Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2018 - X ZR 56/16

bei uns veröffentlicht am17.04.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 24/14, 08.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 56/16
Verkündet am:
17. April 2018
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2018:170418UXZR56.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 8. März 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 350 242 (Streitpatents), das am 22. November 2002 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 9. Januar 2002 angemeldet worden ist und einen Tongeber insbesondere für ein Einparkhilfesystem betrifft. Das Streitpatent umfasst 22 Patentansprüche; die nebengeordneten Ansprüche 1 und 21 lauten in der Verfahrenssprache: "1. Tongeber, insbesondere für Einparkhilfesysteme für Fahrzeuge, mit einem Gehäuse (2), das ein Grundteil (4) und ein Deckelteil (6) aufweist , wobei das Grundteil (4) einen von dem Deckelteil (6) abdeckbaren Aufnahmeraum (8, 10) zur Aufnahme einer Membran (38) umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass das Grundteil (4) mit dem Deckelteil (6) über einen Verbindungsabschnitt (28) einteilig ausgebildet ist, wobei das Grundteil (4) und das Deckelteil (6) relativ zuei- nander bewegbar und mittels Fügemitteln (26) miteinander fügbar sind, wobei das Deckelteil (6) mindestens ein Befestigungsmittel (30) zur Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger aufweist, wobei bei Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger das Grundteil (4) von dem Deckelteil (6) gefangen ist. 21. Verfahren zum Montieren eines Tongebers nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 20 an einem externen Träger, gekennzeichnet durch die folgenden Verfahrensschritte: - es wird ein einteiliges Gehäuse (2) mit Grundteil (4) und Deckelteil (6) bereitgestellt, - in den Aufnahmeraum (8, 10) des Grundteils (4) des Gehäuses (2) wird eine Membran (38) mit elektrischen Kontaktmitteln (40) eingelegt, - das Deckelteil (6) und das Grundteil (4) des Gehäuses (2) werden miteinander gefügt, und - das Deckelteil (6) wird mit an dem Deckelteil (6) vorgesehenen Befestigungsmitteln (30) an dem externen Träger befestigt."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt.
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Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents anstrebt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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I. Das Streitpatent betrifft einen Tongeber, insbesondere für Einparkhilfesysteme für Fahrzeuge, sowie ein Verfahren zur Montage eines Tongebers.
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1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift funktioniert ein Einparkhilfesystem in der Weise, dass dem Fahrer über optische oder akustische Signale angezeigt wird, wenn das Fahrzeug sich einem von den Sensoren des Systems erfassten Hindernis nähert und dabei einen bestimmten Grenzabstand unterschreitet. Einparkhilfesysteme seien vorzugsweise so ausgelegt, dass nach Unterschreiten eines ersten Grenzabstands zwischen Fahrzeug und Hindernis die Intensität der Signale erhöht werde, wenn sich das Fahrzeug dem erfassten Hindernis weiter nähere. Dafür würden beispielsweise größenvariable Anzeigeelemente eingesetzt und/oder die Frequenz des Signaltons verändert. Je nach gewünschter Informationsdichte seien mehrere Anzeigeelemente und/oder Tongeber erforderlich. Nachteilig an den bisher bekannten Tongebern für Einparkhilfesysteme sei, dass sie aus einer Vielzahl von Einzelteilen bestünden , die aufwendig miteinander gefügt werden müssten. Dabei sei das schallerzeugende Element, beispielsweise eine Membran, regelmäßig fest mit einem Gehäuse verbunden und nur durch Entlöten herausnehmbar. Ferner bestehe die Gefahr, dass die Membran unbeabsichtigt freigelegt werde, weil die Gehäuse einen separaten Deckel aufwiesen, der durch äußere Krafteinwirkung von dem Unterteil des Gehäuses getrennt werden könne.
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2. Das Patentgericht hat die Aufgabe des Streitpatents in Übereinstimmung mit der Formulierung in der Streitpatentschrift darin gesehen, einen Tongeber bereitzustellen, der besonders einfach und preisgünstig hergestellt werden kann und eine hohe Funktionssicherheit aufweist.
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a) Dies ist nicht zu beanstanden, trifft aber nur für den Gegenstand von Patentanspruch 1 zu. Für Patentanspruch 21 ist das technische Problem dahin zu formulieren, dass der Tongeber unter Erhaltung der Funktionssicherheit einfach an einen externen Träger montiert werden kann.
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b) Soweit die Klägerin das vom Streitpatent in Angriff genommene technische Problem auf die Herstellung eines einfacher und sicherer zu montierenden Gehäuses reduzieren will, weil nach ihrer Ansicht die in der Streitpatentschrift formulierte Aufgabe bereits durch den als Gegenstand einer offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Tongeber K2 (Abbildungen in K3, K5 und K5a) gelöst sei und sich das Streitpatent hiervon nur durch die einteilige Ausbildung von Grund- und Deckelteil unterscheide, kann dem nicht beigetreten werden.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeitsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten , ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid). Dementsprechend hat sie nicht die Funktion , über die Frage der Patentfähigkeit bereits eine Vorentscheidung zu treffen. Daher ist es weder zulässig, Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören , bei der Formulierung der Aufgabe zu berücksichtigen, noch darf ohne weiteres unterstellt werden, dass für den Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung angezeigt war (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 - Quetiapin). Das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet. Angesichts des Vorrangs der Patentansprüche gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift darf die Bestimmung der Aufgabe nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11, GRUR 2012, 1122 Rn. 22 - Palettenbehälter III). Dies schließt es auch aus, die Aufgabe unter Berufung auf einen in der Patentschrift nicht erörterten Stand der Technik einzuengen.
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bb) Vor diesem Hintergrund ist mit Rücksicht darauf, dass das Streitpatent auf einen Sachanspruch und ein Verfahren gerichtet ist, das ihm zugrunde liegende Problem allgemein darin zu sehen, einen Tongeber bereitzustellen, der besonders einfach und preisgünstig hergestellt werden kann und eine hohe Funktionssicherheit aufweist sowie leicht zu montieren ist.
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3. Zur Lösung der gestellten Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 einen Tongeber und in Anspruch 21 ein Verfahren zu dessen Montage auf einem externen Träger vor.
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a) Die Merkmale der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 lassen sich wie folgt gliedern (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern ): 1.1 Der Tongeber, insbesondere für Einparkhilfesysteme für Fahrzeuge [M1.1], umfasst ein Gehäuse (2) [M1.2], das aufweist 1.1.1 ein Grundteil (4) [M1.2] und 1.1.2 ein Deckelteil (6) [M1.2]. 1.2 Das Grundteil (4) umfasst einen von dem Deckelteil (6) abdeckbaren Aufnahmeraum (8, 10) zur Aufnahme einer Membran (38) [M1.3].
