Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2012 - X ZR 134/11

bei uns veröffentlicht am12.12.2012
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 3/10, 24.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 134/11 Verkündet am:
12. Dezember 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Polymerzusammensetzung
Greift der Kläger im Patentnichtigkeitsverfahren das Streitpatent nur im Umfang
einer von mehreren nebengeordneten technischen Lehren an, die Gegenstand
eines einzigen Patentanspruchs sind, geht das Gericht über den Klageantrag
hinaus, wenn es das Streitpatent im Umfang des gesamten Patentanspruchs für
nichtig erklärt. Dies ist im Berufungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung
dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahegelegt hat, ist nicht
nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig
aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann
kraft seines Fachwissens aus ihr ableiten kann.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 - X ZR 134/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. MeierBeck
, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, den Richter
Dr. Grabinski und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 24. Mai 2011 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Streitpatent nur insoweit für nichtig erklärt wird, als die in der Urteilsformel bezeichneten Patentansprüche Zusammensetzungen betreffen oder hierauf Bezug nehmen, in denen das mit Stärke inkompatible thermoplastische Polymer aus der Gruppe bestehend aus aliphatisch-aromatischen Copolyestern, die von 30 bis 70 Molprozent aliphatische Struktur enthalten und worin die aromatische Struktur von Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet ist, ausgewählt ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 9. November 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier italienischer Patentanmeldungen vom 5. November 1996 und 9. Dezember 1996 angemeldeten europäischen Patents 0 947 559 (Streitpatents). Das Streitpatent umfasst 18 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1 und 12 bis 18 in der Verfahrenssprache lauten: "1. Biodegradable heterophase polymeric compositions having good resistance to ageing and to low humidity conditions, comprising thermoplastic starch and a thermoplastic polymer incompatible with starch, in which starch constitutes the dispersed phase and the thermoplastic polymer constitutes the continuous phase, wherein the thermoplastic polymer incompatible with starch is selected from the group consisting of aliphatic-aromatic copolyesters containing from 30 to 70% by moles of aliphatic structure and wherein the aromatic structure derives from terephthalic acid and/or isophthalic acid, polyester-amides deriving for 30 to 70% by weight from an aliphatic amide, polyester-ethers, polyesteretheramides , polyester-urethanes and polyester-ureas wherein the content of units having aliphatic structure is from 30 to 70% by moles, said compositions being obtainable by extrusion under conditions wherein the content of water during the mixing of the components is maintained from 1 to 5% by weight (content measured at the exit of the extruder, prior to any conditioning). 12. Process for preparing a composition according to any of the preceding claims 1 to 11, comprising extruding the components of the composition under conditions wherein the content of water is maintained from 1 to 5% by weight during the mixing of the components. 13. A composition according to claim 1, wherein the starch is dispersed in the copolyester matrix in the form of particles having average numeral dimension less than 1 μm. 14. Compositions according to claim 13, wherein the starch particles have average numeral dimension less than 0.5 μm and more than 70% of the particles have dimension less than 0.5 μm. 15. A film obtained from the compositions according to any of claims 1 to 14. 16. Use of the films according to claim 15 in the manufacture of nappies , of sanitary towels, of bags and of laminated paper. 17. Use of the films according to claim 15 in the agricultural field for mulching application. 18. Use of the compositions according to any of claims 1 to 14 for the manufacture of expanded moulded articles usable in packaging, and of disposable articles."
2
Die Klägerin greift das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6, 8 bis 10 und 12 bis 18 an, soweit diese Ansprüche Zusammensetzungen betreffen oder Bezug nehmen auf Zusammensetzungen, in denen das mit Stärke inkompatible thermoplastische Polymer ausgewählt ist aus der Gruppe beste- hend aus aliphatisch-aromatischen Copolyestern, die von 30 bis 70 Molprozent aliphatische Struktur enthalten und worin die aromatische Struktur von Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet ist. Sie hat ihre Klage zunächst auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht auch darauf, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht ausführbar sei. Die Beklagte hat das Streitpatent zuletzt in erster Linie beschränkt verteidigt. Danach soll Patentanspruch 1 folgende Fassung erhalten: "Biologisch abbaubare, heterophase, polymere Zusammensetzungen mit hohem Widerstand gegen das Altern und gegen Feuchtigkeitsarmut , umfassend thermoplastische Stärke und ein thermoplastisches, mit Stärke inkompatibles Polymer, wobei die Stärke die disperse Phase und das thermoplastische Polymer die kontinuierliche Phase konstituiert, wobei das mit Stärke inkompatible thermoplastische Polymer ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus aliphatischaromatischen Copolyestern, die von 30 bis 70 Molprozent aliphatische Struktur enthalten und worin die aromatische Struktur von Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet ist, Polyesteramiden , die für 30 bis 70 Gewichtsprozent von einem aliphatischen Amid abgeleitet sind, Polyester-Ether, Polyester-Ether-Amide, Polyester -Urethane und Polyester-Harnstoffe, wobei der Gehalt der Einheiten mit aliphatischer Struktur von 30 bis 70 Molprozent reicht, wobei die Zusammensetzungen durch Extrusion unter Bedingungen gewonnen werden, bei denen der Wassergehalt während des Mischens der Komponenten von 1 bis 5 Gewichtsprozent gehalten wird (Messung des Gehalts beim Austritt aus dem Extruder vor jeglicher Konditionierung ), und wobei die Stärke in der Copolyestermatrix in Form von Partikeln mit einer durchschnittlichen Dimension von weniger als 0,5 μm dispergiert ist, und mehr als 70% der Stärkepartikel Dimensionen von weniger als 0,5 μm aufweisen."
3
Das Patentgericht hat wie folgt erkannt: "Das europäische Patent 0 947 559 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 6, 8 bis 10, soweit letztere nicht unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 7 rückbezogen sind, seines Patentanspruchs 12, soweit letzterer nicht unmittelbar oder mittelbar auf die Patentansprüche 7 oder 11 rückbezogen ist, im Umfang seiner Patentansprüche 13 und 14, im Umfang seiner Patentansprüche 15 bis 18, soweit diese nicht unmittelbar oder mittelbar auf die Patentansprüche 7 oder 11 rückbezogen sind, für nichtig erklärt."
4
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt.
5
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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A. Die Berufung ist zulässig.
7
Allerdings orientiert sich die Berufungsbegründung nicht an den Anforderungen des neuen Berufungsrechts. Sie legt insbesondere nicht den Erfordernissen des § 112 Abs. 3 PatG entsprechend die Berufungsgründe dar, sondern stützt sich maßgeblich auf neuen Sachvortrag, ohne sich an den Voraussetzungen des § 117 PatG in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der § 112 Abs. 3 Nr. 2 PatG sachlich weitgehend entsprechenden Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ist die Berufung jedoch schon dann zulässig, wenn wenigstens ein Berufungsangriff geführt wird, mit dem in zulässiger Form eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, die, läge sie vor, geeignet wäre, das angefochtene Urteil ganz oder teilweise zu Fall zu bringen (BGH, Urteil vom 8. April 1991 - II ZR 35/90, NJW-RR 1991, 1186, 1187; Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, NJW 2002, 682, 683; Urteil vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 12). An diesen Anforderungen hat die Neugestaltung des Rechts der Berufung durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 nichts geändert (BGH, Beschluss vom 14. März 2005 - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793; Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285). Damit genügt die von der Beklagten erhobenen Rüge, das Patentgericht habe rechtsfehlerhaft die Einstellung eines Wassergehalts von 1 bis 5 Gewichtsprozent beim Mischen im Extruder für nahegelegt erachtet, weil die internationale Patentanmeldung 96/31561 (K5) nicht hierauf hinweise, sondern den Fachmann vielmehr von einer solchen Maßnahme abhalte. Griffe diese Rüge nämlich durch, brächte sie das angefochtene Urteil insgesamt zu Fall. Dass das Urteil, wie die Klägerin geltend macht, gleichwohl aus anderen Gründen im Ergebnis zutreffend sein könnte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
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B. In der Sache bleibt die Berufung jedoch im Wesentlichen ohne Erfolg.
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I. Das Streitpatent betrifft biologisch abbaubare Polymerzusammensetzungen , die Stärke und ein thermoplastisches Polymer enthalten.
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1. Die Streitpatentschrift bezeichnet es eingangs als bekannt, dass sich die mechanischen Eigenschaften, insbesondere die Reißfestigkeit, von Produkten aus thermoplastischer Stärke als disperser Phase und einem mit Stärke inkompatiblen thermoplastischen Polymer beträchtlich verschlechterten, weil die Stärke Wasser abgebe oder absorbiere, bis sie mit der Umgebungsfeuchtigkeit im Ausgleich sei. Unter Bedingungen relativ niedriger Feuchtigkeit, beispielsweise bei 20% Feuchtigkeit, zeige das Material die Tendenz, fragil zu werden. Wenn die die disperse Phase konstituierenden Stärkepartikel belastet seien, könnten sie sich nicht verformen und die Belastung aufnehmen, sondern blieben starr, was zum Zerreißen führe. Wasser sei zwar ein sehr wirksamer Weichmacher für die Stärkephase, habe aber den Nachteil, dass es volatil sei und zur Herstellung eines Gleichgewichts mit der Umgebungsfeuchtigkeit in seiner Konzentration schwanke. Die wirksamsten Weichmacher mit hohem Siedepunkt (insbesondere Glycerol) tendierten demgegenüber dazu, dem System verloren zu gehen, insbesondere wenn die Feuchtigkeit zyklischen Schwankungen unterliege oder es im Kontakt mit anderen hydrophilen Materialien wie Zellulose zur Migration komme.

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Das Streitpatent will vor diesem Hintergrund eine biologisch abbaubare polymere Zusammensetzung angeben, die unter Bedingungen niedriger Feuchtigkeit gute mechanische Eigenschaften, insbesondere hohe Reißfestigkeit, aufweist.
12
2. Zur Erläuterung der erfindungsgemäßen Lösung nimmt die Streitpatentschrift Bezug auf die Stammanmeldung PCT-EP 97/06103. Diese beschreibe drei Typen von biologisch abbaubaren, heterophasen Zusammensetzungen, die thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches Polymer aufwiesen, in denen die Stärke die disperse Phase und das Polymer die kontinuierliche Phase ausmachten, die geeignet seien, gute mechanische Eigenschaften auch bei geringer relativer Feuchtigkeit zu bewahren. Das Streitpatent betreffe die dort genannte Gruppe C, bei der das mit Stärke inkompatible thermoplastische Polymer ein Copolyester sei, das ausgewählt sei aus aliphatisch -aromatischen Copolyestern, Polyesteramiden, Polyesterethern, Polyesteretheramiden , Polyesterharnstoffen und Polyesterurethanen, wobei die Zusammensetzungen durch Extrusion der Komponenten unter Bedingungen gewonnen würden, bei denen der am Ausgang des Extruders vor der Konditionierung gemessene Wassergehalt während der Mischung bei 1 bis 5 Gewichtsprozent gehalten werde.
13
Im Stand der Technik, u. a. in der internationalen Patentanmeldung 96/31561 (K5), seien Zusammensetzungen beschrieben, die Stärke und Copolyester enthielten wie aliphatisch-aromatische Copolyester, Polyesteramide und Polyesterurethane. Dabei werde die Copolyester-Stärke-Mischung im Extruder so gemischt, dass der Wassergehalt unter einem Gewichtsprozent gehalten werde, da bei einem höheren Wassergehalt eine Hydrolyse und Degradierung des Copolyesters mit entsprechender Beeinträchtigung der Eigenschaften des Endprodukts erwartet werde (Absatz 114).

