Bundesgerichtshof Urteil, 15. Feb. 2018 - X ZR 35/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:150218UXZR35.16.0
bei uns veröffentlicht am15.02.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 7 Ni 77/14, 14.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 35/16 Verkündet am:
15. Februar 2018
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2018:150218UXZR35.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2018 durch die Richter Dr. Bacher, Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 14. Januar 2016 abgeändert. Das europäische Patent 867 586 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 4 für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über folgende Fassung hinausgeht: 1. Scharnier mit einem Türband (1), das um eine Achse (2) drehbar an einer Befestigungsplatte (3) angelenkt ist, wobei dieses Band (1) einen Block (8) aufweist, in dem zwei Aufnahmen (9a, 9b) ausgeführt sind, die dazu vorgesehen sind, Vorspannungs-Federelemente (10a, 10b) aufzunehmen, wobei dieses Band (1) durch Zusammenwirken mit einer Indexierrolle (12) positionsindexiert werden kann, die elastisch an einer Aussparung (13a, 13b) eines Indexierungsformkörpers (13) vorgespannt wird, welcher die genannte Drehachse (2) umgibt, wobei die Federelemente (10a, 10b) auf jedes Ende (11a, 11b) einer Achse (11), an der diese Indexierrolle (12) sitzt, einen Schub ausübt, wobei jeweils ein separater Zentrier-Abstandshalter (14a, 14b) zwischen jedem Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) der Indexierrolle (12) und jedem VorspannungsFederelement (10a, 10b) angebracht ist, dadurch gekennzeichnet , dass jeder Abstandshalter (14a oder 14b) gleichzeitig ein Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) der Indexierrolle (12) und ein VorspannungsFederelement (10a, 10b) zentriert.
2. Scharnier nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Abstandshalter (14a, 14b) eine Aussparung (18a, 18b) aufweist, die geeignet ist, ein Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) der Indexierrolle (12) aufzunehmen. 3. Scharnier nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Abstandshalter (14a, 14b) so geformt ist, dass er im Inneren eines Vorspannungs-Federelements (10a, 10b) in Eingriff kommen kann. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. März 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität einer französischen Patentanmeldung vom 27. März 1997 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 867 586 (Streitpatents), das ein Scharnier für eine Tür oder ein schwenkbares Paneel betrifft.
2
Patentansprüche 1 und 2, auf die die weiteren Patentansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, haben in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut: "1. Charnière, du type comportant une paumelle (1) articulée à rotation autour d'un axe (2) sur une platine (3) de fixation; ladite paumelle (1) comportant un bloc (8) dans lequel sont ménagés deux logements (9a, 9b) destinés à recevoir des éléments élastiques (10a, 10b) de précontrainte; ladite paumelle (1) étant indexable en position par coopération d'un galet (12) d'indexage précontraint élastiquement contre un évidement (13a, 13b) d'une conformation d'indexage (13) entourant ledit axe (2) de rotation; lesdits éléments élastiques (10a, 10b) exerçant une poussée à chaque extrémité (11a, 11b) d'un axe (11) sur lequel est monté ledit galet d'indexage (12), caractérisée en ce qu'au moins un élément séparateur (14a, 14b) de centrage est monté entre chaque extrémité (11a, 11b) de l'axe (11) support du galet (12) d'indexage et chaque élément (10a, 10b) élastique de précontrainte. 2. Charnière selon la revendication 1, caractérisée en ce que chaque élément séparateur (14a, ou 14b) centre simultanément une extrémité (11a, 11b) de l’axe (11) support du galet (12) d’indexage et un élément (10a ou 10b) élastique de précontrainte."
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 4 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und in der Fassung von zwei Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent weiterhin im Hauptantrag in der erteilten Fassung sowie mit sieben erstmals zweitinstanzlich gestellten Hilfsanträgen, dem erstinstanzlich gestellten ersten Hilfsantrag als nunmehr achtem Hilfsantrag sowie einem neunten Hilfsantrag. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache im Umfang des Hilfsantrags IX Erfolg.
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I. Das Klagepatent betrifft ein Scharnier, etwa für eine Tür oder ein (Glas-)Paneel, mit einem Türband, das um eine Achse drehbar an einer Befestigungsplatte mit einer ebenen Oberfläche, wie beispielsweise einer Mauer, angelenkt ist.
6
1. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift weist das Türband bei Scharnieren dieser Art eine Indexierrolle auf, die elastisch an einem Indexierungsformkörper , der die Drehachse umgibt, vorgespannt ist. Die Indexierrolle werde auf einer Achse angebracht. Deren beide Enden seien dem Schub einer Druckfeder, im Allgemeinen einer Schraubenfeder, ausgesetzt, die in dem Körper des Türbandes ausgeführt sei.
7
Bei derartigen Scharnieren sei es möglich, dass sie beim Öffnen oder Schließen der Tür oder des Glaspaneels in unerwünschter Weise quietschen. Diese Quietschgeräusche könnten durch das Glas des Paneels oder der Tür übertragen und verstärkt werden, insbesondere bei einer einzigen zentralen Feder eines Scharniers der in der deutschen Offenlegungsschrift 42 39 359 beschriebenen Art.
8
In der deutschen Offenlegungsschrift 42 39 358 (NK7, in der Übersetzung des Streitpatents irrtümlich ebenfalls mit der Endnummer 359 bezeichnet) sei ein Scharnier beschrieben, bei dem zwei Vorspannungs-Federelemente an jedem Ende einer Achse, auf der die Indexierrolle angebracht sei, einen Schub ausübten, bei dem aber ebenfalls die Gefahr von unerwünschten Quietschgeräuschen bestehe.
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2. Der Erfindung liegt damit die Aufgabe zugrunde, ein Scharnier für eine Tür vorzuschlagen, bei dem Quietschgeräusche bei Bewegungen oder Vibrationen der Tür oder des (Glas-)Paneels vermieden werden.
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3. Das soll nach der Lehre aus den Patentansprüchen 1 und 2 des Streitpatents durch folgende Vorrichtung erreicht werden (das eigenständige Merkmal des Patentanspruchs 2 ist unterstrichen): 1. Das Scharnier weist ein Türband (1) auf, das
a) um eine Achse (2) drehbar an einer Befestigungsplatte (3) angelenkt ist,
b) einen Block (8) aufweist und
c) durch Zusammenwirken mit einer Indexierrolle (12) positionsindexiert werden kann. 2. In dem Block (8) sind zwei Aufnahmen (9a, 9b) ausgeführt, die dazu vorgesehen sind, Vorspannungs-Federelemente (10a, 10b) aufzunehmen. 3. Die Indexierrolle (12) wird elastisch an einer Aussparung (13a, 13b) eines lndexierungsformkörpers (13) vorgespannt, welcher die genannte Drehachse (2) umgibt. 4. Die Vorspannungs-Federelemente (10a, 10b) üben auf jedes Ende (11a, 11b) einer Tragachse (11), an der diese Indexierrolle (12) sitzt, einen Schub aus.
5. Zwischen jedem Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) und jedem Vorspannungs-Federelement (10a, 10b) ist mindestens ein Zentrier-Abstandshalter (14a, 14b) angebracht. 6. Jeder Abstandshalter (14a oder 14b) zentriert gleichzeitig ein Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) der Indexierrolle (12) und ein Vorspannungs-Federelement (10a, 10b).
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4. Die aus der Streitpatentschrift stammenden und nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen (Figuren 1 und 2) zeigen - beispielhaft - ein erfindungsgemäßes Scharnier in unterschiedlichen schematischen Aufrissansichten mit Teilschnitt, dessen Türband sich in rechtwinkeliger Position zu der Befestigungsplatte befindet und wobei in Figur 2 Einzelteile auseinandergezogen sind:
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5. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
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a) Merkmal 2 ist aus Sicht des Fachmanns, den das Patentgericht zutreffend als Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehreren Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Scharnieren bestimmt hat, dahin zu verstehen, dass in dem Block zwei Aufnahmen ausgeführt sind, die der Aufnahme von Vorspannungs-Federelementen dienen sollen.
