Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2019 - X ZR 66/17

bei uns veröffentlicht am05.11.2019
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 11/15, 28.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 66/17
Verkündet am
5. November 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:051119UXZR66.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2019 durch den Richter Dr. Bacher, die Richterinnen Dr. Kober-Dehm, Dr. Marx und Dr. Rombach sowie den Richter Dr. Rensen

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 28. März 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist die eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 330 407 (Streitpatent ). Dieses wurde am 30. August 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Anmeldung vom 14. September 2001 angemeldet. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Messung der Konzentration von Substanzen in Blut.
2
In der von der Beklagten im Nichtigkeitsverfahren in erster Linie noch verteidigten Fassung hat das Streitpatent 14 Patentansprüche. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 lauten in der Verfahrenssprache wie folgt: "1. A method for measuring, in blood, a concentration of a test target, the method comprising: constructing a reaction system containing the test target, an oxidationreduction enzyme and an electron mediator; measuring the concentration of the test target by utilizing an electrochemical process; wherein a Ru compound is used as the electron mediator, and further wherein the method comprises: detecting supply of the test target by applying voltage; a first step of producing a reductant of the Ru compound in the reaction system lasting 10 seconds or less while not applying voltage; a second step of applying voltage to the reaction system to oxidize the reductant , and measuring the response current value correlated with a quantity of electrons released by the reductant, wherein the response current value is measured when a period of 3 to 5 seconds has elapsed from the start of the second step; and a third step of computing the concentration of the test target on the basis of the response current value measured in the second step, wherein the Ru compound is an oxidative Ru(III) complex expressed by the following chemical formula: [Ru(NH3)5X]n+ (where X in the formula is NH3, a halogen ion, CN, pyridine, nicotinamide or H2O, and n+ in the formula is the valence of the oxidative Ru(III) complex as determined by a type of X).
6. A device comprising a concentration measuring apparatus together with a concentration test instrument, wherein: the concentration test instrument comprises a substrate; at least first and second electrodes formed on the substrate; and a reagent layer formed as a solid; in which the reagent layer comprises an oxidation-reduction enzyme and a Ru compound, and the reagent layer comprising the oxidation-reduction enzyme and the Ru compound is constituted so as to dissolve and construct a liquid phase reaction system when a sample liquid containing the test target is supplied, wherein the Ru compound is as defined in claim 1; and wherein: the concentration measuring apparatus comprises: a voltage applier for applying voltage between the first and second electrodes ; a current value measurer for measuring the response current value when voltage is applied between the first and second electrodes; and a computer for computing the concentration of the test target on the basis of the response current value; wherein said computer converts the response current value into a voltage value, and checks the voltage value against a predetermined calibration curve expressing the relationship between voltage and test target concentration." Die Klägerin und ihre Streithelferin haben das Streitpatent vollumfänglich
3
angegriffen. Dabei haben sie geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert und teilweise nicht ausführbar offenbart sowie nicht patentfähig. Die Beklagte hat ihr Schutzrecht mit einem Hauptantrag und sieben Hilfsanträgen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
5
Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent gestützt auf die bereits im ersten Rechtszug gestellten Anträge. Die Klägerin und ihre Streithelferin treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
7
I. Das Streitpatent hat ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Messung der Konzentration von Substanzen, wie etwa Glucose oder Cholesterin, in Blut, einer anderen biologischen Probe oder einer zubereiteten Flüssigkeit zum Gegenstand.
8
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift waren entsprechende Testverfahren und -vorrichtungen im Stand der Technik insbesondere für Blutzuckermessungen gebräuchlich. Für die Messungen würden dabei Reaktionen mit einem Enzym genutzt. Typischerweise finde hier das Enzym Glucoseoxidase (GOD) Verwendung (NK1a, Abs. 2). Glucose oxidiere unter Einwirkung von GOD zu Gluconolacton, und zwar unter Abgabe eines oder mehrerer Elektronen. Dabei werde das Co-Enzym Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) reduziert und nehme Elektronen auf. Diese Reaktion lasse sich wie folgt beschreiben (NK1a, Abs. 2): Glucose + GOD/FAD → δ-Gluconolacton + GOD/FADH2
9
Eine gebräuchliche Form der Bestimmung der Konzentration einer Substanz sei die Amperometrie (NK1a, Abs. 3). Hierbei werde der Stromfluss an einer Elektrode gemessen, während eine Redox-Reaktion stattfinde. Allerdings komme dabei ein Elektronenüberträger (Mediator) zum Einsatz, der z.B. GOD/FADH2 wieder oxidiere und selbst reduziert werde. In der Regel finde als Mediator ein Ferricyanid (= Hexacyanoferrat[III] = [Fe(CN)6]3-) Verwendung. Dieses reduziere unter Aufnahme eines Elektrons zu einem Ferrocyanid (= Hexacyanoferrat (II) = [Fe(CN)6]4-). Das lasse sich wie folgt darstellen (NK1a, Abs. 4): GOD/FADH2 + 2 [Fe(CN)6]3- → GOD/FAD + 2 [Fe(CN)6]4- + 2H+
10
Ferrocyanid werde amperometrisch durch Anlegen einer Spannung wieder zu Ferricyanid oxidiert. Der dabei auftretende Stromfluss hänge von der Konzentration des Ferrocyanids ab. Das entspreche der folgenden Formel (NK1a, Abs. 5): [Fe(CN)6]4- → [Fe(CN)6]3- + e11 Das Ergebnis einer danach unternommenen Messung könne verfälscht werden, wenn im zu untersuchenden Blut bereits andere reduzierte Substanzen vorhanden seien, die durch Anlegen der Spannung ebenfalls oxidiert würden (NK1a, Abs. 9). Darüber hinaus könne Ferricyanid unter Einwirkung von Wasser oder Licht vorzeitig in Ferrocyanid umgewandelt werden. Das könne ebenfalls zu einem höheren gemessenen Stromfluss führen, der aber nicht auf von der Glucose empfangene Elektronen zurückgehe. Dementsprechend bedürfe es unter Umständen besonderer Vorkehrungen zum Schutz vor Feuchtigkeit und Licht (NK1a, Abs. 10).
12
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Verfahren und eine Vorrichtung bereit zu stellen, die störende Hintergrundströme auf möglichst kostengünstige Weise vermeiden sowie auf diese Art und Weise eine genauere Messung ermöglichen (NK1a, Abs. 11).
13
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (wobei die zusätzlichen Merkmale im Vergleich zur erteilten Fassung durch den Zusatz "H" und durch Unterstreichungen gekennzeichnet sind): 1.1 Das Verfahren dient der Messung einer Konzentration einer Testsubstanz im Blut und umfasst folgende Schritte: 1.2 Herstellen eines Reaktionssystems, das folgende Substanzen enthält: 1.2.1 die Testsubstanz (1.2.1), 1.2.2 ein Oxidations-Reduktions-Enzym (1.2.2), 1.2.3 einen Elektronenmediator. 1.3 Messen der Konzentration der Testsubstanz 1.3.1 unter Verwendung eines elektrochemischen Verfahrens , 1.3.2 wobei eine Rutheniumverbindung als Elektronenmediator verwendet wird und wobei das Verfahren ferner umfasst: 1.3aH Detektieren der Zugabe der Testsubstanz durch das Anlegen einer Spannung; 1.4 einen ersten Schritt des Erzeugens eines Reduktionsmittels aus der Rutheniumverbindung im Reaktionssystem, 1.4.1H der 10 Sekunden oder weniger dauert, ohne dass eine Spannung angelegt wird; 1.5 einen zweiten Schritt des Anlegens einer Spannung an das Reaktionssystem 1.5.1 zur Oxidation des Reduktionsmittels 1.5.2 und des Messens des Ansprechstromwertes, der einer Menge von Elektronen entspricht, die durch das Reduktionsmittel freigesetzt werden, 1.5.3H wobei der Wert des Ansprechstroms gemessen wird, wenn eine Periode von 3 bis 5 Sekunden vom Start des zweiten Schrittes verstrichen ist; sowie 1.6 einen dritten Schritt des Berechnens der Konzentration der Testsubstanz auf Grundlage des Wertes des Ansprechstroms , der im zweiten Schritt gemessen wird, 1.7H wobei die Rutheniumverbindung ein oxidativer Ru(III) Komplex ist, der durch die folgende chemische Formel ausgedrückt wird: [Ru(NH3)5X]n+ (wobei X in der Formel NH3, ein Halogenion, CN, Pyridin, Nicotinamid oder H2O ist und n+ in der Formel die Valenz des oxidativen Ru(III) Komplexes, wie durch einen Typ X bestimmt , darstellt).