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Überraschenderweise habe sich herausgestellt, dass unter den erfindungsgemäß für die Herstellung der Zusammensetzungen der Gruppe C angewandten Bedingungen die Abnahme des Molekulargewichts des Polyesters vernachlässigbar sei (Absatz 115). Wenn die Kompatibilisierungsbedingungen während des Mischens mit dem Extruder ausreichend gut seien, um eine Stärke -Dispersion in Form von Partikeln mit einer durchschnittlichen Größe von weniger als 1 µm, vorzugsweise weniger als 0,5 μm, zu gewinnen, wiesen die resultierenden Zusammensetzungen zudem Eigenschaften auf, die denen des Polyethylens ähnlich seien und auch bei relativ niedriger Feuchtigkeit praktisch unverändert blieben (Absatz 116).
15
3. Die mit dem Hauptantrag der Berufung verteidigte Zusammensetzung lässt sich - unter Außerachtlassung der nicht angegriffenen Alternativen - wie folgt gliedern [Nummerierung des Patentgerichts in eckigen Klammern]: 1. Die polymere Zusammensetzung umfasst 1.1 thermoplastische Stärke und 1.2 ein thermoplastisches, mit Stärke inkompatibles Polymer [1.1]. 2. Das Polymer ist ein aliphatisch-aromatischer Copolyester, der 30 bis 70 Molprozent einer aliphatischen Struktur enthält und bei dem die aromatische Struktur von Terephthalsäure oder Isophthalsäure abgeleitet ist [1.2]. 3. Die Zusammensetzung ist durch eine Extrusion gewinnbar, bei welcher der beim Austritt aus dem Extruder vor einer Konditionierung gemessene Wassergehalt während des Mischens der Komponenten auf 1 bis 5 Gewichtsprozent eingestellt wird [2]. 4. Die Zusammensetzung ist heterophas derart, dass 4.1 das Polymer die kontinuierliche Phase und 4.2 die Stärke die disperse Phase bildet [3]. 5. Die Stärke ist in der Copolyestermatrix in Form von Partikeln mit einer durchschnittlichen Dimension von weniger als 0,5 µm dispergiert , wobei mehr als 70% der Stärkepartikel Dimensionen von weniger als 0,5 µm aufweisen [3.3].
6. Die Zusammensetzung ist 6.1 biologisch abbaubar [3.1] und 6.2 weist hohe Beständigkeit gegen das Altern und gegen Bedingungen geringer Feuchtigkeit auf [3.2].
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II. Das Patentgericht hat diesen Gegenstand für nicht patentfähig erachtet und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Eine polymere Zusammensetzung mit den erfindungsgemäßen Merkmalen ergebe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Entgegenhaltung K5 bzw. der Veröffentlichung von U. Seeliger "Biologisch abbaubar" in Plastverarbeiter 1996, 62 (K6) in Verbindung mit der internationalen Patentanmeldung 92/19680 (K10).
18
Als Fachmann sei ein Diplomchemiker der Fachrichtung makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie anzunehmen, der mit der Entwicklung von umweltverträglichen polymeren Zusammensetzungen betraut sei und sich durch langjährige Praxis tiefgreifende Kenntnisse auf dem Gebiet der Herstellung solcher Materialien erworben habe. Stehe ein solcher Fachmann vor dem Problem , biologisch abbaubare polymere Zusammensetzungen zu schaffen, die auch bei niedriger Feuchtigkeit gute mechanische Eigenschaften, insbesondere eine hohe Reißfestigkeit, bewahren, werde er die Entgegenhaltungen K5, K6 und K10 heranziehen. In der K6 werde ausgeführt, dass durch die gezielte Auswahl von Monomeren und einen maßgeschneiderten Aufbau der Polymerstruktur ein Kompromiss gefunden werden könne, der gleichzeitig ausreichende Gebrauchseigenschaften, niedrige Herstellkosten und biologische Abbaubarkeit ermögliche. Durch die Angaben in der K6 werde der Fachmann in die Lage versetzt , statistische Copolyester aus 60 Molprozent Adipinsäure, 40 Molprozent Terephthalsäure und 1,4-Butandiol in die Hand zu bekommen und in Mischungen mit thermoplastischer Stärke entsprechend den Merkmalen 1, 2, 4 und 6 einzusetzen. Der Einwand der Beklagten, dass die in K6 beschriebenen Copolyester aus aliphatischen Diolen sowie aliphatischen und aromatischen Dicarbonsäuren nur das Grundgerüst der - nach der K6 zu modifizierenden - Copoly- ester bildeten, sei nicht gerechtfertigt, weil auch die polymere Zusammensetzung des Streitpatents durch Einbau zusätzlicher Komponenten variiert werden könne und die Ausführungen in der K6 zur Herstellung der Blends und deren Eigenschaften eindeutig zeigten, dass die so hergestellten Copolyester als kontinuierliche Phase vorlägen, während die thermoplastische Stärke feindispers (inkompatibel) eingelagert sei.
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Aus der K6 gehe allerdings nicht hervor, dass der Wassergehalt entsprechend Merkmal 3 während des Mischens der Komponenten im Bereich von 1 bis 5 Gewichtsprozent gehalten werde. Hinweise auf einen erstrebenswerten Wassergehalt von unter 5 Gewichtsprozent in der Gesamtmischung habe der Fachmann indessen der K10, die ebenfalls biologisch abbaubare polymere Zusammensetzungen basierend auf Stärke und thermoplastischen Polymeren betreffe , entnehmen können. Die Herstellung gemäß K10 erfolge durch Mischen der Komponenten in einem Extruder bei Temperaturen zwischen 100 und 220° C, wobei der Wassergehalt durch Entgasen während der Extrudierung auf 1,5 bis 5 Gewichtsprozent (vor der Konditionierung) eingestellt werde. Die Extrusionsbedingungen wie Temperatur und Scherkräfte seien gemäß K10 so auszuwählen, dass eine Kompatibilisierung zwischen Polymer und Stärke gewährleistet sei. Dies entspreche dem Vorgehen nach dem Streitpatent. Auch aus der K5 habe der Fachmann den Hinweis entnehmen können, dass ein Gesamtwassergehalt in der fertigen Mischung bis zu 5 Gewichtsprozent erstrebenswert sei.
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Die anspruchsgemäße Dispersion der Stärke in der Copolyestermatrix (Merkmal 5) ergebe sich zwangsläufig aufgrund der im Stand der Technik entweder unmittelbar angewandten oder daraus sich in naheliegender Weise dem Fachmann erschließenden Verfahrensführung. Eine Teilchengröße von weniger als 0,5 μm habe auch im Hinblick auf die Veröffentlichungen von Tomka, Thermoplastic starch compounds: Physico-chemical backgrounds, processing conditions and properties, 1993 (K7), von Simmons/Thomas, Structural Characteristics of Biodegradable Thermoplastic Starch/Poly(ethylene-vinyl alcohol) Blends, Journal of Applied Polymer Science 1995, 2259 (K8) und von Tomka et al., Thermoplastic Starch/Polymer Blends: Structure, Properties, Application, 1991 (K9) im Blickfeld des Fachmanns gelegen. Der Einwand der Beklagten, die Schriften K7 bis K9 beträfen andere Polymermatrizes, überzeuge nicht, weil die Größenverteilung der dispergierten Phase nicht durch die Art der verwendeten Polymermatrix beschränkt sei.
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III. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Wesentlichen stand.
22
1. Das angefochtene Urteil berücksichtigt allerdings nicht die - im Tatbestand wiedergegebene - Beschränkung des Klageangriffs auf Zusammensetzungen , in denen das mit Stärke inkompatible thermoplastische Polymer ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus aliphatisch-aromatischen Copolyestern , die von 30 bis 70 Molprozent aliphatische Struktur enthalten und bei denen die aromatische Struktur von Terephthalsäure und/oder Isophthalsäure abgeleitet ist. Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt, hat das Patentgericht dazu die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass auch ein beschränkter Angriff auf das Patent zu dessen vollständiger Nichtigerklärung führen könne, wenn die Patentinhaberin keine von ihr formulierte eingeschränkte Fassung der Patentansprüche vorgelegt habe.
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Dies trifft nicht zu. Patentanspruch 1 sieht außer den aliphatisch-aromatischen Copolyestern nach Merkmal 2 weitere Möglichkeiten für die Auswahl des thermoplastischen Polymers vor und vereinigt damit nebengeordnete technische Lösungen in einem Anspruch. Greift in einem solchen Fall der Nichtigkeitskläger nur eine der mit dem Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehren an und hat er mit diesem Angriff Erfolg, so geht das Gericht über den Klageantrag hinaus, wenn es das Streitpatent insgesamt für nichtig erklärt (§ 308 ZPO). Ein Verstoß gegen § 308 ZPO ist von Amts wegen zu beachten (BGH, Urteil vom 7. März 1989 - VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087; Urteil vom 21. Juni 2001 - I ZR 245/98, NJW-RR 2002, 257 Rn. 25 - Kinderhörspiele). Dies führt hier dazu, dass die Nichtigerklärung entsprechend zu beschränken ist.
24
2. Die Annahme des Patentgerichts, für den Fachmann, der sich bei der Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden Problems an der K6 orientierent habe, habe es nahe gelegen, ein mit Stärke inkompatibles Polymer zu verwenden , hält den Angriffen der Berufung stand.
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a) Ohne Erfolg rügt die Berufung, angesichts der in der K6 vorgesehenen Modifizierung des Copolyesters, zum Beispiel durch Einbau hydrophiler Komponenten, verzweigend wirkender Monomere oder Verbindungen, die zu einer Kettenverlängerung und damit Erhöhung des Molekulargewichts führten, sei der Copolyester nicht zwingend im Sinne des Merkmals 1.2 mit Stärke inkompatibel.
26
Dies ist schon deshalb unerheblich, weil das Patentgericht, anders als in seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG, die Entgegenhaltung K6 nicht unter dem Gesichtspunkt möglicher Neuheitsschädlichkeit erörtert hat, sondern unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit. Dafür ist es aber unerheblich, ob der K6 "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist, dass der eingesetzte Copolyester mit Stärke inkompatibel ist, oder ob die Schrift dem Fachmann lediglich die Möglichkeit eröffnet hat, einen mit Stärke inkompatiblen Copolyester zu verwenden. Letzteres bezweifelt aber auch die Berufung nicht.
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Für die Frage, ob erfinderische Tätigkeit zu verneinen ist, kommt es anders als bei der Neuheitsprüfung nicht darauf an, ob eine Entgegenhaltung ein Merkmal "unmittelbar und eindeutig" offenbart. Vielmehr ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Hinzukommen muss zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 Rn. 16 - Installiereinrichtung). Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahe gelegt hat, ist nicht nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann kraft seines Fachwissens aus ihr ableiten kann.
28
b) Schon deshalb kann die Berufung auch nicht mit dem Einwand durchdringen, aus der Tatsache, dass nach der K6 die Stärke die disperse Phase bilde, die in die Copolyestermatrix eingebettet sei, könne nicht abgeleitet werden, dass Stärke und Copolyester miteinander inkompatibel seien, da, wie sich aus der - mit der Berufungsbegründung vorgelegten - Veröffentlichung von Koning u.a., Strategies for Compatibilization of Polymer Blends, 1998 (NB10) ergebe, auch kompatible (teilweise mischbare) Blends aus verschiedenen Polymeren disperse Systeme bildeten.
29
Im Übrigen setzt sich die Berufung damit in Widerspruch zu der nach § 117 Satz 1 PatG, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Berufungsentscheidung zugrunde zu legenden Feststellung des Patentgerichts, dass nach der K6 eine mit dem Polyester inkompatible Stärke fein dispers in die kontinuierliche Copolyesterphase eingelagert ist. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung begründen könnten, werden von der Berufung nicht dargetan.
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Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Anlage NB10. Dabeikann dahinstehen, ob dies schon deswegen gilt, weil das auf den Inhalt der - im Übrigen nachveröffentlichten - Schrift von Koning gestützte Berufungsvorbringen seinerseits nach § 117 Satz 1 PatG, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen ist, weil es nicht bereits im ersten Rechtszug geltend gemacht und nicht dargetan ist, dass dies nicht auf Nachlässigkeit beruht (s. dazu BGH, Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 99/11, GRUR 2012, 1236 Rn. 35 ff. - Fahrzeugwech- selstromgenerator). Denn wie die von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus dem Lehrbuch Polymer Chemistry von Seymour/Carraher (K31) und dem Werk Polymer Rheology and Processing von Collyer/Utracki (K32) belegen, werden im Allgemeinen kompatible und mischbare/einphasige Polymerblends gleichgesetzt. Der unter Hinweis auf die NB10 angeführte Umstand, dass auch teilweise mischbare Blends, bei denen ein kleiner Teil einer Blendkomponente in der anderen gelöst ist, als kompatibel zu bezeichnen sein mögen, rechtfertigt nicht die Annahme, die K6, die keinerlei Hinweise auf eine solche teilweise Lösung enthält , lege eine mit der Polymerkomponente kompatible Stärke zugrunde. Erst recht rechtfertigt er nicht die Annahme, die K6 schließe die Verwendung inkompatibler Komponenten aus.
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3. Ebenso wenig dringt die Berufung mit der Rüge durch, das Patentgericht habe zu Unrecht eine Einstellung des Wassergehalts während des Mischens in einem 1 bis 5 Gewichtsprozent entsprechenden Bereich für aus fachmännischer Sicht wünschenswert erachtet.
32
a) Die Berufung stützt diesen Angriff zum einen darauf, dass das thermoplastische Polymer nach der Entgegenhaltung K10, auf die sich das Patentgericht insoweit bezogen hat, zwar neben aliphatischen Hydroxysäuren auch Monomere aus Terephthalsäure umfasse, jedoch keine aliphatisch-aromatischen Copolyester gemäß Merkmal 2. Sie meint, erfindungsgemäße Extrusionsbedingungen führten bei den Polymerblends nach K10 nicht notwendigerweise zu einer feinen Teilchenstruktur, wie sie Merkmal 5 definiere. Dies verkennt jedoch die Begründung des Patentgerichts, das der K10 lediglich entnommen hat, dass der von der K6 ausgehende Fachmann einen in dem erfindungsgemäßen Bereich liegenden Wassergehalt als erstrebenswert erkennen konnte.
33
b) Der Berufung kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie die Annahme des Patentgerichts beanstandet, der Fachmann erhalte nicht nur in der K10, sondern auch in der K5 den Hinweis, dass ein Gesamtwassergehalt in der fertigen Mischung von bis zu 5 Gewichtsprozent sinnvoll sei, und werde hierdurch auf eine Einstellung des Wassergehalts nach Merkmal 3 hingelenkt. Die Berufung führt dazu aus, der Fachmann sei durch die K5 von der Einstellung eines solchen Wassergehalts während des Mischens abgehalten worden, da die K5 lehre, den Wassergehalt auf weniger als ein Gewichtsprozent zu drücken, um unerwünschte Hydrolysereaktionen zu vermeiden und eine molekulare Kopplung zwischen Stärke und Copolyester zu ermöglichen.
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(1) Allerdings vermag der Senat nicht der Annahme desPatentgerichts beizutreten, die Bemerkung in der K5, die extrudierte trockene Schmelze werde in einem Wasserbad gekühlt, damit sie 2 bis 6 Gewichtsprozent Wasser aufnehme , gebe den Hinweis auf einen erstrebenswerten Gesamtwassergehalt in der fertigen Mischung und es liege "davon ausgehend" die Herstellung einer solchen Zusammensetzung unter Merkmal 3 entsprechenden Extrusionsbedingungen "auf der Hand". Denn dass die fertige Mischung nach der K5 einen gewissen Wasseranteil aufnehmen soll, ändert nichts daran, dass die Schrift, wie das Patentgericht an anderer Stelle zutreffend ausführt, darauf Wert legt, dass der Wassergehalt vor oder beim Mischen auf weniger als ein Gewichtsprozent reduziert wird (K5, S. 9, Abs. 2; S. 11, Abs. 2: "geforderte Wasserfreiheit"; "… weist die Schmelze einen äußerst geringen Wassergehalt auf, vorzugsweise < 0,5 bzw. < 0,1 Gewichtsprozent").
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(2) Dies rechtfertigt jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass es aus fachmännischer Sicht angezeigt erschien, nicht mit dem in der K10 angegebenen Wassergehalt während des Mischens zu arbeiten, sondern Maßnahmen zu ergreifen, um im Einklang mit der K5 eine nahezu wasserfreie Schmelze erzeugen zu können. Dazu müsste dem Fachmann die K5 als die "höhere Autorität" erschienen sein. Dafür wird von der Berufung jedoch nichts dargetan. Dagegen spricht, dass die K5 ausdrücklich nur die "Vermutung" äußert, dass beim Mischen der beiden Polymere unter Ausschluss von Wasser die in den Molekülketten des (Co-)Polyesters eingebauten Estergruppen Veresterungsreaktionen mit der thermoplastischen Stärke eingingen, womit die so reagierenden Molekülketten mit der Stärke einen Phasenvermittler bildeten, der eine molekulare Kopplung der beiden Phasen ermögliche, und es werde im Fall von Feuchtigkeit diese Reaktion konkurrenziert, indem die Säureestergruppen bei Anwesenheit von Wasser nicht mit der Stärke zu Bildung des Phasenvermittlers reagierten, sondern hydrolisierten (K5, S. 10 Abs. 2). Abgesehen davon, dass nicht dargetan und nicht erkennbar ist, was dafür hätte sprechen sollen, dass etwa bei einem geringfügig über einem Gewichtsprozent liegenden Wasseranteil eine etwaige Konkurrenzreaktion die Bildung eines Phasenvermittlers vollständig oder weitgehend verhindern würde, hatte der Fachmann, wenn es die in der K5 geäußerte Vermutung fraglich erscheinen ließ, ob der in der K10 zugrunde gelegte Wassergehalt hinnehmbar war, zumindest Anlass zu erproben, ob diese Bedenken gerechtfertigt waren. Hätte der Fachmann dies getan, wäre er zu der in der Beschreibung des Streitpatents (Absatz 115) wiedergegebenen Erkenntnis gelangt, dass die befürchtete Abnahme des Molekulargewichts des Polyesters vernachlässigbar ist.
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4. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht auf der Grundlage seiner bisher erörterten Annahmen auch eine erfindungsgemäße Zusammensetzung für nahegelegt erachtet hat, bei der die in der Copolyestermatrix dispergierten Stärketeilchen eine durchschnittliche Größe von weniger als 0,5 μm aufweisen und zu mehr als 70% aus Teilchen solcher Größe bestehen.
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a) Das Streitpatent gibt außer den vorstehend erörterten keine weiteren Maßnahmen an, mit denen sich eine solche feine Dispersion erreichen lässt. Es ist daher berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht angenommen hat, dass sie auch mit dem durch die K6 in Verbindung mit der K10 nahegelegten Verfahren erreichbar war. Auf die Ergebnisse von Nacharbeitungsversuchen zu den Entgegenhaltungen K5 und K10, bei denen sich eine dementsprechende feine Dispersion nicht ergeben haben soll, kommt es danach nicht an.
38
b) Ergänzend hat das Patentgericht darauf hingewiesen, dass etwa die Entgegenhaltung K7 für eine Zusammensetzung aus thermoplastischer Stärke und hydrophoben Polymerkomponenten eine Teilchengröße der dispersen Phase von weniger als 0,2 μm angibt. Der Angriff der Berufung, die in der K7 offenbarte Lehre sei für den Fachmann nicht ausführbar, ist unerheblich. Das Patentgericht hat die K7 lediglich herangezogen, um zu belegen, dass es für den Fachmann, gerade auch dann, wenn er gute mechanische Eigenschaften und insbesondere eine gute Wasserbeständigkeit anstrebte, wünschenswert sein musste, das Verfahren so zu führen, dass er eine feine Dispersion erhielt.
39
c) Soweit schließlich die Berufung rügt, aus den in Tabelle 1 der K6 dargestellten Reißfestigkeitswerten könne nicht gefolgert werden, dass diese Reißfestigkeiten bei niedriger Umgebungsfeuchte weitgehend erhalten blieben, da die Schrift nicht offenbare, bei welchem Wassergehalt die Stärke-PolyesterMischung erhalten werde, und deshalb nicht gefolgert werden könne, dass die in K6 offenbarten Verfahrensbedingungen unmittelbar und zwangsläufig zu den Merkmalen 5 und 6.2 entsprechenden Eigenschaften des Endprodukts führten, geht dies hiernach aus den vorstehend zu 2 a erörterten Gründen ebenfalls fehl.
40
5. Auf die Angriffe der Berufung gegen die weitere Annahme des Patentgerichts , dem Fachmann sei der Gegenstand des Streitpatents auch durch die K5 in Verbindung mit der K10 nahegelegt worden, kommt es nach alledem nicht mehr an.
41
6. Soweit schließlich die Beklagte im Schriftsatz vom 8. Oktober2012 verschiedene Verfahrensrügen erhebt, sind diese schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erhoben worden sind (§ 117 PatG, § 529 Abs. 2 ZPO, § 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b PatG).
42
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 2 ZPO.
Meier-Beck Richter am Bundesgerichtshof Mühlens Keukenschrijver ist in den Ruhestand getreten und kann deshalb nicht unterschreiben. Meier-Beck
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Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.05.2011 - 3 Ni 3/10 (EU) -