1.3 Das Deckelteil (6) weist mindestens ein Befestigungsmittel (30) zur Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger auf [M1.7]. 1.4 Das Grundteil (4) und das Deckelteil (6) sind 1.4.1 über einen Verbindungsabschnitt (28) einteilig ausgebildet [M1.4], 1.4.2 relativ zueinander bewegbar [M1.5] und 1.4.3 mittels Fügemitteln (26) miteinander fügbar [M1.6]. 1.5 Bei Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger ist das Grundteil (4) von dem Deckelteil (6) gefangen [M1.8].
b) Die Merkmale des in Patentanspruch 21 vorgeschlagenen Verfah14 rens lassen sich - im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Patentgericht - wie folgt gliedern: 21.1 Das Verfahren zum Montieren eines Tongebers an einem externen Träger umfasst folgende Schritte: 21.2 Ein einteiliges Gehäuse (2) mit Grundteil (4) und Deckelteil (6) wird bereitgestellt. 21.3 In den Aufnahmeraum (8, 10) des Grundteils (4) des Gehäuses (2) wird eine Membran (38) mit elektrischen Kontaktmitteln (40) eingelegt. 21.4 Das Deckelteil (6) und das Grundteil (4) des Gehäuses (2) werden miteinander gefügt.
21.5 Das Deckelteil (6) wird mit an dem Deckelteil (6) vorgesehenen Befestigungsmitteln (30) an dem externen Träger befestigt.
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4. Zum Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre und einzelner Merkmale sind folgende Bemerkungen veranlasst:
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a) Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren des Streitpatents zeigen Ausführungsbeispiele des erfindungsgemäßen Tongebers:
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aa) Figur 1 zeigt das Gehäuse eines erfindungsgemäßen Tongebers in geöffnetem Zustand, bevor das Grundteil 4 und das Deckelteil 6 miteinander gefügt worden sind. Das Grundteil 4 weist einen Einlegebereich für die Mem- bran 8 und einen Einlegebereich für die mit der Membran verbundenen elektrischen Kontaktmittel 10 auf, über die mit einem extern zuführbaren Stecker die elektrische Verbindung hergestellt wird, damit die Membran über die im Deckelteil angeordneten Schallaustrittsöffnungen bei Annäherung an ein Hindernis Signaltöne abgeben kann. Der Membraneinlegebereich weist eine Bodenfläche 12, eine diese umlaufende senkrecht dazu angeordnete Wandfläche 14 sowie eine Öffnung 16 zur Einlage einer Membran auf. In der Wandfläche 14 ist ein Übergangsbereich 18 zum Kontaktmitteleinlegebereich 10 ausgebildet. Das Deckelteil 6 ist über ein Filmscharnier 28 mit dem Grundteil 4 verbunden, so dass die beiden Gehäuseteile durch Verschwenken um die Schwenkachse 29 zum einen über das Filmscharnier und zum anderen über die Rastmittel an den Gehäuseteilen 26 und 26' miteinander verbunden werden können. An dem Deckelteil 6 befinden sich Befestigungsmittel 30, mit denen der Tongeber auf einem externen Träger befestigt werden kann. Das Grundteil 4 weist Funktionsflächen 32 und 32' auf, die mit einer komplementär geformten Fläche an der Membran zusammenwirken, und so sicherstellen, dass die Membran nur in einer - korrekten - Einbaulage eingelegt werden kann. Im Grundteil 4 sind ferner Abstandshalter 34 zur Beabstandung der Membran von der Bodenfläche vorgesehen. Im Deckelteil befinden sich Fixiermittel 36, um die auf den Abstandshaltern aufliegende Membran festzuhalten, wenn das Deckelteil und das Grundteil miteinander verbunden werden.
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bb) Figur 3 zeigt einen erfindungsgemäßen Tongeber in montiertem Zustand , in dem das Deckelteil über das Grundteil geklappt ist. Die Befestigungsmittel 30 und 30' sind bei dem dargestellten Tongeber als Rastmittel ausgebildet , in deren Öffnungen 31 entsprechende Rastmittel des externen Trägers, auf dem der Tongeber befestigt werden soll, eingreifen können. Über die Befestigungsmittel 30 und 30' ist das Grundteil 4 bei der Montage des Tongebers auf einem externen Träger vom Deckelteil 6 gefangen. Das Deckelteil 6 kann dem- entsprechend nur vom Grundteil 4 gelöst werden, wenn der Tongeber vom externen Träger abmontiert wird.
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b) Die Parteien streiten darüber, ob bereits durch Merkmal 1.2 festgelegt wird, welches Bauteil des Tongebergehäuses als Grundteil und welches als Deckelteil anzusehen ist, oder ob sich dies erst in der Zusammenschau mit den Merkmalen 1.3 und 1.5 ergibt. Die Beurteilung dieser Frage hängt davon ab, ob Merkmal 1.2 - wie die Klägerin meint - dahin zu verstehen ist, dass nicht nur das Grundteil der Aufnahme der Membran dient, sondern der Aufnahmeraum von Grund- und Deckelteil gemeinsam gebildet werden kann.
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aa) Das Patentgericht hat angenommen, dass ausschließlich das Grundteil den Aufnahmeraum bilde und die Membran auch nur darin aufgenommen werde. Das Deckelteil decke den Aufnahmeraum komplett und übergreifend ab, diene damit gerade nicht auch als Aufnahmeraum. Aus der Gesamtbetrachtung der durch die einzelnen Merkmale bestimmten technischen Lehre von Patentanspruch 1 ergebe sich zwangsläufig, dass das Deckelteil einen größeren Durchmesser habe als das Grundteil. Das Deckelteil biete damit anders als das Grundteil keinen der Größe der Membran angepassten, zur Aufnahme der Membran geeigneten Aufnahmeraum. Merkmal 1.2 könne daher entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin ausgelegt werden, dass Grund- und Deckelteil gemeinsam den Aufnahmeraum für die Membran bildeten.
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bb) Dies hält den Angriffen der Berufung im Ergebnis stand.