14
4. Patentanspruch 6 schlägt eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: 10 Die Vorrichtung umfasst 10.2 ein Konzentrationstestinstrument, das folgende Bestandteile umfasst: 10.2.1 einen Träger; 10.2.2 wenigstens erste und zweite Elektroden, 10.2.3 die auf dem Träger gebildet werden, sowie 10.2.4 eine Reagenzschicht, die als Feststoff ausgebildet ist, 10.2.5 die ein Oxidations-Reduktions-Enzym 10.2.6 und eine Rutheniumverbindung umfasst 10.2.7H und die mit dem Oxidations-Reduktions-Enzym und der Rutheniumverbindung so aufgebaut ist, dass sie sich auflöst und ein Flüssigphasenreaktionssystem ausbildet, wenn eine flüssige Probe, welche die Testsubstanz enthält, zugeführt wird, 10.2.8H wobei die Rutheniumverbindung wie in Anspruch 1 definiert vorliegt; 10.1 ein Gerät zur Konzentrationsmessung, das folgende Bestandteile umfasst: 10.1.1 eine Spannungsquelle zum Anlegen von Spannung zwischen der ersten und der zweiten Elektrode; 10.1.2 ein Stromstärkenmessgerät zur Messung des Ansprechstromwerts, wenn zwischen der ersten und zweiten Elektrode Spannung angelegt wird, sowie 10.1.3 einen Computer zur Berechnung der Konzentration der Testsubstanz auf Grundlage des Ansprechstromwerts , 10.1.4 wobei der Computer den Ansprechstromwert in einen Spannungswert umwandelt und den Spannungswert mit einer vorherbestimmten Kalibrierungskurve vergleicht, welche die Beziehung zwischen Spannung und Konzentration der Testsubstanz ausdrückt.
15
5. Die Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt die Grundstruktur einer streitpatentgemäßen Vorrichtung:
16
Die Figuren 2 und 3 zeigen den zu dieser Vorrichtung gehörenden Glucosesensor:
17
6. Als Fachmann ist in Übereinstimmung mit dem Patentgericht ein Diplom-Chemiker mit Hochschulabschluss anzusehen, der über eine mehrjährige Berufserfahrung bei der Herstellung und Anwendung von Biosensoren verfügt und - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einem Ingenieur der Elektrotechnik - mit der Entwicklung von auf elektrochemischen Messungen basierenden Diagnose-Verfahren betraut ist, insbesondere mit der Entwicklung von amperometrischen Biosensoren auf der Basis von Redoxenzymen zur Bestimmung von Blutzucker.
18
7. Die Ausführungen des Patentgerichts zum Verständnis der Merkmale bedürfen teilweise der Korrektur.
19
a) Zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass der in Merkmal 1.4.1H vorgesehene erste Schritt nicht völlig entfallen darf.
20
Die insofern definierte Zeitangabe (10 Sekunden oder weniger) umfasst nach dem Wortlaut des Merkmals zwar auch den Wert 0. Nach den diesbezüglichen , für die Auslegung ebenso bedeutsamen Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents muss das Anlegen einer Spannung nach der Detektion der Testsubstanz aber unterbrochen werden (NK1a, Abs. 63). Zwar wird auch in diesem Zusammenhang eine Zeitdauer von 0 bis 10 Sekunden genannt. Aus dem für die Auslegung maßgebenden Gesamtzusammenhang der betreffenden Ausführungen ergibt sich aber, dass der Wert 0 hierbei einen unteren Grenzwert darstellt, der selbst nicht erreicht werden darf.
21
b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist dem Merkmal 10.2.7H zu entnehmen, dass das Flüssigphasenreaktionssystem, das sich bei Zuführen der Testflüssigkeit bildet, nicht nur die in Merkmal 10.2.6 vorgesehene Rutheniumverbindung enthält, sondern auch das in Merkmal 10.2.5 vorgesehene Enzym.
22
aa) In der Beschreibung des Streitpatents wird es allerdings nur als vorzugswürdig bezeichnet, dass beide Bestandteile der Reagenzschicht im Flüssigphasenreaktionssystem anwesend sind (NK1a, Abs. 20). Die darin geschilderten Ausführungsbeispiele, bei denen auch das Oxidations-ReduktionsEnzym in der festen Reagenzschicht einheitlich dispergiert ist und durch Zufuhr der Testflüssigkeit leicht aufgelöst wird (NK1a, Abs. 43), wobei sich die gesamte Reagenzschicht ohne weiteres und sofort auflöst (NK1a, Abs. 58), betreffen ebenfalls nur besonders vorteilhafte Ausführungsformen.
23
Jedenfalls durch die mit dem Hauptantrag vorgenommene Ergänzung von Merkmal 10.2.7 um das Erfordernis des Aufbaus der Reagenzschicht mit dem Oxidations-Reduktions-Enzym und der Rutheniumverbindung ("comprising the oxidation-reduction enzyme and the Ru compound") in der beschriebenen Weise kommt jedoch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die beiden Komponenten nicht nur in der Reagenzschicht vorhanden sein müssen, wie sie in den Merkmalen 10.2.4 bis 10.2.6 definiert ist, sondern dass sie auch an dem Auflösungsprozess beteiligt sein müssen, den Merkmal 10.2.7H vorgibt.
24
bb) Keine strikte Vorgabe enthält Merkmal 10.2.7H hingegen hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang sich die Reagenzschicht auflösen muss. Erfasst sind danach auch Ausführungsformen, bei denen sich die beiden Komponenten der Reagenzschicht jeweils nur zu einem bestimmten Teil auflösen.
25
c) Zu Recht hat das Patentgericht wiederum entschieden, dass Merkmal 10.2.7H nicht erfordert, dass sich der Mediator und das Enzym in Lösung befinden. Vielmehr reicht es aus, wenn sie eine Dispersion bilden.
26
In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, die Reagenzschicht mit dem Mediator und dem Enzym löse sich beim Hinzutreten der Testsubstanz auf (NK1a, Abs. 19, 43 und 57). Dem kann nicht entnommen werden, in welchem Phasenzustand sich Mediator und Enzym nach dem Auflösen der Reagenzschicht befinden.
27
Hinsichtlich des Mediators wird mehrfach ausgeführt, dieser sei in dem Enzym gleichförmig dispergiert (NK1a, Abs. 24, 43, 58, 59). Dies bezieht sich zwar auf den Zustand, in dem die Reagenzschicht noch nicht aufgelöst ist. Der Umstand, dass für den Ausgangszustand ausdrücklich von einer Dispersion die Rede ist, während der Zustand nach der Auflösung nicht näher beschrieben ist, spricht aber dafür, dass auch in dieser späteren Phase eine Dispersion vorliegen kann. Hinweise darauf, dass stattdessen eine Lösung vorzugswürdig ist oder gar vorliegen muss, finden sich in der Streitpatentschrift demgegenüber nicht. Ebenso wenig sieht das Streitpatent diesbezügliche Vorkehrungen vor, die gegebenenfalls auf weitere, bestimmte Eigenschaften des entstehenden Flüssigphasenreaktionssystems zurückschließen ließen.
28
d) Merkmal 1.3aH enthält keine ausdrücklichen Vorgaben dazu, wie lang der Zeitraum zwischen der Zugabe der Testsubstanz und deren Detektion sein darf. Den übrigen Merkmalen von Patentanspruch 1 sowie dem sonstigen Inhalt der Patentschrift lassen sich hierzu ebenfalls keine Vorgaben entnehmen.
29
aa) In der Beschreibung des Streitpatents wird in Bezug auf das dort geschilderte Ausführungsbeispiel erläutert, die Testsubstanz bewege sich aufgrund von Kapillarkräften durch einen Kanal (25). Im Verlauf dieser Bewegung löse sich die Reagenzschicht (28) auf (NK1a, Abs. 57). Dieser Auflösungsprozess geschehe leicht und augenblicklich, wenn ein Rutheniumkomplex in Form eines Mikropulvers eingesetzt werde (NK1a, Abs. 58).
30
Daraus ergibt sich zwar, dass eine möglichst kurze Zeitdauer angestrebt wird. Eine eindeutige Festlegung hinsichtlich des Zeitraums zwischen der Zugabe der Testflüssigkeit und dem Beginn des Auflösungsprozesses ist damit aber nicht verbunden.
31
bb) Ebenso wenig lässt der in Figur 5 des Streitpatents dargestellte Zeitverlauf weitergehende Rückschlüsse zu.
32
Der Darstellung in Figur 5 ist zwar zu entnehmen, dass der Zeitraum zwischen dem Beginn des Stromflusses und dem Detektieren der Testsubstanz im Zeitpunkt t0 kürzer ist als der sich daran anschließende Zeitraum (t0 bis t1), in dem keine Spannung anliegt.


