Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2015 - VIII ZR 17/15

bei uns veröffentlicht am16.09.2015
vorgehend
Landgericht Bielefeld, 6 O 497/12, 03.12.2013
Oberlandesgericht Hamm, 2 U 29/14, 04.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 17/15 Verkündet am:
16. September 2015
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EuInsVO Art. 3, Art. 4, Art. 6, Art. 13; Brüssel I-VO Art. 1, Art. 5, Art. 23;
InsO § 96; CISG Art. 1, Art. 53; EGBGB aF Art. 3, Art. 27, Art. 32
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Kaufpreisklage eines
Insolvenzverwalters am inländischen Sitz des Insolvenzgerichts aus einem vom
inländischen Insolvenzschuldner vor Einleitung des Insolvenzverfahrens geschlossenen
Kaufvertrag mit einem im EU-Ausland ansässigen Käufer - hier auf
Kaufpreiszahlung in Anspruch genommener Mitverpflichteter - bestimmt sich
auch dann nicht nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, sondern nach den Bestimmungen
der EuGVVO, wenn der in Anspruch Genommene hilfsweise die Aufrechnung
mit Gegenforderungen erklärt und der Insolvenzverwalter die Aufrechnungen
als gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam ansieht.
BGH, Urteil vom 16. September 2015 - VIII ZR 17/15 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. September 2015 durch die Richterin Dr. Fetzer als Vorsitzende, die
Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Bünger und Kosziol

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Dezember 2014 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. G. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die bis zu ihrer Insolvenzantragstellung im März 2006 im nordrhein-westfälischen V. eine Hähnchenmästerei betrieb. Der Ablauf der Hähnchenmast erfolgte in der Weise, dass die Schuldnerin aus den Niederlanden Eintagsküken und Futtermittel bezog, die Küken großzog und sie anschließend an einen Schlachtbetrieb in den Niederlanden lieferte. Im Einzelnen war der Geschäftsablauf in einem in niederländischer Sprache verfassten "Integrationsvertrag Mastküken" vom 31. Mai 2005 (im Folgenden: Integrationsvertrag) zwischen der Schuldnerin als Mästerin, der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Futtermittellieferantin sowie dem Brutbetrieb und dem Schlachthof geregelt; bis auf die Schuldnerin sind sämtliche Vertragsbeteiligten in den Niederlanden ansässig. Art. 7 des Integrationsvertrages bestimmt in seiner deutschen Übersetzung zur Kaufpreiszahlung für die gelieferten Mastküken und deren Abwicklung Folgendes: "Der Kaufpreis für die gelieferten Mastküken basiert auf den zum Liefer- zeitpunkt geltenden Abnahmebedingungen des Schlachthofs. […] Der solcherart festgesetzte Kaufpreis wird für die gelieferten schlachtreifen Küken vom Futterlieferanten namens des Schlachthofs an den Mäster gezahlt. Der zu zahlende Betrag wird spätestens 14 Tage nach der Lieferung der Mastküken auf das Bank- oder Girokonto des Mästers überwiesen. Der Schlachthof hat jederzeit das Recht, den dem Mäster zu zahlenden Kaufpreis mit Rechnungen für geliefertes Futter, die der Mäster an den Futterlieferant zu zahlen hat, sowie Rechnungen des Brutbetriebs für die gelieferten Eintagsküken zu verrechnen."
2
Darüber hinaus enthält Art. 14 des Integrationsvertrags folgende Gerichtsstandsbestimmung : "Für alle Streitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag ergeben, ist das Gericht in ´s-Hertogenbosch gemäß den normalen Zuständigkeitsvorschriften befugt."
3
Der Kläger beansprucht von der Beklagten den Kaufpreis in Höhe von 222.650,73 € nebst Zinsen für Masthähnchen, welche die Schuldnerin im Februar und März 2006 an den Schlachthof geliefert hat. Insoweit hat die Beklagte nicht nur eine sie selbst betreffende Zahlungsverpflichtung in Abrede gestellt und sich vorsorglich auf Verjährung berufen, sondern hilfsweise auch die Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen aus der Lieferung von Futtermitteln, Ansprüche aus der Lieferung von Eintagsküken sowie einem noch valutierenden Darlehen in Höhe von mehr als 50.000 € erklärt. Diese (Hilfs-)Aufrechnungen wiederum hält der Kläger gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO für unwirksam.
4
Das für den Sitz des Insolvenzgerichts zuständige Landgericht Bielefeld hat auf dahingehende Rüge der Beklagten die Klage mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dabei hat es die Klageforderung für unbegründet erachtet, soweit sie auf eine unmittelbare Kaufpreisverpflichtung der Beklagten für die Lieferung von Mastküken gestützt ist, und die Klage, soweit der Kläger sich außerdem auf eine aus Art. 7 des Integrationsvertrages folgende Mitverpflichtung der Beklagten neben dem belieferten Schlachthof berufen hat, mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig angesehen. Mit der vom Berufungsgericht zu letztgenanntem Klagegrund zugelassenen Revision verfolgt der Kläger insoweit sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die im zugelassenen Umfang eingelegte Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse , im Wesentlichen ausgeführt:
7
Soweit der Kläger den Abschluss von Kaufverträgen über die Lieferung von Mastküken zwischen der Schuldnerin und der Beklagten und daraus resultierende Kaufpreisforderungen behauptet habe, seien deutsche Gerichte zwar nach Art. 5 EuGVVO unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes zur Entscheidung über derartige Ansprüche zuständig. Ein Abschluss derartiger Verträge mit der Beklagten sei jedoch nicht schlüssig dargetan, so dass die hierauf gestützte Klage als unbegründet abzuweisen sei.
8
Soweit der Kläger seine Klage zugleich auf eine möglicherweise aus Art. 7 des Integrationsvertrages folgende Mitverpflichtung der Beklagten neben dem belieferten Schlachthof gestützt habe, fehle es an der erforderlichen internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Insoweit komme Art. 14 des Integrationsvertrages zur Anwendung, der eine ausschließliche Zuständigkeit des darin benannten niederländischen Gerichts begründe und an den auch der Kläger als Insolvenzverwalter gebunden sei. Zwar hätte anderes zu gelten, wenn für diesen Anspruch eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO gegeben wäre, wonach einem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, eine internationale Zuständigkeit auch für Klagen zugewiesen ist, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Daran fehle es hier aber.
9
Die erhobene Klageforderung sei nicht unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgegangen. Insbesondere folge aus der - zu unterstellenden - insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Aufrechnungen der Beklagten weder eine Novation noch ergebe sich aus der Anfechtbarkeit selbst ein unmittelbares Hervorgehen der Klageforderung aus dem Insolvenzverfahren. Die auf Kaufpreiszahlung gerichteten Klageforderungen hätten vielmehr ihren Entstehungsgrund in Art. 7 des Integrationsvertrages, ohne dass der Einwand der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der dagegen erklärten Aufrechnungen an der Natur der Klage und ihrem Entstehungsgrund etwas änderten.
10
Dass Anlass der Klage die - zu unterstellende - insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der von der Beklagten erklärten Aufrechnungen sei, reiche nicht aus, um ihr das erforderliche insolvenzrechtliche Gepräge zu vermitteln. Dagegen spreche bereits, dass es nicht darum gehe, aufgrund der Anfechtung etwas gemäß § 143 InsO zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, sondern darum, ob die Beklagte den geltend gemachten Anspruch noch zu erfüllen habe. Dagegen spreche weiter, dass ein Erfüllungsanspruch, den ein Insolvenzverwalter - wie hier - aus einem vor Insolvenzeröffnung geschlossenen Vertrag herleite, dem zwischen der Schuldnerin und der Beklagten vereinbarten Vertragsregime unterliege. Denn davon hänge sowohl die Entstehung des Anspruchs wie auch - mit Blick auf die im Übrigen zu bejahende Verjährung - dessen Durchsetzbarkeit ab. Wollte man die Frage des Rechtswegs vom Anfechtungseinwand des Insolvenzverwalters abhängig machen, ergäbe sich in Fällen, in denen Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs streitig seien und neben der Aufrechnung weitere Einwendungen erhoben würden, dass dem Beklagten das Forum verwehrt würde, vor dem Streitigkeiten über die Kaufpreisforderung vereinbarungsgemäß auszutragen wären.
11
Sollte gleichwohl die Zulässigkeit der Klage zu bejahen sein, wäre der Kläger ungeachtet der Frage, ob durch Art. 7 des Integrationsvertrages überhaupt eine eigene Zahlungspflicht der Beklagten begründet werden sollte, wegen der erhobenen Verjährungseinrede an der Durchsetzung der Klageforderungen gehindert, und zwar gleich, ob auf den Integrationsvertrag niederländisches oder deutsches Recht anzuwenden wäre.

