Bundesgerichtshof Urteil, 16. Okt. 2007 - X ZR 226/02

bei uns veröffentlicht am16.10.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 15/01, 25.06.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkün
in der Patentnichtigkeitssache
X ZR 226/02
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sammelhefter II

a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der Erfindung beschreibenden
Merkmalen nur eines in den Patentanspruch aufgenommen, das die mit
dem Ausführungsbeispiel erzielte technische Wirkung angibt, liegt darin
auch dann keine unzulässige Erweiterung, wenn ein anderer Weg zur Erzielung
derselben Wirkung nicht offenbart ist.

b) Wer dem Patentnichtigkeitsverfahren auf Seiten des Klägers beitritt, gilt als
Streitgenosse des Klägers (Abweichung vom Sen.Urt. v. 30.9.1997
- X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere).
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Juni 2002 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 4/5 der Klägerin und ihrer Streithelferin und zu 1/5 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 16. Mai 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Schweizer Anmeldung vom 4. Juni 1985 angemeldeten und im Laufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erlosche- nen deutschen Patents 36 16 566 (Streitpatents). Das Streitpatent ist mit sechs Patentansprüchen erteilt worden, von denen Patentanspruch 1 lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage zu einem Heftapparat wirksamen Mitnehmern versehen ist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere Sammelstrecke mit Mitnehmern (6) vorhanden,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede der Sammelstrecken mit einem Druckbogen , wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden und
c) der Heftapparat (9) wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) aufweist."
2
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren hat Patentanspruch 1 durch Beschluss des Bundespatentgerichts vom 19. September 1994 (11 W (pat) 45/92) folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
3
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin, die rechtskräftig wegen Verletzung des Streitpatents verurteilt ist, dieses im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 angegriffen. Sie macht geltend, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und der Schutzbereich dieses Patentanspruchs sei gegenüber der erteilten Fassung des Patents erweitert. Ferner ergebe sich der Gegenstand des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf welche die Patentansprüche 2, 3 und 6 rückbezogen sind: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbo- gen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin und ihrer im Berufungsverfahren beigetretenen, gleichfalls wegen Verletzung des Streitpatents verurteilten Streithelferin, mit welcher diese den Antrag weiterverfolgen, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Antrag angeschlossen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstre- cken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
6
Hilfsweise soll Patentanspruch 1 die folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. B. K. , Fakultät Maschinenbau der Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Professor Dr.-Ing. K. D. F. , Universität W. , in ihrem Auftrag erstellt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässigen Rechtsmittel der Parteien haben keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat zu Recht der - auch nach Erlöschen des Streitpatents zulässigen (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür ) - Nichtigkeitsklage teilweise entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen.
9
I. Das Streitpatent betrifft einen Sammelhefter, mit dem bedruckte und gefaltete Bogen (Druckbogen) gesammelt und anschließend in derselben Maschine zur Herstellung von mehrseitigen Druckprodukten wie Zeitschriften, Broschüren oder dergleichen geheftet werden. Dabei werden die einzelnen Druckbogen von innen nach außen übereinandergelegt und dann im Falzbereich geheftet. Ein derartiger Sammelhefter besteht aus den Komponenten Anlegestation , Sammelstrecke und Heftapparat. Die Anzahl der Anlegestationen entspricht der Anzahl der Druckbogen des fertigen Druckproduktes. Jede Anlegestation liefert an die Sammelstrecke einen bestimmten Druckbogen, indem die erste Anlegestation den innersten Druckbogen des fertigen Druckproduktes liefert, die zweite Anlegestation den - von innen nach außen betrachtet - nächstfolgenden Druckbogen und so fort. Die Sammelstrecke nimmt die von den Anlegestationen auf ihrer sattelförmigen Auflage rittlings abgelegten Druckbogen auf. Mit Hilfe von Mitnehmern werden die Druckbogen längs ihrer Auflage von Anlegestation zu Anlegestation seitlich vorgeschoben und gelangen schließlich zum Heftapparat, in dem sie zu fertigen Druckprodukten zusammengefügt werden.
10
Ein Sammelhefter dieser Art ist, wie die Streitpatentschrift erläutert, aus der Schweizer Patentschrift 519 993 (E 9) bekannt. Sein Nachteil ist die geringe Arbeitsgeschwindigkeit.
11
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, einen Sammelhefter bereitzustellen, welcher bei gleichermaßen präziser Verarbeitung der gefalteten Einzelbögen wie bei der bekannten Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit zulässt (Sp. 3 Z. 65 - Sp. 4 Z. 2 der Streitpatentschrift).
12
Dieses Problem wird nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der geltenden Fassung durch folgende Merkmalskombination gelöst: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
13
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
14
Der mit Merkmal 9.2 beanspruchte Gleichlauf zwischen den Heftköpfen des Heftapparats und den Sammelstrecken (mit den darauf abgelegten, relativ zur Sammelstrecke stillstehenden Druckbogen) wird dadurch erzielt, dass der Heftkopf, der die Druckbogen auf der zugeordneten Sammelstrecke heftet, seinerseits bewegt wird und während eines Bewegungsweges (im Ausführungsbeispiel während des Weges, den der pendelnde Heftapparat in Drehrichtung des Sammelhefters zurücklegt) der Sammelstrecke in gleicher Richtung und in gleichem Radialabstand folgt. Hierdurch wird erreicht, dass für die Heftung mehr Zeit zur Verfügung steht (Sp. 4 Z. 4-9), nämlich derjenige Zeitraum, in dem sich die Sammeltrommel um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiterdreht.
15
II. Die Anschlussberufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Bundespatentgericht angenommen, dass das Streitpatent mit dem vorstehend gegliederten Patentanspruch 1 keinen Bestand haben kann, weil hierdurch der Schutzbereich des Streitpatents erweitert worden ist (§ 22 Abs. 1 2. Alt. PatG).
16
Ein erteiltes Patent hat einen Schutzbereich, der gemäß § 14 PatG durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, zu deren Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn das Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren derart geändert wird, dass sein Schutzbereich nunmehr über dasjenige hinausgeht, was zuvor vom Schutzbereich umfasst war, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 2. Alt. PatG vor.
17
Soweit das Bundespatentgericht eine solche Schutzbereichserweiterung darin gesehen hat, dass infolge der Ersetzung der Wörter "nacheinander jede" durch den bestimmten Artikel "die" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 auch Sammelhefter umfasst sein könnten, bei denen nicht nacheinander jede sattelförmige Auflage beschickt werde, die Reihenfolge der Beschickung der Sam- melstrecken vielmehr beliebig sei und auch Lücken in der Beschickung möglich seien, greift die Anschlussberufung das erstinstanzliche Urteil nicht an.
18
Dem Bundespatentgericht ist aber auch darin beizutreten, dass die Weglassung des im erteilten Patentanspruch 1 enthaltenen Halbsatzes "wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 in der geltenden Fassung zu einer Schutzbereichserweiterung führt.
19
Das Bundespatentgericht hat dies damit begründet, dass vom Schutzbereich des geltenden Anspruchs auch Sammelhefter umfasst sein könnten, die nicht mit der offenen Seite voran gegen, sondern beispielsweise von der Seite her auf die Sammelstrecke gefördert würden, wie es aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 95 603 (E 1) bekannt sei. Auch könnten Sammelhefter umfasst sein, die nicht während des Beschickens, sondern bereits vorher aufgespreizt würden, wie dies aus der deutschen Offenlegungsschrift 31 17 419 (E 8) bekannt sei. Merkmal 6.1 der erteilten Fassung sei jedoch unter Berücksichtigung der Beschreibung (insbesondere Sp. 3 Z. 47-57 der C2Schrift ) so auszulegen, dass nur Sammelhefter vom Schutzbereich umfasst seien, die mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und erst während der Beschickung aufgespreizt würden.
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Dagegen wendet die Anschlussberufung ohne Erfolg ein, das erteilte Streitpatent unterscheide lediglich zwischen dem Sammeln der Druckbogen von außen nach innen in V-förmigen Taschen (deutsche Auslegeschrift 1 224 329 [E 10] und Schweizer Patentschrift 584 153 [E 11]) und dem erfindungsgemäßen Sammeln von innen nach außen auf sattelförmigen Auflagen, wobei letzteres durch Merkmal 5.1 zum Ausdruck gebracht werde und die zusätzliche Angabe in Merkmal 6.1 nichts anderes besage als das, was Merkmal 5.1 ohnehin schon zum Ausdruck bringe, da eine Ablage "rittlings" nur erfolgen könne, wenn die Druckbogen zuvor aufgespreizt und mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert würden.
21
Denn die Beschreibung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung erläutert die Vorrichtung nach der E 1 dahin, dass diese einen endlos umlaufenden , zur Aufnahme der Druckbogen bestimmten Förderer aufweise, entlang welchem eine Anzahl von Zuförderern für die Druckbogen angeordnet seien. Hierbei würden die Produkte mit quer zur Förderrichtung liegendem Falz an den Zuförderern vorbeigeführt. Die Schenkel der Druckbogen hingen hierbei frei nach unten. Diese bekannte Vorrichtung lasse konstruktiv offen, wie dabei die frei herabhängenden Schenkel der Druckbogen bei hohen Geschwindigkeiten stabil gehalten und wie der Heftvorgang an den fertig zusammengetragenen Produkten ausgeführt werden solle (Sp. 1 Z. 44-57).
22
Von dieser bekannten Lösung, bei der bereits eine Sammelstrecke mit sattelförmigen Auflagen für die vereinzelten Druckbogen vorhanden ist, hebt sich die erfindungsgemäße Lösung nach dem erteilten Patentanspruch 1 durch die weitere Angabe ab, dass die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert werden und (hierbei, um eine zuverlässige Auflage zu gewährleisten, nicht frei herabhängen, sondern) aufgespreizt werden. Diese Anforderung ist im geltenden Patentanspruch 1 nicht mehr enthalten, nach dem die Zuführung in beliebiger Weise und aus beliebiger Richtung erfolgen kann.
23
Der geltende Patentanspruch ist damit auf eine Teilkombination der durch den erteilten Patentanspruch geschützten technischen Lehre gerichtet. Damit ist der Schutzbereich erweitert, denn eine solche Teilkombination war durch das erteilte Patent nicht geschützt (vgl. Sen.Urt. v. 31.5.2007 - X ZR 172/04, WRP 2007, 1231 - Zerfallszeitmessgerät [für BGHZ vorgesehen ]).
24
Da auch der Hilfsantrag der Anschlussberufung das Merkmal nicht enthält , nach dem bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, kann Patentanspruch 1 auch in der Fassung dieses Antrags keinen Bestand haben.
25
III. Auch die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen nicht unzulässig erweitert, und der Gegenstand dieses Anspruchs ist patentfähig.
26
1. In dieser Fassung lässt sich Patentanspruch 1 wie folgt gliedern: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter. (7) Es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage (3) zu halten.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
27
2. Dieser Patentanspruch enthält keine unzulässige Erweiterung. Das Bundespatentgericht hat zutreffend angenommen, dass eine unzulässige Erweiterung insbesondere nicht darin liegt, dass Merkmal 9.2 lediglich vorschreibt , dass die Heftköpfe beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen, hingegen nicht vorgibt, dass der Heftapparat hierzu konzentrisch zur Achse (1) der Welle (2) gelagert sein und eine Pendelbewegung ausführen muss.
28
Merkmal 9.2 ist als solches, wie auch die Klägerin nicht bezweifelt, ursprungsoffenbart. Denn die Patentanmeldung beschreibt ein durch die mit der oben wiedergegebenen Zeichnung identischen Figur 1 illustriertes Ausführungsbeispiel , bei dem der Heftapparat (9) einen um die Achse (1) schwenkbar gelagerten Bügel (11) aufweist, an dem zwei Heftkopfpaare (12, 13) angeordnet sind. Der Bügel (11) führt eine Hin- und Her-Schwenkbewegung aus und folgt dabei während eines Bewegungsweges den Auflagen (3) mit gleicher Geschwindigkeit. Die sich mitbewegenden Heftkopfpaare (12, 13) führen jeweils während des Gleichlaufs mit den Auflagen (3) simultan eine Heftoperation aus, mit der die aufeinanderliegenden Druckbogen von zwei Sammelstrecken zusammengeheftet werden (S. 9, letzter Abs. - S. 10, 2. Abs. der Offenlegungsschrift = Sp. 4 Z. 3-26 der C2-Schrift = Sp. 4 Z. 63 - Sp. 5 Z. 18 der C3-Schrift). Im Wirkbereich des Heftapparates folgen somit die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
29
Die Patentinhaberin war auch nicht gehindert, dieses Merkmal in den Patentanspruch aufzunehmen, ohne gleichzeitig weitere Einzelheiten des Ausführungsbeispiels mit zu übernehmen.
30
Änderungen der Patentansprüche dürfen freilich weder zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung noch dazu führen, dass an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem aus fachmännischer Sicht aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht zu erkennen ist, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Urt. v. 5.7.2005, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II). Der Anmelder oder Patentinhaber , der nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, ist dabei nicht genötigt, sämtliche Merkmale ei- nes Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen (Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316, 319 - Koksofentür). Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig , wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Sen.Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt ; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; Sen.Beschl. v. 14.9.2004 - X ZB 25/02 - Fußbodenbelag).
31
Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muss vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die aus der Sicht des Fachmanns den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung zu entnehmen ist; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennbar ist, dass es von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleißkammer [insoweit nicht in BGHZ]; Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung).
Diesen Anforderungen genügt die Kombination des Merkmals 9.2 mit
32
den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1. Denn in Patentanspruch 2 der Anmeldung war ganz allgemein ein Sammelhefter mit parallelen Sammelstrecken angegeben, bei dem der Heftapparat wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf aufweist. Aus der Sicht des Fachmanns, als den der Senat - auf der Grundlage der durch die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Feststellungen des Bundespatentgerichts zum üblichen Ausbildungs- und Kenntnisstand der mit der Entwicklung von Sammelheftern befassten Fachleute - einen Maschinenbauingenieur mit praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion papierverarbeitender Maschinen ansieht, war erkennbar, dass der beschriebene Gleichlauf der Heftköpfe eines wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordneten Heftapparats mit den Sammelstrecken beim Heftvorgang geeignet ist, dem in der Patentanmeldung beschriebenen Nachteil des Standes der Technik, dass für den Heftvorgang nur ein Bruchteil eines Maschinentaktes zur Verfügung stand, entgegenzuwirken und damit das Ziel zu fördern, eine Vorrichtung zu schaffen, die bei gleich präziser Verarbeitung wie bei einer konventionellen Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit erlaubt.
33
Dem gegenüber ist unerheblich, dass die ursprünglichen Unterlagen mit dem konzentrisch gelagerten, pendelnden Bügel des Heftapparats nur eine Möglichkeit beschreiben, wie ein solcher Gleichlauf während eines Bewegungsweges erreicht werden kann. Denn ein solches Ausführungsbeispiel, mit dem der Anmelder der Anforderung genügt, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG), nötigt nicht dazu, den Gegenstand des Patentanspruchs hierauf zu beschränken.
Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich eine unzulässige Er34 weiterung auch nicht daraus, dass in der C3-Schrift die Vorrichtung nach der deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) dahin beschrieben wird, mittels eines Pendelantriebs werde eine derartige Hin- und Herbewegung der Heftköpfe herbeigeführt , dass sie bei ihrer Einwirkung auf zwei aufeinanderfolgende, zu heftende Druckbogen "im Gleichlauf mit deren Bewegungsgeschwindigkeit" bewegt würden (Sp. 3 Z. 19-30). Denn damit ist lediglich zutreffend beschrieben, dass in der Einwirkungsphase in Laufrichtung der Druckbogen keine Relativbewegung zwischen Heftköpfen und Druckbogen stattfindet. Nichts anderes ist, bezogen auf Heftköpfe und Sammelstrecken, mit dem Begriff des "Gleichlaufs" in der Anmeldung des Streitpatents und in Merkmal 9.2 zum Ausdruck gebracht.
35
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist auch patentfähig.
36
Dieser Gegenstand ist, wie auch von der Klägerin und ihrer Streithelferin nicht in Zweifel gezogen wird, neu. Verhandlung und Beweisaufnahme haben ebenso wenig tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahegelegt hat.
37
a) Die deutsche Auslegeschrift 1 114 779 (E 6) beschreibt eine Maschine zum Heften von Bogenlagen, bei der die Druckbogen auf sattelförmigen Auflagen (2) gesammelt werden, die an umlaufenden Zugorganen angeordnet sind. Mittels Verteil- und Anlegevorrichtungen (104) werden die Druckbogen auf den Auflagen abgelegt und zu einer Heftvorrichtung (105) weitertransportiert. Die Heftköpfe werden von auf einer Welle aufgekeilten Nocken gesteuert, die das Anbringen der Heftklammern während des Verschiebens der auf den Auflagen ruhenden Broschüren gestatten. Das entspricht den Merkmalen 1 bis 4.1, 5.1, 9.1 und 9.2. Hingegen fehlen die Mitnehmer wie auch alle Merkmale, die mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken voraussetzen.
38
Es ist auch nicht erkennbar, was dem Fachmann Veranlassung geben sollte, die Vorrichtung derart umzugestalten, dass die gezeigte Sammelstrecke durch mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken ersetzt wird. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der von der Klägerin mehrfach zitierten Annahme im Urteil des Senats vom 26. Mai 1998 (X ZR 20/96, Bausch, BGH 1994-1998, 509), dem Fachmann sei bekannt, dass ein endlos umlaufendes Element bei einem Sammelförderer nicht nur ein Ketten- oder Riemengetriebe sein könne, sondern auch eine Trommel. Die Aussage des Senats bezieht sich auf die Erfassung des Wortsinns des Begriffs "endlos umlaufender Sammelförderer" im Patentanspruch des damaligen Streitpatents. Ihr lässt sich nichts dafür entnehmen, ob und inwieweit der Fachmann bei einem konkreten Sammelförderer Veranlassung sieht, ein umlaufendes Ketten- oder Riemengetriebe durch eine Trommel oder dergleichen zu ersetzen. Diese Frage kann stets nur aus dem Zusammenhang einer konkreten vorbekannten Lösung beantwortet werden. Selbst wenn aber der Fachmann Veranlassung sähe, die Auflagen auf einer Trommel anzuordnen, gelangte er damit nicht zum Gegenstand des Streitpatents.
39
b) Dies folgt auch nicht aus der zusätzlichen Heranziehung der deutschen Offenlegungsschrift 31 08 551 (E 3). Dort wird beschrieben, dass mehrlagige Druckprodukte dadurch gebildet werden können, dass eine Anzahl von zickzackförmig gefalteten Bahnen aufeinander ausgerichtet übereinandergelegt wird. Jede Bahn wird durch einzelne Blätter gebildet, die an den quer zur Bahnlängsrichtung verlaufenden Faltstellen miteinander verbunden sind. Zum Abstützen der aufeinander zu legenden Bahnen dient eine Trommel, welche an ihrem Umfang radial abstehende Stützstege (47) aufweist, auf denen zunächst die erste Bahn aufgelegt wird. Die spiralförmig auf der Trommel geführte erste Bahn gelangt sodann zum Eingabeabschnitt der nachfolgenden Bahn, in welchem diese über die erste Bahn gelegt wird. Die beiden Bahnen werden schraubenlinienförmig gegebenenfalls zu weiteren Eingabeabschnitten und sodann zu einem Endbereich der Trommel geführt, in dem ein Heftapparat (62) vorgesehen ist, in dessen Wirkbereich sich die Blätter(bahnen) auf einer Kreisbahn bewegen.
40
Diese Vorrichtung setzt voraus, dass die Blätter der am Ende des Bearbeitungsvorgangs stehenden Druckprodukte als zickzackförmig gefaltete Bahnen zugeführt werden, was die deutsche Offenlegungsschrift als besonders vorteilhaft ansieht, weil die gegenseitige Lage der Blätter einer Bahn immer definiert sei (S. 6 Z. 4-10 der Beschreibung). Die Trommel dieser Vorrichtung ist daher jedenfalls nicht ohne weiteres mit einer Vorrichtung nach der E 6 kombinierbar , und Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine Anhaltspunkte dafür hervortreten lassen, dass der Fachmann zu dem Versuch einer solchen Kombination Veranlassung sehen sollte. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus einem für sich naheliegenden Bestreben des Fachmanns, die Arbeitsgeschwindigkeit der Vorrichtung zu erhöhen, denn auch bei der Trommel nach der E 3 werden die Stützstege wie die sattelförmigen Auflagen nach der E 6 konsekutiv mit den aufeinanderfolgenden Blätterbahnen beschickt.
41
Auch der Hinweis der Berufung darauf, dass in Anspruch 4 der E 3 ein Verfahren beansprucht sei, bei dem die übereinander liegenden Bahnen an allen oder einzelnen Faltstellen durchgetrennt werden, führt nicht weiter. Zwar ist in jenem Anspruch nicht angegeben, in welcher Verfahrensphase die Bahnen durch Trennung zu Blättern oder Druckbogen vereinzelt werden sollen. Für die Frage, welche Anregungen eine Schrift dem Fachmann bot, kommt es indessen nicht darauf an, wie weit ihr Gegenstand oder Schutzbereich reicht. Maßgeblich ist allein, welche technischen Erkenntnisse und Möglichkeiten dem Fachmann offenbart werden. Insoweit beschreibt die Offenlegungsschrift jedoch - ihrer Zielrichtung entsprechend - ausschließlich die Sammlung übereinander liegender Bahnen, nicht vereinzelter Druckbogen. Erst das am Entnahmeabschnitt (51) der Trommel - gegebenenfalls nach Heften (S. 15 Z. 23-26) - von einem Transporteur (59) übernommene, aus den übereinander liegenden Bahnen bestehende "Gebilde (61)" wird einer Stapelbildevorrichtung (63) zugeführt und sodann von einer Trennvorrichtung (68) durchtrennt (S. 15 Z. 10 - S. 16 Z. 22).
Auch die - ohnehin nicht näher ausgeführte - Bemerkung auf S. 17 Z. 5-7, es "wäre unter Umständen jedoch auch denkbar", die fertigen Druckprodukte vor dem Stapeln einzeln voneinander zu trennen, bezieht sich auf "die einzelnen zusammenhängenden, das Gebilde (61) bildenden fertigen Druckprodukte" und ändert daher nichts daran, dass nach dem Gesamtinhalt der Schrift eine Vereinzelung erst nach dem Sammeln in Betracht gezogen wird.
42
c) Es kommt hinzu, dass weder die E 3 noch die E 6 eine Anregung dafür geben, vereinzelte Druckbogen mittels längs der Auflage wirksamer Mitnehmer einem Heftapparat zuzuführen, der wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist (Merkmal 8.1). Um derartiges gleichwohl zu realisieren, müsste der Fachmann zunächst zu der Erkenntnis gelangen, dass es zweckmäßig sei, zusätzlich zu dem aus der E 6 bekannten Heftkopf einen weiteren, gemeinsam mit dem ersten hin- und herpendelnden Heftkopf vorzusehen. Eine Anregung hierfür mag sich zwar in der bereits erwähnten deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) finden. Bei dem dort beschriebenen Heftvorgang bewegen sich die Druckprodukte jedoch ebenso wenig wie bei der Heftvorrichtung nach der E 6 auf einer Kreisbahn. Für eine Zuordnung des Heftapparats zu wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken, die symmetrisch zu einer Achse und um diese drehend angeordnet sind, und die hierfür erforderlichen konstruktiven Maßnahmen fehlt jedes Vorbild.
43
d) Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts nicht näher. Ergänzend wird hierzu auf die Ausführungen zu IV 3 des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG können hiernach nicht festgestellt werden.
44
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferin gilt als Streitgenossin der Klägerin. Nach- dem der Senat für die Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren das Erfordernis aufgegeben hat, dass zwischen dem Nichtigkeitskläger oder dem Patentinhaber eine Rechtsbeziehung bestehen muss, die durch die im Nichtigkeitsverfahren ergehende Entscheidung beeinflusst werden kann, und es genügen lässt, dass der Nebenintervenient durch das Streitpatent in seiner geschäftlichen Tätigkeit als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (BGHZ 166, 18 - Carvedilol I), besteht kein Grund mehr, die Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Urteils gegenüber dem Streithelfer anders zu beurteilen als gegenüber dem Nichtigkeitskläger. Auch erscheint die Kostenfolge des § 101 Abs. 2 ZPO für diesen Fall sachgerechter als diejenige des § 101 Abs. 1 ZPO. Entsprechend § 69 ZPO gilt der Streithelfer daher als Streitgenosse des Nichtigkeitsklägers (offengelassen im Senatsurteil vom 22.12.1964 - Ia ZR 237/63, GRUR 1965, 297 - Nebenintervention). An der im Urteil vom 30. September 1997 (X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.06.2002 - 2 Ni 15/01 -