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(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt drei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Kann dem Berufungskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Berufungsanträge);
2.
die Angabe der Berufungsgründe, und zwar:
a)
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben;
c)
die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind.

(4) § 110 Abs. 5 ist auf die Berufungsbegründung entsprechend anzuwenden.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt drei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Kann dem Berufungskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Berufungsanträge);
2.
die Angabe der Berufungsgründe, und zwar:
a)
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben;
c)
die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind.

(4) § 110 Abs. 5 ist auf die Berufungsbegründung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 31/03
vom
14. März 2005
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Begründung der Berufung wird nicht mit einem Schriftsatz bezweckt, wenn
der Berufungskläger zwar einzelne Rügen erhebt, sich aber ausdrücklich die
weitere Prüfung vorbehält, ob das Rechtsmittel überhaupt durchgeführt wird.
ZPO §§ 233 A, 236 B
Die Partei hat ihr fehlendes Verschulden an der Nichteinhaltung einer Frist
durch eine aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe
darzulegen.
BGH, Beschluß vom 14. März 2005 - II ZB 31/03 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. März 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. August 2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 42.575,68 €

Gründe:


I. Der Kläger, ein beim Oberlandesgericht München zugelassener Rechtsanwalt, hat gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23. Januar 2003 fristgerecht Berufung eingelegt. Auf Antrag des Klägers hat das Oberlandesgericht mit Verfügung vom 6. März 2003 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Mai 2003 verlängert. Die von dem Kläger am 19. April 2003 in Verbindung mit einem weiteren Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragte Aussetzung des Verfahrens (§ 148 ZPO) hat das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 5. Mai 2003 abgelehnt, der dem Kläger am selben Tag fernmündlich bekannt gemacht worden ist. Die abermalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat das Oberlandesgericht - nach wiederholten Hinweisen an den Kläger über die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gegenseite - wegen des Widerspruchs der Beklagten durch Verfü-
gung vom 3. Juni 2003 versagt. Der Kläger hat die Berufungsbegründung in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 2003 per Telefax an das Oberlandesgericht übermittelt ; die Seiten 1 bis 11 sowie die mit der Unterschrift seiner Bevollmächtigten versehene Seite 25 gingen vor Mitternacht, die Seiten 12 bis 24 nach Mitternacht ein. Auf die gerichtliche Mitteilung, die Berufung voraussichtlich als unzulässig zu verwerfen, hat der Kläger am 19. Mai 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Durch Beschluß vom 25. August 2003 hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II. Die gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, der Schriftsatz des Klägers vom 19. April 2003 sei nicht als Berufungsbegründung zu erachten, steht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Der Berufungsbegründungspflicht ist nicht schon genügt, wenn innerhalb der Begründungsfrist ein Schriftsatz des Berufungsklägers bei Gericht eingeht, der Berufungsrügen im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO enthält. Vielmehr ist erforderlich, daß der Schriftsatz auch zur Begründung bestimmt ist. Dies kann nicht angenommen werden, wenn mit dem Schriftsatz - wie im Streit-
fall - eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wird (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 1985 - VIII ZB 15/85, VersR 1986, 91; BGH, Beschl. v. 13. Juli 1988 - IVa ZR 303/87, VersR 1988, 1163). Davon abgesehen wird in dem Schriftsatz wiederholt dargelegt, daß der Verlängerungsantrag der Prüfung diene, ob die Berufung überhaupt durchgeführt werden solle. Angesichts dieses Vorbehalts verbietet sich die Annahme, daß der Schriftsatz, der zudem - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - die gebotene Antragstellung vermissen läßt (§ 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), die Begründung des Rechtsmittels bezweckt.
2. Ebenso entspricht es gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen, daß das Oberlandesgericht nur die bis um 24.00 Uhr des 5. Mai 2003 per Telefax eingegangenen Teile der Berufungsbegründung des Klägers in seine Zulässigkeitsprüfung einbezogen hat (BGH, Beschl. v. 18. November 1999 - III ZR 87/99, NJW 2000, 364; BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f.). Die danach berücksichtigungsfähigen Ausführungen genügen nicht den Mindestanforderungen (§ 520 Abs. 3 ZPO) an den Inhalt einer Berufungsbegründung.