33
Dieser Umstand hat in Patentanspruch 1 aber keinen Niederschlag gefunden. Unabhängig davon ist aus der Darstellung nicht ersichtlich, wie groß der Zeitraum zwischen der Zugabe der Testsubstanz und dem Beginn des Stromflusses selbst sein soll.
34
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
35
Der Gegenstand der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann ausgehend von der Veröffentlichung von Cui et al. (Disposable amperometric glucose sensor electrode with enzymeimmobilized nitrocellulose strip, Talanta, Vol. 54, 2001, S. 1105-1111, NK4), deren Inhalt insoweit mit der Dissertation von Cui (Thick-Film Amperometric Glucose Sensors, Kwangwoon University, Seoul, Korea, Juni 2000, NK23) übereinstimme, nahegelegt gewesen. NK4 offenbare einen amperometrischen Einmal-Glucosesensor mit einer Rutheniumverbindung als Elektronenmediator, bei dem mit Ausnahme der Merkmale 1.3aH, 1.4.1H, 1.5.3H und 10.1.4 alle übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 verwirklicht seien. Die Ergänzung der in NK4 offenbarten Lösung um diese Merkmale sei durch den Prospekt zu dem System Lifescan OneTouch Ultra (NK19) und das zugehörige US-Patent 5 708 247 (NK20) sowie durch das fachübliche Handeln nahegelegt gewesen. Die Reaktionsfolgen und das Reaktionssystem als solches seien bekanntermaßen zeitabhängig. Das sei zum Beispiel der Figur 8 in NK4 zu entnehmen. Deshalb müsse der Fachmann den Zeitpunkt feststellen, ab dem die Probe als auf das System aufgebracht gelten solle. Dementsprechend sei ein definierter Startpunkt, wie ihn das Merkmal 1.3aH vorsehe, zwingend erforderlich. Dies sei eine vollkommen übliche Vorgehensweise, die zum Beispiel in den USPatenten 5 366 609 (NK17) und 5 620 579 (NK10 bzw. NK29) dokumentiert sei. Diese Entgegenhaltungen belegten zudem gutachtlich, dass ein spannungsloser Zeitraum zur Anreicherung des Mediators an der Arbeitselektrode im Sinne des Merkmals 1.4.1H üblich gewesen sei. Was die Messung des Ansprechstromwerts angehe, habe es im Belieben des Fachmanns gestanden, diese kontinuierlich, in mehreren Intervallen oder nur einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine dem Zeitregime der Merkmale 1.4.1H und 1.5.3H entsprechende schnelle Messung auch mit dem aus NK4 bekannten Glucosesensor und der dort eingesetzten Membran möglich gewesen. Es sei auch nicht richtig, dass der aus NK19 und NK20 bekannten gelartigen Reaktionszone ein völlig anderer Ansatz zur Herstellung einer Reagenzschicht zugrunde liege. NK4 gehe von herkömmlichen Glucosesensoren aus, bei denen mindestens zwei Elektroden aufgedruckt würden und unmittelbar auf diese eine Reagenzschicht mit Enzym und Mediator aufgebracht werde. Eine entsprechende Vorgehensweise sei zum Beispiel auch der US-Patentschrift 5 288 636 (NK35) zu entnehmen. Zwar sei bekannt, dass eine selektiv permeable Membran, wie sie nach NK4 eingesetzt worden sei, die Zeit bis zum ersten Ergebnis erhöhe. Der Fachmann habe dennoch darauf geachtet , möglichst schnell zu einem Ergebnis zu gelangen. Um dieses Ziel zu erreichen, habe er erforderlichenfalls auf die nach NK4 eingesetzte Membran verzichtet. In NK4 sei der Einsatz einer Membran dem Ziel der Untersuchungen geschuldet gewesen, die in dem Bestreben unternommen worden seien, die Vorteile membran-basierter Sensorstreifen mit den Vorteilen mikrokapillarer Füllkanäle zu kombinieren.
36
Auch der Patentanspruch 6 nach Hauptantrag beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von NK4 habe es für den Fachmann nahegelegen, in einem kommerziellen Messgerät, wie es in NK19 und NK20 beschrieben worden sei, den für die Erfassung der Messwerte notwendigen Computer im Sinne der Merkmale 10.1.3 und 10.1.4 auch zur Berechnung der Konzentration anhand einer Kalibrierkurve einzusetzen.
37
Mit der in Hilfsantrag 1 vorgesehenen Änderung, wonach die Periode ohne Anlegen 1 bis 10 Sekunden dauern solle, erhalte Patentanspruch 1 keinen anderen, eine erfinderische Tätigkeit begründenden Inhalt.
38
Die nach Hilfsantrag 2 vorgesehenen Änderungen von Patentanspruch 1 entsprächen sinngemäß den Merkmalen 10.2.4, 10.2.5, 10.2.6 und 10.2.7H des Patentanspruchs 6 nach Hauptantrag und könnten deshalb ebenfalls nicht zur Bejahung der Patentfähigkeit führen.
39
Die nach Hilfsantrag 3 zusätzlich vorgesehenen Merkmale 1.5.23 und 10.1.23, wonach der gemessene Ansprechstromwert dem Mediatordiffusionsstromwert entsprechen müsse, seien dahin auszulegen, dass der die Geschwindigkeit des gesamten Systems limitierende Schritt diffusionskontrolliert sein müsse. Diese Merkmale könnten die Patentfähigkeit ebenfalls nicht begründen. Ein Fachmann, der das in NK4 und NK23 beschriebene System mit einer Rutheniumverbindung als Elektronenmediator auf einen kommerziellen Schnelltest zu übertragen suche, werde stets darauf achten, dass die Messung möglichst schnell und dementsprechend diffusionskontrolliert erfolge. Auch die Menge des Enzyms werde er mit Rücksicht hierauf bestimmen. Der Umstand, dass das Enzym in dem in NK4 beschriebenen System immobilisiert sei und dass dort ein Katalysestrom gemessen werde, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die in NK4 eingesetzte Messmethode diene der dort verfolgten Zielrichtung, Informationen zu gewinnen, die es erlaubten, das System zu optimieren und seine Einsatzfähigkeit auf Glucose-Teststreifen zu zeigen. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass NK4 einen Teststreifen propagiere, bei dem der katalytische Schritt geschwindigkeitsbestimmend sei. NK4 zeige lediglich , dass eine schnelle Messung selbst dann ohne Probleme möglich sei, wenn eine Membran zum Einsatz komme. Die von der Beklagten vorgelegten Cyclovoltagramme aus dem Werk von Cass (Biosensors, A Practical Approach, Oxford 1990, S. 22, HE 7) seien mit denjenigen der NK4 nicht vergleichbar, weil mit verschiedenen Vorschubgeschwindigkeiten gearbeitet worden sei. Unabhängig davon beziehe sich der Begriff "catalytic current" nicht auf die Kinetik des Systems; er bezeichne vielmehr einen durch die katalytische Reaktion des Enzyms mit der Rutheniumverbindung verursachten Strom. Selbst wenn die in NK4 eingesetzte Membran oder die in NK20 verwendete gelartige Schicht einer Diffusionskontrolle des Mediators entgegenstünden, sei es naheliegend, das Reaktionssystem unmittelbar auf die Elektroden aufzutragen. Dies führe zwangsläufig zu einem Reaktionssystem mit allen streitpatentgemäßen Eigenschaften.
40
Die nach Hilfsantrag 4 vorgesehenen Änderungen hinsichtlich der Merkmale 1.8.3, 10.2.7 und 10.1.2 führten zu keiner relevanten Abweichung.
41
Das nach Hilfsantrag 5 vorgesehene Merkmal 1.6.15 entspreche Merkmal 10.1.4 und habe eine fachübliche Strommessung zum Gegenstand. Das Merkmal 10.1.55 betreffe den bereits erörterten Begriff des Mediatordiffusionsstroms und trage nicht zur Patentfähigkeit bei.
42
Das nach Hilfsantrag 6 vorgesehene Merkmal 10.2.26 beschreibe die fachübliche Ausgestaltung eines im Sinne des Streitpatents arbeitenden elektronischen Messgeräts, wie sie auch NK20 zu entnehmen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sehe das Merkmal eine Anordnung der Elektroden auf demselben Substrat nicht zwingend vor. Unabhängig davon habe der Fachmann eine solche Anordnung ohnehin in Erwägung gezogen. Die Ausführungen in NK23 zu den Vorteilen einer parallelen Anordnung stünden dem nicht entgegen. Entsprechendes gelte für den in NK23 angegebenen Zeitraum von 30 Sekunden bis zur Messung der Änderung des Stroms. Dabei gehe es nicht um den besten Zeitpunkt der Messung, sondern um die optimale Arbeitsspannung.
43
Die nach Hilfsantrag 7 vorgesehene Einschränkung, dass der erste Schritt 1 bis 3 Sekunden dauern solle, könne eine erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht begründen. Zwar sei für die Dauer des entsprechenden Schrittes in NK17 neun Sekunden angegeben worden. Dies sei aber damit begründet wor- den, dass die Vorhersage eines optimalen Zeitraums aufgrund der jeweils speziellen Kombination von Enzym und Mediator nicht möglich sei. Das wiederum bedeute, dass das verwendete System mit einer Rutheniumverbindung als Mediator und einem Enzym jeweils auf ein geeignetes Zeitregime optimiert werden müsse. Darin liege eine Routinemaßnahme. Diese Abhängigkeit der Reaktionsdauer von der Konzentration des Enzyms und der Menge des Mediators lasse sich auch der Druckschrift NK35 entnehmen.
44
Hinsichtlich der nach Hilfsantrag 7 vorgesehenen Unteransprüche ergebe sich keine abweichende Beurteilung.
45
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren jedenfalls im Ergebnis stand.
46
1. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
47
a) Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Schluss gelangt, dass in den Entgegenhaltungen NK4 und NK23 ein Teststreifen zur Bestimmung der Konzentration von Glucose in Blut offenbart ist, bei dem mit Ausnahme der Merkmale 1.3aH, 1.4.1H und 1.5.3H alle übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 verwirklicht sind.
48
Die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1, an deren Offenbarung es nach Auffassung der Berufung in NK4 und NK23 fehlt, sind erst in Hilfsantrag 2 vorgesehen und für die Beurteilung des Hauptantrags deshalb unerheblich.
49
b) Die Wahl insbesondere der Entgegenhaltungen NK4 und NK23 als Ausgangspunkt begegnet keinen Bedenken. Dabei kann offenbleiben, ob die Entgegenhaltungen NK4 und NK23 oder etwa die Entgegenhaltungen NK10 und NK17 oder NK19, NK20 und NK21 näherliegen. Denn nicht der nächstkommende Stand der Technik ist als alleiniger Ausgangspunkt zugrunde zu legen, sondern maßgebend ist das Bemühen des Fachmanns, für einen bestimmten Zweck eine bessere oder auch nur andere Lösung zu finden (BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 Rn. 20 - Fischbissanzeiger