II.

12
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
13
Das Berufungsgericht hat für die auf Art. 7 des Integrationsvertrages gestützten Ansprüche des Klägers zutreffend eine - auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (Senatsurteil vom 7. November 2012 - VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 Rn. 10 mwN) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint. Der Umstand, dass die Beklagte sich gegenüber dem auf dieser Grundlage erhobenen Zahlungsbegehren hilfsweise mit Aufrechnungen verteidigt, welche der Kläger gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO für unzulässig hält, ist nicht geeignet, die Klage insoweit als insolvenzrechtliche Annexstreitigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG Nr. L 160, S. 1; im Folgenden: EuInsVO) zu qualifizieren, auf die die gemäß Art. 66 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU Nr. L 351, S. 1) für die vorliegende Fallgestaltung fortgeltende Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1; im Folgenden: EuGVVO) gemäß deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. b keine Anwendung fände. Es handelt sich bei der Klage vielmehr um eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO, zu deren Entscheidung das in Art. 14 des Integrationsvertrages bezeichnete niederländische Gericht gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO ausschließlich zuständig ist.
14
1. Nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats (international) zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, was bei - wie hier - Gesellschaften und juristischen Personen regelmäßig auf den Ort des satzungsmäßigen Sitzes hinweist. Diese auf eine Ausschließlichkeit angelegte Zuständigkeitsregelung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 39/06, WM 2009, 1294 Rn. 16, 20) ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) angesichts des hiermit verfolgten Zwecks dahin zu verstehen, dass sie den Gerichten des für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständigen Mitgliedstaats eine internationale Zuständigkeit auch für Klagen zuweist, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen (EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-649/13, WM 2015, 1764 Rn. 27 - Comité d'entreprise de Nortel Networks; vom 19. April 2012 - C-213/10, RIW 2012, 394 Rn. 26 f. - F-Tex; vom 10. September 2009 - C-292/08, RIW 2009, 798 Rn. 26 f. - German Graphics; jeweils mwN). Um eine solche Klage, die nach der zwischen der EuInsVO und der EuGVVO bestehenden Systematik gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO vom Anwendungsbereich der letztgenannten Verordnung ausgenommen wäre (EuGH, Urteil vom 4. September 2014 - C-157/13, RIW 2014, 673 Rn. 21 mwN - Nickel & Goeldner), handelt es sich hier indes nicht.
15
a) Als Klagen, die unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren hervorgehen und damit in engem Zusammenhang stehen, hat der Gerichtshof hinsichtlich der deutschen Insolvenzordnung etwa Insolvenzanfechtungsklagen angesehen , die vom Insolvenzverwalter erhoben werden können, um Rechtshandlungen anzufechten, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger schädigen. Gleiches gilt für Klagen, die der Insolvenzverwalter einer insolventen Gesellschaft gegen deren Geschäftsführer auf Rückzahlung von Beträgen erhebt, die nach Eintritt des Insolvenzeröffnungsgrundes geleistet worden sind (EuGH, Urteile vom 4. September 2014 - C-157/13, aaO Rn. 24 - Nickel & Goeldner; vom 4. Dezember 2014 - C-295/13, RIW 2015, 67 Rn. 24 ff. - H v H. K.; jeweils mwN).
16
Dagegen hat der Gerichtshof keinen nach diesen Merkmalen dem Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuzuordnenden insolvenzrechtlichen Annexcharakter etwa solchen Klagen beigemessen, die ein Gläubiger gegen den Insolvenzverwalter auf Sicherung einer vor Verfahrenseröffnung unter Eigentumsvorbehalt an den Insolvenzschuldner gelieferten Sache erhoben hat, oder die ein Dritter aufgrund einer ihm vom Insolvenzverwalter abgetretenen und auf dessen Anfechtungsrecht gestützten Forderung gegen einen Vertragspartner des Insolvenzschuldners angestrengt hat (EuGH, Urteil vom 4. September 2014 - C-157/13, aaO Rn. 25 mwN - Nickel & Goeldner). Auch sonst werden nach zutreffender Auffassung Klagen, mit denen ein Insolvenzverwalter schuldrechtliche Ansprüche aus Geschäften geltend macht, die der Insolvenzschuldner vor Insolvenzeröffnung mit Dritten geschlossen hat, einhellig nicht als insolvenzrechtliche Annexverfahren im genannten Sinne qualifiziert (vgl. nur Rauscher/Mäsch, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 1 EG-InsVO Rn. 9; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., A. 1 Art. 1 EuGVVO Rn. 130; MünchKommZPO/Gottwald, 4. Aufl., Art. 1 EuGVO Rn. 20; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 12. Aufl., Art. 1 EuGVVO aF Rn. 7; jeweils mwN). Dementsprechend hat der Gerichtshof die Klage auf Erfüllung einer auf die Erbringung von Beförderungsdienstleistungen gestützten Forderung, die von dem im Rahmen eines in einem Mitgliedstaat eröffneten Insolvenzverfahrens bestimmten Verwalter eines insolventen Unternehmens gegen den in einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Empfänger dieser Dienstleistungen gerichtet war, bereits nicht als eine unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgegangene Klage, sondern als eine zur Anwendbarkeit der EuGVVO führende Zivil- und Handelssache angesehen (EuGH, Urteil vom 4. September 2014 - C-157/13, aaO Rn. 28 ff. - Nickel & Goeldner).
17
Zu letztgenannter Fallgruppe zählt auch die hier anhängige Klage, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass auf einer nachrangigen Stufe der Anspruchsprüfung möglicherweise einmal der von der Beklagten erhobene Aufrechnungseinwand und die dagegen vom Kläger geltend gemachte Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO erheblich werden könnten.
18
b) Unter Hinweis darauf, dass der in Art. 1 Abs. 1 EuGVVO enthaltene Begriff der Zivil- und Handelssachen und damit der Anwendungsbereich dieser Verordnung im Gegensatz zum Anwendungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften der EuInsVO weit zu fassen ist (EuGH, Urteil vom 4. September 2014 - C-157/13, aaO Rn. 22 mwN - Nickel & Goeldner), hat der Gerichtshof bei der Prüfung der Frage, ob eine Klage sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleitet, als das ausschlaggebende Kriterium zur Bestimmung des Gebiets, dem die Klage zuzurechnen ist, nicht den prozessualen Kontext angesehen, in dem diese Klage steht, sondern deren Rechtsgrundlage. Danach ist zu prüfen, ob der Anspruch oder die Verpflichtung, die der Klage als Grundlage dienen, den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts entspringen oder aber den abweichenden Spezialregelungen für Insolvenzverfahren (EuGH, Urteile vom 4. September 2014 - C-157/13, aaO Rn. 27 - Nickel & Goeldner; vom 4. Dezember 2014 - C-295/13, aaO Rn. 21- H v H. K.; ähnlich schon Urteil vom 10. September 2009 - C-292/08, aaO Rn. 32 - German Graphics).
19