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Die erfindungsgemäße Funktion dieser Aufnahmen besteht darin, jeweils ein Vorspannungs-Federelement zu halten und an einem seiner Enden abzustützen , damit dieses auf jeweils ein Ende der Tragachse, an der die Indexierrolle sitzt, einen Schub ausüben kann (Merkmal 4), wobei zwischen jedem Ende der Tragachse und jedem Vorspannungs-Federelement noch mindestens ein Zentrier-Abstandshalter angebracht ist (Merkmal 5).
15
Derartige Aufnahmen können als Bohrungen in dem Block ausgeführt sein, so wie dies beispielhaft in den Figuren 1 und 2 des Streitpatents gezeigt und in der Beschreibung erläutert wird. Sie sind aber nicht darauf beschränkt, sondern können auch in anderer Weise räumlich-körperlich ausgeführt sein, solange die erfindungsgemäß angestrebte Halte- und Abstützfunktion hinsichtlich der Vorspannungs-Federelemente erreicht wird.
16
b) Nach Merkmal 5 muss jedes zur Vorspannung eingesetzte Federelement durch mindestens einen Zentrier-Abstandshalter von dem Ende der Tragachse getrennt sein. Dies lässt, wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, die Möglichkeit offen, für mehrere Federelemente einen gemeinsamen Zentrier-Abstandshalter vorzusehen.
17
In dem in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiel ist jedem der beiden Federelemente zwar jeweils ein eigener Zentrier-Abstandshalter (14a, 14b) zugeordnet. Die in Patentanspruch 1 verwendete Formulierung ("au moins un élément séparateur (14a, 14b) de centrage") lässt aber erkennen, dass diese optional zu einem einheitlichen Bauteil zusammengefasst werden können. Unabdingbar ist allerdings, dass an jedem Federelement ein ZentrierAbstandshalter angeordnet ist.
18
c) Für das in Patentanspruch 2 hinzutretende Merkmal 6 gilt entgegen der Auffassung des Patentgerichts nichts anderes.
19
Die darin verwendete Formulierung "jeder Zentrier-Abstandshalter" ("chaque élément séparateur (14a, ou 14b)") knüpft an den in Bezug genommenen Patentanspruch 1 an, der wahlweise einen oder zwei Zentrier-Abstandshalter vorsieht, und legt lediglich fest, dass die zusätzlichen Anforderungen bei Ausführungsformen mit zwei Zentrier-Abstandshaltern für beide Abstandshalter gleichermaßen gelten.
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Eine weitergehende Einschränkung dahin, dass zwingend zwei ZentrierAbstandshalter vorhanden sein müssen, lässt sich der Formulierung hingegen nicht entnehmen. Sie nennt keine Zahl und enthält das Wort "ZentrierAbstandshalter" im Singular. Das Wort "jeder" lässt zwar die Möglichkeit offen, dass mehrere solcher Elemente vorhanden sein können, setzt dies aber nicht zwingend voraus. Dies steht in Einklang mit der Festlegung in Patentanspruch 1, der mindestens einen Zentrier-Abstandshalter vorsieht, optional aber auch zwei zulässt.
21
d) Die beiden Funktionen des Zentrier-Abstandshalters sind in Merkmal 5 nur rudimentär definiert.
22
aa) Aus der Bezeichnung "Abstandshalter" und aus der Angabe, dass es sich um ein Element handelt, das zwischen dem Ende der Tragachse und dem Federelement angeordnet ist, ergibt sich, dass es einen Abstand zwischen den beiden genannten Bauteilen schaffen muss. Dies dient dem Zweck, eine direkte Berührung zwischen Tragachse und Federelement, die als Ursache für Quietschgeräusche in Betracht kommt, zu verhindern.
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bb) Aus dem Wortbestandteil "Zentrier-" ergibt sich, dass der Abstandshalter zugleich zentrierende Wirkung haben muss.
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(1) In der Beschreibung wird hierzu ausgeführt, das Scharnier weise vorzugsweise zwei Abstandshalter auf, die zugleich die Zentrierung eines Achsenendes (11a, 11b) und die Zentrierung einer Feder (10a, 10b) gewährleisteten.
25
In Patentanspruch 1 hat diese doppelte Zentrierfunktion keinen Niederschlag gefunden. Sie ist erst in Patentanspruch 2 vorgesehen. Daraus ist zu entnehmen, dass es nach Patentanspruch 1 ausreicht, wenn zumindest eine dieser Funktionen erfüllt wird.
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(2) Die Zentrierfunktion in Bezug auf die Feder wird in der Beschreibung dahin erläutert, jeder Abstandshalter (14a, 14b) übertrage direkt den Schub jeder Feder (10a, 10b) auf jedes Achsende (11a, 11b), wobei eine Ablenkung dieses Schubs und ein seitliches Reiben zwischen diesen Teilen und dem Block (8) des Körpers (7) vermieden werde. Diese Funktion erfordert mithin , dass ein seitliches Abgleiten der Federn verhindert wird.
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(3) Zur Zentrierfunktion in Bezug auf die Achsen wird in der Beschreibung ausgeführt, die Enden (11a, 11b) der Achse (11) blieben durch die Abstandshalter (14a, 14b) zentriert. Zu diesem Zweck enthielten die Abstandshalter (14a, 14b) Aussparungen (18a, 18b), die verhinderten, dass die Achse (11) den Block (8) des Körpers (7) berühre.
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Diese Aussparungen sind in Figur 4 dargestellt. Aus dieser Darstellung ergibt sich, dass die Aussparungen so ausgebildet sind, dass sie die Achse (11) sowohl axial als auch radial in Position halten können:
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Diese Anforderungen haben in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden. Erst Patentanspruch 3 sieht Aussparungen in den Abstandshaltern vor, die geeignet sind, ein Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) aufzunehmen.
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II. Das Patentgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei nicht neu, weil er durch die deutsche Offenlegungsschrift 1 909 335 (NK9) offenbart worden sei. In der NK9 werde ein Türscharnier mit den Merkmalen 1, 3 und 4 offenbart. Offenbart seien ferner zwei Aufnahmen im Sinne von Merkmal 2. In dem Gehäuse (20) sei nämlich ein Steg angeordnet, der sowohl in den Figuren 1 und 3 zwischen den beiden Schraubenfedern (21) als auch in Figur 4 hinter der von links aus gesehen ersten vollständigen Windung der Feder durch eine gestrichelte Linie dargestellt sei. Der Steg teile den Raum, so dass für jede der beiden Federn (21) eine Aufnahme entstehe. Offenbart sei schließlich auch Merkmal 5. Die beiden Federn (21) drückten auf einen U-förmigen Bügel (19), an dem die Achse gelagert sei, die wiederum die Rolle (17) trage. Da der Bügel einerseits die Federn in einem Abstand von der Achse halte und andererseits die Wirkungsrichtung der Federkraft durch die Führung des Bügels im Block zentrisch auf die Tragachse ausgerichtet sei, sei dieser als Zentrier-Abstandshalter im erfindungsgemäßen Sinne anzusehen.
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Der Gegenstand von Patentanspruch 2 (= Patentanspruch 1 in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1) sei dem Fachmann durch die NK7 nahegelegt worden. Diese betreffe ein Scharnier für Glaspendeltüren mit zwei Ausführungsbeispielen mit einem bzw. zwei Federelementen. Da die Ausführung mit einer zentral angeordneten Feder nach den Angaben im Streitpatent als nachteilig angesehen werde, habe sich dem Fachmann die ebenfalls in der NK7 beschriebene Variante mit zwei Federn als Mittel der Wahl angeboten. Dort sei zudem erwähnt, dass diese Variante, bei der die Federn direkt auf die Achse drückten, den Nachteil habe, dass deren Zentrierung durch das Zusammenwirken eines kugelförmigen Rastkörpers mit der aufwendig herzustellenden Diaboloform des Rotationskörpers erfolge, während bei der Erläuterung der Ausführungsform mit nur einer zentralen Feder dargelegt werde, dass sich durch die Anordnung eines Gleitkörpers (16) zwischen der Feder und der Achse eine weniger aufwendige Zentrierung der Achse des Rastkörpers herstellen lasse. Danach habe es für den Fachmann nahegelegen, die für die Einzelfeder offenbarte Konstruktion auf die Ausführungsform mit den zwei Federn zu übertragen. Die Verwendung des in Figur 5 gezeigten Gleitkörpers (16) bei den zwei Federn des in Figur 4 dargestellten Scharniers sei ohne dessen konstruktive Veränderung möglich und führe dazu, dass die Federn nicht mehr direkt auf die Achse einwirkten, sondern von ihr beabstandet und überdies zentriert seien.
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III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nur teilweise stand.
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1. Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung nicht patentfähig ist. Dieser ist in NK9 vollständig offenbart.
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a) Die NK9, deren Figuren 1 bis 4 nachfolgend wiedergegeben sind, offenbart ein Scharnier mit einem beweglichen Scharnierlappen (12), der um einen Scharnierbolzen (11) drehbar an einem festen Scharnierlappen (10) angelenkt ist.


Der bewegliche Scharnierlappen (12) verfügt über ein Gehäuse (20) und
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kann durch Zusammenwirken mit einer Rolle (17) positionsindexiert werden. Zudem wird die Rolle (17) elastisch an einer die Drehachse (11) umgebenden Vertiefung (16) vorgespannt und die Schraubenfedern (21) üben auf jedes Ende der Achse (18), an der die Rolle (17) sitzt, einen Schub aus.
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Damit sind, wie das Patentgericht zu Recht und von der Berufung insoweit nicht beanstandet entschieden hat, die Merkmale 1a-c, 3 und 4 offenbart.
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b) Entgegen der Auffassung der Berufung ist in NK9 auch das Merkmal 2 offenbart.
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In der Beschreibung von NK9 wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dass für die beiden Federn (21) jeweils eine eigene Aufnahme vorhanden ist. Nach den Feststellungen des Patentgerichts geht dies für den Fachmann aber unmittelbar und eindeutig aus den Figuren 1, 3 und 4 hervor. Mit ihren hiergegen gerichteten Angriffen zeigt die Berufung keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellung begründen.
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aa) Für das Verständnis des Patentgerichts spricht die zeichnerische Darstellung in den Figuren 1 und 3.
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In diesen beiden Figuren, die zwei unterschiedliche Ausführungsbeispiele darstellen, ist zwischen den beiden Schraubenfedern (21) jeweils mit gestrichelten Linien ein Bauteil dargestellt, das sich vom Boden des Gehäuses (20) bis auf etwa vier Fünftel der Höhe der Federn erstreckt und an deren äußere Windungen angrenzt. In gleicher Weise sind der Boden des Gehäuses (20) dargestellt und dessen dem mittleren Bauteil jeweils gegenüberliegenden Innenwände , die etwa gleich weit an die äußeren Windungen der Federn heranreichen. Die Linie, die den Boden des Gehäuses repräsentiert, ist am Übergang zu dem in der Mitte dargestellten Bauteil unterbrochen, so dass sich insgesamt die Form eines spiegelverkehrten "E" ergibt.
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Hieraus hat das Patentgericht überzeugend die Schlussfolgerung gezogen , dass das in der Mitte dargestellte Bauteil einen Teil des Gehäuses (20) bildet, das die Federn (21) aufnimmt. Dieses Bauteil führt dazu, dass die beiden Federn jedenfalls über einen gewissen Bereich hinweg voneinander getrennt sind. Folglich hat jede Feder eine eigene Aufnahme, wie dies in Merkmal 2 vorgesehen ist.
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Die von der Berufung aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem dargestellten Bauteil um einen durchgehenden Steg oder nur um eine Erhebung handelt , ist für die Beurteilung nicht erheblich. Wie bereits oben ausgeführt wurde, muss eine Aufnahme im Sinne des Merkmals 2 nicht zwingend in einer Bohrung bestehen, wie sie im Ausführungsbeispiel des Streitpatents gezeigt ist. Selbst wenn die beiden in NK9 offenbarten Federn nur durch eine verhältnismäßig kleine Erhebung voneinander getrennt wären, reichte dies für eine getrennte Aufnahme aus.
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bb) Zu Recht hat das Patentgericht der Darstellung in Figur 4 eine Bestätigung für die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen entnommen.
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Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist in Figur 4 eine gestrichelte Linie eingezeichnet, die in Höhe von etwa 4/5 der Schraubenfeder senkrecht zu deren Längsausrichtung verläuft. Den Umstand, dass dies der Höhe entspricht , bei der in der zugehörigen Figur 3 das mittlere Bauteil endet, hat das Patentgericht mit überzeugender Begründung als Indiz dafür angesehen, dass die gestrichelte Linie die Oberkante dieses Bauteils darstellt. Es hat hierbei nicht übersehen, dass die einzelne Linie in Figur 4 für sich gesehen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zulässt, und in dieser Linie lediglich eine zusätzliche Bestätigung für das Verständnis gesehen, das sich schon aus den Figuren 1 und 3 ergibt.
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Diese Feststellung wird durch den von der Berufung aufgezeigten Umstand , dass Figur 2 keine entsprechende Linie enthält, nicht in Frage gestellt. Bei konsequenter Darstellungsweise müsste eine solche Linie zwar vorhanden sein. Selbst wenn weder in Figur 2 noch in Figur 4 eine entsprechende Linie vorhanden wäre, ließe sich daraus aber nicht ableiten, was das mittlere Bauteil in den Figuren 1 und 3 ansonsten darstellen soll.
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Entsprechendes gilt für den Einwand, die gestrichelte Linie in Figur 4 stelle das Ende einer Ausnehmung im Gehäuse (20) dar, die auf der dem mittleren Bauteil gegenüberliegenden Innenwand ebenfalls in Höhe von etwa 4/5 der Schraubenfeder verlaufe. Diese Annahme mag zutreffen. Sie mag zudem eine mögliche Erklärung dafür bieten, weshalb in Figur 2 an der betreffenden Stelle keine Linie vorhanden ist, denn das dort dargestellte Gehäuse hat ausweislich der Figur 1 keine vergleichbare Ausnehmung. Auch dies liefert aber keine Erklärung dafür, warum in den Figuren 1 und 3 ein Bauteil mit der Form einer Zwischenwand eingezeichnet ist.
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cc) Zu Recht ist das Patentgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass Merkmal 5 in NK9 offenbart ist.
49
Nach den Feststellungen des Patentgerichts umfasst das in NK9 offenbarte Scharnier einen U-förmigen Bügel (19), der zwischen den beiden Enden der Achse (18) und den Enden der beiden Schraubenfedern (21) angebracht ist (NK9, S. 3 Abs. 1 Z. 6 ff.; Anspruch 3; Figuren 1 bis 3). Dieser Bügel hat nicht nur die Funktion eines Abstandshalters. Er führt vielmehr dazu, dass die Wirkungsrichtung der Federn so auf die Tragachse ausgerichtet wird, dass sie auf diese zentrierend einwirkt; die Tragachse kann ihre Position weder in radialer noch in axialer Richtung verlassen. Zugleich stützt sich der Bügel (19) auf den beiden Federn (21) ab (NK9, S. 2 Abs. 2 vorletzter Satz; Anspruch 3), die sich ihrerseits am Gehäuseboden abstützen (Figuren 1 und 3) und dadurch an einem seitlichen Ausweichen gehindert und damit zentriert werden. Dem steht nicht entgegen, dass die beiden Federn (21) - entsprechend den Vorgaben des Merkmals 2 - gegen ein seitliches Ausweichen auch durch Anordnung in einer durch die Seitenwände des Gehäuses (20) sowie die gestrichelt dargestellte Zwischenwand gebildeten Aufnahme gesichert werden.
50
2. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der Hilfsanträge I bis VI ist unzulässig. Die Klägerin hat ihr nicht zugestimmt; sie kann auch nicht als sachdienlich angesehen werden (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG).
51
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - X ZR 21/12, GRUR 2013, 912 Rn. 57 - Walzstraße).
52
Hingegen kann die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz regelmäßig nicht mehr als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn die Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte. Ein solcher Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung kann sich daraus ergeben , dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13, GRUR 2016, 365 - Telekommunikationsverbindung

).

53
b) Die zuletzt genannten Voraussetzungen sind im Streitfall hinsichtlich der Hilfsanträge I bis VI gegeben. Eine Verteidigung mit diesen Hilfsanträgen war bereits durch den Hinweis des Patentgerichts vom 21. September 2015 veranlasst.
54
aa) Das Patentgericht hat darin mitgeteilt, nach seiner vorläufigen Einschätzung sei der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 in NK9 vollständig offenbart und ausgehend von der britischen Patentschrift 664 211 (NK11) naheliegend. Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand sei zwar neu, beruhe aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Eine Ausgestaltung, bei der die Feder nicht nur vom Block aufgenommen, sondern auch noch durch den Abstandshalter zentriert werde, zeige zum Beispiel NK17, Figuren 4 und 5. Dazu werde in Spalte 3 Zeilen 35 bis 46 gelehrt, bei Rollen die Führung/ Zentrierung durch den Abstandshalter zu verwirklichen, wodurch die Verwendung einfacher, nicht zentrierender Rollen ermöglicht werde. Die Ausgestaltung nach Unteranspruch 3 ergebe sich aus NK13, die Ausbildung nach Unteranspruch 4 sei dem Fachmann geläufig.
55
Wie auch die Berufung im Ansatz nicht verkennt, war die Beklagte nach diesem Hinweis gehalten, das Streitpatent mit weiteren oder geänderten Hilfsanträgen zu verteidigen, wenn aus ihrer Sicht dadurch den vom Patentgericht mitgeteilten Bedenken Rechnung getragen werden konnte. Dementsprechend hat die Beklagte in erster Instanz einen weiteren Hilfsantrag gestellt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht zusätzlich erklärt, sie wolle die darin vorgesehenen Unteransprüche 2 und 3 auch gesondert verteidigen.
56
bb) Der Hinweis des Patentgerichts gab der Beklagten insbesondere Anlass, Hilfsanträge in Erwägung zu ziehen, die den Ausführungen des Patentgerichts zu NK9 Rechnung tragen. Entgegen der Auffassung der Berufung hatte die Beklagte darüber hinaus Anlass, Hilfsanträge im Hinblick auf die Entgegenhaltung NK7 in Erwägung zu ziehen.
57
Das Patentgericht hat insoweit zwar auf eine Entgegenhaltung "NK17" Bezug genommen. Für die Parteien war aber ohne weiteres erkennbar, dass dies auf einem Versehen beruhte und dass tatsächlich die NK7 gemeint war. Dies ergab sich bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin eine Anlage NK17 nicht vorgelegt hatte und dass die Gründe, die das Patentgericht in seinem Hinweis angeführt hatte, mit dem Inhalt der vorgelegten Entgegenhaltungen NK17a und NK17b nicht in Einklang zu bringen sind, zumal diese Entgegenhaltungen eine geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung betreffen, die vom Patentgericht angeführten Fundstellen aber auf eine Patent- oder Offenlegungsschrift hindeuten. Von den danach am ehesten als Alternative in Betracht kommenden Entgegenhaltungen NK7 und NK10 enthält die erste alle in dem Hinweis zitierten Inhalte, und zwar exakt an den angegebenen Stellen. Dies hätte die Beklagte erkennen müssen. Jedenfalls aber hätte sie beim Patentgericht rückfragen müssen, welche Entgegenhaltung mit der offensichtlich unzutreffenden Bezeichnung "NK17" gemeint ist.
58
Darüber hinaus hat sich die Beklagte in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis des Patentgerichts im Hinblick auf die Frage, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 für den Fachmann naheliegend war, ohnehin mit der Entgegenhaltung NK7 auseinandergesetzt. Auch aus diesem Grund hatte sie Anlass, vorsorglich Hilfsanträge zu stellen, die dieser Entgegenhaltung Rechnung tragen.
59
cc) Vor diesem Hintergrund ist die erstmalige Stellung der Hilfsanträge I bis VI in der Berufungsinstanz nicht sachdienlich.
60
(1) Nach Hilfsantrag I soll Patentanspruch 1 sich nur noch auf ein Scharnier für ein schwenkbares Paneel, insbesondere ein Glaspaneel beziehen. Dies dient nach dem Vorbringen der Beklagten der Abgrenzung von NK9. Hierzu hatte die Beklagte aus den oben genannten Gründen schon in erster Instanz Anlass.
61
(2) Nach Hilfsantrag II soll Patentanspruch 1 das zusätzliche Merkmal erhalten, dass jeder Abstandshalter aus einem nicht-metallischen Werkstoff mit guter mechanischer Festigkeit, insbesondere einem Kunststoff gebildet ist. Hierzu macht die Beklagte geltend, der Einsatz eines solchen Abstandshalters sei durch keine der angeführten Entgegenhaltungen nahegelegt. Folglich hätte die Beklagte schon in erster Instanz Anlass gehabt, den Gegenstand des Patents mit diesem Merkmal von den Entgegenhaltungen NK9 und NK7 abzugrenzen.
62
Hilfsantrag II ist ferner auf einen neuen Patentanspruch 5 gerichtet, der die Verwendung eines Scharniers für ein schwenkbares Paneel, insbesondere ein Glaspaneel betrifft. Dies dient ebenso wie die Verteidigung mit Hilfsantrag I der Abgrenzung von NK9 und war aus den bereits genannten Gründen bereits in erster Instanz veranlasst.
63
(3) Die Hilfsanträge III, IV und V sehen neben einem Erzeugnisanspruch mit einer Kombination der Merkmale aus den Patentansprüchen 1 und 2, 1 und 3 bzw. 1 und 4 jeweils den bereits in Hilfsantrag II vorgesehenen Verwendungsanspruch vor. Die Verteidigung mit diesem Anspruch ist auch in diesen Kombinationen nicht zulässig.
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(4) Hilfsantrag VI entspricht Hilfsantrag II mit der Maßgabe, dass Schutz nur für ein Erzeugnis, nicht für eine Verwendung beansprucht wird. Auch in dieser Fassung ist der Antrag aus den bereits oben genannten Gründen nicht sachdienlich.
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3. Die Verteidigung mit Hilfsantrag VII ist zwar nicht verspätet, aber dennoch unzulässig, weil der damit verteidigte Gegenstand in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbart ist.
66
a) Nach Hilfsantrag VII soll in Patentanspruch 1 als zusätzliches Merkmal aufgenommen werden, dass jeder Abstandshalter (14a oder 14b) den Schub jeder Feder (10a, 10b) auf jedes Achsenende (11a, 11b) direkt überträgt. Dies dient nach dem Vorbringen der Beklagten der Abgrenzung von der Entgegenhaltung NK10.
67
Zu einer solchen Abgrenzung hatte die Beklagte in erster Instanz keine Veranlassung. Das Patentgericht hat in seinem Hinweis NK10 als nicht neuheitsschädlich bezeichnet, weil dort zwar ein Abstandshalter mit zentrierender Funktion offenbart sei, auf der Achse aber zwei Indexierrollen angebracht seien. Angesichts dessen hatte die Beklagte keinen Anlass, den Gegenstand des Patents durch weitere Merkmale von dieser Entgegenhaltung abzugrenzen.
68
b) Der mit Hilfsantrag VII verteidigte Gegenstand ist aber, wie die Berufungserwiderung zu Recht geltend macht, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart.
69
In der Anmeldung wird die direkte Übertragung des Schubs jeder Feder auf jedes Achsenende als besonderer Vorteil der Ausgestaltung mit zwei separaten Abstandshaltern geschildert. Daraus geht nicht eindeutig und unmittelbar hervor, dass diese Wirkung auch mit einem einzigen Abstandshalter erzielt werden kann.
70
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts allerdings auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zulässig. Dies gilt insbesondere dann, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen , aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 7. November 2017 - X ZR 63/15 Rn. 30, GRUR 2018, 175 - Digitales Buch). Selbst der Umstand, dass alle in einer Anmeldung geschilderten Ausführungsbeispiele ein bestimmtes Merkmal aufweisen, steht der Beanspruchung von Schutz für Ausführungsformen ohne dieses Merkmal nicht entgegen, wenn sich dem Inhalt der Anmeldung kein konkreter Bezug zwischen dem betreffenden Merkmal und den im Anspruch vorgesehenen Mitteln zur Lösung eines geschilderten technischen Problems entnehmen lässt (aaO Rn. 35).
71
Im Streitfall wird die Ausbildung mit zwei getrennten Abstandshaltern in der Anmeldung als Mittel offenbart, um eine direkte Übertragung des Schubs jeder Feder auf jedes Achsenende zu bewirken. Dass diese Wirkung auch auf andere Weise erzielt werden kann und dass auch solche Ausgestaltungen zur Erfindung gehören sollen, geht aus der Anmeldung hingegen nicht hervor. Damit kann für einen solchen Gegenstand kein Schutz beansprucht werden.
72
4. Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht den mit Hilfsantrag VIII verteidigten Gegenstand als nicht patentfähig angesehen.
73
a) Die Verteidigung mit diesem Hilfsantrag ist zulässig.
74
Der Antrag entspricht inhaltlich dem bereits in erster Instanz gestellten Hilfsantrag 1. Dass er nicht innerhalb der Frist für die Berufungsbegründung gestellt wurde, ist unschädlich, weil er durch das innerhalb dieser Frist erfolgte Vorbringen der Beklagten getragen wird.
75
b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der mit Hilfsantrag VIII verteidigte Gegenstand dem Fachmann nicht durch NK7 nahegelegt.
76
aa) Zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass eine Kombination der Merkmale 1 bis 6 in ihrer Gesamtheit in NK7 nicht offenbart ist.
77
(1) Die NK7 offenbart ein Scharnier (Gelenkband) insbesondere für Pendelglastüren mit zwei Bandteilen (1, 2), die um eine Achse (3) gelenkig miteinander verbunden sind. Dieses ist unter anderem in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 4, 5 und 6 dargestellt.


78
Das Scharnier weist einen Tragkörper (14) auf und kann durch Zusammenwirken mit einem Rastkörper (5) positionsindexiert werden.
79
(2) In dem Tragkörper (14) eines ersten Ausführungsbeispiels (NK7, Sp. 2 Z. 25 ff.; Figuren 1 bis 4) sind zwei Aufnahmen ausgeführt, die jeweils ein Federelement (4, 4') aufnehmen. Der kugelförmige Rastkörper (5) wird elastisch an einer Aussparung (6) des an die Außenkontur des Rastkörpers angepassten , diaboloförmigen Rotationskörpers (7), welcher die Gelenkachse (3) umgibt, vorgespannt, indem die Federelemente (4, 4') auf jedes Ende der Tragachse (11), an der der Rastkörper (5) sitzt, einen Schub ausüben.
80
Da die Federelemente (4, 4') jeweils unmittelbar an den Enden der Tragachse (11) anliegen, fehlt es an einem Zentrier-Abstandshalter im Sinne des Merkmals 5.
81
(3) Bei einem zweiten Ausführungsbeispiel (NK7, Sp. 3 Z. 35 ff.; Figuren 5 und 6) ist ein zylinderförmiger Rastkörper (5) auf einem Gleitkörper (16) drehbar gelagert. Der Gleitkörper (16) ist seinerseits in einer Ausnehmung (18) in einem Bandteil (1) verschiebbar geführt und wird durch eine Schraubenfeder (4) gegen den Rotationskörper (7) vorgespannt, der die Drehachse (3) umgibt.
82
(a) Damit ist allerdings ein Abstandshalter im Sinne der Merkmale 5 und 6 offenbart. Der Gleitkörper (16) ist zwischen dem als Indexierrolle dienenden zylinderförmigen Rastkörper (5) und der Schraubenfeder (4) angeordnet. Er zentriert sowohl die Feder als auch den Rastkörper.
83
Die Zentrierung der Feder erfolgt dadurch, dass der Gleitkörper in die Ausnehmung (18) hineinragt und einer seitlichen Bewegung der Feder entgegenwirkt. Dies genügt den in Merkmal 5 definierten Anforderungen.
84
Die Zentrierung des Rastkörpers wird dadurch bewirkt, dass dessen Achse auf beiden Seiten im Rastkörper gelagert ist.
85
(b) Nicht offenbart sind aber die Merkmale 2 und 4, denn bei diesem Ausführungsbeispiel sind nur ein Federelement und eine Aufnahme vorhanden.
86
bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der NK7 nicht die Anregung zu entnehmen, eines der beiden Ausführungsbeispiele in einer Weise zu verändern, dass sich daraus der mit Hilfsantrag VIII verteidigte Gegenstand ergibt.
87
Die Entgegenhaltung macht es sich zur Aufgabe, ein Gelenkband zu schaffen, bei dem die Raststellung des Tür- oder Fensterflügels in montiertem Zustand, also unter Last, korrigiert werden kann (NK7, Sp. 1 Z. 51 ff.). Diese Aufgabe soll gelöst werden, indem die Rastausnehmung im Umfang eines Rotationskörpers (7) angebracht ist, der in einem der beiden Bandteile um die Gelenkachse (3) drehbar gelagert und über eine von einer Seite des Gelenkbandes zugänglichen Stellschraube (9) feststellbar ist (NK7, Sp. 1 Z. 56 ff.; vgl. auch Patentanspruch 1).
88
(1) Vorteilhaft an der im ersten Ausführungsbeispiel eingesetzten Kombination aus einem diaboloförmigen Rotationskörper (7) und einem daran angepassten Rastkörper (5) mit kugelförmiger Außenkontur sollen nach der NK7 eine verschleißgünstige Linienpressung zwischen dem Rotationskörper (7) und dem Rastkörper (5) und eine Zentrierung des Rastkörpers (5) auf dem Rotationskörper (7) während der Schwenkbewegung der Glastür sein (NK7, Sp. 3 Z. 2 ff.). Zudem wird die Möglichkeit angesprochen, den Rastkörper (5) drehbar oder feststehend im Tragkörper (14) anzuordnen, wobei die letztere Möglichkeit als zwar einerseits einfachere, andererseits aber auch verschleißanfälligere und höhere Anforderungen an die verwendeten Materialien stellende Ausführungsform bezeichnet wird (NK7, Sp. 3 Z. 15 ff.). Schließlich wird die Möglichkeit aufgezeigt , den Rastkörper (5) aus einem elastischen Kunststoff zu fertigen, um dessen Einrasten in die Rastausnehmung (6) abzufedern und das damit verbundene Geräusch zu reduzieren (NK7, Sp. 3 Z. 21 ff.).
89
Keiner dieser Hinweise gab dem Fachmann Veranlassung, zusätzlich einen Zentrier-Abstandshalter zwischen jedem Ende der Tragachse (11) und jedem Federelement (4, 4') anzubringen.
90
(2) Als Vorteil der zweiten Ausführungsform, bei der zwischen dem zylinderförmigen Rastkörper (5) und der Schraubenfeder (4) ein Gleitkörper (16) vorgesehen ist, wird in NK7 angeführt, die präzise Führung des Gleitkörpers mache die Diaboloform des Rotationskörpers und die Kugelform des Rastkörpers entbehrlich, da eine Zentrierung des Rastkörpers nicht nötig sei (vgl. NK7, Sp. 3 Z. 35 ff.).
91
Daraus ergibt sich nicht die Anregung, einzelne Elemente der zweiten Ausführungsform, insbesondere den Gleitkörper (16) mit der ersten Ausführungsform zu kombinieren. Nach den Ausführungen in NK7 soll der Einsatz des Gleitkörpers die aufwendigere Konstruktion des ersten Ausführungsbeispiels entbehrlich machen. Daraus ergaben sich keine Hinweise darauf, dass eine weniger aufwendige Konstruktion auch dadurch erreicht werden könnte, dass die Konstruktion des ersten Ausführungsbeispiels im Kern beibehalten und nur durch einzelne Elemente des zweiten Ausführungsbeispiels ergänzt wird. Umgekehrt hatte der Fachmann auch keine Veranlassung, die weniger aufwendige Konstruktion des zweiten Ausführungsbeispiels um eine zweite Feder und eine zweite Aufnahme zu erweitern.
92
(3) Aus der auch in NK7 angesprochenen Problematik quietschender Scharniere folgten für den Fachmann keine weitergehenden Anregungen, weil weder aus NK7 noch aus anderen Entgegenhaltungen hervorgeht, dass gerade der beim zweiten Ausführungsbeispiel eingesetzte Gleitkörper (16) zu einer Verringerung der Quietschgeräusche führen könnte.
93
Wie bereits dargelegt wurde, wird als Vorteil dieser Ausführungsform in NK7 nur die präzisere Führung der Feder angeführt, die es ermögliche, den Rastkörper (5) und den Rotationskörper (7) zylindrisch auszugestalten. Dass sich dies positiv auf die Geräuschentwicklung auswirken könnte, ergibt sich daraus nicht. Ein geeignetes Mittel zur Geräuschreduzierung wird in NK7 vielmehr darin gesehen, den Rastkörper aus einem elastischen Kunststoff zu fertigen.
94
c) Der mit Hilfsantrag VIII verteidigte Gegenstand ist aber in der NK9 vollständig offenbart.
95
Wie bereits oben ausgeführt wurde, erfordert das nach diesem Antrag zusätzlich vorgesehene Merkmal 6 nicht, dass das Scharnier zwei separate Zentrier-Abstandshalter umfasst. Deshalb ist dieses Merkmal in NK9 offenbart.
96
Wie ebenfalls bereits im Zusammenhang mit der erteilten Fassung aufgezeigt wurde, ist in NK9 ein U-förmiger Bügel (19) offenbart, der zwischen den beiden Enden der Achse (18) und den Enden der beiden Schraubenfedern (21) angeordnet ist. Dieser Bügel zentriert aus den bereits genannten Gründen sowohl die beiden Federn als auch die Rollenachse.
97
5. Die Verteidigung mit Hilfsantrag IX ist zulässig und in der Sache erfolgreich.
98
a) Die Verteidigung mit diesem Hilfsantrag ist zulässig.
99
aa) Der Antrag ist sachdienlich, da die Beklagte damit auf die von dem Verständnis des Patentgerichts abweichende Auslegung des Merkmals 6 durch den Senat reagiert hat.
100
bb) Der Antrag entspricht dem bereits in erster Instanz gestellten Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass Merkmal 5 wie folgt geändert ist (Änderungen durch Unter- oder Durchstreichen hervorgehoben): 5. Zwischen jedem Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) und jedem Vorspannungs-Federelement (10a, 10b) ist mindestens jeweils ein separater Zentrier-Abstandshalter (14a, 14b) angebracht.
101
cc) Im Rahmen der Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IX ist Merkmal 5 dahin zu verstehen, dass sich zwischen jedem Vorspannungs-Federelement und jedem Ende der Tragachse ein ZentrierAbstandshalter befindet und die Zentrier-Abstandshalter jeweils räumlichkörperlich voneinander getrennt sind.
102
dd) Die Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags IX ist auch in der ursprünglich eingereichten Anmeldung des Streitpatents als zur Erfindung gehörend offenbart. Bei dem in den Figuren 1 bis 4 gezeigten und der Beschreibung der Ursprungsanmeldung erläuterten Ausführungsbei- spiel sind die beiden räumlich-körperlich voneinander separierten ZentrierAbstandshalter (14a, 14b) zwischen jedem Ende (11a, 11b) der Tragachse (11) der Indexierrolle (12) und den beiden Vorspannungs-Federelementen (10a, 10b) angebracht. Die Verallgemeinerung des ursprungsoffenbarten Ausführungsbeispiels hinsichtlich der Anzahl der räumlich-körperlich separierten Zentrier -Abstandshalter in Merkmal 5 insoweit, dass diese lediglich mehr als einer sein müssen, aber nach oben nicht begrenzt sind, ist zulässig, da das Erreichen der erfindungsgemäß angestrebten Abstands- und Zentrierfunktion offensichtlich nicht davon abhängt, dass die Anzahl der Zentrier-Abstandshalter - wie bei dem Ausführungsbeispiel - gerade zwei beträgt, sondern davon, dass jedem Vorspannungs-Federelement und jedem Ende der Tragachse jeweils ein Zentrier -Abstandshalter zugeordnet ist, was auch mit mehr als zwei ZentrierAbstandshaltern verwirklicht werden kann.
103
b) Der mit Hilfsantrag IX verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 ist patentfähig.
104
aa) Die NK9 offenbart zwar mit dem U-förmigen Bügel (19) einen Zentrier -Abstandshalter, der zwischen den Enden der Achse (18) und den Enden der beiden Schraubenfedern (21) angebracht ist. Ihr ist jedoch kein Scharnier mit mehreren räumlich-körperlich separierten Zentrier-Abstandshaltern zu entnehmen , die jeweils zwischen jedem Ende der Achse und den Enden jeder der beiden Schraubenfedern angebracht sind. Die Klägerin hat auch nicht aufgezeigt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Fachmann ausgehend von der NK9 zu einer solchen Abänderung angeregt worden wäre.
105
bb) Der Klägerin kann nicht darin beigetreten werden, dass dem Fachmann der mit Hilfsantrag IX verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 durch Überlegungen nahegelegt wurde, die ihren Ausgangspunkt in der britischen Patentschrift 383 483 (NK12) haben.
106
Bei dem in den Figuren 1 und 2 der NK12 gezeigten Scharnier ist das Türband (body c) um eine mit Nocken ausgestattete Scharnierachse (cam hinge-pin f) angelenkt und weist einen Block auf, in dem drei Aufnahmen (pockets d) ausgeführt sind, die jeweils ein Federelement (spring d2) aufnehmen (NK12, S. 2 Z. 102 ff.). Auf dem Federelement (d2) ist an seinem Ende zur Achse (f) jeweils ein fingerhutartiges Bauteil (cap or thimble h) angeordnet. Das "Dach" des fingerhutartigen Bauteils (h) befindet sich zwischen dem Federelement (d2) und der Scharnierachse (f) und nimmt in einer Öffnung (aperture h2) einen gehärteten Bolzen (pin g) auf (NK12, S. 3 Z. 19 ff.; Figur 2).
107
Beim Öffnen oder Schließen der Türe bewegen die Nocken der Scharnierachse (f) den Bolzen (g) nach innen, so dass die Federelemente (d2) zusammengedrückt werden (NK12, S. 3 Z. 28 ff.), wobei der Bolzen dabei durch die ihn umgebenden Öffnungen der fingerhutartigen Bauteile in seiner Position gehalten und zentralisiert wird (NK12, S. 3 Z. 29 f.: "… centralising and locating means …"). Damit beabstanden die fingerhutartigen Bauteile (h) die Federelemente (d2) nicht von dem Bolzen (g) und können nicht als Zentrier-Abstandshalter im Sinne des Merkmals 5 angesehen werden.
108
Bei einer zweiten Ausführungsform sind die auf den Federelementen sitzenden fingerhutartigen Bauteile (h) mit einem Dach ohne Öffnung ausgestaltet und weisen auch keinen Bolzen (g) auf. Entsprechend wirken die Nocken der Scharnierachse (f) beim Öffnen oder Schließen der Türe unmittelbar auf das Dach der fingerhutartigen Bauteile (h) ein, so dass diese die Federelemente zusammendrücken (NK12, S. 3 Z. 53 ff.; Figur 5). Bei dieser Ausführungsform kommt dem fingerhutartigen Bauteil damit zwar eine Abstandsfunktion zu. Die- se Wirkung tritt aber zwischen den Federelementen und der Scharnierachse ein und nicht, wie in Merkmal 5 vorgesehen, gegenüber der Tragachse einer Indexierrolle.
109
Eine Anregung, das im ersten Ausführungsbeispiel der NK12 gezeigte fingerhutartige Bauteil (h) als Abstandshalter zwischen Bolzen (g) und den Federelementen (d2) vorzusehen, ergab sich für den Fachmann auch nicht aus der NK7. Bei dessen zweiten Ausführungsbeispiel ist zwar zwischen dem zylinderförmigen Rastkörper (5) und der alleinigen Schraubenfeder (4) ein Gleitkörper (16) angeordnet, der damit nicht nur als Zentrier-, sondern auch als Abstandshalter wirkt. Daraus folgte aber noch keine Veranlassung, bei der NK12 einen entsprechenden Abstandshalter vorzusehen, zumal die NK12 in Figur 5 eine Anordnung zeigt, bei der zwischen der Scharnierachse (f) und den Federelementen das fingerhutartige Bauteil (h) als Abstandshalter angeordnet ist, und die NK7 den Gleitkörper (16) nur für ein Scharnier mit einem Federele- ment (4) offenbart.
110
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Bacher Grabinski Hoffmann
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.01.2016 - 7 Ni 77/14 (EP) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 83


(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Patentgesetz - PatG | § 116


(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit e

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 106/17 Verkündet am: 3. September 2019 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2019:030919UXZR106.1

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(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

57
Die Verteidigung des Streitpatents mit dieser Fassung ist sachdienlich. Die Beklagte trägt damit der Rechtsauffassung des Senats Rechnung und schränkt den Gegenstand im Wesentlichen auf dasjenige ein, was sich nach Auffassung des Patentgerichts bereits aus der erteilten Fassung ergab. Der geänderte Antrag kann deshalb auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 111/13 Verkündet am:
15. Dezember 2015
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Telekommunikationsverbindung

a) Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz
kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen
werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.

b) Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann
sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis
mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

c) Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der
auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt
er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht,
dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es
sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das
Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit
Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen
erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.
ECLI:DE:BGH:2015:151215UXZR111.13.0

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Mai 2013 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagten sind Inhaber des unter Inanspruchnahme der Priorität
1
zweier deutscher Anmeldungen vom 31. August 2001 und vom 20. November 2001 am 30. August 2002 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 421 771 (nachfolgend: Streitpatent ). Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung: "1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, die sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung (2) melden, die mit einem Datensatzspeicher (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem Vergleicher (1) versehen ist, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgibt, dadurch gekennzeichnet, dass der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz mindestens Zeitpunkt und durch ein Standortermittlungssystem ermittelter Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person sowie deren Rufnummer enthält, zu dem ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person im Vergleicher (1) ermittelt wird, wobei jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume auslöst, und dass das Übereinstimmungssignal im Telekommunikationssystem (4) ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen erstellt."
2
Die Patentansprüche 2 bis 14 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagten haben das Streitpatent verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet
4
sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils des Patentgerichts und die Abweisung der Klage beantragen. Außerdem verteidigen sie das Streitpatent zuletzt in der Fassung von drei Hilfsanträgen, die sie erstmals im Berufungsverfahren gestellt haben.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen.
7
1. Nach der Beschreibung waren derartige Verfahren im Stand der Technik bekannt (Abs. 2 f.). Sie setzen voraus, dass der kontaktsuchenden Person die Adresse einer kontaktbereiten Person über eine Datenverarbeitungseinrichtung mitgeteilt wird, um die Verbindung herzustellen (Abs. 4).
8
In der internationalen Anmeldung 00/19344 sei zudem ein Verfahren zur Herstellung eine Telekommunikationsverbindung zwischen Personen offenbart worden, die sich bei einer Datenverarbeitungseinrichtung jeweils mit einem Datensatz meldeten, wobei der Datensatz eine Adresse des Teilnehmers und eine Örtlichkeit enthalte, wie etwa ein Gebäude, eine Straße oder eine Stadt. Die Streitpatentschrift verweist darauf, dass ein solches Verfahren für die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer sich in der Nähe befindlichen kontaktbereiten Person ungeeignet sei, wenn es von vornherein nur darum gehe, eine Telekommunikationsverbindung nur zwischen zwei Personen zu erstellen (Abs. 5) und schlägt mit Patentan- spruch 1 vor diesem Hintergrund folgende Lehre für eine Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen vor: 1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen: 2. Die zwei Personen melden sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung

(2).

3. Die Datenverarbeitungseinrichtung (2) ist mit einem Datensatzspeicher (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem Vergleicher (1) versehen. 4. Der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz der kontaktsuchenden Person enthält mindestens
a) den Zeitpunkt und
b) den durch ein Standortermittlungssystem ermittelten Aufenthaltsort und die Rufnummer der kontaktsuchenden Person. 5. Im Vergleicher (1) wird zu dem Datensatz der kontaktsuchenden Person ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden , kontaktbereiten Person ermittelt. 6. Der Vergleicher (1) gibt bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen.
7. Jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person löst das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. 8. Das Übereinstimmungssignal erzeugt im Telekommunikationssystem (4) ein Funksignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon und erstellt damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen.
9
Dem Streitpatent kommt es der Beschreibung zufolge für den Ablauf des Verfahrens darauf an, dass die erste Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Personen im Interesse der Wahrung ihrer Anonymität unter vollem Schutz der beiderseitigen Adressen durch die Datenverarbeitungsanlage hergestellt wird und keine der Personen aktiv die Adresse der anderen eingeben muss, um die Verbindung herzustellen (Abs. 9).
10
Aus Sicht des Fachmanns, der in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Patentgerichts ein Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet des Verbindungsaufbaus in Telekommunikationsnetzen und der Ähnlichkeitsanalyse von Datensätzen in Datenbanken ist, nennen die Merkmale 5 und 6 die Mindestinformationen, die die jeweiligen Datensätze beinhalten müssen, um den Zweck zu erfüllen, dem das streitpatentgemäße Verfahren dient, nämlich am Ende eine Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer kontaktbereiten Person zu ermöglichen. Die Daten, die für die Verwirklichung des Verfahrenszwecks zumindest benötigt werden, betreffen neben der Rufnummer der kontaktsuchenden Person Ort und Zeit, damit im Vergleicher zu diesem Datensatz ein passender , ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort (und Rufnummer) einer sich desgleichen meldenden, kontaktbereiten Person ermittelt werden kann. Dafür stellt das Streitpatent auf den Aufenthaltsort der Personen und den Zeitpunkt ab. Nach welchen Kriterien der Zeitpunkt zu bestimmen ist, überlässt das Streitpatent dem Fachmann, der ihn so definieren und festlegen wird, wie dies der Förderung des Verfahrenszwecks am besten entspricht.
11
Gemäß Merkmal 7 löst jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person in der Datenverarbeitungseinrichtung 2 das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. Bei dem "begrenzten Zeitraum" handelt es sich um den Zeitraum, der dem Vergleicher (etwa durch Steuerung der Datenverarbeitungsvorrichtung) vorgegeben ist, um zu ermitteln, ob mindestens zwei weitgehend übereinstimmende Datensätze vorliegen, so dass ein Übereinstimmungssignal ausgelöst werden kann, das ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person erzeugt und damit eine Verbindung zwischen den beiden Funktelefonen beider Personen erstellt. Das setzt voraus, dass sich die von zwei Personen ausgelösten begrenzten Zeiträume überlappen, weil das Übereinstimmungssignal nur in diesem Überlappungsbereich ein Rufsignal zum Funktelefon der kontaktbereiten Person erzeugen und eine Verbindung zwischen den beiden Personen herstellen kann (vgl. Abs. 15). Daraus folgt jedoch nicht, dass der begrenzte Zeitraum zum Zeitpunkt der Meldung des Datensatzes beginnen muss. Dafür lassen sich weder der Wortlaut des Merkmals 7 noch die Beschreibung des Streitpatents anführen , in der hervorgehoben wird, dass die Bemessung des Zeitraums zweckmäßigerweise so gestaltet wird, dass dieser von jeder der beiden Personen individuell für sich durch Ermittlung des Zeitbefehls an die Datenverarbeitungseinrichtung festgelegt werden kann (Abs. 16). Entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts ist erfindungsgemäß auch nicht festgelegt, wann der begrenzte Zeitraum beginnt, ob er also unmittelbar nach Eingang des Datensatzes in der Datenverarbeitungseinrichtung oder erst verzögert ausgelöst wird.
12
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.
13
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents beruhe gegenüber der internationalen Anmeldung 01/15480 (K7) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
14
Aus der K7 sei ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen bekannt. Die Personen meldeten sich mit einem ihre Adresse ("USER ID") enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem ("GSM-network" bzw. Internet) bei einer zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung , die mit einem Datensatzspeicher und einem Vergleicher ausgestattet sei, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgebe. Zudem sei offenbart, dass der Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person über das Funktelefon durch ein Standortermittlungssystem ermittelt werde und diese Information sowie die Rufnummer der Person an die Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt werde. Es werde ein passender Datensatz einer kontaktbereiten Person im Vergleicher ermittelt.
15
Aus der K7 gehe nicht unmittelbar hervor, dass jeweils im Datensatz der kontaktbereiten und der kontaktsuchenden Person ein "Zeitpunkt" enthalten sei und jede Meldung des Datensatzes der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals auslöse. Der Fachmann entnehme der K7 jedoch eine Zeitintervallangabe, die als Grundlage für die Bestimmung eines zeitlichen Überlappungsbereichs zwischen kontaktsuchender und kontaktbereiter Person diene und durch entsprechende Parameter beschrieben werde. Aufgrund dieser und weiterer Angaben werde mittels des Auswertealgorithmus im Vergleicher ein Übereinstimmungssignal ermittelt und im Telekommunikationssystem ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person über deren Funktelefon erzeugt.
16
Die nicht offenbarten Teilmerkmale seien bei der Prüfung erfinderischer Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, weil sie die Lösung des technischen Problems nicht mit technischen Mitteln bestimmten oder zumindest beeinflussten, zumal der Zeitpunkt für das erfindungsgemäße Verfahren offensichtlich ohne Belang sei. Aber auch wenn diese Teilmerkmale zu berücksichtigen seien, sei kein erfinderischer Gehalt gegeben. Im GSM-Netz werde, wie der Fachmann wisse, schon zu Übergabe- und Abrechnungszwecken etwa das Betreten oder Verlassen einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (Zeitpunkt ) versehen. Bei einem Verfahren, das dem Aufbau einer Verbindung zwischen zwei Personen diene, werde der Fachmann zunächst diese bezüglich beider Personen ohnehin vorhandenen Zeitmarken zum Aktivieren eines verbindungsrelevanten Zeitraums nutzen, um den Datenbeschaffungs- und -verarbeitungsaufwand gering zu halten. Daher sei ein Zeitpunkt als Auslöser für das Anlaufen eines hierfür vorgesehenen Zeitraums nahegelegt, wenn dieser nicht ohnehin bereits in der K7 mitgelesen werde. Aber auch der einfache Nutzerwunsch , den Matching-Prozess nicht nur mittels des Endgerätes unter Nutzung getrennt festzulegender Matching-Parameter aktivieren oder deaktivieren zu können, führe den Fachmann dahin, für den Nutzer die Möglichkeit bereitzustellen , direkt mit seiner Meldung einen Zeitraum bestimmen zu lassen, während dessen das Matching durchgeführt werde.
17
III. Die Begründung des Patentgerichts hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
18
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung wird dem Fachmann durch die K7 nahegelegt, so dass es an einer erfinderischen Tätigkeit fehlt.
19
Die K7 befasst sich mit einem Verfahren zur Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, wobei die Verbindung nicht durch die Wahl einer Telefonnummer, sondern in Abhängigkeit vom Standort der Personen und der Ähnlichkeit eines Profils ("profile") mit Informationen her- gestellt werden soll, das die Personen im Netzwerk gespeichert haben (K7, S. 4, Z. 14 ff.; S. 24, Z. 1 ff.; "claim 1").
20
Nach dem Verfahren melden sich die Personen mit einem Profil (K7, S. 10, Z. 5 ff.; Z. 12 ff.: "profile"), also einem Datensatz, der auch ihre Adresse (K7, S. 9, Z. 10 ff.; S. 10, Z. 5 ff.: "USER ID") enthält, über ein Telekommunikationssystem , bei dem es sich um das GSM-Mobilfunknetzwerk handeln kann (K7, S. 5, Z. 8 ff.: GSM "cellular phone network"), bei einem Server (K7, S. 10, Z. 8 ff.; S. 16, Z. 20 ff.: "server"), also einer Datenverarbeitungseinrichtung. In einem bevorzugten Ausführungsbeispiel wird das Profil einer Personvon dem Server 106 empfangen und gespeichert, wenn das Funktelefon ("mobile station" ) das erste Mal im Dienstbereich ("service area 103") des Servers aktiv wird, und ist im Server solange erhältlich, wie das Funktelefon in dessen Dienstbereich ("service area") aktiv bleibt (K7, S. 9, Z. 21 ff.; S. 10, Z. 12 ff.; vgl. auch Figur 1). Mithin wird das Profil bzw. der Datensatz der kontaktsuchenden Person von einem Funktelefon übermittelt und enthält auch den durch ein Standortermittlungssystem (etwa GPS, vgl. K7, S. 13, Z. 1 ff.) ermittelten Aufenthaltsort. Handelt es sich bei dem Telekommunikationssystem um das GSM-Netzwerk, ist nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts für den Fachmann zudem implizit offenbart, dass die Rufnummer an den Server (die Datenverarbeitungseinrichtung) übermittelt wird. Der übermittelte Datensatz enthält schließlich einen Zeitpunkt, wie sich aus der von der Berufung gleichfalls nicht beanstandeten Feststellung des Patentgericht ergibt, dass nach Kenntnis des Fachmanns im GSM-Netzwerk das Betreten einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (also einem Zeitpunkt) versehen wird. Die vom Patentgericht zudem angesprochene Frage, ob es sich bei dem in den Merkmalen 4, 5 und 7 genannten Zeitpunkt überhaupt um ein bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigendes technisches Merkmal handelt, bedarf danach keiner Entscheidung, weil die K7 jedenfalls einen solchen Zeitpunkt offenbart.