).

50
Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Aufgabe lag es nahe, sowohl Ausführungsformen mit Ferricyanid als auch Ausführungsformen mit anderen Verbindungen in Betracht zu ziehen.
51
c) Zu Recht hat das Patentgericht weiter ausgeführt, dass der Fachmann auf Grund des unter anderem in NK10 (dort etwa Sp. 6, Z. 30 bis 36 zu dem aus den Figuren 1A und 1B ersichtlichen Zeitpunkt t0) und NK17 (dort Figur 5 sowie Sp. 4, Z. 11 bis 13 zu Figur 5 und Sp. 6, Z. 52 bis 54) dokumentierten Fachwissens Anlass hatte, eine Detektion der Zugabe der Testflüssigkeit durch Anlegen einer Spannung, Messen eines Ansprechstroms sowie Definition eines Schwellenwerts, bei dessen Erreichung die Spannung weggenommen werden soll, vorzusehen, wie dies Merkmal 1.3aH beschreibt.
52
Dass bei den in NK10 und NK17 offenbarten Sensoren andere Elektronenmediatoren zum Einsatz kommen als beim Streitpatent, führt entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Weder aus den genannten Entgegenhaltungen noch aus sonstigen Umständen sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Notwendigkeit, die Zugabe der Testsubstanz zu detektieren sowie eine Anreicherung des Mediators zu ermöglichen, und die dafür geeigneten Mittel vom eingesetzten Elektronenmediator abhängen.
53
d) Ebenfalls zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, den in NK4 und NK23 offenbarten Teststrei- fen so zu optimieren, dass eine Messung innerhalb der in den Merkmalen 1.4.1H und 1.5.3H definierten Zeiträume möglich ist.
54
aa) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ergab sich aus dem in NK4 dargestellten Verlauf des Ansprechstroms freilich keine Veranlassung , die Dauer des ersten Schritts, in dem keine Spannung anliegt, auf 10 Sekunden zu begrenzen.
55
(1) Allerdings entnimmt der Fachmann dem in NK4 in Figur 8 dargestellten Verlauf des Ansprechstroms nach den Feststellungen des Patentgerichts , dass bereits nach rund 5 Sekunden ein Zustand erreicht wird, der einem Gleichgewicht sehr nahekommt und für eine Messung geeignet ist.
56
Der hiergegen gerichtete Einwand der Berufung, die Stromstärke ändere sich im darauffolgenden Zeitraum noch signifikant, begründet keine konkreten Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Feststellung (§ 112 Satz 1 PatG in Verbindung mit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zwar ist dem Diagramm in Figur 8 zu entnehmen, dass die Stromstärke im Bereich zwischen 5 und 30 Sekunden weiter ansteigt. Hiervon ist indes auch das Patentgericht ausgegangen. Es hat diesem Umstand keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, weil die Anstiegsrate in diesem Zeitraum deutlich geringer ist als in den ersten 5 Sekunden und deshalb eine Messung schon vor Erreichen des Gleichgewichtszustands sinnvoll ist. Anhaltspunkte, die konkrete Zweifel an der Richtigkeit dieser Überlegung begründen könnten, zeigt die Berufung nicht auf.
57
(2) Wie die Berufung zu Recht geltend macht, bezieht sich das Diagramm in Figur 8 indes auf den Zeitraum nach Anlegen einer Spannung. Letzteres erfolgte bei den in NK4 dokumentierten Versuchen jedoch erst 30 Sekunden nach der Zugabe der Testsubstanz, um eine Äquilibrierung zu ermöglichen (NK4, S. 1107 Punkt 2.4).
58
Dies hat auch das Patentgericht nicht anders gesehen. Nach seinen Feststellungen liegt der Grund für die Äquilibrierzeit von 30 Sekunden aus fachmännischer Sicht in dem Umstand, dass die in NK4 eingesetzten Pads mit einer Membran aus Nitrocellulose einige Zeit benötigen, bis sie sicher und hinreichend mit der aufgebrachten Probe befüllt sind.
59
(3) Vor diesem Hintergrund ergab sich für den Fachmann aus NK4 kein Ansatz, den Zeitraum zwischen dem Detektieren der Zugabe der Testsubstanz und dem Anlegen der Spannung zum Zwecke der Messung deutlich zu verkürzen.
60
Das Patentgericht hat zwar offengelassen, ob die in NK4 eingesetzte Membran insoweit störend wirkt. Weder aus seinen Feststellungen noch aus sonstigen Umständen ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, wie der Fachmann die für die Äquilibrierung erforderliche Zeitdauer in wesentlichem Umfang hätte verringern können.
61
(4) Der Umstand, dass der Zeitraum zwischen der Zugabe der Testsubstanz und dem Detektieren dieses Ereignisses in Patentanspruch 1 nicht definiert ist, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
62
Der Fachmann hätte zwar möglicherweise zu einem Verfahren mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 gelangen können, wenn er seine Aufmerksamkeit lediglich dem Zeitraum nach der Detektion gewidmet und eine im Verhältnis dazu lange Äquilibrierungszeit in Kauf genommen hätte. Ein Fachmann, der eine Verringerung der Zeit zwischen der Zugabe eines Blutstropfens und dem Ergebnis der Konzentrationsbestimmung (Messzeit) sowie eine damit verbundene Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit anstrebte, hatte aber Veranlassung , den gesamten Zeitraum zu betrachten, wie dies - wenn auch ohne Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Detektionsphase - im Ansatz auch das Streitpatent anstrebt. Angesichts dessen bestand kein Anlass, die Zeit für die beiden nachfolgenden Phasen auf deutlich unter 30 Sekunden zu verringern , wenn keine Aussicht bestand, auch die Dauer des Detektionsvorgangs deutlich unter diesen Wert abzusenken.
63
bb) Nichts Anderes ließ sich NK23 entnehmen. Denn auch dort ist eine Wartezeit von 30 Sekunden beschrieben und als Ursache hierfür die notwendige Füllung der gesamten Membran mit der Testflüssigkeit angegeben (Kapitel 3.2.5, S. 59).
64
cc) Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht jedoch entschieden, dass der Fachmann Anlass hatte, den in NK4 und NK23 offenbarten Einsatz einer Rutheniumverbindung als Elektronenmediator mit den aus NK10 und NK17 bekannten Möglichkeiten zum Aufbau einer Reagenzschicht ohne Memb- ran zu kombinieren. Insofern fehlte es nicht lediglich an Hindernissen auf dem Weg zur streitpatentgemäßen Lösung, sondern der Fachmann wurde durch den Inhalt der genannten Entgegenhaltungen angeregt, deren Ergebnisse unter Anwendung seines Fachwissens zu kombinieren.
65
(1) In NK10 und NK17 sind Sensoren offenbart, die eine im Vergleich zu NK4 deutlich kürzere Messzeit ermöglichen (NK10, Sp. 6, Z. 45 f. in Verbindung mit Figuren 1A und 1B sowie NK17, Figur 4). Dies gab dem Fachmann Anlass, nach Möglichkeiten zu suchen, die Messdauer auch bei dem in NK4 bzw. NK23 offenbarten System auf entsprechende Werte zu reduzieren.
66
Dem steht nicht entgegen, dass die in NK4 und NK23 eingesetzte Membran aufgrund der erforderlichen Äquilibrierdauer insoweit nur begrenzten Spielraum bot. Gerade weil für den Fachmann aus NK4 und NK23 ersichtlich war, dass eine Membran infolge der notwendigen Äquilibrierung (NK4, S. 1107 Punkt 2.4 und NK23, Kapitel 3.2.5) hindernd wirkt, hatte er Anlass, nach Alternativen dazu zu suchen, wenn er angeregt durch die im Stand der Technik bekannten Sensoren besonderen Wert auf eine kurze Gesamtdauer legte.
67
(2) Der Umstand, dass die Membran in NK23 und insbesondere in NK4 erkennbar im Mittelpunkt der Betrachtung steht, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
68
In NK4 wird der Einsatz einer Rutheniumverbindung als Mediator im Vergleich zum Einsatz einer Membran allerdings eher beiläufig behandelt - im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Membran. Auch dort werden der eingesetzten Verbindung ([RuNH3)6]3+ aber mehrfach ausdrücklich und teilweise auch an hervorgehobener Stelle positive Eigenschaften zugesprochen, und zwar hinsichtlich der Verringerung störender Einflüsse (NK4, S. 1105, Abstract, S. 1108 unter 3.1 sowie S. 1110 f., conclusion), also einer Funktion, der auch die Membran dient (NK4, S. 1106, linke Sp., Abs. 2 und Abs. 3 zur allgemeinen Funktion von Membranen, S. 1108, rechte Sp., Abschnitt 3.2 am Anfang, S. 1110,linke Sp., Abs. 2 aE sowie S. 1110, conclusion aE zur Funktion der Membran als Filter

).