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(1) Das Patentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nur das Grundteil den Aufnahmeraum für die Membran im Sinne des Merkmals 1.2 bildet. In der Streitpatentschrift wird zur Funktion des Gehäuses ausgeführt, dieses habe die Aufgabe, die Membran sowohl zu positionieren als auch vor äußeren Einwirkungen zu schützen. Dabei werde die Positionierfunktion und die Schutzfunktion mit dem erfindungsgemäßen Aufbau in der Weise realisiert, dass einerseits das Grundteil mit dem Aufnahmeraum die Positionierung der Membran sicherstelle, während andererseits das Deckelteil als Abdeckung des Aufnahmeraums dem Schutz der Membran diene (Beschr. Abs. 9). Die Gestaltung des Aufnahmeraums wird in Merkmal 1.2 nicht näher festgelegt. Insoweit werden lediglich in der Streitpatentschrift vorteilhafte Ausführungen der Erfindung geschildert. Danach weist der Aufnahmeraum vorzugsweise einen Membraneinlegebereich und einen Kontaktmitteleinlegebereich auf. In ersterem soll die Membran schwingfähig einlegbar sein; in letzterem sollen die elektrischen Kontaktmittel der Membran ortsfest und in definierter Lage so angeordnet werden können, dass sie einen Teil einer elektrischen Steckverbindung bilden (Beschr. Abs. 15). Es wird außerdem als vorteilhaft angesehen, wenn die Kontur des Aufnahmeraums der Kontur der Membran mit den elektrischen Kontaktmitteln entspricht und die Seitenwände des Kontakteinlegebereichs in die Wandfläche des Membraneinlegebereichs übergehen, weil so gewährleistet sei, dass die Membran und die elektrischen Kontaktmittel übergangslos von den Gehäuseteilen umgeben und so vor äußeren Einflüssen geschützt seien (Beschr. Abs. 16). Schließlich schildert es die Streitpatentschrift als vorteilhaft, wenn im Grundteil Mittel zur Definition der Einbaulage der Membran vorgesehen sind, um sicherzustellen, dass die Membran nur in der richtigen Position eingelegt und somit auch korrekt elektrisch angeschlossen werden kann (Beschr. Abs. 19). Aus alledem ergibt sich, dass der Aufnahmeraum es ermöglichen muss, die Membran so zu positionieren, dass sie ihre Funktion ausüben kann. Danach muss der Raum also so ausgestaltet sein, dass die Membran frei schwingen kann und ihr elektrischer Anschluss sichergestellt ist.
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(2) Umgekehrt ergibt sich daraus, dass nur das Teil des Tongebergehäuses als Grundteil im Sinne von Merkmal 1.2 anzusehen ist, das einen Aufnahmeraum der beschriebenen Art aufweist. Ein Bauteil, das einen derartigen Aufnahmeraum lediglich abdeckt oder übergreift, bildet demgegenüber keinen Aufnahmeraum im Sinne von Merkmal 1.2. Diesem Verständnis steht nicht entgegen , dass im Deckelteil des Gehäuses Fixiermittel angeordnet sein können, die verhindern sollen, dass die Membran frei bewegbar ist und beispielsweise störende Klappergeräusche verursacht (vgl. Beschr. Abs. 23 und 32). Dass im Deckelteil angebrachte Bauteileelemente dafür sorgen, dass die Membran in ihrer - korrekten - Einbaulage verbleibt, macht das Deckelteil selbst nicht zu einem Aufnahmeraum für die Membran, sollen solche Elemente doch gerade sicherstellen, dass die Membran ihre Position in dem im Grundteil angeordneten Einlegebereich beibehält. Ein den Aufnahmeraum abdeckendes Gehäuseteil ist auch dann nicht als Aufnahmeraum im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre anzusehen, wenn die Membran aufgrund ihrer die Wandflächen des Aufnahmeraums übersteigenden Höhe möglicherweise in den den Aufnahmeraum abdeckenden Gehäuseteil hineinragt. Denn auch in diesem Fall dient der abdeckende Gehäuseteil nicht dazu, dass die Membran in der Einbauposition verbleibt , die ihre Funktionsfähigkeit sicherstellt. Schließlich bilden die beiden Gehäuseteile entgegen der Auffassung der Klägerin auch dann nicht gemeinsam den Aufnahmeraum, wenn sie ineinandergreifen oder ein Gehäuseteil das andere umgreift, wenn nur eines der Gehäuseteile die Positionierfunktion sicherstellt.
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(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin wird damit über das Kriterium des Aufnahmeraums und nicht erst über die Lage der Befestigungsmittelnach Merkmal 1.3 festgelegt, welcher der beiden Gehäuseteile das Grundteil und welcher das Deckelteil bildet. Danach besteht der Kern der erfindungsgemäßen Lehre darin, dass der eine - vom Streitpatent als Grundteil bezeichnete - Gehäuseteil den Aufnahmeraum für die Membran umfasst, aber nicht gleichzeitig Befestigungsmittel im Sinne von Merkmal 1.3 aufweist, wohingegen der andere, als Deckelteil bezeichnete Gehäuseteil entsprechend Merkmal 1.3 mindestens ein Befestigungsmittel zur Befestigung des Tongebers an einem externen Träger aufweist, aber nach Merkmal 1.2 selbst nicht Teil des Aufnahmeraums ist, sondern diesen lediglich abdeckt.
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Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob Merkmal 1.2 - wie das Patentgericht angenommen hat - zwingend voraussetzt, dass das Deckelteil das Grundteil an dessen umlaufenden Rand komplett übergreift, oder ob davon nicht auch eine Konstruktion erfasst wird, bei der das Deckelteil vergleichbar einem Topfdeckel lediglich die lichte Öffnung des Aufnahmeraums abdeckt.
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c) Nach Merkmal 1.5 ist bei Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger das Grundteil von dem Deckelteil gefangen. Zur Fixierung des Tongebers können die am Deckelteil vorgesehenen Befestigungsmittel mit ihren dem externen Träger zugewandten Flächen ebenenparallel zur Bodenfläche des Grundteils angeordnet oder geringfügig hierzu beabstandet sein. Dadurch soll erreicht werden, dass das Grundteil des Gehäuses mit seiner Bodenfläche auf einer Auflagefläche des externen Trägers zur Auflage kommt und über die Spannung der Befestigungsmittel am Deckelteil fest gegen die Auflagefläche des externen Trägers gedrückt wird (Beschr. Abs. 22).
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei neu. Er werde weder durch den Gegenstand der Vorbenutzung (K2) noch durch die US-amerikanische Patentschrift 3 716 671 (K6) oder das chinesische Gebrauchsmuster 2 426 663 (K7; deutsche Übersetzung in K7a) vorweggenommen.