a) Der Kläger hat lediglich pauschal Verfahrensfehler des Landgerichts geltend gemacht. Jedoch kann der Begründung die gebotene Darlegung, daß das angefochtene Urteil auf einem dieser Verfahrensmängel beruhen kann, nicht entnommen werden (Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 520 Rdn. 32).

b) Auch im Blick auf die von dem Landgericht verneinte Kausalität eines etwaigen Pflichtverstoßes für den von dem Kläger geltend gemachten Schaden fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbegründung. Ist die Klageabweisung hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muß die
Berufungsbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen, weshalb sie für jede der Erwägungen darzulegen hat, warum sie die angefochtene Entscheidung nicht trägt. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BGH, Urt. v. 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081 f.; BGH, Urt. v. 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073 f.; BGH, Beschl. v. 25. Januar 1990 - IX ZB 89/99, NJW 1990, 1184). Das Landgericht hat den fehlenden Kausalzusammenhang auf mehrere eigenständige Umstände - Bedeutungslosigkeit des entfallenen Beherrschungsvertrages für eine Erhöhung des Aktienkurses, mangelnde Vertrautheit des Klägers mit kursbestimmenden Faktoren , kein Rückkauf der Aktien durch den Kläger nach Bekanntwerden der Beendigung des Beherrschungsvertrages trotz unveränderten Aktienkurses - gestützt. Mit diesen einzelnen Erwägungen setzt sich die Berufungsbegründung nicht ansatzweise auseinander.
3. Ferner greift ein Zulassungsgrund nicht ein, soweit das Oberlandesgericht dem Kläger die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat.
Die Partei hat ihr fehlendes Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist schlüssig darzulegen (BGH, Beschl. v. 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180). Durch eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe ist anzugeben, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht (Sen.Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 f.: "Computer-Absturz"; BGH, Urt. v. 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107 f.; BGH, Beschl. v. 14. Juni 1978 - VIII ZB 6/78, VersR 1978, 942). Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt.

a) Er hat zur Begründung seines Gesuchs vorgetragen: Seine Bevollmächtigte habe ihm am 5. Mai 2003 eine Diskette übermittelt, auf welcher der von ihm zur Einarbeitung in die Berufungsbegründung vorgesehene Schriftsatz vom 31. Juli 1998 abgespeichert gewesen sei. Die Diskette habe sich nicht öffnen lassen. Vielmehr sei sogar der Entwurf der Berufungsbegründung verschwunden und total verloren gegangen. Stundenlange Bemühungen um eine Wiederherstellung seien erfolglos geblieben. Dadurch sei eine nicht geplante E-Mail-Versendung an seine Bevollmächtigte nötig geworden. Die Datei sei dort wegen einer Überlastung der Sendeanlagen ("Upload") verspätet eingetroffen.

b) Dieser Sachvortrag ist bereits in sich widersprüchlich. Konnte die Diskette nicht geöffnet werden und war überdies die Berufungsbegründung "total" verloren gegangen, war der Kläger aus tatsächlichen Gründen gehindert, Änderungen und Ergänzungen an der Berufungsbegründung vorzunehmen. Erst nach Durchführung etwaiger (objektiv nicht möglicher) Korrekturen hätte für den Kläger Veranlassung bestanden, die Endfassung der Berufungsbegründung an seine Bevollmächtigte zu mailen. Konnten aber Änderung en gar nicht vorgenommen werden, so ist es nicht nachvollziehbar, woraus sich die Notwendigkeit einer "nicht geplanten" und dadurch verzögerten E-Mail-Versendung ergab (vgl. Sen.Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525 f.: "ComputerAbsturz" ). Bestand andererseits zwischen dem Kläger und seiner Bevollmächtigten E-Mail-Kontakt, hätte er die verlorenen Dateien auf diesem Weg unter Vermeidung "stundenlanger Bemühungen" kurzfristig anfordern können.
Angesichts dieser Unklarheiten ist ein Wiedereinsetzungsgrund nicht schlüssig dargetan.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Gehrlein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 81/04
vom
18. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch nach neuem Recht (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F.) muss, wenn das Erstgericht
die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere
voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt
hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher
für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht
trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. November 2004 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Beschwerdewert: 445.000 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Beklagte, die eine Klinik betreibt, nach zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat sowohl einen Behandlungsfehler als auch ein Aufklärungsverschulden verneint, ferner die Kausalität etwaiger Fehler für das Leiden des Klägers. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2003 begründet. Der Schriftsatz enthält keinen Berufungsantrag. Er befasst sich mit der Indikation für den vorgenommenen Eingriff und mit der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht.
2
Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
4
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
5
Ob die Berufungsbegründung die nach § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlichen Anträge mit der gebotenen Deutlichkeit enthalte, könne dahinstehen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass der Berufungsführer mit seiner Berufung den erstinstanzlich gestellten Sachantrag weiterverfolge. Über die entsprechende Rüge der Beklagten müsse indes nicht entschieden werden, denn die Berufung sei bereits deshalb unzulässig, weil es an der nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergäben, fehle. Das Landgericht habe unter Verwertung des schriftlichen Gutachtens ausgeführt , dass es nicht darauf ankomme, ob die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, denn eine fehlende Aufklärung habe sich deshalb nicht ausgewirkt, weil es gerade nicht zu einer Nervläsion gekommen sei und die Schäden des Klägers aller Voraussicht nach auf einer so genannten Konversionsneurose beruhten , die bereits präoperativ mehrfach Ausdruck gefunden habe.
6
Diese Ausführungen habe der Kläger nicht ansatzweise angegriffen. Hierzu habe er bereits durch die Urteilsausführungen deutlichen Anlass gehabt. Das Landgericht habe die Klageabweisung immerhin auf zwei Gründe gestützt, nämlich zum einen auf die erfolgte Aufklärung des Klägers über mögliche Schadensfolgen der Operationen durch den Zeugen Dr. S., zum anderen auf die fehlende Ursächlichkeit zwischen den Operationen, deren sachgemäße Durchführung nicht mehr in Frage stehe, und den Schadensfolgen. In einem solchen Fall liege eine hinreichende Berufungsbegründung nur vor, wenn beide Abweisungsgründe in für sich ausreichender Weise angegriffen würden; stelle der Berufungsführer nur einen der beiden Gründe in Frage, sei sein Rechtsmittel unzulässig. So liege der Fall hier. Mithin komme es auch nicht darauf an, ob andere Behandlungsvarianten möglich gewesen wären. Auch wenn dies so wäre , ändere das nichts daran, dass die Operation die bei dem Kläger eingetretenen Schadensfolgen nicht verursacht habe, wovon mangels Berufungsangriffs weiterhin auszugehen sei, so dass die Klage und somit auch die Berufung - unabhängig von der mangelnden Berufungsbegründung - auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben könnten.
7
2. Diese Ausführungen werfen, entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Auffassung, keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
8
Der Bundesgerichtshof hat bereits zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. entschieden , dass dann, wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen muss und daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen hat, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGHZ 143, 169, 171; Senats- urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - VersR 2002, 999, 1000 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00 - NJW-RR 2004, 641 ff., jew. m.w.N.). Der Grund dafür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist.
9
Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass sich insoweit für den Anwendungsbereich des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. abweichende Rechtsmaßstäbe ergeben könnten. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Dass der Rechtsmittelführer nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung Stellung nehmen muss, es vielmehr genügt, wenn die Berufungsgründe sich mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befassen und diesen in ausreichendem Maße behandeln, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, entspricht der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil aaO), ändert aber nichts daran, dass jeder von mehreren Klageabweisungsgründen angegriffen werden muss.
10
3. Im vorliegenden Fall erfordert auch nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; eine Rechtsfortbildung scheidet erkennbar aus).
11
a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen insoweit relevanten Rechtsfehler erkennen. Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass ein ohne genügende Aufklärung vorgenommener medizinischer Eingriff rechtswidrig sei, hilft hier nicht weiter. Das Berufungsgericht versteht die Ausführungen in dem Urteil des Landgerichts dahin, dass ein Kausalzusammenhang zwischen etwaigen Aufklärungsversäumnissen und den Leiden, die Grundlage der Klage- forderung sind, nicht bestehe. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, inwiefern dies rechtsfehlerhaft sein könnte.
12
b) Angesichts dessen erfordern die Ausführungen des Berufungsgerichts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Tatsache, dass der Kläger Fehler so- wohl bei der Aufklärung über Behandlungsalternativen als auch bei der Aufklärung über das Risiko des Eingriffs behauptet, in Erwägung gezogen; es hält diesen Vortrag aber im Hinblick auf die Kausalitätszweifel für nicht durchgreifend.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 19.06.2003 - 6 O 133/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 29.11.2004 - 20 U 188/03 -

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 245/98 Verkündet am:
21. Juni 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kinderhörspiele

a) Der Urheber, der nach § 36 Abs. 1 UrhG eine angemessene Beteiligung fordert
, braucht nicht darzutun, daß die unerwartet hohen Erträgnisse aus der
Nutzung seines Werkes gerade auf seinem schöpferischen Beitrag beruhen.
Doch kann ein grobes Mißverhältnis zwischen der vereinbarten Gegenleistung
und den Erträgnissen dann zu verneinen sein, wenn der Urheber nur
einen untergeordneten Beitrag zu dem Werk geleistet hat (im Anschluß an
BGHZ 137, 387, 397 – Comic-Übersetzungen I).