69
Entscheidende Hinweise darauf, dass der Einsatz einer Rutheniumverbindung als Mediator auch unabhängig von einer Membran vorteilhaft sein kann, ergeben sich aus NK23. Dort werden zunächst Versuche mit einer Membran und einer Eisenverbindung (K3[Fe(CN)6]) als Mediator geschildert (NK23, Kapitel 3, S. 51 ff.). Erst im Anschluss daran geht es um Versuche mit einer Rutheniumverbindung ([Ru(NH3)6]3+) als Mediator (NK23, Kapitel 4, S. 75). Dieser werden ausdrücklich positive Eigenschaften zugeschrieben (NK23, Kapitel 4.3.1, S. 84). Danach stand fest, dass der untersuchten Rutheniumverbindung als Mediator im Vergleich zu der untersuchten Eisenverbindung in derselben Funktion Vorteile zukommen sowie dass die guten Eigenschaften des in NK4 und NK23 untersuchten Teststreifens folglich nicht allein auf die verwendete Membran zurückgehen.
70
Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, den Einsatz einer Rutheniumverbindung auch im Zusammenhang mit anders aufgebauten Reagenzschichten in Erwägung zu ziehen. Hierzu bot es sich an, auf im Stand der Technik bekannte Möglichkeiten des Aufbaus von Sensoren mit kurzer Messzeit zurückzugreifen. Dazu gehörten die in NK10 und NK17 offenbarten Systeme.
71
(3) Bei einer ergänzenden Heranziehung von NK10 und NK17 ergab sich für den Fachmann Veranlassung, den dort offenbarten Aufbau, der eine deutlich schnellere Messung ermöglicht, auch für Reagenzschichten mit einer Rutheniumverbindung als Mediator in Betracht zu ziehen.
72
Der Umstand, dass in beiden Entgegenhaltungen Eisenverbindungen als vorzugswürdig bezeichnet werden und Ruthenium keine Erwähnung findet, führt entgegen der Auffassung der Berufung nicht zu einer abweichenden Beurteilung. In NK10 wird neben Ferricyanid eine ganze Reihe von anderen Stoffen als geeigneter Mediator angeführt (NK10, Sp. 2, Z. 45 bis 59). In NK17 wird zur Messung der Cholesterinkonzentration sogar der gleichzeitige Einsatz von zwei Mediatoren (Ferricyanid und Chinon) vorgeschlagen (NK17, Sp. 5, Z. 42 bis

45).