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Der als Anlage K2 vorgelegte und unbestritten vorbenutzte Tongeber (Abbildungen in K3 und K5) sei für Einparkhilfesysteme für Fahrzeuge bestimmt und weise ein Gehäuse mit einem Grundteil und einem Deckelteil auf. Das Grundteil umfasse einen vom Deckelteil abdeckbaren Raum zur Aufnahme einer Membran. Grund- und Deckelteil seien zweiteilig ausgebildet und über eine Verrastung miteinander verbindbar. Das Grundteil weise Befestigungsmittel in Form von Laschen auf, über die der Tongeber mit Schrauben an einem externen Träger befestigt werden könne. Damit offenbare der vorbenutzte Tongeber die Merkmalsgruppe 1.1, das Merkmal 1.2 und 1.4.3. Da Grund- und Deckelteil nicht über einen Verbindungsabschnitt einteilig ausgebildet seien, fehle es nicht nur an einer Offenbarung von Merkmal 1.4.1, sondern auch an Merkmal 1.4.2. Die aus der zweiteiligen Ausgestaltung zwangsläufig sich ergebende Bewegbarkeit der Teile zueinander entspreche nicht der sich nach der Lehre des Streitpatents aus der erfindungsgemäßen Verbindung von Grund- und Deckelteil ergebenden relativen Bewegbarkeit im Sinne von Merkmal 1.4.2. Schließlich seien auch die Merkmale 1.3 und 1.5 nicht offenbart. Die Laschen mit den Schraublöchern, über die der Tongeber mit Schrauben an einem externen Träger befestigt werden könne, befänden sich an dem Teil des Gehäuses, das als Grundteil anzusehen sei. Könne damit der Tongeber lediglich über das Grundteil an einem externen Träger befestigt werden, werde dieses auch nicht im Sinne von Merkmal 1.5 vom Deckelteil gefangen. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Gehäuseteile des vorbenutzten Tongebers nicht in dem Sinne austauschbar, dass auch das Gehäuseteil mit den Befestigungslaschen als Deckelteil fungieren könne. Der Fachmann erkenne ohne weiteres, dass das Gehäuseteil mit den Laschen und Schraublöchern das Grundteil darstelle und der Tongeber mit dieser Seite auf dem Träger aufliegen solle, wie dies auch in der Abbildung K3 gezeigt werde. Denn die Laschen lägen nur dann plan auf dem externen Träger, wenn dieses Gehäuseteil auf dem Träger montiert werde. Befestigte man das Gehäuse umgekehrt, lägen die Laschen nicht auf dem Träger auf, sondern wären frei schwebend, was die Montage erschwerte.
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Die Entgegenhaltung K6 betreffe einen Tongeber für Fahrzeuge, der ein Gehäuse mit einem Grund- und einem Deckelteil aufweise, wobei das Grundteil mit dem Deckelteil über ein Filmscharnier einteilig ausgebildet sei. Der Tongeber der K6 verwirkliche alle Merkmale des Gegenstands des Streitpatents mit Ausnahme der Merkmale 1.3 und 1.5. Die Befestigungsmittel zur Anbringung des Tongebers auf einem externen Träger befänden sich an dem Grundteil. Dementsprechend werde das Grundteil bei der Montage des Tongebers auf dem externen Träger auch nicht vom Deckelteil gefangen.
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Aus der K7 sei ein Schallwandler für Alarmanlagen bekannt, der auch für Einparkhilfesysteme verwendet werden könne und ein Wärmeableitungsgehäuse sowie einen Schallwandlerdeckel umfasse. An dem Wärmeableitungsgehäuse befänden sich vier konvexe Befestigungsösen mit Schraublöchern, die den Schraublöchern des Schallwandlerdeckels entsprächen, so dass Gehäuse und Deckel fest miteinander verbunden werden könnten. Damit seien die Merkmalsgruppe 1.1 sowie die Merkmale 1.2 und 1.4.3 offenbart. Das Deckelteil weise eine Leiste mit Montagelöchern auf, über die der Tongeber auf einem externen Träger im Sinne von Merkmal 1.3 befestigt werden könne. Ferner sei Merkmal 1.5 als offenbart anzusehen, da sich dieses beim Nacharbeiten zwangsläufig ergebe. Die jeweils vier Befestigungsschrauben am Grundteil und am Deckelteil sehe der Fachmann als Fügemittel für diese beiden Teile an, die die Offenbarung der Merkmale 1.3 und 1.5 nicht in Frage stellten. Nicht offenbart seien jedoch die Merkmale 1.4.1 und 1.4.2, da Grund- und Deckelteil zweiteilig ausgebildet seien.
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Der Gegenstand des Streitpatents sei dem Fachmann, einem Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Fahrzeugtechnik, weder durch den Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung noch durch die Entgegenhaltungen K6 und K7 nahegelegt gewesen. Der vorbenutzte Tongeber habe dem Fach- mann keine Anregung gegeben, Grund- und Deckelteil über ein Verbindungsmittel einteilig auszubilden und die Mittel zur Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger nicht am Grundteil, sondern am Deckelteil vorzusehen. Die erfindungsgemäße Lösung lehre nicht die Fortführung eines beim Gegenstand der Vorbenutzung bereits beschrittenen Lösungswegs, sondern beinhalte einen Perspektivwechsel und stelle eine Abkehr von der dortigen Lösung dar.
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Bei dem in der K6 beschriebenen Tongeber stehe im Vordergrund, dass der Lautsprecher leicht montiert und bei Bedarf ohne großen Aufwand ausgetauscht werden könne. Dementsprechend sei die Vorrichtung so gestaltet, dass die Abdeckung leicht abgenommen werden könne. Dies solle mit der erfindungsgemäßen Lösung gerade verhindert werden. Die K6 habe dem Fachmann daher keinen Anlass gegeben, die Mittel zur Befestigung des Tongebers so am Deckelteil anzubringen, dass das Grundteil von dem Deckelteil gefangen ist.
