vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 52/07, 27.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 12/10 Verkündet am:
30. August 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. MeierBeck
, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin
Schuster

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. August 2009 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 1 094 145 wird unter Abweisung der Klage im Übrigen mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung von Patentanspruch 1, an den sich die erteilten Ansprüche 2 bis 15 anschließen, hinausgeht: Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine, welche eine Kunststofftonne (2) aufweist, die innerhalb eines Gehäuses (1) montiert ist, und eine Trommel (3) aufweist, welche drehbar in der Tonne (2) mittels einer an der Trommel fixierten Welle (4) montiert ist, um Antriebskraft von einem Motor (5) zur Trommel zu übertragen , wobei die Antriebseinheit umfasst: die Tonne (2); ein hohles Metall-Lagergehäuse (7); die Welle (4); den Motor (5), der einen mit der Welle (4) verbundenen Rotor (13) und einen Stator (14) aufweist; und wenigstens ein Lager (6a, 6b), welches zwischen der Welle (4) und dem Lagergehäuse (7) zum Lagern der Welle montiert ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s das Lagergehäuse (7) als ein spritzgegossener Einsatz innerhalb eines Mittelabschnitts einer Rückwand der Tonne (2) gebildet ist, die Antriebseinheit ferner eine Stütze (17) aufweist, die an der Tonne (2) befestigt und zwischen die Rückwand der Tonne und den Stator eingesetzt ist, um den Stator (14) zu stützen, und die Stütze (17) eine mit der Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form aufweist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 14. August 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier koreanischer Patentanmeldungen (4 508 899 und 4 508 999) vom 18. Oktober 1999 angemeldeten und mit Wirkung auch für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 094 145 (Streitpatents), das 15 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 hat im Einspruchsverfahren in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut erhalten (im Folgenden nur: Patentanspruch 1): "A driving unit for a drum type washing machine having a plastic tub (2) mounted inside a cabinet (1) and a drum (3) rotatably mounted in the tub (2) by means of a shaft (4) fixed to the drum for transmission of driving power from a motor (5) to the drum, the driving unit comprising: said tub (2); a hollow metal bearing housing (7); said shaft (4); said motor (5), comprising a rotor (13) connected to said shaft (4) and a stator (14); and at least one bearing (6a, 6b) mounted between said shaft (4) and said bearing housing (7) for supporting the shaft, c h a r a c t e r i s e d i n t h a t : the bearing housing (7) is formed as an injection moulded insert within a central portion of a rear wall of the tub (2); and the driving unit further comprises a supporter (17) fixed to the tub (2) and fitted between the rear wall of the tub and the stator, for supporting the stator (14)."
2
Dieser Anspruch ist in der geänderten europäischen Patentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine, welche eine Kunststofftonne (2) aufweist, die innerhalb eines Gehäuses (1) montiert ist, und eine Trommel (3) aufweist, welche drehbar in der Tonne (2) mittels einer an der Trommel fixierten Welle (4) montiert ist, um Antriebskraft von einem Motor (5) zur Trommel zu übertragen , wobei die Antriebseinheit umfasst: die Tonne (2); ein hohles Metall-Lagergehäuse (7); die Welle (4); den Motor (5), der einen mit der Welle (4) verbundenen Rotor (13) und einen Stator (14) aufweist; und wenigstens ein Lager (6a, 6b), welches zwischen der Welle (4) und dem Lagergehäuse (7) zum Lagern der Welle montiert ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , d a s s das Lagergehäuse (7) als ein spritzgegossener Einsatz innerhalb eines Mittelabschnitts einer Rückwand der Tonne (2) gebildet ist, und die Antriebseinheit ferner eine Stütze (17) aufweist, die an der Tonne (2) befestigt und zwischen die Rückwand der Tonne und den Stator eingesetzt ist, um den Stator (14) zu stützen."
3
Wegen der Unteransprüche 2 bis 14 und des Anspruchs 15, der eine Trommelwaschmaschine mit einer nach einem der vorhergehenden Ansprüche gefertigten Antriebseinheit betrifft, wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
4
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat dieses mit der Nichtigkeitsklage angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig, weil er gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dafür hat die Klägerin sich unter anderem auf die britischen Patentanmeldungen 2 332 212 (im Folgenden: D2) und 2 333 300 (im Folgenden: D3) berufen.
5
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über eine Fassung von Patentanspruch 1 hinausgeht, die in deutscher Sprache um die nachfolgenden Merkmale ergänzt ist und an die sich die sich die erteilten Ansprüche 2 bis 15 anschließen: "… ein vorderes Ende der Stütze (17) in engen Kontakt mit einer Innenseite von Rippen (203) an einer Seite der Tonnenrückwand (200) gebracht ist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten , und ein hinteres Ende der Stütze (17) in engen Kontakt mit einem Außenumfang eines hinteren Endes des Lagergehäuses (7) gebracht ist, welches frei liegt, um die Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten und die Stütze (17) eine mit einer Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form aufweist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten, wobei der Stator einen ringförmigen Rahmen (14) und Befestigungsrippen (143) an einer Innenseite des Rahmens (140) zum Befestigen des Stators (14) an der Tonnenrückwand (200) aufweist."
6
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte in erster Linie ihren Klageabweisungsantrag weiter und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit beschränkten Fassungen von Patentanspruch 1, von denen diejenige nach Hilfsantrag II aus der Urteilsformel ersichtlich ist.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
8
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine. Bei diesen Maschinen wird die Wäsche in einer sich drehenden Trommel gewaschen, die ihrerseits von einem Plastikbehälter (in der Streitpatentschrift und im Folgenden als Kunststofftonne bezeichnet) umschlossen ist, in den das für den Waschvorgang benötigte Wasser hineinfließt und aus dem dieses abgepumpt wird.