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Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 al

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(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß 1. der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,2. das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,3. der w

Patentgesetz - PatG | § 14


Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

Patentgesetz - PatG | § 34


(1) Eine Erfindung ist zur Erteilung eines Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt anzumelden. (2) Die Anmeldung kann auch über ein Patentinformationszentrum eingereicht werden, wenn diese Stelle durch Bekanntmachung des Bundesministeriums d

Patentgesetz - PatG | § 38


Bis zum Beschluß über die Erteilung des Patents sind Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern, zulässig, bis zum Eingang des Prüfungsantrags (§ 44) jedoch nur, soweit es sich um die Bericht

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(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

Bis zum Beschluß über die Erteilung des Patents sind Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern, zulässig, bis zum Eingang des Prüfungsantrags (§ 44) jedoch nur, soweit es sich um die Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten, um die Beseitigung der von der Prüfungsstelle bezeichneten Mängel oder um Änderungen des Patentanspruchs handelt. Aus Änderungen, die den Gegenstand der Anmeldung erweitern, können Rechte nicht hergeleitet werden.

Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 17/02 Verkündet am:
15. November 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Koksofentür
PatG (1981) §§ 81, 14, 21 Abs. 1 Nr. 4, 38

a) Das nach Erlöschen des Streitpatents erforderliche besondere eigene
Rechtsschutzbedürfnis des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung des
Streitpatents ist nach rechtskräftiger Verurteilung des Nichtigkeitsklägers in
einem Verletzungsrechtsstreit jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Nichtigkeitskläger
für den Fall der Nichtigerklärung des Streitpatents eine Restitutionsklage
in Betracht zieht.

b) Bezugszeichen im Patentanspruch schränken den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel
ein.

c) Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren ist
es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle
der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch
aufgenommen werden.
BGH, Urt. v. 15. November 2005 - X ZR 17/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. November 2001 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des am 23. Juni 1979 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika angemeldeten deutschen Patents 29 25 730 (Streitpatents), das eine "Koksofentür" betrifft, drei Patentansprüche umfasste und inzwischen nach Ablauf der Schutzdauer erloschen ist. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "1. Koksofentür mit einem der Türleibung der Ofenkammer zugekehrten , vom Türrahmen kragarmartig vorspringenden Dich- tungselement, dessen zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist[,] und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, dadurch gekennzeichnet, daß der Spannrahmen aus einer am Türrahmen befestigten und von diesem kragarmartig vorspringenden Federmembran (20) besteht, die über ihre zur Dichtfläche hin abgewinkelte Außenkante (44) mit dem Dichtungselement (30) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden, ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelten Abschnitt (52) verbunden ist."
2
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin ist von der Beklagten wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen und durch rechtskräftig gewordenes Grundurteil des Landgerichts Düsseldorf auf eine Schadensersatzklage hin verurteilt worden. Sie hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Gegenstand des Streitpatents sei eine Dichtung für eine Koksofentür, die aus zwei Teilen bestehe, nämlich einem um die Tür herumführenden kragenartig vorspringenden Dichtungselement und einer Vorrichtung zur Erzeugung einer elastischen Kraft. Dabei sei aus der ursprünglich offenbarten Dichtungsvorrichtung mit einem schneidkantenartigen Dichtungselement und einer Stützvorrichtung eine Dichtvorrichtung geworden, die lediglich noch das schneidkantenartige Dichtungselement sowie eine kragarmartig vorspringende Federmembran vorsehe, womit das Stützglied völlig entfallen sei.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten Patentinhaberin, die beantragt, un- ter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
5
Prof. W. im Auftrag des Se- hat nats ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Bundespatentgerichts zur Abweisung der Klage.
7
I. Allerdings ist die Nichtigkeitsklage im vorliegenden Fall auch nach Erlöschen des Streitpatents infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer weiterhin zulässig. In diesem Fall ist zwar ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Nichtigerklärung des abgelaufenen Patents erforderlich (st. Rspr.; zuletzt Sen.Urt. v. 22.02.2005 - X ZR 148/00, Umdruck S. 6; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. 2005, Rdn. 120, je m.w.N.). Dieses kann aber bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Nichtigkeitsklägers im Verletzungsstreit vorliegen, weil eine Nichtigerklärung des angegriffenen Patents der im Verletzungsprozess unterlegenen Partei die Möglichkeit eröffnen würde, im Wege der Restitutionsklage gegen ihre Verurteilung vorzugehen (vgl. BPatGE 33, 240 = GRUR 1993, 732; Keukenschrijver, aaO; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, Rdn. 46 zu § 81; Mes, PatG GebrMG, 2. Aufl. 2005, Rdn. 42 zu § 81 PatG). Nachdem die Nichtigkeitsklägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie für den Fall der Nichtigerklärung die Durchführung eines Restitutionsverfahrens in Betracht ziehe, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsklage ohne weiteres zu bejahen.
8
II. Der Senat vermag aber der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht beizutreten, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund greife durch, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (§ 22 Abs. 1 PatG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG; "unzulässige Erweiterung", sachlich übereinstimmend mit § 13 Abs. 1 Nr. 4 PatG 1978; Art. XI § 3 Abs. 5 IntPatÜG; vgl. zur Anwendbarkeit der §§ 21, 22 PatG 1981 BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer).
9
1. Das Streitpatent schützt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür mit einem vorspringenden Dichtungselement und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, wobei der Spannrahmen aus einer Federmembran (20) besteht, in besonderer Ausgestaltung. Diese Abdichtung kommt im Wesentlichen allein mit mechanischen Mitteln aus. Damit soll eine Abdichtung geschaffen werden, die in ihrer Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit mindestens das Ergebnis anderer, z.B. aus der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 vorbekannter Einrichtungen erreicht (vgl. die Angaben zur "Aufgabe" in der Beschreibung des Streitpatents Sp. 3 Z. 46-52). In der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 ist eine mit einer Sperrgasdichtung ausgestattete Koksofentür beschrieben, bei der ein Dichtungselement mit seiner äußeren, als Schneide ausgebildeten Kante gegen eine Dichtungsfläche der Türleibung mittels einer von Druckzylindern gebildeten Spannvorrichtung gedrückt wird. Diese Druckzylinder drücken dabei starre Schienen gegen die als Zackenkante ausgebildete Schneidkante.
10
2. Das Streitpatent stellt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür unter Schutz, bei der
(1)
das Dichtungselement (1.1) der Türleibung der Ofenkammer zugekehrt ist, (1.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (1.3) seine zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist,
(2)
miteiner Spannvorrichtung, (2.1) die bei Verriegelung der Tür die Dichtungsschneide belastet (2.2) über einen Spannrahmen, wobei
(3)
der Spannrahmen aus einer Federmembran besteht, die (3.1) am Türrahmen befestigt ist, (3.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (3.3) eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenkante aufweist, wobei
(4)
diese Außenkante verbunden ist (4.1) mit dem Dichtungselement, (4.2) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden Abschnitt, (4.2.1) der ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelt ist.
11
3. Dabei hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Formulierung in Patentanspruch 1, der Spannrahmen "bestehe" aus einer Federmembran, nicht in dem Sinn zu verstehen ist, dass die Federmembran notwendig das einzige Element des Spannrahmens sein solle. Das Wort "besteht" ist hier jedenfalls auch in dem Sinn verwendet, dass der Spannrahmen neben der Federmembran noch weitere Elemente aufweisen kann, wie dies etwa die ein Ausführungsbeispiel wiedergebende Figur 10 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt, insbesondere die dort dargestellten Abschnitte 44 und 46. Im Übrigen schränken die Bezugszeichen im Patentanspruch den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel ein (vgl. EPA - techn. Beschwerdekammer - T 237/84 ABl. EPA 1987, 309; Ullmann in Benkard, PatG, 9. Aufl. 1993, Rdn. 14 zu § 14 PatG; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rdn. 53 zu § 14; Schulte, aaO Rdn. 142 zu § 34; so schon zum früheren Recht BGH, Urt. v. 30.10.1962 - I ZR 46/61, GRUR 1963, 563, 564 - Aufhängevorrichtung). Die Nennung von Bezugszeichen im Patentanspruch 1 des Streitpatents führt daher nicht zu einer Beschränkung des Gegenstands des Patents auf Ausgestaltungen, die den Darstellungen entsprechen , in denen diese Bezugszeichen verwendet werden.
12
4. Eine erfindungsgemäße Ausgestaltung wird in den jeweils verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 (Darstellung einer Vorderansicht der Tür auf der Stoßrichtungsseite), 7 (Schnitt bei 7-7 in Fig. 1), 8 (Schnitt entlang 8-8 in Fig. 7) und 10 (Schnitt entlang 10-10 in Fig. 8) des Streitpatents gezeigt: Fig. 1
13
Hier bezeichnen die Bezugszeichen 14 die Koksofenwand mit den Türleibungen 12 und der mit Feuerfeststeinen ausgekleideten Koksofentür. Der Türkörper weist die Grundplatte 32, das Hauptrahmenschweißstück 34, die Seitenplatten 36 und 38 und die Bodenplatte 40 auf. Das Stützglied 42 ist im Ausführungsbeispiel in die drei Abschnitte 48, 50, 52 aufgeteilt. Die Spannvorrichtung übt Druck auf die Schneide 52 aus, die gegen die Leibung 12 gedrückt wird.


14
Die Federmembran ist mit dem Befestigungsabschnitt 46 am Türrahmen befestigt. Der weitere Abschnitt 44 ist in Richtung Leibung abgewinkelt und an seinem Ende mit der Dichtungskante 52 verbunden.
15
III. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass sich der in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Gegenstand nicht den Anmeldeunterlagen entnehmen lasse, und dass Patentanspruch 1 des Streitpatents damit unzulässig erweitert sei. Der geschützte Gegenstand unterscheide sich von dem ursprünglich offenbarten durch die Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4. Denn die Dichtungsvorrichtung 18 für die Koksofentür 10 bestehe nach der ursprünglichen Offenbarung aus einem dichtenden Schneideelement (schneidkantenartiges Dichtungselement oder Schneidkantenelement) 30 und einer Stütz- oder Trägervorrichtung (Stützglied, Dichtungskantenträgerelement ) 42. Dabei beständen das Schneideelement 30 aus den Teilabschnitten 48, 50 und 52 und die Stütz- oder Trägervorrichtung 42 aus den Abschnitten 44 und 46, wie sich aus der ursprünglichen Beschreibung Seiten 7/8, dem ursprünglichen Schutzanspruch 1, aus der Beschreibung Seite 8 Abs. 3, Seite 11 Abs. 2 bis Seite 12 und der Figur 10 der Zeichnungen ergebe. Die Funktion , die das Stützelement 42 haben solle, werde im Schutzanspruch 1 der Anmeldung damit beschrieben, dass auf das schneidkantenartige Dichtungselement 30 eine gleichmäßige Vorspannung ausgeübt werden solle. Das für die Stützvorrichtung zu verwendende Material sei nicht beschrieben. Die aus elastischem , federndem Material hergestellte Membran 20, die einen Teil der Stützvorrichtung 42 überdecke, könne zusätzlich zur Erhöhung der Vorspannung verwendet werden, wie sich aus den Schutzansprüchen 2 und 5 der Anmeldeunterlagen sowie aus Seite 8 Abs. 3 und Seite 17 Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung ergebe. Eine solche Dichtungsvorrichtung sei auch in Figur 10 dargestellt. Aus den Hervorhebungen der physikalischen Eigenschaften der Membran, die nach den Schutzansprüchen 4 und 5 sowie der Beschreibung Seite 17 2. Absatz der ursprünglichen Unterlagen eine Blattfeder oder Membran sein solle, die nach Seite 8 Abs. 3 der ursprünglichen Unterlagen aus elastischem , federndem Material hergestellt sei und unmittelbar einen Teil der Stützvorrichtung überdecke, leite der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus, ab, dass das Stützelement 42 andere physikalische Werkstoff- eigenschaften aufweise als die fakultative, zusätzlich einsetzbare Membran. Der Fachmann werde deshalb auf eine relativ starre Konstruktion der aus dem Schneidelement 30 und der fest mit diesem verbundenen Stützvorrichtung 42 bestehenden, durch eine zusätzliche Federmembran zu verstärkenden Dichtvorrrichtung 18 schließen. Nach Patentanspruch 1 des erteilten Patents entfalle demgegenüber die ursprünglich zwingend notwendige, relativ starre Stütz- und Trägervorrichtung 42 mit den Abschnitten 44 und 46. Die ursprüngliche Stützvorrichtung 42 werde - was aus den ursprünglichen Unterlagen wegen der dort verwendeten unterschiedlichen Begriffe "Stützvorrichtung" und "Membran" nicht herleitbar sei - durch die Federmembran aus einem elastischen, federnden Material ersetzt.
16
IV. Diese Beurteilung erweist sich im Ergebnis als unzutreffend.
17
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich aus der Sicht des Fachmanns des betreffenden Gebiets der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt. Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund der "unzulässigen Erweiterung" vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche definierte Lehre (vgl. Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass dabei den in der Anmeldung bezeichneten Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt. Nicht maßgeblich ist demgegenüber, wie die Beklagte ihr Schutzbegehren später interpretiert hat, worauf die Klägerin nunmehr schriftsätzlich abgestellt hat. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung aus der Sicht eines Fachmanns erkennen ließ, der von den ursprünglichen Unterlagen abweichende Lösungsvorschlag des Patents solle von vornherein vom Schutzbegehren umfasst werden (vgl. zuletzt Sen.Urt. v.
05.07.2005 - X ZR 30/02 - Einkaufswagen II, Umdruck S. 7 f., zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.), d.h. als zur Erfindung gehörend ("gehörig") offenbart sein (vgl. Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. 2004, S. 562 f.).
18
2. Die in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Lehre ist durch die ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart. Auch die Merkmalsgruppen 3 und 4 seines Patentanspruchs 1 stellen nämlich allenfalls Konkretisierungen und Einschränkungen dieser allgemeinen Lehre im Sinn des in den ursprünglichen Unterlagen beschriebenen und zeichnerisch dargestellten Ausführungsbeispiels und nicht zugleich auch eine Erstreckung auf einen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Gegenstand dar.
19
a) Eine allgemeine Beschreibung dessen, was durch die Erfindung geleistet werden soll, findet sich zunächst auf Seite 7/8 der Anmeldungsunterlagen. Danach weist die Koksofentür einen Hauptrahmen und eine Dichtungsvorrichtung auf, die auf dem Hauptrahmen angeordnet ist und einen dichten, gleichmäßigen und nicht festhaftenden Sitz zwischen dem Hauptrahmen und der zugehörigen Ofentürleibung gewährleistet. Die Dichtungsvorrichtung enthält dabei ein dichtendes Schneidelement, das auf dem Hauptrahmen so angeordnet ist, dass es sich entlang der zugehörigen Türleibung erstreckt, und ferner eine Stütz- oder Trägervorrichtung, die am Hauptrahmen der Tür angeordnet ist und eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausübt. Die Trägeranordnung (d.h. die Trägervorrichtung ) weist dabei ein Dichtungskantenträgerelement auf, das am Hauptrahmen befestigt ist und von diesem vorspringt und mit dem dichtenden Schneidelement in der Nähe seines freien Endes verbunden ist. Das dichtende Schneidelement ist so angeordnet, dass es mit der zugehörigen Türleibung unter einem Winkel in Verbindung tritt, den die Anmeldeunterlagen mit beispiels- weise etwa 25° beziffern. Bei Verriegelung der Tür am Ofen wird die Dichtungskante gegen die Türleibung gedrückt, um die gewünschte Dichtung zu erzielen.
20
b) Innerhalb dieser allgemeinen Lehre hält sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents.
21
aa) Die vom Bundespatentgericht als nicht offenbart angesehene Elastizität der Federmembran (20) ist in der ursprünglichen Beschreibung Seite 7 f. nicht angesprochen. Daher stellt sie zunächst eine Einschränkung gegenüber der ursprünglich offenbarten Lehre dar. Die zusätzlich in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4 sind jedoch in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart. Dies folgt insbesondere aus der ursprünglich eingereichten Figur 10 und der Beschreibung, namentlich Seite 11. Diese Figur zeigt die Federmembran (nach der ursprünglichen Beschreibung Seiten 11, 13, 16, 17 "Membran"; Seiten 17, 19, 20 "Feder", "Blattfeder") (20), die über den Abschnitt 46 und das Abstandsstück 26 am Türrahmen 16 (mit der Grundplatte 32; vgl. ursprüngliche Unterlagen S. 11) befestigt ist. Dass die Federmembran zusammen mit den weiteren Abschnitten 44 und 46 kragarmartig vom Türrahmen vorspringt und eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenfläche aufweist, ist unmittelbar der Figur 10 jedenfalls dann zu entnehmen, wenn man die Membran 20 und die Abschnitte 44 und 46 als Einheit ansieht, was sich aus der Figur 10 allerdings nicht unmittelbar ergibt. Für einen Fachmann, einen Diplomingenieur des Maschinenbaus, folgt die Möglichkeit , diese Teile als Einheit auszubilden, nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen jedoch aus der ursprünglichen Offenbarung , wo es heißt, dass das Schneidelement so auf dem Hauptrahmen angeordnet ist, dass eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausgeübt wird (S. 7 3. Abs.). Darüber , dass sich die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 unmittelbar der Figur 10 entnehmen lassen, besteht kein Streit; der Senat ist hiervon auch überzeugt.