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Hinsichtlich der K7 sei bereits zweifelhaft, ob der Fachmann diese Schrift als Ausgangspunkt seiner Überlegungen herangezogen hätte. Diese Entgegenhaltung ziele in erster Linie auf eine Lösung des Problems der Wärmeableitung bei Schallwandlern ab, das das Streitpatent nicht im Blick habe. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annehme, dass die K7 dem Fachmann das Konzept vermittle, ein Gehäuse so zu konstruieren, dass bei der Montage auf einem Träger das Grundteil vom Deckelteil gefangen sei, fehle es immer noch an einer Anregung, den Schallwandler nach den Vorgaben der Merkmale 1.4.1 und 1.4.2 auszubilden. Die Lehre der K7 führe von einer einteiligen Ausbildung des Gehäuses sogar deutlich weg, da das Wärmeableitungsgehäuse und der Schallwandlerdeckel aus unterschiedlichen Materialien bestünden. Eine relative Bewegbarkeit der beiden Gehäuseteile zueinander sei nicht angezeigt, weil die beiden Teile zur Wärmeableitung fest miteinander verbunden bleiben müssten.
Daher gebe die K7 dem Fachmann keine Veranlassung, ein Filmscharnier zu verwenden, selbst wenn man eine solche Maßnahme zugunsten der Klägerin als zum Standardrepertoire gehörend ansehe. Schließlich habe die Klägerin auch keinen Stand der Technik vorgelegt, der ein Gehäuse zum Gegenstand habe, dessen Teile über einen Verbindungsabschnitt verbunden seien und bei dem gleichzeitig das Grundteil bei der Montage durch das Deckelteil gefangen sei.
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Für die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 21 gälten die Ausführungen zu Patentanspruch 1 entsprechend.
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III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
37
1. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 als patentfähig angesehen.
38
a) Zutreffend und von der Berufung unangegriffen hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 gegenüber dem Gegenstand der Vorbenutzung und dem druckschriftlichen Stand der Technik neu ist.
39
b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann, gegen dessen zutreffende Definition im angefochtenen Urteil die Parteien keine Einwände erhoben haben, durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt war.
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aa) Der Tongeber K2 (Abbildungen in K3, K5 und K5a), dessen offenkundige Vorbenutzung zwischen den Parteien unstreitig ist, umfasst ein Gehäuse , das seinerseits aus zwei separaten Teilen besteht. Die Membran ist - wie sich aus der jeweils linken Abbildung in Bild 3 und Bild 4 der K5a ergibt - in das Gehäuseteil eingelegt, an dem sich Ösen für die Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger befinden. Das andere Teil des Gehäuses weist an seiner Oberfläche Löcher auf, durch die der Schall austreten kann. Werden die beiden Gehäuseteile miteinander verbunden, deckt das Gehäuseteil mit den Schallaustrittslöchern das Gehäuseteil ab, in das die Membran eingelegt ist, und umschließt dessen Wandflächen mit seinem Rand. Der Rand weist an der Stelle, an der sich der Kontaktmitteleinlegebereich des Gehäuses mit der eingelegten Membran befindet, eine entsprechende Aussparung auf (linke Abbildung in Bild 4 und Bild 5 der K5a).
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(1) Der vorbenutzte Tongeber offenbart damit zwar die Merkmalsgruppe 1.1 sowie die Merkmale 1.2 und 1.4.3. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist auch Merkmal 1.4.2 offenbart, da die relative Bewegbarkeit der beiden Gehäuseteile zueinander nicht voraussetzt, dass diese im Sinne von Merkmal 1.4.1 über einen Verbindungsabschnitt einteilig ausgebildet sind, sondern auch gegeben ist, wenn es sich um separat ausgebildete Bauteile handelt.
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(2) Außer Merkmal 1.4.1, dessen fehlende Offenbarung die Klägerin nicht in Zweifel zieht, weist der vorbenutzte Tongeber K2 - wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat - auch nicht die Merkmale 1.3 und 1.5 auf.
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Bei dem vorbenutzten Tongeber befinden sich die Befestigungsmittel zur Fixierung des Tongebers an einem externen Träger an dem Gehäuseteil, in das die Membran eingelegt ist. Das gelochte Teil, welches das die Membran aufnehmende Gehäuseteil abdeckt und umschließt, weist dagegen keine Mittel zur Befestigung des Tongebers an einem externen Träger auf. Anders als die Klägerin meint, kann das Gehäuseteil, das bei dem vorbenutzten Tongeber mit den Mitteln zur Befestigung an einem externen Tongeber versehen ist, nicht mit dem Deckelteil des erfindungsgemäßen Tongebers gleichgesetzt werden. Diese Sichtweise beruht auf der von der Klägerin bereits bei der Auslegung von Patentanspruch 1 zugrunde gelegten - unzutreffenden - Annahme, dass beliebig festgelegt werden könne, welches Gehäuseteil als Grundteil und welches als Deckelteil anzusehen sei, da die Membran schließlich von beiden Gehäuseteilen aufgenommen werde. Wie beim Tongeber nach Patentanspruch 1 weist auch bei dem vorbenutzten Tongeber nur eines der beiden Gehäuseteile einen Aufnahmeraum für die Membran auf, während das andere - beim Gegenstand der Vorbenutzung das gelochte - Teil nicht selbst einen Aufnahmeraum bildet, sondern diesen lediglich abdeckt, indem er dessen Öffnung nach oben bedeckt und dessen Wandflächen von außen umschließt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind damit die beiden Gehäuseteile beim Gegenstand der Vorbenutzung ebenso wenig wie beim erfindungsgemäßen Tongeber in der Weise austauschbar , dass der Tongeber beliebig mit dem einen oder dem anderen Gehäuseteil auf dem externen Träger angebracht werden kann. Vielmehr entspricht das Gehäuseteil des vorbenutzten Tongebers mit dem Aufnahmeraum dem Grundteil des Tongebers nach Patentanspruch 1, während das Teil mit den Schallaustrittslöchern dem Deckelteil des erfindungsgemäßen Tongebers entspricht. Da das gelochte Teil keine Mittel zur Befestigung des Tongebers an einem externen Träger aufweist, erfüllt es weder Merkmal 1.3 noch kann es im Sinne von Merkmal 1.5 das andere, dem Grundteil entsprechende Gehäuseteil bei der Montage des Tongebers an einen Träger gefangen halten.
