Bundesgerichtshof Urteil, 03. Sept. 2019 - X ZR 106/17

bei uns veröffentlicht am03.09.2019
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 26/15, 08.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 106/17 Verkündet am:
3. September 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:030919UXZR106.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. Juni 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des - unter Inanspruchnahme der Priorität der Stammanmeldung zum europäischen Patent 2 047 872 vom 8. Oktober 2007 (Streitpatent in dem Verfahren X ZR 103/17) - am 27. August 2008 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 234 658 (Streitpatents), das eine Kathetervorrichtung betrifft.
2
Patentanspruch 1, auf den die Patentansprüche 2 bis 15 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, hat in der erteilten Fassung und in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut: "1. Kathetervorrichtung umfassend, - einen am proximalen Ende (6) der Kathetervorrichtung (1) befindlichen Motor (7), - eine sich vom proximalen Endbereich der Kathetervorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich erstreckende Antriebswelle (4) zum Antreiben eines sich am distalen Ende der Kathetervorrichtung (1) befindlichen drehenden Elementes, dadurch gekennzeichnet, dass die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Kathetervorrichtung (1) mittels einer Kupplung (9) mit dem Motor verbunden ist, und die Kupplung (9) eine Magnetkupplung mit einer proximalen und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) ist, wobei die proximale Magneteinheit (23.2) mit dem Motor (7) verbunden ist und die distale Magneteinheit (23.1) mit der Antriebswelle (4) verbunden ist, und die distale Magneteinheit (23.1) in einem Kupplungsgehäuse (19) gelagert ist und von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24) räumlich getrennt ist."
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Beklagte hat das Streitpatent im Hauptantrag in einer geänderten Fassung und mit drei Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über die Fassung des Hilfsantrags 1 hinausgeht.
4
Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent im Hauptantrag mit der bereits in der ersten Instanz als Hauptantrag verteidigten Fassung sowie mit erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträgen I bis III. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft eine Kathetervorrichtung.
7
1. In der Beschreibung wird ausgeführt, dass für die Behandlung schwer herzkranker Patienten implantierbare Blutpumpen zunehmendauch für die kurzfristige Unterstützung des Herzens bis zu dessen Gesundung oder bis zur Durchführung einer Herztransplantation eingesetzt würden. Dabei hänge die Breite des Einsatzgebietes solcher Pumpen von der Einfachheit der Einbringung in den Körper und deren technischen Eigenschaften ab, insbesondere der zuverlässig realisierbaren Betriebsdauer der verfügbaren Pumpensysteme. Idealerweise sollte die Blutpumpe für die Kurzfristbehandlung perkutan-intravasal ohne jeglichen chirurgischen Eingriff einsetzbar sein (Abs. 2).
8
Temporäre Unterstützungssysteme würden bei einem kardiogenen Schock eingesetzt, um die infolge des Schocks erheblich eingeschränkte Pumpfunktion des linken Ventrikels soweit wie möglich zu übernehmen und dadurch die Koronarversorgung sicherzustellen, damit es nicht zu einem irre- versiblen Herzversagen kommt. Ein solches System könne links- und rechtsventrikulär eingesetzt werden und eine Herz- und Lungenmaschine ersetzen (Abs. 3).
9
Ein bekanntes perkutan-intravasal einsetzbares System sei die intraaortale Ballonpumpe (IABP) oder intraaortale Gegenpulsation. Diese verbessere zwar die Durchblutung des Herzmuskels; die erzielbare hämodynamische Verbesserung sei jedoch nur sehr begrenzt, da keine aktive Blutförderung erfolge (Abs. 4).
10
Erfolgversprechender sei die transfemoral implantierbare Mikro- Axialpumpe „Hemopump“ der Medtronic Inc., welche eine ausreichende Links- herzentlastung bewirke. Aufgrund des großen Durchmessers des Rotors sei die Implantation aber nur operativ über eine femorale Arterietomie möglich (Abs. 5).
11
2. Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung das Problem zugrunde, eine Kathetervorrichtung zu schaffen, die ohne chirurgischen Eingriff perkutanintraversal einsetzbar ist und die Pumpfunktion des Herzens zuverlässig unterstützt.
12
3. Das soll nach Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags durch folgende Merkmalskombination gelöst werden (wobei die gegenüber der erteilten Fassung hinzugefügten Merkmale unterstrichen und die Merkmalsbezeichnungen des Patentgerichts in Klammern angegeben sind): Kathetervorrichtung umfassend: 1. einen Motor (7), 1.1 der sich am proximalen Ende (6) der Kathetervorrichtung (1) befindet (P1), 2. eine Antriebswelle (4), 2.1 die sich vom proximalen Endbereich der Kathetervorrichtung (1) bis zum distalen Endbereich erstreckt (P2), 3. ein sich drehendes Element, 3.1 das ein Rotor ist (A4), 3.2 von der Antriebswelle angetrieben wird (P3 teilweise) und 3.3 sich am distalen Ende der Kathetervorrichtung (1) befindet (P3 teilweise), 4. eine Magnetkupplung (9), 4.1 mittels derer die Antriebswelle (4) am proximalen Ende (6) der Kathetervorrichtung (1) mit dem Motor verbunden ist (P4) und 4.2 die aus einer proximalen Magneteinheit und einer distalen Magneteinheit (23.1, 23.2) besteht (P4.1), wobei 4.1.1 die proximale Magneteinheit (23.2) 4.1.1.1 mit dem Motor (7) verbunden ist (P4.1.1) und 4.1.2 die distale Magneteinheit (23.1) 4.1.2.1 mit der Antriebswelle (4) verbunden ist (P4.1.2), 4.1.2.2 in einem Kupplungsgehäuse (19) flüssigkeitsdicht gelagert ist (P4.1.3 und A2.1) und 4.1.2.3 von der proximalen Magneteinheit (23.2) durch eine Wandung (24) räumlich getrennt ist (P4.1.4), 5. einen schlauchförmigen Katheterschaft (8), 5.1 der sich vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der Kathetervorrichtung (1) erstreckt (A2.2) und 5.2 mit seinem proximalen Ende flüssigkeitsdicht mit dem Kupplungsgehäuse (19) verbunden ist (A2.3), 6. ein abtriebseitiges Kupplungselement (22), 6.1 das die distale Magneteinheit (23.1) trägt und 6.2 über ein Gleitlager (25) im Kupplungsgehäuse (19) drehbar gelagert ist (A7), wobei 6.3 das Gleitlager (25) zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses (19) axial mittig ausgebildet ist (A8).
13
4. Als Fachmann ist in Übereinstimmung mit dem Patentgericht ein Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik oder Maschinenbau mit Kenntnissen in der Medizintechnik mit Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung kardiovaskulärer Geräte, insbesondere zur Herzkatheteruntersuchung, anzusehen , der hinsichtlich medizinischer Fragen mit einem auf dem Gebiet der interventionellen Kardiologie tätigen Mediziner zusammenarbeitet. Ein solcher Fachmann verfügte über grundlegende Kenntnisse auf dem Gebiet der Motoren mit Antriebswelle sowie den Varianten der Kupplung zwischen Motor und Antriebswelle , und ihm waren der grundsätzliche Aufbau von Herzkatheterpumpen und deren Antriebs- und Steuerungskonzepte sowie das Prinzip der Magnetkupplung bekannt.
14
5. Die Lehre aus Patentanspruch 1 ist aus Sicht eines solchen Fachmanns wie folgt weiter zu erläutern:
15
a) Die erfindungsgemäße Kathetervorrichtung umfasst an ihrem proximalen Ende einen Motor und an ihrem distalen Ende einen Rotor. Der Rotor wird von dem Motor über eine sich dazwischen erstreckende Antriebswelle angetrieben.
16
b) Die Kraftübertragung vom Motor auf die Antriebswelle erfolgt über eine am proximalen Ende der Vorrichtung angeordnete Magnetkupplung. Die Magnetkupplung weist eine mit dem Motor verbundene proximale Magneteinheit und eine mit der Antriebswelle verbundene distale Magneteinheit auf. Die Antriebskraft wird berührungslos übertragen, da die distale Magneteinheit, die in einem Kupplungsgehäuse flüssigkeitsdicht gelagert ist, von der proximalen Magneteinheit durch eine Wandung räumlich getrennt ist. Dadurch ist es nicht erforderlich, die Antriebswelle durch ein Loch im Kupplungsgehäuse zu führen und dabei abzudichten (Abs. 15).
17
Die Drehzahl wird durch das von der Stärke der Magneten und dem Abstand der einander gegenüberliegenden Magneteinheiten abhängige maximale Drehmoment begrenzt. Wird dieses überschritten, kann die abtriebseitige Magneteinheit der antriebseitigen Magneteinheit aufgrund der schnellen Drehbewegung nicht mehr folgen, da die magnetischen Bindungskräfte nicht mehr ausreichen. Dadurch kann es zu einem Durchrutschen (Slipping) der Magneteinheiten kommen (vgl. Abs. 146).
18
c) Mit seinem proximalen Ende ist ein schlauchförmiger Katheterschaft mit dem Kupplungsgehäuse verbunden, der sich vom proximalen Endbereich der Vorrichtung bis zu deren distalen Endbereich erstreckt.
19
d) Die distale Magneteinheit wird abtriebseitig von einem Kupplungselement getragen, das über ein Gleitlager im Kupplungsgehäuse drehbar gelagert ist (Merkmale 6 - 6.2 [Merkmal A7]). Dies ermöglicht es, den Abstand zwischen den beiden Magneteinheiten und der Kraft, mit welcher das Kupplungselement durch das Magnetringlager in Axialrichtung beaufschlagt wird, festzulegen und das mit der Magnetkupplung maximal übertragbare Drehmoment einzustellen (Abs. 19 und 21). Das Gleitlager soll überdies zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses axial mittig ausgebildet sein (Merkmal 6.3 [Merkmal A8]).
20
Nach der Beschreibung ist es möglich, zusätzlich ein Magnetringlager vorzusehen, das eine weitere vor allem radiale Lagerung des Kupplungselements bewirken und den durch die Magneteinheiten ausgeübten Kräften entgegenwirken kann, so dass die Kraft vermindert wird, mit der das Kupplungselement gegen das Gleitlager drückt (Abs. 20 f.). Nach der Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags ist ein zusätzliches Magnetringlager nicht zwingend erforderlich.
21
Bei dem in der Streitpatentschrift gezeigten Ausführungsbeispiel ist das Gleitlager ein Kugellager 25, das durch einen Kugelkopf 24.6 und eine Kugelkopfaufnahme 22.6 gebildet wird, wobei der Kugelkopf auf einem Zentrierstift 24.5 angeordnet ist, der sich seinerseits auf einer - den inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses 19 bildenden - Abschlussscheibe 24 befindet , und die Kugelkopfaufnahme am proximalen Ende des Kupplungselements 22 eingeformt ist. In Verbindung mit einem zudem vorgesehenen Magnetringlager 20.3 soll das Kugelkopflager 25 eine axiale Laufzentrierung und – führung des Kupplungselements 22 und der darin angeordneten Antriebswelle 4 innerhalb des Kupplungsgehäuses sicherstellen (Abs. 122 f.; Figuren 15 und