73
Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass zu der Erwartung, dass der in NK10 und NK17 vorgeschlagene Aufbau auch mit anderen, dort nicht ausdrücklich genannten Mediatoren vorteilhaft sein kann, um eine kürzere Messzeit zu erreichen.
74
2. Der Gegenstand der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 6 beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
75
a) Wie bereits oben dargelegt wurde, hatte der Fachmann Anlass, den in NK4 und NK23 offenbarten Einsatz einer Rutheniumverbindung als Elektronenmediator mit den aus NK10 und NK17 bekannten Möglichkeiten zum Aufbau einer Reagenzschicht ohne Membran zu kombinieren. Hierdurch gelangte er zu einer Vorrichtung, die bis auf die Merkmale 10.2.7H und 10.2.8H alle übrigen Merkmale von Patentanspruch 6 aufweist.
76
b) Die Merkmale 10.2.7H und 10.2.8H vermögen die Patentfähigkeit ebenfalls nicht zu begründen.
77
aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war der Gegenstand von Patentanspruch 6 allerdings nicht durch Entgegenhaltungen nahegelegt, bei denen sich nur der Mediator, nicht aber das Enzym beim Hinzutreten der Testsubstanz auflöst.
78
Wie bereits oben ausgeführt wurde, erfordert das Merkmal 10.2.7H, dass sich beide genannten Bestandteile auflösen.
79
bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich für den Fachmann auch kein Anlass, beim Einsatz der in NK4 vorgeschlagenen NCMembran zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um das mittels dieser Membran immobilisierte Enzym wieder zu mobilisieren. Deshalb kann dahingestellt bleiben , welche Möglichkeiten dem Fachmann insoweit zur Verfügung standen.
80
cc) Der Gegenstand von Patentanspruch 6 war dem Fachmann durch eine Kombination der eingangs genannten Entgegenhaltungen mit NK20 oder mit NK35 nahegelegt.
81
(1) Der Fachmann hatte aus den bereits oben angeführten Gründen hinreichend Anlass, Alternativen zur Gestaltung des Teststreifens mit einer Membran in Erwägung zu ziehen, um die Messzeit zu verkürzen.
82
(2) Zu den insoweit in Frage kommenden Lösungen gehört der in NK20 offenbarte Teststreifen, der ausweislich NK19 eine Messzeit von 5 Sekunden ermöglicht (NK19, S. 15). Bei diesem Teststreifen bildet die Reagenzschicht nach den Feststellungen des Patentgerichts eine gelartige Reaktionszone aus, in der sich Enzym, Mediator und Glucose frei bewegen können. Hierin hat das Patentgericht zu Recht ein Flüssigphasenreaktionssystem mit den oben aufgeführten Merkmalen des Streitpatents gesehen.
83
Dass Enzym und Mediator bei dem in NK20 offenbarten Teststreifen nur in dispergierter Form vorliegen, nicht hingegen in Form einer Lösung, ist aus den im Zusammenhang mit der Auslegung von Merkmal 10.2.7H dargelegten Gründen unerheblich.
84
(3) Zu den aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen, zu deren Heranziehung der Fachmann Anlass hatte, gehört ferner das in NK35 offenbarte Elektrodensystem.
85
Dieses weist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Berufungserwiderung eine Reagenzschicht auf, bei der sowohl das Enzym als auch der Mediator bei Hinzutreten der Testsubstanz in Lösung übergehen. Dass sich die Reagenzschicht hierbei nicht vollständig auflöst, ist nach den bereits im Zusammenhang mit der Auslegung von Merkmal 10.2.7H dargelegten Gründen unerheblich.
86
3. Hinsichtlich des Hilfsantrags 1 ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
87
Hilfsantrag 1 sieht ein modifiziertes Merkmal 1.4.11 vor, wonach die Dauer des ersten, spannungslosen Schritts 1 bis 10 Sekunden beträgt. Dies führt zwar zu einer Einschränkung, weil die Dauer dieses Schritts nach der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung auch weniger als 1 Sekunde betragen kann. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist aber allein ausschlaggebend, dass aus den oben genannten Gründen jedenfalls eine Dauer von 10 Sekunden durch den Stand der Technik nahegelegt war.
88
4. Den mit Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstand hat das Patentgericht ebenfalls im Ergebnis zu Recht als nicht patentfähig angesehen.
89
a) Nach Hilfsantrag 2 soll Patentanspruch 1 um folgende Merkmale ergänzt werden: 1.2.42 Das Reaktionssystem ist ein Flüssigphasenreaktionssystem. 1.82 Das Flüssigphasenreaktionssystem wird aus einer Reagenzschicht gebildet, die als Feststoff ausgebildet ist, 1.8.12 die das Oxidations-Reduktions-Enzym 1.8.22 und die Rutheniumverbindung (1.8.22) umfasst 1.8.32 und die mit dem Oxidations-Reduktions-Enzym und der Rutheniumverbindung so aufgebaut ist, dass sie sich auflöst und das Flüssigphasenreaktionssystem ausbildet, wenn eine flüssige Probe, welche die Testsubstanz enthält, zugeführt wird.
90
b) Diese Merkmale, die der Sache nach mit den bereits nach dem Hauptantrag für Patentanspruch 6 vorgesehenen Merkmalen 10.2.4 bis 10.2.8H übereinstimmen, führen aus den bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag angeführten Gründen nicht zur Bejahung der Patentfähigkeit.
91
5. Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht den mit Hilfsantrag 3 verteidigten Gegenstand als nicht patentfähig angesehen.
92
a) Nach Hilfsantrag 3 soll in den Merkmalen 1.5.2 und 10.1.2 die Formulierung "des Ansprechstromwertes" jeweils ersetzt werden durch die Formulierung "des Mediatordiffusionsstroms in Form des Ansprechstromwerts".
93
Mit dieser Modifikation wird nach den insoweit nicht angegriffenen Ausführungen des Patentgerichts festgelegt, dass die Geschwindigkeit der Elektrodenreaktion nicht durch die katalytische Enzym-Mediator-Reaktion begrenzt wird, sondern durch die Diffusion eines Bestandteils des Reaktionssystems.
94
Diese Festlegung knüpft an die Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents an, wonach in dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel der Strom gemessen wird, der dadurch entsteht, dass Ruthenium(II)-Komplexe an die Elektrode (26) wandern und dort Elektronen abgeben sowie dass hierbei der Diffusionsstrom gemessen wird (NK1a, Abs. 61).
95
Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist damit aus Sicht des Fachmanns nicht zwingend festgelegt, was gemessen wird, sondern in erster Linie, welcher Faktor den Ausschlag dafür gibt, welche Stromstärke erreicht wird. Die Festlegung auf den Diffusionsstrom bedeutet, dass der langsamste und damit die Geschwindigkeit des Gesamtvorgangs bestimmendeTeilvorgang die Bewegung des reduzierten Mediators an die Elektrode ist. Eine Festlegung auf den Katalysestrom würde demgegenüber bedeuten, dass eine katalytische Reaktion - sei es zwischen Glucose und Enzym, sei es zwischen Enzym und Mediator - die geringste Geschwindigkeit aufweist und damit für die entstehende Stromstärke maßgeblich ist.