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bb) Das chinesische Gebrauchsmuster 2 426 663 (K7; deutsche Übersetzung in K7a) betrifft einen Schallwandler, der einen gewölbten Deckel, einen Equalizer, ein im Querschnitt U-förmiges Kernstück und ein Wärmeableitungsgehäuse aufweist. In dem Kernstück befinden sich ein Magnet und eine Eisenscheibe , die miteinander verklebt sind. Der Deckel ist gewölbt und weist vier Schraublöcher, zwei Kabellöcher sowie zwei Leisten mit jeweils einem Montageloch auf. In der Mitte des Deckels befinden sich eine Öffnung und auf der Innenseite der bogenförmigen Wölbung stufig verlaufende Nuten, die der Stu- fenform des unterhalb des Deckels angebrachten und mit diesem verbundenen Equalizers entsprechen. Darunter ist die sich nach oben wölbende Vibrationsmembran angeordnet, die über die Eingriffsnuten in dem Ringspalt zwischen Eisenscheibe und Magnet im Kernstück eingefasst ist. An der Unterseite befindet sich ein Wärmeableitungsgehäuse aus Metall. Das Wärmeableitungsgehäuse weist vier Befestigungsösen mit jeweils einem Schraubloch auf, die mit den vier Schraublöchern am Deckel korrespondieren, so dass Gehäuse und Deckel fest miteinander verbunden werden können.
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Wie das Patentgericht zu Recht und von der Berufung unangegriffen festgestellt hat, offenbart die Entgegenhaltung K7 jedenfalls nicht das Merkmal 1.4.1.
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cc) Die US-Patentschrift 3 716 671 (K6) betrifft eine Vorrichtung zur Montage von Lautsprechern beispielsweise auf einem Armaturenbrett eines Fahrzeugs. Die Vorrichtung besteht aus einem einstückig ausgebildeten Gehäuse (one piece molded housing), das eine Grundplatte (base plate) mit einer Öffnung zur Aufnahme eines Lautsprechers und eine Abdeckung (cover), gegebenenfalls in der Form eines Gitters (grille), aufweist, die mit der Grundplatte über ein integral ausgebildetes Scharnier (integrally molded hinge) verbunden ist (Sp. 1 Z. 45-51; Sp. 3 Z. 25-37, Z. 49-62). Für die Montage wird zunächst die Grundplatte so positioniert, dass ihre Öffnung über dem entsprechenden Ausschnitt auf dem Armaturenbrett oder der Blende liegt. Die Grundplatte wird zum einen an den Kanten ihrer Öffnung an der Blende befestigt, indem Befestigungselemente mit einem Gelenk (mounting tabs are bent or folded at hinged portion) über die Kanten der Öffnung in der Grundplatte gebogen werden, die dann hinter den Ausschnitt der Blende greifen. Zum anderen wird die Grundplatte an den Stellen auf der Blende festgeschraubt, an denen sie zu diesem Zweck mit entsprechenden Schraublöchern versehen ist. Anschließend wird der Lautsprecher in die Öffnung eingesetzt und auf der Grundplatte fixiert. Schließlich wird die Abdeckung um das Scharnier geklappt, wobei die Führungszapfen (guide tabs) und die Arretierungen (locking tabs) auf der Innenseite der Abdeckung in entsprechende Öffnungen auf der Grundplatte einrasten, um die Abdeckung und die Grundplatte verbunden zu halten (Sp. 3 Z. 8-53). Nach der Beschreibung kommt es der K6 darauf an, eine Vorrichtung bereit zu stellen, bei der der Lautsprecher leicht zugänglich ist, wenn Reparaturen oder ein Austausch anstehen. Dementsprechend ist die Vorrichtung so konstruiert, dass sich die Abdeckung einfach und ohne großen Aufwand von der Grundplatte lösen lässt, während die Grundplatte selbst nicht abgenommen werden muss, sondern auf der Blende verbleiben kann (Sp. 3 Z. 53-59).
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Wie das Patentgericht zu Recht und von der Berufung unangegriffen festgestellt hat, offenbart die Entgegenhaltung K6 nicht die Merkmale 1.3 und 1.5.
48
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergab sich für den Fachmann aus dem Gegenstand der Vorbenutzung keine Anregung, die Mittel zur Befestigung des Tongebers auf einem externen Träger statt an dem die Membran aufnehmenden Grundteil am Deckelteil anzubringen.
49
aa) Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen , Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Rn. 20 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 Rn. 17 - einteilige Öse).
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bb) Ein solcher Anstoß ergibt sich aus dem Gegenstand der Vorbenutzung nicht. Beim vorbenutzten Tongeber befinden sich die Mittel zur Befestigung an einem externen Träger an dem Gehäuseteil mit dem Aufnahmeraum für die Membran, während der Deckel über entsprechende Fügemittel nur mit diesem Gehäuseteil, nicht aber (auch) mit dem Träger verbunden wird. Dass der Deckel eines Gehäuses nur mit dem Bauteil verbunden wird, das von ihm abgedeckt werden soll, stellt eine gängige Anordnung dar. Demgegenüber liegt dem Streitpatent mit der Verlegung der Befestigungsmittel vom Grundteil an das Deckelteil - wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat - ein anderes Konzept zugrunde, mit dem nicht nur erreicht werden soll, dass das Gehäuse, indem das Grundteil vom Deckelteil gefangen ist, über die Fügemittel hinaus durch eine weitere Maßnahme gegen ein ungewolltes Öffnen des Tongebers geschützt ist. Vielmehr wird durch die erfindungsgemäße Konstruktion dem Sicherheitsaspekt noch weiter dadurch Rechnung getragen, dass der Deckel hierbei nur gelöst werden kann, wenn der Tongeber insgesamt von dem externen Träger entfernt wird. Die Anbringung der Befestigungsmittel am Deckelteil und das dadurch erreichte Gefangensein des Grundteils stellt eine Abkehr von der herkömmlichen Art der Verbindung von Grund- und Deckelteil dar und war daher dem Fachmann durch den Gegenstand der Vorbenutzung nicht nahegelegt.
51
d) Ebenso wenig ergab sich für den Fachmann aus der K7 eine Anregung , einen Tongeber mit den Merkmalen des Streitpatents auszugestalten.
52
aa) Die K7 zeigt zwar die Möglichkeit auf, ein Gehäuse nicht mit seinem Basisteil, sondern über Befestigungsmittel an der Gehäuseabdeckung auf einem externen Träger zu fixieren.