b) Der Urheber, der nach § 36 Abs. 1 UrhG Anspruch auf Einwilligung in eine
Vertragsänderung hat, kann die Anhebung seiner Vergütung auf eine (noch)
angemessene Beteiligung beanspruchen. Eine Anhebung, durch die lediglich
das grobe Mißverhältnis entfällt, reicht nicht aus.
Ist dem Kläger bei der Berechnung seines Klageanspruchs ein Fehler zu seinem
Nachteil unterlaufen mit der Folge, daû er weniger beantragt, als ihm bei Zugrundelegung
seiner Rechtsauffassung bei zutreffender Berechnung zustehen würde,
sind – wenn sich der Fehler keiner Position zuordnen läût – alle Klagepositionen
anteilsmäûig zu kürzen.
BGH, Urt. v. 21. Juni 2001 – I ZR 245/98 – OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und
die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin und auf die Anschluûrevision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg , 3. Zivilsenat, vom 30. Juli 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als ± die Beklagte über den Betrag von 61.813,87 DM (zuzüglich 4 % Zinsen aus 57.813,69 DM seit 17. März 1994 und aus 61.813,87 DM seit 29. Oktober 1996) hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist; ± das Berufungsgericht die Klageabweisung hinsichtlich der Titel a) bis f) der Dschungelbuch-Serie und hinsichtlich der Bambi-Serie (BU 7/8) bestätigt hat, wobei 139.445,66 DM des Klageantrags zuzüglich Zinsen auf diese zehn Hörspielproduktionen entfallen.
Die weitergehende Anschluûrevision wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Verfasserin zahlreicher Manuskripte für Kinderhörspiele. Die Beklagte vertreibt diese ± in ihrem Auftrag von einem Dritten produzierten ± Hörspiele auf Musikkassetten zu einem günstigen Preis (Verkaufspreis ca. 10 DM). Die Klägerin erhielt für jedes Hörspiel vereinbarungsgemäû ein Honorar in Höhe von zunächst 1.500 DM, später 1.750 DM. Im Hinblick auf den Erfolg der Hörspiele verlangt sie eine Anpassung der Verträge und Zahlung der Differenz zu einem angemessenen Honorar, das sie mit 5 % des Herstellerabgabepreises (Preis der Abgabe an den Handel) bemiût.
Nachdem die Klägerin ihre Klage beschränkt hat, sind noch drei zwischen 1991 und 1993 produzierte Hörspielserien im Streit: die sog. Dinosaurier-Serie mit zehn, die Dschungelbuch-Serie mit neun und die Bambi-Serie mit vier Titeln. Die Dinosaurier-Serie knüpft mit eigenen Geschichten und selbst erfundenen Charakteren an den Film “Jurassic Park” an; die anderen beiden Serien verwenden Charaktere aus den bekannten Walt-Disney-Vorlagen, um eigene Geschichten zu erzählen. Mit Ausnahme der ersten drei Titel der Dschungelbuch-Reihe, die noch mit 1.500 DM entgolten wurden, hat die Klägerin für jedes dieser Hörspiele 1.750 DM erhalten. Bis Oktober 1996 wurden von den zehn Hörspielen der Dinosaurier-Serie 341.973, von den neun Hörspielen der Dschungelbuch-Reihe 395.506 und von den vier Bambi-Titeln 224.638 Exemplare verkauft. Bei einem Herstellerabgabepreis von zunächst 5,65 DM, ab 1994 6,21 DM ergeben sich daraus Bruttoerlöse der Beklagten in Höhe von 1.947.252,33 DM für die Hörspiele der Dinosaurier-Serie, 2.291.676,26 DM für die Hörspiele der DschungelbuchReihe und 1.344.937,90 DM für die Bambi-Hörspiele.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr sei zu Beginn der Zusammenarbeit mit der Beklagten bedeutet worden, daû ein nennenswerter Ertrag aus dem Vertrieb der Hörspielkassetten nicht zu erwarten sei. Von dem erfolgreichen Verkauf der Kassetten habe sie erst wesentlich später erfahren.
Das Landgericht hat die zunächst erhobene unbezifferte Klage abgewiesen. Nachdem die Beklagte im Laufe des weiteren Verfahrens die Verkaufszahlen für die fraglichen Hörspielproduktionen mitgeteilt hat, hat die Klägerin ihren Antrag beziffert und zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 221.823,27 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen und in eine Vertragsänderung einzuwilligen, wonach für jeden seit dem 29. Oktober 1996 verkauften Tonträger der im einzelnen benannten Hörspiele der Serien “Dinosaurier”, “Bambi” und “Dschungelbuch” eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 5 % des Listenabgabepreises an den Handel zu zahlen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Auf die Bestimmung des § 36 UrhG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil ihre Hörspiele einer Mischkalkulation unterworfen seien. Neben den erfolgreichen Produktionen, die die Klägerin zum Gegenstand des Klageantrags gemacht habe, gebe es eine Reihe von Hörspielen, die noch nicht einmal die Herstellungskosten eingespielt hätten. Im übrigen beruhe der Erfolg der Hörspiele nicht so sehr auf der schöpferischen Leistung der Klägerin als auf den aus anderen Filmen und Romanen bekannten Figuren , für deren Verwendung sie, die Beklagte, Lizenzgebühren habe zahlen müssen, sowie auf ihren besonderen Verkaufsaktivitäten und ihrem guten Namen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daû die Klägerin die Voraussetzung des § 36 UrhG nicht dargetan habe. Das Berufungsgericht hat einen Zahlungs- und Vertragsanpassungsanspruch der Klägerin hin-
sichtlich der sechs ersten Titel der Dinosaurier-Reihe bejaht und die Beklagte zur Zahlung von 71.469,14 DM zuzüglich Zinsen sowie hinsichtlich dieser Titel zur Einwilligung in die beantragte Vertragsanpassung verurteilt. Im übrigen ± also hinsichtlich der vier neueren Titel der Dinosaurier-Reihe sowie hinsichtlich sämtlicher Titel der Dschungelbuch- und der Bambi-Reihe ± hat das Berufungsgericht die Klageabweisung bestätigt.
Hiergegen richten sich die Revision der Klägerin sowie die Anschluûrevision der Beklagten. Die Revision der Klägerin hat der Senat nur hinsichtlich der ersten sechs (von neun) Titeln der Dschungelbuch-Reihe und hinsichtlich der vier Titel der Bambi-Reihe angenommen. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Klageanträge weiter. Die Beklagte tritt der Revision entgegen und begehrt mit der Anschluûrevision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Anschluûrevision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Dagegen hat die Revision der Klägerin in dem Umfang Erfolg, in dem sie vom Senat angenommen worden ist.
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin hinsichtlich der Hörspielmanuskripte für die ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Serie einen Anspruch auf Vertragsanpassung und Zahlung nach § 36 Abs. 1 UrhG zugebilligt, einen solchen Anspruch dagegen hinsichtlich der anderen Produktionen dieser Serie
sowie hinsichtlich sämtlicher Produktionen der Dschungelbuch- und der BambiSerie verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Bestimmung des § 36 UrhG setze voraus, daû das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung besonders schwerwiegend gestört sei und das Verhältnis der beiden Leistungen zueinander jedem billig und gerecht Denkenden als unzumutbar erscheine, wobei nicht auf den Gewinn, sondern auf die Bruttoerlöse abzustellen sei. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Serie erfüllt. Auch wenn der erfolgreiche Film ªJurassic Parkº als Anregung gedient habe und die durch diesen Film entstandene Begeisterung für Dinosaurier ausgenutzt worden sei, handele es sich um eigenständig von der Klägerin geschaffene Hörspielmanuskripte. Dabei sei die Leistung der Klägerin für den besonderen Verkaufserfolg ursächlich gewesen, der allerdings nur bei den ersten sechs Produktionen festzustellen sei. Für derartige Autorenleistungen sei ± wie eine Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft ergeben habe ± jedenfalls eine prozentuale Beteiligung am Verkaufserlös in Höhe von 5 % gerechtfertigt. Dazu stehe ± was die ersten sechs Folgen der Dinosaurier-Serie angehe ± die der Klägerin tatsächlich gewährte Vergütung in einem groben Miûverhältnis. Die Beklagte habe mit den zehn Folgen dieser Serie Erlöse von 1.947.252,33 DM erzielt. Dem stünden Pauschalhonorare der Klägerin von 1.750 DM für jede Folge, insgesamt also 17.500 DM, gegenüber. Dieses Miûverhältnis sei für die Klägerin bei Vertragsschluû noch nicht voraussehbar gewesen.
Dagegen seien die weiteren Ansprüche der Klägerin unbegründet. Zwar hätten sich die Serien ªDschungelbuchº und ªBambiº sehr gut ± teilweise sogar noch besser als die Hörspiele der Dinosaurier-Serie ± verkauft. Eine Erhöhung der Vergütung für die Klägerin komme indessen nicht in Betracht, weil die Be-
klagte für diese Produktionen erhebliche Lizenzzahlungen an den Walt-DisneyKonzern habe leisten müssen. Der Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft sei zu entnehmen, daû eine prozentuale Beteiligung des Autors am Verkaufserlös in den Fällen ausscheide, in denen die bearbeiteten Stoffe auf bekannten Vorlagen beruhten. Dieser Umstand sei der Klägerin im Zweifel bekannt gewesen. Auûerdem sei bei einem populären Stoff wie dem des Dschungelbuchs auch von vornherein mit einer erfolgreichen Vermarktung zu rechnen gewesen. Schlieûlich sei zu berücksichtigen, daû die Beklagte bei einer Reihe von Hörspielen der Klägerin nicht unerhebliche Verluste habe hinnehmen müssen.
II. Zur Anschluûrevision der Beklagten:
Die Anschluûrevision, mit der sich die Beklagte gegen die erfolgte Verurteilung richtet, ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Prüfung grundsätzlich stand. Lediglich ein Rechenfehler im Klagevorbringen nötigt zu einer Korrektur des der Klägerin zugesprochenen Betrages.
1. Zutreffend und von der Anschluûrevision unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daû die fraglichen Hörspielmanuskripte der Klägerin als Sprachwerke urheberrechtlichen Schutz genieûen.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Anschluûrevision dagegen, daû das Berufungsgericht der Klägerin hinsichtlich der sechs ersten Titel der Dinosaurier-Serie dem Grunde nach einen Anspruch auf Vertragsanpassung und ± für die Vergangenheit ± Gewährung einer angemessenen Beteiligung zugebilligt hat.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daû ein Anspruch des Urhebers auf Einwilligung in eine Vertragsanpassung nach § 36 Abs. 1 UrhG in Betracht kommt, wenn dem Verwerter aus der Werknutzung unerwartet hohe Erträgnisse zugeflossen sind, die zu dem dem Urheber gezahlten Entgelt in einem groben Miûverhältnis stehen (vgl. BGHZ 115, 63, 66 ± HoroskopKalender ; 137, 387, 396 ± Comic-Übersetzungen I). Dabei ist ± wie das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht ausgeführt hat ± nicht auf den Gewinn, sondern auf den Bruttoerlös abzustellen (BGHZ 115, 63, 68 ± Horoskop-Kalender; Schrikker in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 10; Spautz in Möhring /Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 36 Rdn. 9). Ob von einem groben Miûverhältnis gesprochen werden kann, richtet sich ± wie das Gesetz sagt ± nach den gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem Verwerter; hierbei sind die den Gewinn des Verwerters schmälernden Aufwendungen zu berücksichtigen.

b) Daû das Berufungsgericht im Streitfall hinsichtlich der sechs ersten Produktionen der Dinosaurier-Reihe ein solches grobes Miûverhältnis bejaht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daû die Beklagte bis Ende Oktober 1996 über 270.000 Kassetten dieser Hörspiele verkauft hat, woraus sich Erlöse von über 1,5 Mio. DM errechnen. Die Klägerin hat für diese sechs Produktionen ein Honorar in Höhe von 10.500 DM ± das sind weniger als 0,7 % der Erlöse ± erhalten. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich ferner, daû für derartige Autorenleistungen eine Beteiligung von mindestens 5 % des Verkaufserlöses als angemessen anzusehen ist.
Ohne Erfolg wendet die Anschluûrevision demgegenüber ein, das Berufungsgericht habe es versäumt, die Verluste zu berücksichtigen, die bei anderen Produktionen von Hörspielen der Klägerin eingetreten seien. Zwar kann der Ver-
werter im Rahmen der Prüfung, ob ein grobes Miûverhältnis zwischen Erträgnissen und Entgelt besteht, auf Verluste verweisen, die er bei der Vermarktung früherer Werke des Urhebers erlitten hat (Begründung zu § 36 UrhG des Regierungsentwurfs , BT-Drucks. IV/270, S. 58; Schricker aaO § 36 UrhG Rdn. 11; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 6). Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich jedoch, daû das Berufungsgericht das entsprechende Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Zu einer weitergehenden Berücksichtigung, insbesondere zu einer Verneinung des groben Miûverhältnisses, gab der Vortrag der Beklagten, auf den die Anschluûrevision verweist, keinen Anlaû. Zwar hat die Beklagte danach nicht mit sämtlichen Hörspielen der Klägerin einen Gewinn erwirtschaftet. Doch läût sich dem Vorbringen der Beklagten nicht im einzelnen entnehmen, in welcher Höhe Verluste eingetreten sind, die nicht durch laufende andere Produktionen von Hörspielen der Klägerin kompensiert werden konnten. Schlieûlich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daû das der Klägerin gezahlte Entgelt verhältnismäûig kraû von dem noch als angemessen anzusehenden Honorar abweicht und in derartigen Fällen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines groben Miûverhältnisses spricht (vgl. BGHZ 115, 63, 67 f. ± HoroskopKalender ).

c) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten nicht für durchgreifend erachtet, der Erfolg der fraglichen Hörspielproduktionen beruhe nicht auf den Manuskripten der Klägerin, sondern auf anderen, in erster Linie der Beklagten zuzuschreibenden Umständen. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, kommt eine Anwendung des § 36 UrhG grundsätzlich auch bei eher untergeordneten Leistungen in Betracht, die im Rahmen eines Bestellvertrages erbracht werden (BGHZ 137, 387, 396 f. ± Comic-Übersetzungen I; gegen das Kausalitätserfordernis auch Schricker aaO § 36 UrhG Rdn. 12). Bei gänzlich unterge-
ordneten Leistungen, die üblicherweise durch ein Pauschalhonorar entgolten werden, erlaubt das Merkmal des groben Miûverhältnisses eine ausreichende Einschränkung. Bei der hier in Rede stehenden Leistung ± dem Verfassen des Manuskripts für ein Hörspiel ± stellt sich diese Frage indessen nicht.

d) Schlieûlich wendet sich die Anschluûrevision ohne Erfolg dagegen, daû das Berufungsgericht eine Umsatzbeteiligung von 5 %, gemessen an dem Listenpreis für die Abgabe an den Handel, als angemessen erachtet hat. Nach § 36 UrhG sei ± so die Anschluûrevision unter Berufung auf Schricker (aaO § 36 UrhG Rdn. 15) ± nur eine Anhebung der Vergütung bis zu der Grenze geschuldet, bei der von einem ªgroben Miûverhältnisº nicht mehr gesprochen werden könne. Dem kann nicht beigetreten werden.
Nach dem Gesetzeswortlaut sind bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 UrhG zwei Grenzen zu unterscheiden: Zum einen ist dies die Grenze der Angemessenheit , also der Punkt, unterhalb dessen das dem Urheber gewährte Entgelt nicht mehr als ªeine den Umständen nach angemessene Beteiligung an den Erträgnissenº angesehen werden kann. Fehlt es in diesem Sinne an der Angemessenheit des Entgelts, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, zwischen Entgelt und Erträgnissen bestehe ein grobes Miûverhältnis. Von einem groben Miûverhältnis kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn die vereinbarte Vergütung deutlich unter der Angemessenheitsgrenze liegt. § 36 UrhG zielt darauf ab, dem Urheber eine (noch) angemessene Beteiligung zuzusprechen. Das Entgelt nur so weit zu erhöhen, daû das grobe Miûverhältnis entfällt, würde diesem Ziel nicht gerecht. So ist auch die Aussage in der Senatsentscheidung ªHoroskop-Kalenderº zu verstehen, wonach die Vertragsänderung nach § 36 UrhG nur so weit gehen könne, wie dies unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen der Parteien notwendig ist, um die Unangemessenheit der bisherigen Beteiligung des Urhe-
bers an den Erträgnissen zu beseitigen (BGHZ 115, 63, 68). Freilich führt dies ± worauf Katzenberger (GRUR Int. 1983, 410, 421) hinweist ± dazu, daû der grob unangemessen beteiligte Urheber besser gestellt ist als derjenige, der ein zwar nicht angemessenes, aber doch nicht in einem groben Miûverhältnis zu den Erträgnissen des Verwerters stehendes Entgelt erhält (vgl. auch Brandner, GRUR 1993, 173, 177). Dies ist jedoch keineswegs ungewöhnlich: Die Rechtsordnung entläût denjenigen, der sich vertraglich gebunden hat, nicht ohne weiteres aus den eingegangenen Verpflichtungen. Eine Korrektur kommt immer nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht, so auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage , als dessen besonderer Anwendungsfall die Vorschrift des § 36 UrhG verstanden wird (BGHZ 137, 387, 396 ± Comic-Übersetzungen I), oder im Rahmen des § 138 BGB. Sind die Voraussetzungen für eine Korrektur jedoch gegeben , tritt an die Stelle der gänzlich unangemessenen eine angemessene Regelung.
3. Hinsichtlich eines Teils des Zahlungsausspruchs kann das Berufungsurteil jedoch keinen Bestand haben. Insofern führt die Anschluûrevision der Beklagten zur Aufhebung und Zurückverweisung.

a) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daû die Beklagte mit den sechs älteren Produktionen der Dinosaurier-Serie bis Oktober 1996 1.545.871,89 DM erlöst hat. Es hat hieraus den Anteil von 5 % errechnet (77.293,59 DM) und von diesem Betrag die erfolgten Zahlungen (10.500 DM) abgezogen. Zuzüglich der Mehrwertsteuer ergibt dies den Betrag von 71.469,14 DM. Zur Zahlung dieses Betrags zuzüglich Zinsen hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt.