22
Darauf, ob sich Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung auch im Übrigen an das in den Figuren dargestellte Ausführungsbeispiel und an dessen Beschreibung auf Seite 10 ff. der Anmeldeunterlagen hält, kommt es für die Beurteilung der Erweiterung nicht an. Denn der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen , um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen (Sen.Urt. v. 21.10.2003 - X ZR 220/99, Umdruck S. 21, unter Hinweis auf Sen.Beschl. v. 23.01.1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126= GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer). Hierzu bestand vorliegend schon deshalb kein Anlass, weil die Offenbarung auf Seite 7 f. der ursprünglichen Unterlagen einen allgemeineren Gegenstand betraf. Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren wäre es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden (vgl. Senat - Spleißkammer aaO).
23
bb) Eine Einschränkung des Inhalts, dass die ursprünglichen Unterlagen das Dichtelement als starres Element offenbarten, wie sie das Bundespatentgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellt hat, ist der ursprünglichen Offenbarung auf Seite 7 f. nicht zu entnehmen. Die Frage, ob das Ausführungsbeispiel ein starres Element betrifft, beschränkt den Offenbarungsgehalt der weiter gefassten ursprünglichen Unterlagen nicht. Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung nachdrücklich bestätigt hat, geht eine Differenzierung zwischen einem aus den Teilen mit den Bezugszeichen 46, 44 und 48 gebildeten festen Rahmen und einem federelastischen Element an der technischen Wirklichkeit vorbei. Mit Blick auf den Zweck der Vorrichtung müsse sich auch der Rahmen auf Grund der aufgewendeten Kräfte verformen, um eine hinreichende Abdichtung zu gewährleisten und bei Wegnahme der Kräfte in seinen Ausgangszustand zurück- kehren; der Sachverständige hat dies überzeugend als einen Vorgang der Elastizität im Gegensatz zu einer zu dauerhaften Veränderungen führenden Verformung bezeichnet.
24
Diesen erkennbar von Sachkunde getragenen Folgerungen des gerichtlichen Sachverständigen tritt der Senat bei. Auch sie entziehen der allein die Annahme der Erweiterung tragenden Feststellung des Bundespatentgerichts die Grundlage, dass die Dichtungsvorrichtung 18 nach den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine relativ starre Konstruktion darstelle, während nach Patentanspruch 1 des erteilten Streitpatents die Dichtungsvorrichtung nicht mehr starr sei.
25
cc) Die Frage, ob auch eine Ausführungsform, bei der die Federmembran (20) mit dem Abschnitt 46 in einem einzigen Teil zusammenfällt, eine Benutzung des Streitpatents darstellt, betrifft allein die Prüfung der Patentverletzung und ist im Nichtigkeitsverfahren nicht zu erörtern.
26
V. Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe, sind in der Berufungsverhandlung nicht mehr geltend gemacht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben.
27
Sie folgen insbesondere nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass der Begriff "Spannrahmen" in den ursprünglichen Unterlagen nicht enthalten sei. Die Aufnahme eines nicht ursprungsoffenbarten Begriffs stellt nämlich - anders als die Aufnahme eines nicht ursprünglich offenbarten technischen Merkmals - dann keine unzulässige Änderung dar, wenn die entsprechende technische Lehre selbst offenbart war.
28
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2001 - 3 Ni 39/00 -

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 172/04 Verkündet am:
31. Mai 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zerfallszeitmessgerät
Unterzeichnet der Vorsitzende das Protokoll, das die Verkündung eines Urteils beurkundet
, erst nach Ablauf von fünf Monaten nach dem Verkündungstermin, bleibt die bis zu
diesem Zeitpunkt mangels einer in der Form des § 165 ZPO nachweisbaren Verkündung
fristgerechte Berufung weiterhin zulässig.
Der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters ist nach gleichen Grundsätzen zu bestimmen
wie der Schutzbereich eines Patents.
EPÜ Art. 69 Abs. 1; PatG § 14; GebrMG § 12a
Der Schutzbereich eines Patents oder Gebrauchsmusters umfasst keine Unter- oder Teilkombinationen
der Merkmale der beanspruchten technischen Lehre.
Hat das Berufungsgericht eine Auslegung des Patent- oder Schutzanspruchs unterlassen,
ist für eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts aufgrund einer eigenen Auslegung
des Anspruchs regelmäßig kein Raum.
BGH, Urt. v. 31. Mai 2007 - X ZR 172/04 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. September 2004 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger war Inhaber des am 1. Dezember 1994 angemeldeten und nach Erlass des Berufungsurteils durch Ablauf der Höchstschutzdauer erloschenen deutschen Gebrauchsmusters 94 19 245 (Klagegebrauchsmusters), dessen Eintragung am 9. März 1995 bekanntgemacht worden ist. Schutzanspruch 1 lautet: "Automatisches Zerfallszeit-Messgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees, bestehend aus einem in einem mit einem Flüssigkeitsvolumen versehenen Becherglas (70) angeordneten korbartigen Gestell (10) zur senkrechten Halterung einer Anzahl von beidseitig offen ausgebildeten und mit ihren bodenseitigen Öffnungen auf einer siebplattenartig ausgebildeten Bodenplatte (11) stehenden Glasröhren (30, 31), wobei die Bodenplatte (11) des korbartigen Gestells (10) eine der Anzahl der aufzunehmenden Glasröhren (30, 31) entsprechende Anzahl von in etwa den Abmessungen der bodenseitigen Öffnungen der Glasröhren (30, 31) entsprechenden kreisförmigen Siebplatten (40, 41, 42, 43, 44, 45) als Standflächen für die Glasröhren (30, 31) aufweist, wobei jede Siebplatte (40 bis 45) aus zwei Strom durchflossenen , Elektroden bildenden Drahtgeflechtshälften (40a, 40b; 41a, 41b; 42a, 42b; 43a, 43b; 44a, 44b; 45a, 45b) besteht, die unter Ausbildung eines eine geringe Breite aufweisenden Schlitzes (51, 52, 53, 54, 55) in einem Abstand voneinander angeordnet sind und wobei jede Glasröhre (30, 31) einen mittels eines in dem Glasrohrinnenraum liegenden Schwimmers (60), der auf seiner den Drahtgeflechtshälften (40a, 40b bis 45a, 45b) der Siebplatten (40 bis 45) zugekehrten Unterseite (61) ein Kontaktelement aufweist, mit senkrechten Durchbohrungen oder außenrandseitigen Einschnitten abgedeckten Prüfling (T) aufnimmt, einem Mikroprozessor (80) zur Erfassung und Auswertung der unterschiedlichen Widerstände zwischen den unüberbrückten und mittels des Kontaktelements eines jeden Schwimmers überbrückten Drahtgeflechtshälften-Elektroden, einer das Gestell mit den Glasröhren (30, 31) in dem Becherglas (70) in vorgegebenen Zeiteinheiten auf- und abbewegenden Antriebseinrichtung (15) und einem elektronischen Signalgeber, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Siebplatten (40 bis 45) jeweils einen außenseitig umlaufenden , durch den Schlitz (50 bis 55) getrennten Ring (40''') aus elektrisch leitfähigem Material aufweisen und dass das Kontaktelement als Kontaktgerüst (61) aus elektrisch leitfähigem Material mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Ringes (40''') ausgebildet ist, wobei das Kontaktgerüst (61) in den Schwimmer (60) integriert ist."
2
Der Kläger beanstandet zwei von den Beklagten zu 2 und 3, deren Geschäfte vom Beklagten zu 1 geführt werden, hergestellte und vertriebene Messgeräte als gebrauchsmusterverletzend. Bei dem einen Gerät ist die Unterseite des Schwimmers mit einem Metallring versehen, bei dem anderen weist der Metallring zusätzlich drei rechteckige Kontaktspitzen auf. Der Kläger hat die Beklagten deswegen auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
3
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
4
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs haben die Parteien den Rechtsstreit in der Revisionsinstanz in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Übrigen verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits zu übertragen ist.
6
I. Das Berufungsgericht hat zu Recht in der Sache entschieden; die Berufung der Beklagten war zulässig.
7
1. Zu den Umständen des Erlasses und der Verkündung des landgerichtlichen Urteils hat das Berufungsgericht festgestellt: Zu dem vom Landgericht bestimmten Verkündungstermin hat ein nur von zwei Richtern unterschriebener Tenor des landgerichtlichen Urteils vorgelegen; über dessen Verkündung verhält sich ein Protokoll vom 20. Februar 2003, das nur mit der Paraphe des Vorsitzenden der Zivilkammer abgezeichnet worden und erst nachträglich im August 2004 von dem Vorsitzenden der Zivilkammer mit voller Namensunterschrift unterzeichnet worden ist. Das vollständige Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. Oktober 2003 und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. November 2003 zugestellt worden.
8
2. Die Berufung der Beklagten ist am 28. November 2003 bei Gericht eingegangen und nach Hinweis darauf, dass die absolute Berufungsfrist abgelaufen sein könnte, mit einem am 12. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Zugleich haben die Beklagten einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Darüber hinaus ergibt sich aus den Akten, dass das landgerichtliche Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen ist. In der mündlichen Verhandlung ist ein Verkündungstermin auf den 13. Februar 2003 bestimmt worden. In diesem Verkündungstermin ist ein Be- schluss verkündet worden, durch den der Verkündungstermin auf den 20. Februar 2003 ausgesetzt worden ist.
9
3. Das Berufungsgericht hat bei diesem Sachverhalt angenommen, die fehlende Protokollierung der Verkündung habe bis zum Abschluss der Berufungsinstanz nachgeholt werden können, was im August 2004 auf die Nachfrage des Senats hin geschehen sei. Die Nachholung der Protokollierung führe nicht dazu, dass die Berufung nunmehr als nicht mehr fristgemäß erfolgt zu bewerten sei. Möglicherweise habe ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen. Der Senat bevorzuge aber eine Lösung nach den Grundsätzen, wie sie in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 108/95, NJW 1996, 1669) niedergelegt seien. Danach brauche eine Berufung gegen ein Scheinurteil nicht wiederholt zu werden, wenn das Urteil später Wirksamkeit erlange. Hier habe die Nachholung der Unterschrift zwar möglicherweise bewirkt , dass das Urteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der protokollierten Verkündung wirksam geworden sei. Dies ändere aber nichts daran, dass es überhaupt erst mit ordnungsgemäßer Unterzeichnung des Protokolls als Urteil existent geworden sei. Jedenfalls gelte der allgemeine Rechtsgedanke, dass Fehler des Gerichts nicht zu einer Benachteiligung der Parteien führen sollten, weshalb in dem anhängigen Verfahren eine Sachprüfung durchzuführen sei.
10
4. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
11
a) Nach § 310 ZPO wird das Urteil in einem anzuberaumenden Termin verkündet. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist die Verkündung eines Urteils im Protokoll festzustellen, wobei das Protokoll vom Vorsitzenden und vom Urkundsbeamten zu unterschreiben ist (§ 163 Abs. 1 ZPO). Die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 ZPO). Hier ist das Protokoll bei der Verkündung nicht unterschrieben worden. Es lag zudem nur eine Urteilsformel vor, die von nur zwei Richtern unterschrieben war. Das Urteil muss jedoch, wenn es in einem Verkündungstermin verkündet wird, nach § 310 Abs. 2 ZPO in vollständiger Form abgefasst sein. Dazu gehören nach § 315 Abs. 1 ZPO die Unterschriften der Richter, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, und nach § 313 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 ZPO der Tatbestand und die Entscheidungsgründe. Die Verlautbarung des Urteils hat daher an mehreren Formfehlern gelitten.
12
b) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 14. Juni 1954 (BGHZ 14, 39) stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlasse eines Urteils jedoch nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ 14, 39, 44 f.). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet worden sind. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist etwa eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch bestimmten Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform erfüllt. Auf die Frage, ob in diesem Sinne eine zwar fehlerhafte, aber doch wirksame Verkündung vorliegt, ist es ohne Einfluss, wenn nur zwei Richter das verkündete Urteil unterschrieben haben. Das Urteil ist dann im Fall seiner Verkündung existent geworden, wenngleich möglicherweise anfechtbar (BGHZ 137, 49, 52). Ein Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn es in dem zur Verkündung anberaum- ten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils (BGH, Beschl. v. 29.9.1998 - KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144).
13
c) Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass das Protokoll, durch das allein die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten bewiesen werden kann, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst nach Ablauf der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO unterschrieben worden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Berufung jedenfalls zulässig , denn mangels Protokollierung fehlte es an einer wirksamen Verkündung. Der Senat lässt offen, ob die Unterzeichnung des Protokolls noch nach Ablauf der Fünfmonatsfrist rechtlich zulässig war und rückwirkend die Verkündungsmängel beseitigte und damit Beweis für die im angegebenen Termin erfolgte Verkündigung erbrachte. Jedenfalls konnte durch die durch die Nachholung der Unterschrift auf dem Verkündungsprotokoll nachträglich bewirkte Protokollierung der Verkündung der Zulässigkeit der Berufung nicht die Grundlage entzogen werden. Auf eine Nachholung der Unterschrift mit der Folge, dass damit die Berufung verfristet und infolge dessen unzulässig wurde, konnten sich die Berufungskläger nicht einstellen. Sie mussten hiermit auch nicht rechnen und konnten dem durch die ihnen allenfalls zuzumutende Einholung von Erkundigungen oder die Einsicht in die Gerichtsakten auch nicht entgehen.
14
II. In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, weil die beanstandete Ausführungsform vom Gegenstand des Klagegebrauchsmusters weder wortsinngemäß noch im Sinne einer unvollkommenen Benutzung oder unter dem Gesichtspunkt des Teilschutzes Gebrauch mache. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
15
1. Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein automatisches Zerfallszeitmessgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees. Das Gerät besteht aus einem Becherglas, in das ein korbartiges Gestell eingestellt wird. Dieses dient zur Halterung einer Anzahl beidseitig offener Glasröhren in senkrechter Lage. Die Glasröhren stehen mit ihren bodenseitigen Öffnungen auf einer siebplattenartigen Bodenplatte des korbartigen Gestells. Die Bodenplatte hat eine der Anzahl der aufzunehmenden Glasröhren entsprechende Anzahl kreisförmiger Öffnungen. Diese entsprechen in ihren Abmessungen den Maßen der aufzunehmenden Röhren und sind als Siebplatten ausgebildet. Jede Siebplatte besteht aus zwei Siebplattenhälften. Die Hälften sind durch einen Schlitz von geringer Breite in einem Abstand voneinander angeordnet und von Strom durchflossen. Jede der Glasröhren hat in ihrem Innenraum einen Schwimmer. Dieser hat auf seiner der Siebplatte zugekehrten Unterseite ein Kontaktelement. Der Schwimmer hat senkrechte Durchbohrungen oder außenseitige Einschnitte zur Aufnahme des Prüflings. Die Vorrichtung ist weiter mit einem Mikroprozessor ausgestattet, der die unterschiedlichen Widerstände zwischen den unüberbrückten und den mittels des Kontaktelements eines jeden Schwimmers überbrückten Siebplattenhälften-Elektroden erfasst und auswertet.
16
Die Gebrauchsmusterunterlagen beschreiben entsprechende im Stand der Technik bekannte Zerfallszeitmessgeräte, z.B. das aus der deutschen Patentschrift 33 25 739 bekannte Gerät. Jeder Schwimmer hat auf seiner Unterseite eine Kontaktplatte. Zum Zerfallszeitpunkt liegt der Schwimmer plan auf der zweigeteilten Siebplatte auf und überbrückt zur Bestimmung des Zerfallszeitpunkts die beiden Hälften elektrisch. Die Beschreibung bezeichnet es als problematisch , dass sich bei Tabletten, die mit einem Lackfilm überzogen sind, der ungelöste Lackfilm zwischen den Siebplattenhälften und dem Schwimmer fest- setze und einen elektrischen Kontakt der Siebplatten untereinander verhindern könne. Vor diesem Hintergrund gibt die Beschreibung als Aufgabe der Erfindung an, ein automatisches Zerfallszeitmessgerät für die pharmazeutische Qualitäts- und Produktionskontrolle von Tabletten und Dragees zu schaffen, das (auch) die Zerfallszeitmessung von "befilmten" Arzneimitteln erlaubt (S. 5 Abs. 2). Das Klagegebrauchsmuster schlägt dazu vor, bei einem Messgerät der bekannten Art die Siebplatten mit einem außenseitig umlaufenden Ring auszustatten , der durch einen Schlitz getrennt ist und aus elektrisch leitfähigem Material besteht, und als Kontaktelement ein in den Schwimmer integriertes Kontaktgerüst aus elektrisch leitfähigem Material mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Rings zu verwenden.
17
Die Beschreibung erläutert diese Lösung dahin, dass die Auflagepunkte durch Kontaktärmchen an den Enden des Kontaktgerüsts gebildet würden, die besonders zur Kontaktierung geeignet seien, da sie aufgrund ihrer geringen Auflagefläche in der Lage seien, sich bei verbleibenden Filmresten zwischen Kontaktgerüst und umlaufendem Ring durch den Film zu drücken und einen Kontakt herzustellen. Vorteilhafterweise soll das Kontaktgerüst als Kreuz bzw. Dreibein ausgebildet sein, dessen Außenmaße derart bemessen sind, dass es mit allen Enden bzw. den Kontaktärmchen auf dem umlaufenden Ring aufliegen kann. Das Kontaktgerüst sei dabei derart in den Schwimmer eingearbeitet, dass dieser eine ebene Unterseite aufweise und nur die Kontaktärmchen aus der Unterseite herausragten. Durch diese (bevorzugte) Ausgestaltung bestehe zwischen Siebplatte und Kontaktgerüst ein Zwischenraum, in dem die Hülle der aufgelösten Tablette verbleiben könne, ohne die Kontaktierung zur Feststellung der Zerfallszeit zu verhindern.
18
Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 4 der Gebrauchsmusterunterlagen zeigen ein Ausführungsbeispiel.