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Das Hauptaugenmerk der K7 liegt indessen nicht auf der Gestaltung des Deckels des Schallwandlers, sondern auf dem Metallgehäuse, das maßgeblichen Anteil an der von der K7 angestrebten Lösung des bei Schallwandlern, wie sie die K7 betrifft, regelmäßig auftretenden Problems der Wärmeableitung hat. Diese Funktion bedingt, dass der Magnet und die Membran nicht in dem die Basis des Schallwandlers bildenden Metallgehäuse aufgenommen werden (können). Für diese Bestandteile sieht die K7 ein gesondertes Bauteil in Form eines im Querschnitt U-förmigen Kernstücks vor, das seinerseits im Deckel des Schallwandlers angebracht ist, der damit nicht nur als Abdeckung, sondern auch als Aufnahmeraum für das den Magneten und die Membran enthaltende Kernstück dient. Angesichts dieser Verteilung der Funktionen auf die einzelnen Gehäuseteile der K7 kann nicht angenommen werden, dass der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt war, einen besonders einfach und preisgünstig herzustellenden Tongeber zu entwickeln, sein Augenmerk ausschließlich auf die in der K7 gezeigte Konstruktion des Deckels gerichtet und hierbei wiederum allein das Merkmal herausgegriffen hätte, die Befestigungsmittel nicht am Grundteil, sondern am Deckel anzubringen, zumal er im Übrigen die nach der K7 für die angestrebte Problemlösung wesentlichen Bauteile, wie das Metallgehäuse zur Wärmeableitung und das damit erforderliche gesonderte Kernstück zur Aufnahme der Membran, weitgehend hätte umgestalten müssen, da ein Tongeber der vorliegenden Art keine derartige aufwändige Anordnung erforderlich macht. Dies hätte die Erkenntnis vorausgesetzt, dass die Anbringung der Befestigungsmittel am Deckelteil auch dann einen Vorteil bietet, wenn die übrigen Konstruktionselemente der K7 nicht beibehalten werden. Davon kann jedoch im Hinblick darauf, dass die K7 nicht in erster Linie die Sicherung des Gehäuses, sondern die Verbesserung der Wärmeableitung im Blick hat, nicht ausgegangen werden.
bb) Unabhängig hiervon vermittelte die K7 dem Fachmann auch keine
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Anregung, den Deckel des Schallwandlers und das Wärmeableitungsgehäuse als Basisteil über einen Verbindungsabschnitt einteilig im Sinne von Merkmal 1.4.1 auszubilden. Insoweit kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen , für den Fachmann habe es aufgrund seines allgemeinen Fachwissens nahegelegen, die beiden Gehäuseteile über ein Filmscharnier zu verbinden und einteilig auszubilden. (1) Allerdings ist bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend
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von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahegelegt hat, nicht nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen , was der Fachmann kraft seines Fachwissens aus ihr ableiten kann (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 - X ZR 134/11, GRUR 2013, 363 Rn. 27 - Polymerzusammensetzung ). Dabei kann eine Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung auch dann bestehen, wenn sie als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen oder Standardrepertoire des angesprochenen Fachmanns gehört und sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt sowie keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 26 - Farbversorgungssystem; Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, BGHZ 200, 229 Rn. 38 - Kollagenase I).
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(2) Dieser Gesichtspunkt verhilft der Berufung jedoch nicht zum Erfolg. Zwar mag die einteilige Ausbildung zweier Bauteile unter Verwendung eines Filmscharniers im Hinblick auf die dadurch bedingte einfachere Handhabbarkeit bei der Montage grundsätzlich zum Standardrepertoire eines Fachmanns gehören. Hieraus ergab sich aber für den Fachmann keine hinreichende Veranlassung , den Schallwandler nach der K7 entsprechend umzugestalten. Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, legt schon die Verwendung unterschiedlicher Materialien für das Wärmeableitungsgehäuse und den Deckel des Schallwandlers eine einteilige Ausbildung der beiden Teile nicht nahe. Hinzu kommt, dass eine einteilige Ausbildung von Wärmeableitungsgehäuse und Deckel nicht in jedem Fall objektiv zweckmäßig erscheint. So müssen bei dem Schallwandler nach der K7 zwischen Deckel und Wärmeableitungsgehäuse quasi in mehreren Schichten mehrere Bauteile angeordnet werden. Hierbei dürfte eine einteilige, nicht lösbare Verbindung von Deckel und Wärmeableitungsgehäuse eher hinderlich sein. Schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass mit einer einteiligen Ausbildung von Wärmeableitungsgehäuse und Deckel des Schallwandlers die Wärmeableitung, deren Verbesserung eines der Ziele der K7 ist, eher verschlechtert wird.
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e) Ebenso wenig erhielt der Fachmann ausgehend von der K6 eine Anregung , einen Tongeber mit den Merkmalen des Streitpatents auszugestalten. Diese Entgegenhaltung zeigt zwar eine Verbindung von Grundplatte und Abdeckung über ein Scharnier. Sie gab dem Fachmann aber jedenfalls keinen Anlass zu einer Ausgestaltung des Tongebers entsprechend den Merkmalen 1.3 und 1.5, da die K6 explizit eine Vorrichtung bereit stellen will, bei der einerseits die Abdeckung leicht von der Grundplatte zu lösen ist und andererseits letztere auf dem Träger belassen werden kann und es gerade nicht erforderlich ist, sie gleichzeitig mit der Abdeckung vom Träger abmontieren zu können.
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2. Die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 21 ist nicht anders zu beurteilen. Da Patentanspruch 21 sich in seiner Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 im Wesentlichen als verfahrensmäßige Einkleidung des Gegenstands dieses Sachanspruchs darstellt, gelten die Ausführungen zur Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 für den Gegenstand von Patentanspruch 21 entsprechend.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.03.2016 - 4 Ni 24/14 (EP) -

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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2. In der Beschreibung des Streitpatents ist eine Aufgabe nicht formuliert. Die Beklagte sieht diese darin, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaften pharmakologischen Eigenschaften , insbesondere mit einem durch schnelles Einsetzen der Wirkung, einem im Verhältnis zur Blutzuckersenkung niedrigen Plasmaspiegel und rascher Eliminierung des Wirkstoffs aus dem Blut ausgestatteten besonderen pharmakokinetischen Profil vorzuschlagen. Dieser Aufgabenbestimmung kann nicht beigetreten werden. Gegen sie wäre möglicherweise nichts einzuwenden, wenn zweifelsfrei feststünde, dass der Fachmann seine Bemühungen am Anmeldetag gezielt und ausschließlich an den genannten Parametern ausgerichtet hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Beschreibung zufolge hat sich erst bei den Bemühungen der Erfinder um eine Weiterentwicklung des Stands der Technik herausgestellt, dass Repaglinid die genannten vorteilhaften pharmakokinetischen Eigenschaften aufweist. Die Bestimmung des technischen Problems dient dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören oder die sich bei ihrer Erarbeitung herausgestellt haben, sind deshalb bei der Bestimmung des technischen Problems nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel ). Dem Streitpatent liegt hiernach das Problem zugrunde, ein (Langzeit-)Diabetes-Therapeutikum mit verbesserter Wirkung bereitzustellen.