96
Welcher Faktor für die Stromstärke bestimmend ist, kann unter anderem durch die Einstellung der verfügbaren Enzymmenge festgelegt werden. Dies lässt sich etwa NK35 entnehmen (NK35, Sp. 6, Z. 1 ff.), wo ebenfalls die Messung eines diffusionsbegrenzten Stroms vorgeschlagen wird (NK35, abstract, Sp. 2, Z. 35 bis 39, Sp. 4, Z. 29 ff., Z. 42 ff.).
97
b) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Fachmann bei der aus den oben genannten Gründen durch den Stand der Technik nahegelegten Weiterentwicklung des in NK4 und NK23 offenbarten Systems Anlass hatte, das System so einzustellen, dass die Diffusion geschwindigkeitsbestimmend ist.
98
aa) Nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des Patentgerichts waren dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt die oben dargestellten Zusammenhänge zwischen Katalyse, Diffusion und erreichbarer Stromstärke bekannt.
99
Dies wird bestätigt durch die vom Patentgericht im Zusammenhang mit Hilfsantrag 7 angeführten Ausführungen in NK35, wonach die dem Reagenz beigegebene Enzymmenge davon abhängen könne, innerhalb welchen Zeitraums die Gesamtreaktion abgeschlossen sein solle (NK35, Sp. 6, Z. 1 bis 6), das Reagenz möglichst mit einer so großen Menge an oxidiertem Mediator ausgestattet sein solle, dass die an der Oberfläche der Gegenelektrode verfügbare Menge größer sei als die an der Arbeitselektrode verfügbare Menge an reduzierter Form des Mediators (NK35, Sp. 6, Z. 30 bis 66), und die Messung frühestens 0,5 Sekunden nach Anlegen der Potentialdifferenz erfolgen solle, weil zuvor ein diffusionsbegrenzter Strom noch nicht erreicht sei (NK35, Sp. 10, Z. 51-56).
100
Entgegen der Auffassung der Berufung ist in NK35 nicht nur die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion angesprochen. Vielmehr wird es dort ausdrücklich als vorteilhaft bezeichnet, einen diffusionsbegrenzten Strom zu messen. So soll etwa in der Diffusionskontrolle eine Voraussetzung der notwendigen Korrelation von gemessenem Strom einerseits und Konzentration der Testsubstanz in der Testflüssigkeit andererseits liegen (NK35, Sp. 4, Z. 43 ff.). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieses Ziel in NK35 entgegen den Feststellungen des Patentgerichts durch andere Mittel als die dort geschilderte geeignete Auswahl der Konzentration von Enzym und Mediator (NK35, Sp. 6, Z. 1 ff.) erreicht wird, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
101
bb) Ein mit der Entwicklung eines möglichst schnell reagierenden Systems betrauter Fachmann hatte Anlass, ein diffusionskontrolliertes System zu entwickeln, weil dies die größeren Geschwindigkeitsvorteile bietet.
102
Entgegen der Auffassung der Berufung ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob bei den in NK4 und NK23 beschriebenen Versuchen ein Katalyse - oder ein Diffusionsstrom gemessen wurde. Selbst wenn dort eine Katalysereaktion geschwindigkeitsbestimmend gewesen wäre, hätte dies den Fachmann nicht davon abgehalten, den aufgrund der aufgezeigten Zusammenhänge naheliegenden Weg zu beschreiten, das System zur Verbesserung der Geschwindigkeit so zu verändern, dass die Diffusion den ausschlaggebenden Faktor bildet.
103
Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob der Strom bei dem in NK20 offenbarten System diffusionskontrolliert im Sinne des Streitpatents ist, obwohl dort die Diffusionsrate der Glucose als geschwindigkeitsbestimmend bezeichnet wird (NK20, Sp. 2, Z. 62 bis 64).
104
Für den Fachmann ergab sich jedenfalls aus dem vom Patentgericht festgestellten allgemeinen Fachwissen, welches in NK35 zum Ausdruck kommt, dass eine Geschwindigkeitsbestimmung durch die Diffusion des Mediators vorteilhaft ist. Dies gab ihm genügend Veranlassung, eine solche Ausgestaltung auch für das in NK4 offenbarte System in Betracht zu ziehen.
105
Der von der Berufung im Hinblick auf die Veröffentlichung von Morris et al. (An Electrochemical Capillary Fill Device for the Analysis of Glucose lncorporating Glucose Oxidase and Ruthenium (Ill) Hexamine as Mediator, Electroanalysis 4 (1992), 1-9, NK11) geltend gemachte Umstand, dass die Reoxidation von reduzierter Glucose-Oxidase durch [Ru(NH3)6]3+ weitaus langsamer verlaufe als bei anderen Mediatoren wie Ferricinium oder Benzochinon (NK11, S. 6 unter "Discussion"), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dieser Umstand ließ es aus Sicht des Fachmanns zwar schwieriger erscheinen, bei Einsatz einer Rutheniumverbindung als Mediator ein diffusionskontrolliertes System zu erstellen. Die aus dem Stand der Technik bekannten, schnellen Systeme mit Eisenverbindungen als Mediator einerseits, die aus NK4 und NK23 bekannten Vorteile einer Rutheniumverbindung im Hinblick auf störende Einflüsse andererseits und schließlich die NK35 bzw. dem darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Fachwissen zu entnehmenden einfachen Optimierungsmöglichkeiten entsprechender Systeme ließen es dennoch als erstrebenswert erscheinen , ein wegen seiner Schnelligkeit benutzerfreundliches, auch bei hohen Konzentrationen genaues Testverfahren unter Verwendung einer Rutheniumverbindung bereitzustellen und hierzu den in NK35 aufgezeigten Weg einzuschlagen.
106
6. Für den mit Hilfsantrag 4 verteidigten Gegenstand gilt nichts Abweichendes.
107
a) Nach Hilfsantrag 4 soll Patentanspruch 6 in der Fassung von Hilfsantrag 3 durch die Hinzufügung der Merkmale 10.2.7a4 und 10.1.2a4 und durch Modifikation des Merkmals 10.1.23 um das in Bezug auf Patentanspruch 1 bereits im Hauptantrag vorgesehene Zeitregime ergänzt werden, wonach im Anschluss an einen spannungslosen Zustand von 10 Sekunden oder weniger eine Spannung angelegt wird und dann nach weiteren 3 bis 5 Sekunden die Messung erfolgt.
108
b) Diese Merkmale vermögen aus den bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag und Hilfsantrag 3 angeführten Gründen die erfinderische Tätigkeit auch in Bezug auf die mit Patentanspruch 6 geschützte Vorrichtung nicht zu begründen.
109
7. Entsprechendes gilt für Hilfsantrag 5.
110
a) Nach Hilfsantrag 5 soll Patentanspruch 1 um ein Merkmal 1.6.15 ergänzt werden, wonach die Messung durch Umwandeln des Ansprechstromwerts in einen Spannungswert und anschließendes Bestimmen der Konzentration der Testsubstanz erfolgen soll. Dies entspricht dem in Bezug auf Patentanspruch 6 bereits nach dem Hauptantrag vorgesehenen Merkmal 10.1.4.
111
Die Messung des Ansprechstroms in der genannten Weise stellt nach den Feststellungen des Patentgerichts die fachübliche Vorgehensweise dar. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellung begründen könnten, zeigt die Berufung nicht auf.
112