b) Das Klagevorbringen weist jedoch die Besonderheit auf, daû die Klägerin aufgrund eines ihr unterlaufenen Fehlers weniger beantragt hat, als sich bei Zugrundelegung der von ihr genannten Zahlen eigentlich ergeben würde. Bei zutreffender Berechnung, wie sie das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, ergibt sich ein Anspruch, der um etwa 35.000 DM höher ist als der von der Klägerin gestellte Zahlungsantrag. Indem das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 71.469,14 DM verurteilt hat, hat es der Klägerin etwas zugesprochen, was sie ± bei richtiger Auslegung ihres Begehrens ± nicht verlangt hatte. Diesen Verstoû gegen § 308 ZPO muû das Revisionsgericht auch ohne Rüge beachten (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1989 ± VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087).
Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 28. Januar 1998 eine Berechnung aufgestellt und danach ihren Zahlungsantrag beziffert. In dieser Berechnung (S. 4 des Schriftsatzes) sind die Beträge abgezogen worden, die die Klägerin bereits erhalten hatte (1.500 DM bzw. 1.750 DM pro Hörspiel, jeweils zzgl. MWSt.). Hierbei ist der Klägerin insoweit ein Irrtum unterlaufen, als nicht nur die Zahlungen für die 23 im Streit befindlichen Hörspiele, sondern auch die Zahlungen für zwanzig weitere Hörspiele in Abzug gebracht wurden, die nicht (mehr) Gegenstand des Klageantrags waren. Das Berufungsgericht hat demgegenüber die geleisteten Zahlungen ± rechnerisch zutreffend ± nur insoweit berücksichtigt, als sie die noch im Streit befindlichen Hörspiele betrafen. Darüber hinaus findet sich in der Berechnung (S. 3 des genannten Schriftsatzes) ein Rechenfehler, den das Berufungsgericht in seiner Berechnung ebenfalls korrigiert hat. Die beiden Punkte führen zu einer Abweichung in Höhe von 34.648,58 DM. Während sich bei zutreffender Berechnung ein Betrag von 256.471,85 DM errechnet hätte, hat die Klägerin nur Zahlung von 221.823,27 DM beantragt.
Da das Klagevorbringen nicht erkennen läût, bei welchen Positionen die aus der Sicht der Klägerin an sich bestehende Forderung unterschritten werden soll, hätte das Berufungsgericht wegen des Bestimmtheitserfordernisses des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bei sämtlichen Positionen des Klageantrags, also bei allen damals im Streit stehenden 23 Hörspielproduktionen, einen Abzug pro rata vornehmen und diesen Abzug bei der Berechnung des Zahlungsausspruchs berücksichtigen müssen. Dies hätte zu einer Kürzung des ± rechnerisch zutreffend ermittelten ± Zahlungsanspruchs um 13,5097 % (= 9.655,27 DM) geführt. In diesem Umfang hat die Anschluûrevision Erfolg.
III. Zur Revision der Klägerin:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, daû das Berufungsgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich der ersten sechs Titel der Dschungelbuch-Serie und der vier Titel der Bambi-Serie bestätigt hat (Anpassungsantrag hinsichtlich dieser zehn Titel sowie Zahlungsantrag ± unter Berücksichtigung der anteilsmäûigen Kürzung um 13,5097 % ± in Höhe von 139.445,66 DM zuzüglich Zinsen).
1. Fehl geht allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsurteil sei in diesem Punkt nicht mit Gründen versehen (§ 551 Nr. 7 ZPO). Das Berufungsurteil enthält auf Seite 22 Ausführungen, mit denen begründet wird, daû der Klägerin insofern keine Ansprüche zustehen. Damit liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 551 Nr. 7 ZPO nicht vor, auch wenn die gegebene Begründung unrichtig, unzureichend oder unvollständig sein sollte.
2. Die Revision rügt ferner, es widerspreche dem Grundsatz, wonach auf seiten des Verwerters nur Bruttoerträgnisse zu berücksichtigen seien, daû das
Berufungsgericht maûgeblich auf die an den Walt-Disney-Konzern gezahlten Lizenzzahlungen abgestellt habe. Diese Rüge ist ebenfalls nicht begründet. Zwar kommt es nicht entscheidend auf die Kausalität der Leistungen des Urhebers für die unerwartet hohen Erträgnisse an (vgl. BGHZ 137, 387, 397 ± ComicÜbersetzungen I). Doch ist im Rahmen des Merkmals des groben Miûverhältnisses der Umstand zu berücksichtigen, daû der Urheber nur einen untergeordneten Beitrag geleistet hat. Im übrigen können ungewöhnliche, aber notwendige Kosten, die der Verwerter für die Produktion aufwenden muû, ebenfalls bei der Frage zu berücksichtigen sein, ob ein grobes Miûverhältnis vorliegt.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts , daû dann, wenn für die Hörspiele sehr bekannte Stoffe bearbeitet würden, üblicherweise eine prozentuale Beteiligung des Urhebers ausscheide. Eine solche Aussage kann der Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, nicht entnommen werden. Diese Auskunft erwähnt lediglich, daû für die Bearbeitung vorbestehender Stoffe üblicherweise keine prozentuale Beteiligung gewährt werde. Im Streitfall geht es jedoch nicht darum, daû die Klägerin einen vorbekannten Stoff bearbeitet hätte. Mit Recht verweist die Revision auf das Vorbringen, wonach die Klägerin lediglich auf bekannte Charaktere und Namen zurückgegriffen habe, die in von ihr erdachte Geschichten mit weiteren von ihr geschaffenen Figuren Eingang gefunden hätten. Es ist nicht erkennbar, daû die vom Berufungsgericht herangezogene Auskunft auch derartige Fälle betraf; vielmehr liegt es nahe, daû dort mit der ªBearbeitung eines vorbestehenden Stoffesº etwa die Adaption einer vorhandenen Geschichte an die Form des Hörspiels oder ähnliches gemeint war. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht in Erwägung ziehen und gegebenenfalls durch weitere Auskünfte oder auf andere geeignete Weise klären müssen, ob auch für die hier in Rede stehende Autorenleistung eine prozentuale
± möglicherweise unter dem sonst als üblich festgestellten Satz von 5 % liegende ± Beteiligung üblich ist, von der dann als der angemessenen Mindestvergütung auszugehen gewesen wäre.
4. Das Berufungsgericht hat seine Abweisung dieses Teils der Klage auch damit begründet, es sei der Klägerin ªim Zweifel bekannt gewesenº, daû sich ein bekannter Stoff wie das ªDschungelbuchº besonders erfolgreich vermarkten lasse. Auch gegen diese Annahme wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat damit den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, wonach sie von dem groûen Erfolg der Produktionen überrascht worden sei, zumal ihr von der Beklagten laufend bedeutet worden sei, mit den fraglichen Kassetten lieûen sich kaum Erträgnisse erwirtschaften.
5. Schlieûlich reicht auch der pauschale Hinweis des Berufungsgerichts auf ªnicht unerhebliche Verlusteº nicht aus, um ein grobes Miûverhältnis zwischen dem der Klägerin gewährten Entgelt und den erwirtschafteten Erträgnissen zu verneinen. Dies gilt um so mehr, als die Erträgnisse und das gewährte Entgelt ± wie das Berufungsgericht einräumt ± noch weiter auseinanderliegen als bei den ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Reihe (Erträgnisse in Höhe von fast 3,35 Mio. DM stehen Pauschalhonorare von weniger als 16.750 DM gegenüber).
IV. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit die Beklagte über den Betrag von 61.813,87 DM hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist und soweit die Klage hinsichtlich der ersten sechs Titel der Dschungelbuch-Serie und hinsichtlich der vier Titel der Bambi-Serie abgewiesen worden ist. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, daû auch der Teil der Klage, hinsichtlich dessen der Senat die Revision nicht angenommen hat, von der anteilsmäûigen Kürzung erfaût wird (s. oben unter II.3.b a.E.). Durch die Nichtannahme der Revision der Klägerin ist
die Klageabweisung daher im Umfang von 20.563,73 DM zuzüglich Zinsen rechtskräftig geworden.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird zunächst zu ermitteln sein, wie hoch die angemessene Vergütung in Fällen ist, in denen ein Teil des Stoffes ± etwa die Charaktere und Namen ± gegen Zahlung einer Lizenzgebühr aus anderen Werken übernommen ist. Lassen sich insofern keine zuverlässigen Daten ermitteln , wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob für diese Fälle in Anlehnung an die für die Dinosaurier-Serie getroffenen Feststellungen eine ± freilich deutlich unter dem dort ermittelten Wert liegende ± prozentuale Beteiligung als angemessen angesehen werden könnte. Gegebenenfalls wäre zu untersuchen, ob die gezahlten Entgelte zu einer auf diese Weise ermittelten angemessenen Beteiligung in einem groben Miûverhältnis stünden.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 65/05 Verkündet am:
8. Dezember 2009
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
einteilige Öse
PatG § 4; EPÜ Art. 56
Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann nicht schon
dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden,
wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik
Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung
setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung
gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.
BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 11. Januar 2005 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 12. August 2000 angemeldeten deutschen Patents 100 39 462 (Streitpatents). Die Streitpatentschrift ist nach Durchführung eines Beschränkungsverfahrens geändert worden. Die danach geltende Fassung des Streitpatents umfasst zwölf Ansprüche, deren erster (ohne Bezugszeichen) wie folgt lautet: "1. Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn, mit einem scheibenlosen Ösenteil, der aus einem auf der Schauseite der Trägerbahn aufliegenden Teller, aus einem das Loch durchsetzenden rohrförmigen Hals und aus einem bogenförmigen Übergang zwischen Teller und Hals besteht , wobei das freie Endstück des Halses mit Vorsprüngen versehen ist, und mit einer auf der Rückseite der Trägerbahn sich abstützenden Bördelung des Halses des Ösenteils, d a - d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Halsvorsprünge in axialer und/oder radialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene Umbördelung des Halses sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt, weil das die Halsvorsprünge aufweisende Endstück spiralartig im Ringprofil-Inneren integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereichs der Trägerbahn die Halsvorsprünge im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildete Widerlagerflächen angedrückt sind und flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastungen stellt, und dass die Trägerbahn sich segmentartig dem Profil anpasst und im RingprofilInneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft."
2
Wegen der weiteren Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift in der Fassung der C2-Schrift Bezug genommen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin die Ansprüche 1 bis 9 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents sei nicht neu, beruhe jedenfalls aber, wie auch die angegriffenen Unteransprüche , nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Klägerin hat sich dafür unter anderem auf die deutsche Gebrauchsmusterschrift 299 03 124 (D 1) und die amerikanischen Patentschriften 2 107 375 (D 2) und 4 479 287 (D 12) sowie auf offenkundige Vorbenutzung berufen. Wegen der weiteren erstinstanzlich in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 für nichtig zu erklären; die Beklagte hat es mit der Maßgabe verteidigt, dass im Anspruch 1 die Worte "und/oder radialer" entfallen und die Ansprüche 2 bis 9 sich auf diese geänderte Fassung beziehen, und im Übrigen Klageabweisung beantragt.
5
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über die noch verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag in Bezug auf die verteidigte Fassung des Streitpatents weiterverfolgt.
6
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt das Streitpatent hilfsweise dahingehend, dass Patentanspruch 1 einleitend lautet (Ergänzung in Fettdruck): "1. Öse zum Verstärken des Randbereichs (21), um ein an sei- nem Umfang ausgeschnittenes oder eingestanztes Loch (22) in einer Trägerbahn …"
7
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. P. G. , Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen der Technischen Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.
9
I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Interesse , eine einteilige Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn. Der Streitpatentschrift zufolge sind im Stand der Technik einund zweiteilige Ösen bekannt. Die in Figur 5 der amerikanischen Patentschrift 2 901 800 (D 5) gezeigte einteilige Öse bestehe aus einem Teller und einem kurzen Hals, an dessen Stirnseite sich in radialem Abstand zueinander sitzende , als Vorsprünge des Halses fungierende Zacken befänden. Bei Vernietung dieses Ösenteils unter Zuhilfenahme eines zusätzlichen hülsenförmigen Nietelements oder in einer Nietpresse würden nur die Zacken und nicht der Hals des Ösenteils gegen den Teller umgebogen, um das zu perforierende Tuchmaterial (Trägerbahn) zu befestigen. Die Festigkeit sei unbefriedigend, weil sie nur durch die vereinzelten Zacken gewährleistet werde, die eine Auszugsbewegung des Blatts am ösenverstärkten Loch nicht verhindern könnten, weil die Zackenspitzen in Richtung einer solchen Auszugsbewegung wiesen. Aus der europäischen Patentanmeldung 673 611 (D 3) sei eine einteilige Öse aus einem Ösenkragen mit Halbkreisprofil und einem Ösenhals mit gleichförmig umlaufendem V-Querschnitt an der Stirn des Ösenhalses bekannt. Beim Bördeln entstehe ein C-Profil, welches nur so weit geschlossen werde, bis die Trägerbahn im verbleibenden Spalt zwischen der Außenkante des Ösenkragens und dem Stirnende des Ösenhalses eingeklemmt sei. Infolge der vorgeschlagenen Geometrie im Inneren des Ösenkragens mit einer zusätzlichen, umlaufenden Ringrippe werde innerhalb des C-Profils nach der Bördelung ein Labyrinth für die Trägerbahn geschaffen. Nach der in der Streitpatentschrift geäußerten Ein- schätzung ist die Ausreißfestigkeit der Trägerbahn bei diesem Vorschlag gleichwohl unzureichend, weil ihre Oberseite lediglich von der Außenkante des Ösenkragens und die Unterseite der Trägerbahn nur vom Stirnende des Ösenhalses berührt würden. Das in der deutschen Gebrauchsmusterschrift 299 03 124 (D 1) gezeigte freie Endstück einer einteiligen Öse werde vom Bördelwerkzeug in einzelne laschenartige Halteelemente zerschnitten und dabei radial nach außen umgelegt. Diese Halteelemente bildeten, nach ihrer Anbringung an der Trägerbahn, im Querschnitt gesehen mit dem Ösenteller ein V-förmiges Faltprodukt, wobei die zwischen den V-Schenkeln eingeklemmte Trägerbahn darin aber nur unzureichend festgehalten werde.
10
2. Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, eine preiswerte, schnell ansetzbare Öse zu entwickeln, die sich nach ihrer Anbringung an der Trägerbahn durch eine hohe Reißfestigkeit auszeichnet. Dafür wird mit Patentanspruch 1 in der noch verteidigten Fassung eine zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn geeignete Öse vorgeschlagen, 1. aus einem scheibenlosen Ösenteil, bestehend aus 1.1 einem auf der Schauseite der Trägerbahn aufliegenden Teller, 1.2 einem das Loch durchsetzenden rohrförmigen Hals 1.2.1 dessen freies Endstück mit in axialer Richtung verlaufenden Vorsprüngen versehen ist, 1.3 und einem bogenförmigen Übergang zwischen Teller und Hals, 2. wobei sich der gebördelte Hals des Ösenteils in der Weise auf der Rückseite der Trägerbahn abstützt, dass 2.1 die vollzogene Umbördelung des Halses sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt, weil das die Halsvorsprünge aufweisende Endstück spiralartig im RingprofilInneren integriert ist, 2.2 die Halsvorsprünge 2.2.1 unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches der Trägerbahn im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildeten Widerlagerflächen angedrückt sind und 2.2.2 flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastung stellt, und 2.3 die Trägerbahn 2.3.1 sich segmentartig dem Profil anpasst und 2.3.2 im Ringprofil-Inneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft.
11
Die Figuren 1 bis 3 der Zeichnung des Streitpatents zeigen Ansichten einer Ausführungsform:
12
Figur 1 zeigt die Außenseite (Schauseite) einer Trägerbahn mit dem darauf , nach Lochung der Bahn und Einführung eines Ösenteils, aufliegenden Teller (10, 11). Figur 2 zeigt eine Draufsicht auf das gebördelte Ösenteil von der Innenseite der Trägerbahn her. Der rohrförmige Hals erhält durch die Bördelung die Gestalt eines aus dieser Perspektive erkennbaren ringförmigen Rohres (50). Figur 3 stellt einen Schnitt durch die Trägerbahn und die Ösen nach vollzogener Bördelung entlang den Linien III - III in Figur 1 dar.
13
3. a) Soweit das freie Endstück des Halses mit "in axialer Richtung" verlaufenden Vorsprüngen versehen ist (Merkmal 1.2.1), meint die Klägerin, dass dieses Merkmal - wie alle Merkmale des Streitpatents - auf die Öse im umgeformten Zustand zu lesen sei. Eine solche Festlegung ist Patentanspruch 1 indes auch unter Berücksichtigung des Umstands nicht zu entnehmen, dass nach seinem Wortlaut vor der beschränkten Verteidigung des Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren wahlweise auch ein radialer Verlauf der Halsvorsprünge vorgeschlagen war. Die kumulative Verwendung der Konjunktionen "und" sowie "oder" in dieser Anspruchsfassung i. V. mit den sonstigen Merkmalen in ihrer Gesamtheit gab dem Fachmann vielmehr lediglich zu verstehen, dass die Ausrichtung der Halsvorsprünge für sich selbst genommen so oder so gewählt werden kann und nicht von entscheidender Bedeutung ist, solange nur die zentralen Anweisungen der Lehre beachtet werden und die Bördelung über mehr als ein geschlossenes Ringprofil vollzogen wird (Merkmal 2.1) und die Vorsprünge im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildeten Widerlagerflächen angedrückt werden (Merkmal 2.2.1) und flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen (Merkmal 2.2.2). Um die erstrebte Ausreißfestigkeit zu erreichen, instruiert das Streitpatent den Fachmann des Weiteren, die Trägerbahn so in die Spiralbildung einzubeziehen, dass bei einer Bördelung um mehr als 360 Grad die aus Figur 3 ersichtliche Sandwichstruktur (Hals - Trägerbahn - Hals) entsteht, bei der das Trägerbahnmaterial im Spiralinneren zudem, zur Lochkante hin, über die Spitzen der Vorsprünge ein Stück vorragt, indem die Trägerbahn im Ringprofil-Inneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft (Merkmal 2.3.2) und sich dabei ringsegmentartig dem Ringprofil und den miteingerollten Vorsprüngen anpasst (Beschreibung Sp. 2 Ziff. 57 ff.).
14
b) Die um mehr als einen Vollkreis und zudem nach Maßgabe von Merkmal 2.2.1 ausgeführte Bördelung bewirkt eine Kompression (Dickenreduktion ) des nachgiebigen, in die Spiralbildung einbezogenen Trägerbahnstoffs im gesamten Bereich der Andruckflächen, nicht nur an den Spitzen der Vorsprünge. Die Ausreißfestigkeit gegen die Zugbelastungen, denen die Trägerbahn im bestimmungsgemäßen Gebrauch typischerweise ausgesetzt ist (Pfeile 52 in Figur 1), wird durch die streitpatentgemäße Bördelung in mehrerlei Hinsicht unterstützt : Die Trägerbahn dehnt sich hinter den Vorsprüngen stufenförmig wieder aus (Figur 3 Bezugszeichen 53). Die gestuften Trägerbahnabschnitte stellen sich bei Zugbelastungen gegen die Andruckstellen (Merkmal 2.2.2), wodurch ein Ausreißen des Stoffes erschwert wird. Die Sperrwirkung dieser Stufenbildung wird durch das wellenförmige Profil, das das obere Ende der Hälse durch die Vorsprungsbildung erhält, im Vergleich zu einer glatt abgeschnittenen Ausbildung gesteigert, weil dadurch die Umfangslänge der Stirnseite und dementsprechend die gesamte Länge der umlaufenden Trägerbahnstufe vergrößert wird. Schließlich erzeugt die Bördelung um mehr als 360 Grad einen besonderen Widerstandseffekt gegen Zugbelastungen. Während sich eine kürzer ausgebildete Spirale unter der üblichen Zugbelastung aufdrehen und sich der Druck auf die eingefasste Trägerbahn infolgedessen verringern würde, bewirkt die streitpatentgemäße Weiterführung der Spirale über einen Vollkreis hinaus, dass diese sich nicht ohne weiteres aufdrehen kann, sondern im Bereich der Vorsprünge gegen die Widerlagerflächen gepresst wird und sich flächige Andruckstellen bilden, die unter der Einwirkung der Zugkräfte umso stärker gegen die Trägerbahn drücken, wodurch sich der dem Ausreißen des Trägerbahnstoffes entgegenwirkende Reibungswiderstand erhöht.
15
II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr infrage gestellt hat, neu (§ 3 PatG). Der Erwähnung bedürfen insoweit allenfalls die US-Patentschriften 2 107 375 (D 2) und 4 479 287 (D 12); die übrigen Entgegenhaltungen liegen weiter ab vom Streitpatent. Die erstere Schrift offenbart jedenfalls keinen spiralförmig über mehr als einen Vollkreis gebördelten Ösenhals und der Fachmann liest einen solchen - worauf zurückzukommen sein wird - auch nicht gegebenenfalls bei gedachtem dünneren Material, in das die Öse hineingearbeitet wird, mit. Bei der letzteren Veröffentlichung fehlt es jedenfalls an der Offenbarung der Merkmalsgruppe 2.2. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Neuheit gegenüber dieser Schrift auch deshalb bejaht werden müsste, weil sie zudem kein ausgestanztes bzw. ausgeschnittenes Loch offenbart. Vielmehr wird die Trägerbahn an den Stellen, an denen Ösen platziert werden sollen, geschlitzt, wobei durchschnittlich bis zu zehn Schnitte gesetzt werden sollen (Übers. S. 7 mittlerer Abs.), so dass tortenstückähnliche Zungen entstehen, die mit dem Einführen des Ösenhalses durch die so entstandene Öffnung zum Teller hin umgebogen werden.
16
III. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 ZPO) vermag der Senat nicht die Wertung zu treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann, der über eine abgeschlossene Techniker- oder Fachhochschulausbildung im Maschinenbau und mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von Ösen und dazu gehörigen Werkzeugen verfügt, durch den Stand der Technik nahegelegt war.
17
1. Die US-Patentschrift 2 107 375 (D 2) zeigt zwar eine wellenförmige Struktur des Ösenhalsendes, das eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit der mit Vorsprüngen versehenen Stirnseite einer streitpatentgemäßen Gestaltung aufweist. Die - auf Schuhleder oder Textilien als Werkstoff (Trägerbahn) bezogene - Schrift lehrt die Festklammerung einer Trägerbahn im Wege des Rollnietens in der Weise, dass sich der gestauchte und genietete Hals mit seinem oberen Rand mehr oder weniger senkrecht in den Werkstoff eingräbt, und zwar mit den Spitzen der Vorsprünge naturgemäß tiefer als mit den "Wellentälern". Die Schrift gibt aus fachmännischer Sicht aber keinen Anlass zur Ausführung einer Bördelung in der vom Streitpatent vorgeschlagenen Weise, bei der sich die Vorsprünge gegen Widerlagerflächen abstützen, um der Gefahr des Ausreißens der Trägerbahn besonders wirkungsvoll zu begegnen (vgl. oben I 3 b). Figur 3 der Zeichnung zeigt eine Öse, die durch Rollnieten um mehr oder weniger 180 Grad umgebogen ist, so dass das Halsende sich annähernd senkrecht in den Werkstoff gräbt. Dies ist das Maß an Umformung, das die Entgegenhaltung als das übliche ansieht (Seite 2 re. Spalte Zeile 32 ff. = Übersetzung Seite 8 untere Hälfte). Zu einer spiralförmigen Ausführung einer Bördelung um mehr als einen Vollkreis in der Weise, dass die Halsvorsprünge an Widerlagerflächen angedrückt werden, gibt die Entgegenhaltung dem Fachmann auch dann keinen Anlass , wenn es darum geht, bei standardisiert vorgegebenen Halslängen mit der Einsetzkraft zur Anbringung von Ösen in dünnere Werkstoffe als den in der Zeichnung gezeigten zu experimentieren. Zwar wird in der Beschreibung angemerkt , dass eine etwas weiter vorangetriebene Bördelung in Richtung auf einen Kreis hin möglich ist (Seite 2 re. Spalte Zeile 46 ff. = Übersetzung Seite 8 untere Hälfte). Wie die Erörterung mit dem Sachverständigen aber zur Überzeugung des Senats ergeben hat, erhält der Fachmann durch diesen Hinweis keinen Anstoß zur Ausführung einer so weitgehenden Bördelung, wie sie nach Merkmalsgruppe 2 des Streitpatents erforderlich ist. Das hängt damit zusammen , dass das wellenförmige Stirnprofil der Halsenden von nach dieser Entgegenhaltung produzierten Ringösen durch Einsatz eines in der Schrift gezeigten (Figuren 5 und 6) und beschriebenen Einkerbwerkzeugs im Wege der Kaltverformung erzeugt wird und die Halsenden dadurch eine spezifische Festigkeit erhalten, die der weiteren Verformung entgegensteht. Eine streitpatentgemäße Spiralbildung würde aber eine radiale Verkleinerung der Halsenden mit sich bringen, der sich das Material, wie der Fachmann aufgrund seiner Materialkundigkeit sofort erkennt, aufgrund der bereits eingetretenen Verfestigung widersetzt. Er wird deshalb bei der in der Entgegenhaltung erörterten zusätzlichen Bördelung allenfalls geringfügig weiter gehen, als in deren Figur 3 illustriert, um nicht die Gefahr der - in der Schrift auch angesprochenen - Materialspaltung heraufzubeschwören. Eine weitere gefahrlose Umformung wäre technisch nur unter Hitzeeinfluss möglich und scheidet aus fachmännischer Sicht wegen des damit verbundenen Kostenaufwands aus. Dementsprechend ist die Einschätzung der Klägerin, die der US-Patentschrift 2 107 375 zu entnehmenden Vorschläge hinderten den Fachmann nicht daran, die streitpatentgemäße Lösung auszuführen, schon vom Offenbarungsgehalt der Schrift her nicht gerechtfertigt. Zudem kann das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln nicht schon dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden , wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.
18
2. Eine Anregung für die Auffindung der Lehre von Patentanspruch 1 ist auch der US-Patentschrift 4 479 287 (D 12) nicht zu entnehmen. Sie erstrebt eine höhere Ausreißfestigkeit durch Verstärkung des Randbereichs in der Weise , dass die für die Ösen bestimmten Öffnungen in der Trägerbahn nicht durch Herausstanzen oder -schneiden erzeugt, sondern dass durch Schlitzen des Materials umzuklappende Zungen hergestellt werden, wodurch im Umschlagbereich Wülste bzw. Rollen aus Trägerbahnmaterial entstehen, die für einen erhöhten Widerstand gegen Ausreißen der Bahn sorgen sollen. Die bei Bördelung nach diesem Vorschlag entstehende Spirale des Ösenhalses zeichnet sich, anders als die streitpatentgemäße Lösung, nicht dadurch aus, dass der gebördelte Hals sich gegen Ösenteller oder -hals abstützt und einem Ausreißen der Trägerbahn gerade auch dadurch besonders entgegengewirkt wird, sondern eine in der in dieser Entgegenhaltung gezeigten Weise gebördelte Spirale dreht sich bei entsprechenden Belastungen, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, auf und kann der Ausreißgefahr somit nicht auf die für das Streitpatent typische Weise entgegenwirken. Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung auf diese Entgegenhaltung auch nicht mehr gestützt.
19
3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragene offenkundige Vorbenutzung nahegelegt. Nach ihrem Vorbringen soll der als Zeuge benannte Geschäftsführer der H. GmbH & Co. KG, B. im , Jahre 1999 festgestellt haben, dass das italienische Unternehmen L. Containerplanen anbot, bei denen Ösen ohne Kragenscheibe in die Plane eingesetzt worden waren. Dem Zeugen sei seinerzeit aufgefallen, dass das gebördelte Halsende auf der Rückseite der Planen anders ausgesehen habe als bei mit Kragenscheiben versehenen Ösen, wo das Halsende gleichsam auf Stoß an die Kragenscheibe heranreicht (Anl. BK 13 zum Schriftsatz v. 26.10.2009, obere Bil- der). Im Unterschied zu der Bördelung zweiteiliger Ösen sei bei den einteiligen die freie Stirnkante des Halsendes von außen nicht sichtbar, sondern zwischen der Außenseite des gebördelten Ösenhalses und der Trägerbahn ein ansonsten nicht vorhandener Zwickel ausgebildet gewesen.
20
Mit diesem Vorbringen ist eine offenkundige, die erfinderische Tätigkeit im Streitfall infrage stellende Vorbenutzung - Neuheitsschädlichkeit kommt schon mangels Behauptung einer dem Merkmal 1.2.1 entsprechenden Ausgestaltung des Halsendes nicht in Betracht - nicht dargetan. In das Wissen des Zeugen ist nicht mehr gestellt, als die Sicht auf eine Trägerbahn mit gebördelter (einteiliger) Öse, bei der nicht ein am Ösenteller anstoßendes Halsende sichtbar ist, sondern ein umlaufender Zwickel. Diesen mag der Fachmann noch mit einer weitergehenden Krümmung des Halses in Zusammenhang bringen. Das ist aber bereits weder für sich allein noch in der Zusammenschau mit der USPatentschrift 2 107 375 geeignet, den Fachmann zu der weitgehenden Bördelung nach Maßgabe der Merkmalsgruppe 2 anzuregen. Die vom Streitpatent vollzogenen Schritte, die Bördelung über mehr als ein geschlossenes Ringprofil spiralförmig so auszuführen, dass der obere Halsbereich an vom Teller oder Übergang gebildeten Widerlagerflächen angedrückt wird und die Halsenden zudem mit Vorsprüngen zu versehen, werden einem durchschnittlichen Fachvertreter auch sonst nicht durch die bloße Sicht auf besagten Zwickel nahegelegt.
21
4. Die Unteransprüche 2 bis 8 haben im unmittelbaren oder mittelbaren Rückbezug auf Patentanspruch 1 in der vor dem Patentgericht verteidigten Fassung Bestand.
22
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Richteram Bundesgerichts- Gröning hof Asendorf ist in Ruhestand getreten und kann deshalb nicht unterschreiben. Scharen
Berger RichteramBundesgerichtshof Dr. Grabinski kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben. Scharen
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 11.01.2005 - 1 Ni 6/04 -
16
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage, die mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen (Senatsurteil vom 7. März 2006 - X ZR 213/01, BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche ). Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - X ZB 27/05, BGHZ 168, 142 - Demonstrationsschrank). Wie im Patentrecht ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anre- gungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse). Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für den Schutzrechtsinhaber wie für seine Wettbewerber gewährleistet.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

35
(1) Allerdings handelt es sich hierbei um ein neues Angriffsmittel im Sinne der §§ 117 PatG, 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.