aa) Diese Rechtsgrundlage bilden hier zum einen Art. 53 CISG, der mangels eines erkennbaren Willens der Vertragsparteien zum Ausschluss des UN-Kaufrechtsübereinkommens auf den geltend gemachten Kaufpreisanspruch auch bei einer dem Integrationsvertrag zu entnehmenden Wahl niederländischen anstelle deutschen Rechts (dazu nachstehend unter II 1 c bb) gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG zur Anwendung kommt (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1979 - VIII ZR 199/78, BGHZ 74, 136, 139 f.; Schlechtriem/Schwenzer/ Ferrari, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl., Art. 6 Rn. 31; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, aaO, Vor Artt. 14 - 24 Rn. 41; jeweils mwN), sowie zum anderen Art. 7 des Integrationsvertrages, aus dem der Kläger eine Mitverpflichtung der Beklagten für die Kaufpreiszahlung herleiten will. Der Klageanspruch entspringt daher den auf eine Anwendbarkeit der EuGVVO abzielenden allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts.
20
Das gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zu den von den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Handelsrechts abweichenden Spezialregelungen für Insolvenzverfahren, auf die eine Klage gestützt wird, auch solche zählen können, deren Anwendung zwar nicht die förmliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wohl aber die materielle Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzen (EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - C-295/13, aaO Rn. 22 - H v H. K.). Denn auch hierzu zählen die genannten Rechtsgrundlagen der Klageforderung nicht.
21
bb) Daran ändert - anders als die Revision meint - der Umstand nichts, dass die Beklagte sich gegen die Klageforderung unter anderem mit einer Hilfsaufrechnung verteidigt, die der Kläger aus insolvenzrechtlichen Gründen für unzulässig und damit unwirksam hält. Denn ungeachtet der von der Revision hervorgehobenen Rechtskrafterstreckung des § 322 Abs. 2 ZPO, zu der es ohnehin nicht käme, wenn die Aufrechnung - wie vom Kläger eingewandt - bereits gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig wäre (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2001 - XI ZR 217/01, NJW 2001, 3616 [unter II] mwN; vom 22. Dezember 2010 - IV ZR 221/10, juris Rn. 2), kann diesem Verteidigungsmittel keine zuständigkeitsbegründende Wirkung beigemessen werden.
22
Zuständigkeitsbestimmende Grundlage des Anspruchs, auf den eine Klage gestützt wird, sind vielmehr der Sachverhalt und die für diesen Anspruch maßgeblichen Rechtsvorschriften, hier also Art. 53 CISG in Verbindung mit Art. 7 des Integrationsvertrages (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C-296/10, NJW 2011, 363 Rn. 68 - Purrucker; BGH, Urteil vom 24. März 2011 - I ZR 211/08, GRUR 2011,1112 Rn. 21; jeweils mwN). Bei der zu treffenden Feststellung, ob ein Rechtsstreit in den Anwendungsbereich der EuGVVO fällt, ist deshalb nur der so bestimmte Gegenstand dieses Rechtsstreits zu berücksichtigen. Denn es würde - wie der Gerichtshof für vergleichbare Fallgestaltun- gen im Zusammenhang mit ausschließlichen Zuständigkeiten mehrfach hervorgehoben hat - gegen den im Erwägungsgrund 11 der EuGVVO eigens hervorgehobenen Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, wenn die Anwendbarkeit einer Regel über die gerichtliche Zuständigkeit, die - wie hier Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO, Art. 3 Abs. 1 EuInsVO - auf das Wesen des Rechtsstreits abstellt (vgl. EuGH, Urteile vom 4. September 2014 - C-157/13, aaO Rn. 27 - Nickel & Goeldner; vom 4. Dezember 2014 - C-295/13, aaO Rn. 21 - H v H. K.), von der Existenz einer Vorfrage, die von den Parteien jederzeit aufgeworfen werden kann, mit der Folge abhinge, dass das Wesen des Rechtsstreits dadurch geändert würde (EuGH, Urteile vom 15. Mai 2003 - C-266/01, IPRax 2003, 528 Rn. 42 - Préservatrice foncière Tiard; vom 12. Mai 2011 - C-144/10, RIW 2011, 464 Rn. 33 ff. - Berliner Verkehrsbetriebe; jeweils mwN).
23
Dementsprechend misst der Gerichtshof Verteidigungsmitteln, welche - wie hier der lediglich hilfsweise erhobene Aufrechnungseinwand der Beklagten und die dagegen eingewandte insolvenzrechtliche Unzulässigkeit einer solchen zur Anspruchstilgung führenden Aufrechnung - gegen den jeweiligen Klageanspruch vorgebracht werden, durchgängig keine zuständigkeitsprägenden Wirkungen zu (EuGH, Urteile vom 8. Mai 2003 - C-111/01, NJW 2003, 2596 Rn. 30 ff. - Gantner Electronic; vom 15. Mai 2003 - C-266/01, aaO Rn. 43 - Préservatrice foncière Tiard; vom 14. Oktober 2004 - C-39/02, IPRax 2006, 262 Rn. 36 - Mærsk Olie & Gas; vom 12. Mai 2011 - C-144/10, aaO Rn.38 f. - Berliner Verkehrsbetriebe; jeweils mwN; vgl. auch Senatsurteil vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08, BGHZ 186, 81 Rn. 17).
24
c) Darüber hinaus fehlt es der Klage an dem zusätzlich erforderlichen engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Das ergibt sich nicht nur daraus, dass es - worauf die Revisions- erwiderung mit Recht hinweist - ungewiss ist, ob der lediglich hilfsweise erhobene Aufrechnungseinwand der Beklagten und die dagegen wiederum eingewandte insolvenzrechtliche Unzulässigkeit einer Aufrechnung überhaupt zur Entscheidung kommen, und dass die Beklagte in ihrer Entscheidung frei war, diesen Einwand zu erheben oder ihn - was auch zulässig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 - XII ZR 123/07, BGHZ 179, 1 Rn. 12; BAG, Urteil vom 1. Februar 1979 - 3 AZR 572/77, juris Rn. 30) - im weiteren Verlauf des Rechtsstreits wieder fallenzulassen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. April 2012 - C-213/10, aaO Rn. 43 - F-Tex). Vielmehr folgt dies auch daraus, dass selbst dann, wenn sich das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO letzten Endes doch als prüfungsrelevant erweisen sollte, es sich - anders als die Revision meint - dabei nur um einen dem Insolvenzstatut des Art. 4 EuInsVO folgenden singulären Prüfungsgesichtspunkt handelte, dessen Verbindung zum Insolvenzverfahren neben den ansonsten durchgängig nach dem niederländischen Vertragsstatut zu prüfenden Rechtsfragen keine eigenständige, die Konzentration der Entscheidungszuständigkeit bei dem Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts rechtfertigende Bedeutung beigemessen werden kann.
25
aa) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Einbeziehung der Annexverfahren in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, auf diese Weise die praktische Wirksamkeit der genannten Verordnungsbestimmung zu gewährleisten (EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-649/13, aaO Rn. 39 f. - Comité d'entreprise de Nortel Networks ; vom 12. Februar 2009 - C-339/07, NJW 2009, 2189 Rn. 21 - Seagon). Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof sich veranlasst gesehen, den Gerichten des Staates der Verfahrenseröffnung die internationale Zuständigkeit für sämtliche sich unmittelbar aus der Insolvenz eines Unternehmens ergebende und damit in engem Zusammenhang stehende Verfahren zuzuweisen, um durch die Bündelung dieser Klagen die Effizienz grenzüberschreitender Insol- venzen zu verbessern und die Klageverfahren zu beschleunigen (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - C-339/07, aaO Rn. 22 - Seagon; BAG, NZI 2012, 1011,