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

22
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem aus dem, wasdie Erfindung tatsächlich leistet. In der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten, entheben aber nicht davon, den Patentanspruch anhand der dafür maßgeblichen Kriterien auszulegen und aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 12 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III, jeweils mwN).
17
1. Die US-Patentschrift 2 107 375 (D 2) zeigt zwar eine wellenförmige Struktur des Ösenhalsendes, das eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit der mit Vorsprüngen versehenen Stirnseite einer streitpatentgemäßen Gestaltung aufweist. Die - auf Schuhleder oder Textilien als Werkstoff (Trägerbahn) bezogene - Schrift lehrt die Festklammerung einer Trägerbahn im Wege des Rollnietens in der Weise, dass sich der gestauchte und genietete Hals mit seinem oberen Rand mehr oder weniger senkrecht in den Werkstoff eingräbt, und zwar mit den Spitzen der Vorsprünge naturgemäß tiefer als mit den "Wellentälern". Die Schrift gibt aus fachmännischer Sicht aber keinen Anlass zur Ausführung einer Bördelung in der vom Streitpatent vorgeschlagenen Weise, bei der sich die Vorsprünge gegen Widerlagerflächen abstützen, um der Gefahr des Ausreißens der Trägerbahn besonders wirkungsvoll zu begegnen (vgl. oben I 3 b). Figur 3 der Zeichnung zeigt eine Öse, die durch Rollnieten um mehr oder weniger 180 Grad umgebogen ist, so dass das Halsende sich annähernd senkrecht in den Werkstoff gräbt. Dies ist das Maß an Umformung, das die Entgegenhaltung als das übliche ansieht (Seite 2 re. Spalte Zeile 32 ff. = Übersetzung Seite 8 untere Hälfte). Zu einer spiralförmigen Ausführung einer Bördelung um mehr als einen Vollkreis in der Weise, dass die Halsvorsprünge an Widerlagerflächen angedrückt werden, gibt die Entgegenhaltung dem Fachmann auch dann keinen Anlass , wenn es darum geht, bei standardisiert vorgegebenen Halslängen mit der Einsetzkraft zur Anbringung von Ösen in dünnere Werkstoffe als den in der Zeichnung gezeigten zu experimentieren. Zwar wird in der Beschreibung angemerkt , dass eine etwas weiter vorangetriebene Bördelung in Richtung auf einen Kreis hin möglich ist (Seite 2 re. Spalte Zeile 46 ff. = Übersetzung Seite 8 untere Hälfte). Wie die Erörterung mit dem Sachverständigen aber zur Überzeugung des Senats ergeben hat, erhält der Fachmann durch diesen Hinweis keinen Anstoß zur Ausführung einer so weitgehenden Bördelung, wie sie nach Merkmalsgruppe 2 des Streitpatents erforderlich ist. Das hängt damit zusammen , dass das wellenförmige Stirnprofil der Halsenden von nach dieser Entgegenhaltung produzierten Ringösen durch Einsatz eines in der Schrift gezeigten (Figuren 5 und 6) und beschriebenen Einkerbwerkzeugs im Wege der Kaltverformung erzeugt wird und die Halsenden dadurch eine spezifische Festigkeit erhalten, die der weiteren Verformung entgegensteht. Eine streitpatentgemäße Spiralbildung würde aber eine radiale Verkleinerung der Halsenden mit sich bringen, der sich das Material, wie der Fachmann aufgrund seiner Materialkundigkeit sofort erkennt, aufgrund der bereits eingetretenen Verfestigung widersetzt. Er wird deshalb bei der in der Entgegenhaltung erörterten zusätzlichen Bördelung allenfalls geringfügig weiter gehen, als in deren Figur 3 illustriert, um nicht die Gefahr der - in der Schrift auch angesprochenen - Materialspaltung heraufzubeschwören. Eine weitere gefahrlose Umformung wäre technisch nur unter Hitzeeinfluss möglich und scheidet aus fachmännischer Sicht wegen des damit verbundenen Kostenaufwands aus. Dementsprechend ist die Einschätzung der Klägerin, die der US-Patentschrift 2 107 375 zu entnehmenden Vorschläge hinderten den Fachmann nicht daran, die streitpatentgemäße Lösung auszuführen, schon vom Offenbarungsgehalt der Schrift her nicht gerechtfertigt. Zudem kann das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln nicht schon dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden , wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.
27
Für die Frage, ob erfinderische Tätigkeit zu verneinen ist, kommt es anders als bei der Neuheitsprüfung nicht darauf an, ob eine Entgegenhaltung ein Merkmal "unmittelbar und eindeutig" offenbart. Vielmehr ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Hinzukommen muss zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 Rn. 16 - Installiereinrichtung). Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahe gelegt hat, ist nicht nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann kraft seines Fachwissens aus ihr ableiten kann.
26
Es steht daher der Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, bei der Ausgestaltung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken in Übereinstimmung mit Merkmal 3 verfahren, nicht notwendigerweise entgegen, dass die Klägerin ein Vorbild hierfür auf dem Gebiet der Beschichtungsanlagen nicht hat aufzeigen können. Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung vielmehr bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl.
38
aa) Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, reicht es für die Bejahung der Patentfähigkeit nicht aus, wenn die Anweisung, einen bestimmten Stoff in einer bestimmten Art und Weise zu verabreichen, neu ist, also für diesen Stoff im Stand der Technik nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist. Bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit sind vielmehr auch Handlungsweisen zu berücksichtigen, die dem Fachmann deshalb nahegelegt waren, weil sie am Prioritätstag zum ärztlichen Standard-Repertoire gehörten. Insbesondere bei Maßnahmen, die nicht dazu dienen, eine für den in Rede stehenden Stoff spezifische Wirkung hervorzurufen, sondern dazu, unerwünschte Wirkungen allgemeiner Art zu verhindern oder die von dem Stoff ausgehenden Wirkungen in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht einzugrenzen, wird es häufig vom Zufall abhängen , ob die Anwendung dieser Maßnahme auch und gerade für einen bestimmten Stoff schriftlich belegt werden kann. Ein solcher Beleg ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass der Fachmann die in Rede stehende Maßnahme am Prioritätstag als generelles Mittel für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht gezogen hat und dass keine besonderen Umstände vorlagen , die eine Anwendung in der konkret zu beurteilenden Konstellation als nicht möglich oder untunlich erscheinen ließen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)