9
In der Beschreibung des Streitpatents werden zwei im Stand der Technik vorzufindende Antriebsarten für Trommelwaschmaschinen vorgestellt. Bei der Ersteren befindet sich der Motor unterhalb der Kunststofftonne. Auf einer mit ihm verbundenen Antriebswelle und einer konzentrisch im Bereich der Trommelrückwand angebrachten weiteren Welle sitzen mit einem Riemen verbundene Riemenscheiben, über welche die Trommel bei laufendem Motor angetrieben wird. An diesem Typ kritisiert die Streitpatentschrift einen erhöhten Montageaufwand , den Energieverlust bei der Übertragung der Antriebskraft, die Geräuschentwicklung während der Kraftübertragung und eine gesteigerte Reparaturanfälligkeit bei herabgesetzter Waschleistung. Bei der als Direktantrieb bezeichneten zweiten Antriebsart sind Trommel und Motor geradewegs durch die Welle verbunden, so dass der laufende Motor die Trommel direkt in Drehbewegungen versetzt.
10
In der Streitpatentschrift wird die Überwindung der Begrenzungen und Nachteile des Standes der Technik als Aufgabe und die Bereitstellung einer Antriebseinheit , bei welcher Geräusche, Reparaturen und Energiebedarf bei ver- besserter Waschleistung verringert werden können und die eine verbesserte Stützkraft (supporting force) aufweist, als erstrebenswert bezeichnet.
11
2. Dafür schlägt Patentanspruch 1 eine Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine mit folgenden Merkmalen vor (in eckigen Klammern Gliederungsziffern der im angefochtenen Urteil verwendeten Merkmalsgliederung): 1. Die Trommelwaschmaschine weist auf: 1.1 ein Gehäuse (1) [1.2], 1.2 eine innerhalb des Gehäuses montierte Kunststofftonne (2) [1.2], 1.3 eine Trommel (3), welche [1.3] 1.3.1 drehbar [1.3] 1.3.2 mittels einer an ihr fixierten Welle (4) [1.4] 1.3.3 so in der Tonne montiert ist, dass damit Antriebskraft von einem 1.4 Motor (5) [1.4] zur Trommel übertragen werden kann; 2. und die Antriebseinheit umfasst: 2.1 die Tonne (2) [1.5], 2.2 ein hohles Metall-Lagergehäuse (7) [1.6], 2.2.1 das als ein spritzgegossener Einsatz [1.12] 2.2.2 innerhalb eines Mittelabschnitts einer Rückwand der Tonne (2) gebildet ist [1.12], 2.3 die Welle (4) [1.7], 2.4 wenigstens ein Lager (6a, 6b), welches zwischen der Welle und dem Lagergehäuse (7) zum Lagern der Welle montiert ist [1.11], 2.5 den Motor (5) [1.8], der 2.5.1 einen mit der Welle (4) verbundenen Rotor (13) [1.9] 2.5.2 und einen Stator (14) [1.10] aufweist, 2.6 eine Stütze (17) [1.13], 2.6.1 die an der Tonne (2) befestigt und [1.13] (gemäß Hilfsantrag I: die separat an der Tonnenrückwand (200) befestigt und) 2.6.2 zwischen die Rückwand der Tonne und den Stator eingesetzt ist [1.13], 2.6.3 um den Stator zu stützen [1.13]. 2.6.4 (nur nach Hilfsantrag II: und die Stütze (17) eine mit der Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form aufweist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten.

)


12
3. Das Problem, dessen Lösung Patentanspruch 1 aus Sicht des Fachmanns , als den das Patentgericht einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung in der Waschmaschinenkonstruktion angesehen hat, dienen soll, besteht in der Verbesserung der Abstützung des Stators bei gleichzeitiger vereinfachter Befestigung des Lagergehäuses. Insoweit bedürfen einige Merkmale näherer Erläuterung.
13
a) Die unter Schutz gestellte Antriebseinheit geht von einem Direktantrieb für die Waschtrommel aus. Das ergibt sich aus fachmännischer Sicht aus Merkmal 2.5.1, wonach der Rotor (13) des Motors mit der Welle (4) verbunden ist und die für einen indirekten Antrieb charakteristischen Mittel (Riemenscheiben , Zahnräder) fehlen, und daraus, dass die in den Figuren gezeigten Antriebseinheiten einen solchen Direktantrieb zeigen.
14
b) Soweit das Lager als spritzgegossener Einsatz innerhalb eines Mittelabschnitts der Tonnenrückwand (Merkmalsgruppe 2.2) geformt ist ("... formed as an injection moulded insert ..."), ist dies aus fachmännischer Sicht ungeachtet der insoweit missverständlichen Formulierung des Anspruchs so zu verstehen , dass das aus Metall gefertigte Lager integraler Bestandteil einer im Spritzgussverfahren hergestellten Kunststofftonne bzw. deren Bodens ist.
15
c) aa) Die in der Verfahrenssprache als "Supporter" (17) bezeichnete Stütze dient der Abstützung des Stators (Merkmal 2.6.3). Dem Anspruch ist dazu zu entnehmen, dass die Stütze einerseits an der Tonne befestigt und andererseits zwischen Tonnenboden und Stator eingesetzt ist (Merkmale 2.6.1 und 2.6.2). Wie die Stütze im Rahmen dieser Anordnung ausgestaltet werden soll, lässt Patentanspruch 1 offen. Konkretisierungen finden sich insoweit erstmals in der Fassung dieses Anspruchs gemäß Hilfsantrag II.
16
bb) Nach den diesbezüglichen Anweisungen in dem gemäß Hilfsantrag II vorgesehenen Merkmal 2.6.4 weist die Stütze eine mit der Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form auf, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten. Diese Zweckangabe weist den Fachmann darauf hin, dass die Anweisung darauf abzielt sicherzustellen, dass der Spalt zwischen Rotor und Stator möglichst konstant gehalten wird, was beim Betrieb der Maschine, namentlich beim Schleudergang, durch Auftreten von Kippbewegungen der Welle gefährdet ist. Um dem entgegenzuwirken, soll die konzentrische Fixierung des Stators im Betrieb verbessert werden.