19
2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Siebplatten der angegriffenen Ausführungsformen seien nicht mit einem außenseitig umlaufenden Ring versehen. Das Klagegebrauchsmuster sei deshalb, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, nicht wortsinngemäß benutzt. Die beanstandeten Ausführungsformen verletzten das Klagegebrauchsmuster auch nicht im Sinne einer ver- schlechterten Ausführungsform. Zwar solle unterstellt werden, dass der angestrebte Erfolg im Wesentlichen erreicht werde, da auf der Hand liege, dass der elektrische Kontakt bei verbleibenden Filmresten jedenfalls besser ausgelöst werden könne, wenn ein Ring an der Unterseite des Schwimmers vorgesehen sei, als wenn der Schwimmer mit der flächigen Kontaktplatte ausgestattet sei. Jedoch könne eine unvollkommene Benutzung nur dann schutzrechtsverletzend sein, wenn alle Merkmale der Erfindung identisch oder äquivalent benutzt würden. Dies sei nicht der Fall, da die angegriffenen Ausführungsformen keinen die Siebplatten umlaufenden Ring aufwiesen. Eine Gebrauchsmusterverletzung komme daher nur noch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer Teilkombination in Betracht, der jedoch jedenfalls dann ausscheide, wenn die besondere Bedeutung des nicht verwirklichten Merkmals in der Patentschrift besonders hervorgehoben werde. So verhalte es sich mit dem Merkmal des die Siebplatten außenseitig umlaufenden Rings, dessen Bedeutung in den Gebrauchsmusterunterlagen an verschiedenen Stellen hervorgehoben werde. Auch die funktionale Bezogenheit der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Schutzanspruchs 1 mache deutlich, dass der umlaufende Ring ein wesentliches Element des Gegenstands des Klagegebrauchsmusters sei. Selbst wenn der Fachmann erkenne, dass das von dem Erfinder erkannte technische Problem in etwa gleichwirkend auch bei Weglassen des Rings erreicht werden könne, dürfe der Schutz des Gebrauchsmusters mit Rücksicht auf das Gebot der Rechtssicherheit dennoch nicht durch Weglassen dieses erfindungswesentlichen Merkmals erweitert werden.
20
3. Die Revision rügt, das Berufungsgericht gehe fehlerhaft davon aus, dass eine äquivalente ebenso wie eine identische Benutzung die wortsinngemäße Verwirklichung aller Merkmale des Schutzanspruchs voraussetze. Da das Berufungsgericht annehme, die angegriffenen Ausführungsformen erreich- ten im Wesentlichen den erfindungsgemäßen Erfolg, halte es ersichtlich die im Schutzanspruch genannten Lösungsmittel Kontaktpunkte und Siebplatte mit umlaufendem Ring und die von den Beklagten verwendeten Austauschmittel Kontaktpunkte bzw. -ring und durchgängige Siebplatte für gleichwirkend. Aufgrund seiner weiteren Annahme, dass der Fachmann diese Gleichwirkung auch als solche erkenne, hätte das Berufungsgericht auf eine äquivalente Verletzung erkennen müssen. Ein unter Umständen schlechterer Wirkungsgrad der angegriffenen Ausführungsformen ändere daran nichts. Das Berufungsgericht habe ferner die Voraussetzungen eines Teilschutzes verkannt. Nach der Senatsentscheidung "Beheizbarer Atemluftschlauch" (BGHZ 115, 204) komme es für die Frage, ob ein Teilschutz gewährt werde, nur dann auf die Abwägung zwischen Schutzinteresse des Erfinders und der Rechtssicherheit für Dritte an, wenn bei der angegriffenen Ausführungsform ein Merkmal ersatzlos fehle, das als einziges zur Lösung einer eigenständigen Aufgabe diene. Der bei den angegriffenen Ausführungsformen fehlende umlaufende Ring diene jedoch lediglich der Erhöhung des Wirkungsgrades der Erfindung und sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für das Klagegebrauchsmuster nicht kennzeichnend und erst recht kein wesentliches Merkmal der Erfindung. Vielmehr sei der umlaufende Ring integraler Bestandteil der Siebplatte, die bei beiden angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht sei. Zur Klärung der für die Auslegung des Klagegebrauchsmusters wesentlichen Frage, ob die Ausgestaltung der Siebflächen mit einem umlaufenden Ring für die Lösung der Aufgabe von Bedeutung ist, wäre das Berufungsgericht zur Einholung des von beiden Parteien angebotenen Sachverständigengutachtens gehalten gewesen.
21
4. Die Angriffe der Revision sind ganz überwiegend unbegründet. In einem entscheidenden Punkt hält das Berufungsurteil jedoch der Nachprüfung nicht stand.

22
a) Nicht zu beanstanden ist es, dass das Berufungsgericht eine wortsinngemäße Benutzung des Klagegebrauchsmusters verneint hat. Zwar erfordert eine solche Beurteilung grundsätzlich, dass zunächst der Gegenstand des Schutzanspruchs ermittelt wird, indem dieser Anspruch unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird (st. Rspr., s. nur Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ bestimmt). Im Streitfall kann jedoch nicht zweifelhaft sein, dass die angegriffenen Ausführungsformen keinen die Siebplatten umlaufenden Ring aufweisen; auch die Revision erhebt insoweit keine Rügen.
23
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters unter dem Gesichtspunkt des Teilschutzes ausgeschlossen.
24
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusters wird - nicht anders als der Gegenstand eines Patents durch den Patentanspruch - durch den Schutzanspruch bestimmt, in dem anzugeben ist, was durch die Eintragung des Gebrauchsmusters unter Schutz gestellt werden soll (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 GebrMG). Der Inhalt der Schutzansprüche, zu dessen Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind, bestimmt auch den Schutzbereich des Gebrauchsmusters (§ 12a GebrMG).
25
Aus dem gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehenden Gebot der Rechtssicherheit leitet der Senat dabei in ständiger Rechtsprechung ab, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patent- oder Schutzansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Ansprüchen auszurichten (s. nur BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
26
Für die Bestimmung des Schutzbereichs von Ansprüchen, die Zahlenoder Maßangaben enthalten, hat der Senat hervorgehoben, dass solche Angaben an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teilnehmen. Die Aufnahme von Zahlenoder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, dass sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (BGHZ 150, 149, 155 - Schneidmesser I). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt vielmehr den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (BGHZ 150, 149, 156 - Schneidmesser I). Ebenso gilt für die Bestimmung eines über den technischen Sinngehalt des Anspruchs hinausreichenden Schutzbereichs, dass im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maßangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf deshalb vom Sinngehalt der Zahlen- und Maßangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert aufgrund von Überlegungen , die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientie- ren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muss deshalb die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingrenzung des objek tiven, erfindungsgemäß zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden (BGHZ 150, 149, 157 - Schneidmesser I). Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die als eine solche auffindbar ist, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäßig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige, die anspruchsgemäß der zahlenmäßigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfasst.
27
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs darf deshalb die anspruchsgemäße Wirkung nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, dass die erfindungsgemäße Wirkung im Übrigen aus fachmännischer Sicht unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschließt sich kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus (BGHZ 150, 149, 158 f. - Schneidmesser I). Die anspruchsgemäße Wirkung des zahlenmäßig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall durch die (genaue) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, dass aus fachmännischer Sicht auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennbar ist.
28
Der Senat hat in diesem Zusammenhang ferner hervorgehoben, dass der Anmelder nicht immer den vollen technischen Gehalt einer Erfindung erkennen und ausschöpfen wird. Beschränkt sich ein technisches Schutzrecht bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt gleichwohl darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Schutzrechtsinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen (BGHZ 150, 149, 159 - Schneidmesser I).
29
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass Gegenstand und Schutzbereich eines technischen Schutzrechts, die nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden können, ebenso wenig und erst recht nicht unter Außerachtlassung einzelner räumlichkörperlich oder funktional definierter Merkmale des Anspruchs bestimmt werden dürfen. Dies liefe darauf hinaus, der Schutzbereichsbestimmung nicht den erteilten Patentanspruch oder den der Eintragung zugrunde gelegten Schutzanspruch des Gebrauchsmusters zugrunde zu legen, sondern einen fiktiven Anspruch , der aus der Kombination lediglich einzelner Merkmale des Anspruchs besteht. Damit verlöre der Anspruch seine Bedeutung als maßgebliche Grundlage der Schutzbereichsbestimmung zugunsten eines aus der Beschreibung abgeleiteten allgemeineren Erfindungsgedankens alten Rechts. Mit Art. 69 EPÜ wäre dies ebenso wenig vereinbar wie mit den - in gleicher Weise auszulegenden - nationalen Schutzbereichsnormen in § 14 PatG und § 12a GebrMG.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 24. September 1991 (BGHZ 115, 204 - Beheizbarer Atemluftschlauch). Dort hat der Senat vielmehr ausdrücklich offengelassen, ob unter der Geltung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ ein patentrechtlicher Teilschutz anzuerkennen ist (BGHZ 115, 204, 207).
31
Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob es sich bei der im Schutzanspruch 1 enthaltenen Anweisung, die Siebplatten jeweils mit einem außenseitig umlaufenden, durch den Schlitz getrennten Ring aus elektrisch leitfähigem Material zu versehen, um ein "wesentliches" Merkmal der Erfindung handelt, kommt es somit nicht an. Da der Schutzanspruch den Ring vorschreibt, kann er vielmehr nur durch eine Ausführungsform verletzt werden, die entweder - wie nicht - einen solchen Ring im Wortsinn des Anspruchs aufweist oder sich eines gleichwertigen Ersatzmittels bedient.
32
Ebenso unerheblich ist das Vorbringen der Revision, der umlaufende Ring diene lediglich der Erhöhung des Wirkungsgrades der Erfindung und sei für das Klagegebrauchsmuster "nicht kennzeichnend". Ebenso wenig wie eine zahlenmäßige Eingrenzung eines Merkmals der Erfindung darf ein Merkmal, das den Wirkungsgrad eines Elements der geschützten Lehre näher bestimmt, bei der Bestimmung des Gegenstands und des Schutzbereichs der Erfindung außer Acht bleiben.
33
c) Zu Recht bemängelt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht auch eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters mit vom Wortsinn des Anspruchs abweichenden Mitteln verneint, obwohl es andererseits zugunsten des Klägers unterstellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen den erfindungsgemäßen Erfolg jedenfalls im Wesentlichen erreichen.
34
Die Einbeziehung einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführungsform in den Schutzbereich eines Patents setzt nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I) dreierlei voraus: 1. Das der Erfindung zu Grunde liegende Problem muss mit zwar abgewandelten , aber objektiv gleichwirkenden Mitteln gelöst werden. 2. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. 3. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Diese Voraussetzungen gelten für eine Gebrauchsmusterverletzung mit gleichwertigen Mitteln gleichermaßen.
35
Die erste Voraussetzung hat das Berufungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, die beiden weiteren hat es nicht geprüft. Für die Verneinung einer äquivalenten Verletzung bietet das Berufungsurteil damit keine ausreichende Grundlage.
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5. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Weder kann ausgeschlossen werden, dass die - unterstellt - gleichwirkende Lösung für den Fachmann auffindbar war, noch lässt sich die notwendige Orientierung am Schutzanspruch verneinen, da dessen Sinngehalt nicht ermittelt ist (dazu nachfolgend zu 6).
37
6. Ebenso wenig kann der Senat selbst im Sinne einer Klageabweisung entscheiden. Auch dem steht entgegen, dass das Berufungsgericht den Sinngehalt des Patentanspruchs nicht ermittelt hat.
38
Zwar kann das Revisionsgericht die Auslegung eines Schutzanspruchs grundsätzlich selbst vornehmen, weil die Auslegung Rechterkenntnis und demgemäß nicht dem Tatrichter vorbehalten ist (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild BGHZ 160, 204, 212 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; Sen.Urt. v. 13.2.2007 - X ZR 74/05, Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Wie jede Auslegung wird jedoch auch die Auslegung des Schutzanspruchs auf tatsächlicher Grundlage getroffen, zu der neben den objektiven technischen Gegebenheiten auch ein bestimmtes Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen sowie Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und methodische Herangehensweise dieser Fachleute gehören, die das Verständnis des Anspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Denn zu ermitteln ist, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt (Sen.Urt. "Kettenradanordnung", aaO; Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ bestimmt; Melullis, Festschrift für Eike Ullmann, S. 503, 512 f.).
39
Hat der Tatrichter keine eigene Auslegung des Patentanspruchs oder Schutzanspruchs vorgenommen, fehlt dem Revisionsgericht regelmäßig die Grundlage für die Prüfung, ob sämtliche notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Auslegung rechtsfehlerfrei festgestellt sind und ob bei erneuter Prüfung durch das Berufungsgericht ergänzende tatrichterliche Feststellungen zu erwar- ten sind. Auch ist den Parteien in einem solchen Fall die Möglichkeit verschlossen , die für die Anspruchsauslegung relevanten tatsächlichen Annahmen als verfahrensfehlerhaft getroffen oder unvollständig zu rügen. Die fehlende Auslegung des Anspruchs durch das Berufungsgericht erfordert daher in der Regel die Zurückverweisung der Sache.
40
Im Streitfall enthält das Berufungsurteil keine hinreichenden Ausführungen zu der Frage, welche technische Funktion das Klagegebrauchsmuster dem die Siebplatten umlaufenden Ring einerseits und dem Kontaktgerüst mit mindestens drei Kontaktpunkten zur Kontaktierung des umlaufenden Ringes andererseits beimisst. Das Berufungsgericht bemerkt lediglich, der angestrebte Erfolg werde im Wesentlichen erreicht, wenn der Schwimmer mit einem Ring anstatt mit einer flächigen Kontaktplatte ausgestattet werde, und führt im Zusammenhang mit der Erörterung eines Teilschutzes aus, der die Siebplatten umlaufende Ring diene dazu, von den Kontaktpunkten kontaktiert zu werden. Damit bleibt unklar, ob die erfindungsgemäße Ausgestaltung von Siebplattenring und Kontaktpunkten lediglich der zuverlässigen Ausgestaltung des elektrischen Kontaktes oder auch der Herstellung eines Freiraumes zwischen Schwimmer und Siebplatte zur Aufnahme des Tablettenfilms dient und welche Vorgaben der Schutzanspruch an die räumlich-körperliche Ausgestaltung der diesem Zweck oder diesen Zwecken dienenden Mittel stellt. Der Senat kann nicht ausschließen , dass bei der Klärung dieser Fragen tatrichterliche Feststellungen Bedeutung gewinnen.
41
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
42
1. Die Prüfung, ob eine angegriffene Ausführungsform das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit gleichwertigen Mitteln löst, erfordert zu- nächst die Ermittlung des Sinngehalts der Schutzansprüche und der Wirkungen , die mit den anspruchsgemäßen Merkmalen - je für sich und in ihrer Gesamtheit - erzielt werden, sowie die tatrichterliche Feststellung, ob und gegebenenfalls mit welchen konkreten, vom Wortsinn des Anspruchs abweichenden Mitteln diese Wirkungen von der angegriffenen Ausführungsform erreicht werden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I; Sen.Urt. v. 25.10.2005 - X ZR 136/03, GRUR 2006, 311, 312 - Baumscheibenabdeckung; Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 315 - Stapeltrockner).
43
2. Das Berufungsgericht wird daher zunächst den Sinngehalt des Schutzanspruchs zu klären haben.
44
Das Landgericht hat angenommen, die im Schutzanspruch genannten mindestens drei Kontaktpunkte des Kontaktgerüstes könnten auch durch eine Vielzahl von Kontaktpunkten verwirklicht werden, die "am Ende sogar einen Ring darstellen" könnten. Es hat dabei jedoch den Gesamtinhalt der Gebrauchsmusterunterlagen nicht erkennbar berücksichtigt. In der Beschreibung wird die erfindungsgemäße Lösung dahin erläutert, dass die mindestens drei möglichen "Auflagepunkte" auf dem umlaufenden Ring durch "Kontaktärmchen" an den Enden des Kontaktgerüstes gebildet werden, die aufgrund ihrer geringen Auflagefläche in der Lage seien, sich durch die Folie zu drücken. Auch wenn die Kontaktärmchen erst in Schutzanspruch 2 genannt werden, so könnte die Verwendung dieses Begriffs und die Zuweisung der Funktion, sich durch die Filmreste drücken zu können, in der allgemeinen Beschreibung der Erfindung doch darauf hindeuten, dass die Erfindung eine begrenzte Anzahl diskreter Kontaktpunkte voraussetzt, die durch einen umlaufenden Ring nicht bereitgestellt werden.
45
3. Sodann wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen oder auch nur diejenige, bei der der am Schwimmer angeordnete Ring mit Kontaktspitzen versehen ist, den erfindungsgemäßen Erfolg mit abweichenden, jedoch gleichwertigen Mitteln herbeiführen.
46
Bei dieser Prüfung wird zu beachten sein, dass unter erfindungsgemäßem Erfolg diejenige technische Wirkung zu verstehen ist, die aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns mit den einzelnen Merkmalen der Erfindung für sich und in ihrem funktionalem Zusammenwirken erzielt werden soll. Der erfindungsgemäße Erfolg darf daher nicht auf einen "Haupteffekt" reduziert werden, sondern kann gegebenenfalls einen komple xen Zusammenhang unterschiedlicher technischer Wirkungen umfassen. In diesem Zusammenhang wird sich das Berufungsgericht insbesondere mit der Wirkung und dem Zusammenwirken der Kontaktpunkte des Kontaktgerüsts und dem umlaufenden Ring um die Siebplatte zu befassen haben.
47
Sollte hiernach bei der einen oder anderen angegriffenen Ausführungsform die erforderliche Gleichwirkung zu bejahen sein, wird sich das Berufungsgericht die oben erwähnten beiden weiteren, zur Annahme der Gleichwertigkeit erforderlichen Fragen zu stellen haben.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.02.2003 - 315 O 370/02 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.09.2004 - 3 U 202/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 5/99
vom
20. Juni 2000
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend das deutsche Patent 37 19 728
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Rogge, die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen, und die Richterin
Mühlens
am 20. Juni 2000

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin gegen den am 3. Dezember 1998 verkündeten Beschluß des 11. Senats (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Die Patentinhaberin hat die Kosten der Rechtsbeschwerde mit Ausnahme der Kosten zu tragen, die der Einsprechenden III im Rechtsbeschwerdeverfahren entstanden sind.
Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerde wird auf 200.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 37 19 728 (Streitpatents), das auf einer unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 22. Mai 1987 getätigten Anmeldung vom 12. Juni 1987 beruht und dessen Erteilung am 4. April 1996 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent umfaßt 15 Ansprüche. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
"Verglasungsdichtung aus insbesondere gummielastischem Material , wie Elastomeren, und Kunststoffen, mit einem Basisteil, einer an dem Basisteil angeformten, der Wetterseite zugewandten, wulstartigen Dichtungslippe, einem an der gleichen Seite des Basisteils abstehenden und elastisch verformbaren Schenkel sowie einem Ankerfuß an der der Dichtlippe und dem Schenkel abgewandten Seite des Basisteils, bei der die Dichtlippe eine wesentlich größere Querschnittsdicke als der Basisteil und als der Schenkel aufweist und der Schenkel (3) vom Basisteil (1) oder von der Dichtlippe (2) in Richtung zur Rauminnenseite, d.h. der Dichtlippe (2) abgewandt, absteht."
Die Einsprechenden haben Einspruch eingelegt. Die Patentinhaberin hat das Streitpatent mit geänderten Ansprüchen verteidigt. Durch Beschluß vom 28. Mai 1998 hat das Deutsche Patentamt das Streitpatent widerrufen, weil der geltend gemachte Anspruch 1 gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert sei; weder das im erteilten Anspruch 1 enthaltene
Merkmal einer wulstartigen Dichtungslippe noch die im Einspruchsverfahren aufgenommene ergänzende Anweisung, hierfür nichtzelliges Material zu verwenden , seien aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen entnehmbar.
Gegen diesen Beschluß hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt und das Streitpatent mit einem erneut geänderten Anspruch 1 und hierauf rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 13 sowie mit einem Hilfsantrag verteidigt. Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag der Patentinhaberin soll danach lauten :
"Verglasungsdichtung aus gummielastischem nichtzelligen Material einer Härte zwischen 30 und 70 IRHD, mit einem Basisteil, einer an den Basisteil angeformten, der Wetterseite zugewandten, im wesentlichen dreieckförmigen Dichtungslippe mit abgerundeten Ecken, einem an der gleichen Seite des Basisteils abstehenden und elastisch verformbaren Schenkel sowie einem Ankerfuß an der der Dichtlippe und dem Schenkel abgewandten Seite des Basisteils , bei der die Dichtlippe eine wesentlich größere Querschnittsdicke als der Basisteil und als der Schenkel sowie einen Hohlraum etwa in ihrem Zentrum aufweist und die Querschnittsdicke bzw. -höhe der Dichtlippe (2) etwa doppelt bis dreifach so groß ist wie beim Basisteil (1), und bei der der Schenkel (3) vom Basisteil (1) oder von der Dichtlippe (2) in Richtung zur Rauminnenseite, d.h. der Dichtlippe (2) abgewandt, absteht."
Nach dem Hilfsantrag der Patentinhaberin soll die vorgeschlagene Dichtungslippe "wulstartig, im Querschnitt im wesentlichen dreieckförmig" sein.

