LSG ebenfalls erörterte und letztlich als streitentscheidend angesehene Frage, ob der Beschädigte unverschuldet an einer rechtzeitigen Antragstellung verhindert war, bildete seit Jahren einen der maßgeblichen Kernpunkte des Rechtsstreits. Sie hat ua zur letzten Zurückverweisung der Sache an das LSG geführt, weil der Senat in anderer Zusammensetzung die Annahme des LSG, der Beschädigte sei funktional von seiner Tochter, der Klägerin, vertreten worden, als überraschend eingestuft und deshalb eine Gehörsverletzung bejaht hatte (Beschluss vom 2.12.2010 - B 9 VH 2/10 B - Juris). Daran anknüpfend hat das LSG in der erneuten mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert, in welcher Weise eine Kommunikation mit dem Beschädigten noch möglich gewesen sei. Dafür hat es ua zwei Urkunden eines Notars aus dem Jahr 1986 über die Erteilung einer Generalvollmacht und eine Verfügung von Todes wegen sowie Teile eines ärztlichen Berichts aus dem Jahr 1980 mit möglichen Hinweisen auf die verbleibende Sprachfähigkeit des Beschädigten zum Gegenstand der Erörterung gemacht (S 3315 ff Berufungsakte), auf die es später sein Urteil gestützt hat (vgl S 12 ff des angefochtenen Urteils). Im Anschluss daran hat das Berufungsgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, es halte nicht mehr an seiner Rechtsauffassung zur stillschweigenden Bevollmächtigung und zur funktionalen Stellvertretung fest. Erörterungsbedürftig sei aber die Möglichkeit des Beschädigten, in der Vergangenheit eine andere Person, etwa Ehefrau oder Tochter, mit der Stellung von Anträgen zu beauftragen (S 4 f des Protokolls vom 21.1.2015).

22

Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter hätte nach diesem Prozessverlauf erkennen können, dass diese Erörterung dazu diente, das rechtliche Gehör der Klägerin zu wahren und ihr Gelegenheit zu geben, zu einer möglichen neuen Tatsachenbewertung und einer darauf gestützten Änderung der Rechtsauffassung des LSG Stellung zu nehmen. Mit seiner Vorgehensweise, die Handlungs- und insbesondere Sprechfähigkeit des Beschädigten rückschauend anhand zweier notarieller Urkunden sowie eines Arztberichts einzuschätzen, hat sich das LSG auch nicht in überraschender Weise medizinische Sachkunde angemaßt, wie die Beschwerde ihm vorwirft. Vielmehr hat das Gericht lediglich die von den Beteiligten nicht infrage gestellte Einschätzung des Notars über die Testier- bzw Geschäftsfähigkeit des Beschädigten sowie diejenige der ihn 1980 behandelnden Ärzte nachvollzogen, die auf deren persönlichen Eindruck vom Beschädigten und seiner verbliebenen Kommunikationsfähigkeit beruhte. Wie der umfangreiche Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin zeigt, traut dieser sich im Übrigen selber zu, rückschauend die Fähigkeit seines Großvaters zur Antragsdelegation aus eigener Anschauung ohne sachverständige ärztliche Hilfe zu beurteilen, weil er sie vehement verneint.

23

Die vom LSG auf der beschriebenen konkreten Tatsachengrundlage am 21.1.2015 durchgeführte Erörterung unterscheidet sich maßgeblich von derjenigen im vorangegangenen Teil des Berufungsverfahrens, das in das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren B 9 VH 2/10 B gemündet war. Dort hatte der Senat die Zurückverweisung darauf gestützt, das Berufungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung vom 11.3.2010 nicht einmal angedeutet, von seiner Beurteilung in einer früheren Entscheidung abweichen zu wollen, geschweige denn eine solche Möglichkeit erörtert (vgl Senat Beschluss vom 2.12.2010 - B 9 VH 2/10 B - Juris RdNr 13). Dagegen durfte der Sohn der Klägerin nach dem rechtlichen Hinweis und der Erörterung des Berufungsgerichts am 21.1.2015 bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht darauf vertrauen, allein seine Einlassung, sein Großvater habe niemanden mehr mit der Antragstellung beauftragen können und sein schriftsätzlicher Vortrag würden das LSG überzeugen und von einem Urteil zulasten der Klägerin abhalten oder zumindest zu den von ihm für notwendig gehaltenen weiteren Ermittlungen auf neurologischem Gebiet drängen. Dies gilt umso mehr, als das Gericht am Ende der mündlichen Verhandlung die Sachanträge aufgenommen hat. Zwar ist der Sohn der Klägerin kein Rechtsanwalt. Andererseits hat er den Rechtsstreit um die Versorgungsansprüche seines Großvaters von Beginn an mit großem Einsatz und Erfolg im Wesentlichen selber geführt. Unter anderem hat er vier Zurückverweisungen durch das BSG erreicht und erheblich höhere Versorgungsleistungen erstritten, die den Erben des Beschädigten zugutekommen. Während der vielen Jahre der Prozessführung und aufgrund seiner detaillierten Kenntnis des Rechtsstreits hat er es sich zugetraut, vor den Tatsacheninstanzen jeweils ohne anwaltlichen Beistand zu bestehen und das Verfahren ebenso gut wie sein Rechtsanwalt zu führen, wie er es selbst gegenüber dem Senat im Erörterungstermin vom 18.11.2015 ausgedrückt hat. Zwar möchte der Sohn der Klägerin nunmehr - ersichtlich mit Blick auf die von ihm erhobene Gehörsrüge - seine praktischen Fähigkeiten zur Prozessführung beschränkt erscheinen lassen, weil ihm die Erfahrung in der mündlichen Verhandlung fehle. Indes wird diese Einlassung durch die Prozessgeschichte relativiert. Denn der Sohn der Klägerin hat bereits in der Vergangenheit das LSG mit Erfolg durch - schriftlich und in der mündlichen Verhandlung gestellte - auf Beweiserhebung gerichtete Anträge bzw fundierte Stellungnahmen zu weiteren Ermittlungen veranlasst. Im Verfahren B 9 VH 2/10 B hat er damit sogar den Grundstein für eine Zurückverweisung an das LSG wegen dessen Verletzung der Amtsermittlungspflicht gelegt. Auch im Übrigen hat er immer wieder das prozessuale Instrumentarium des SGG etwa für Befangenheitsanträge genutzt sowie wirksam Klagen wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben. Die Klägerin hat seine Prozessführung durchgehend gebilligt und die Bevollmächtigung stets erneuert. Sie muss es sich deshalb entsprechend § 73 Abs 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO zurechnen lassen, dass ihr Bevollmächtigter trotz seiner jahrzehntelangen, einschlägigen Prozesserfahrung in der konkreten Situation keinen weiteren Beweisantrag zum insoweit erheblichen Streitgegenstand gestellt hat.

24

b) Ebenso wenig liegt eine entscheidungserhebliche Verletzung des in §§ 62, 128 Abs 2 SGG, § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 S 1 Variante 3 ZPO normierten Gehörsanspruchs vor.

25

Die Klägerin wirft dem LSG vor, es hätte den Rechtsstreit auf ihren hilfsweise gestellten Antrag vertagen müssen, um ihr eine Stellungnahmefrist von einem Monat zu den Erläuterungen des kardiologisch-internistischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung einzuräumen (Gliederungspunkt 4. der Beschwerde). Der Vorwurf ist in der Sache nicht begründet.

26

Nach § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 S 1 Variante 3 ZPO kann eine Verhandlung vertagt werden, wenn ein erheblicher Grund dafür vorliegt. Über die Vertagung der Verhandlung entscheidet nach § 227 Abs 4 S 1 Halbs 2 ZPO das Gericht. Seine ablehnende Entscheidung ist nach § 227 Abs 4 S 3 ZPO unanfechtbar und braucht dem Antragsteller nur formlos mitgeteilt zu werden(vgl Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl 2014, § 227 RdNr 27). Allein indem das LSG ein Sachurteil gesprochen und darin den Vertagungsantrag der Klägerin konkludent abgelehnt und ihr dies im Urteil mitgeteilt hat, hat es entgegen der Ansicht der Beschwerde keinen (formellen) Verfahrensfehler begangen.

27

Mit der konkludenten Ablehnung des Vertagungsantrags der Klägerin hat das LSG auch keine Gehörsverletzung begangen; ein erheblicher Grund für die beantragte Vertagung iS von § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 S 1 ZPO lag auch unter Berücksichtigung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör aus §§ 62, 128 Abs 2 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG nicht vor.