b) Patentanspruch 6 soll durch ein Merkmal 10.1.55 ergänzt werden, wonach der Ansprechstromwert dem Mediatordiffusionsstrom entspricht.
113
Diese Modifikation vermag die Patentfähigkeit aus den in Zusammenhang mit Hilfsantrag 3 angeführten Gründen nicht zu begründen.
114
8. Der mit Hilfsantrag 6 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.
115
a) Nach Hilfsantrag 6 soll Merkmal 10.2.2 dahin geändert werden, dass die Vorrichtung wenigstens eine Arbeitselektrode und eine Gegenelektrode umfasst.
116
b) Damit grenzt sich das Streitpatent zwar von der in NK4 und NK23 offenbarten und als vorteilhaft geschilderten Elektrodenanordnung ab.
117
Wie bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dargelegt wurde, hatte der Fachmann aber Anlass, den in NK4 und NK23 offenbarten Einsatz einer Rutheniumverbindung als Mediator auch in Verbindung mit anderen aus dem Stand der Technik bekannten Vorgehensweisen zum Aufbau eines Teststreifens zu kombinieren. Dies gab Veranlassung, auch die mit Hilfsantrag 6 beanspruchte Elektrodenanordnung in Betracht zu ziehen, die nach den Feststellungen des Patentgerichts fachüblich war und auch in NK20 offenbart ist. Schließlich zeigen auch die Figuren 1 bis 3 in NK35 eine vergleichbare Anordnung der Elektroden und einen ähnlichen Aufbau des Teststreifens im Übrigen.
118
9. Hinsichtlich des mit Hilfsantrag 7 verteidigten Gegenstands ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
119
a) Nach Hilfsantrag 7 sollen die Merkmale 1.4.1 und 10.2.7 dahin modifiziert werden, dass der erste Schritt 1 bis 3 Sekunden dauert.
120
b) Diese Ausgestaltung war dem Fachmann ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt.
121
Wie bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag aufgezeigt wurde, hatte der Fachmann Anlass, das in NK4 und NK23 offenbarte System in Bezug auf die Messdauer zu optimieren. Hierbei ergab sich nach den Feststellungen des Patentgerichts insbesondere aus NK35 die Anregung, das System durch routinemäßige Versuche mit unterschiedlichen Mengen des Enzyms und des Mediators und verschiedenen Mengenverhältnissen auf ein geeignetes Zeitregime zu optimieren, was es ermöglichte, die Dauer des ersten Schritts auf 3 Sekunden oder weniger zu reduzieren.
122
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellung begründen, zeigt die Berufung nicht auf.
123
10. Gegen die vom Patentgericht vorgenommene Beurteilung der mit Hilfsantrag 7 verteidigten Unteransprüche wendet sich die Berufung nicht.
124
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Halbsatz 1 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 ZPO.
125
Zu den von der Beklagten danach zu tragenden Kosten gehören auch diejenigen der Streithelferin. Im Patentnichtigkeitsverfahren gilt der Streithelfer des Klägers entsprechend § 69 ZPO als dessen Streitgenosse (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 Rn. 44 - Sammelhefter

II).


Bacher Kober-Dehm Marx Rombach Rensen
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.03.2017 - 3 Ni 11/15 (EP) -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 101 Kosten einer Nebenintervention


(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 69 Streitgenössische Nebenintervention


Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 al

Patentgesetz - PatG | § 112


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Okt. 2007 - X ZR 226/02

bei uns veröffentlicht am 16.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkün in der Patentnichtigkeitssache X ZR 226/02 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Sammelhefter II PatG § 21 Abs. 1 Nr. 4, § 38; ZPO § 69 a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt drei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Kann dem Berufungskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Berufungsanträge);
2.
die Angabe der Berufungsgründe, und zwar:
a)
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben;
c)
die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind.

(4) § 110 Abs. 5 ist auf die Berufungsbegründung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei.

44
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferin gilt als Streitgenossin der Klägerin. Nach- dem der Senat für die Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren das Erfordernis aufgegeben hat, dass zwischen dem Nichtigkeitskläger oder dem Patentinhaber eine Rechtsbeziehung bestehen muss, die durch die im Nichtigkeitsverfahren ergehende Entscheidung beeinflusst werden kann, und es genügen lässt, dass der Nebenintervenient durch das Streitpatent in seiner geschäftlichen Tätigkeit als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (BGHZ 166, 18 - Carvedilol I), besteht kein Grund mehr, die Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Urteils gegenüber dem Streithelfer anders zu beurteilen als gegenüber dem Nichtigkeitskläger. Auch erscheint die Kostenfolge des § 101 Abs. 2 ZPO für diesen Fall sachgerechter als diejenige des § 101 Abs. 1 ZPO. Entsprechend § 69 ZPO gilt der Streithelfer daher als Streitgenosse des Nichtigkeitsklägers (offengelassen im Senatsurteil vom 22.12.1964 - Ia ZR 237/63, GRUR 1965, 297 - Nebenintervention). An der im Urteil vom 30. September 1997 (X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.