17
Soweit der Stütze entsprechend Merkmal 2.6.4 eine Form gegeben werden soll, die der jeweiligen Kontur des Tonnenbodens im Wesentlichen ("… fast identisch …") entspricht, erkennt der Fachmann in dieser Anweisung das Bestreben , die beim Betrieb auftretenden Kräfte möglichst vollständig in den Tonnenboden einzuleiten, um dadurch den Rundlauf des Motors zu stabilisieren. Ihm ist aus dem Stand der Technik bekannt, dass die Böden von Kunststofftonnen in Waschmaschinen verstärkt werden, um die bei der Rotation der Welle und der Trommel auftretenden mechanischen Belastungen besser aufzufangen. Wie dies im Einzelfall umgesetzt wird, hängt dementsprechend mit der Kontur zusammen, die dem Tonnenboden herstellerseitig gegeben wird. Diesbezügliche Festlegungen und Einschränkungen sieht das Streitpatent nicht vor. Dafür kann der Tonnenboden beispielsweise durch axial aufgebrachte Rippen in tortenstückähnliche Segmente (vgl. die Figuren in der D3) unterteilt oder solche Rippen können sonst in unterschiedlichen Ausformungen auf verschiedenen Radien des Tonnenbodens angebracht werden. Jedoch enthält der letzte Teil des Merkmals 2.6.4 über die Zweckangabe hinaus auch eine (mittelbare) Anforderung an die Kontur der Tonnenrückwand und die ihr folgende Kontur der Stütze: Jene muss - sei es durch Rippen, sei es durch eine konisch zulaufende Form - gewährleisten, dass eine Radialverschiebung der Stütze gegenüber dem Tonnenboden ausgeschlossen und die konzentrische Lage des Stators hierdurch gesichert wird.
18
II. Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 ohne nähere Begründung für neu erachtet. Dagegen werden im Berufungsrechtzug keine Bedenken vorgebracht und solche sind auch nicht ersichtlich.
19
Seine Annahme, dass der Gegenstand dieses Anspruchs dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war, hat das Patentgericht im Wesentlichen wie folgt begründet. Die D2 offenbare bis auf die Ausführung des hohlen Metall-Lagergehäuses als spritzgegossener Einsatz (Merkmale 2.2, 2.2.1) sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 einschließlich der Stütze für den Stator (Merkmalsgruppe 2.6). Die Hinzufügung dieses Merkmals rechtfertige nicht, die Patentfähigkeit zu bejahen. Der Fachmann, der - ausgehend von der D2 - um eine verbesserte Haltekraft für den Stator bemüht sei, werde, wenn - wie in der Schrift vorgeschlagen - eine Stütze bereits vorgesehen sei, zusätzliche , die Konstruktion stabilisierende Maßnahmen in Betracht ziehen. Dafür biete sich an, das Lagergehäuse in den Tonnenboden zu integrieren. Eine Verstärkung der Anbindung des Stators an den Tonnenboden sei vorteilhaft, wenn die Tonne aus Kunststoff und das Lagergehäuse - etwa wegen der großen Belastung der Lager beim Wäscheschleudern mit hoher Drehzahl - aus Metall hergestellt sei. Im Interesse einer vereinfachten, preiswerteren und zugleich präziseren Montage und der weiteren Stabilisierung des stark beanspruchten Anschlussbereichs der Antriebseinheit biete es sich an, das Lagergehäuse in den Werkstoff des Tonnenbodens einzuformen, zumal es in der Kunststofftechnik eine gängige Maßnahme sei, verstärkende Komponenten aus Metall an kritischen Stellen in Kunststoffteilen anzuordnen und sie dort durch Umgießen mittels Spritzgusses zu fixieren. Dieses Fachwissen sei ausweislich der D3, die eine Kunststofftonne für eine solche Maschine zum Gegenstand habe, auch auf dem Gebiet der Trommelwaschmaschinen verbreitet. Wenn es dort auch nicht ausdrücklich erwähnt sei, impliziere der Fachmann zumindest aufgrund der Figur 4, dass das als spritzgegossener Einsatz passgenau in der Tonnenrückwand gebildete und vom Kunststoffmaterial der Tonne umschlossene Lagergehäuse zur Stabilisierung der Verbindung zwischen dem Tonnenboden und dem Lagergehäuse beitrage. Es liege daher nahe, die Ausgestaltung des Tonnenbodens mit dem darin unmittelbar beim Spritzgießen integrierten Lagergehäuse auf die D2 zu übertragen, wenn es darum gehe, eine Antriebseinheit mit einer verbesserten Haltekraft für den Stator zu erhalten. In Zusammenschau mit dem Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 2 der zuletzt genannten Patentanmel- dung gelange der Fachmann auf dem Wege eines naheliegenden Austauschs der bisher eingesetzten Tonnenrückwand mit daran angeschraubtem Lagergehäuse gegen eine Tonnenrückwand mit demgegenüber ersichtlich stabilerem, mittels Spritzgießens integriertem Lagergehäuse zu einer Antriebseinheit, die die Merkmale des Patentanspruchs 1 aufweise. Technische Hindernisse, die gegen eine einfache Übertragung der Anordnung des Lagergehäuses sprächen, seien nicht erkennbar. Der Einwand der Beklagten, die D3 sei nicht für Maschinen mit Direktantrieb vorgesehen, überzeuge nicht. Synergistische überraschende Effekte durch die gemeinsame Anwendung einer gesonderten Stütze und eines zusätzlichen umspritzten Lagersitzes ergäben sich nicht. Damit sei der Kern der Lösung des Streitpatents durch den Stand der Technik bereits so weit vorweggenommen, dass es keiner erfinderischen Überlegungen mehr bedurft habe, um zu einer streitpatentgemäßen Antriebseinheit zu gelangen.