21
Der Server ist mit einem Vergleicher ("matching engine") ausgestattet, der die Profile der Personen, die sich an einem bestimmten Ort (etwa im Bereich einer Basisstation, einer Zelle oder Zellgruppe oder eines Dienstbereichs) aufhalten, auf Übereinstimmungen hin überprüft (K7, S. 9, Z. 18 ff.; S. 10, Z. 16 ff.; S. 16, Z. 14 ff.; S. 20 Z. 11 ff.). Im Vergleicher wird also zu dem Datensatz der kontaktsuchenden Person ein passender, den Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person ermittelt , wobei der Datensatz der kontaktbereiten Person zumindest im GSMNetzwerk neben dem Aufenthaltsort auch mit einer Zeitmarke bzw. einem Zeitpunkt versehen ist.
22
Der Vergleicher gibt aufgrund eines Auswertealgorithmus (K7, S. 10, Z. 16 ff.) bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Profile ein Übereinstimmungssignal, das im Telekommunikationssystem ein Funksignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung herstellt (K7, S. 21, Z. 5 ff.; Ansprüche 1 und 6; Abstract). Damit sind die Merkmale 1 bis 6 und 8 durch die K7 offenbart.
23
In der K7 wird zudem ausgeführt, dass Vergleichsparameter vorgesehen werden können, die es den Benutzern erlauben, den Vergleich räumlich oder zeitlich einzuschränken. Die Parameter können die Größe des Standortbereichs angeben, die der Benutzer wünscht, oder den Zeitpunkt, zu dem ein Vergleich versucht werden soll (K7, S. 19, Z. 5 ff.). Dem Fachmann ist damit - in teilweiser Vorwegnahme des Merkmals 7 - die Möglichkeit offenbart, für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals einen begrenzten Zeitraum und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume bei mindestens zwei Personen vorzusehen. Hingegen ist zwar nicht beschrieben, dass jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Übermittlung des Übereinstimmungssignals auslöst. Gleichwohl trifft es entgegen der Sichtweise der Berufung nicht zu, dass K7 einen gänzlich anderen Ansatz als das Streitpatent verfolgte.
24
Nach der Lehre von K7 sucht das Funktelefon grundsätzlich konstant und automatisch nach Vergleichsmöglichkeiten und meldet damit auch das Profil (den Datensatz) mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort beim Server (bei der Datenverarbeitungseinrichtung ), wann immer der kontaktsuchende Benutzer einen neuen Standortbereich betritt. Alternativ hat der kontaktsuchende Benutzer aber auch die Option, das Vergleichen durch einen einfachen Eingabevorgang unter Verwendung des Funktelefons zu aktivieren oder zu deaktivieren, wobei der Benutzer auch bei dieser Option sein Vergleichs- und Anforderungsprofil nur einmal eingeben muss (K7, S. 20, Z. 2 ff.). In dieser Variante ist die Lehre von K7 derjenigen des Streitpatents stark angenähert. Das (erneute) Aktivieren nach Eintritt des deaktivierten Zustands entspricht einer Meldung mit einem die Adresse enthaltenden Datensatz bei der Datenverarbeitungseinrichtung im Sinne von Merkmal 2 des Streitpatents. Der Unterschied zu K7 besteht insoweit lediglich darin, dass das Streitpatent dieses Aktivieren nicht als erneutes, sondern erstmaliges Melden bei der Datenverarbeitungseinrichtung definiert. Entsprechend bietet es sich für den Fachmann an, das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals entweder mit jeder Meldung des Profils (des Datensatzes) im Server (in der Datenverarbeitungseinrichtung ) auszulösen oder diesen alternativ durch Eingabe am Funktelefon zu aktivieren oder zu deaktivieren (vgl. PGU 14 unten, Übergang 15 oben). Die erste der beiden Alternativen entspricht den Vorgaben des Merkmals 7, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung für den Fachmann naheliegend war.
25
2. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der zuletzt noch geltend gemachten Hilfsanträge 3A, 4 und 5 ist unzulässig. Weder hat die Klägerin der Verteidigung des Streitpatents in den geänderten Fassungen zugestimmt, noch können diese als sachdienlich angesehen werden, § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - X ZR 21/12, GRUR 2013, 912 Rn. 57 - Walzstraße). Gleiches gilt für den Fall, dass das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis nur einzelne Angriffsmittel des Klägers aufgreift und der Beklagte daher in der Regel keinen Anlass hat, zusätzlich zu Hilfsanträgen, die dem erteilten Hinweis Rechnung tragen, vorsorglich weitere Hilfsanträge im Hinblick auf Angriffsmittel zu stellen, auf die das Patentgericht in seinem Hinweis nicht eingegangen ist oder die es als nicht aussichtsreich eingeschätzt hat (BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 - X ZR 2/13, GRUR 2014, 1026 Rn. 31 - Analog-Digital-Wandler). Demgegenüber hat das Patentgericht im vorliegenden Fall in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis bereits mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents im Hinblick auf die K7 und das Fachwissen des Fachmanns nicht erfinderisch sein dürfte. Dies hätte der Beklagten in Anbetracht ihrer Prozessförderungspflicht Veranlassung geben müssen, das Streitpatent bereits im Verfahren vor dem auch mit technischen Richtern besetzten Patentgericht hilfsweise mit geänderten Anträgen zu verteidigen (vgl. Meier-Beck, Festschrift Peter Mes, 2009, 273, 281; Benkard/ Hall/Nobbe, PatG, 11. Aufl., 2015, § 116 Rn. 11), zumal nicht auszuschließen ist, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick auf einen oder mehrere der hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents als nicht entscheidungsreif erweist und die Sache nach § 119 Abs. 3 und 5 PatG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen oder Sachverständigenbeweis vor dem Senat erhoben werden muss.
27
3. Der mit den Hilfsanträgen 3A, 4 und 5 hilfsweise verteidigte Gegenstand des Streitpatents unterliegt auch nicht deshalb dem Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens nach § 117 PatG, weil darin Patentanspruch 1 jeweils mit den Unteransprüchen 10, 8 und 9 sowie 5 des Streitpatents in der erteilten Fassung kombiniert wird. Es handelt sich insoweit um neue Verteidigungsmittel im Sinne des § 117 PatG in Verbindung mit den entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO, deren Nichtgeltendmachung nach dem vom Patentgericht gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruht. Das Patentgericht hat zwar in seinem Urteil ausgeführt, dass ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents nicht ersichtlich sei. Damit ist die Frage, ob den Unteransprüchen des Streitpatents eine eigenständige erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, jedoch nicht zu einen zulassungsfreien Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahren gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geworden.
28
Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel , wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft. Die Beklagten haben sich vor dem Patentgericht auf die Geltendmachung eines erfinderischen Gehalts des Patentanspruchs 1 beschränkt, indem sie einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents nicht vorgetragen und auf Nachfrage des Vorsitzenden im Hinblick auf die Ankündigung, eine hilfsweise Verteidigung des Streitpatent durch die Aufnahme von Merkmalen aus den Unteransprüchen zu beabsichtigen, in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben solle. Entsprechend war auch der Prüfungsumfang des Patentgerichts auf den insoweit von der Beklagten verteidigten Anspruchssatz beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47, 22 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II).
29
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.05.2013 - 5 Ni 11/11 (EP) -
30
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten für die Beurteilung der identischen Offenbarung die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Danach ist erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts sind auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zulässig. Dies gilt insbesondere dann, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen , aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 = GRUR 2014, 542 Rn. 21 ff. - Kommunikationskanal; Beschluss vom 8. November 2016 - X ZB 1/16, GRUR 2017, 54 Rn. 44 - Ventileinrichtung).

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.