1013).

26
Die insbesondere über das Merkmal des engen Zusammenhangs beabsichtigte Verfahrenseffizienz, nämlich über eine dadurch bedingte Sachnähe des Gerichts am Sitz des Insolvenzgerichts zu den tatsächlichen und rechtlichen Fragen des Streitfalls diese Fragen einfacher und schneller als andere Gerichte entscheiden zu können (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 29. Januar 2015 - C-649/13, juris Rn. 35, 50 - Comité d'entreprise de Nortel Networks; Stellungnahme der Kommission im Urteil des EuGH vom 4. Dezember 2014 - C-295/13, aaO Rn. 16 - H v H. K.), ist jedoch dann nicht mehr gegeben , wenn das Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts etwa über Sachverhalte entscheiden müsste, deren rechtliche Beurteilung sich in wesentlichen Teilen nach einer ihm fremden Rechtsordnung richten würde mit der Folge, dass es sich die für die Beurteilung notwendigen Kenntnisse im Gegensatz zum sonst zuständigen Prozessgericht erst aufwändig verschaffen müsste (vgl. BAG, aaO). So liegt der Fall hier.
27
bb) Die - worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist - bereits zum Anspruchsgrund streitige Frage, ob die Beklagte neben dem als Vertragspartner belieferten Schlachthof für die Zahlung des (unstreitigen) Kaufpreisanspruchs (Art. 53 CISG) mitverpflichtet ist, beurteilt sich nach Art. 7 des Integrationsvertrages. Auf diesen ist ungeachtet der sonst für einen Schuldbeitritt in Betracht kommenden Anknüpfungsmöglichkeiten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. November 2010 - VII ZR 44/10, NJW-RR 2011, 130 Rn. 14 f.; MünchKommBGB /Martiny, 6. Aufl., Art. 15 Rom I-VO Rn. 25 ff.; jeweils mwN) gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Art. 27 Abs. 1 EGBGB in der bis zum 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschrif- ten des Internationalen Privatrechts an die Verordnung [EG] Nr.593/2008 vom 25. Juni 2009 [BGBl. I S. 1574]; im Folgenden: EGBGB aF) nicht (unvereinheitlichtes ) deutsches, sondern (unvereinheitlichtes) niederländisches Recht als das von den Vertragsparteien gewählte Recht anzuwenden. Denn eine Gerichtsstandsvereinbarung , wie sie in Art. 14 des Integrationsvertrages getroffen worden ist, beinhaltet bei Fehlen gegenläufiger Anhaltspunkte regelmäßig zugleich die konkludente Wahl des an diesem Gerichtsstand geltenden Rechts, da die Vertragsparteien im Allgemeinen davon ausgehen, dass das als zuständig vereinbarte Gericht sein eigenes Recht anwenden werde, und dies dementsprechend auch anwenden soll (BGH, Urteile vom 4. Februar 1991 - II ZR 52/90, NJW 1991, 1420 unter 2 a mwN; vom 13. Juni 1996 - IX ZR 172/95, WM 1996, 1467 unter II 1 b; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 273/03, WM 2004, 2066 unter II 2; BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand Februar 2013, Art. 3 VO (EG) 593/2008 Rn. 21; MünchKommBGB/Martiny, aaO, Art. 3 Rom I-VO Rn. 48 mwN).
28
Dieses auf eine Wahl niederländischen Rechts hindeutende Indiz wird hier noch dadurch verstärkt, dass die Vertragsparteien als Vertragssprache zugleich die ihnen sämtlich vertraute niederländische Sprache gewählt und die Vertragsurkunde dementsprechend in dieser Sprache verfasst haben (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1997 - II ZR 113/96, NJW 1998, 1321 unter II 1 b; MünchKommBGB/Martiny, aaO Rn. 63 mwN). Demgemäß kommt, da das UN-Kaufrechtsübereinkommen die Voraussetzungen, Wirkungen und Folgen einer Schuldübernahme oder eines Schuldbeitritts nicht regelt (Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 - VIII ZR 423/12, WM 2014, 74 Rn. 12 mwN), auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen Art. 7 des Integrationsvertrages als Mitverpflichtung der Beklagten verstanden werden kann, das niederländische Recht einschließlich der in der dortigen Rechtspraxis gehandhabten Wertungen und Auslegungsregeln zur Anwendung.
29
cc) Das inländische Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts hätte bei Zuweisung einer internationalen Entscheidungszuständigkeit deshalb - jeder Verfahrenseffizienz zuwider - vorrangig nicht nur diese "insolvenzferne" Frage anhand des ihm regelmäßig nicht vertrauten ausländischen Zivilrechts zu klären. Es hätte sich ferner mit der gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB aF nach niederländischem Recht zu beurteilenden und der Hilfsaufrechnung ebenfalls vorrangigen Frage einer Anspruchsverjährung zu befassen. Erst wenn sich danach ein unverjährter Zahlungsanspruch gegen die Beklagte ergäbe, stünde die Wirksamkeit der von der Beklagten für diesen Fall geltend gemachten Hilfsaufrechnung zur Beurteilung an.
30
Zudem beschränkte sich die dabei vorzunehmende Prüfung nicht auf die gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m EuInsVO nach deutschem Insolvenzrecht zu beurteilende Frage einer nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gegebenen (Un-) Zulässigkeit der Aufrechnung. Denn die Anwendbarkeit dieser Regelung, die ungeachtet des nach Art. 6 Abs. 1 EuInsVO für die Aufrechnung maßgeblichen niederländischen Sachstatuts (vgl. dazu Uhlenbruck/Lüer, Insolvenzordnung, 14. Aufl., Art. 6 EuInsVO Rn. 4) gemäß Art. 6 Abs. 2 EuInsVO zu beachten wäre , stünde gemäß Art. 13 EuInsVO unter dem Vorbehalt, dass die Beklagte als durch die benachteiligende Rechtshandlung begünstigte Person nachweist, dass die Aufrechnung, gleich ob sie auf die gesetzlichen Bestimmungen oder ebenso wie die Klageforderung auf Art. 7 des Integrationsvertrages und eine darin möglicherweise liegende Erweiterung der gesetzlichen Aufrechnungsmöglichkeiten gestützt ist, nach dem für sie gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB aF maßgeblichen niederländischen Recht in keiner Weise angreifbar ist. Das für den Sitz des Insolvenzgerichts zuständige inländische Gericht hätte also - ohne dass es darauf für das gefundene Ergebnis allerdings noch entscheidend ankäme - nicht nur die Anfechtbarkeit der Aufrechnung nach deutschem Insolvenzrecht , sondern bei entsprechendem Vortrag parallel dazu auch nach niederländischem Recht zu beurteilen, um darüber das weniger anfechtungsfreundliche Recht zur Anwendung zu bringen (vgl. Uhlenbruck/Lüer, aaO, Art. 13 EuInsVO Rn. 1).
31
dd) Der hiernach fehlende enge Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wird im Übrigen auch nicht bereits dadurch hergestellt, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1, 2 Buchst. m EuInsVO das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zu der Frage für anwendbar erklärt, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich nur um eine das anwendbare materielle Recht regelnde Kollisionsnorm, ohne dass sie darüber hinausgehende Auswirkungen auf den Anwendungsbereich der EuGVVO hat (vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2009 - C-292/08, aaO Rn. 37 - German Graphics).
32
2. Da hiernach die Anwendbarkeit der EuGVVO nicht gemäß deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ausgeschlossen ist, ist das in Art. 14 des Integrationsvertrages bezeichnete niederländische Gericht ungeachtet des Umstandes, dass sich ansonsten auch aus der Lieferverpflichtung in Art. 5 Abs. 1 des Integrationsvertrages eine gleichlaufende Erfüllungsortszuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, b erster Spiegelstrich EuGVVO ergäbe, gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO zur Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich zuständig. Denn die Vertragsparteien haben - was nicht im Streit steht - in Art. 14 des Integrationsvertrages eine den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO gerecht werdende Zuständigkeitsvereinbarung getroffen, welche allein schon wegen der ihr nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO zukommenden Ausschließlichkeit einer internationalen Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte, die im Übrigen auch nach keinem anderen Gerichtsstand der EuGVVO zuständig wären, entgegensteht. Dass der Kläger, der aus dem lange vor Einleitung des Insolvenzverfahrens in nicht anfechtbarer Weise geschlossenen Integrationsvertrag von der Beklagten Erfüllung begehrt, in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter an die darin getroffene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist, steht ebenfalls außer Frage (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1957 - VII ZR 204/56, BGHZ 24, 15, 18; vom 10. Juli 2003 - IX ZR 119/02, BGHZ 155, 371, 376 f.; Musielak/Voit/Heinrich, aaO, § 19a Rn. 6; Gottwald/Eckardt, InsolvenzrechtsHandbuch , 5. Aufl., § 32 Rn. 34; jeweils mwN; ferner auch EuGH, Urteile vom 9. November 2000 - C-387/98, NJW 2001, 501 Rn. 22 ff. - Coreck; vom 21. Mai 2015 - C-352/13, juris Rn. 65 - CDC Hydrogen Peroxide).
33
3. Der Senat ist nicht gehalten, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof zur Auslegung des Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO, Art. 3 Abs. 1 EuInsVO vorzulegen. Deren Auslegung ist, soweit für die Beurteilung des vorliegenden Falles von Bedeutung, durch die vorstehend erörterte Rechtsprechung des Gerichtshofs im Sinne eines acte éclairé geklärt und hier lediglich auf den Einzelfall anzuwenden. Im Übrigen wäre die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts vorliegend im Sinne eines acte clair so offenkundig , dass keine vernünftigen Zweifel daran bestünden, dass auch die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und der Gerichtshof zu dem hier gefundenen Ergebnis gelangen würden (vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03 - Slg. 2005 I-8151 Rn. 33 - Intermodal Transports). Dr. Fetzer Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 03.12.2013 - 6 O 497/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 04.12.2014 - 2 U 29/14 -

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Insolvenzordnung - InsO | § 143 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Insolvenzordnung - InsO | § 96 Unzulässigkeit der Aufrechnung


(1) Die Aufrechnung ist unzulässig, 1. wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,2. wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens vo

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(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.

10
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte , die in jeder Lage des Verfahrens, und zwar auch noch im Revisionsverfahren , von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, WM 2012, 1582 Rn. 22 mwN), und damit die Zuständigkeit des Landgerichts Köln zu Recht für gegeben erachtet. Die Zuständigkeit folgt aus § 29 ZPO, weil die Parteien durch den von ihnen verwendeten Incoterm (International Commercial Term, herausgegeben von der Internationalen Handelskammer ) DDP Cologne Köln als Erfüllungsort vereinbart und darüber zugleich - als Formkaufleute im Sinne von § 6 Abs. 1 HGB nach § 29 Abs. 2 ZPO wirksam - die Zuständigkeit des hier bestehenden Gerichts begründet haben.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 217/01
vom
31. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Im Falle einer hilfsweisen Aufrechnung des Beklagten mit einer Gegenforderung
stellt es keine der Rechtskraft fähige und deshalb für den Beklagten mit einer zusätzlichen
Beschwer verbundene Entscheidung dar, wenn das Gericht die hilfsweise
Aufrechnung - zu Recht oder zu Unrecht - in Anwendung von § 390 Satz 2 BGB für
unzulässig erklärt.
BGH, Beschluß vom 31. Juli 2001 - XI ZR 217/01 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
Dr. Wassermann
am 31. Juli 2001

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, den Wert ihrer Beschwer durch das Urteil des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. Mai 2001 auf mehr als 60.000 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.
Streitwert: 56.000 DM

Gründe:


I.


Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung eines Betrages von insgesamt 59.000 DM, den er der Beklagten als Darlehen gewährt haben will. Die Beklagte bestreitet eine Rückzahlungsverpflichtung und macht geltend, daß ihr ein Betrag von 20.000 DM geschenkt worden sei. Die ihr überwiesenen und sich insgesamt auf 39.000 DM belaufenden Zahlungen von monatlich 1.500 DM seien als Beitrag des Klägers zu den gemeinsamen Haushaltungskosten erbracht worden. Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit zwei Schmerzensgeldansprüchen in Höhe von 10.000 DM und 20.000 DM erklärt, die sie auf wiederholte Tätlichkeiten des Klägers sowie darauf gestützt
hat, daß sie als Beifahrerin bei einem vom Kläger am 10. Juni 1994 verschuldeten Verkehrsunfall Verletzungen erlitten habe. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 56.000 DM nebst Zinsen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers sei gegeben, jedoch in Höhe von 3.000 DM durch die Aufrechnung mit einem Schmerzensgeldanspruch der Beklagten wegen Tätlichkeiten des Klägers erloschen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der sie die Berücksichtigung ihres vorgenannten Schmerzensgeldanspruchs nur in Höhe von 3.000 DM nicht angegriffen hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die 56.000 DM in monatlichen Raten von je 1.000 DM zu zahlen seien. Nach der Festsetzung des Berufungsgerichts übersteigt der Wert der Beschwer für beide Parteien jeweils 60.000 DM nicht.
Die Beklagte hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt und beantragt, den Wert ihrer Beschwer auf mehr als 60.000 DM festzusetzen. Sie ist der Ansicht, der sich aus ihrer Verurteilung ergebenden Beschwer von 56.000 DM sei gemäß § 19 Abs. 3 GKG der Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung von 20.000 DM hinzuzurechnen, da das Oberlandesgericht über diese Forderung mit Rechtskraftwirkung entschieden habe.

II.


Der nach § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Antrag ist nicht begründet. Die Beschwer der Beklagten durch das Berufungsurteil übersteigt 60.000 DM nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt eine vorsorglich zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nur dann zu einer Erhöhung der Beschwer, wenn das Berufungsgericht das Bestehen der Gegenforderung verneint hat und im Falle der Rechtskraft des Berufungsurteils das Nichtbestehen der Gegenforderung nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig festgestellt wäre (BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 1994 - VII ZR 209/93, NJW 1994, 1538 und vom 25. September 1996 - IV ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15). Hat das Berufungsgericht die Hilfsaufrechnung des Beklagten jedoch als unzulässig zurückgewiesen, so führt dies nicht zu einer nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskraftfähigen Entscheidung über die behauptete Gegenforderung (Senat, Beschluß vom 3. Oktober 1989 - XI ZR 90/89, BGHR ZPO § 322 Abs. 2 Aufrechnung 1; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 - IX ZR 67/96, WM 1997, 324, 325 m.w.Nachw.).
So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung mit der auf das Unfallereignis vom 10. Juni 1994 gestützten Gegenforderung der Beklagten als unwirksam angesehen, da die Forderung bereits bei Eintritt der Aufrechnungslage verjährt gewesen und die Aufrechnung damit nach § 390 Satz 2 BGB ausgeschlossen sei. Das materiellrechtliche Aufrechnungsverbot des § 390 BGB regelt die Zulässigkeit der Aufrechnung (Musielak/Stadler, ZPO 2. Aufl. § 145 Rdn. 23; Zöller /Greger, ZPO 22. Aufl. § 145 Rdn. 14; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 145 Anm. D I c). Da das Berufungsgericht die Hilfsaufrechnung somit als unzulässig behandelt hat, ist die Entscheidung hierüber der Rechtskraft nicht fähig. Dabei ist es ohne Belang, ob die Aufrechnung zu Recht als unzulässig angesehen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996, aaO).
Daran, daß hinsichtlich der auf den Verkehrsunfall vom 10. Juni 1994 gestützten Aufrechnungsforderung der Beklagten eine der Rechtskraft fähige Entscheidung nicht ergangen ist, ändert auch der Umstand nichts, daß das Berufungsgericht im weiteren Verlauf seiner Entscheidungsgründe diesen Anspruch auch wegen eines Verzichts der Beklagten als nicht bestehend bezeichnet hat. Diese zusätzlichen Ausführungen über die Begründetheit der Aufrechnung sind als nicht vorhanden zu behandeln, weil das Berufungsgericht die Frage nach der Zulässigkeit verneint hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1983 - VIII ZR 320/80, NJW 1984, 128, 129; BGH, Beschluß vom 25. September 1996 - IV ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15).
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann
2
von Die den Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung ist bei der Bemessung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen. Nach § 45 Abs. 3 GKG erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, mit der der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung erklärt hat, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung (§ 322 Abs. 2 ZPO) über sie ergeht. Das ist nicht anzunehmen, wenn die Hilfsaufrechnung als unzulässig zurückgewiesen wird (vgl. nur BGH, Beschluss vom 31. Juli 2001 - XI ZR 217/01, NJW 2001, 3616; Zöller /Herget, ZPO 28. Aufl. § 3 Rn. 16 "Aufrechnung"; Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar 12. Aufl. Rn. 568 f., 573, jeweils m.w.N.).
21
aa) Durch Art. 27 Brüssel-I-VO sollen im Interesse einer geordneten Rechtspflege soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander "unvereinbar" im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO sind und deshalb im jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden. Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen im Sinne von Art. 34 Nr. 3 Brüssel-I-VO und die Frage, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch anhängig ist, kommt es nicht auf die formale Identität der Klagen, sondern darauf an, ob der Kernpunkt der Klagen derselbe ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987 - 144/86, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 Rn. 8 und 13 - Gubisch Maschinenfabrik; BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR 106/01, NJW 2002, 2795 f.). Bei der danach gebotenen weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals "desselben Anspruchs" im Sinne von Art. 27 Brüssel-I-VO sind das jeweilige Klagebegehren in den Rechtsstreitigkeiten und der Sachverhalt sowie die Rechtsvorschriften, auf die die Klagen gestützt werden, zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - C-406/92, Slg. 1994, I-5439 = ZIP 1995, 943 Rn. 38 bis 44 - Tatry; Urteil vom 8. Mai 2003 - C-111/01, Slg. 2003, I-4207 = NJW 2003, 2596 Rn. 25 f. - Gantner Electronic; Urteil vom 9. November 2010 - C-296/10, NJW 2011, 363 Rn. 68 - Purrucker/Pérez).
17
bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ferner davon abgesehen, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen aus dem Handelsvertreterverhältnis der Parteien unter Anwendung des Art. 6 Nr. 3 EuGVVO zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen. Denn Gegenstand des Rechtsstreits sind allein die Kaufpreisforderungen der Beklagten, deren Fortbestand der Kläger verneint (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1991 - VIII ZR 32/91, WM 1992, 627, unter II 2 a). Demgegenüber stellt die Aufrechnung mit den erhobenen Gegenforderungen lediglich ein Verteidigungsmittel dar, auf das Art. 6 Nr. 3 EuGVVO keine Anwendung findet (EuGH, Urteil vom 13. Juli 1995 - Rs. C-341/93, WM 1995, 2161, Rdnr. 12 ff. - Danværn Production A/S / Schuhfabriken Otterbeck GmbH & Co.) und das auch sonst nicht geeignet ist, eine Erfül- lungsortzuständigkeit für die den Streitgegenstand bildenden Kaufpreisforderungen zu begründen.
12
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Aufrechnende nicht gehindert, eine einmal erklärte Prozessaufrechnung zurückzunehmen (Bundesgerichtshof Urteil vom 11. Oktober 1990 - I ZR 32/89 - NJW-RR 1991, 156, 157). Dies ist eine Folge des Umstandes, dass die im Prozess erklärte Aufrechnung ein Verteidigungsmittel ist, das auch in seiner sachlich-rechtlichen Auswirkung davon abhängig ist, dass die prozessuale Geltendmachung der Aufrechnung wirksam wird. Dementsprechend ist es der aufrechnenden Prozesspartei auch nicht verwehrt, eine zurückgenommene Aufrechnung später erneut zu erklären und nunmehr mit einem anderen Tilgungsrang zu versehen, später nur die Bestimmung über die Tilgungsreihenfolge zu ändern oder eine solche Bestimmung überhaupt erst nachträglich zu treffen. Eine solche Änderung oder nachträgliche Bestimmung der Tilgungsreihenfolge ist auch in der Berufungsinstanz - abgesehen von den in den §§ 530, 531 ZPO geregelten Verspätungsfolgen - grundsätzlich möglich (vgl. BGHZ 149, 120, 124). Das Oberlandesgericht will die aufrechnende Partei demgegenüber an der ersten Aufrechnungserklärung festhalten, die sie im Verfahren vor dem Landgericht abgegeben hat. Die dem zugrunde liegende Auffassung wird bereits der Rechtsnatur einer Hilfsaufrechnung nicht gerecht, die nur für den Fall erklärt ist, dass das Gericht die Klagforderung in seiner abschließenden Entscheidung für begründet erachtet. Die Hilfsaufrechnung greift etwa dann nicht, wenn der Kläger seine Klage zurücknimmt.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