20
III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Berufung bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
21
1. Auch wenn dem am Prioritätstag angesprochenen Fachmann entgegen der Ansicht des Patentgerichts nicht notwendigerweise langjährige, sondern , wie die Berufung meint, nur eine mehrjährige Erfahrung in der Konstruktion von Waschmaschinen zuzuordnen ist, ist dem Patentgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die D3 aus fachmännischer Sicht auf der Suche nach einer Lösung für die sich stellenden Probleme (oben I 1 am Ende) auszuwerten war. Die Berufung weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Antriebstechnik, von der der Fachmann am Prioritätstag ausging, der in der D2 offenbarte Direktantrieb war und nicht der indirekte, dem die D3 noch verhaftet ist. Damit schied die D3 zwar als unmittelbare Quelle für Anregungen zu einer modifizierten Anordnung des Stators aus. Aus fachmännischer Sicht ging es aber gleichzeitig um die Möglichkeit, die Lagerung der Welle möglichst einfach und sicher zu ge- stalten. Da die Antriebswelle auch beim indirekten Antrieb gegen mögliche Kippbewegungen insbesondere bei Rotation der Trommel mit hoher Drehzahl gesichert werden muss, schied die D3 nach fachmännischem Erfahrungswissen nicht von vornherein als mögliche Quelle übertragbarer konstruktiver Anregungen für die Lösung dieses Teilproblems aus (vgl. zu einer ähnlichen Ausgangslage BGH, Urteil vom 31. August 2011 - X ZR 73/08, BlPMZ 2011, 192 = Mitt. 2011, 26 Rn. 27 - Gleitlagerüberwachung). Wie das Patentgericht ausgeführt hat, war die Integrierung des Lagers in den Tonnenboden im Spritzgussverfahren aus fachmännischer Sicht unabhängig von der Antriebsart vorteilhaft. Zwar war damit notwendigerweise ein konstruktives Umdenken bei der Anbringung des Stators verbunden, da dieser bei einem ganz in den Tonnenboden integrierten Lager nicht länger, wie in der D2 gezeigt, am Lager aufgehängt werden konnte. Diese Erkenntnis gab dem Fachmann jedoch keine Veranlassung, sich vom Lösungsansatz der D3 wieder abzuwenden. Dafür waren die damit verbundenen technisch-wirtschaftlichen Vorteile zu attraktiv. Dem Fachmann erschloss sich bei der aufgrund seiner Ausbildung zu erwartenden systematischen Betrachtung ohne weiteres, dass die Integration des Lagers in den Tonnenboden den Weg frei machte, den Motor auf der Welle axial zum Tonnenboden hin zu verschieben. Das gilt umso mehr, als dieser im Stand der Technik bereits als möglicher Anbringungsort erwähnt war (Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung 09188764 [D9], deren Priorität die D2 beansprucht Rn. 20).
22
2. Zwischen Tonnenboden und Stator eine Stütze so vorzusehen, wie dies in Patentanspruch 1 allgemein beansprucht wird, war dem Fachmann ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt. Dazu gab die D2 hinreichend konkretisierte Anregung.
23
Der Fachmann musste dafür lediglich erkennen, dass das dortige Element (35) für die Problemlösung (oben I 1 aE) auch dann von Nutzen war, wenn sein unmittelbarer Zweck, das Lager zu halten, entfiel. Zu dieser Erkenntnis musste er gelangen, wenn er bei seiner konstruktiven Loslösung von der D2 hin zu einem in den Tonnenboden integrierten Lager mit der zu erwartenden Systematik (vorstehend III 1) vorging. Denn bei solcher Herangehensweise stellte sich auch die Frage, ob auf das in Figur 2 der Veröffentlichung mit dem Bezugszeichen (35) versehene Element nunmehr ganz verzichtet und der Stator direkt am Tonnenboden angebracht werden konnte, oder ob dieses Bauteil nicht zur Förderung der Stabilität beizubehalten war. Für Letzteres gab die D2 selbst Anregung. Bereits die Bezeichnung als "Verstärkungsplatte" (reinforcing plate) deutet darauf hin, dass sich der Zweck dieses Teils nicht in der Halterung des Lagers erschöpft. Dementsprechend vermittelt die in Figur 2 der Schrift vorgestellte Ausführung bei fachmännischer Betrachtung, dass eine solche Platte allgemein zur Versteifung des Tonnenbodens beiträgt und folglich auch dann sinnvollerweise vorzusehen ist, wenn die primäre Funktion als Aufhängung des Lagergehäuses entfällt. Denn eine gemäß Figur 2 der D2 mit Bolzen (36) an den rückwärtigen Enden der am Tonnenboden vorgesehenen Rippen angebrachte Stütze bot sich aus fachmännischer Sicht dafür an, die Motoreinheit einschließlich des Stators stützend zu stabilisieren und Kippbewegungen entgegenwirken. Angesichts dieser aus der D2 leicht zu entnehmenden Erkenntnisse bedurfte es nicht der Entfaltung erfinderischer Tätigkeit, um in allgemeiner Form eine Stütze auch dann vorzusehen, wenn das Lager ganz in den Tonnenboden integriert wurde.
24
III. Patentanspruch 1 hat auch in der Fassung von Hilfsantrag I keinen Bestand. Sie unterscheidet sich von der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen lediglich dadurch, dass die Stütze separat am Tonnenboden befestigt wird. Dies vorzusehen war jedenfalls nahegelegt. Eine separate Anbringung der Stütze bedeutet im Zusammenhang der Merkmalsgruppe 2.6 lediglich, dass die Stütze und der Stator unabhängig voneinander montiert werden. Dass hierin mehr als eine im fachmännischen Ermessen liegende zweckmäßige Maßnahme zu sehen wäre, zeigt die Berufung nicht auf und ist auch nicht ersichtlich.
25
IV. In der Fassung von Hilfsantrag II hat Patentanspruch 1 Bestand.
26
1. Die Verteidigung von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist zulässig.
27
a) Die Ausgestaltung der Stütze gemäß Merkmal 2.6.4 ist in der Beschreibung offenbart (Rn. 23 der Anmeldung = Rn. 25 der Beschreibung = Rn. 35 der Übersetzung, drittletzter Satz: "Es ist ein Stützelement 17 zwischen der Rückwand 200 der Tonne und dem Stator (14) vorgesehen, welches eine mit der Kontur der Tonnenrückwand fast identische Form aufweist …").
28
b) Patentanspruch 1 wird durch Hinzufügung von Merkmal 2.6.4 nicht deshalb unklar (Art. 84 EPÜ), weil nicht zugleich (unmittelbar) die Ausgestaltung der Kontur der Tonnenrückwand festgelegt ist. Dem Patentinhaber kann nicht vorgeschrieben werden, wie er den Gegenstand festzulegen hat, der unter Schutz gestellt werden soll, sondern er kann die Gewährung des Patents grundsätzlich in jeder Ausgestaltung verlangen, die der gegebenen technischen Lehre entspricht und patentfähig ist (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 21 mwN - Pipettensystem). Dass Tonnenböden möglicherweise Konturen gegeben werden können, die für die vom Streitpatent vorausgesetzten Anforderungen (vgl. oben I 3 c bb aE) ungeeignet sind, ändert an der hinreichenden Klarheit dieser Lehre nichts. Es genügt, dass sich aus der Anweisung, mittels der (nahezu) identischen Form von Stütze und Tonnenbodenkontur die Konzentrizität des Stators zu sichern, mittelbar die Anforderungen an eine geeignete Tonnenbodenkontur ergeben (oben zu I 3 c bb).