Wegen der geänderten Fassung der übrigen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Durch Beschluß vom 3. Dezember 1998 hat das Bundespatentgericht das Rechtsmittel der Patentinhaberin zurückgewiesen (abgedruckt in Mitt. 1999, 269 ff.).
Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer - zugelassenen - Rechtsbeschwerde und beantragt,
den angefochtenen Beschluß des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Einsprechenden I und IV sind dem durch Einreichung eines Schriftsatzes entgegengetreten. Die Einsprechende III hat ihren Einspruch zurückgenommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. a) Das Bundespatentgericht hat sowohl den mit dem Hauptantrag als auch den mit dem Hilfsantrag verteidigten Patentanspruch 1 für unzulässig erweitert angesehen (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Dichtungs- bzw. Dichtlippe der vorgeschlagenen Verglasungsdichtung sei in den zur Anmeldung des Streitpatents ursprünglich einge-
reichten Unterlagen durchgängig als parallelogrammförmig bezeichnet. Diese Kennzeichnung sei im ursprünglichen Patentanspruch 1 und in weiteren Patentansprüchen wie in der ursprünglichen Beschreibung enthalten, und zwar dort auch in bezug auf die der Beschreibung beigefügten Figuren. Für den Fachmann sei im Hinblick auf die vorgeschlagene Dichtlippe in den ursprünglichen Unterlagen mithin eine dreieckige Form nicht in einer Weise offenbart, daß die nunmehr mit dem Hauptantrag beanspruchte Lehre von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein solle. Auch von einer wulstartigen Ausbildung der Dichtlippe sei weder in der ursprünglichen Beschreibung noch in den ursprünglichen Patentansprüchen die Rede. Außerdem werde in der Technik unter Wulst keine bestimmte geometrische Form verstanden. Die Kennzeichnung "wulstartig" könne mithin den ohnehin eindeutigen Begriff "parallelogrammförmig" nicht klarstellend ersetzen. Auch der hilfsweise begehrte Patentanspruch 1 sei deshalb nicht beständig. Dieses Schicksal teilten ferner die jeweils geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 13, weil ein selbständiger Schutz für sie nicht beansprucht sei.
Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

b) Im Einspruchs- und im Einspruchsbeschwerdeverfahren steht es dem Patentinhaber grundsätzlich frei, ob er auf vollständige Aufrechterhaltung des erteilten Streitpatents anträgt oder sein Patent mit eingeschränkten Patentansprüchen verteidigt. Sollen an Stelle von Merkmalen, die nach einem erteilten Patentanspruch seinen Gegenstand bestimmen, andere oder zusätzliche Merkmale aufgenommen werden, darf die Einfügung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 und § 38 PatG jedoch nicht dazu führen, daß mit dem nunmehrigen Patentanspruch ein Gegenstand beansprucht wird, von dem der Durchschnittsfachmann
aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein soll (Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204 - unzulässige Erweiterung).

c) Die Rechtsbeschwerde vertritt die Ansicht, daß eine unzulässige Erweiterung nicht gegeben sei, weil in der ursprünglichen Beschreibung alle zeichnerischen Darstellungen der Dichtlippe als Beispiele einer Gestaltung nach der angemeldeten Erfindung bezeichnet waren und weil die Rechtsbeschwerde glaubt, der Fig. 4 der ursprünglichen Unterlagen eine dreieckförmige Dichtlippe entnehmen zu können. Die Kennzeichnung der Dichtlippe als im Querschnitt im wesentlichen parallelogrammförmig sowohl im ursprünglichen Anspruchssatz als auch in der ursprünglichen Beschreibung sei deshalb unvollkommen ; mit der Kennzeichnung der Dichtlippe als im wesentlichen dreieckförmig habe die Patentinhaberin nur einen von mehreren durch unterschiedliche Ausführungsbeispiele ursprünglich offenbarten Gegenständen treffend kennzeichnen und beanspruchen wollen.

d) Dem kann nicht beigetreten werden. Die Rechtsbeschwerde verkennt, daß zum Bereich der dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellungen auch die Frage gehört, wie der Durchschnittsfachmann die Darstellung des Gegenstandes der Erfindung in Beschreibung und Zeichnungen versteht. Diese vom Senat seiner Rechtsprechung bei Revisionen in Patentverletzungsprozessen zugrunde gelegte Erkenntnis (BGHZ 142, 7 - Räumschild, m.w.N.), gilt gleichermaßen für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Da auch in diesem Verfahren nur eine Überprüfung der von der Vorinstanz getroffenen Entscheidung auf Rechtsfehler hin erfolgt (§ 101 Abs. 2 PatG), ist der Senat im vorliegenden Fall an die Feststellungen des Bundespatentgerichts gebunden, der die Figuren der
ursprünglichen Anmeldungsunterlagen betrachtende Fachmann stelle hinsichtlich der Form der Dichtlippe keinerlei weitere Überlegungen an, weil im ursprünglichen Patentanspruch 1, weiteren Patentansprüchen und in der ursprünglichen Beschreibung die Dichtlippe durchgängig als parallelogrammförmig bezeichnet sei; eine parallelogrammförmige Dichtlippe gehe außerdem aus den ursprünglichen Fig. 1 bis 3 ohne weiteres sowie in Anlehnung daran auch aus den ursprünglichen Fig. 4 bis 6 hervor; der Fachmann erkenne deshalb nicht, daß der mit dem Hauptantrag beanspruchte Gegenstand von dem ursprünglichen Schutzbegehren umfaßt sein solle. Denn die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, daß das Bundespatentgericht zu dieser Feststellung unter Verletzung des Gebots, sich mit dem Prozeßstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen oder unter Verletzung von Denk-, Natur- oder Erfahrungssätzen gelangt ist. Das Bundespatentgericht hat die von der Rechtsbeschwerde in den Vordergrund ihrer Rechtsmittelbegründung gestellte ursprüngliche Fig. 4 nicht übersehen. Es ist auch durchaus nachvollziehbar, die in Fig. 4 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gezeigte Dichtlippe als ebenfalls parallelogrammförmig anzusehen. Denn sie ist in den sich mit dieser Figur befassenden Teilen der ursprünglichen Beschreibung nicht nur ausdrücklich als parallelogrammförmig bezeichnet; es heißt dort außerdem, daß der Schenkel 3 als Fortsetzung der Dichtlippe an einer Ecke derselben ausgeformt sei. Dies spricht eher gegen die von der Rechtsbeschwerde für richtig gehaltene Deutung und für die vom Bundespatentgericht getroffene Feststellung. Denn nach dieser Textstelle der ursprünglichen Beschreibung kann entgegen der durch die farblich angelegte Skizze gemäß Anl. Jo 1 verdeutlichten Meinung der Rechtsbeschwerde das untere basisnahe Material der in Fig. 4 gezeigten Verglasungsdichtung durchaus der Dichtlippe selbst zugerechnet werden. Die Dichtlippe hat dann - wie auch in den übrigen Fig. 1 bis 3 und 5
der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen – eine einem Parallelogramm ähnliche Form. Die Feststellung des Bundespatentgerichts ist damit rechtlich möglich und der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.
Daran ändert auch der Hinweis des Bundespatentgerichts auf die sich mit der Dichtleiste nach dem deutschen Gebrauchsmuster 19 12 214 befassende Textstelle der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nichts, wo einerseits angegeben ist, daß an dieser Leiste eine im Querschnitt etwa dreieckförmige Dichtungslippe angebracht sei, andererseits als nachteilig geschildert ist, diese Verglasungsdichtung könne schlecht ohne Faltenbildung um Ecken verlegt werden. Da in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen dabei nicht zugleich darauf verwiesen ist, daß - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - bei dem Gegenstand nach dem deutschen Gebrauchsmuster nicht die Form der Dichtlippe für den geschilderten Nachteil verantwortlich sei, ist nicht ausgeschlossen , sondern eher naheliegend, daß auch diese Darstellung einen Fachmann nicht daran denken läßt, die zum Patent angemeldete Neuerung schließe gerade auch die Verwendung einer dreieckförmigen Dichtlippe ein. Es bestehen deshalb keine rechtlichen Bedenken, daß das Bundespatentgericht diese Textstelle als Bestätigung seiner aus dem übrigen Inhalt der Ursprungsunterlagen ohnehin getroffenen Würdigung gewertet hat, eine Verglasungsdichtung mit einer im wesentlichen dreieckförmigen Dichtungslippe sei nicht als zu der Erfindung gehörend ursprungsoffenbart.

e) Sind mit der ursprünglichen Anmeldung beansprucht, durchgängig beschrieben und auch in den Figuren gezeigt ausschließlich solche Verglasungsdichtungen , die eine im wesentlichen parallelogrammförmige Dichtlippe haben, kann das erteilte Patent mit dem hauptsächlich verteidigten Patentan-
spruch 1 nicht aufrechterhalten werden. Ihm liegt ein anderer Gegenstand als der ursprünglichen Anmeldung zugrunde. Auch die Rechtsbeschwerde zieht nicht in Zweifel, daß eine Verglasungsdichtung mit einer im Querschnitt im wesentlichen parallelogrammförmig ausgebildeten Dichtlippe nicht als Verglasungsdichtung bezeichnet werden kann, die eine im wesentlichen dreieckförmige Dichtungslippe hat.

f) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das mit dem Hilfsantrag verfolgte Begehren des Patentinhabers, weil auch in dem hilfsweise formulierten Patentanspruch 1 zur Kennzeichnung der Dichtlippe die nicht als zur ursprünglich angemeldeten Erfindung gehörend erkennbare, im wesentlichen dreieckige Form dienen soll. Auch dieser Patentanspruch 1 schützte mithin einen Gegenstand, der aus der Sicht des Fachmanns nicht von der ursprünglichen Anmeldung umfaßt ist. Auf die weiteren Erwägungen des Bundespatentgerichts zu der zusätzlichen Kennzeichnung der Dichtlippe als wulstartig kommt es deshalb nicht an.

g) Zu Recht hat das Bundespatentgericht seine im Ergebnis nicht zu beanstandenden Feststellungen zum Anlaß genommen, wegen der erörterten unzulässigen Erweiterung das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen. Besteht das Begehren des beschwerdeführenden Patentinhabers nur darin, das erteilte Patent mit geänderten Ansprüchen aufrechtzuerhalten, beschränkt sich unabhängig vom Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens als solchem die gerichtliche Entscheidungskompetenz auf dieses Begehren (§ 99 PatG i.V.m. §§ 308, 536, 559 Abs. 1 ZPO; Sen.Beschl. v. 10.01.1995 - X ZB 11/92, GRUR 1995, 333, 337 - Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 26.09.1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, 122 - elektrisches Speicherheizgerät). Dies
muß zur Zurückweisung des Rechtsmittels führen, wenn nicht wenigstens ein seitens des Patentinhabers vor dem Bundespatentgericht gestellter Antrag zulässig und begründet ist. Da die Formulierung der Patentansprüche Sache des um das Patent Nachsuchenden ist, darf das erteilte Patent insbesondere nicht mit einem anderen Wortlaut als beantragt aufrechterhalten werden. Der vorliegende Fall bietet deshalb auch keinen Anlaß zu Ausführungen, ob und gegebenenfalls mit welchem Antrag die unzulässige Erweiterung hätte beseitigt werden können, die das Bundespatentgericht darin gesehen hat, daß in den erteilten Anspruch zur Beschreibung der Dichtlippe die Kennzeichnung "wulstartig" aufgenommen ist.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 PatG.
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Mühlens

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 184/98 Verkündet am:
5. Oktober 2000
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zeittelegramm

a) Wenn der durch den erteilten Patentanspruch festgelegte Gegenstand
lediglich enger als in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen definiert
ist, kommt eine Nichtigerklärung regelmäßig nicht in Betracht; eine
Streichung oder Ersetzung von Merkmalen im Patentanspruch scheidet
aus.

b) In einem solchen Fall dürfen zur positiven Beantwortung der Frage der
Patentfähigkeit des Anspruchs Erkenntnisse, die erst die nachträgliche
Ä nderung vermittelt, nicht herangezogen werden.
BGH, Beschluß vom 05. Oktober 2000 – X ZR 184/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. Oktober 2000
durch den Richter Dr. Jestaedt als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Melullis,
Scharen, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:


I. Der Beklagte war eingetragener Inhaber des deutschen Patents 30 15 312 (Streitpatents), das auf einer am 22. Oktober 1981 offengelegten Anmeldung vom 21. April 1980 beruht und acht Patentansprüche umfaßt, wobei Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"Verfahren zum Anzeigen der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern für die binärkodierten Zeitsignale des Senders DCF 77 nach dem Einschalten, mit einer Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, daß bei jedem Sekundenimpuls die durch Störungen verursachten Abweichungen der Zeitsignale von idealen Rechtecksignalen im Empfänger selbst automatisch ermittelt werden und davon Qualitätskennzahlen ab-
geleitet werden, die auf der Anzeigevorrichtung im Sekundentakt zur Anzeige gebracht werden und daß diese Anzeige abgeschaltet wird, sobald ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann."
Mit seiner Nichtigkeitsklage hat der Kläger geltend gemacht, das Streitpatent gehe über die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus; außerdem fehle es an einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik. Seine weitere Behauptung, das Streitpatent offenbare die darin beschriebene Lehre nicht so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen könne, hat der Kläger im Berufungsverfahren fallengelassen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen hat sich der Beklagte mit der Berufung und dem Begehren gewendet,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Streitpatent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten;
hilfsweise,
das Streitpatent mit einem acht Patentansprüche umfassenden Anspruchssatz aufrechtzuerhalten, wobei Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Verfahren zum Anzeigen der Empfangsqualitätsverhältnisse bei Funkuhrempfängern für die binärkodierten Zeitsignale des für Funkuhren in Deutschland zuständigen Senders, nach dem Einschalten, mit einer Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß bei jedem Sekundenimpuls die Empfangsqualität mit den zugehörigen Qualitätskennzahlen aus den durch Störungen verursachten Verformungen des Sekundenimpulses automatisch ermittelt wird, daß die Qualitätskennzahlen auf der Anzeigevorrichtung im Sekundentakt zur Anzeige gebracht werden und daß diese Anzeige abgeschaltet wird, sobald eine vollständige Zeitinformation empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann."
Der Kläger ist diesem Begehren entgegengetreten.
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Dipl.-Ing. U. A., Stuttgart, eingeholt.
In Anbetracht des mittlerweile erfolgten Zeitablaufs des Streitpatents haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Parteien beantragen wechselseitig ,
dem Gegner die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II. Die übereinstimmende Erledigungserklärung hat zur Folge, daß die Parteien nicht mehr um die Frage der Nichtigerklärung des Streitpatents streiten und das hierzu ergangene Urteil des Bundespatentgerichts hinfällig ist; gemäß § 110 Abs. 3 PatG a.F. in Verbindung mit § 91 a ZPO ist nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden. Diese Entscheidung hat auf der Grundlage des bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung von den Par-
teien Vorgebrachten sowie der bis dahin erhobenen Beweise und ihrer Ergebnisse zu erfolgen. Das führt zur Aufhebung der Kosten gegeneinander. Denn der Senat vermag nach dem bisherigen Beweisergebnis nicht zuverlässig zu erkennen, welche Partei ohne die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache obsiegt hätte.
A. Die Nichtigkeitsklage war bis zu dem den Anlaß der übereinstimmenden Erledigungserklärung bildenden Zeitablauf des Streitpatents nicht wegen Unzulässigkeit abweisungsreif.
Die förmliche Nichtigerklärung eines Patents, dem Patentfähigkeit nicht zukommt oder dessen Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist, liegt für sich schon im öffentlichen Interesse und macht damit die Nichtigkeitsklage statthaft. Der vorliegende Fall ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht durch Umstände geprägt, die rechtfertigen könnten, diesen Grundsatz ausnahmsweise nicht anzuwenden (vgl. Sen.Urt. v. 13.01.1998 - X ZR 82/94, GRUR 1998, 904 - Bürstenstromabnehmer ). Da der Kläger der deutsche Repräsentant einer Firmengruppe in Hongkong ist, die nach Deutschland Uhren lieferte, bei deren Betrieb nach der Behauptung des Beklagten das patentgemäße Verfahren Anwendung findet, bestand bis zum Zeitablauf des Streitpatents ein Interesse des Klägers an der Nichtigerklärung, um einen ungestörten Vertrieb dieser Uhren sicherzustellen.
B. Der sachliche Ausgang des Rechtsstreits war zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien offen.
1. Das Streitpatent betrifft den Bereich der Funkuhrempfänger mit einer Anzeigeeinrichtung für die Uhrzeit. In Deutschland werden für solche Empfänger seit dem Jahre 1972 kodierte Zeitinformationen von dem Sender DCF 77 ausgestrahlt. Seine Trägerfrequenz wird dazu mit Sekundenimpulsen amplitudenmoduliert , indem eine Absenkung der Trägeramplitude (auf etwa 25 %) für die Dauer von genau 100 Millisekunden oder 200 Millisekunden erfolgt, wobei der Beginn der Absenkung den genauen Sekundenbeginn und ihre Dauer eine logische Null (100 Millisekunden) bzw. eine logische Eins (200 Millisekunden) kennzeichnen. 59 Sekundenimpulse kodieren auf diese Weise ein vollständiges Zeittelegramm. Es enthält die aktuellen Informationen über das Jahr, den Monat, das Datum, den Wochentag, die Stunde, die Minute, die Sommer- bzw. Winterzeit und läßt - im Wege des Abzählens vom Beginn der Minute an - auch die Sekunde erkennen.
Wird der Funkuhrempfänger eingeschaltet, kann die Anzeigevorrichtung Zeitdaten nur anzeigen, wenn mindestens einmal ein vollständiges Zeittelegramm erkannt worden ist. Wann dies der Fall ist, hängt von den Empfangsverhältnissen am Aufstellungsort des Funkuhrempfängers ab. Selbst bei besten Empfangsverhältnissen kann es wenigstens drei Minuten dauern, bis die aktuellen Zeitdaten angezeigt werden. Bei ungünstigen Empfangsverhältnissen kann diese Zeit weit überschritten werden; wird eine vorhandene Störquelle nicht beseitigt, der Empfänger nicht an einem anderen Ort aufgestellt oder seine Antenne nicht anders ausgerichtet, kann eine Anzeige sogar gänzlich mißlingen.
Während der Zeit, in welcher der Funkuhrempfänger keine Zeitdaten angeben kann, ist sein Benutzer im Unklaren, wie lange er voraussichtlich auf eine zuverlässige Funkuhrzeit wird warten müssen bzw. ob deren Anzeige am
gewählten Aufstellungsort unter den dort bestehenden Empfangsverhältnissen überhaupt gelingen wird. Die Qualität der dort zu empfangenden Sekundenimpulse ließe sich zwar mit einem Oszillographen sehr rasch beurteilen; es kann jedoch nicht vorausgesetzt werden, daß dem Benutzer einer Funkuhr ein solches Meßgerät zur Verfügung steht.
Eine gewisse Abhilfe war im Stand der Technik durch die Anbringung einer Leuchtdiode versucht worden, die sofort dann, wenn sich der Empfänger auf die Sekundenimpulse synchronisiert hat, im Sekundentakt aufleuchtet. Dies vermag zu vermitteln, daß der Funkuhrempfänger arbeitet; es handelt sich hierbei jedoch lediglich um eine sehr grobe Anzeige.
Die Erfindung soll demgegenüber ein Verfahren angeben, das eine brauchbare Anzeige der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern ohne zusätzliche Anzeigemittel ermöglicht.
Anspruch 1 gibt hierzu ein Verfahren an, das
1. bei Funkuhrempfängern für die binärkodierten Zeitsignale des Senders DCF 77
2. mit einer Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit
durchzuführen ist, indem
3. a) nach dem Einschalten

b) in dem Empfänger selbst


c) automatisch

d) bei jedem Sekundenimpuls

e) die durch Störungen verursachten Abweichungen der Zeitsignale von idealen Rechtecksignalen ermittelt werden,

f) davon Qualitätskennzahlen abgeleitet werden,
4. die Qualitätskennzahlen auf der Anzeigevorrichtung im Sekundentakt zur Anzeige gebracht werden und
5. diese Anzeige abgeschaltet wird, sobald ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann.
2. Nach dem zu berücksichtigenden Sach- und Streitstand kann nicht festgestellt werden, ob der erteilte Anspruch 1 und die hierauf unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 aus dem in §§ 22 Abs. 1 1. Altern., 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG genannten Grunde für nichtig zu erklären gewesen wären oder ob die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes nicht zu einer Ä nderung der genannten Patentansprüche geführt hätte.