18).



Die erfindungsgemäße Lehre, die allein das Vorhandensein eines Gleitlagers vorsieht, wird durch diese spezielle Ausbildung als Kugelkopflager aber nicht weiter eingeschränkt (vgl. Abs. 122).
22
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit noch für das Berufungsverfahren von Interesse, wie folgt begründet:
23
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 habe für den Fachmann jedenfalls nahegelegen und sei deshalb nicht patentfähig. Der Fachmann, der eine Kathetervorrichtung mit einer sich fast über die gesamte Vorrichtung erstreckenden Antriebswelle habe entwickeln wollen, die zuverlässig mit hoher Drehzahl angetrieben werden könne, habe Anlass gehabt , die Reitan-Herzkatheterpumpe, wie sie insbesondere in den Entgegenhaltungen von Dekker et al. ("Efficacy of a New Intraaortic Propeller Pump vs the Intraaortic Balloon Pump - An Animal Study", Chest Journal, June 2003, 2089 ff. [K1.1]) und Reitan et al. ("Hydrodynamic Properties of a New Percutaneous In- tra-aortic Axial Flow Pump", ASAIO Journal 2000, 323 ff. [K1.7]; "Evaluation of a New Percutaneous Cardiac Assist Device", Dissertation, Lund University 2002, 19 ff. [K1.8]) beschrieben sei, als erfolgversprechenden Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen.
In der K1.1 werde die Reitan-Katheterpumpe im Vergleich mit der be24 kannten Ballon-Katheterpumpe untersucht. Die Reitan-Katheterpumpe verfüge am distalen Ende der Vorrichtung als drehendes Element übereinen Rotor (deployable propeller), der über eine Antriebswelle (driveshaft) von einem Motor (driving unit) am proximalen Ende der Vorrichtung angetrieben werde. Dabei erstrecke sich ein schlauchförmiger Katheterschaft vom proximalen bis zum distalen Endbereich der Vorrichtung. Die Antriebswelle sei über eine aus einer proximalen Magneteinheit (permanent, disk-shaped magnet) und einer distalen Magneteinheit (rotating magnet) bestehenden Magnetkupplung mit dem Motor verbunden. Beide Magneteinheiten befänden sich in der Antriebseinheit (driving unit). Der Fachmann habe dabei mitgelesen, dass ein Gehäuse vorhanden sei. Zumindest habe aber im Hinblick auf die in der K1.1 erwähnte Verwendung einer Spül- und Schmierflüssigkeit Veranlassung bestanden, ein solches für den Rotor vorzusehen.
25
Ein Lager im Kopplungselement werde der Fachmann aufgrund der hohen Drehzahl ebenfalls vorsehen. Exemplarisch sei in Bild 3.1 der Dissertation von Sieß ("Systemanalyse und Entwicklung intravasaler Rotationspumpen zur Herzunterstützung", Dissertation, Aachen, 1999 [K2.1]) ein Lagerbereich bei einer Magnetkupplung gezeigt. Die Verwendung eines Gleitlagers sei eine beliebige Auswahl aus für den Fachmann geläufigen Lager-Prinzipien, die der Fachmann auch in dem in Rede stehenden Zusammenhang in Betracht ziehe. Es sei auch als handwerkliche Maßnahme anzusehen, ein solches Gleitlager axial mittig zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses auszubilden, um die rotationssymmetrischen Magneteinheiten axial zu zentrieren.
26
III. Die Beurteilung des Patentgerichts hält den Angriffen der Berufung stand.
27
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags ist nicht patentfähig, weil er für den Fachmann naheliegend war.
28
1. Zutreffend hat das Patentgericht angenommen, der Fachmann habe die Reitan-Herzkatheterpumpe (RCP), wie sie aus den unbestritten vorveröffentlichten Entgegenhaltungen K1.1, K1.7 und K1.9 hervorgeht, als einen möglichen Ausgangspunkt für seine Überlegungen herangezogen.
29
a) In der im Juni 2003 veröffentlichten K1.1 wird über eine Untersuchung betreffend die Wirksamkeit der (dort als Propellerpumpe [PP] bezeichneten ) RCP zur hämodynamischen Unterstützung im Vergleich mit der bekannten Ballon-Herzkatheter-Pumpe (IABP) in einem Tiermodell einer akuten Mitralinsuffizienz (MR) berichtet (K1.1, 2089 unter "Objective"). Die Untersuchung erfolgte vor dem Hintergrund, dass die RCP zuvor als eine neue intraaortale Propellerpumpe vorgestellt worden war, welche die Nachlast über einen entfaltbaren Propeller reduzieren soll, der im oberen Teil der absteigenden Aorta platziert ist und auf Drehzahlen von ≤ 14.000 Umdrehungen pro Minute eingestellt werden kann (K1.1, 2089 unter "Background"; vgl. insoweit auch die Vorveröffentlichungen von Reitan K1.7 und K1.8 aus den Jahren 2000 und 2002). Wie bei der IABP wird auch mit der intraaortalen RCP das Ziel verfolgt, den Druck proximal der Pumpe zu verringern, um dadurch die Nachlast für den linken Ventrikel zu reduzieren (K1.1, 2089, r. Sp.: "Like the IABP, the aim of the intra- aortic PP is to reduce pressure proximal to the pump, thereby reducing the afterload of the left ventricle.").
30
Für einen Fachmann, der sich zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents vor das Problem gestellt sah, eine Kathetervorrichtung zu schaffen, die ohne chirurgischen Eingriff perkutan-intravasal einsetzbar ist und die Pumpfunktion des Herzens zuverlässig unterstützen kann, bestand damit Anlass, die in der K1.1 beschriebene RCP als einen möglichen Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Lösung des Problems in Betracht zu ziehen.
31
b) Zwar soll die RCP nach den Angaben der Entgegenhaltung im oberen Teil der absteigenden Aorta platziert werden, um den Auswurfwiderstand für das Herz zu reduzieren (K1.1, 2089 und 2094), während der Pumpenkopf bei dem in Figur 24 der Streitpatentschrift gezeigten erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel dazu bestimmt ist, in der linken Herzkammer im Bereich der Herzklappe angeordnet zu werden, um dort die Pumpfunktion teilweise zu übernehmen (vgl. Abs. 3, 152, 153). Für die Frage, ob sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab, ist aber auf dessen Perspektive zum Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen. Der von der Beklagten angeführte Vergleich der in der K1.1 genannten Anwendung mit dem in Figur 24 der Streitpatentschrift gezeigten Anwendungsbeispiel für die erfindungsgemäße Vorrichtung ist insoweit unerheblich. Die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Katheter- vorrichtung ist nicht auf Verwendungen der in Figur 24 des Streitpatents gezeigten Art beschränkt.
32
c) Einer Berücksichtigung der RCP als Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns steht auch nicht entgegen, dass die K1.1 zu dem Ergebnis kommt, die RCP habe in dem akuten MR-Tiermodell zwar eine Reduzierung der Nachlast, aber keine positiven Auswirkungen auf die Herzleistung erbracht , was zu einer verminderten Perfusion des Oberkörpers und des Koronarkreislaufs geführt habe, so dass die IABP bei Kälbern mit akuter MR eine bessere hämodynamische Unterstützung biete als die neue RCP (K1.1, 2089 unter "Conclusions"; 2094, r. Sp. letzter Abs.). Denn die Entgegenhaltung lehrt den Fachmann auch, dass die RCP und die IABP an Tieren mit akuter MR getestet wurde, die nur bei 10% aller Patienten mit kardiogenem Schock auftrete, und dass bei Patienten, die aufgrund einer anderen Pathologie eine hämodynamische Unterstützung benötigen, die kontinuierliche Nachlassreduktion durch die PP vorteilhafter sein könne; erst weitere Tierstudien mit Modellen einer ischämischen Herzerkrankung, einer rechtsventrikularen Insuffizienz oder Aorteninsuffizienz könnten diese Frage beantworten. Zumindest im Hinblick auf diese Anwendungsgebiete sprach damit weiterhin nichts dagegen, die in der K1.1 beschriebene RCP als Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Lösung des genannten Problems zu nehmen, wie auch der High Court of Justice of England and Wales überzeugend ausgeführt hat (EWHC, J. Arnold, Urteil vom 28. Oktober 2016 [2016] EWHC 2637 (Pat) Abs. 215).
33
2. Nach der Beurteilung des Patentgerichts, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist und die auch keinen Rechtsfehler erkennen lässt, offenbart die K1.1 dem Fachmann, dass die RCP die Merkmale 1 bis 4.1.2.1 aufweist. Zudem ergibt sich aus der Entgegenhaltung, dass sich ein schlauchförmiger Katheterschaft vom proximalen Endbereich bis zum distalen Endbereich der Kathetervorrichtung erstreckt (Merkmale 5 und 5.1).
34
Die Beklagte meint, in der K1.1 sei weder offenbart, dass bei der RCP ein mit der Antriebswelle verbundene Magnet flüssigkeitsdicht in einem Kupplungsgehäuse gelagert, noch, dass der mit der Antriebswelle verbundene Magnet von dem anderen Magneten durch eine Wandung räumlich getrennt ist (Merkmale 4.1.2.2 und 4.1.2.3). Diese Merkmale seien für den Fachmann auch nicht aufgrund naheliegender Überlegungen auffindbar gewesen. Zumindest in letzterem kann der Beklagten nicht beigetreten werden. Selbst wenn zu deren Gunsten angenommen wird, dass die genannten Merkmale dem Fachmann durch die K1.1 nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit offenbart waren, ergaben sich aus der Entgegenhaltung doch hinreichende Anhaltspunkte, die eine solche Ausgestaltung für den Fachmann nahelegten.
35
a) Durch den Hinweis in der K1.1, dass bei dem Reitan-Herzkatheter zum Spülen und Schmieren der Pumpe eine Lösung aus 20 % Glucose und 5 IE/ml Heparin (5 ml/Stunde) verwendet wurde, sah sich der Fachmann vor die Frage gestellt, wie Verschmutzungen und Kontaminationen der Antriebsseite der Pumpe vermieden werden können. Insoweit bot es sich für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens an, ein flüssigkeitsdichtes Kupplungsgehäuse vorzusehen, wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat. Die Berufung zeigt auch keine alternativen Vorkehrungen auf, mit denen Verschmutzungen und Kontaminationen durch die Spül- und Schmierlösung aus Sicht des Fachmanns hätten vermieden werden können.
36
Hinzu kommt, dass der Fachmann ein solches Kupplungsgehäuse Figur 1 der K1.8 entnehmen konnte, welche eine RCP mit Kupplungsgehäuse und den Anschlüssen für die Spülflüssigkeit zeigt. Unabhängig davon, ob ein ge- häuseloses System überhaupt technisch sinnvoll zu realisieren ist, bestätigte die K1.8 den Fachmann jedenfalls in dem Ansatz, für die Spül- und Schmierflüssigkeit , die die rotierenden Teile der Reitan-Herzkatheter-Pumpe nach der Beschreibung in der K1.1 umspülen, ein flüssigkeitsdichtes Gehäuse vorzusehen , wie es in der K1.8 zu sehen ist. Ein flüssigkeitsdichtes Kupplungsgehäuse (Merkmal 4.1.2.2) und entsprechend auch eine flüssigkeitsdichte Verbindung des schlauchförmigen Katheterschafts mit dem Kupplungsgehäuse (Merkmal 5.2) war dem Fachmann daher zumindest nahegelegt.
37
b) Daraus folgt notwendigerweise, die distale Magneteinheit in dem Kupplungsgehäuse zu lagern und von der proximalen Magneteinheit durch eine Wandung räumlich zu trennen. Eine Verbindung zwischen den beiden Magneteinheiten durch einen in Drehrichtung wirkenden Formschluss, wie sie von der Beklagten für möglich gehalten wird, ist ausgeschlossen, wenn der Fachmann die Kathetervorrichtung aus den genannten Gründen mit einem flüssigkeitsdichten Kupplungsgehäuse ausstattet.
38
4. Für den Fachmann war es auch naheliegend, ein die distale Magneteinheit tragendes abtriebseitiges Kupplungselement über ein Gleitlager im Kupplungsgehäuse drehbar zu lagern, wobei das Gleichlager zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses axial mittig ausgebildet ist (Merkmalsgruppe

6).


39
a) Die K1.1 offenbart eine solche Ausgestaltung zwar nicht.
40
b) Nach den insoweit von der Berufung nicht beanstandeten Feststellungen des Patentgerichts wird der Fachmann aber ein Lager im Kupplungselement aufgrund der hohen Drehzahl vorsehen, um dieses axial abzustützen.
Aufgrund seines Fachwissens ist ihm zudem bekannt, dass er ein Lager zu axialen Abstützung des Kupplungselements durch ein Gleitlager realisieren kann, das bei einer Herzkatheterpumpe mit Magnetkupplung wie der RCP axial mittig zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und der Wandung angeordnet werden kann, die die das proximale Magneteinheit von der distalen Magneteinheit räumlich trennt und damit den inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses bildet.
41
Entsprechend diesem Ansatz wird ihm auch in der K2.1 gelehrt, im Hinblick auf die physikalische Trennung von Anund Abtriebsseite bei einer Mikroaxialpumpe auf beiden Seiten eine separate Lagerung vorzusehen, die abtriebseitig durch die Lagerung der Antriebswelle sowohl am proximalen als auch am distalen Ende des Pumpengehäuses realisiert werden kann (vgl. K2.1, S. 12, Bild 3.1, obere Darstellung, nebenstehend wiedergegeben ).
42
In Bild 3.6 der Entgegenhaltung wird ihm zudem der Aufbau eines "zentralen Gleitlagers im Stator" gezeigt, bei dem die Lagerung der Rotorwelle 5 über eine Kombination aus einer im Stator befindlichen Radialgleitlagerung 16 zusammen mit einer Axiallagerung erfolgt, die eine Kugelspurlagerung 15 bestehend aus einer Kalotte in der Trennscheibe 14 und einer mit der Welle verbundenen Kugel ist (K2.1, S. 17 f. in Verbindung mit S. 16 unten). Diese Art der kombinierten Lagerung soll nach den weiteren Anga- ben in der K2.1 auf der Ausnutzung der aus der Magnetanziehung um den Axialschub des Rotors 6 verminderten resultierenden Axialkraft in Richtung des Antriebs basieren, so dass eine axiale Abstützung nur im Bereich der MagnetStirndrehkupplung 13 notwendig und damit eine zuverlässige Zentrierung der Rotorwelle bei gleichzeitig geringen Reibverlusten realisiert sei, wobei auch eine Kompensation der stirndrehkupplungsspezifischen Axialkräfte unmittelbar im Zentrum der Trennscheibe 14 möglich sei (K2.1, S. 17 unten). Diese Erläuterungen in der K2.1 bestärken den Fachmann in seinen Überlegungen, das Kupplungselement bei der RCP über ein Gleitlager axial abzustützen, das zwischen dem proximalen Ende des Kupplungselements und der Trennscheibe des Kupplungsgehäuses angeordnet ist.
43
c) Daran ändert sich auch dann nichts, wenn zugunsten der Beklagten angenommen wird, dass dem Fachmann eine Ausführungsform der RCP bekannt gewesen ist, wie sie in der nebenstehenden Abbildung (K19-EHV-3) gezeigt ist.
f d
44
Zwar macht die Berufung zutreffend geltend, dass am proximalen Endbe ) ) reich des distalen Kupplungselements der dort gezeigten Ausführungsform ein 4 4 axiales Gleitlager nicht erkennbar sei. Auch wenn der Fachmann deshalb eine 3 4 e fliegende Lagerung der Art in Erwägung zieht, wie sie die Beklagte in ihrer Rep- 4 lik beispielhaft in einer Zeichnung veranschaulicht hat, wird er doch für die axia- ) 4

4

le Lagerung des Kupplungselements als alternatives Lösungsmittel gleicherma- 4 ßen 3 an das ihm aufgrund seines Fachwissens in diesem Zusammenhang bekannte Gleitlager denken. Kamen für den Fachmann damit zwei Alternativen zur Lösung des Problems der axialen Lagerung des Kupplungselements im
Kupplungsgehäuse in Betracht, waren beide naheliegend. Insoweit ist es nach der Rechtsprechung des Senats auch ohne Bedeutung, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht gezogen hätte (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - X ZR 5/14, GRUR 2016, 1023 Rn. 36 - Anrufroutingverfahren

).


