Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2007 - X ZR 53/04

bei uns veröffentlicht am30.01.2007
vorgehend
Landgericht München I, 21 O 18137/00, 05.03.2003
Oberlandesgericht München, 6 U 2683/03, 18.03.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 53/04 Verkündet am:
30. Januar 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Funkuhr II

a) Eine mittelbare Patentverletzung kann auch darin liegen, dass Mittel, die
sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, ins Ausland geliefert
werden, wenn sie dort zur Herstellung eines erfindungsgemäßen Erzeugnisses
beitragen sollen, welches zur Lieferung nach Deutschland bestimmt
ist.

b) Verwarnt der Patentinhaber unberechtigterweise den Vertreiber eines vermeintlich
patentverletzenden Erzeugnisses, stehen dem Hersteller, nicht
aber dessen Zulieferern Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung
zu. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Zulieferer als
mittelbarer Verletzer in Betracht käme, wenn durch den Vertrieb des Erzeugnisses
das Patent verletzt würde (Fortführung von BGH, Urt. v.
29.06.1977 - I ZR 186/75, GRUR 1977, 805, 807 - Klarsichtverpackung).
BGH, Urt. v. 30. Januar 2007 - X ZR 53/04 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. März 2004 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 26. März 1985 angemeldeten und nach Erlass des Berufungsurteils am 26. März 2005 durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 35 10 861, das eine Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung für eine Uhr, insbesondere eine Funkuhr, betrifft. Mit Urteil vom 23. September 1999 (X ZR 50/97, bei Bausch, BGH 1999-2001, 129) hat der Senat das Patent unter Abweisung der weitergehenden Nichtigkeitsklage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass an die Stelle der erteilten Patentansprüche acht Patentansprüche getreten sind, von denen Patentanspruch 1 lautet: "Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung für eine Uhr mit einem optronischen Sensor, wobei Räder zum Antreiben von Anzeigemitteln als Lochblendenscheiben für eine Lichtschranke (31, 32; 39) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass im Inneren des Werkes (1) einer Funkuhr in die Lichtschranke (31, 32; 39) ein Zwischenrad (6, 13) und das von seinem Ritzel (7, 14) getriebene Rad (8, 15) mit je einer Blendenöffnung (35) hineinragen."
2
Die Klägerin stellt Räderwerke für Funkuhren her. Solche Räderwerke lieferte sie an die H. Corp. Ltd. (im Folgenden: H. ) in H. , die hieraus Funkwecker herstellte, die sie ihrerseits an die K. Warenhaus AG (im Folgenden: K. ) lieferte.
3
Die Beklagte sah in dem Vertrieb der Wecker eine Verletzung ihres Patents und mahnte K. deswegen ab. In der Folge stornierte H. die der Klägerin erteilten Aufträge.
4
Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, dass der Beklagten ihr gegenüber kein Unterlassungsanspruch zustehe. Ferner hat sie die Beklagte wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung (Abnehmerverwarnung) auf Unterlassung , Auskunftserteilung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz in Anspruch genommen.
5
Das Landgericht hat antragsgemäß erkannt.
6
Im Berufungsverfahren haben die Parteien die negative Feststellungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage wegen Schutzrechtsverwarnung abgewiesen und der Kläge- rin auch die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits auferlegt (OLG München, GRUR-RR 2004, 189).
7
Mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung weiter, wobei die Parteien übereinstimmend den Unterlassungsantrag für in der Hauptsache erledigt erklärt haben.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
9
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Klägerin stünden Ansprüche wegen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht zu. Es fehle an einem unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff. Die Klägerin habe nicht den abgemahnten K. mit Funkweckern, sondern H. mit einer "Gearbox" (Räderwerk) beliefert, die in die von H. vertriebenen Wecker mit weiteren, von einem anderen Zulieferer gestellten Elementen eingebaut worden sei. Die Klägerin sei also nicht die Herstellerin der Funkwecker und auch nicht der Zulieferer für K. , sondern nur einer von mehreren Zulieferern der H. gewesen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 1977 (I ZR 186/75, GRUR 1977, 805 - Klarsichtverpackung) müsse der Zulieferer eines Verwarnten die wirtschaftlichen Nachteile der Entscheidung des Verwarnten, sich einer Schutzrechtsverwarnung zu beugen, hinnehmen. Für den Zulieferer (Klägerin) des Zulieferers (H. ) müsse dies erst recht gelten.
10
II. Das hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Der Klägerin stehen Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung gegen die Beklagte nicht zu.
11
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die sachlich unberechtigte Verwarnung eines Abnehmers wegen Schutzrechtsverwarnung allerdings einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Herstellers des beanstandeten Produkts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (s. zuletzt BGHZ 164, 1 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; BGHZ 165, 311 - Detektionseinrichtung II). Das Berufungsgericht hat dies nicht verkannt, jedoch für maßgeblich gehalten, dass die Klägerin nicht Herstellerin der von K. vertriebenen Funkwecker sei.
12
Darauf kommt es jedoch nicht an. Gegenstand des von der Beklagten zur Rechtfertigung der Schutzrechtsverwarnung herangezogenen Patents ist keine Funkuhr, sondern eine Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung für eine Funkuhr. Die Beklagte hat demgemäß den Vertrieb des Weckers nicht als solchen beanstandet, sondern deshalb, weil der Wecker eine AnzeigestellungsDetektionseinrichtung aufwies, die nach Meinung der Beklagten ihr Patent verletzte. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann daher der Tatbestand einer die Rechte der Klägerin verletzenden unberechtigten Schutzrechtsverwarnung nicht verneint werden.
13
2. Das Berufungsurteil erweist sich jedoch als im Ergebnis zutreffend.
14
a) Die Klägerin kommt auch nicht als Herstellerin der Anzeigestellungs -Detektionseinrichtung in Frage.
15
Das Berufungsgericht hat im Zusammenhang mit der für seine Teilkostenentscheidung nach § 91a ZPO gegebenen Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung des Landgerichts komme die Klägerin nicht als (Mit-) Täterin einer unmittelbaren Patentverletzung in Betracht. Es fehle an dem für eine Mittäterschaft erforderlichen bewussten und gewollten Zusammenwirken der Klägerin einerseits und H. s und K. s andererseits. Der einzige Beitrag der Klägerin könne nur die Herstellung und Lieferung der "Gearbox" an ein im Ausland sitzendes Unternehmen sein. Das hält den Angriffen der Revision stand.
16
Die Klägerin hat keine Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung, wie sie Gegenstand des Patents ist, hergestellt. Nach ihrem eigenen Vorbringen und den Feststellungen der Tatsacheninstanzen hat sie vielmehr ein Räderwerk an H. geliefert, das von dieser jedenfalls noch um den optoelektronischen Sensor ergänzt werden musste, der der Erkennung der Zeigerreferenzposition dient und Bestandteil der geschützten Gesamtkombination ist. Damit scheidet jedoch eine unmittelbare Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Klägerin aus. Wie der Senat bereits in der "Rigg"-Entscheidung ausgesprochen hat, ist eine unmittelbare Verletzung eines Kombinationspatents grundsätzlich nur zu bejahen, wenn die Verletzungsform von der Gesamtheit der Kombinationsmerkmale Gebrauch macht. Von diesem Grundsatz können allenfalls dann eng begrenzte Ausnahmen zugelassen werden, wenn die angegriffene Ausführungsform alle wesentlichen Merkmale des geschützten Erfindungsgedankens aufweist und es zu ihrer Vollendung allenfalls noch der Hinzufügung selbstverständlicher , für den Erfindungsgedanken nebensächlicher Zutaten bedarf. Nur dann kann es gleichgültig sein, ob der letzte, für die erfinderische Leistung unbedeutende Akt des Zusammenfügens der Gesamtvorrichtung von Dritten vorgenommen wird (BGHZ 82, 254, 256 - Rigg; BGHZ 159, 76, 91 - Flügelradzähler). Als "nebensächliche Zutat" kann die Hinzufügung der optoe- lektronischen Bauteile jedoch nicht angesehen werden. Denn erst mit ihrer Hilfe können das Räderwerk und die in den Rädern vorgesehenen Blendenöffnungen zur Erkennung einer Referenzposition genutzt werden.
17
Auch der Umstand, dass die Klägerin durch die Lieferung der Räderwerke eine notwendige und wesentliche Bedingung für die Herstellung der Anzeigestellungs -Detektionseinrichtungen gesetzt hat, genügt nicht, um sie als Täterin des Herstellungsvorgangs anzusehen. Zwar kann ein solches Verhalten grundsätzlich die Haftung für die hierdurch (mit-)verursachte Benutzung des Patents begründen. Da jeder Beteiligte - gegebenenfalls neben anderen als Nebentäter im Sinne des § 840 Abs. 1 BGB - bereits für eine fahrlässige Patentverletzung einzustehen hat, genügt grundsätzlich jede vorwerfbare Verursachung der Rechtsverletzung einschließlich der ungenügenden Vorsorge gegen solche Verstöße (Sen.Beschl. v. 26.02.2002 - X ZR 36/01, GRUR 2002, 599 - Funkuhr I). Das darf jedoch nicht dazu führen, den Tatbestand der unmittelbaren Patentverletzung auf Fälle notwendiger Teilnahme zu erstrecken, die der Tatbestand nach seinem Sinn und Zweck nicht erfassen soll. So setzt der Abnehmer einer patentgemäßen Vorrichtung zwar regelmäßig eine notwendige Bedingung für deren Inverkehrbringen, ist jedoch gleichwohl für das Inverkehrbringen nicht haftbar. Entsprechend verhält es sich mit demjenigen, der an den Hersteller einer erfindungsgemäßen Vorrichtung Teile liefert, die gegebenenfalls im Sinne des § 10 PatG als Mittel in Betracht kommen, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Er setzt zwar eine notwendige Bedingung für die - von ihm gegebenenfalls auch gewollte - Herstellung des geschützten Gegenstands. Seine patentrechtliche Verantwortung richtet sich jedoch - jedenfalls solange nur eine fahrlässige Patentverletzung in Betracht kommt - ausschließlich nach § 10 PatG, da andernfalls die von dieser Vorschrift seiner Verantwortung gezogenen Grenzen unterlaufen würden.
18
Soweit das Berufungsgericht ein vorsätzliches Handeln der Klägerin verneint hat, wird dies von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ebenso wenig ergeben sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin als für das Endprodukt verantwortlicher "eigentlicher Hersteller" den Produktionsprozess gesteuert hat und H. lediglich als verlängerte Werkbank der Klägerin tätig geworden ist.
19
b) Der Klägerin stehen auch nicht deswegen Ansprüche gegen die Beklagte zu, weil ihr, verletzte die Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung des von K. vertriebenen Weckers das Patent, eine mittelbare Patentverletzung durch Lieferung des Räderwerks zur Last gelegt werden könnte.
20
aa) Die Aktivlegitimation der Klägerin scheitert allerdings nicht daran, dass sie nicht als mittelbare Verletzerin in Betracht käme.
21
Mit den Räderwerken hat die Klägerin Mittel geliefert, die sich - wenn die der Schutzrechtsverwarnung zugrunde liegende Auffassung der Beklagten zutrifft , dass eine Anzeigestellungs-Detektionseinrichtung mit einem dem Erzeugnis der Klägerin entsprechend ausgestalteten Räderwerk in den Schutzbereich des Klagepatents fällt - auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen und deren Lieferung an Nichtberechtigte zur Benutzung im Inland der Klägerin daher untersagt war, sofern die Räderwerke zur Benutzung der Erfindung nicht nur geeignet, sondern von ihrem Abnehmer (H. ) auch bestimmt waren und dies entweder der Klägerin bekannt oder nach den Umständen offensichtlich war.
22
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen scheidet die Klägerin nicht deshalb als mittelbare Patentverletzerin aus, weil sie die Räderwerke ins Aus- land geliefert hat. Nach § 10 PatG hat das Patent die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Patentgesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Inland anzubieten oder zu liefern, sofern der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Eine Lieferung vom Inland ins Ausland ist jedoch eine Lieferung im Geltungsbereich des Patentgesetzes, denn sie findet teilweise im Inland statt. Sie fällt gleichwohl nicht unter das Verbietungsrecht nach § 10 PatG, wenn die Benutzung der Erfindung im Ausland erfolgen soll, da sie dann nicht geeignet ist, das Verbietungsrecht des Patentinhabers aus § 9 PatG zu gefährden (BGHZ 159, 76, 85 - Flügelradzähler). Erfolgt die Lieferung jedoch zur Benutzung der Erfindung im Inland, wird gerade diejenige Gefährdung der inländischen Patentrechte des Schutzrechtsinhabers herbeigeführt, der § 10 PatG vorbeugen soll.
23
Das Berufungsgericht hat allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin die Räderwerke an H. zur Benutzung der Erfindung im Inland geliefert hat, d.h. zum Einbau in Funkwecker, die an K. und damit in die Bundesrepublik Deutschland geliefert werden sollten. Es ist lediglich festgestellt , dass H. die Funkwecker mit den Räderwerken der Klägerin tatsächlich an K. geliefert hat. Auf die offengebliebene Frage kommt es jedoch nicht an.
24
bb) Denn aus einer bei Begründetheit der Schutzrechtsverwarnung möglichen mittelbaren Patentverletzung ergibt sich keine Anspruchsberechtigung der Klägerin.
25
Gegenüber der Klägerin hat die Beklagte das Patent nicht geltend gemacht. Sie hat die Klägerin weder verwarnt noch sich ihr gegenüber, wie bereits das Landgericht festgestellt hat, auch nur Ansprüchen aus dem Patent berühmt.
26
Die gegenüber K. ausgesprochene Schutzrechtsverwarnung, deren mangelnde Berechtigung für das Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen ist, stellt zunächst einen Eingriff in das Recht der verwarnten K. Warenhaus AG an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Darüber hinaus verletzte die Verwarnung auch das Recht der H. Corp. Ltd. als der K. -Lieferantin und Herstellerin des als patentverletzend beanstandeten Erzeugnisses. In eine durch das Deliktsrecht geschützte Rechtsposition von Zulieferern der H. - einschließlich der Klägerin - ist durch die Schutzrechtsverwarnung hingegen nicht eingegriffen worden.
27
α) Für einen Eingriff in Rechte des Zulieferers durch die Schutzrechtsverwarnung genügt die auf Bestandteile des als schutzrechtsverletzend beanstandeten Gegenstands bezogene Liefertätigkeit nicht. Zwar wird der Zulieferer durch deren Störung in seiner freien wettbewerblichen Betätigung unabhängig davon behindert, ob er - bei Vorliegen einer Patentverletzung - selbst Ansprüchen wegen Patentverletzung ausgesetzt wäre. Eine solche Behinderung allein verleiht jedoch noch keine Anspruchsberechtigung. Die Kundenbeziehung , die durch die (End-)Abnehmerverwarnung gestört wird (BGHZ 164, 1, 2 f. - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung), ist nicht absolut geschützt, sondern genießt Schutz nur gegenüber rechtswidrigen Beeinträchtigungen dadurch , dass das an den Kunden gelieferte Erzeugnis als schutzrechtsverletzend beanstandet und ein der Herstellung und dem Vertrieb dieses Erzeugnisses entgegenstehendes Ausschließlichkeitsrecht behauptet wird. Anspruchsberechtigt ist daher nur derjenige, dem gegenüber sich die Behinderung als unberech- tigte Inanspruchnahme eines solchen Ausschließlichkeitsrechts darstellt. Die Haftung des Schutzrechtsinhabers entspricht insoweit der Reichweite seiner geltend gemachten (angeblichen) Ansprüche als deren notwendiges Korrelat (BGHZ 164, 1, 3 f., 11):
28
Verwarnt bei einer gegebenen Lieferkette von Hersteller H über Importeur I und Großhändler G an Abnehmer A der Patentinhaber den Abnehmer A, nimmt er sein Schutzrecht nicht nur gegenüber A, sondern notwendigerweise auch gegenüber G, I und H in Anspruch. Denn diese haben dasjenige Erzeugnis hergestellt oder in den Verkehr gebracht, welches gegenüber A als patentverletzend angegriffen wird. Verletzt daher A, wie vom Patentinhaber behauptet , sein Patent, erweist sich notwendigerweise auch die Tätigkeit von G, I und H als Eingriff in das Schutzrecht, ohne dass der Verwarnende dies ausdrücklich behaupten müsste. Hingegen liegt in der Verwarnung des A weder objektiv noch subjektiv eine Inanspruchnahme des Schutzrechts gegenüber denjenigen, auf deren Zuliefertätigkeit sich H bei der Herstellung des Erzeugnisses gestützt hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.1977 - I ZR 186/75, GRUR 1977, 805, 807 - Klarsichtverpackung). Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung stehen daher demjenigen nicht zu, der lediglich den angeblichen Schutzrechtsverletzer beliefert, ohne selbst nach der der Verwarnung zugrunde gelegten Rechtsauffassung des Verwarners als Verletzer zu erscheinen. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Anspruchsberechtigter im Wege der Drittschadensliquidation Einbußen geltend machen kann, die ein solcher Zulieferer infolge der Verwarnung erlitten hat, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, da die Klage nicht auf abgetretene (etwaige) Ansprüche Dritter gestützt ist.
29
β) Die Anspruchsberechtigung ist auch dann nicht anders zu beurteilen , wenn der Zulieferer - wie hier die Klägerin - objektiv als mittelbarer Patentverletzer in Betracht kommt. Denn aus dem bloßen Umstand, dass die Liefertätigkeit eines Zulieferers eine mittelbare Patentverletzung darstellen kann, ergibt sich noch keine Inanspruchnahme des Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem Zulieferer. Ob dem Patentinhaber - die Berechtigung der Abnehmerverwarnung unterstellt - auch ein Anspruch gegen den Zulieferer des Herstellers als mittelbarem Verletzer zusteht, hängt vielmehr von einer Reihe von Umständen ab, insbesondere davon, ob sich das zugelieferte Produkt auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht und ob der Zulieferer wusste oder es nach den Umständen offensichtlich war, dass das zugelieferte Produkt zur Benutzung der Erfindung bestimmt war. Auch kann der Anspruch davon abhängen, ob der Zulieferer bei einem sowohl patentfrei wie patentgemäß verwendbaren Mittel die erforderlichen Vorkehrungen gegen eine patentgemäße Verwendung getroffen hat (vgl. Sen.Urt. v. 13.06.2006 - X ZR 153/04, GRUR 2006, 839, 841 f. - Deckenheizung [für BGHZ 168, 124 vorgesehen]). Wie der Streitfall zeigt, kann ferner entscheidend sein, ob der Zulieferer, obwohl der Hersteller im Ausland ansässig ist, sein Produkt zur Benutzung der Erfindung im Inland geliefert hat. Schließlich kann die Verantwortlichkeit des Zulieferers davon abhängen , ob das gelieferte Produkt als allgemein im Handel erhältliches Erzeugnis zu qualifizieren ist und in diesem Fall die besonderen Haftungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 PatG gegeben sind. Lässt sich der Verwarnung des Abnehmers des (angeblich) patentverletzenden Endprodukts nicht - ausdrücklich oder nach dem Zusammenhang der abgegebenen Erklärungen - entnehmen, dass der Verwarnende auch ein Verbotsrecht nach § 10 PatG gegenüber dem Zulieferer des Herstellers behauptet, scheidet ein Eingriff in das Recht des Zulieferers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus.
30
Dieses Ergebnis erscheint auch deswegen sachgerecht, weil andernfalls derjenige Lieferant von Mitteln im Sinne des § 10 PatG, dem die Bestimmung der Mittel zur Benutzung der Erfindung weder bekannt war noch nach den Umständen als offensichtlich bekannt sein musste, schlechter stünde als derjenige, dem der Verwendungszweck bekannt war, obwohl jener nicht schutzwürdiger als dieser erscheint. Zwar ließe sich zur Rechtfertigung der Differenzierung anführen , dass im umgekehrten Falle der berechtigten Schutzrechtsverwarnung nur derjenige, dem die Bestimmung zur patentgemäßen Verwendung bekannt war, neben den unmittelbaren Verletzern Ansprüchen des Patentinhabers ausgesetzt wäre. Jedoch ließe sich dieses theoretische Gleichgewicht zwischen Gläubiger- und Schuldnerstellungen (BGHZ 164, 1, 11 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ) schon praktisch nur schwer verwirklichen, weil sich die "Selbstbezichtigung" des angeblichen mittelbaren Verletzers bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung zu dessen Gunsten auswirkte. Im Übrigen haftet der mittelbare Verletzer für die Verwirklichung eines Patentgefährdungstatbestandes (BGHZ 115, 204, 208 - beheizbarer Atemluftschlauch; BGHZ 159, 76, 84 - Flügelradzähler; BGHZ 159, 221, 232 - Drehzahlermittlung); dieser hat im Deliktsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs kein Gegenstück. Wer unberechtigt aus einem Schutzrecht verwarnt, haftet für den Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb derjenigen, denen gegenüber er ein Ausschließlichkeitsrecht in Anspruch nimmt; für die darin liegende Gefährdung der Marktchancen weiterer Beteiligter muss er jedenfalls diesen gegenüber nicht einstehen.
31
γ) Da im Streitfall weder festgestellt noch behauptet ist, dass die Beklagte mit der gegenüber K. ausgesprochenen Verwarnung auch eine Verletzung ihrer Patentrechte durch die Liefertätigkeit der Klägerin geltend ge- macht hätte, kommen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung nicht in Betracht.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 05.03.2003 - 21 O 18137/00 -
OLG München, Entscheidung vom 18.03.2004 - 6 U 2683/03 -

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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 840 Haftung mehrerer


(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Sch

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

Patentgesetz - PatG | § 10


(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesent

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(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 36/01
vom
26. Februar 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Funkuhr
Zur Verantwortlichkeit eines im Ausland ansässigen Lieferanten für die Verletzung
inländischer Patentrechte.
BGH, Beschl. v. 26. Februar 2002 - X ZR 36/01 - OLG München
LG München I
Der . Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. Februar 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das am 21. Dezember 2000 verkündete Urteil des Oberlandesgerichts München wird nicht angenommen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 242.863,-- ?

Gründe:


Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Klägerin wegen des unstreitigen Vertriebs der angegriffenen Funkuhren in Deutschland die Klageansprüche aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140 a, 33 PatG, 242 BGB zustehen. Dafür genügt, was die in H. ansässige Beklagte zu 1, den Beklagten zu 2 als deren gesetzlichen Vertreter
und den Beklagten zu 3 als Generalbevollmächtigten anbelangt, die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte zu 1 die Funkuhren in Kenntnis des Klagepatents und in Kenntnis des Bestimmungslandes geliefert und damit den inländischen Vertrieb bewußt und willentlich mitverursacht hat.
Auf die Frage, ob und bis zu welchem Zeitpunkt die Beklagte zu 1 nach den vertraglichen Vereinbarungen der an der Versendung und dem Import der in H. f.o.b. ausgelieferten Ware beteiligten Unternehmen im Eigentum oder Besitz der Uhren gewesen ist, kommt es - wie auch sonst bei der Verletzung absoluter Rechte (vgl. dazu nur BGH, Urt. v. 17.05.2001 - I ZR 251/99, NJW 2001, 3265, 3266 - ambiente.de zum Unterlassungsanspruch; BGH, Urt. v. 05.12.1989 - VI ZR 335/88, NJW 1990, 976, 977 f. zum ersatzrechtlichen Haftungsumfang ) - für die patentrechtliche Beurteilung nicht an. Da jeder Beteiligte bereits für eine fahrlässige Verletzung des Klagepatents, für die jede vorwerfbare Verursachung der Rechtsverletzung einschließlich der ungenügenden
Vorsorge gegen solche Verstöûe genügen kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.12.1989 - VI ZR 335/88, NJW 1990, 976, 977 f.), einzustehen hat - gegebenenfalls neben anderen als Nebentäter im Sinne des § 840 Abs. 1 BGB -, ist auch unerheblich , ob die getroffenen Feststellungen die Annahme eines vorsätzlichen Zusammenwirkens der Beklagten mit einem inländischen Haupttäter, Mittäter oder Gehilfen tragen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 153/04 Verkündet am:
21. April 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Druckmaschinen-Temperierungssystem II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 lit. c, Art. 69 Abs. 1; PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 14 Abs. 1
Der Gegenstand des Patents geht nicht schon dadurch über den Inhalt der Anmeldung
hinaus, dass er mit Begriffen gekennzeichnet ist, die in den Anmeldungsunterlagen
als solche nicht verwendet worden sind, insbesondere, wenn damit längere
Umschreibungen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen zusammenfassend
oder schlagwortartig umschrieben werden.
BGH, Urteil vom 21. April 2009 - X ZR 153/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Keukenschrijver, Dr. Lemke, Gröning und Dr. Berger

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Juli 2004 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 602 312 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, letztere soweit sie nicht auf Patentanspruch 12 zurückbezogen sind, für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung dieser Patentansprüche hinausgeht: 1. Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen: 1.1. es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwas- ser und der Oberfläche einer Farbverreiberwalze (107) der Druckmaschine ist; 1.2. die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124); 1.3. die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130); 1.4. eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130); 1.5. Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'FeuchtwasserOffsetdruck' unter Verwendung der FeuchtwasserAuftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der Kaltwasser -Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung.
2. Temperierungssystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmetauschervorrichtung mindestens zwei Wärmetauscher (84, 140) enthält, die vom Kältemittel des Kälteerzeu- gers (192, 194, 196, 202, 204, 208) durchströmt werden, dass mindestens einer der Wärmetauscher (84) vom Kaltwasser (Leitungen 83, 85) durchströmt wird und einen Wärmeaustausch zwischen dem Kaltwasser und dem Kältemittel erzeugt, und dass mindestens ein anderer der Wärmetauscher (140) vom Feuchtwasser (Leitungen 139, 180) durchströmt wird und einen Wärmeaustausch zwischen dem Feuchtwasser und dem Kältemittel erzeugt.
3. Temperierungssystem nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Kälteerzeuger einen Kältemittelkreislauf (192, 194, 196, 222) aufweist, welcher mit zwei zueinander parallelen Kältemittelzweigen (198, 199) versehen ist, durch welche gekühltes Kältemittel strömt, dass jeder Kältemittelzweig Mittel (202, 204) zur Einstellung des Kältemitteldurchlasses enthält, dass der eine Kältemittelzweig (198) in Wärmeaustausch (84) mit dem Kaltwasser und der andere Kältemittelzweig (199) in Wärmeaustausch (140) mit dem Feuchtwasser ist.
4. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einem der beiden Vorratsbehälter (80, 132) Mittel (91, 138, 66) zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus oder Niveaubereiches an darin enthaltenem Kaltwasser oder Feuchtwasser zugeordnet sind.
5. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , gekennzeichnet durch eine, einen Mikrocomputer enthaltende elektronische Steuereinrichtung (66) zur Steuerung oder Regelung der Temperatur des Feuchtwassers und/oder des Kaltwassers mittels der Kühlanlage (190) in Abhängigkeit von einer Temperatur (68, 208, 214).
6. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass ein Kaltwasserkreislauf (80, 82, 83, 84, 85, 2, 107, 88) zur Rezirkulation des Kaltwassers vom ersten Vorratsbehälter (80) über die Kühlanlage (190) zu einer KaltwasserWärmeaustauschvorrichtung (2) der betreffenden Farbverreiberwalze (107) und wieder zurück zum ersten Vorratsbehälter (80), vorgesehen ist.
7. Temperierungssystem nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Kaltwasserkreislauf (80, 84, 85, 2, 107, 88) eine aus dem ersten Vorratsbehälter (80) Kaltwasser herausfördernde erste Pumpe (82) aufweist, und dass stromabwärts der Pumpe (82) eine Entlüftungsleitung (92) an den Kaltwasserkreislauf angeschlossen ist, welche in den ersten Vorratsbehälter (80) für Kaltwasser mündet.
8. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass ein Feuchtwasserkreislauf (132, 138, 139, 140, 180, 142, 170, 146, 120, 150, 154, 158) zur Rezirkulation des Feuchtwassers vom zweiten Vorratsbehälter (132) über die Kühlanlage (190) zu dem betreffenden Rotationskörper (6, 122) und wieder zurück zum zweiten Vorratsbehälter (132), vorgesehen ist.
9. Temperierungssystem nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Feuchtwasserkreislauf (132, 138, 139, 140, 180, 142, 170, 146, 120, 150, 154, 158) eine Feuchtwasser aus dem zweiten Vorratsbehälter (132) herausfördernde zweite Pumpe (138) aufweist, und dass von einer stromabwärts der Kühlanlage (190) gelegenen Stelle aus eine Bypassleitung (182) in den zweiten Vorratsbehälter (132) zurückführt, über welche das Feuchtwasser wahlweise in den zweiten Vorratsbehälter (132) statt zu dem zu befeuchtenden Rotationskörper (6, 122) zurückgeführt werden kann.
10. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur und/oder Strömungsgeschwindigkeit des Kaltwassers in Abhängigkeit von einem Temperatur-Sollwert und dem jeweiligen Temperatur-Istwert einer Druckplattenober- fläche (4) eines Druckplattenzylinders (6) eingestellt oder geregelt wird.
11. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche , dadurch gekennzeichnet, dass Kaltwasser (130) aus dem ersten Vorratsbehälter (80) über einen weiteren Wärmetauscher (52) einer Blasluftkühlvorrichtung (2) zur Kühlung von Luft, welche auf den betreffenden Rotationskörper (6) geblasen wird, und alternativ oder gleichzeitig zu Farbverreiberwalzen (107) eines Farbwerkes (106), welches Druckfarbe von einer Farbquelle (108) auf die Druckplattenoberfläche (4) überträgt, zu ihrer Kühlung zugeführt werden kann.
13. Temperierungssystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Vorratsbehälter (80) und der zweite Vorratsbehälter (132) je mindestens einen Flüssigkeits-Niveausensor (91, 134) enthalten, der in Abhängigkeit vom Flüssigkeitsniveau ein Signal erzeugt.
14. Temperierungssystem nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmetauschervorrichtung der Kühlanlage (190) mindestens zwei Wärmetauscher (84, 140) aufweist, die im Kältemittelkreislauf parallel zueinander geschaltet sind und deren Kältemittelströmung unabhängig voneinander einstellbar oder regelbar (202, 208, 204, 214) ist, und zwar für jeden dieser Wärmetauscher (84, 140) in Abhängigkeit von einem eigenen Temperatur-Sollwert, dass mindestens einer (84) dieser Wärmetauscher zur Kühlung des Kaltwassers (130) und mindestens ein anderer (140) dieser Wärmetauscher zur Kühlung des Feuchtwassers (124) dient.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin neun Zehntel und die Beklagte ein Zehntel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:



1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 602 312 (Streitpatents), das als Teilanmeldung zu der europäischen Stammanmeldung 553 447 (im Folgenden nur: Anmeldung) unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 4 202 544 vom 30. Januar 1992 angemeldet worden ist. Es umfasst 14 Ansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen: 1.1 es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine Feuchtwasser -Auftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine KaltwasserKühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers (6, 107) der Druckmaschine ist; 1.2 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124); 1.3 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130); 1.4 eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmetauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 140, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130); 1.5 Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'FeuchtwasserOffsetdruck' unter Verwendung der FeuchtwasserAuftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der KaltwasserKühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung."
2
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert worden; seine Lehre sei aufgrund offenkundiger Vorbenutzung eines Temperierungssystems mit einer Kälteanlage durch sie, die Klägerin, nicht patentfähig, sie sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dafür hat sie sich unter anderem auf die deutschen Offenlegungsschriften 1 953 590 und 28 49 286 berufen.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 sowie 13 und 14, sofern nicht unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 12 bezogen, für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
5
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent beschränkt in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Fassung und mit Hilfsanträgen , wegen deren Wortlauts auf die korrigierten Anlagen ihres Schriftsatzes vom 17. April 2009 Bezug genommen wird.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. B. W. , Universität S. , ein schriftliches Gutachten erstellt, welches er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Beide Parteien haben Privatgutachten eingereicht , die Klägerin ein solches von Prof. Dr.-Ing. H. , die Beklagte ein Gutachten von Dr.-Ing. B. .

Entscheidungsgründe:



7
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als das in zulässiger Weise beschränkt verteidigte Streitpatent im Umfang des Angriffs der Nichtigkeitsklage ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären ist, soweit es über die verteidigte Fassung hinausgeht (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 ff. - Carvedilol II). Im Übrigen war das Rechtsmittel zurückzuweisen.
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine. Die Druckwerke solcher Maschinen müssen im Betrieb gekühlt werden. Das kann der Streitpatentschrift zufolge auf verschiedene Weise geschehen, nämlich indem Blasluftkühlvorrichtungen Kaltluft an die Oberfläche der zylindrischen, rotierenden Druckplatten blasen, indem die Farbverreiberwalzen innen mit Kühlflüssigkeit durchströmt werden oder (gekühlte) Befeuchtungsflüssigkeit auf die Oberfläche der Druckplatte aufgebracht wird.
9
Die Beschreibung gibt als Aufgabe der Erfindung an, das Temperierungssystem so auszubilden, dass das Druckwerk der Maschinen wahlweise mit einer dieser Kühlungsmodalitäten, kombiniert mit zweien davon oder mit allen zusammen betrieben werden kann. Dies soll ohne umfangreiche Baumaßnahmen , vorzugsweise auf einfache Weise durch Umschalten von Ventilen und ohne den Aus- oder Umbau von Maschinenteilen, erfolgen. Außerdem soll das System preiswert hergestellt werden können und der zum Betrieb erforderliche Energieaufwand in jeder der drei Modalitäten gering sein.
10
2. Dafür schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 in der hauptsächlich verteidigten Fassung ein Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine vor (ohne Bezugszeichen) mit 1. mindestens zwei verschiedenen Arten von Kühlvorrichtungen , 1.1 wovon die eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung durch Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser auf den betreffenden Rotationskörper der Druckmaschine und 1.2 die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche einer Farbverreiberwalze ist, wobei 2.1 die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung einen ersten Vorratsbehälter für das Kühlwasser und 2.2 die Kaltwasser-Kühlvorrichtung einen zweiten Vorratsbehälter für das Kaltwasser enthält, mit 3. einerKühlanlage 3.1 mit einem einzigen Kälteerzeuger und 3.2 mit einer Wärmetauschervorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen 3.2.1 dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser sowiezwischen 3.2.2 dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser undmit 4. Mitteln zum wahlweisen Umschalten zwischen 4.1 der Betriebsart "Feuchtwasser-Offsetdruck" unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung 4.1.1 mit gleichzeitiger Kühlung durch oder 4.1.2 ohne gleichzeitige Kühlung durch die KaltwasserKühlvorrichtung 4.2 und der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung.
11
3. Dazu sind folgende Erläuterungen angezeigt.
12
a) Beim "Feuchtwasser-Offsetdruck" (auch: Nassoffset) handelt es sich um das zum Prioritätszeitpunkt herkömmliche und damals vorherrschende Offset -Druckverfahren, bei dem die Druckplatte vor dem Druck mit einer (kühlbedürftigen ) Flüssigkeit, regelmäßig Wasser, dem Alkohol zugesetzt wird, und die das Streitpatent als "Feuchtwasser" bezeichnet, benetzt wird. Beim Offsetdruck, einem Flachdruckverfahren, sind die Bereiche, die Druckfarbe übertragen sollen , relativ lipophil und die Bereiche der Druckplattenoberfläche, die keine Druckfarbe übertragen sollen, relativ hydrophil und lipophob gehalten. Nach dem Auftragen des Feuchtwassers benetzen sich dementsprechend nur die lipophilen Bereiche der Druckplatte mit der öligen Offsetdruckfarbe, während der aufgetragene Feuchtmittelfilm in den hydrophilen Bereichen ausreichend stabil ist, um eine Benetzung mit der Druckfarbe zu verhindern.
13
b) Beim "wasserlosen Offsetdruck" im Sinne von Merkmal 4.2 der Merkmalsgliederung werden die nicht druckenden Stellen im Allgemeinen von einem Silikongummi gebildet. "Feuchtwasser" kommt dann nicht zum Einsatz. Der wasserlose Offsetdruck ist zwar seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt , konnte sich aber, auch nachdem das japanische Unternehmen Toray in den 70er Jahren mit der - in der Streitpatentschrift erwähnten und für dieses Verfahren speziell konzipierten - Toray-Druckplatte hervorgetreten war, bis zum Prioritätstag nur in Spezialsegmenten erfolgreich behaupten.
14
c) Der Wortlaut des verteidigten Patentanspruchs 1 weist dem "wasserlosen Offsetdruck" allein die innenseitige Kühlung der Farbverreiberwalzen mit hindurchströmender Kühlflüssigkeit zu, die in der Streitpatentschrift als "Kaltwasser" bezeichnet ist und für die Wasser verwendet wird, welches mit Zusatzmitteln versetzt sein kann (Merkmale 1.2, 4.2). Eine Blasluftkühlung mit Hilfe von Kaltwasser ist mithin nicht Voraussetzung für die Verwirklichung der Erfindung nach dem verteidigten Patentanspruch 1.
15
Angesichts dessen kann keine entscheidende Bedeutung für die Auslegung des Patents dem Umstand zukommen, dass die Blasluftkühlung in den Ausführungsformen mitbeschrieben war und ist. Damit wird die Erfindung lediglich in ihren gesamten Möglichkeiten dargestellt. Die Schlussfolgerung, die Blasluftkühlung müsse notwendig vorhanden sein, kann deshalb ebenso wenig gezogen werden, wie dies aus dem Umstand hervorgeht, dass die diesem Element zugeordnete Bezugsziffer (2) bei den Bezugszeichen für die Kaltwasser -Kühlvorrichtung aufgeführt ist. Dies dient der Vollständigkeit der Beschrei- bung, erlaubt aber ebenfalls nicht die Auslegung, dass eine Blasluftkühlung notwendig vorhanden sein muss.
16
d) Die Bezeichnung des Feuchtwasser- bzw. wasserlosen Offsetdrucks als "Betriebsart" in Patentanspruch 1 ist im Lichte des Gegenstands des Anspruchs zu sehen, der sich auf ein Druckmaschinen-Temperiersystem beschränkt , das unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftrags- bzw. der Kaltwasserkühlvorrichtung (Merkmale 4.1, 4.2) betrieben wird. Die Übertragung des Druckbilds auf den Druckträger, namentlich die Umrüstung der auf den Druckzylinder aufgebrachten, jeweils nur für den Feuchtwasser- oder den wasserlosen Druck geeigneten Druckplatten oder gar der Druckbetrieb selbst, also die Herstellung von Druckerzeugnissen, ist vom Gegenstand der Erfindung nicht eingeschlossen.
17
II. Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (Art. 138 Abs. 1 lit. c, 2. Alt. EPÜ) hinaus.
18
1. Das betrifft zum einen die Kennzeichnung beanspruchter Vorrichtungsteile als "Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung", "KaltwasserKühlvorrichtung" und "Kälteerzeuger". Denn der Inhalt einer Anmeldung wird nicht schon dadurch erweitert, dass der Gegenstand des erteilten Schutzrechts mit Begriffen umschrieben ist, die in den Anmeldungsunterlagen als solche nicht benutzt worden sind. Das gilt namentlich dann, wenn damit längere Umschreibungen in den Anmeldungsunterlagen zusammenfassend oder schlagwortartig bezeichnet werden. Entscheidend ist, dass diesen Oberbegriffen oder Schlagworten in den Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend behandelte Elemente eindeutig und in der Weise lückenlos und abschließend zugeordnet sind, dass keine Auslassungen oder Hinzufügungen vorliegen. Solche Erweiterungen zeigt die Berufung nicht auf und sie sind auch nicht erkennbar. Vielmehr lassen sich den beanstandeten Begriffen die dazu korrespondierenden Angaben in den Anmeldungsunterlagen eindeutig zuordnen.
19
Die "Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung" dient, wie der Begriff es erwarten lässt, der Aufbringung der für den Nassoffsetdruck erforderlichen gekühlten Flüssigkeit auf die Druckkörperoberfläche. Welche Merkmale sie aufweist, erschließt sich dem Fachmann aus den Anmeldungsunterlagen einschließlich der Figuren, insbesondere der Figur 2 (Feuchtwasserwanne und -vorlauf- sowie Entlüftungsleitung [120, 142, 174], zweite Pumpe [138], zweiter Vorratsbehälter [132], Ventile [146, 184], Alkohol- und Niveausensor [162, 134]).
20
Der Begriff "Kaltwasser-Kühlvorrichtung" fasst in gleicher Weise ursprungsoffenbarte Lösungsmittel zusammen. Diese Vorrichtung bezieht sich auf die Kühlung mittels Blasluft-Kühlvorrichtung 2 und die Kühlung der Farbverreiberwalzen 107 (Sp. 7 Z. 50 ff.), deren Versorgung mit "Kaltwasser" der erste Vorratsbehälter 80 zugeordnet ist, von dem aus das Kühlmedium mithilfe der Pumpe 82 über die Kaltwasservorlaufleitung 85 an die Kühlungsorte gepumpt wird und wohin es über die Kaltwasserrücklaufleitung zurückfließt, wobei das Kaltwasserniveau im Behälter mit einem Niveausensor 91 überwacht wird (Sp. 5 Z. 58 übergreifend Sp. 6 Z. 1 ff.; Z. 56; Sp. 7 Z. 36 ff.).
21
Der Begriff "Kälteerzeuger" wird in Anspruch 1 als Synonym für den in den Anmeldungsunterlagen offenbarten "einzigen Kältemittelkreislauf" verwendet. Die deckungsgleiche Zuordnung der jeweiligen Merkmale ergibt sich aus den übereinstimmend verwendeten Bezugszeichen (vgl. Anmeldung Sp. 10 Z. 14 ff.).
22
2. Der Gegenstand des Streitpatents ist ferner nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die Blasluftkühlung lediglich fakultativ vorgesehen ist. Dem stehen nicht die soeben gemachten Ausführungen zur "Kaltwasser-Kühlvorrichtung" und deren Offenbarung in den Ursprungsunterlagen entgegen. Von der Frage, welche Elemente dem Begriff der Kaltwasser-Kühlvorrichtung zugeordnet werden können, zu trennen ist die Frage, ob zu einem Temperierungssystem , so wie es Gegenstand der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist, notwendig eine Blasluftkühlung gehört oder ob danach lediglich vorgesehen ist, dass neben der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung eine KaltwasserKühlvorrichtung vorhanden ist, die allein in der Kühlung der Farbverreiberwalzen bestehen kann. Letzteres ist der Fall.
23
a) Für die Beantwortung kommt es nicht auf die etwaigen subjektiven Vorstellungen des Erfinders bzw. Anmelders an - für die der Betrieb des Temperatursystems mit einer Blasluft-Kühlvorrichtung nach den Umständen im Zeitpunkt der Stammanmeldung durchaus im Vordergrund gestanden haben mag -, sondern maßgeblich ist allein der objektive Gehalt der Anmeldungsunterlagen. Deren Auslegung (vgl. dazu Sen.Beschl. v. 8.7.2008 - X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II) ergibt, dass die Blasluft-Kühlvorrichtung nicht zwingend zu jedem patentgemäßen Temperierungssystem gehört.
24
b) Die Kühlungsmöglichkeiten beim wasserlosen Offsetdruck sind in den Anmeldungsunterlagen so dargestellt, dass die Oberfläche der Druckplatte dabei entweder durch Blasluft- oder durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberwalzen oder durch beide Systeme zugleich gekühlt werden kann (vgl. Sp. 7 Z. 31 ff.: "Die Oberfläche 4 der Druckplatten 6 kann durch Luft 40, 41, 42 der Blasluftkühlvorrichtung 2 und/oder durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberrollen gekühlt…werden"). Dabei versteht der Fachmann eine Kühlung der Ober- fläche der (auf den Druckzylinder aufgespannten) Druckplatten durch Kaltwasserkühlung der Farbverreiberwalzen als mittelbare Übertragung von Kälte von einem auf einen anderen Rotationskörper oder über mehrere solche Körper hinweg.
25
Somit stehen nach der Anmeldung Blasluftkühlung und Kühlung der Farbverreiberwalzen für sich wahlweise auch einzeln als KaltwasserKühlvorrichtungen zur Verfügung. Das kommt in den Anmeldungsunterlagen im Übrigen auch an anderer Stelle zum Ausdruck (Sp. 8 Z. 7 ff.), wodurch unterstrichen wird, dass der Einsatz einer Blasluftkühlung für ein patentgemäßes Temperierungssystem nicht konstitutiv ist. Damit stimmt schließlich überein, dass auch der gerichtliche Sachverständige die Blasluftkühlung im wasserlosen Offsetdruck technisch nicht als unabdingbar erforderlich ansieht. Die europäische Teilanmeldung kann für einen Gegenstand eingereicht werden, der nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinausgeht (Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ). Wie oben dargelegt (I 3 d), ergibt die Auslegung der Anmeldungsunterlagen , dass die Betriebsart der Blasluft-Kühlvorrichtung schon danach nur fakultativ vorgesehen war.
26
3. Die Ursprungsanmeldung ist auch nicht durch Eröffnung einer vierten Kühlbetriebsart, nämlich die Kombination des Feuchtwasser-Offsetdrucks mit gleichzeitiger Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung (Merkmal 4.1.1), erweitert. Allerdings sind in der Beschreibung ausdrücklich nur drei Druckarten erwähnt (Sp. 8 Z. 6 ff.). Zum Offenbarungsgehalt gehört aber auch, was der Fachmann aus den Zeichnungen als zu der angemeldeten Erfindung gehörend erfährt. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, schließt der Fachmann aus der schematischen Darstellung des gesamten Systems in Figur 2 und dabei insbesondere aus dem Umstand, dass an den Vor- laufleitungen zwischen Vorratsbehältern und Kühlvorrichtungen Ventile angebracht sind, dass gleichzeitig die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung und die Kaltwasserkühlung bei dem Nassoffsetdruck genutzt werden kann, der nach der angemeldeten Erfindung möglich ist. Nur dies steht im Übrigen auch im Einklang mit den Erkenntnissen, die der Stand der Technik bot, weil bereits in der 1971 veröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 1 953 590 als nachteilig beschrieben ist, entweder nur die Temperatur des Befeuchtungsmittels oder die bestimmter Walzen des Farbwerks zu beeinflussen, und vorgeschlagen wird, neben der Temperierung des Feuchtwassers auch die der Farbverreiberund /oder Auftragswalzen zu steuern und zu regeln.
27
4. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die "Mittel zum Umschalten" (Merkmal 4) seien in der Stammanmeldung nicht offenbart. Dieses Merkmal definiert ebenfalls eindeutig die zugeordneten Elemente, deren ursprüngliche Offenbarung die Klägerin nicht in Zweifel zieht. Ob und inwieweit der Fachmann imstande ist, anhand dieser Angaben das wahlweise Umschalten zwischen den verschiedenen Betriebsarten nachzuarbeiten, ist keine Frage der unzulässigen Erweiterung, sondern allenfalls eine solche der nicht hinreichend deutlichen und vollständigen Offenbarung (dazu unten III 2).
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5. Der Gegenstand des Streitpatents ist schließlich nicht durch die einleitende Bezeichnung als "Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine" anstelle des ursprünglich verwendeten Begriffs "Druckplatten-Temperierungssystem für eine Druckmaschine" erweitert. Denn der nunmehr gewählten - wie übrigens auch der ursprünglichen - Bezeichnung kommt kein eigener Kennzeichnungsgehalt zu; sie beinhaltet keine Handlungsanweisung , die über das hinausginge, was die oben aufgeführten und - wie ausgeführt - bereits zur Anmeldung gehörenden Merkmale nicht ohnehin defi- nierten. Insbesondere auch die Wortwahl "Rotationskörper" ist durch die Anmeldungsunterlagen gedeckt, weil sowohl bei dem angemeldeten Gegenstand als auch nach dem nunmehr verteidigten Anspruch nicht nur die Druckplatte an der Kühlung teilhaben kann.
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III. Die Klägerin stützt die Nichtigkeitsklage im Zusammenhang mit der Merkmalsgruppe 4 im Berufungsrechtszug erstmals auch auf den Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung der Erfindung (Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ; Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG). Die darin liegende Klageänderung (Keukenschrijver , Nichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. Rdn. 127, 244 m.w.N.) ist als sachdienlich zuzulassen.
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1. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, weil nicht offenbart sei, auf welche Weise im Zusammenhang mit einem wahlweisen Umschalten zwischen Betriebsarten (Merkmalsgruppe 4) der dazu ebenfalls erforderliche Wechsel der Druckplatten vom Feuchtwasser- zum wasserlosen Offsetdruck bewerkstelligt werden solle. Wie ausgeführt (oben I 3 d), ist Gegenstand des Streitpatents allein die Bereitstellung eines DruckmaschinenTemperierungssystems , welches unter anderem derart ausgebildet sein soll, dass in kurzer Zeit und ohne umfangreiche Baumaßnahmen von der einen Betriebsart auf eine andere umgestellt werden kann (europäische Patentanmeldung 553 447 Sp. 1 Z. 33 ff.). Die Bestimmung "zum wahlweisen Umschalten" in der Merkmalsgruppe 4 bringt dementsprechend lediglich zum Ausdruck, dass auf den Druckbetrieb mit der einen oder anderen Kühlungstechnik soll umgestellt werden können. Maßnahmen zur Umstellung des Druckvorgangs als solchen müssen deshalb nicht offenbart werden.
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2. Die Erfindung ist nicht deshalb unzureichend offenbart, weil nicht ausgeführt ist, welche Mittel letztlich das Umschalten zwischen den verschiedenen Kühlbetriebsarten bewirken. Das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung bedeutet nicht, dass die Lehre alle im Einzelnen zur Erreichung des erfindungsgemäßen Ziels erforderlichen Schritte detailliert beschreiben müsste. Es reicht aus, wenn dem Fachmann ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Unschädlich ist, wenn er bei der Nacharbeitung auf Unvollkommenheiten stößt, die er als solche erkennt und mit Hilfe seines Wissens im Sinne der Erfindung überwinden kann, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen (vgl. Sen.Urt. v. 4.11.2008 - X ZR 154/05, Tz. 20 m.w.N.). So verhält es sich hier. Als Umschaltmittel sind ein Mikrocomputer der Steuereinrichtung (66) und die damit regelbaren Ventile (86, 114, 146, 184) sowie eine zweite Pumpe (138) vorgesehen. Der Fachmann schloss daraus, dass das Umschalten durch regelungstechnische Maßnahmen, namentlich durch entsprechende Programmierung des Mikrocomputers der Steuerungseinheit, erreicht werden sollte. Die dafür erforderlichen Schritte vermochte er am Prioritätstag, gegebenenfalls mit Unterstützung durch einen Regelungstechniker, ohne Entfaltung erfinderischer Tätigkeit zu vollziehen.
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IV. Der Gegenstand des Streitpatents ist patentfähig (Art. 52 ff. EPÜ).
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1. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu (Art. 54 EPÜ).
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Die deutsche Offenlegungsschrift 1 953 590 offenbart jedenfalls keine Kühlanlage mit einem einzigen Kälteerzeuger (Merkmal 4). Das Gleiche gilt für den Prospekt "Sulzer - Kältezentrum" (Anl. K 6). Der Prospekt von technotrans für Kältezentralen für Offsetrotationen (Anl. K 7) offenbart jedenfalls nicht die Merkmalsgruppe 4. Die deutsche Offenlegungsschrift 28 49 286 bezieht sich auf eine Kühlvorrichtung für flüssige Schmier-, Arbeits- und/oder Kühlmittel, die schon die druckmaschinenspezifischen Merkmale 1.1 und 1.2 und darüber hinaus auch nicht die Merkmalsgruppe 4 aufweist. Das Wasserkreislaufschema vom 30. Januar 1987 (technotrans TemperierungsSysteme, Anl. K 12 i.V. mit K 19-21) sieht keinen direkten Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser vor; dieses wird vielmehr über den Kaltwasserkreislauf gekühlt. In der Bedienungsanleitung für das "technotrans TemperierungsSystem" (Anl. K 18), die sich auf Anlagen wie die in K 12 dargestellte bezieht, ist zudem, wie der gerichtliche Sachverständige unwidersprochen und überzeugend dargelegt hat, eine Offenbarung der Merkmale 2.1 und 2.2 ebenso wenig ersichtlich wie eine solche der Merkmalsgruppe 4. Die deutsche Auslegeschrift 1 119 877 offenbart Mittel zum wahlweisen Umschalten zwischen Nass- und Trockenoffset (Merkmal 4), darüber hinaus aber kein Temperierungssystem.
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2. Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ).
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a) Die Weiterentwicklung von Druckmaschinen-Peripheriegeräten wie dem vom Streitpatent unter Schutz gestellten Temperierungssystem wurde zum Prioritätszeitpunkt, wie in der Erörterung mit dem Sachverständigen und den Parteien erarbeitet worden ist, nicht von den Druckmaschinenherstellern selbst vorangetrieben. Sie wurde von Systemanbietern geleistet und im Falle eines Geräts der kältetechnischen Systemausstattung vorwiegend, abgesehen von auf dem Gebiet der Kältetechnik erfahrenen Technikern, von Ingenieuren mit Fachhochschulabschluss geleistet. Diese verfügten über zusätzliche Erfahrung in den druckmaschinenspezifischen Anforderungen und zogen gegebenenfalls für die Auslegung der Kältesysteme Druckereifachleute hinzu.
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b) Zweifel, dass die Erfindung diesem Fachmann nahegelegt war, ergeben sich allerdings nicht daraus, dass zu deren Lösung die Merkmalsgruppe 4 gehört.
38
aa) Druckmaschinen, die mit allen drei in Betracht kommenden Kühlsystemen (Kühlung des Feuchtwassers, innenseitige Kühlung der Farbverreiberrollen , Blasluftkühlung) ausgerüstet sind, sind aus der deutschen Offenlegungsschrift 1 953 590 bekannt. Dass die Blasdüse für die Luftkühlung nach der genannten Schrift auf den Gummizylinder gerichtet ist, um die Oberflächentemperatur des Gummituchs zu beeinflussen, und nicht auf den Druckplattenzylinder, könnte aber unerheblich sein, weil der Fachmann die Möglichkeit, mit der Blasdüse statt des Gummituchs die Druckplatte zu kühlen, als Alternative in Betracht gezogen haben könnte.
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bb) In dieser deutschen Offenlegungsschrift sind Mittel zum Umschalten von der einen auf die andere Kühlbetriebsart (Merkmalsgruppe 4) entgegen der Ansicht der Klägerin nicht offenbart, sondern nur Mittel zum Ein- und Abschalten der Kältemaschinen i.V. mit dem unabhängigen Regeln der Temperatur des Befeuchtungsmittels sowie der Walzen (Beschreibung S. 16 ff. i.V. mit Fig. 3). Um zur Merkmalsgruppe 4 zu gelangen, musste der Fachmann jedoch lediglich erkennen, dass Mittel wie elektronisch gesteuerte Schaltungen, die eine Kältemaschine einschalten, wenn eine bestimmte Vorlauftemperatur unterschritten wird und die die Maschine wieder abschalten, wenn diese Temperatur erreicht ist, nur geringfügig abgewandelt werden mussten, um von einer auf eine oder mehrere andere Betriebsarten umzuschalten oder eine Betriebsart zuzuschalten. Dazu bedurfte es zum Prioritätszeitpunkt, auch vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Stands der Regelungstechnik, keiner besonderen fachmännischen Fähigkeiten.
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c) Dagegen kann nicht angenommen werden, dass dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war, das Temperierungssystem mit einer Kühlanlage auszustatten, die nur einen einzigen Kälteerzeuger (Merkmalsgruppe
3) vorsieht.
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aa) Die deutsche Offenlegungsschrift 1 953 590 gab ihm dafür keine Anregung. Die dort offenbarte Temperaturregelungseinrichtung weist eine Mehrzahl von im Prinzip gleich ausgebildeten und individuell temperaturgeregelten Kühlvorrichtungen auf (S. 15), mit denen die Temperatur der Walzen und des Befeuchtungsmittels unabhängig voneinander auf unterschiedliche Werte geregelt werden (Beschreibung S. 16 ff.). Ein solches System gibt Hinweise auf einen dezentralen Aufbau. Da dieser Aufbau ein als solches sachgerecht funktionierendes Kühlungskonzept darstellt, erscheint es nicht geeignet, den Fachmann zur Verwendung eines einzigen Kälteerzeugers zu führen.
42
bb) Die Erfindung war dem Fachmann auch nicht durch die in der deutschen Offenlegungsschrift 28 49 286 offenbarte Kühlvorrichtung nahegelegt. Diese Schrift befasst sich mit dem - heterogenen - Kühlungsbedarf von Werkzeugmaschinen , nämlich von deren zur Schmierung von Lagern, Spindelstöcken , Getrieben oder dergleichen benötigten Schmiermitteln, der Kühlung in geschlossenen Kreisläufen unter relativ hohem Druck zirkulierender Arbeitsmittel wie Hydrauliköl und schließlich der (erneuten) Kühlung flüssiger (erwärmter) Kühlmittel, die insbesondere bei Zerspanungsmaschinen die Abfuhr der Wärme aus Werkzeug, Werkstück und entstehenden Spänen bezwecken. Das technische Problem, diese drei in unterschiedlichen Kreisläufen zirkulierenden Kühlmedien zentralisiert zu kühlen, löst diese Schrift durch drei eigenständige, den einzelnen Kühlmedienkreisläufen zugeordnete Verdampfer, die mit einer Kältemaschine in der Weise verbunden sind, dass alle drei Verdampfer gemeinsam mit dem Ausgang eines Kondensators einerseits und dem Eingang eines Verdichters andererseits verbunden sind. Damit lag zwar durchaus eine Kühlanlage vor, die die Merkmale 3.1 und 3.2 aufwies und im Übrigen den technisch abweichend ausgestalteten Kühlobjekten angepasst war.
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cc) Wie die eingehende Erörterung mit dem Sachverständigen zur Überzeugung des Senats aber ergeben hat, hat der zur Prioritätszeit tätige Fachmann bei der Konstruktion eines hier interessierenden Systems eine Schrift wie die deutsche Offenlegungsschrift 28 49 286 nicht berücksichtigt.
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(1) Der angesprochene Fachmann hat sich für die Lösung der ihm insoweit angetragenen Entwicklungsaufgabe mit den von Konkurrenten gefundenen Lösungen einschließlich der eventuell auf diesem Gebiet erteilten und angemeldeten Schutzrechte vertraut gemacht, ergänzend gegebenenfalls Kompendien zur Kältetechnik zurate gezogen und vielleicht noch Fachtagungen besucht. Breiter angelegte Untersuchungen, namentlich die Ausschöpfung aller an den Patentklassifikationen ansetzenden grundlegenden Recherchemöglichkeiten , wurde unter den zeitlichen Vorgaben und sonstigen Sachzwängen, denen die Suche nach einer industriell nutzbaren Lösung schon seinerzeit unterlag, ebenso als den üblichen Aufwand überschreitend angesehen, wie etwa die Einschaltung eines Fachhochschulinstituts zu Forschungszwecken.
45
(2) Keine Bedeutung kann dabei dem Umstand beigemessen werden, dass in der Offenlegungsschrift erwähnt wird, die der Erfindung zugrunde liegenden Kühlprobleme könnten unter anderem auch bei Druckmaschinen auftreten. Maßgeblich dafür, ob eine Schrift für einen nach Weiterentwicklung trachtenden Fachmann von Interesse erscheint, ist nicht, wie der Anmelder die An- wendungsmöglichkeiten seiner Erfindung einschätzt, sondern, ob diese Anmeldung im Radius der Erkundigungen liegt, deren Einbeziehung der Fachmann in Erwägung zieht. Das ist hier aus den dargelegten Gründen zu verneinen.
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dd) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann nicht durch das mit den Anlagen K 12, K 19-21 gezeigte Temperiersystem nahegelegt. Abgesehen von der Frage, inwieweit dieses der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, gab seine Ausgestaltung ohne einen direkten Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser, sondern mit einer Hintereinanderschaltung (Kaskadenschaltung) der Kreisläufe für das Kaltwasser und für das Feuchtwasser, bei der die gesamte Wärmelast ausschließlich über das Kaltwasser zum Wärmetauscher (84) abgeführt wird, dem Fachmann keine Anregung für die streitpatentgemäße Lösung.
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ee) Es kann schließlich auch nicht angenommen werden, die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung habe bereits auf Grund des allgemeinen Fachwissens und des regelmäßig vorhandenen fachmännischen Strebens nach Verbesserung vorhandener Lösungen nahegelegen. Einen einzigen Kälteerzeuger einzusetzen, stellt eine komplexe Verbesserung dar, die gleichermaßen kostengünstig ist, indem sie Material einspart, wie sie die Reparaturanfälligkeit des Systems durch die verminderte Zahl von eingebauten Einzelteilen herabsetzt, den Platzbedarf für das Aggregat deutlich reduziert und damit dem stets drängenden Bedürfnis nach räumlicher Platzersparnis entspricht und die gegenüber einer Anlage mit mehreren Kältemaschinen zudem eine verbesserte Energiebilanz aufweisen kann. Das bedingt Überlegungen in ganz unterschiedliche Richtungen. Eine so vielseitige Weiterentwicklung kann nicht als das ohne Weiteres zu erwartende Ergebnis der Befassung eines durchschnittlich befähigten, um Weiterentwicklung bemühten Fachmanns gesehen werden.
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3. Die angegriffenen Unteransprüche haben mit dem verteidigten Hauptanspruch Bestand.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Scharen Keukenschrijver Lemke
Gröning Berger
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.07.2004 - 4 Ni 17/03 (EU) -

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.

(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.