a) Den Inhalt der nach §§ 22 Abs. 1 1. Altern., 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG maßgeblichen ursprünglichen Anmeldung bildet alles, was ihr der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik als zur angemeldeten Erfindung gehörend ent-
nehmen kann. Eine Lehre zum technischen Handeln geht deshalb über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen läßt, daß sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfaßt sein soll (Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204 - unzulässige Erweiterung).

b) Daß ein solcher Fall gegeben ist, ist insbesondere dann zu erwägen, wenn der erteilte Anspruch aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns eine andere Erfindung zum Gegenstand hat als die ursprüngliche Anmeldung. Damit , daß etwas patentiert wird und bei der eigenen geschäftlichen Tätigkeit als geschützt zu beachten ist, das gegenüber dem der Fachwelt durch die ursprünglichen Unterlagen Offenbarten ein "Aliud" darstellt, braucht nicht gerechnet zu werden. Ein solcher Patentanspruch gefährdet die Rechtssicherheit für Dritte, die sich auf den Inhalt der Patentanmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung verlassen. Dies kann eine Nichtigerklärung des erteilten Patents erfordern, wenn der Nichtigkeitsgrund der §§ 22 Abs. 1 1. Altern., 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG geltend gemacht ist. Es ist nicht ausgeschlossen , daß auch hier ein solcher Fall gegeben ist.

c) Der Nichtigkeitsgrund der §§ 22 Abs. 1 1. Altern., 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG kommt hier zwar nicht bereits deshalb in Betracht, weil das patentgemäße Verfahren in der erteilten Fassung mit einem auf die Zeitsignale des Senders DCF 77 ausgerichteten Funkuhrempfänger durchzuführen ist, der für binärkodierte Zeitsignale bestimmt sein soll. Angesichts des Sendebeginns des Senders DCF 77 im Jahre 1972 kann ohne weiteres angenommen werden, daß Fachleute zur Zeit der Anmeldung des Streitpatents im Jahr 1980 wußten, daß nach gesetzlicher Bestimmung und tatsächlicher Beschaffenheit er derjenige Sender ist, von dem die Zeitsignale ausgestrahlt werden, die in Deutschland
ansässige Benutzer von Funkuhren benötigen, um sich die für sie aktuellen Zeitdaten anzeigen zu lassen. Diese Kenntnis veranlaßte, die im Hinblick auf einen Patentschutz für Deutschland eingereichten Anmeldeunterlagen jedenfalls auch mit bezug auf diesen Sender zu lesen und zu verstehen. Auch der gerichtliche Sachverständige hat es in seinem schriftlichen Gutachten als naheliegend bezeichnet, daß sich die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen auf den Sender DCF 77 bezögen. Da dieser auf der Basis binärkodierter Zeitsignale arbeitet, war damit zugleich auch dieses Teilmerkmal der fraglichen Anweisung des erteilten Patentanspruchs 1 als zur angemeldeten Lehre gehörend erkennbar.
Nach dem der Beurteilung zugrundezulegenden Sach- und Streitstand kann auch der weitere Vorwurf, die Anweisungen zu 3 c und d sowie 5 des erteilten Patentanspruchs 1 seien nicht ursprungsoffenbart, nicht als berechtigt angesehen werden. Die ursprüngliche Beschreibung erläuterte den gemachten Vorschlag dahin, daß ermittelt werde, mit welcher Qualität die Sekundenimpulse empfangen werden; die durch Zahlen darstellbare Qualität werde in Form derartiger Qualitätskennzahlen im Sekundentakt an die vorhandene Ziffernanzeigevorrichtung gegeben. Diese Darstellung betont das impulsgenaue Arbeiten. Dies führte zu der Erkenntnis, daß vorschlagsgemäß eingeschlossen ist, die erforderliche Ermittlung bei jedem Sekundenimpuls vorzunehmen. Daß außerdem die automatische Ermittlung von vornherein zu der angemeldeten Erfindung gehört, wurde dem Fachmann jedenfalls durch den sich an den bereits wiedergegebenen Beschreibungsteil der ursprünglichen Unterlagen anschließenden Hinweis deutlich, wonach ein automatisches Zeichenerkennungsverfahren verwendet werden könne, wodurch Qualitätskennzahlen ohnehin anfielen. Das Merkmal 5 schließlich war in den ursprünglichen Unterlagen im wesentlichen durch den Anspruch 4 des damaligen Anspruchssatzes offenbart.
Danach soll die Anzeige der Empfangsqualität nach dem Einschalten der Funkuhr bis zur ersten Darstellung der Uhrzeit erfolgen. Das ist gleichbedeutend mit der Anweisung die Anzeige abzuschalten, sobald ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann.
Soweit das Bundespatentgericht eine nicht ursprungsoffenbarte Ausdrucksweise in dem angeblich von dem Beklagten geprägten Begriff des Zeittelegramms gesehen hat, hat das eingeholte Sachverständigengutachten die Unrichtigkeit dieser Bewertung ergeben. Die ursprüngliche Beschreibung nahm durch die bereits erwähnte Textstelle im ersten Absatz auf die Notwendigkeit des vollständigen Empfangs eines Intervalls mit kodierter Information Bezug. Damit ist ersichtlich der Empfang einer vollständigen Zeitinformation gemeint. Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel, daß das - wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat - aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns ohne Ä nderung der Bedeutung auch durch den Begriff des vollständigen Zeittelegramms ausgedrückt werden kann.

d) Eine vergleichbar eindeutige Festlegung läßt das schriftliche Sachverständigengutachten jedoch hinsichtlich des Merkmals 3 e nicht zu.
In der Ursprungsbeschreibung ist neben der wiederholt erwähnten Angabe , daß ermittelt werde, mit welcher Qualität die Sekundenimpulse empfangen werden, ein idealer Sekundenimpuls als vollkommen ungestört bezeichnet. Ergänzend ist ausgeführt, daß eine Abweichung des diesem Zustand annäherungsweise zugewiesenen Zahlenwerts die entsprechende Störung und Verformung der Impulse angebe. Dies kennzeichnete den angemeldeten Vorschlag in der Weise, wie es in dem Hilfsantrag des Beklagten seinen Niederschlag gefunden hat, dahin, daß die Empfangsqualität (mit den zugehörigen
Qualitätskennzahlen - Merkmal 3 f) aus den durch Störungen verursachten Verformungen des Sekundenimpulses ermittelt wird. Eine weitere Konkretisierung , auf welche Weise dies geschehen soll, war in den Ursprungsunterlagen dagegen nicht enthalten.
Der Sachverständige hat dies dahin ausgedrückt, in den Anmeldeunterlagen bleibe unklar, wie die Qualität der empfangenen Sekundenimpulse erkannt werde. Dies kann möglicherweise dahin verstanden werden, daß die Ursprungsunterlagen insoweit allenfalls aufgabenhaft formuliert waren und dem Fachmann eine Lösungsmöglichkeit nicht eröffneten. Dies wiederum kann aus der Sicht des die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen und das erteilte Patent vergleichenden Fachmanns bedeuten, daß letzteres als auf eine anders geartete Lehre zum technischen Handeln gerichtet erscheint.

e) Mit seiner Aussage kann der gerichtliche Sachverständige freilich auch gemeint haben, daß der durch den erteilten Patentanspruch 1 festgelegte Gegenstand lediglich enger als in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen definiert ist, weil er eine zur Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems dienende, in den Anmeldungsunterlagen allgemein gehaltene Anweisung in einer Weise konkretisiert, die dem Durchschnittsfachmann durch die Ursprungsunterlagen nicht offenbart war. Die Patentierung eines "Aliud" durch den erteilten Patentanspruch 1 hätte dann nicht festgestellt werden können.
Infolge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien war der Senat gehindert, durch Befragung des gerichtlichen Sachverständigen insoweit eine weitere Sachaufklärung herbeizuführen, die notwendig gewesen wäre, weil der gerichtliche Sachverständige bei Abfassung seines schriftlichen Gutachtens ersichtlich nicht erkannt hat, daß hier eine für die rechtliche Beur-
teilung der Sache bedeutsame Abgrenzungsfrage besteht, deren Beantwortung sich nach dem Verständnis des Fachmanns richtet und deshalb sachverständiger Aufklärung bedurft hätte. Es kann danach nicht festgestellt werden, daß eine Nichtigerklärung des erteilten Patentanspruchs 1 und der hierauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 wegen Patentierung eines "Aliud" zu erfolgen gehabt hätte.

f) Andererseits kann nach dem zugrundezulegenden Sach- und Streitstand auch nicht festgestellt werden, daß der erteilte Patentanspruch 1 eine bloße Einschränkung des angemeldeten Gegenstandes beinhaltet, was im vorliegenden Fall zu seinem Fortbestand geführt hätte, weil dann eine Nichtigerklärung weder aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit noch aufgrund einer gesetzlichen Regelung des deutschen Patentrechts geboten gewesen wäre.
Durch die wortsinngemäße Benutzung der durch den erteilten Anspruch 1 patentierten Lehre wird ohne weiteres auch vom Gegenstand der ursprünglichen Anmeldung Gebrauch gemacht. Denn hierbei wird auch eine Ermittlung vorgenommen, wie sie im Merkmal 3 e des ursprünglich hilfsweise verteidigten Anspruchs 1 vorgeschlagen und - wie ausgeführt - ursprungsoffenbart ist. Dasselbe gilt für jedwede sich dem Fachmann aufgrund des Merkmals 3 e in seiner erteilten Fassung erschließende Abwandlung. Das Gebot der Rechtssicherheit ist damit im Falle des Bestandes der erteilten Patentansprüche gewahrt. Es verlangt, daß ein interessierter Dritter erkennen kann, ob eine existente oder geplante Ausführung in fremde Ausschließlichkeitsrechte eingreift, sowie daß die mögliche Erkenntnis sich nicht aufgrund nachträglicher Umstände als unrichtig erweist. Wie schon der früher anwendbare § 26 Abs. 5 Satz 2 PatG a.F. legt ferner auch der seither geltende § 38 Satz 2 PatG ledig-
lich fest, daß aus Ä nderungen, die den Gegenstand der Anmeldung erweitern, Rechte nicht hergeleitet werden können. Was das den Schutzbereich betreffende Interesse, also den Umfang eines entstandenen Patentrechts anbelangt, ist auch diesem Grundsatz bereits durch Beibehaltung der engeren Formulierung des erteilten Patentanspruchs Genüge getan. § 14 PatG, der gemäß Art. 11 § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 5 IntPatÜG den Schutz bestimmt, den ein deutsches Patent gewährt, das auf eine nach dem 1. Januar 1978 getätigte Anmeldung hin erteilt ist, verhindert, daß insoweit zum Nachteil interessierter Dritter auf weiteren Inhalt der Anmeldung zurückgegriffen werden kann. Es bleibt deshalb nur Sorge zu tragen, daß im übrigen, also was die Entstehung von Patentrechten anbelangt, aus der Ä nderung Rechte nicht hergeleitet werden können. Hierfür bedarf es der Nichtigerklärung erteilter Ansprüche des Streitfalls jedoch nicht. Es ist lediglich notwendig, die Erkenntnisse, die erst die nachträgliche Ä nderung vermittelt, nicht zur positiven Beantwortung der Frage ihrer Patentfähigkeit heranzuziehen.
Ob wegen dieser Notwendigkeit ein entsprechender erläuternder Hinweis im Patent erforderlich sein kann, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil sich der sachliche Streit der Parteien erledigt hat und nur noch über die Kosten des erledigten Rechtsstreits zu entscheiden ist. Eine Streichung des Merkmals 3 e im erteilten Patentanspruch 1 und/oder seine gleichzeitige Ersetzung durch die möglicherweise allgemeinere Anweisung, die durch die ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, scheidet nach dem Vorgesagten allerdings aus; eine solche Ä nderung mißachtete § 22 Abs. 2 2. Alt. PatG.
3. Der danach mögliche Erfolg der Berufung des Patentinhabers war auch nicht wegen des ferner geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des Feh-
lens der Patentfähigkeit (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) ausgeschlossen. Sein Bestehen wäre - wie zuvor ausgeführt - im Hinblick auf das Merkmal 3 e anhand der Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen zu prüfen gewesen. Das bisherige Beweisergebnis erlaubt jedoch nicht die Feststellung, daß die danach zu würdigende Lehre zum technischen Handeln, die - wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat und auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird - nicht bekannt war, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Diese Erkenntnis ist wesentlich beeinflußt einmal von dem Umstand, daß zum Anmeldezeitpunkt die Entwicklung bei Funkuhrempfängern sich noch im Anfangsstadium befand, zum anderen von der schriftlichen Ausführung des Sachverständigen , der der maßgeblichen Lehre Erfindungshöhe zugesprochen hat, weil sich aus anderen Bereichen der Funkübertragung Problemlösungen für den hier interessierenden Bereich kaum hätten übernehmen lassen. Unter diesen Umständen hatte der Senat davon auszugehen, daß überhaupt erst einmal zu erkennen war, daß bei Funkuhrempfängern eine wirkliche Übertragungsqualitätsanzeige sinnvoll sei; ferner mußte erkannt werden, daß sich auch bei Empfängern, die Informationen aufgrund der jeweiligen Länge von empfangenen Impulsen erhalten, die Empfangsqualität ermitteln lasse, daß dies bei Funkuhrempfängern aufgrund der bei ihnen eingesetzten Technik ebenfalls möglich sei, und schließlich, daß sich die Qualität durch entsprechende Kennzahlen darstellen lasse. Gefordert war danach die erstmalige Zurverfügungstellung einer tauglichen Empfangsqualitätsfeststellung nebst -anzeige auf dem Gebiet der Funkuhrempfängertechnik. Angesichts des geringen Entwicklungsstandes dieses Gebiets der Technik rechtfertigen sich hieraus durchgreifende Zweifel, daß die vermittels der Anmeldung vorgeschlagene Lösung einem Durchschnittsfachmann nahegelegen habe.
4. Eine dem Beklagten günstigere Kostenentscheidung rechtfertigt sich nicht in Anbetracht seines ursprünglichen Hilfsantrages. In der Fassung dieses Hilfsantrages hätte das Streitpatent nämlich nicht Bestand haben können, weil der Schutzbereich des Patentanspruchs 1 und damit auch derjenige der hierauf rückbezogenen Unteransprüche gegenüber den erteilten Ansprüchen erweitert wäre (§ 22 Abs. 1 2. Altern. PatG). Der erforderliche Tatbestand ergibt sich insoweit jedenfalls aus dem Fehlen des Merkmals 3 b im Anspruch 1 des ursprünglichen Hilfsantrages. Sein Gegenstand ist damit insoweit weiter als der des erteilten Patentanspruchs, was auch den Schutzbereich dieses Anspruchs erweitert.
Jestaedt Melullis Scharen
Keukenschrijver Mühlens

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 17/02 Verkündet am:
15. November 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Koksofentür
PatG (1981) §§ 81, 14, 21 Abs. 1 Nr. 4, 38

a) Das nach Erlöschen des Streitpatents erforderliche besondere eigene
Rechtsschutzbedürfnis des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung des
Streitpatents ist nach rechtskräftiger Verurteilung des Nichtigkeitsklägers in
einem Verletzungsrechtsstreit jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Nichtigkeitskläger
für den Fall der Nichtigerklärung des Streitpatents eine Restitutionsklage
in Betracht zieht.

b) Bezugszeichen im Patentanspruch schränken den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel
ein.

c) Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren ist
es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle
der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch
aufgenommen werden.
BGH, Urt. v. 15. November 2005 - X ZR 17/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. November 2001 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des am 23. Juni 1979 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika angemeldeten deutschen Patents 29 25 730 (Streitpatents), das eine "Koksofentür" betrifft, drei Patentansprüche umfasste und inzwischen nach Ablauf der Schutzdauer erloschen ist. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "1. Koksofentür mit einem der Türleibung der Ofenkammer zugekehrten , vom Türrahmen kragarmartig vorspringenden Dich- tungselement, dessen zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist[,] und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, dadurch gekennzeichnet, daß der Spannrahmen aus einer am Türrahmen befestigten und von diesem kragarmartig vorspringenden Federmembran (20) besteht, die über ihre zur Dichtfläche hin abgewinkelte Außenkante (44) mit dem Dichtungselement (30) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden, ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelten Abschnitt (52) verbunden ist."
2
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin ist von der Beklagten wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen und durch rechtskräftig gewordenes Grundurteil des Landgerichts Düsseldorf auf eine Schadensersatzklage hin verurteilt worden. Sie hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Gegenstand des Streitpatents sei eine Dichtung für eine Koksofentür, die aus zwei Teilen bestehe, nämlich einem um die Tür herumführenden kragenartig vorspringenden Dichtungselement und einer Vorrichtung zur Erzeugung einer elastischen Kraft. Dabei sei aus der ursprünglich offenbarten Dichtungsvorrichtung mit einem schneidkantenartigen Dichtungselement und einer Stützvorrichtung eine Dichtvorrichtung geworden, die lediglich noch das schneidkantenartige Dichtungselement sowie eine kragarmartig vorspringende Federmembran vorsehe, womit das Stützglied völlig entfallen sei.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der beklagten Patentinhaberin, die beantragt, un- ter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
5
Prof. W. im Auftrag des Se- hat nats ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Bundespatentgerichts zur Abweisung der Klage.
7
I. Allerdings ist die Nichtigkeitsklage im vorliegenden Fall auch nach Erlöschen des Streitpatents infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer weiterhin zulässig. In diesem Fall ist zwar ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Nichtigerklärung des abgelaufenen Patents erforderlich (st. Rspr.; zuletzt Sen.Urt. v. 22.02.2005 - X ZR 148/00, Umdruck S. 6; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. 2005, Rdn. 120, je m.w.N.). Dieses kann aber bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Nichtigkeitsklägers im Verletzungsstreit vorliegen, weil eine Nichtigerklärung des angegriffenen Patents der im Verletzungsprozess unterlegenen Partei die Möglichkeit eröffnen würde, im Wege der Restitutionsklage gegen ihre Verurteilung vorzugehen (vgl. BPatGE 33, 240 = GRUR 1993, 732; Keukenschrijver, aaO; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, Rdn. 46 zu § 81; Mes, PatG GebrMG, 2. Aufl. 2005, Rdn. 42 zu § 81 PatG). Nachdem die Nichtigkeitsklägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie für den Fall der Nichtigerklärung die Durchführung eines Restitutionsverfahrens in Betracht ziehe, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtigkeitsklage ohne weiteres zu bejahen.
8
II. Der Senat vermag aber der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht beizutreten, der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund greife durch, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (§ 22 Abs. 1 PatG i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG; "unzulässige Erweiterung", sachlich übereinstimmend mit § 13 Abs. 1 Nr. 4 PatG 1978; Art. XI § 3 Abs. 5 IntPatÜG; vgl. zur Anwendbarkeit der §§ 21, 22 PatG 1981 BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer).
9
1. Das Streitpatent schützt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür mit einem vorspringenden Dichtungselement und mit einer bei Verriegelung der Tür über einen Spannrahmen belastenden Spannvorrichtung, wobei der Spannrahmen aus einer Federmembran (20) besteht, in besonderer Ausgestaltung. Diese Abdichtung kommt im Wesentlichen allein mit mechanischen Mitteln aus. Damit soll eine Abdichtung geschaffen werden, die in ihrer Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit mindestens das Ergebnis anderer, z.B. aus der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 vorbekannter Einrichtungen erreicht (vgl. die Angaben zur "Aufgabe" in der Beschreibung des Streitpatents Sp. 3 Z. 46-52). In der deutschen Auslegeschrift 1 156 762 ist eine mit einer Sperrgasdichtung ausgestattete Koksofentür beschrieben, bei der ein Dichtungselement mit seiner äußeren, als Schneide ausgebildeten Kante gegen eine Dichtungsfläche der Türleibung mittels einer von Druckzylindern gebildeten Spannvorrichtung gedrückt wird. Diese Druckzylinder drücken dabei starre Schienen gegen die als Zackenkante ausgebildete Schneidkante.
10
2. Das Streitpatent stellt in seinem Patentanspruch 1 eine Koksofentür unter Schutz, bei der
(1)
das Dichtungselement (1.1) der Türleibung der Ofenkammer zugekehrt ist, (1.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (1.3) seine zur Dichtungsfläche abgewinkelte äußere Kante als Dichtungsschneide ausgebildet ist,
(2)
miteiner Spannvorrichtung, (2.1) die bei Verriegelung der Tür die Dichtungsschneide belastet (2.2) über einen Spannrahmen, wobei
(3)
der Spannrahmen aus einer Federmembran besteht, die (3.1) am Türrahmen befestigt ist, (3.2) vom Türrahmen kragarmartig vorspringt und (3.3) eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenkante aufweist, wobei
(4)
diese Außenkante verbunden ist (4.1) mit dem Dichtungselement, (4.2) auf dessen in der Dichtungsschneide endenden Abschnitt, (4.2.1) der ebenfalls zur Dichtfläche hin abgewinkelt ist.
11
3. Dabei hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Formulierung in Patentanspruch 1, der Spannrahmen "bestehe" aus einer Federmembran, nicht in dem Sinn zu verstehen ist, dass die Federmembran notwendig das einzige Element des Spannrahmens sein solle. Das Wort "besteht" ist hier jedenfalls auch in dem Sinn verwendet, dass der Spannrahmen neben der Federmembran noch weitere Elemente aufweisen kann, wie dies etwa die ein Ausführungsbeispiel wiedergebende Figur 10 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt, insbesondere die dort dargestellten Abschnitte 44 und 46. Im Übrigen schränken die Bezugszeichen im Patentanspruch den Schutz nicht auf ein Ausführungsbeispiel ein (vgl. EPA - techn. Beschwerdekammer - T 237/84 ABl. EPA 1987, 309; Ullmann in Benkard, PatG, 9. Aufl. 1993, Rdn. 14 zu § 14 PatG; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rdn. 53 zu § 14; Schulte, aaO Rdn. 142 zu § 34; so schon zum früheren Recht BGH, Urt. v. 30.10.1962 - I ZR 46/61, GRUR 1963, 563, 564 - Aufhängevorrichtung). Die Nennung von Bezugszeichen im Patentanspruch 1 des Streitpatents führt daher nicht zu einer Beschränkung des Gegenstands des Patents auf Ausgestaltungen, die den Darstellungen entsprechen , in denen diese Bezugszeichen verwendet werden.
12
4. Eine erfindungsgemäße Ausgestaltung wird in den jeweils verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 (Darstellung einer Vorderansicht der Tür auf der Stoßrichtungsseite), 7 (Schnitt bei 7-7 in Fig. 1), 8 (Schnitt entlang 8-8 in Fig. 7) und 10 (Schnitt entlang 10-10 in Fig. 8) des Streitpatents gezeigt: Fig. 1
13
Hier bezeichnen die Bezugszeichen 14 die Koksofenwand mit den Türleibungen 12 und der mit Feuerfeststeinen ausgekleideten Koksofentür. Der Türkörper weist die Grundplatte 32, das Hauptrahmenschweißstück 34, die Seitenplatten 36 und 38 und die Bodenplatte 40 auf. Das Stützglied 42 ist im Ausführungsbeispiel in die drei Abschnitte 48, 50, 52 aufgeteilt. Die Spannvorrichtung übt Druck auf die Schneide 52 aus, die gegen die Leibung 12 gedrückt wird.


14
Die Federmembran ist mit dem Befestigungsabschnitt 46 am Türrahmen befestigt. Der weitere Abschnitt 44 ist in Richtung Leibung abgewinkelt und an seinem Ende mit der Dichtungskante 52 verbunden.
15
III. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass sich der in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Gegenstand nicht den Anmeldeunterlagen entnehmen lasse, und dass Patentanspruch 1 des Streitpatents damit unzulässig erweitert sei. Der geschützte Gegenstand unterscheide sich von dem ursprünglich offenbarten durch die Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4. Denn die Dichtungsvorrichtung 18 für die Koksofentür 10 bestehe nach der ursprünglichen Offenbarung aus einem dichtenden Schneideelement (schneidkantenartiges Dichtungselement oder Schneidkantenelement) 30 und einer Stütz- oder Trägervorrichtung (Stützglied, Dichtungskantenträgerelement ) 42. Dabei beständen das Schneideelement 30 aus den Teilabschnitten 48, 50 und 52 und die Stütz- oder Trägervorrichtung 42 aus den Abschnitten 44 und 46, wie sich aus der ursprünglichen Beschreibung Seiten 7/8, dem ursprünglichen Schutzanspruch 1, aus der Beschreibung Seite 8 Abs. 3, Seite 11 Abs. 2 bis Seite 12 und der Figur 10 der Zeichnungen ergebe. Die Funktion , die das Stützelement 42 haben solle, werde im Schutzanspruch 1 der Anmeldung damit beschrieben, dass auf das schneidkantenartige Dichtungselement 30 eine gleichmäßige Vorspannung ausgeübt werden solle. Das für die Stützvorrichtung zu verwendende Material sei nicht beschrieben. Die aus elastischem , federndem Material hergestellte Membran 20, die einen Teil der Stützvorrichtung 42 überdecke, könne zusätzlich zur Erhöhung der Vorspannung verwendet werden, wie sich aus den Schutzansprüchen 2 und 5 der Anmeldeunterlagen sowie aus Seite 8 Abs. 3 und Seite 17 Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung ergebe. Eine solche Dichtungsvorrichtung sei auch in Figur 10 dargestellt. Aus den Hervorhebungen der physikalischen Eigenschaften der Membran, die nach den Schutzansprüchen 4 und 5 sowie der Beschreibung Seite 17 2. Absatz der ursprünglichen Unterlagen eine Blattfeder oder Membran sein solle, die nach Seite 8 Abs. 3 der ursprünglichen Unterlagen aus elastischem , federndem Material hergestellt sei und unmittelbar einen Teil der Stützvorrichtung überdecke, leite der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus, ab, dass das Stützelement 42 andere physikalische Werkstoff- eigenschaften aufweise als die fakultative, zusätzlich einsetzbare Membran. Der Fachmann werde deshalb auf eine relativ starre Konstruktion der aus dem Schneidelement 30 und der fest mit diesem verbundenen Stützvorrichtung 42 bestehenden, durch eine zusätzliche Federmembran zu verstärkenden Dichtvorrrichtung 18 schließen. Nach Patentanspruch 1 des erteilten Patents entfalle demgegenüber die ursprünglich zwingend notwendige, relativ starre Stütz- und Trägervorrichtung 42 mit den Abschnitten 44 und 46. Die ursprüngliche Stützvorrichtung 42 werde - was aus den ursprünglichen Unterlagen wegen der dort verwendeten unterschiedlichen Begriffe "Stützvorrichtung" und "Membran" nicht herleitbar sei - durch die Federmembran aus einem elastischen, federnden Material ersetzt.
16
IV. Diese Beurteilung erweist sich im Ergebnis als unzutreffend.
17
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich aus der Sicht des Fachmanns des betreffenden Gebiets der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt. Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund der "unzulässigen Erweiterung" vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche definierte Lehre (vgl. Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass dabei den in der Anmeldung bezeichneten Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt. Nicht maßgeblich ist demgegenüber, wie die Beklagte ihr Schutzbegehren später interpretiert hat, worauf die Klägerin nunmehr schriftsätzlich abgestellt hat. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung aus der Sicht eines Fachmanns erkennen ließ, der von den ursprünglichen Unterlagen abweichende Lösungsvorschlag des Patents solle von vornherein vom Schutzbegehren umfasst werden (vgl. zuletzt Sen.Urt. v.
05.07.2005 - X ZR 30/02 - Einkaufswagen II, Umdruck S. 7 f., zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.), d.h. als zur Erfindung gehörend ("gehörig") offenbart sein (vgl. Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. 2004, S. 562 f.).
18
2. Die in Patentanspruch 1 des Streitpatents geschützte Lehre ist durch die ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart. Auch die Merkmalsgruppen 3 und 4 seines Patentanspruchs 1 stellen nämlich allenfalls Konkretisierungen und Einschränkungen dieser allgemeinen Lehre im Sinn des in den ursprünglichen Unterlagen beschriebenen und zeichnerisch dargestellten Ausführungsbeispiels und nicht zugleich auch eine Erstreckung auf einen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Gegenstand dar.
19
a) Eine allgemeine Beschreibung dessen, was durch die Erfindung geleistet werden soll, findet sich zunächst auf Seite 7/8 der Anmeldungsunterlagen. Danach weist die Koksofentür einen Hauptrahmen und eine Dichtungsvorrichtung auf, die auf dem Hauptrahmen angeordnet ist und einen dichten, gleichmäßigen und nicht festhaftenden Sitz zwischen dem Hauptrahmen und der zugehörigen Ofentürleibung gewährleistet. Die Dichtungsvorrichtung enthält dabei ein dichtendes Schneidelement, das auf dem Hauptrahmen so angeordnet ist, dass es sich entlang der zugehörigen Türleibung erstreckt, und ferner eine Stütz- oder Trägervorrichtung, die am Hauptrahmen der Tür angeordnet ist und eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausübt. Die Trägeranordnung (d.h. die Trägervorrichtung ) weist dabei ein Dichtungskantenträgerelement auf, das am Hauptrahmen befestigt ist und von diesem vorspringt und mit dem dichtenden Schneidelement in der Nähe seines freien Endes verbunden ist. Das dichtende Schneidelement ist so angeordnet, dass es mit der zugehörigen Türleibung unter einem Winkel in Verbindung tritt, den die Anmeldeunterlagen mit beispiels- weise etwa 25° beziffern. Bei Verriegelung der Tür am Ofen wird die Dichtungskante gegen die Türleibung gedrückt, um die gewünschte Dichtung zu erzielen.
20
b) Innerhalb dieser allgemeinen Lehre hält sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents.
21
aa) Die vom Bundespatentgericht als nicht offenbart angesehene Elastizität der Federmembran (20) ist in der ursprünglichen Beschreibung Seite 7 f. nicht angesprochen. Daher stellt sie zunächst eine Einschränkung gegenüber der ursprünglich offenbarten Lehre dar. Die zusätzlich in den Patentanspruch 1 aufgenommenen Merkmale der Merkmalsgruppen 3 und 4 sind jedoch in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart. Dies folgt insbesondere aus der ursprünglich eingereichten Figur 10 und der Beschreibung, namentlich Seite 11. Diese Figur zeigt die Federmembran (nach der ursprünglichen Beschreibung Seiten 11, 13, 16, 17 "Membran"; Seiten 17, 19, 20 "Feder", "Blattfeder") (20), die über den Abschnitt 46 und das Abstandsstück 26 am Türrahmen 16 (mit der Grundplatte 32; vgl. ursprüngliche Unterlagen S. 11) befestigt ist. Dass die Federmembran zusammen mit den weiteren Abschnitten 44 und 46 kragarmartig vom Türrahmen vorspringt und eine zur Dichtfläche abgewinkelte Außenfläche aufweist, ist unmittelbar der Figur 10 jedenfalls dann zu entnehmen, wenn man die Membran 20 und die Abschnitte 44 und 46 als Einheit ansieht, was sich aus der Figur 10 allerdings nicht unmittelbar ergibt. Für einen Fachmann, einen Diplomingenieur des Maschinenbaus, folgt die Möglichkeit , diese Teile als Einheit auszubilden, nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen jedoch aus der ursprünglichen Offenbarung , wo es heißt, dass das Schneidelement so auf dem Hauptrahmen angeordnet ist, dass eine gleichmäßige Vorspannung entlang der gesamten Ausdehnung des dichtenden Kantenelements ausgeübt wird (S. 7 3. Abs.). Darüber , dass sich die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 unmittelbar der Figur 10 entnehmen lassen, besteht kein Streit; der Senat ist hiervon auch überzeugt.