12
a) Es besteht in der internationalen Rechtspraxis weitgehende Übereinstimmung , dass sich die Voraussetzungen, Wirkungen und Folgen einer Schuldübernahme und eines Schuldbeitritts allein nach dem hierfür anwendbaren nationalen Recht beurteilen (Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2013, Art. 4 CISG Rn. 57 mwN). Das hat erst recht zu gelten, wenn ein Schuldbeitritt, wie er in § 25 HGB geregelt ist, nicht auf vertraglicher Vereinbarung beruht, sondern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen nachträglich kraft Gesetzes eintritt (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 1989 - II ZR 237/88, WM 1989, 1219 unter 3 b; vom 5. März 1974 - VI ZR 240/73, WM 1974, 395, 396; vom 26. November 1964 - VII ZR 75/63, BGHZ 42, 381, 384; RGZ 135, 104, 107 f.; ebenso zum gesetzlichen Forderungsübergang von Ansprüchen aus der CMR BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - I ZR 5/96, WM 1998, 2077 unter II 1 b aa).

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 119/02
Verkündet am:
10. Juli 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
KO §§ 3, 17, 26, 43, 59

a) Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch, der nicht dinglich abgesichert und inhaltlich
nicht auf eine Aussonderung gerichtet ist, bindet den Konkursverwalter nicht,
wenn der zugrunde liegende Vertrag nicht die Konkursmasse verpflichtet.

b) Schuldrechtliche Verträge wirken grundsätzlich nur nach Maßgabe der §§ 17 bis
28 KO gegen die Konkursmasse.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2003- IX ZR 119/02 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Mai 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der WGS G. GmbH & Co. KG (nachfolgend: WGS oder Gemeinschuldnerin). Diese kaufte von der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 15. Juni 1992 ein in S. gelegenes Grundstück. Dieser Vertrag enthält in Abschnitt III. eine nachbarrechtliche Vereinbarung, deren § 1 Abs. 2 unter anderem wie folgt lautet :
"Der Käufer verpflichtet sich, ... 2.2 ggf. d.h., wenn doch nur die Nutzung durch einen gastronomischen Betrieb zustandekommt, dem Betreiber keine Parkplätze zu vermieten.
2.3 Der Käufer hat vorstehende Verpflichtungen an einen eventuellen Rechtsnachfolger verbindlich weiterzugeben." Der Kaufpreis wurde bezahlt, die WGS ist Eigentümerin des Grundstücks geworden. Am 31. Oktober 1997 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger vermietete das Objekt einschließlich der vier Stellplätze mit Wirkung vom 1. Dezember 2000 zum Betrieb einer Gaststätte mit Tanzlokal. Da für eine solche Nutzung eine Baugenehmigung erforderlich war, verlangte die Baubehörde den Nachweis von fünf Stellplätzen. Die mitvermieteten Plätze wurden wegen der im notariellen Vertrag vom 15. Juni 1992 enthaltenen Vereinbarung nicht anerkannt. Die Beklagte weigerte sich unter Berufung auf den notariellen Vertrag, an einer einvernehmlichen Lösung mitzuwirken.
Der Kläger, der das Objekt inzwischen anderweitig vermietet hat, verlangt die Feststellung, daß der Beklagten kein Anspruch gegen ihn zustehe, es zu unterlassen, die zum Objekt gehörenden Parkplätze an einen gastronomischen Betrieb mit zu vermieten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger hilfsweise beantragt festzustellen, daß der Beklagten kein entsprechender Unterlassungsanspruch im Sinne einer Konkursforderung , einer Masseschuld oder eines Aussonderungsrechts zustehe. Das Berufungsgericht hat dem Hauptantrag entsprochen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht bejaht die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage , weil die Beklagte sich eines Unterlassungsanspruchs berühme, was ein rechtliches Interesse des Klägers an der Klärung des streitig gewordenen Rechtsverhältnisses begründe. Ein solches Interesse sei selbst dann zu bejahen , wenn der jetzige Mieter die Stellplätze nicht in Anspruch nehme; denn die zwischen den Parteien streitige Frage könne für die zukünftige Nutzung des Objekts jederzeit wieder Bedeutung gewinnen.
Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden von der Revision auch nicht angegriffen.

II.

1. Das Berufungsgericht sieht den Hauptantrag der Klage als gerechtfertigt an und hat zur Begründung ausgeführt:
Der Kläger habe sich nicht durch eine konkludent vorgenommene Ausübung eines Wahlrechts nach § 17 KO an die nachbarrechtlich vereinbarte Nutzungsart gebunden; denn die Vorschrift sei nicht anwendbar, weil der schuldrechtliche Kaufvertrag bereits bei Konkurseröffnung vollständig erfüllt gewesen sei.
Ansprüche auf Unterlassung seien keine Konkursforderungen und könnten daher nicht zur Tabelle angemeldet werden. Ob der Konkursverwalter zur Unterlassung verpflichtet sei, müsse daher haftungsrechtlich aus dem Rechtsverhältnis abgeleitet werden, dem die Nebenpflicht entspringe. Lasten
und Beschränkungen des Massegegenstandes seien vom Konkursverwalter zu beachten. Der von der Beklagten geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei weder dinglich gesichert noch schütze er ein absolutes Recht. Er beruhe allein auf einer mit der Gemeinschuldnerin getroffenen Vereinbarung und könne daher den Insolvenzverwalter nicht binden. Werde der Unterlassungsanspruch verletzt, entstehe ein Schadensersatzanspruch, der am Konkursrisiko der Gläubigergemeinschaft teilnehme. Diese Sicht sei auch interessegerecht, weil der Beklagten, wenn die Gemeinschuldnerin das Grundstück vorkonkurslich veräußert und dabei die Unterlassungsverpflichtung nicht weitergegeben hätte, nur ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Konkursquote zugestanden hätte.
2. Demgegenüber rügt die Revision: Es liege keine vollständige Erfüllung im Sinn des § 17 KO vor; denn die hier fragliche Unterlassungspflicht sei bestehen geblieben. Ob sie eine Haupt- oder Nebenpflicht darstelle, sei unerheblich. Ein Unterlassungsanspruch könne Aussonderungscharakter haben. Er richte sich gegen den Kläger, der gemäß § 6 KO Rechtsnachfolger der Gemeinschuldnerin und als solcher an den notariellen Kaufvertrag gebunden sei. Es bestehe eine massebezogene Zustandshaftung.
3. Damit dringt die Revision nicht durch.
Die Beklagte verlangt aufgrund eines Vertrages mit der Gemeinschuldnerin , daß der klagende Konkursverwalter ein Grundstück, das als Eigentum der Gemeinschuldnerin in die Konkursmasse gefallen ist, nicht in einer bestimmten Weise nutzt. Für eine solche Einschränkung des aus dem Eigentum folgenden Nutzungsrechts besteht gegenüber dem Kläger, der die Konkursmasse im Interesse der Gesamtheit aller Gläubiger verwaltet, keine Rechtsgrundlage.

a) Der vertragliche Unterlassungsanspruch der Beklagten ist nicht - insbesondere nicht durch eine Dienstbarkeit (§§ 1018, 1090 BGB) - dinglich verfestigt.

b) Der von der Beklagten erhobene Anspruch ist ferner nicht auf eine Aussonderung aus der Konkursmasse (§ 43 KO) gerichtet. Der vertragliche Anspruch hat inhaltlich nicht die Feststellung zum Ziel, daß das Grundstück als solches ganz oder in realen Teilen oder ein Recht daran nicht der Konkursmasse zustehe. Die Beklagte macht auch nicht geltend, der Kläger maße sich eine Nutzung an, die rechtlich allein ihr gebühre (zu diesen Voraussetzungen vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 3 Rn. 27, § 10 Rn. 21; Stürner ZZP 94 [1981], 263, 306 f; zu verallgemeinernd Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 43 KO Rn. 1). Vielmehr richtet sich die Klage gegen die uneingeschränkte Ausübung einer Rechtsmacht, die an sich aus dem Eigentum folgt, nämlich - neben dem Recht zur Verwertung der Sachsubstanz - des Nutzungsrechts. Das fällt nicht unter § 43 KO.

c) Der Vertrag, auf den die Beklagte hier ihren Unterlassungsanspruch stützt, wirkt auch nicht gegenüber der Konkursmasse. Insbesondere unterlag er nicht einem Erfüllungswahlrecht des Klägers gemäß § 17 KO, weil die Beklagte vollständig vorgeleistet hatte: Sie hatte das Eigentum am Grundstück uneingeschränkt an die GmbH übertragen. Ob diese ihrerseits noch Hauptpflichten aus dem Vertrage zu erfüllen hatte - d.h. insbesondere, ob die hier fragliche Unterlassungspflicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Eigentumsübertragung stand -, ist danach unerheblich.
aa) Schuldrechtliche Verträge wirken grundsätzlich nur nach Maßgabe der §§ 17-28 KO gegen die Konkursmasse (vgl. Jaeger/Henckel, aaO § 6
Rn. 148). Diese Vorschriften sind nicht abdingbar. § 53 VerglO und § 119 InsO legen das ausdrücklich fest, aber auch für den unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 17 ff KO - von Lösungsklauseln für den Konkursfall abgesehen - ist dies anerkannt (vgl. RGZ 56, 245, 247; Jaeger/Henckel, aaO § 17 Rn. 213).
Die §§ 17-28 KO bezwecken grundsätzlich eine abschließende Regelung vertraglicher Schmälerungen der Konkursmasse. Für die §§ 18-24 KO ergibt sich dies mittelbar aus § 25 KO, der aufgrund des Verständnisses des Gesetzgebers erlassen wurde, daß etwa abweichende Regelungen ausdrücklich eröffnet werden müssen. Die Begründung zu § 20 des Regierungsentwurfs der Konkursordnung von 1877 drückt dies wie folgt aus: "Die Vorschriften, welche die §§ 16-19 des Entwurfs [§§ 18-22 KO in der geltenden Fassung] für die dort bezeichneten Arten zweiseitiger Verträge treffen, derogieren den ihnen zuwiderlaufenden Bestimmungen des bürgerlichen Rechts" (Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, 1881, im folgenden: Mot.KO, S. 100).
Für diejenigen Verträge, die - wie der hier fragliche - unter § 17 KO fallen könnten, gilt nichts anderes, soweit daraus Ansprüche gegen das Vermögen des Gemeinschuldners abgeleitet werden sollen. Dieses Grundverständnis des Entwurfs zur Konkursordnung kommt in der Systematik der getroffenen Regelungen deutlich zum Ausdruck. Der zweite Titel der Konkursordnung sollte erklärtermaßen die Frage lösen, "ob und inwieweit ein solches Rechtsverhältnis [ein vom Gemeinschuldner rechtsgültig eingegangener Vertrag], wenn es vor der Eröffnung des Verfahrens noch nicht erfüllt war, nach derselben in der vertragsmäßigen Weise noch erfüllt werden kann oder muß". Diese Frage wurde dahin beantwortet, daß § 15 des Entwurfs [jetzt: § 17 KO] "für die Erfüllung zweiseitiger Verträge des Gemeinschuldners die Regel auf[stellt] und... in § 20 [jetzt: § 25 KO] das Verhältnis derselben zu den Vorschriften des bürgerlichen
Rechts fest[setzt]" (Mot.KO S. 83). Danach bestimmt "§ 21 [jetzt: § 26 KO]... die Folgen ..., welche eine Einwirkung des Konkursverfahrens auf zweiseitige sowohl, als auf einseitige Verträge nach sich zieht." Eine ausdrückliche Regelung des abschließenden Charakters der §§ 17, 26 KO wurde für entbehrlich gehalten, weil sich "diese Folgerungen... bei einer Berücksichtigung der allgemeinen Prinzipien der Konkursordnung ... von selbst" ergeben (Mot.KO S. 84).
Von dieser Sonderregelung erfaßt werden insbesondere auch diejenigen gegenseitig verpflichtenden Verträge, bei denen der Vertragspartner des späteren Gemeinschuldners - wie im vorliegenden Fall - seine Leistung vor Konkurseröffnung schon vollständig erbracht hat, während diejenige des Gemeinschuldners noch aussteht. In diesem Falle bleibt zwar der Gemeinschuldner persönlich zur Erbringung etwa noch ausstehender Gegenleistungen grundsätzlich verpflichtet. Gegenüber seinem der Gläubigergesamtheit haftenden Vermögen kann aber der insoweit forderungsberechtigte Vertragspartner seinen Anspruch auf noch ausstehende Gegenleistungen allenfalls als Konkursforderung geltend machen (RGZ 63, 230, 231; Mot.KO S. 108; Jaeger/Henckel, aaO § 17 Rn. 4; vgl. MünchKomm-InsO/Huber, § 103 Rn. 60). Solche Ansprüche werden grundsätzlich schon nach § 3 KO mit der Konkurseröffnung zu Konkursforderungen. Eine Verpflichtung der Konkursmasse hieraus soll stets ausscheiden (Mot.KO S. 87).
bb) Diesem Verständnis des Regelungsgehalts der §§ 17 ff KO stehen frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht entgegen.
In dem in BGHZ 24, 15 ff abgedruckten Urteil hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zwar entschieden, daß der Konkursverwalter regelmäßig an eine vom Gemeinschuldner getroffene Schiedsabrede gebunden bleibt. Die-
ses Ergebnis hat er pauschal mit dem Satz begründet, daß der Konkursverwalter grundsätzlich die Rechtslage übernehmen müsse, die bei Eröffnung des Verfahrens bestehe (aaO S. 18). In dem zugrundeliegenden Fall war es aber der Konkursverwalter seinerseits, der einen vermeintlichen vertraglichen Anspruch für die Konkursmasse geltend machte, insoweit also konkludent die Vertragserfüllung gewählt hatte. Zudem ging es allein um die prozessuale Durchsetzung der eingeklagten Forderung - vor einem ordentlichen Gericht oder einem Schiedsgericht -, nicht um deren materiell-rechtliche Umgestaltung. Schiedsabreden selbst fallen, wie das Urteil zutreffend bemerkt (aaO S. 18), weder unter § 17 KO noch unter § 23 KO.
In späteren Urteilen ist als tragende Erwägung - genauer - ausgesprochen , daß der Konkursverwalter grundsätzlich für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte geltend machen kann als dem Gemeinschuldner zustehen würden (BGHZ 44, 1, 4; 56, 228, 230 f; 106, 169, 175; vgl. auch BGHZ 113, 98, 105 f; Jaeger/Henckel, aaO § 6 Rn. 147). Auch in dem Fall, über den der erkennende Senat durch Urteil vom 17. Dezember 1998 (IX ZR 151/98, WM 1999, 229 ff) entschieden hat, war es der Konkursverwalter, der eine Forderung für die Masse einklagte; dieser konnte der Werkbesteller erfolgreich mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegentreten (Urteil, aaO S. 230 f; vgl. auch § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 KO).
Mit der Umgestaltung vertraglicher Ansprüche gegen die Konkursmasse, die § 26 KO anordnet, befassen sich alle vorgenannten Erkenntnisse nicht. Die §§ 17 ff KO erweitern einerseits nicht vertragliche Rechte des Gemeinschuldners; sie halten aber umgekehrt vertragliche Belastungen unter bestimmten Voraussetzungen von dessen konkursbefangenem Vermögen fern. Von dieser Unterscheidung zwischen vertraglichen Pflichten und Rechten des Gemein-
schuldners ging nach der amtlichen Begründung zur Konkursordnung (Mot.KO S. 85 f) auch der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 17 KO aus.