45
d) Auch das Vorbringen der Berufung, die drehbare Lagerung des abtriebseitigen Kupplungselements durch ein Gleitlager zwischen dem proximalen Endbereich des Kupplungselements und dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses wirke sich durch eine Reduzierung von Biegemomenten am Kupplungselement vorteilhaft auf die Vermeidung von Vibrationen am Antriebsstrang und damit auf den zuverlässigen Betrieb der Pumpe aus, führt zu keinem der Beklagten günstigeren Ergebnis. Denn wenn der Fachmann, der ausgehend von der RCP überlegte, wie er das Kupplungselement im Kupplungsgehäuse axial lagern konnte, diesen Gesichtspunkt aufgrund seines Fachwissens erkannte, ergab sich daraus für ihn eher ein weiteres Argument, die Gleitlagerung der fliegenden Lagerung vorzuziehen. Erkannte er diesen Gesichtspunkt hingegen nicht oder verwarf er diesen aus den von der Klägerin genannten Gründen wieder, folgte daraus zumindest kein Grund, der dagegen sprach, die Gleitlagerung einzusetzen.
46
IV. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der Hilfsanträge I bis III hat ebenfalls keinen Erfolg. Sie ist bereits nicht zulässig, da die Klägerin ihr nicht zugestimmt hat und sie auch nicht sachdienlich ist.
47
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - X ZR 21/12, GRUR 2013, 912 Rn. 57 - Walzstraße).
48
Hingegen kann die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz regelmäßig nicht mehr als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn die Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte. Ein solcher Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung kann sich daraus ergeben , dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13, GRUR 2016, 365 - Telekommunikationsverbindung ; Urteil vom 15. Februar 2018 - X ZR 35/16 juris Rn. 52 - Scharnier

).


49
2. Die letztgenannten Voraussetzungen sind im Streitfall hinsichtlich der zweitinstanzlichen Hilfsanträge gegeben. Eine Verteidigung mit diesen Hilfsanträgen war durch den Hinweis des Patentgerichts vom 7. November 2016 bereits in der ersten Instanz veranlasst.
50
a) Das Patentgericht hat in dem Hinweis u.a. mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Einschätzung der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 in der erteilten Fassung, der den Merkmalen 1 bis 5.2 des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags entspricht, mit dem die Beklagte das Streitpatent zuletzt in der ersten Instanz verteidigt hat und weiterhin in der Berufungsinstanz verteidigt, durch die Entgegenhaltungen K1.1, K2.1, K2.2 oder K7 nahegelegt gewesen sei. Zudem seien Lager gemäß den Unteransprüchen 7 und 8 in der erteilten Fassung, deren eigenständige Merkmale im Wesentlichen der Merkmalsgruppe 6 des Patentanspruchs in der Fassung des Hauptantrags entsprechen , dem Fachmann bekannt gewesen, und er werde diese im Rahmen fachmännischen Handels als Standardrepertoire einsetzen.
51
b) Die Beklagte war nach diesem Hinweis gehalten, das Streitpatent mit weiteren oder geänderten Hilfsanträgen zu verteidigen, wenn aus ihrer Sicht dadurch den vom Patentgericht mitgeteilten Bedenken im Hinblick auf ein Naheliegen des Gegenstands der Patentansprüche des Streitpatents in der erteilten Fassung Rechnung getragen werden konnte. Dementsprechend hat die Beklagte in erster Instanz das Streitpatent neben dem abgeänderten Hauptantrag mit drei weiteren Hilfsanträgen verteidigt.
52
c) Vor diesem Hintergrund ist die erstmalige Stellung der Hilfsanträge I bis III in der Berufungsinstanz nicht sachdienlich.
53
(1) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I sieht gegenüber der Fassung des Hauptantrags als weiteres Merkmal vor, dass das Gleitlager (25) von dem inneren proximalen Endbereich des Kupplungsgehäuses (19) beabstandet ist.
54
Nach den Ausführungen der Beklagten soll dies durch den Stand der Technik nicht nahegelegt worden sein. Die Beklagte hätte das Streitpatent mit Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I aber bereits nach dem Hinweis des Patentgerichts in der ersten Instanz - vor dem erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag 1 – hilfsweise verteidigen können. Es ist kein Grund ersichtlich , der es als sachdienlich erscheinen lassen könnte, dass sie das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags I erst in der Berufungsinstanz verteidigt, nach- dem das Patentgericht das Streitpatent nur insoweit für nichtig erklärt hat, als es über den Gegenstand des erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag 1 hinausgeht.
55
Daran ändert auch nichts, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I durch die Hinzufügung des genannten Merkmals gegenüber der Fassung des Hauptantrags weiter eingeschränkt, ansonsten aber nicht verändert wird. Auch dies rechtfertigt es nicht, dass sie das Streitpatent entsprechend erst in der Berufungsinstanz hilfsweise verteidigt.
56
(2) Für die weiteren von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge II bis III gilt entsprechendes.
57
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.06.2017 - 4 Ni 26/15 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 83


(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Patentgesetz - PatG | § 116


(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit e

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 111/13 Verkündet am: 15. Dezember 2015 Hartmann Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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36
dd) Weiterhin steht dem nicht entgegen, dass ein wiederholtes Durchlaufen der Routingsteuerung in den Schritten 2 bis 10 auch durch andere Maßnahmen hätte vermieden werden können. Der Patentfähigkeit ermangelt nicht nur die nächstliegende Lösung für ein technisches Problem, sondern jede für den Fachmann naheliegende Lösung. Kommen für den Fachmann mehrere Alternativen in Betracht, können folglich mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern auch, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2012 - X ZR 50/09, juris Rn. 19).