22
Darauf, ob sich Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung auch im Übrigen an das in den Figuren dargestellte Ausführungsbeispiel und an dessen Beschreibung auf Seite 10 ff. der Anmeldeunterlagen hält, kommt es für die Beurteilung der Erweiterung nicht an. Denn der Patentinhaber ist nicht gehalten, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufzunehmen , um eine zulässige Beschränkung herbeizuführen (Sen.Urt. v. 21.10.2003 - X ZR 220/99, Umdruck S. 21, unter Hinweis auf Sen.Beschl. v. 23.01.1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126= GRUR 1990, 432, 433 - Spleißkammer). Hierzu bestand vorliegend schon deshalb kein Anlass, weil die Offenbarung auf Seite 7 f. der ursprünglichen Unterlagen einen allgemeineren Gegenstand betraf. Mit der Gestaltungsfreiheit des Anmelders im Patenterteilungsverfahren wäre es unvereinbar, nur eine Einschränkung als zulässig anzusehen, bei der alle der Erfindung förderlichen Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch aufgenommen werden (vgl. Senat - Spleißkammer aaO).
23
bb) Eine Einschränkung des Inhalts, dass die ursprünglichen Unterlagen das Dichtelement als starres Element offenbarten, wie sie das Bundespatentgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellt hat, ist der ursprünglichen Offenbarung auf Seite 7 f. nicht zu entnehmen. Die Frage, ob das Ausführungsbeispiel ein starres Element betrifft, beschränkt den Offenbarungsgehalt der weiter gefassten ursprünglichen Unterlagen nicht. Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung nachdrücklich bestätigt hat, geht eine Differenzierung zwischen einem aus den Teilen mit den Bezugszeichen 46, 44 und 48 gebildeten festen Rahmen und einem federelastischen Element an der technischen Wirklichkeit vorbei. Mit Blick auf den Zweck der Vorrichtung müsse sich auch der Rahmen auf Grund der aufgewendeten Kräfte verformen, um eine hinreichende Abdichtung zu gewährleisten und bei Wegnahme der Kräfte in seinen Ausgangszustand zurück- kehren; der Sachverständige hat dies überzeugend als einen Vorgang der Elastizität im Gegensatz zu einer zu dauerhaften Veränderungen führenden Verformung bezeichnet.
24
Diesen erkennbar von Sachkunde getragenen Folgerungen des gerichtlichen Sachverständigen tritt der Senat bei. Auch sie entziehen der allein die Annahme der Erweiterung tragenden Feststellung des Bundespatentgerichts die Grundlage, dass die Dichtungsvorrichtung 18 nach den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine relativ starre Konstruktion darstelle, während nach Patentanspruch 1 des erteilten Streitpatents die Dichtungsvorrichtung nicht mehr starr sei.
25
cc) Die Frage, ob auch eine Ausführungsform, bei der die Federmembran (20) mit dem Abschnitt 46 in einem einzigen Teil zusammenfällt, eine Benutzung des Streitpatents darstellt, betrifft allein die Prüfung der Patentverletzung und ist im Nichtigkeitsverfahren nicht zu erörtern.
26
V. Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe, sind in der Berufungsverhandlung nicht mehr geltend gemacht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben.
27
Sie folgen insbesondere nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass der Begriff "Spannrahmen" in den ursprünglichen Unterlagen nicht enthalten sei. Die Aufnahme eines nicht ursprungsoffenbarten Begriffs stellt nämlich - anders als die Aufnahme eines nicht ursprünglich offenbarten technischen Merkmals - dann keine unzulässige Änderung dar, wenn die entsprechende technische Lehre selbst offenbart war.
28
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2001 - 3 Ni 39/00 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 25/02
vom
25. Januar 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Gebrauchsmuster 297 10 175
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Asendorf und Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Der die Akteneinsicht betreffende Beschluß des Senats vom 11. Oktober 2004 wird wegen eines offensichtlichen Schreibversehens (§ 319 ZPO) dahingehend berichtigt, daß im letzten Satz nach der Klammer und vor dem Wort "dargetan", die Worte eingefügt werden "ein entgegenstehendes Interesse".
Melullis Keukenschrijver Mühlens Asendorf Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/00
vom
11. September 2001
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 34 47 925
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Drehmomentenübertragungseinrichtung
Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels
der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination
dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit
eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen
Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen
kann.
BGH, Beschl. v. 11. September 2001 - X ZB 18/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2001
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2000 verkündeten Beschluß des 6. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 34 47 925 (Streitpatent), das eine Drehmomentübertragungseinrichtung betrifft. Das Streitpatent beruht auf der Anmeldung 34 40 927.0 vom 9. November 1984, zu der die Patentinhaberin mit Eingabe vom 17. Januar 1985 zwei Teilungserklärungen abgegeben hat. Auf eine der beiden Trennanmeldungen ist das Streitpatent am 26. Januar 1995 mit folgenden Ansprüchen 1, 3 und 12 veröffentlicht worden:
"1. Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei, koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist.
3. Drehmomentübertragungseinrichtung nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t daß die Schwungmassen in Abhängigkeit von der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) zueinander begrenzt axial verlagerbar sind.
12. Drehmomentübertragungseinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
daû die Schwungmassen (3, 4) über wenigstens zwei Reiboder Gleitflächen miteinander in Reib- oder Gleitverbindung stehen bzw. bringbar sind, wobei in Abhängigkeit der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) die Dämpfungswirkung dieser Verbindung veränderbar ist."
Gegen das Streitpatent ist Einspruch erhoben worden, der damit begründet worden ist, daû der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei. Nach Rücknahme des Einspruchs hat die Patentinhaberin mit Erklärung vom 29. Oktober 1996 eine Teilung des Streitpatents erklärt, die zur Trennanmeldung 34 48 593.7 geführt hat. Nach einem Zwischenbescheid der Patentabteilung hat die Patentinhaberin den Widerruf der Teilungserklärung vom 29. Oktober 1996 erklärt und zugleich eine erneute Teilungserklärung abgegeben. Das Streitpatent hat die Patentinhaberin mit 24 Ansprüchen verteidigt , von denen Anspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 kursiv):
"Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstöûen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei über eine Lagerung koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daû die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daû die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist."
Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, weil die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung darstelle.
Die Patentinhaberin hat gegen den Beschluû der Patentabteilung Beschwerde eingelegt und beantragt,
1. den angefochtenen Beschluû aufzuheben und das Streitpatent mit den verteidigten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
2. die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Mit Beschluû vom 13. Juli 2000 hat das Bundespatentgericht die Beschwerde und den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin , mit der diese beantragt,
den Beschluû des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat die Teilungserklärung, die zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden Trennanmeldung geführt hat, als wirksam angesehen , da zumindest der Gegenstand, der sich aus den mit der Teilungserklärung eingereichten Ansprüchen 1 und 6 oder 7, 10, 11 und 20 ergebe und den Ausführungen nach den ursprünglichen Figuren 4 und 5 entspreche, zum Zeitpunkt der Teilung Inhalt der Stammanmeldung 34 40 927.0 gewesen sei und in der Stammanmeldung jedenfalls die Ausführung nach der ursprünglichen Figur 1 verblieben sei. Das läût keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Bundespatentgericht hat sich für befugt gehalten, den Anspruch, mit dem die Patentinhaberin das Streitpatent verteidigt, umfassend daraufhin zu überprüfen, ob er gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung 34 40 927.0 unzulässig erweitert ist. Zwar sei das Bundespatentgericht nicht befugt, von Amts wegen erstmalig neue Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gewesen seien. Dies hindere das Bundespatentgericht aber grundsätzlich nicht daran, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs innerhalb ein und desselben Widerrufsgrundes neue Tatsachen heranzuziehen und neue rechtliche Überlegungen anzustellen. Ebenso wie es bei der Prüfung der Patentfähigkeit den gesamten ihm bekannten Stand der Technik berücksichtigen könne
und nicht auf das den Beschluû der Patentabteilung tragende Material beschränkt sei, könne es im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Rahmen des von der Patentabteilung festgestellten Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG weitere nicht ausdrücklich gerügte unzulässig erweiterte Merkmale zum Gegenstand seiner Entscheidung machen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, das Bundespatentgericht habe übersehen, daû die Patentabteilung nicht den gesetzlichen Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG angewendet habe, auch wenn diese Vorschrift unzutreffend als Grundlage der Entscheidung genannt sei. Die Patentabteilung habe gerade nicht festgestellt, daû der Gegenstand des erteilten Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Der Widerruf sei vielmehr darauf gestützt, daû das im Einspruchsverfahren neu eingefügte Merkmal "über eine Lagerung" in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Damit habe das Patentamt von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, bei einer Verteidigung des Patents in veränderter Fassung die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen; der von ihm behandelte Widerrufsgrund habe sich daher auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents bezogen.
Diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings ist das Beschwerdegericht nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 128, 280, 292 f. - Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 3.2.1998 - X ZB 6/97, GRUR 1998, 901, 902 - Polymermasse) im Einspruchsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht befugt, vom Einsprechenden innerhalb der Frist des § 59 Abs. 1 PatG nicht geltend gemachte und vom Patentamt nicht in
das Verfahren eingeführte Widerrufsgründe von Amts wegen aufzugreifen und den Widerruf des Patents hierauf zu stützen. Das stand der Entscheidung des Bundespatentgerichts jedoch nicht entgegen.
Die Beschränkung des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung auf die vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend gemachten Widerrufsgründe ergibt sich aus der Funktion des Beschwerdegerichts im Rechtszug und seiner Bindung an den Streitgegenstand. Das Bundespatentgericht ist im Beschwerdeverfahren zur Nachprüfung und Änderung von Entscheidungen nur in dem Umfang befugt, in dem eine Nachprüfung beantragt wird (Sen.Beschl. v. 2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer). Im Streitfall hat die Patentabteilung das Patent widerrufen, da der "geltende Patentanspruch" , als den die Patentabteilung den von der Patentinhaberin verteidigten Anspruch angesehen hat, i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet sei. Die Patentabteilung hat dies damit begründet, daû die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" in den erteilten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen hinausgehe, denen der Fachmann nicht allgemein ein Lager, sondern ausschlieûlich ein Wälzlager zwischen den Schwungmassen entnehme. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung der Patentabteilung hiernach nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents durch den verteidigten Anspruch gestützt. Es kann dahinstehen , ob die Patentabteilung zunächst die Zulässigkeit der Änderung des Anspruchs hätte prüfen und in Anbetracht der - nach ihrem Standpunkt - unzulässigen Änderung die erteilte Fassung zum Gegenstand ihrer weiteren Untersuchung hätte machen müssen (in diesem Sinne Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 21 Rdn. 107, § 83 Rdn. 42, 45; BPatGE 20, 133, 138; 29, 223, 226 für das
Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; a.A. Hövelmann, GRUR 1997, 109, 110 f., und - für das Nichtigkeitsverfahren - wohl auch Schulte, PatG, 5. Aufl., § 81 Rdn. 62b). Nachdem die Patentabteilung so nicht verfahren ist, sondern den verteidigten Anspruch daraufhin untersucht hat, ob dieser Anspruch auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet ist (der als erteilter Anspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG zum Widerruf des Streitpatents führen müûte und mit dem das Patent daher nicht aufrechterhalten werden kann), hatte das Beschwerdegericht diese Entscheidung nachzuprüfen. Im Rahmen dieser Prüfung war das Bundespatentgericht nicht auf dasjenige Merkmal beschränkt, das die Patentabteilung als unzulässige Erweiterung angesehen hat, denn die Erweiterung bezieht sich stets auf den Anspruch als Ganzen.
3. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Durchschnittsfachmann habe den ursprünglichen Unterlagen die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht entnehmen können. Denn in den ursprünglichen Unterlagen sei zum einen das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs 1, wonach die Relativverdrehung der Schwungmassen entgegen der Wirkung einer beliebigen Dämpfungseinrichtung erfolgen solle, sachlich nicht offenbart, zum anderen erlaubten sie nicht das Weglassen von zwingend zum Gegenstand der ursprünglichen Stammanmeldung gehörigen lösungswesentlichen Merkmalen im geltenden und auch schon erteilten Patentanspruch 1. Aus der Anmeldung ergebe sich für den Fachmann eine Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer bestimmten baulichen Konzeption und einer speziellen Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, wenn die Reibungskupplung gelöst werde. Für diese Steuerung sei in den ursprünglichen Unterlagen ein Mechanismus offenbart, der nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils
des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse (erteilter Anspruch 3) und die Reib- und Gleitverbindung (etwa erteilter Anspruch 12) in untrennbarer Weise umfasse.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Bundespatentgericht hält das Merkmal, wonach die Schwungmassen entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind, für in den ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen Weise nicht offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren gehe wie auch aus dem ursprünglichen Anspruch 31 hervor, daû die Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern bestehe und damit das Nominaldrehmoment übertragen werde. Die im ursprünglichen Anspruch 31 enthaltene Alternative, die statt der in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeicher Reib- oder Gleitmittel vorsehe, bilde nach dem Verständnis des Fachmanns zumindest beim abgetrennten Gegenstand keinen Ersatz für in Umfangsrichtung wirkende Kraftspeicher. Andere Ausführungsmöglichkeiten hinsichtlich der Übertragung des Nominaldrehmoments seien vom Fachmann nicht erkennbar.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Merkmal findet sich - abgesehen von der bereits von der Patentabteilung für unbedenklich angesehenen Einfügung des Wortes "relativ" - bereits in Anspruch 1 der zugrundeliegenden Anmeldung. Das Bundespatentgericht, das das nicht verkennt, meint, der ursprüngliche Patentanspruch 1 weise vorwiegend allgemeine dämpfungstechnische Wirkangaben auf und sei so weit gefaût, daû ein Bezug zu
der sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergebenden konkreten Lehre nicht ersichtlich sei und Anspruch 1 deshalb nicht als prinzipielle Verkörperung des Anmeldungsgegenstands verstanden werde. Dies gelte schon deswegen, weil im ursprünglichen Anspruch 1 die Reibungskupplung und das zugehörige Ausrücksystem nicht erwähnt würden, die aber für den im Streitpatent weiterzubildenden Gegenstand die entscheidende Grundlage bildeten.
Diese Erwägungen begründen die vom Bundespatentgericht angenommene unzulässige Erweiterung nicht. Das Bundespatentgericht zieht nicht in Zweifel, daû in den ursprünglichen Unterlagen eine Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern offenbart ist. Es zieht auch nicht in Zweifel, daû der Fachmann, als den das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungsvorrichtungen insbesondere in Verbindung mit Kraftfahrzeugkupplungen ansieht, hierin ein Mittel sieht, kraft dessen die Schwungmassen - in den Worten des verteidigten Anspruchs - entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind. Unter diesen - dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden - Voraussetzungen kann aber das sachlich unverändert aus Anspruch 1 der Anmeldung in Patentanspruch 1 übernommene Merkmal keine unzulässige Erweiterung darstellen, weil es nichts enthält, was nicht bereits Inhalt der Anmeldung gewesen wäre. Der Umstand, daû die Anmeldung nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nur eine Ausführungsform "einer ganz bestimmten Baukonzeption" mit in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern (ausführbar) offenbart, steht dem nicht entgegen. Denn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt
ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschlieût (Sen., BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I). Ein "breit" formulierter Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung deshalb jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war.

b) Das Bundespatentgericht hat weiter festgestellt, der Fachmann entnehme den ursprünglichen Unterlagen eine Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, die nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse in untrennbarer Weise umfasse.
aa) Im einzelnen hat das Bundespatentgericht hierzu ausgeführt: In der Anmeldung werde die ferdernde Verspannung der Schwungmassen im Zusammenhang mit der Tellerfeder 34, dem Reibring 22 und der axialen Verlagerbarkeit der Schwungmasse 4 gegenüber der Schwungmasse 3 beschrieben. Im weiteren werde dort zur Funktionsweise ausgeführt, daû das durch den Reibring 22 erzeugte Reibmoment abnehme, wenn mit zunehmender Ausrückkraft die Vorspannung der Tellerfeder 34 allmählich kompensiert werde, und daû bei Überwindung der Vorspannung der Tellerfeder 34 diese verschwenkt und die Schwungmasse 4 um den Betrag X in Richtung der Schwungmasse 3 mit der
Folge verlagert werde, daû der Reibring 22 abhebe und keine Reibungsdämpfung mehr erzeugt werde. Die axial federnde Verspannung der Schwungmassen mit der entgegen der Betätigungskraft der Reibungskupplung wirkenden Vorspannkraft und die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen sowie die Reib- und Gleitverbindung stellten eine Funktions- und Steuereinheit dar, die das allgemeine Lösungsprinzip verkörpere. In den ursprünglichen Unterlagen werde es bei der als Stand der Technik erörterten Drehmomentübertragungseinrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 26 274 als nachteilig angesehen, daû der radiale Flansch der Flanschhülse, die die drehbare Lagerung der Schwungmassen zueinander ermögliche, beim Betätigen der Reibungskupplung zwischen den Schwungmassen mit groûer Kraft verspannt werde, wodurch ein hohes Reibmoment zwischen den Schwungmassen auftrete und die Dämpfung beeinträchtige. Mit dem Patentgegenstand solle eine derart hohe Reib- und Dämpfungswirkung vermieden werden, wofür die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen und die Reib- und Gleitverbindung unverzichtbare Bestandteile der offenbarten Steuerung seien.
bb) Das trägt die angefochtene Entscheidung.
Bis zum Beschluû über die Erteilung des Patents sind nach § 38 PatG Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben zulässig, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern. Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs anders formuliert werden, und er darf beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung führen, und sie darf nicht dazu führen, daû an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (Sen., BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleiûkammer). Der
Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm).
Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daû der Fachmann den in dem verteidigten - wie in dem erteilten - Patentanspruch bezeichneten Gegenstand den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnehmen kann.
cc) Die Rechtsbeschwerde verweist allerdings zu Recht darauf, daû der Anmelder oder der Patentinhaber, wenn er nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, nicht genötigt ist, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefaûte Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (Sen., BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es
der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (Sen., BGHZ 110, 123, 126 - Spleiûkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, daû der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muû vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht , von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleiûkammer [insoweit nicht in BGHZ]).
dd) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts umfaût die Angabe im verteidigten Patentanspruch , daû die Schwungmassen durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind, aus der Sicht des Fachmanns nicht notwendigerweise eine axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen als ungeschriebenen Bestandteil der technischen Lehre des Anspruchs. Vom Anspruch umfaût ist daher auch eine Ausführungsform, bei der die Schwungmassen axial federnd verspannt sind, ohne axial verlagerbar zu sein. Nach den weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts konnte der Fachmann der Anmeldung axial federnd verspannte Schwungmassen jedoch nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen axialen Verschiebbarkeit dieser Schwungmassen entnehmen. Das
Bundespatentgericht hat insoweit auf die dem Fachmann in der Beschreibung erläuterte Funktion der axial federnde Verspannung der Schwungmassen für deren axiale Verlagerung und die Bedeutung dieser Verlagerung für die Lösung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems abgestellt. Diese Ausführungen , die das Bundespatentgericht noch zusätzlich darauf hätte stützen können, daû die axiale Verspannung der Schwungmassen auch im allgemeinen Teil der Beschreibung und in den in der Anmeldung formulierten Ansprüchen nur als Ausführungsform axial verlagerbarer Schwungmassen angesprochen ist, sind als tatrichterliche Feststellungen, gegen die durchgreifende Rechtsbeschwerdegründe nicht erhoben sind, für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 107 Abs. 2 PatG).
ee) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, diesen Feststellungen lägen unzutreffende Maûstäbe zugrunde.
Zu Unrecht sieht sie solche in der Bemerkung des Bundespatentgerichts , für den Fachmann seien aus der Anmeldung auch keine anderen Ausführungsformen erkennbar, die die Offenbarung der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Lösung rechtfertigen könnten. Damit hat das Bundespatentgericht nicht zum Ausdruck gebracht, nur bei einem solchen (weiteren) Ausführungsbeispiel könne die beanspruchte Lösung als offenbart gelten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Bundespatentgericht habe angenommen , Rechte aus dem Streitpatent könnten "(selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels geltend gemacht werden". An der angegebenen Stelle hat das Bundespatentgericht vielmehr - zutreffend - ausgeführt, Mängel im geltenden Anspruch 1 hinsichtlich
der ursprünglichen Offenbarung könnten nicht, wie von der Patentinhaberin eingeworfen worden sei, dadurch kompensiert werden, daû das Streitpatent (selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels gegenüber Dritten geltend gemacht werden könne; dafür biete das Patentrecht keine Handhabe.
Nicht unbedenklich sind hingegen zwar die Ausführungen des Beschwerdegerichts , die Abstraktion des konkreten Gegenstandes dürfe nicht zu einer unbestimmten und diffusen Aussage oder Anweisung führen, die eine klare Vorstellung vom Wesen des ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstandes nicht mehr vermittele und über die ursprüngliche Offenbarung in unzulässiger Weise hinausgehe, was im Streitfall ersichtlich der Fall sei, da wesentliche Elemente der Steuerung nicht im Hauptanspruch angegeben würden und für das Lösungsprinzip die steuernden und zu steuernden Mittel oder Vorrichtungen unverzichtbar seien. Es ist jedoch weder von der Rechtsbeschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Feststellungen zum Verständnis des Fachmanns vom Inhalt der Anmeldung hierdurch beeinfluût sein könnten.
ff) Wenn das Bundespatentgericht aus den zu dd) genannten Feststellungen abgeleitet hat, ein Anspruch, der nur die axial federnde Verspannung der Schwungmassen und den der Ausrückkraft der Reibkupplung entgegenwirkenden Kraftspeicher zur Kennzeichnung der Lösung anführe, sei "aus Offenbarungsgründen nicht statthaft" und führe zu einer sich dem Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht erschlieûenden und deshalb unzulässigen Teil- oder Unterkombination, hat es nach alledem entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unzulässig Fragen zum Anspruch auf Erteilung des Patents mit solchen aus dem Recht der Patentverletzung vermengt. Es hat
vielmehr zutreffend darauf abgestellt, daû der verteidigte Anspruch auf eine Kombination von Merkmalen gerichtet sei, die dem Fachmann nach seinen Feststellungen in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörende Kombination offenbart wird.

c) Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Bundespatentgericht auch rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach der Ursprungsoffenbarung gehöre ebenso die Reib- und Gleitverbindung, wie sie etwa im erteilten Anspruch 12 angegeben sei, zu dem erfindungsgemäûen Steuerungsmechanismus, wogegen sprechen könnte, daû eine solche Verbindung in der Beschreibung (S. 17) lediglich als vorteilhaft bezeichnet ist.
4. Das Bundespatentgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde ohne Begründung geblieben und deswegen als unzulässig zu verwerfen (§§ 102, 104 PatG).
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Meier-Beck

(1) Eine Erfindung ist zur Erteilung eines Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt anzumelden.

(2) Die Anmeldung kann auch über ein Patentinformationszentrum eingereicht werden, wenn diese Stelle durch Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt dazu bestimmt ist, Patentanmeldungen entgegenzunehmen. Eine Anmeldung, die ein Staatsgeheimnis (§ 93 Strafgesetzbuch) enthalten kann, darf bei einem Patentinformationszentrum nicht eingereicht werden.

(3) Die Anmeldung muß enthalten:

1.
den Namen des Anmelders;
2.
einen Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist;
3.
einen oder mehrere Patentansprüche, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll;
4.
eine Beschreibung der Erfindung;
5.
die Zeichnungen, auf die sich die Patentansprüche oder die Beschreibung beziehen.

(4) Die Erfindung ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

(5) Die Anmeldung darf nur eine einzige Erfindung enthalten oder eine Gruppe von Erfindungen, die untereinander in der Weise verbunden sind, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen.

(6) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung zu erlassen. Es kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf das Deutsche Patent- und Markenamt übertragen.

(7) Auf Verlangen des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Anmelder den Stand der Technik nach seinem besten Wissen vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben und in die Beschreibung (Absatz 3) aufzunehmen.

(8) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Hinterlegung von biologischem Material, den Zugang hierzu einschließlich des zum Zugang berechtigten Personenkreises und die erneute Hinterlegung von biologischem Material zu erlassen, sofern die Erfindung die Verwendung biologischen Materials beinhaltet oder sie solches Material betrifft, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und das in der Anmeldung nicht so beschrieben werden kann, daß ein Fachmann die Erfindung danach ausführen kann (Absatz 4). Es kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf das Deutsche Patent- und Markenamt übertragen.

(1) Das Patent wird widerrufen (§ 61), wenn sich ergibt, daß

1.
der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist,
2.
das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann,
3.
der wesentliche Inhalt des Patents den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist (widerrechtliche Entnahme),
4.
der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist; das gleiche gilt, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung oder einer nach § 7 Abs. 2 eingereichten neuen Anmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist.

(2) Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden.

(3) Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei.