Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2014 - X ZR 74/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 023 236 (Streitpatents), das am 19. Februar 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität dreier amerikanischer Voranmeldungen vom 26. Februar, 9. Oktober bzw. 22. Dezember 1998 international angemeldet worden ist. Es umfasst in der im Beschwerdeverfahren erhaltenen Fassung 7 Ansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "An elevator system having a car and a counterweight (16) disposed within a hoistway (23) defined by hoistway walls (30), the elevator system including: a rope (20) engaged with the car (12) and the counterweight (16) so as to suspend the car and counterweight , the rope including one or more load-carrying members (52), wherein the load-carrying members (52) are formed from steel wires having a diameter of 0.25 mm or less, and a sheath (54), wherein the sheath is formed from a non-metallic material; and a machine (22) arranged within the hoistway and includinga traction sheave (36) and a motor (44) and a stator (42), wherein the rotor (44) is spaced radially inward of the stator (42), and further including an air gap (50) between the rotor (44) and stator (42), the traction sheave (36) being directly connected with the rotor (44) for concurrent rotation and engaged with the rope (20) to drive the rope through traction between the rope and traction sheave, and thereby drive the car (12) through the hoistway (23), wherein the rotor (44) is formed in part from permanent magnets (48); wherein the rope (20) has a width w, a thickness t measured in the bending direction, and an aspect ratio, defined as the ratio of width w relative to thickness t, greater than one."
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- Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus; auch sei der Schutzbereich des Streitpatents erweitert worden.
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- Das Patentgericht hat das Streitpatent, das die Beklagte in beschränkter Fassung verteidigt hat, für nichtig erklärt.
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- Mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verteidigt die Beklagte das Streitpatent beschränkt in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung.
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- Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. K. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe:
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- I. Das Streitpatent betrifft ein Aufzugsystem.
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- 1. Ein solches System umfasst, wie in der Beschreibung des Streitpatents erläutert wird, typischerweise eine Kabine und ein Gegengewicht, die in einem Aufzugschacht angeordnet sind, eine Mehrzahl von Seilen, die die Kabine und das Gegengewicht miteinander verbinden, und eine in einem Maschinenraum über dem Aufzugschacht angeordnete Maschine mit einer Treibscheibe , die mit den Seilen zusammenwirkt. Im Stand der Technik habe es einem neuen Trend in der Aufzugindustrie entsprochen, den Maschinenraum einzusparen und alle Aufzugkomponenten im Aufzugschacht anzuordnen.
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- Die bisherigen Lösungen im Stand der Technik hätten jedoch den Nachteil , dass die Motoren nur geringe Traglasten mit niedrigen Geschwindigkeiten verfahren konnten oder zu groß ausfielen, um vollständig im Aufzugschacht untergebracht zu werden.
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- Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Streitpatents das Problem zugrunde, Aufzugsysteme zu entwickeln, die den verfügbaren Platz effektiv nutzen und die Last- und Geschwindigkeitsanforderungen über einen breiten Anwendungsbereich erfüllen (Streitpatent, Sp. 2 Abs. 9).
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- 2. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der von der Beklagten zuletzt verteidigten Fassung (im Folgenden nur: Patentanspruch 1) ein Aufzugsystem vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (kursiv die erstmals in der Berufungsinstanz hinzugefügten Ergänzungen, in eckigen Klammern die Merkmalsbezeichnungen des Patentgerichts): Aufzugsystem (10), 1. das in einem durch Schachtwände (30) gebildeten Aufzugschacht (23) angeordnet ist [M1], mit 2. einer Kabine (12) [M1], 3. einem Seil (20) [M2], das aufweist 3.1 mehrere nebeneinander angeordnete lasttragende Elemente (52) [M3], 3.1.1 die aus Stahldrähten gebildet sind [M3], 3.1.2 mit einem Durchmesser von 0,25 mm oder weniger [M4], 3.2 eine Breite w, eine in der Biegerichtung gemessene Dicke t und ein Seitenverhältnis, das als Verhältnis der Breite w relativ zu der Dicke t definiert ist, größer als 1 [M12], 3.3 eine Ummantelung (54) aus einem nicht-metallischen Material [M5], und das 3.4 dünner ist, als im Falle eines mit einer Treibscheibe zusammenwirkenden runden Seils mit gleichem Querschnitt , [M12] 4. einer einzigen Maschine (22) [M6] mit 4.1 einem Motor, der einen Rotor (44) und einen Stator (42) aufweist, [M7] wobei 4.1.1 der Rotor (44) von dem Stator (42) radial nach innen beabstandet ist und der Motor einen radialen Luftspalt (50) zwischen dem Rotor (44) und dem Stator (42) aufweist, [M8] und 4.1.2 der Rotor (44) teilweise aus Permanentmagneten (48) gebildet ist, [M11] sowie 4.2 einer Treibscheibe (36) [M6], die 4.2.1 für eine gleichlaufende Rotation direkt mit dem Rotor (44) verbunden ist [M9], 4.2.2 mit dem Seil (20) zusammenwirkt, um es durch Traktion zwischen Seil und Treibscheibe anzutreiben und so die Kabine (12) im Aufzugschacht (23) zu verfahren [M10], und 4.2.3 im Durchmesser kleiner ist als im Falle eines mit einer Treibscheibe zusammenwirkenden runden Seils mit gleichem Querschnitt [M12], 5. einem Gegengewicht (16) [M1].
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- 3. Dazu sind folgende Erläuterungen angezeigt:
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- a) Unter einer direkten Verbindung zwischen der Treibscheibe und dem Rotor des Motors gemäß M 9 ist aus fachlicher Sicht, wie die Diskussion mit dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, zu verstehen, dass zwischen diesen Bauteilen kein Getriebe vorgesehen ist, sowie, dass die Treibscheibe linear auf der Welle sitzt und nicht umgelenkt wird. Beides wird, wie der Sachverständige bestätigt hat, durch die Umschreibung als "gearless" erfasst, die sich bereits in K3 findet (Beschreibung S. 8 Z. 21 f., Anspruch 13).
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- b) Die Anordnung der Maschine entlang der dem Gegengewicht benachbarten Schachtwand gemäß M 6 bedeutet, dass die Maschine axial horizontal und parallel zu der Schachtwand ausgerichtet ist, der das - aus Platzgründen regelmäßig möglichst flach gehaltene - Gegengewicht (vgl. insoweit auch die Prinzipskizze auf S. 13 der Berufungserwiderung) mit seiner breiten Seite gegenüberliegt, um nach oben und unten verfahren zu werden. Auch wenn das Gegengewicht als dreidimensionaler Körper durchaus noch zu zwei weiteren Schachtwänden benachbart liegt, ist diese Wand, von der Patentanspruch 1 dementsprechend auch im Singular spricht, aus fachlicher Sicht eindeutig als die zu identifizieren, die M6 als die dem Gegengewicht gegenüberliegende bezeichnet, zumal dies auch aus den Darstellungen in Figuren 1 und 2 hervorgeht. Dass die entsprechende Schachtwand dort aufgebrochen gezeigt ist, erklärt sich durch das Bedürfnis, die Sicht auf die dahinter liegenden Teile des Aufzugsystems frei zu geben und ändert nichts daran, dass der Fachmann diese Wand nicht nur als solche unmittelbar und eindeutig als die in Merkmal M6 gemeinte erkennt, sondern auch ihren Verlauf fluchtend mit der ebenfalls gezeigten Bodenplatte, mit der die Wand ersichtlich bündig abschließen soll.
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- Unerheblich ist im Übrigen, dass sich im Stand der Technik Lösungen finden, bei denen die Zuordnung zu der "dem Gegengewicht benachbarten Schachtwand" unter Umständen deshalb nicht oder nicht ohne Weiteres getroffen werden kann, weil etwa ein oder gar mehrere zylindrisch geformte Gegengewichte etwa mittig gegenüber einer oder zwei Aufzugswänden aufgehängt sind, wie bei dem in K54 gezeigten modularen Aufzug. Dem Patentinhaber kann nicht vorgeschrieben werden, wie der Gegenstand festzulegen ist, den er unter Schutz gestellt haben möchte, sondern er kann die Gewährung des Patents grundsätzlich in jeder Ausgestaltung verlangen, die der gegebenen technischen Lehre entspricht und patentfähig ist (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 - X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 21 mwN - Pipettensystem). Dass Gegengewichte gegebenenfalls auch in einer Weise ausgestaltet werden können, die einer eindeutigen Zuordnung i. S. von Merkmal 6 entgegenstehen, ändert nichts daran, dass die i. S. des Streitpatents dem Gegengewicht benachbarte Wand identifiziert werden kann, weil insoweit ausreicht, dass sich aus ihr mittelbar die Anforderungen an die beanspruchte Gestaltung der Gegengewichte ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 2011 - X ZR 12/10, Mitt. 2012, 344 Rn. 28 - Antriebseinheit für Trommelwaschmaschine).
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- II. Das Patentgericht hat seine Annahme, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der von ihm zu beurteilenden verteidigten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, im Wesentlichen wie folgt begründet:
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- Ausgehend von dem Aufsatz "Getriebeloser Direktantrieb für Aufzüge ohne Triebwerksraum" in der Zeitschrift Lift-Report, Heft 5/98 Seite 44 (Anl. K35), sei dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Aufzuganlagen , der mit einem auf elektrische Antriebsmaschinen spezialisierten DiplomIngenieur der Fachrichtung Elektrotechnik zusammenarbeite, ein Aufzugsystem mit einer Kabine, einem Gegengewicht und einem axial horizontal angeordneten Motor bekannt gewesen, mit dessen Rotor eine Treibscheibe direkt verbunden sei. Während das Streitpatent einen Innenläufer beanspruche, zeige K35 einen Außenläufermotor, allerdings auch mit einem radialen Luftspalt und am Rotor befestigten Permanentmagneten. Die gezeigte Seilführung entspreche Merkmal M10. Die hierfür verwendeten lasttragenden Elemente wiesen jedoch keine Ummantelung auf. Vielmehr würden vier Seile mit einem Durchmesser von 8 mm oder drei Seile mit einem Durchmesser von 10 mm verwendet.
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- Dem Fachmann sei überdies bereits in der britischen Patentanmeldung 2 162 283 (Anl. K31) die Verwendung von jeweils mehreren von einer Ummantelung umgebenen Stahlseilen vorgeschlagen worden, wobei lediglich der Durchmesser der verseilten Stahldrähte (M4) nicht angegeben sei.
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- Die japanische Patentanmeldung Hei 7-171100 (Anl. K16) befasse sich mit dem Aufbau derartiger Flachseile, bei denen die zusammengefassten Seile selbst aus Stahldrähten gebildet würden. Auch diese Entgegenhaltung sehe - wie K31 - die Vorteile solcher Seile in dem Schutz vor Abnützung und der möglichen Verringerung des Treibscheibendurchmessers zur Ausbildung kom- pakter Antriebseinheiten. K16 beschreibe die verwendeten Stränge als jeweils aus Strahldrähten mit 0,3 mm Durchmesser gebildet, wobei dieser Durchmesser auch kleiner sein könne. Mithin lehre K16 die Ausbildung eines Flachseils mit einem Durchmesser entsprechend M3 und M4.
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- Es habe für den Fachmann auf der Hand gelegen, die in K31 und K16 gezeigten Lösungen auf ein Aufzugsystem entsprechend K35 zu übertragen und die dort gezeigten Rundseile durch ein Flachseil zu ersetzen.
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- Auch die Auswahl des Motors als Innen- statt als Außenläufer erfolge in Anpassung an den praktischen Bedarfsfall. Diese beiden äquivalenten Motorbauformen seien dem Wissen des Fachmanns zuzurechnen, denn das Verständnis des in K35 angeführten Fachbegriffs "Außenläufer" setze die Kenntnis hierdurch bedingter Unterscheidungsmerkmale voraus. Der Austausch eines Außenläufers gegen einen Innenläufer gehöre zum handwerklichen Können des Fachmanns, zu dem er durch den praktischen Bedarfsfall veranlasst gewesen sei. Damit könne bei gleichen Bauabmessungen eine andere Drehmoment -/Drehzahlcharakteristik bereitgestellt werden, die vom Treibscheibendurchmesser abhänge.
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- Die Kombination dieser Eigenschaften aus den Merkmalsgruppen "Seil" und "Maschine" habe für den Fachmann auch insgesamt als eine Optimierung eines Aufzugsystems nahegelegen.
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- III. Soweit das Streitpatent nicht mehr verteidigt wird, verbleibt es ohne Weiteres bei der vom Patentgericht ausgesprochenen Nichtigerklärung. Im Übrigen hat das Rechtsmittel Erfolg.
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- 1. Die Verteidigung des Streitpatents mit der aus dem Tenor ersichtlichen beschränkten Fassung von Patentanspruch 1 ist zulässig. Sein Gegen- stand geht nicht über den Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (internationale Patentanmeldung 99/43590, Anl. K3) hinaus (Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ).
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- a) Merkmal M3 ist nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die lasttragenden Elemente als "nebeneinander angeordnet" vorgesehen sind.
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- Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Das dafür geltende Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt , dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, GRUR 2014, 542 - Kommunikati- onskanal, zur Veröff. in BGHZ vorgesehen; Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum).
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- Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen , aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; aus jüngerer Zeit BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; BGH, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 f. - UVunempfindliche Druckplatte). Das gilt entsprechend in Bezug auf das Merkmal M3. Die darin aufgenommene Beschränkung auf "nebeneinander angeordnete" lasttragende Elemente (52) im Seil ist von der Offenbarung der Erfindung in K3 gedeckt. Dort sind die einzusetzenden Seile generell als flexible Flachseile (flexible flat ropes) charakterisiert (S. 5 Z. 21 ff. übergreifend) und in der Zusammenschau mit Figur 3 in einer Weise beschrieben, die die Umschreibung "nebeneinander angeordnet" abdeckt. Soweit die Klägerin dem die schematische Zeichnung eines zumindest im Wesentlichen runden Seilquerschnitts mit nebeneinander -übereinanderliegenden Elementen entgegenhält, ist dies schon deshalb nicht zielführend, weil nicht erkennbar ist, inwieweit darin aus fachmännischer Sicht die Darstellung eines Merkmal M3 entsprechenden (Flach-)Seils zu sehen sein soll.
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- b) Das Streitpatent ist auch nicht im Merkmal M6 unzulässig erweitert.
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- Die Anweisung, den Motor "entlang" der dem Gegengewicht benachbarten Schachtwand" anzuordnen, impliziert bereits vom Wortsinn ("entlang"), der mit dem fachmännischen Verständnis übereinstimmt, dass der Motor parallel zu dieser Wand ausgerichtet ist (oben I 3 b).
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- Die Figuren 1 und 2 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbaren entgegen den Behauptungen der Klägerin nicht nur einen Motor, sondern, in schematisierter Form entsprechend Figur 3, die mittig aus dem Motor nach vorn heraustretende Achse, auf der - durch den im Vergleich mit der Achse größeren Durchmesser gut zu erkennen - die Treibscheibe sitzt, über die Seile laufen.
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- Die Anordnung der Maschine "im Aufzugsschacht" stellt im Kontext des gesamten Merkmals M6 gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen keine unzulässige Erweiterung dar. Es ist in K3 erklärtes Anliegen der Erfindung , ein Aufzugsystem zu präsentieren, dessen Maschine nicht in einem separaten Maschinenraum untergebracht werden muss, sondern dafür mit dem im Aufzugschacht verfügbaren Raum auskommt. In K3 wird das unter anderem auf Seite 2 ab Zeile 23 mit den Erläuterungen: "The combination of … result in a very compact machine that can be fit within the space constraints of a hoistway …" zum Ausdruck gebracht. Diese generelle Anordnung im Schacht nimmt Merkmal M6 - wie im Übrigen bereits der erteilte Anspruch 1 - auf. In Anbetracht dieser umfassenden Offenbarung war die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen (oben III 1 a) nicht gezwungen, sich mit Blick auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 und den in K3 entworfenen Anspruch 15 auf einen speziellen Anbringungsort für die Maschine zu beschränken.
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- 2. Der Schutzbereich von Patentanspruch 1 ist im Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt nicht im Merkmal M9 im Sinne von Art. 138 Abs. 1 Buchst. d EPÜ erweitert worden.
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- In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist im Zusammenhang mit der Maschine erläutert, dass die Treibscheibe am Ende der Welle 34 angeordnet ist (K3 S. 5). Diese Erläuterungen beziehen sich auf das in Figur 1 darge- stellte Ausführungsbeispiel, wobei die Maschine in Figur 3 näher gezeigt wird (K3 S. 5 Z. 12). Merkmal M9 legt demgegenüber ausschließlich die Antriebsart (linear, ohne Getriebe, vgl. oben I 3 a) fest, ohne sich aus fachmännischer Sicht zugleich dazu zu verhalten, wo die Treibscheibe in axialer Richtung auf der Welle positioniert ist. Es besteht dementsprechend kein Raum dafür, diesen Aspekt, zu dem Patentanspruch 1 schweigt, und von dem die Klägerin auch nicht aufzeigt, dass er in der erteilten Fassung konkret beansprucht und im Einspruchsbeschwerdeverfahren wieder gestrichen worden wäre, in das Merkmal hineinzulesen, um anschließend daraus eine Schutzbereichserweiterung herzuleiten. Es ist im Übrigen von der Klägerin auch sonst nicht nachvollziehbar belegt und auch nicht ersichtlich, inwieweit das Merkmal M9 in der erteilten Fassung des Streitpatents aus fachmännischer Sicht ausschließlich anderen Gegenständen zuzuordnen war, als denjenigen, die das Streitpatent in der im Einspruchsbeschwerdeverfahren erhaltenen Fassung umfasst, und hieraus eine Schutzbereichserweiterung hergeleitet werden könnte. Soweit die Klägerin dem Streitpatent in seiner erteilten Fassung zwei Schutzbereiche beilegt, und zwar einerseits denjenigen gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 mit den dazu gehörigen abhängigen Ansprüchen, und andererseits den unabhängigen Anspruch 8 mit den darauf bezogen abhängigen Ansprüchen, geht diese Aufteilung an der Zielrichtung der Beschränkung des Streitpatents im Beschwerdeverfahren vorbei und findet auch in den Ansprüchen selbst keinen Rückhalt.
- 33
- 3. Die Fassung des Anspruchs 1 gemäß dem zuletzt gestellten Hauptantrag der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist M12 in seinen die Seildicke und den Treibscheibendurchmesser betreffenden Merkmalselementen nicht unklar oder unbestimmt (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 13. November 2013 - X ZR 79/12; dazu nachstehend).
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- 4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist patentfähig.
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- a) Für den Zeitrang ist die in Anspruch genommene Priorität der USamerikanischen Patentanmeldung 09/169415 vom 9. Oktober 1998 (Anl. K7) maßgeblich, die, wovon auch die Klägerin ausgeht, mit K3 übereinstimmt. Nach dem vorstehend Ausgeführten kann die Priorität dieser Voranmeldung deshalb in Anspruch genommen werden.
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- b) Der Senat vermag hinsichtlich des Gegenstands von Patentanspruch 1, der unstreitig neu ist, nicht die Wertung zu treffen, dass er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
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- aa) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents entspricht - abgesehen von den detaillierteren Festlegungen zur Beschaffenheit des Motors hier (vgl. Merkmale M6 bis M8, M11) - im Wesentlichen dem Gegenstand des von der Beklagten am gleichen Tag angemeldeten europäischen Patents 1 056 675, das ebenfalls ein Traktionsantriebs-Aufzugsystem betrifft und das der Senat mit Urteil vom 13. November 2013 (X ZR 79/12) in beschränkter Fassung als patentfähig angesehen hat. Das Seil, das die Kabine (Fahrkorb) dort ebenfalls unterschlingt, wird ebenfalls in einer 2:1-Aufhängung geführt und dort als Aufzugseilsatz aus mindestens einem Flachseil oder Flachgurt bezeichnet. Der Motor hat, wie in M6, einen kleineren Durchmesser, als es eine herkömmliche, mit einem herkömmlichen Rundseil zusammenwirkende Antriebsscheibe erlauben würde. Dem europäischen Patent 1 056 675 sind im Parallelverfahren unter anderem die europäische Patentanmeldung 688 735 (hier: K12, dort K11), die japanische Offenlegungsschriften Hei-7-117957 (hier: K15, dort K25) und Hei-9-21084 (hier: K16, dort K15) und der Prospekt von ContiTech für die Hannover-Messe 1998 "Hubgurte für Aufzüge" (hier: K22, dort K16) entgegengehalten worden.
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- Für die Bejahung der Patentfähigkeit dort war ausschlaggebend, dass die Kombination aller Merkmale, auch wenn jedes für sich gesehen in einer Entgegenhaltung offenbart sein mag, für den Fachmann nicht nahegelegt war, weil es sich nicht um eine bloße Aneinanderreihung (Aggregation) handelt, sondern alle Merkmale in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, eine besonders raumsparende Anordnung des Traktionsscheibenaufzugs im Aufzugschacht zu ermöglichen. Die erfindungsgemäße Ausgestaltung mit der Verwendung eines Flachseils, einer 2:1-Seilführung und einem unterschlungenen Fahrkorb dient einem einheitlichen Ziel und erreicht eine einheitliche Wirkung. Eine Anregung, zur Erzielung dieser Wirkung nicht nur einzelne Elemente, sondern die gesamte Anlage einschließlich der Möglichkeiten der Seilführung in den Blick zu nehmen und die Kräfte- und Platzverhältnisse, die die erfindungsgemäße Kombination von Komponenten und Maßnahmen ermögliche, zu berechnen und zu prüfen, ergab sich aus dem Stand der Technik nicht (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - X ZR 79/12 Rn. 31 ff.).