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

57
Die Verteidigung des Streitpatents mit dieser Fassung ist sachdienlich. Die Beklagte trägt damit der Rechtsauffassung des Senats Rechnung und schränkt den Gegenstand im Wesentlichen auf dasjenige ein, was sich nach Auffassung des Patentgerichts bereits aus der erteilten Fassung ergab. Der geänderte Antrag kann deshalb auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 111/13 Verkündet am:
15. Dezember 2015
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Telekommunikationsverbindung

a) Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz
kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen
werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.

b) Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann
sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis
mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

c) Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der
auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt
er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht,
dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es
sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das
Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit
Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen
erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.
ECLI:DE:BGH:2015:151215UXZR111.13.0

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Mai 2013 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagten sind Inhaber des unter Inanspruchnahme der Priorität
1
zweier deutscher Anmeldungen vom 31. August 2001 und vom 20. November 2001 am 30. August 2002 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 421 771 (nachfolgend: Streitpatent ). Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung: "1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, die sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung (2) melden, die mit einem Datensatzspeicher (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem Vergleicher (1) versehen ist, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgibt, dadurch gekennzeichnet, dass der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz mindestens Zeitpunkt und durch ein Standortermittlungssystem ermittelter Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person sowie deren Rufnummer enthält, zu dem ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person im Vergleicher (1) ermittelt wird, wobei jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume auslöst, und dass das Übereinstimmungssignal im Telekommunikationssystem (4) ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen erstellt."
2
Die Patentansprüche 2 bis 14 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagten haben das Streitpatent verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet
4
sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils des Patentgerichts und die Abweisung der Klage beantragen. Außerdem verteidigen sie das Streitpatent zuletzt in der Fassung von drei Hilfsanträgen, die sie erstmals im Berufungsverfahren gestellt haben.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen.
7
1. Nach der Beschreibung waren derartige Verfahren im Stand der Technik bekannt (Abs. 2 f.). Sie setzen voraus, dass der kontaktsuchenden Person die Adresse einer kontaktbereiten Person über eine Datenverarbeitungseinrichtung mitgeteilt wird, um die Verbindung herzustellen (Abs. 4).
8
In der internationalen Anmeldung 00/19344 sei zudem ein Verfahren zur Herstellung eine Telekommunikationsverbindung zwischen Personen offenbart worden, die sich bei einer Datenverarbeitungseinrichtung jeweils mit einem Datensatz meldeten, wobei der Datensatz eine Adresse des Teilnehmers und eine Örtlichkeit enthalte, wie etwa ein Gebäude, eine Straße oder eine Stadt. Die Streitpatentschrift verweist darauf, dass ein solches Verfahren für die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer sich in der Nähe befindlichen kontaktbereiten Person ungeeignet sei, wenn es von vornherein nur darum gehe, eine Telekommunikationsverbindung nur zwischen zwei Personen zu erstellen (Abs. 5) und schlägt mit Patentan- spruch 1 vor diesem Hintergrund folgende Lehre für eine Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen vor: 1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen: 2. Die zwei Personen melden sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung

(2).

3. Die Datenverarbeitungseinrichtung (2) ist mit einem Datensatzspeicher (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem Vergleicher (1) versehen. 4. Der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz der kontaktsuchenden Person enthält mindestens
a) den Zeitpunkt und
b) den durch ein Standortermittlungssystem ermittelten Aufenthaltsort und die Rufnummer der kontaktsuchenden Person. 5. Im Vergleicher (1) wird zu dem Datensatz der kontaktsuchenden Person ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden , kontaktbereiten Person ermittelt. 6. Der Vergleicher (1) gibt bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen.
7. Jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person löst das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. 8. Das Übereinstimmungssignal erzeugt im Telekommunikationssystem (4) ein Funksignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon und erstellt damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen.
9
Dem Streitpatent kommt es der Beschreibung zufolge für den Ablauf des Verfahrens darauf an, dass die erste Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Personen im Interesse der Wahrung ihrer Anonymität unter vollem Schutz der beiderseitigen Adressen durch die Datenverarbeitungsanlage hergestellt wird und keine der Personen aktiv die Adresse der anderen eingeben muss, um die Verbindung herzustellen (Abs. 9).
10
Aus Sicht des Fachmanns, der in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Patentgerichts ein Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet des Verbindungsaufbaus in Telekommunikationsnetzen und der Ähnlichkeitsanalyse von Datensätzen in Datenbanken ist, nennen die Merkmale 5 und 6 die Mindestinformationen, die die jeweiligen Datensätze beinhalten müssen, um den Zweck zu erfüllen, dem das streitpatentgemäße Verfahren dient, nämlich am Ende eine Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer kontaktbereiten Person zu ermöglichen. Die Daten, die für die Verwirklichung des Verfahrenszwecks zumindest benötigt werden, betreffen neben der Rufnummer der kontaktsuchenden Person Ort und Zeit, damit im Vergleicher zu diesem Datensatz ein passender , ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort (und Rufnummer) einer sich desgleichen meldenden, kontaktbereiten Person ermittelt werden kann. Dafür stellt das Streitpatent auf den Aufenthaltsort der Personen und den Zeitpunkt ab. Nach welchen Kriterien der Zeitpunkt zu bestimmen ist, überlässt das Streitpatent dem Fachmann, der ihn so definieren und festlegen wird, wie dies der Förderung des Verfahrenszwecks am besten entspricht.
11
Gemäß Merkmal 7 löst jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person in der Datenverarbeitungseinrichtung 2 das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. Bei dem "begrenzten Zeitraum" handelt es sich um den Zeitraum, der dem Vergleicher (etwa durch Steuerung der Datenverarbeitungsvorrichtung) vorgegeben ist, um zu ermitteln, ob mindestens zwei weitgehend übereinstimmende Datensätze vorliegen, so dass ein Übereinstimmungssignal ausgelöst werden kann, das ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person erzeugt und damit eine Verbindung zwischen den beiden Funktelefonen beider Personen erstellt. Das setzt voraus, dass sich die von zwei Personen ausgelösten begrenzten Zeiträume überlappen, weil das Übereinstimmungssignal nur in diesem Überlappungsbereich ein Rufsignal zum Funktelefon der kontaktbereiten Person erzeugen und eine Verbindung zwischen den beiden Personen herstellen kann (vgl. Abs. 15). Daraus folgt jedoch nicht, dass der begrenzte Zeitraum zum Zeitpunkt der Meldung des Datensatzes beginnen muss. Dafür lassen sich weder der Wortlaut des Merkmals 7 noch die Beschreibung des Streitpatents anführen , in der hervorgehoben wird, dass die Bemessung des Zeitraums zweckmäßigerweise so gestaltet wird, dass dieser von jeder der beiden Personen individuell für sich durch Ermittlung des Zeitbefehls an die Datenverarbeitungseinrichtung festgelegt werden kann (Abs. 16). Entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts ist erfindungsgemäß auch nicht festgelegt, wann der begrenzte Zeitraum beginnt, ob er also unmittelbar nach Eingang des Datensatzes in der Datenverarbeitungseinrichtung oder erst verzögert ausgelöst wird.
12
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.
13
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents beruhe gegenüber der internationalen Anmeldung 01/15480 (K7) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
14
Aus der K7 sei ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen bekannt. Die Personen meldeten sich mit einem ihre Adresse ("USER ID") enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem ("GSM-network" bzw. Internet) bei einer zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung , die mit einem Datensatzspeicher und einem Vergleicher ausgestattet sei, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgebe. Zudem sei offenbart, dass der Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person über das Funktelefon durch ein Standortermittlungssystem ermittelt werde und diese Information sowie die Rufnummer der Person an die Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt werde. Es werde ein passender Datensatz einer kontaktbereiten Person im Vergleicher ermittelt.
15
Aus der K7 gehe nicht unmittelbar hervor, dass jeweils im Datensatz der kontaktbereiten und der kontaktsuchenden Person ein "Zeitpunkt" enthalten sei und jede Meldung des Datensatzes der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals auslöse. Der Fachmann entnehme der K7 jedoch eine Zeitintervallangabe, die als Grundlage für die Bestimmung eines zeitlichen Überlappungsbereichs zwischen kontaktsuchender und kontaktbereiter Person diene und durch entsprechende Parameter beschrieben werde. Aufgrund dieser und weiterer Angaben werde mittels des Auswertealgorithmus im Vergleicher ein Übereinstimmungssignal ermittelt und im Telekommunikationssystem ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person über deren Funktelefon erzeugt.
16
Die nicht offenbarten Teilmerkmale seien bei der Prüfung erfinderischer Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, weil sie die Lösung des technischen Problems nicht mit technischen Mitteln bestimmten oder zumindest beeinflussten, zumal der Zeitpunkt für das erfindungsgemäße Verfahren offensichtlich ohne Belang sei. Aber auch wenn diese Teilmerkmale zu berücksichtigen seien, sei kein erfinderischer Gehalt gegeben. Im GSM-Netz werde, wie der Fachmann wisse, schon zu Übergabe- und Abrechnungszwecken etwa das Betreten oder Verlassen einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (Zeitpunkt ) versehen. Bei einem Verfahren, das dem Aufbau einer Verbindung zwischen zwei Personen diene, werde der Fachmann zunächst diese bezüglich beider Personen ohnehin vorhandenen Zeitmarken zum Aktivieren eines verbindungsrelevanten Zeitraums nutzen, um den Datenbeschaffungs- und -verarbeitungsaufwand gering zu halten. Daher sei ein Zeitpunkt als Auslöser für das Anlaufen eines hierfür vorgesehenen Zeitraums nahegelegt, wenn dieser nicht ohnehin bereits in der K7 mitgelesen werde. Aber auch der einfache Nutzerwunsch , den Matching-Prozess nicht nur mittels des Endgerätes unter Nutzung getrennt festzulegender Matching-Parameter aktivieren oder deaktivieren zu können, führe den Fachmann dahin, für den Nutzer die Möglichkeit bereitzustellen , direkt mit seiner Meldung einen Zeitraum bestimmen zu lassen, während dessen das Matching durchgeführt werde.
17
III. Die Begründung des Patentgerichts hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
18
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung wird dem Fachmann durch die K7 nahegelegt, so dass es an einer erfinderischen Tätigkeit fehlt.
19
Die K7 befasst sich mit einem Verfahren zur Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, wobei die Verbindung nicht durch die Wahl einer Telefonnummer, sondern in Abhängigkeit vom Standort der Personen und der Ähnlichkeit eines Profils ("profile") mit Informationen her- gestellt werden soll, das die Personen im Netzwerk gespeichert haben (K7, S. 4, Z. 14 ff.; S. 24, Z. 1 ff.; "claim 1").
20
Nach dem Verfahren melden sich die Personen mit einem Profil (K7, S. 10, Z. 5 ff.; Z. 12 ff.: "profile"), also einem Datensatz, der auch ihre Adresse (K7, S. 9, Z. 10 ff.; S. 10, Z. 5 ff.: "USER ID") enthält, über ein Telekommunikationssystem , bei dem es sich um das GSM-Mobilfunknetzwerk handeln kann (K7, S. 5, Z. 8 ff.: GSM "cellular phone network"), bei einem Server (K7, S. 10, Z. 8 ff.; S. 16, Z. 20 ff.: "server"), also einer Datenverarbeitungseinrichtung. In einem bevorzugten Ausführungsbeispiel wird das Profil einer Personvon dem Server 106 empfangen und gespeichert, wenn das Funktelefon ("mobile station" ) das erste Mal im Dienstbereich ("service area 103") des Servers aktiv wird, und ist im Server solange erhältlich, wie das Funktelefon in dessen Dienstbereich ("service area") aktiv bleibt (K7, S. 9, Z. 21 ff.; S. 10, Z. 12 ff.; vgl. auch Figur 1). Mithin wird das Profil bzw. der Datensatz der kontaktsuchenden Person von einem Funktelefon übermittelt und enthält auch den durch ein Standortermittlungssystem (etwa GPS, vgl. K7, S. 13, Z. 1 ff.) ermittelten Aufenthaltsort. Handelt es sich bei dem Telekommunikationssystem um das GSM-Netzwerk, ist nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts für den Fachmann zudem implizit offenbart, dass die Rufnummer an den Server (die Datenverarbeitungseinrichtung) übermittelt wird. Der übermittelte Datensatz enthält schließlich einen Zeitpunkt, wie sich aus der von der Berufung gleichfalls nicht beanstandeten Feststellung des Patentgericht ergibt, dass nach Kenntnis des Fachmanns im GSM-Netzwerk das Betreten einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (also einem Zeitpunkt) versehen wird. Die vom Patentgericht zudem angesprochene Frage, ob es sich bei dem in den Merkmalen 4, 5 und 7 genannten Zeitpunkt überhaupt um ein bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigendes technisches Merkmal handelt, bedarf danach keiner Entscheidung, weil die K7 jedenfalls einen solchen Zeitpunkt offenbart.

21
Der Server ist mit einem Vergleicher ("matching engine") ausgestattet, der die Profile der Personen, die sich an einem bestimmten Ort (etwa im Bereich einer Basisstation, einer Zelle oder Zellgruppe oder eines Dienstbereichs) aufhalten, auf Übereinstimmungen hin überprüft (K7, S. 9, Z. 18 ff.; S. 10, Z. 16 ff.; S. 16, Z. 14 ff.; S. 20 Z. 11 ff.). Im Vergleicher wird also zu dem Datensatz der kontaktsuchenden Person ein passender, den Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person ermittelt , wobei der Datensatz der kontaktbereiten Person zumindest im GSMNetzwerk neben dem Aufenthaltsort auch mit einer Zeitmarke bzw. einem Zeitpunkt versehen ist.
22
Der Vergleicher gibt aufgrund eines Auswertealgorithmus (K7, S. 10, Z. 16 ff.) bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Profile ein Übereinstimmungssignal, das im Telekommunikationssystem ein Funksignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung herstellt (K7, S. 21, Z. 5 ff.; Ansprüche 1 und 6; Abstract). Damit sind die Merkmale 1 bis 6 und 8 durch die K7 offenbart.
23
In der K7 wird zudem ausgeführt, dass Vergleichsparameter vorgesehen werden können, die es den Benutzern erlauben, den Vergleich räumlich oder zeitlich einzuschränken. Die Parameter können die Größe des Standortbereichs angeben, die der Benutzer wünscht, oder den Zeitpunkt, zu dem ein Vergleich versucht werden soll (K7, S. 19, Z. 5 ff.). Dem Fachmann ist damit - in teilweiser Vorwegnahme des Merkmals 7 - die Möglichkeit offenbart, für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals einen begrenzten Zeitraum und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume bei mindestens zwei Personen vorzusehen. Hingegen ist zwar nicht beschrieben, dass jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Übermittlung des Übereinstimmungssignals auslöst. Gleichwohl trifft es entgegen der Sichtweise der Berufung nicht zu, dass K7 einen gänzlich anderen Ansatz als das Streitpatent verfolgte.
24
Nach der Lehre von K7 sucht das Funktelefon grundsätzlich konstant und automatisch nach Vergleichsmöglichkeiten und meldet damit auch das Profil (den Datensatz) mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort beim Server (bei der Datenverarbeitungseinrichtung ), wann immer der kontaktsuchende Benutzer einen neuen Standortbereich betritt. Alternativ hat der kontaktsuchende Benutzer aber auch die Option, das Vergleichen durch einen einfachen Eingabevorgang unter Verwendung des Funktelefons zu aktivieren oder zu deaktivieren, wobei der Benutzer auch bei dieser Option sein Vergleichs- und Anforderungsprofil nur einmal eingeben muss (K7, S. 20, Z. 2 ff.). In dieser Variante ist die Lehre von K7 derjenigen des Streitpatents stark angenähert. Das (erneute) Aktivieren nach Eintritt des deaktivierten Zustands entspricht einer Meldung mit einem die Adresse enthaltenden Datensatz bei der Datenverarbeitungseinrichtung im Sinne von Merkmal 2 des Streitpatents. Der Unterschied zu K7 besteht insoweit lediglich darin, dass das Streitpatent dieses Aktivieren nicht als erneutes, sondern erstmaliges Melden bei der Datenverarbeitungseinrichtung definiert. Entsprechend bietet es sich für den Fachmann an, das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals entweder mit jeder Meldung des Profils (des Datensatzes) im Server (in der Datenverarbeitungseinrichtung ) auszulösen oder diesen alternativ durch Eingabe am Funktelefon zu aktivieren oder zu deaktivieren (vgl. PGU 14 unten, Übergang 15 oben). Die erste der beiden Alternativen entspricht den Vorgaben des Merkmals 7, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung für den Fachmann naheliegend war.
25
2. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der zuletzt noch geltend gemachten Hilfsanträge 3A, 4 und 5 ist unzulässig. Weder hat die Klägerin der Verteidigung des Streitpatents in den geänderten Fassungen zugestimmt, noch können diese als sachdienlich angesehen werden, § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - X ZR 21/12, GRUR 2013, 912 Rn. 57 - Walzstraße). Gleiches gilt für den Fall, dass das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis nur einzelne Angriffsmittel des Klägers aufgreift und der Beklagte daher in der Regel keinen Anlass hat, zusätzlich zu Hilfsanträgen, die dem erteilten Hinweis Rechnung tragen, vorsorglich weitere Hilfsanträge im Hinblick auf Angriffsmittel zu stellen, auf die das Patentgericht in seinem Hinweis nicht eingegangen ist oder die es als nicht aussichtsreich eingeschätzt hat (BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 - X ZR 2/13, GRUR 2014, 1026 Rn. 31 - Analog-Digital-Wandler). Demgegenüber hat das Patentgericht im vorliegenden Fall in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis bereits mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents im Hinblick auf die K7 und das Fachwissen des Fachmanns nicht erfinderisch sein dürfte. Dies hätte der Beklagten in Anbetracht ihrer Prozessförderungspflicht Veranlassung geben müssen, das Streitpatent bereits im Verfahren vor dem auch mit technischen Richtern besetzten Patentgericht hilfsweise mit geänderten Anträgen zu verteidigen (vgl. Meier-Beck, Festschrift Peter Mes, 2009, 273, 281; Benkard/ Hall/Nobbe, PatG, 11. Aufl., 2015, § 116 Rn. 11), zumal nicht auszuschließen ist, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick auf einen oder mehrere der hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents als nicht entscheidungsreif erweist und die Sache nach § 119 Abs. 3 und 5 PatG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen oder Sachverständigenbeweis vor dem Senat erhoben werden muss.
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3. Der mit den Hilfsanträgen 3A, 4 und 5 hilfsweise verteidigte Gegenstand des Streitpatents unterliegt auch nicht deshalb dem Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens nach § 117 PatG, weil darin Patentanspruch 1 jeweils mit den Unteransprüchen 10, 8 und 9 sowie 5 des Streitpatents in der erteilten Fassung kombiniert wird. Es handelt sich insoweit um neue Verteidigungsmittel im Sinne des § 117 PatG in Verbindung mit den entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO, deren Nichtgeltendmachung nach dem vom Patentgericht gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruht. Das Patentgericht hat zwar in seinem Urteil ausgeführt, dass ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents nicht ersichtlich sei. Damit ist die Frage, ob den Unteransprüchen des Streitpatents eine eigenständige erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, jedoch nicht zu einen zulassungsfreien Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahren gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geworden.
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Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel , wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft. Die Beklagten haben sich vor dem Patentgericht auf die Geltendmachung eines erfinderischen Gehalts des Patentanspruchs 1 beschränkt, indem sie einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents nicht vorgetragen und auf Nachfrage des Vorsitzenden im Hinblick auf die Ankündigung, eine hilfsweise Verteidigung des Streitpatent durch die Aufnahme von Merkmalen aus den Unteransprüchen zu beabsichtigen, in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben solle. Entsprechend war auch der Prüfungsumfang des Patentgerichts auf den insoweit von der Beklagten verteidigten Anspruchssatz beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47, 22 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II).
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.05.2013 - 5 Ni 11/11 (EP) -
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Hingegen kann die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz regelmäßig nicht mehr als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn die Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte. Ein solcher Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung kann sich daraus ergeben , dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13, GRUR 2016, 365 - Telekommunikationsverbindung

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.