d) Der Umstand, daß der hier fragliche vertragliche Anspruch auf eine Unterlassung gerichtet ist, führt für sich allein nicht zu einer Verpflichtung der Konkursmasse. Ob und inwieweit Unterlassungsansprüche gegen den Gemeinschuldner statt dessen oder zusätzlich die Konkursmasse verpflichten, hängt nicht vom Inhalt dieses Anspruchs, sondern von dessen konkursrechtlicher Qualität ab: Ist der Anspruch nicht gegenständlich auf eine Aussonderung aus der Konkursmasse gerichtet (siehe oben b), entscheidet über seine konkursrechtliche Wirkung, inwieweit sich die Rechtsgrundlage des Anspruchs gerade auch auf die Konkursmasse erstreckt.
Dies gilt im Ansatz unabhängig davon, ob der Unterlassungsanspruch im Einzelfall vermögensrechtlicher oder nicht vermögensrechtlicher Natur ist. Die amtliche Begründung zum zweiten Titel der Konkursordnung (Mot.KO S. 84; vgl. auch S. 85 zu § 15) spricht die Gleichbehandlung ausdrücklich für höchstpersönliche Verpflichtungen des Gemeinschuldners aus: Dieser bleibe zwar zu deren Erfüllung selbst verpflichtet; gegen dessen Konkursmasse könnten aber aus der Nichterfüllung lediglich Konkursforderungen abgeleitet werden.
aa) Teilweise wird in der Literatur allerdings pauschal die Meinung geäußert , Unterlassungsansprüche begründeten keine Konkursforderungen und könnten deshalb nicht zur Konkurstabelle angemeldet werden (Hess, KO 6. Aufl. § 3 Rn. 9; Jaeger Anm. in JW 1932, 380; ferner MünchKommInsO /Ehricke, § 38 Rn. 38; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 38 Rn. 18; Uhlenbruck , InsO 12. Aufl. § 38 Rn. 22; Gottwald/Klopp/Kluth, InsolvenzrechtsHandbuch 2. Aufl. § 19 Rn. 10). Dies trifft aber nur in dem Sinne zu, daß Un-
terlassungsansprüche als solche keinen zur Konkurstabelle anmeldbaren Inhalt haben. Schon über die weitere Behandlung derartiger Ansprüche im Konkurs besagt dies jedoch nichts. Erst recht folgt daraus nicht etwa, daß alle Unterlassungsansprüche , die nicht zur Konkurstabelle angemeldet werden können, mit ihrem Hauptinhalt gegen die Konkursmasse durchzusetzen seien.
bb) Nach Ansicht des Senats spricht allerdings viel dafür, daß ein etwaiger Vermögenswert von Unterlassungsansprüchen - mindestens aber das Nichterfüllungsinteresse eines vertraglichen Unterlassungsgläubigers - eine Konkursforderung begründet, wenn diese Pflicht nicht die Insolvenzmasse bindet (vgl. H. Lehmann ZZP 38 [1909], 68, 103, 110 f; Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 59 Rn. 4). Die amtliche Begründung zu § 17 KO [§ 15 des Entwurfs] spricht für Forderungen auf Leistung einer Handlung allgemein aus, daß der Gläubiger "nur sein Interesse in Geld liquidieren [kann]; denn jeder obligatorische Anspruch verwandelt sich bei der schließlichen Vollstreckung in eine Geldforderung" (Mot.KO S. 85; vgl. auch MünchKomm-InsO/Lwowski/Bitter, § 45 Rn. 8 f; Nerlich/Römermann/Andres, InsO § 45 Rn. 2 a.E.). Strafen aus älteren Zuwiderhandlungen des Gemeinschuldners gegen Unterlassungspflichten können - vorbehaltlich des § 63 Nr. 3 KO - anerkanntermaßen zu Konkursforderungen i.S.v. § 3 KO führen (Kilger/K. Schmidt, aaO § 3 KO Anm. 2 f; ferner Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 2. Aufl. § 38 Rn. 7).
Letztlich braucht die Frage hier nicht allgemein und abschließend entschieden zu werden. Denn sogar dann, wenn die Beklagte wegen vermögensrechtlicher Nachteile aufgrund der Unverbindlichkeit der Unterlassungspflicht im Konkurs des Schuldners nicht aus der Konkursmasse zu entschädigen wäre, beruhte das allein darauf, daß sie nicht dessen Vermögen konkursbeständig mit dieser Pflicht belastet hat (s.o.a). Indem sie gegenüber dem klagenden Kon-
kursverwalter auf der Einhaltung der vertraglichen Unterlassungspflicht besteht, versucht sie im Ergebnis, der Konkursmasse wieder einen Teil des umfassenden dinglichen Nutzungsrechts zu entziehen, welches das Eigentum am Grund- stück verschafft. Gerade eine - auch nur teilweise - Rückgewähr von Gegenständen , die vertraglich in das der Gläubigergesamtheit haftende Vermögen des Gemeinschuldners vorgeleistet wurden, soll § 26 Satz 1 KO ausschließen. Für vom Gemeinschuldner zu erbringende Gegenleistungen, die nicht auf Geldzahlungen gerichtet sind, führt die Begründung zum Entwurf der Konkursordnung aus, das Konkursrecht "verwandelt gesetzlich ohne Zuthun des Schuldners jede Forderung aus ein- wie aus zweiseitigen Verträgen in eine Geldforderung , - und sollte dies bei einer Obligation auf ein Thun nicht möglich sein, dann entzieht diese, wie schon gedacht, sich überhaupt der Anwendung des § 15 [jetzt: § 17 KO]" (S. 104 f; vgl. auch S. 106, 107). Sie bleibt also insgesamt außerhalb des Konkursverfahrens.
cc) Abweichendes ergibt sich nicht aus der bisherigen Rechtsprechung. Diese hat sich mit dem rechtlichen Schicksal vertraglicher Unterlassungsansprüche im Konkurs bisher, soweit erkennbar, nicht befaßt. Das Senatsurteil vom 18. Oktober 2001 (IX ZR 493/00, ZIP 2001, 2142, 2143 f) betrifft einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 3, 13 Abs. 6 UWG gegen einen Konkursverwalter , der zu Wettbewerbszwecken irreführende Angaben über Verträge gemacht hatte, welche der Gemeinschuldner schon vor Konkurseröffnung rechtswirksam auf einen Erwerber übertragen hatte. Durch sein Verhalten machte der Konkursverwalter gem. § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO die Konkursmasse schadensersatzpflichtig.
Wiederholt haben sich der Bundesgerichtshof (Urt. v. 21. Oktober 1965 - Ia ZR 144/63, GRUR 1966, 218, 219 f) und das Reichsgericht (RGZ 45, 374,
375; 89, 114, 115; 132, 362, 363; vgl. auch RGZ 134, 377, 378 f) mit patent- rechtlichen Unterlassungsansprüchen befaßt und dafür ausgesprochen, daß der Konkurs über das Vermögen des angeblichen Patentverletzers einen auf Unterlassung gerichteten Prozeß unterbreche oder daß der Konkursverwalter das Verfahren wieder aufnehmen könne. Dies liegt - angesichts des mindestens aussonderungsähnlichen Charakters einer solchen Klage (siehe oben b; vgl. K. Schmidt ZZP 90 [1977], 38, 49 ff) aus einem absolut geschützten Recht - nahe. Entsprechendes trifft für das Urteil RGZ 45, 170, 171 f zu, das auf der Grundlage des früheren gemeinen deutschen Rechts eine konkursbedingte Prozeßunterbrechung für einen Unterlassungsanspruch aussprach, der nach heutiger Rechtsauffassung auf die Verletzung eines absolut geschützten Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB) durch den Gemeinschuldner zu stützen und wegen des späteren Verhaltens des Konkursverwalters gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO auch gegen die Konkursmasse zu richten war.
Das Kammergericht (NZI 2000, 238, 239) hat einen Beschluß bestätigt, durch den einem Schuldner ein Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot (§ 890 ZPO) auferlegt wurde. Hierbei hat es den Umstand, daß über das Vermögen des Schuldners während des Verfahrens der weiteren Beschwerde ein Konkursverfahren eröffnet wurde, für unerheblich gehalten. Dies folgte ohne weiteres aus der Erwägung, daß sich der zu vollstreckende Titel gegen den Schuldner persönlich richtete und schon deshalb nicht unmittelbar gegen dessen Konkursmasse zu vollstrecken war.

Dafür, daß eine vom Gemeinschuldner vertraglich begründete Unterlassungspflicht allein wegen dieses Inhalts dessen Konkursmasse verpflichten könnte, ergibt sich aus alledem nichts.
Kreft Kirchhof Fischer
Richter am Bundesgerichtshof Raebel ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft Bergmann