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- bb) Diese Erwägungen gelten für den Gegenstand des Streitpatents in gleicher Weise. Zusätzliche Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht.
- 40
- Die Klägerin hat zwar Bedenken dagegen erhoben, die beiden Schutzrechte als gleichgelagert anzusehen. Sie hat sich dafür aber in erster Linie auf die Abweichungen in den die Maschine betreffenden Merkmalen bezogen. Die Frage, ob darin eine patentfähige Ausgestaltung zu sehen sein könnte oder nicht, wäre indes nur dann relevant, wenn der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht schon wegen seiner übrigen, Patentanspruch 1 im Parallelverfahren entsprechenden Merkmale patentfähig wäre. Letzteres ist indes der Fall, weil die erfindungsgemäße Ausgestaltung die gleiche einheitliche, raumsparen- de Wirkung ermöglicht, die im Parallelverfahren für die Bejahung der Patentfähigkeit ausschlaggebend war.
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- Hinzu kommt, dass der Fachmann sich bei den im Stand der Technik offenbarten Ausgestaltungen für die 2:1-Seilanordnung eines Rundseils bediente, das ihm ohne weiteres erlaubte, die hierfür erforderlichen mindestens vier Seilbahnen im Aufzugsschacht in der horizontalen Ebene versetzt zueinander anzuordnen , weil ein Rundseil ohne weiteres in verschiedene Richtungen gebogen werden kann. Ein Flachseil lässt sich hingegen nur um die beiden flachen Seiten gut biegen, weshalb dessen Seilführung im Aufzugschacht in der Regel nur in einer vertikalen Ebene erfolgt. Diese Seilanordnung führt grundsätzlich, wie der Sachverständige bestätigt hat, zu einem zusätzlichen Raumbedarf, was einer kompakten Raumanordnung entgegensteht. Dass dieser Nachteil wegen des geringeren Treibscheibendurchmessers, der mit einem Flachseil benötigt wird, letzten Endes kompensiert wird, macht die Erfindung des Streitpatents auch aus. Keine der Entgegenhaltungen nimmt insoweit das Aufzugsystem als Ganzes in den Blick und zeigt auf, dass ein Flachseil trotz der Einschränkungen für die Seilführung im Schacht sich gleichwohl für eine 2:1-Seilanordnung eignet und sich hieraus raumsparende Aufzugsysteme realisieren lassen. Die Kombination , für ein raumsparendes Aufzugsystem eine unterschlungene 2:1Seilanordnung mit einem Flachseil zu realisieren, hat deshalb für den Fachmann nicht nahegelegen.
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- Dass K12, K15 und K16 für sich eine abweichende Beurteilung geböten, hat die mündliche Verhandlung nicht ergeben. Danach könnte die Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 nur verneint werden, wenn K35 seinen Gegenstand nahelegte. Auch das ist indes nicht der Fall. Diese Entgegenhaltung zeigt - wie K12 - zwar eine 2:1-Seilführung und einen unterschlungenen Fahrkorb, löst das Problem, die Aufzugmaschine möglichst platzsparend anzuordnen, jedoch wie K12 dadurch, dass die Achse der Traktionsaufzugmaschine senkrecht zu der dem Gegengewicht benachbarten Schachtwand und damit die Treibscheibe parallel zu dieser Wand angeordnet ist. Die weiteren Entgegenhaltungen belegen vom Senat ohnehin zu Gunsten der Klägerin zugrunde gelegte technische Gegebenheiten oder liegen vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 weiter ab.
- 43
- 5. Aus der Rechtsbeständigkeit von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung folgt zugleich die Rechtsbeständigkeit der sich hierauf beziehenden Unteransprüche.
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- IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 ZPO.
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.02.2011 - 1 Ni 11/09 (EU) -
Annotations
(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.
(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.