29
c) Die Klägerin erachtet die Beschränkung auch auf der Grundlage dieses Verständnisses von Merkmal 2.6.4 als unzulässig. Sie bezieht sich insoweit auf das im vorletzten Satz des genannten Absatzes der Beschreibung vorgestellte Ausführungsbeispiel, bei dem die Form der Stütze (und die korrespondierende Kontur des Tonnenbodens) näher dahin beschrieben ist, dass eine Stütze ein vorderes und ein hinteres Ende aufweist, von denen das Erstere in einen engen Kontakt mit der Innenseite von Rippen an einer Seite der Tonnenrückwand und das Letztere in einen engen Kontakt mit einem Außenumfang eines hinteren Endes des Lagergehäuses gebracht wird, und meint, dass nicht allein die abstrakte Übereinstimmung zwischen Stützenform und Tonnenbodenkontur zulässigerweise zum Gegenstand des Hilfsantrags gemacht werden könne.
30
Dem kann nicht beigetreten werden. Dienen in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale, die für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, dann hat es der Patentinhaber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Hand, sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale zu beschränken (BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer ). Die Kombination muss lediglich in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (BGH, Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49 - Drehmomentübertragungseinrichtung ). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Denn aus fachmännischer Sicht ist erkennbar, dass die nähere Ausgestaltung der Tonnenrückwand und der Stütze lediglich ein Ausführungsbeispiel dafür darstellt, wie mit einer fast identischen Form von Stützelement und Tonnenbodenkontur die in der Beschreibung ausdrücklich angesprochene Wirkung der Beibehaltung der Konzentrizität des Stators erzielt werden kann. Würde der Beklagten verwehrt, die zur Erzielung dieser Wirkung erforderlichen Maßnahmen in allgemeiner Form zu beanspruchen, würde sie in unbilliger Weise in der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der ursprünglichen Anmeldung beschränkt.
31
2. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen vermag der Senat nicht die Wertung zu treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag II dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
32
Entgegen der Ansicht des Patentgerichts findet eine dieser Fassung entsprechende Ausgestaltung der Stütze kein Vorbild in Figur 2 der D2.
33
Da bei Integration des Lagers in den Tonnenboden der in der D2 gezeigte Ringflansch, an dem die Stütze über die Bolzen (42) befestigt war, entfiel, musste der Fachmann, der einerseits an der Stütze zu Stabilisierungszwecken festhielt und andererseits mit dem Stator nunmehr an den Tonnenboden heranrückte , die beiden Bauteile konstruktiv miteinander in Einklang bringen. Als durch die D2 nahegelegt hätte gegebenenfalls eine Lösung angesehen werden können, bei der die Stütze zusammen mit dem Stator durch die Vorsprünge 55b am Innenumfang von dessen Kern (vgl. D2, Figur 3) am Tonnenboden befestigt wurde. Der damit erreichte Stabilisierungseffekt hätte darauf beruht, dass der Stator auf einem größeren Radius fixiert wird, als es seinem Außenumfang entspricht. Das Streitpatent geht aber einen anderen Weg und sieht eine Stütze vor, bei der der Stabilisierungseffekt dadurch hervorgerufen wird, dass ihr eine mit der Kontur der Tonnenrückwand im Wesentlichen ("fast") identische Form aufweist, um Radialverschiebungen der Stütze zu verhindern und die Konzentrizität des Stators zu sichern. Dem liegen gänzlich andere konstruktive Überlegungen betreffend die Stützfunktion zugrunde als diejenigen, die der Fachmann der D2 entnehmen konnte.
34
Diesen Weg zu beschreiten war auch sonst nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
35
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.08.2009 - 2 Ni 52/07 (EU) -

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Patentgesetz - PatG | § 121


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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - X ZR 74/11

bei uns veröffentlicht am 10.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 7 4 / 1 1 Verkündet am: 10. April 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat d

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2014 - X ZR 119/09

bei uns veröffentlicht am 25.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 1 1 9 / 0 9 Verkündet am: 25. November 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk:

Referenzen

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Die Revision kann daher auch nicht mit der Rüge durchdringen, der Patentanspruch hätte "richtigerweise" auf eine Handpipette anstatt auf ein System aus Pipette und Spritze gerichtet werden müssen. Dem Patentanmelder kann in dieser Hinsicht nicht vorgeschrieben werden, wie er den Patentanspruch zu formulieren hat. Er kann vielmehr die Erteilung des Patents grundsätzlich in jeder Ausgestaltung verlangen, die der gegebenen technischen Lehre entspricht und patentfähig ist (BGHZ 166, 347, 349 f. - Mikroprozessor). Nachdem sich die Erfindung mit dem Problem befasst, die Mechanik des Ankuppelns der Spritze an die Pipette und des Abkuppelns der Spritze von der Pipette zu verbessern, ist es ohne weiteres möglich und nicht rechtsmißbräuchlich, die Spritze in die Definition des patentierten Gegenstandes einzubeziehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 18/00
vom
11. September 2001
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 34 47 925
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Drehmomentenübertragungseinrichtung
Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels
der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination
dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit
eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen
Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen
kann.
BGH, Beschl. v. 11. September 2001 - X ZB 18/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2001
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2000 verkündeten Beschluß des 6. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 34 47 925 (Streitpatent), das eine Drehmomentübertragungseinrichtung betrifft. Das Streitpatent beruht auf der Anmeldung 34 40 927.0 vom 9. November 1984, zu der die Patentinhaberin mit Eingabe vom 17. Januar 1985 zwei Teilungserklärungen abgegeben hat. Auf eine der beiden Trennanmeldungen ist das Streitpatent am 26. Januar 1995 mit folgenden Ansprüchen 1, 3 und 12 veröffentlicht worden:
"1. Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei, koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist.
3. Drehmomentübertragungseinrichtung nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t daß die Schwungmassen in Abhängigkeit von der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) zueinander begrenzt axial verlagerbar sind.
12. Drehmomentübertragungseinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
daû die Schwungmassen (3, 4) über wenigstens zwei Reiboder Gleitflächen miteinander in Reib- oder Gleitverbindung stehen bzw. bringbar sind, wobei in Abhängigkeit der Betätigung der Reibungskupplung (7, 107) die Dämpfungswirkung dieser Verbindung veränderbar ist."
Gegen das Streitpatent ist Einspruch erhoben worden, der damit begründet worden ist, daû der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei. Nach Rücknahme des Einspruchs hat die Patentinhaberin mit Erklärung vom 29. Oktober 1996 eine Teilung des Streitpatents erklärt, die zur Trennanmeldung 34 48 593.7 geführt hat. Nach einem Zwischenbescheid der Patentabteilung hat die Patentinhaberin den Widerruf der Teilungserklärung vom 29. Oktober 1996 erklärt und zugleich eine erneute Teilungserklärung abgegeben. Das Streitpatent hat die Patentinhaberin mit 24 Ansprüchen verteidigt , von denen Anspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 kursiv):
"Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstöûen, insbesondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit mindestens zwei über eine Lagerung koaxial angeordneten, entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daû die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind derart, daû die die Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegengesetzt ist."
Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, weil die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung darstelle.
Die Patentinhaberin hat gegen den Beschluû der Patentabteilung Beschwerde eingelegt und beantragt,
1. den angefochtenen Beschluû aufzuheben und das Streitpatent mit den verteidigten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
2. die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Mit Beschluû vom 13. Juli 2000 hat das Bundespatentgericht die Beschwerde und den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin , mit der diese beantragt,
den Beschluû des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat die Teilungserklärung, die zu der dem Streitpatent zugrundeliegenden Trennanmeldung geführt hat, als wirksam angesehen , da zumindest der Gegenstand, der sich aus den mit der Teilungserklärung eingereichten Ansprüchen 1 und 6 oder 7, 10, 11 und 20 ergebe und den Ausführungen nach den ursprünglichen Figuren 4 und 5 entspreche, zum Zeitpunkt der Teilung Inhalt der Stammanmeldung 34 40 927.0 gewesen sei und in der Stammanmeldung jedenfalls die Ausführung nach der ursprünglichen Figur 1 verblieben sei. Das läût keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Bundespatentgericht hat sich für befugt gehalten, den Anspruch, mit dem die Patentinhaberin das Streitpatent verteidigt, umfassend daraufhin zu überprüfen, ob er gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung 34 40 927.0 unzulässig erweitert ist. Zwar sei das Bundespatentgericht nicht befugt, von Amts wegen erstmalig neue Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gewesen seien. Dies hindere das Bundespatentgericht aber grundsätzlich nicht daran, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs innerhalb ein und desselben Widerrufsgrundes neue Tatsachen heranzuziehen und neue rechtliche Überlegungen anzustellen. Ebenso wie es bei der Prüfung der Patentfähigkeit den gesamten ihm bekannten Stand der Technik berücksichtigen könne
und nicht auf das den Beschluû der Patentabteilung tragende Material beschränkt sei, könne es im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Rahmen des von der Patentabteilung festgestellten Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG weitere nicht ausdrücklich gerügte unzulässig erweiterte Merkmale zum Gegenstand seiner Entscheidung machen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, das Bundespatentgericht habe übersehen, daû die Patentabteilung nicht den gesetzlichen Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG angewendet habe, auch wenn diese Vorschrift unzutreffend als Grundlage der Entscheidung genannt sei. Die Patentabteilung habe gerade nicht festgestellt, daû der Gegenstand des erteilten Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Der Widerruf sei vielmehr darauf gestützt, daû das im Einspruchsverfahren neu eingefügte Merkmal "über eine Lagerung" in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Damit habe das Patentamt von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, bei einer Verteidigung des Patents in veränderter Fassung die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen; der von ihm behandelte Widerrufsgrund habe sich daher auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents bezogen.
Diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings ist das Beschwerdegericht nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 128, 280, 292 f. - Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 3.2.1998 - X ZB 6/97, GRUR 1998, 901, 902 - Polymermasse) im Einspruchsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht befugt, vom Einsprechenden innerhalb der Frist des § 59 Abs. 1 PatG nicht geltend gemachte und vom Patentamt nicht in
das Verfahren eingeführte Widerrufsgründe von Amts wegen aufzugreifen und den Widerruf des Patents hierauf zu stützen. Das stand der Entscheidung des Bundespatentgerichts jedoch nicht entgegen.
Die Beschränkung des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung auf die vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend gemachten Widerrufsgründe ergibt sich aus der Funktion des Beschwerdegerichts im Rechtszug und seiner Bindung an den Streitgegenstand. Das Bundespatentgericht ist im Beschwerdeverfahren zur Nachprüfung und Änderung von Entscheidungen nur in dem Umfang befugt, in dem eine Nachprüfung beantragt wird (Sen.Beschl. v. 2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer). Im Streitfall hat die Patentabteilung das Patent widerrufen, da der "geltende Patentanspruch" , als den die Patentabteilung den von der Patentinhaberin verteidigten Anspruch angesehen hat, i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet sei. Die Patentabteilung hat dies damit begründet, daû die Einfügung der Worte "über eine Lagerung" in den erteilten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen hinausgehe, denen der Fachmann nicht allgemein ein Lager, sondern ausschlieûlich ein Wälzlager zwischen den Schwungmassen entnehme. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung der Patentabteilung hiernach nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents durch den verteidigten Anspruch gestützt. Es kann dahinstehen , ob die Patentabteilung zunächst die Zulässigkeit der Änderung des Anspruchs hätte prüfen und in Anbetracht der - nach ihrem Standpunkt - unzulässigen Änderung die erteilte Fassung zum Gegenstand ihrer weiteren Untersuchung hätte machen müssen (in diesem Sinne Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 21 Rdn. 107, § 83 Rdn. 42, 45; BPatGE 20, 133, 138; 29, 223, 226 für das
Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; a.A. Hövelmann, GRUR 1997, 109, 110 f., und - für das Nichtigkeitsverfahren - wohl auch Schulte, PatG, 5. Aufl., § 81 Rdn. 62b). Nachdem die Patentabteilung so nicht verfahren ist, sondern den verteidigten Anspruch daraufhin untersucht hat, ob dieser Anspruch auf einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet ist (der als erteilter Anspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG zum Widerruf des Streitpatents führen müûte und mit dem das Patent daher nicht aufrechterhalten werden kann), hatte das Beschwerdegericht diese Entscheidung nachzuprüfen. Im Rahmen dieser Prüfung war das Bundespatentgericht nicht auf dasjenige Merkmal beschränkt, das die Patentabteilung als unzulässige Erweiterung angesehen hat, denn die Erweiterung bezieht sich stets auf den Anspruch als Ganzen.
3. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Durchschnittsfachmann habe den ursprünglichen Unterlagen die Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht entnehmen können. Denn in den ursprünglichen Unterlagen sei zum einen das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs 1, wonach die Relativverdrehung der Schwungmassen entgegen der Wirkung einer beliebigen Dämpfungseinrichtung erfolgen solle, sachlich nicht offenbart, zum anderen erlaubten sie nicht das Weglassen von zwingend zum Gegenstand der ursprünglichen Stammanmeldung gehörigen lösungswesentlichen Merkmalen im geltenden und auch schon erteilten Patentanspruch 1. Aus der Anmeldung ergebe sich für den Fachmann eine Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer bestimmten baulichen Konzeption und einer speziellen Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, wenn die Reibungskupplung gelöst werde. Für diese Steuerung sei in den ursprünglichen Unterlagen ein Mechanismus offenbart, der nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils
des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse (erteilter Anspruch 3) und die Reib- und Gleitverbindung (etwa erteilter Anspruch 12) in untrennbarer Weise umfasse.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Das Bundespatentgericht hält das Merkmal, wonach die Schwungmassen entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind, für in den ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen Weise nicht offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren gehe wie auch aus dem ursprünglichen Anspruch 31 hervor, daû die Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern bestehe und damit das Nominaldrehmoment übertragen werde. Die im ursprünglichen Anspruch 31 enthaltene Alternative, die statt der in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeicher Reib- oder Gleitmittel vorsehe, bilde nach dem Verständnis des Fachmanns zumindest beim abgetrennten Gegenstand keinen Ersatz für in Umfangsrichtung wirkende Kraftspeicher. Andere Ausführungsmöglichkeiten hinsichtlich der Übertragung des Nominaldrehmoments seien vom Fachmann nicht erkennbar.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Merkmal findet sich - abgesehen von der bereits von der Patentabteilung für unbedenklich angesehenen Einfügung des Wortes "relativ" - bereits in Anspruch 1 der zugrundeliegenden Anmeldung. Das Bundespatentgericht, das das nicht verkennt, meint, der ursprüngliche Patentanspruch 1 weise vorwiegend allgemeine dämpfungstechnische Wirkangaben auf und sei so weit gefaût, daû ein Bezug zu
der sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergebenden konkreten Lehre nicht ersichtlich sei und Anspruch 1 deshalb nicht als prinzipielle Verkörperung des Anmeldungsgegenstands verstanden werde. Dies gelte schon deswegen, weil im ursprünglichen Anspruch 1 die Reibungskupplung und das zugehörige Ausrücksystem nicht erwähnt würden, die aber für den im Streitpatent weiterzubildenden Gegenstand die entscheidende Grundlage bildeten.
Diese Erwägungen begründen die vom Bundespatentgericht angenommene unzulässige Erweiterung nicht. Das Bundespatentgericht zieht nicht in Zweifel, daû in den ursprünglichen Unterlagen eine Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern offenbart ist. Es zieht auch nicht in Zweifel, daû der Fachmann, als den das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungsvorrichtungen insbesondere in Verbindung mit Kraftfahrzeugkupplungen ansieht, hierin ein Mittel sieht, kraft dessen die Schwungmassen - in den Worten des verteidigten Anspruchs - entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar sind. Unter diesen - dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden - Voraussetzungen kann aber das sachlich unverändert aus Anspruch 1 der Anmeldung in Patentanspruch 1 übernommene Merkmal keine unzulässige Erweiterung darstellen, weil es nichts enthält, was nicht bereits Inhalt der Anmeldung gewesen wäre. Der Umstand, daû die Anmeldung nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nur eine Ausführungsform "einer ganz bestimmten Baukonzeption" mit in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern (ausführbar) offenbart, steht dem nicht entgegen. Denn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt
ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschlieût (Sen., BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I). Ein "breit" formulierter Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung deshalb jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war.

b) Das Bundespatentgericht hat weiter festgestellt, der Fachmann entnehme den ursprünglichen Unterlagen eine Steuerung zur Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, die nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Verschiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse in untrennbarer Weise umfasse.
aa) Im einzelnen hat das Bundespatentgericht hierzu ausgeführt: In der Anmeldung werde die ferdernde Verspannung der Schwungmassen im Zusammenhang mit der Tellerfeder 34, dem Reibring 22 und der axialen Verlagerbarkeit der Schwungmasse 4 gegenüber der Schwungmasse 3 beschrieben. Im weiteren werde dort zur Funktionsweise ausgeführt, daû das durch den Reibring 22 erzeugte Reibmoment abnehme, wenn mit zunehmender Ausrückkraft die Vorspannung der Tellerfeder 34 allmählich kompensiert werde, und daû bei Überwindung der Vorspannung der Tellerfeder 34 diese verschwenkt und die Schwungmasse 4 um den Betrag X in Richtung der Schwungmasse 3 mit der
Folge verlagert werde, daû der Reibring 22 abhebe und keine Reibungsdämpfung mehr erzeugt werde. Die axial federnde Verspannung der Schwungmassen mit der entgegen der Betätigungskraft der Reibungskupplung wirkenden Vorspannkraft und die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen sowie die Reib- und Gleitverbindung stellten eine Funktions- und Steuereinheit dar, die das allgemeine Lösungsprinzip verkörpere. In den ursprünglichen Unterlagen werde es bei der als Stand der Technik erörterten Drehmomentübertragungseinrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 26 274 als nachteilig angesehen, daû der radiale Flansch der Flanschhülse, die die drehbare Lagerung der Schwungmassen zueinander ermögliche, beim Betätigen der Reibungskupplung zwischen den Schwungmassen mit groûer Kraft verspannt werde, wodurch ein hohes Reibmoment zwischen den Schwungmassen auftrete und die Dämpfung beeinträchtige. Mit dem Patentgegenstand solle eine derart hohe Reib- und Dämpfungswirkung vermieden werden, wofür die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen und die Reib- und Gleitverbindung unverzichtbare Bestandteile der offenbarten Steuerung seien.
bb) Das trägt die angefochtene Entscheidung.