28

Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach diesen Vorschriften umfasst das Recht der Beteiligten, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (vgl BVerfGE 10, 177 <182 f>; 19, 32 <36>). Die effektive Wahrnehmung dieses Rechts kann es nach einer Beweisaufnahme erfordern, den Beteiligten eine angemessene Äußerungsfrist einzuräumen und den Rechtsstreit dafür zu vertagen (vgl BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 28/90 = SozR 3-1500 § 62 Nr 5; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 6/99 R - Juris sowie BSG Urteil vom 30.3.1982 - 2 RU 4/81 - Juris). Werden vor oder in der mündlichen Verhandlung erstmals Tatsachen, Erfahrungssätze oder rechtliche Gesichtspunkte eingeführt, die möglicherweise für die Sachentscheidung erheblich sind, ist den Beteiligten auf Antrag eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen (BSG Beschluss vom 23.10.2003 - B 4 RA 37/03 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 1). Wann dieses Äußerungsrecht eine Vertagung nach § 227 Abs 1 S 1 ZPO erzwingt und das von der Vorschrift grundsätzlich eröffnete Ermessen - "kann" - auf null reduziert(vgl BVerfG Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - Juris RdNr 30 mwN) richtet sich dabei nach dem Gegenstand der Beweisaufnahme und den sonstigen Umständen des Einzelfalls. Die Beteiligten müssen Zeit und Gelegenheit zu sachgerechter Stellungnahme haben (Sommer in Zeihe, SGG, Stand: April 2015, § 62 RdNr 1d).

29

Demgemäß hält sich das Absehen des LSG von der beantragten Vertagung im Rahmen des ihm von § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 S 1 ZPO eingeräumten Ermessens. Denn zur Wahrung rechtlichen Gehörs genügte die Möglichkeit des Bevollmächtigten der Klägerin, sich in der mit Unterbrechungen mehr als 6-stündigen mündlichen Verhandlung zu den Ausführungen des Sachverständigen zu äußern. Zum einen hat dieser kein neues Gutachten erstattet, sondern lediglich sein bereits vorher schriftlich erstattetes Gutachten erläutert und ergänzt. Insbesondere aber hat das LSG dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag in vollem Umfang entsprochen, soweit es sich auf diese Erläuterungen gestützt und der Klägerin, wie beantragt, für die Zeit ab 1982 eine höhere Schwerstbeschädigtenzulage der Stufe V anstatt III zugesprochen hat. Im Übrigen waren die Ausführungen des Sachverständigen, soweit sie die möglichen Ursachen für den 1973 erlittenen Schlaganfall des Beschädigten betrafen, nach der zuletzt gefundenen Rechtsauffassung des LSG nicht (mehr) entscheidungserheblich. Auch die vom Gericht in der mündlichen Verhandlung angekündigte Übersendung einer vom Sachverständigen im Termin vorgelegten Risikoberechnung änderte daran nichts. Diese Ankündigung gab der Klägerin insbesondere keinen berechtigten Anlass darauf zu vertrauen, das LSG werde ohne die Übersendung dieser Berechnung sein abweisendes Urteil nicht auf den davon unabhängigen Gesichtspunkt der schuldhaft verspäteten Antragstellung stützen. Für das LSG ergab sich vielmehr in der konkreten Prozesssituation kein zwingender Grund, den Rechtsstreit nochmals zu vertagen und dem Prozessbevollmächtigten weitere Bedenkzeit zu dem internistisch-kardiologischen Gutachten einzuräumen, das für die streitentscheidende Frage der rechtzeitigen Antragstellung nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG keine Rolle mehr spielte. Die - von der Klägerin zu Recht immer wieder beanstandete - bereits in diesem Zeitpunkt erheblich überlange Verfahrenslaufzeit und das daraus folgende Gebot der Prozessbeschleunigung (vgl BSG Urteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 7/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 10 RdNr 38 mwN) sprachen vielmehr maßgeblich gegen eine Vertagung des nunmehr aus Sicht des LSG entscheidungsreifen Rechtsstreits. Das lag für einen gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten auch ohne weiteren Hinweis des Gerichts auf der Hand.

30

Der Bevollmächtigte argumentiert zwar, die Hinweise des Sachverständigen hätten ihm bei Einräumung einer Überlegungsfrist auch Anlass gegeben, ein weiteres, nunmehr neurologisches Sachverständigengutachten zu beantragen. Diese Möglichkeit musste das LSG aber nicht zu einer Vertagung veranlassen. Zum einen hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.9.2014 noch ausdrücklich (und nachvollziehbar) betont, das vom beklagten Land in einem früheren Verfahrensstadium beantragte neurologische Gutachten zur Geschäftsfähigkeit des Beschädigten dürfe nicht eingeholt werden, um den Rechtsstreit nicht weiter zu verzögern. Insbesondere aber hat der vom LSG gehörte internistisch-kardiologische Sachverständige zur Frage, ob der Beschädigte noch Dritte mit einer Antragstellung hätte beauftragen können, nichts ausgeführt, weil er zu diesem Thema weder sachkundig noch gefragt worden war. Ebenfalls nicht zur Vertagung zwangen die von der Klägerin thematisierten Äußerungen des Sachverständigen zu der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen Herzmuskelschaden des Beschädigten und seinem Schlaganfall sowie weiteren Gesundheitsstörungen für den Anspruchszeitraum vor 1982. Denn darauf kam es nach der für die Prüfung der Gehörsrüge maßgeblichen Rechtsansicht des LSG zur verspäteten Antragstellung nicht mehr an. Das entschädigungsrelevante Ausmaß der neurologischen Schäden war zwischen den Beteiligten nicht umstritten, wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt. Die Behauptung der Klägerin, bei Gewährung eines Schriftsatznachlasses hätte sie eine weitere neurologische Beweiserhebung und dann höhere Entschädigungsleistungen auch für die Zeit vor 1982 beantragt, erscheint spekulativ. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass der Bevollmächtigte der Klägerin einen Antrag auf ein neurologisches Gutachten mit dem sinngemäßen Beweisthema "Fähigkeit des Beschädigten, Dritte zur Antragstellung zu bevollmächtigen" nicht bereits in der mündlichen Verhandlung hätte stellen können, um sich weiteres rechtliches Gehör zu verschaffen. Dies hätte gerade angesichts der vorangegangenen Erörterungen über die Möglichkeit des Beschädigten, Dritte zu beauftragen, sowie der jahrelangen Diskussion der Beteiligten über dieses Thema aus seiner Sicht nahe gelegen.

31

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin macht darüber hinaus geltend, eine Stellungnahmefrist hätte ihm im Anschluss an die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen ermöglicht vorzutragen, wie sich zeitlich gesehen die medizinischen Erkenntnisse zum Kausalzusammenhang zwischen Herzmuskelschäden und Schlaganfällen entwickelt hätten. Dies sei wesentlich für die Beurteilung des LSG gewesen, ob der Beschädigte eine frühere Antragstellung schuldhaft versäumt habe. Auch mit diesem Vorbringen kann die Klägerin hinsichtlich des behaupteten Verfahrensfehlers nicht durchdringen. Es fehlt bereits an der Darlegung, auf welche Erkenntnisse sich die Klägerin im Einzelnen stützen will. Zudem hat das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffene Urteil des LSG vom 21.01.2015, dessen Rechtsansicht bei der Prüfung der Gehörsrüge zugrunde zu legen ist, diesen Aspekt überhaupt nicht thematisiert. Vor allem aber ist nicht erkennbar, warum der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dieses Argument nicht vor oder in der mündlichen Verhandlung anbringen und sich so rechtliches Gehör verschaffen konnte (vgl BVerfG 79, 80, 83 f; BSGE 7, 209). Denn die Frage der schuldhaft verspäteten Antragstellung war, wie ausgeführt wurde, bereits seit langem Gegenstand kontroverser Erörterungen der Beteiligten. Zum medizinischen Kenntnisstand hinsichtlich der Verursachung von Schlaganfällen allgemein hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin schriftsätzlich bereits ebenfalls umfangreich mit Zitaten aus der medizinischen Literatur vorgetragen und dabei auch Belege für den sich verändernden wissenschaftlichen Erkenntnisstand übersandt.

32

2.a) Schließlich kann die Beschwerde auch nicht mit ihrer Kritik an der Beweiswürdigung des LSG hinsichtlich der verbleibenden Handlungsmöglichkeiten des Beschädigten durchdringen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG diese der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Danach kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden, wonach das Gericht (hier: LSG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Damit kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Karmanski in Roos/Warendorf, SGG, Juli 2014, § 160 RdNr 58 mwN). Die Beschwerde kann die Einschränkung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG auch nicht mit ihrer Rüge umgehen, das Urteil verletze insoweit das Recht der Klägerin auf eine hinreichende Begründung der Entscheidung. Ein Gericht verletzt seine Begründungspflicht nicht schon dann, wenn seine Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen oder zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sind (BSG SozR 4-4300 § 223 Nr 1 RdNr 16). Fehlerhafte Gründe sind dem vollständigen Fehlen von Gründen vielmehr erst dann gleichzusetzen, wenn sie in extremem Maß mangelhaft, dh wenn sie rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl BVerwG Buchholz 310 § 138 Ziff 6 VwGO Nr 32). Für eine solche extreme formelle Fehlerhaftigkeit der Entscheidungsgründe ist hier nichts ersichtlich. Tatsächlich wendet sich die Klägerin mit der Behauptung, darin liege überhaupt keine Begründung, gegen die Beweiswürdigung des LSG. Damit kann sie, wie ausgeführt, im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht durchdringen. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, das LSG habe den Verschuldensmaßstab in § 60 Abs 2 S 1 BVG falsch angewendet und deshalb das Urteil verfahrensfehlerhaft begründet.

33

Das LSG hat dazu Rechtsprechung des BSG zitiert, eine Reihe von Kriterien für den von ihm angewendeten subjektiven Verschuldensmaßstab genannt und diesen mit Sachverhaltselementen ausgefüllt. Damit hat das LSG seine formelle Begründungspflicht erfüllt. Ob die Begründung des LSG vorbehaltlos überzeugt und eine zutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall belegt, ist demgegenüber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde. Deswegen kann die Beschwerde auch nicht mit ihrer Behauptung zum Erfolg führen, das LSG habe den Verursachungsanteil bzw das Mitverschulden des Beklagten an der unterbliebenen Antragstellung und dessen pflichtwidrigen Verzicht auf weitere Beweisaufnahme zu Unrecht übergangen. Dieser Vortrag zeigt ebenfalls keine Gehörsverletzung auf, sondern kritisiert wiederum die Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall.

34

b) Die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des LSG zu den fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten des Beschädigten binden damit den Senat nach § 163 SGG. Daher kann die Klägerin im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit ihrer inhaltlichen Kritik durchdringen, die Feststellungen und Schlussfolgerungen des LSG zu den fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten des Beschädigten widersprächen dem Akteninhalt, verkennten und übergingen dessen Behinderung und verletzten seine Grundrechte sowie seinen Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz, auf ein faires Verfahren sowie das Meistbegünstigungsprinzip.

35

c) Soweit die Klägerin eine weitere Gehörsverletzung in der nach ihrer Ansicht überraschenden Rechtsansicht des LSG zu § 60 Abs 2 und Abs 3 BVG sowie der Ermessensausübung der Beklagten im Zusammenhang mit der vom LSG angenommenen Verjährung sieht, ist ihre Beschwerde bereits unzulässig. Insoweit fehlt es an der Darlegung, warum das angefochtene Urteil auf dieser vermeintlichen Gehörsverletzung beruhen könnte (dazu unter 3.).

36

3. Die Beschwerde ist bereits unzulässig, soweit die Klägerin umfangreich (Gliederungspunkte 3.1 bis 3.5 des Beschwerdeschriftsatzes) zu der vom LSG bejahten Verjährung ausführen lässt und eine Reihe grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen sowie eine Abweichung des LSG von der Rechtsprechung des BSG zu erkennen meint, insbesondere im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 60 Abs 3 BVG. Insoweit fehlt die Darlegung, warum diese Fragen entscheidungserheblich sein sollten und damit im konkreten Verfahren geklärt werden könnten, was die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung aber neben einer Klärungsbedürftigkeit voraussetzt (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

37

Das LSG hat seine Ablehnung des Anspruchs der Klägerin auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt. Zum einen hat es Ansprüche für die Zeit vor dem Jahr 1982 verneint, weil der Beschädigte nicht iS von § 60 Abs 2 S 1 BVG ohne Verschulden an einer früheren Antragstellung verhindert gewesen sei. Denn die von der Klägerin begehrte rückwirkende Gewährung höherer Leistungen nach § 60 Abs 2 S 1 BVG setzt voraus, dass der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert war und der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrunds gestellt wurde. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat das LSG zutreffend den vorangegangenen Senatsentscheidungen entnommen (vgl etwa Senat Urteil vom 2.10.2008 - B 9 VH 1/07 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 4 RdNr 61 ff mwN). Für den Senat steht damit aufgrund der bindenden Feststellungen des LSG und seiner darauf aufbauenden, mit der Beschwerde nicht angreifbaren Rechtsanwendung im Einzelfall fest, dass ein Anspruch des Beschädigten wegen § 60 Abs 2 S 1 BVG nicht vor 1982 zurückreicht, weil der Beschädigte insoweit nicht unverschuldet an einer Antragstellung gehindert war.

38

Demgegenüber stellt die mit "ungeachtet der obigen Ausführungen" eingeleitete Begründung des LSG zur Verjährung (S 14 des LSG-Urteils) einen selbstständig tragenden Grund dar, um zu begründen, warum das Gericht eine vor 1982 zurückreichende Leistungsgewährung verneint hat. Daher hätte die Beschwerde substantiiert darlegen müssen, warum gleichwohl die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch des Beschädigten, ungeachtet der Frage seiner Entstehung, verjähren konnte, überhaupt noch entscheidungserheblich sein und daher im konkreten Fall geklärt werden könnte. Allein die Behauptung, das LSG weiche mit seiner Rechtsansicht zum Verhältnis von § 48 SGB X und § 60 BVG grundsätzlich von der BSG-Rechtsprechung ab, genügt dafür nicht. Selbst wenn man die Richtigkeit dieser Behauptung unterstellt, wäre damit allenfalls die Klärungsbedürftigkeit, aber noch nicht die ebenfalls erforderliche Klärungsfähigkeit der vermeintlich grundsätzlichen Rechtsfrage dargetan.

39

Soweit die Klägerin eine Reihe aus ihrer Sicht grundsätzlicher Fragen zur Gewährung des rechtlichen Gehörs aufwirft (S 49 des Beschwerdeschriftsatzes), formuliert sie keine fallübergreifenden Rechtsfragen, sondern stellt tatsächlich nochmals die nach ihrer Ansicht unterbliebene Gewährung rechtlichen Gehörs im Einzelfall zur Überprüfung des Gerichts.

40

Die umfangreichen Ausführungen der Beschwerde zur angeblichen unzureichenden Berücksichtigung der Behinderung des Beschädigten enthalten ebenfalls keine Darlegung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, sondern kritisieren wiederum inhaltlich die Entscheidung des LSG im Einzelfall. Darauf kann die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

41

Nichts anderes gilt für den Hinweis der Klägerin auf die nach ihrer Ansicht fehlende Berücksichtigung eines angeblichen Mitverschuldens des Beklagten an der verspäteten Antragstellung (Ziff 5.1 der Beschwerdegliederung). Damit formuliert die Beschwerde ebenfalls keinen fallübergreifenden Rechtssatz, sondern wendet sich ein weiteres Mal gegen die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angreifbare Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall. Nichts anderes gilt für die Gehörsrüge, mit der die Beschwerde vorträgt, das LSG habe die Tatsachen verkannt, aus denen sich das Mitverschulden des Beklagten ergebe.

42

Auch die Rüge der Klägerin, das LSG habe die Verzinsung der ausgeurteilten Ansprüche falsch berechnet, betrifft lediglich die Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall und zeigt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf. Ebenso wenig legt die Beschwerde insoweit dar, dass das LSG mit einem bewusst aufgestellten Rechtssatz der Rechtsprechung des BSG widersprochen hätte. Allein die Behauptung einer unrichtigen Rechtsanwendung im Einzelfall kann insoweit auch keine Gehörsrüge begründen.

43

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG(vgl BSG Urteil vom 11.5.2000 - B 13 RJ 85/98 R - SozR 3-5750 Art 2 § 6 Nr 18; vgl Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 56 RdNr 7 f mwN).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.