Bis zum Beschluû über die Erteilung des Patents sind nach § 38 PatG Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben zulässig, die den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern. Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs anders formuliert werden, und er darf beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung führen, und sie darf nicht dazu führen, daû an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (Sen., BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleiûkammer). Der
Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm).
Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daû der Fachmann den in dem verteidigten - wie in dem erteilten - Patentanspruch bezeichneten Gegenstand den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnehmen kann.
cc) Die Rechtsbeschwerde verweist allerdings zu Recht darauf, daû der Anmelder oder der Patentinhaber, wenn er nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, nicht genötigt ist, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefaûte Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (Sen., BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es
der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (Sen., BGHZ 110, 123, 126 - Spleiûkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, daû der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muû vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas beansprucht , von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daû es von vornherein von dem Schutzbegehren umfaût sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleiûkammer [insoweit nicht in BGHZ]).
dd) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts umfaût die Angabe im verteidigten Patentanspruch , daû die Schwungmassen durch einen Kraftspeicher axial zueinander federnd verspannt sind, aus der Sicht des Fachmanns nicht notwendigerweise eine axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen als ungeschriebenen Bestandteil der technischen Lehre des Anspruchs. Vom Anspruch umfaût ist daher auch eine Ausführungsform, bei der die Schwungmassen axial federnd verspannt sind, ohne axial verlagerbar zu sein. Nach den weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts konnte der Fachmann der Anmeldung axial federnd verspannte Schwungmassen jedoch nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen axialen Verschiebbarkeit dieser Schwungmassen entnehmen. Das
Bundespatentgericht hat insoweit auf die dem Fachmann in der Beschreibung erläuterte Funktion der axial federnde Verspannung der Schwungmassen für deren axiale Verlagerung und die Bedeutung dieser Verlagerung für die Lösung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems abgestellt. Diese Ausführungen , die das Bundespatentgericht noch zusätzlich darauf hätte stützen können, daû die axiale Verspannung der Schwungmassen auch im allgemeinen Teil der Beschreibung und in den in der Anmeldung formulierten Ansprüchen nur als Ausführungsform axial verlagerbarer Schwungmassen angesprochen ist, sind als tatrichterliche Feststellungen, gegen die durchgreifende Rechtsbeschwerdegründe nicht erhoben sind, für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 107 Abs. 2 PatG).
ee) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, diesen Feststellungen lägen unzutreffende Maûstäbe zugrunde.
Zu Unrecht sieht sie solche in der Bemerkung des Bundespatentgerichts , für den Fachmann seien aus der Anmeldung auch keine anderen Ausführungsformen erkennbar, die die Offenbarung der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Lösung rechtfertigen könnten. Damit hat das Bundespatentgericht nicht zum Ausdruck gebracht, nur bei einem solchen (weiteren) Ausführungsbeispiel könne die beanspruchte Lösung als offenbart gelten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Bundespatentgericht habe angenommen , Rechte aus dem Streitpatent könnten "(selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels geltend gemacht werden". An der angegebenen Stelle hat das Bundespatentgericht vielmehr - zutreffend - ausgeführt, Mängel im geltenden Anspruch 1 hinsichtlich
der ursprünglichen Offenbarung könnten nicht, wie von der Patentinhaberin eingeworfen worden sei, dadurch kompensiert werden, daû das Streitpatent (selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels gegenüber Dritten geltend gemacht werden könne; dafür biete das Patentrecht keine Handhabe.
Nicht unbedenklich sind hingegen zwar die Ausführungen des Beschwerdegerichts , die Abstraktion des konkreten Gegenstandes dürfe nicht zu einer unbestimmten und diffusen Aussage oder Anweisung führen, die eine klare Vorstellung vom Wesen des ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegenstandes nicht mehr vermittele und über die ursprüngliche Offenbarung in unzulässiger Weise hinausgehe, was im Streitfall ersichtlich der Fall sei, da wesentliche Elemente der Steuerung nicht im Hauptanspruch angegeben würden und für das Lösungsprinzip die steuernden und zu steuernden Mittel oder Vorrichtungen unverzichtbar seien. Es ist jedoch weder von der Rechtsbeschwerde dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Feststellungen zum Verständnis des Fachmanns vom Inhalt der Anmeldung hierdurch beeinfluût sein könnten.
ff) Wenn das Bundespatentgericht aus den zu dd) genannten Feststellungen abgeleitet hat, ein Anspruch, der nur die axial federnde Verspannung der Schwungmassen und den der Ausrückkraft der Reibkupplung entgegenwirkenden Kraftspeicher zur Kennzeichnung der Lösung anführe, sei "aus Offenbarungsgründen nicht statthaft" und führe zu einer sich dem Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht erschlieûenden und deshalb unzulässigen Teil- oder Unterkombination, hat es nach alledem entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unzulässig Fragen zum Anspruch auf Erteilung des Patents mit solchen aus dem Recht der Patentverletzung vermengt. Es hat
vielmehr zutreffend darauf abgestellt, daû der verteidigte Anspruch auf eine Kombination von Merkmalen gerichtet sei, die dem Fachmann nach seinen Feststellungen in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörende Kombination offenbart wird.

c) Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Bundespatentgericht auch rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach der Ursprungsoffenbarung gehöre ebenso die Reib- und Gleitverbindung, wie sie etwa im erteilten Anspruch 12 angegeben sei, zu dem erfindungsgemäûen Steuerungsmechanismus, wogegen sprechen könnte, daû eine solche Verbindung in der Beschreibung (S. 17) lediglich als vorteilhaft bezeichnet ist.
4. Das Bundespatentgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde ohne Begründung geblieben und deswegen als unzulässig zu verwerfen (§§ 102, 104 PatG).
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Meier-Beck

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.